Skip to main content

Full text of "Jahrbuch"

See other formats


This  is  a  digital  copy  of  a  book  that  was  preserved  for  generations  on  library  shelves  before  it  was  carefully  scanned  by  Google  as  part  of  a  project 
to  make  the  world's  books  discoverable  online. 

It  has  survived  long  enough  for  the  copyright  to  expire  and  the  book  to  enter  the  public  domain.  A  public  domain  book  is  one  that  was  never  subject 
to  copyright  or  whose  legal  copyright  term  has  expired.  Whether  a  book  is  in  the  public  domain  may  vary  country  to  country.  Public  domain  books 
are  our  gateways  to  the  past,  representing  a  wealth  of  history,  culture  and  knowledge  that's  often  difficult  to  discover. 

Marks,  notations  and  other  marginalia  present  in  the  original  volume  will  appear  in  this  file  -  a  reminder  of  this  book's  long  journey  from  the 
publisher  to  a  library  and  finally  to  you. 

Usage  guidelines 

Google  is  proud  to  partner  with  libraries  to  digitize  public  domain  materials  and  make  them  widely  accessible.  Public  domain  books  belong  to  the 
public  and  we  are  merely  their  custodians.  Nevertheless,  this  work  is  expensive,  so  in  order  to  keep  providing  this  resource,  we  have  taken  steps  to 
prevent  abuse  by  commercial  parties,  including  placing  technical  restrictions  on  automated  querying. 

We  also  ask  that  you: 

+  Make  non-commercial  use  of  the  files  We  designed  Google  Book  Search  for  use  by  individuals,  and  we  request  that  you  use  these  files  for 
personal,  non-commercial  purposes. 

+  Refrain  from  automated  querying  Do  not  send  automated  queries  of  any  sort  to  Google's  system:  If  you  are  conducting  research  on  machine 
translation,  optical  character  recognition  or  other  areas  where  access  to  a  large  amount  of  text  is  helpful,  please  contact  us.  We  encourage  the 
use  of  public  domain  materials  for  these  purposes  and  may  be  able  to  help. 

+  Maintain  attribution  The  Google  "watermark"  you  see  on  each  file  is  essential  for  informing  people  about  this  project  and  helping  them  find 
additional  materials  through  Google  Book  Search.  Please  do  not  remove  it. 

+  Keep  it  legal  Whatever  your  use,  remember  that  you  are  responsible  for  ensuring  that  what  you  are  doing  is  legal.  Do  not  assume  that  just 
because  we  believe  a  book  is  in  the  public  domain  for  users  in  the  United  States,  that  the  work  is  also  in  the  public  domain  for  users  in  other 
countries.  Whether  a  book  is  still  in  copyright  varies  from  country  to  country,  and  we  can't  offer  guidance  on  whether  any  specific  use  of 
any  specific  book  is  allowed.  Please  do  not  assume  that  a  book's  appearance  in  Google  Book  Search  means  it  can  be  used  in  any  manner 
anywhere  in  the  world.  Copyright  infringement  liability  can  be  quite  severe. 

About  Google  Book  Search 

Google's  mission  is  to  organize  the  world's  information  and  to  make  it  universally  accessible  and  useful.  Google  Book  Search  helps  readers 
discover  the  world's  books  while  helping  authors  and  publishers  reach  new  audiences.  You  can  search  through  the  full  text  of  this  book  on  the  web 


atjhttp  :  //books  .  qooqle  .  com/ 


Uber  dieses  Buch 

Dies  ist  ein  digitales  Exemplar  eines  Buches,  das  seit  Generationen  in  den  Regalen  der  Bibliotheken  aufbewahrt  wurde,  bevor  es  von  Google  im 
Rahmen  eines  Projekts,  mit  dem  die  Biicher  dieser  Welt  online  verfiigbar  gemacht  werden  sollen,  sorgfaltig  gescannt  wurde. 

Das  Buch  hat  das  Urheberrecht  uberdauert  und  kann  nun  offentlich  zuganglich  gemacht  werden.  Ein  offentlich  zugangliches  Buch  ist  ein  Buch, 
das  niemals  Urheberrechten  unterlag  oder  bei  dem  die  Schutzfrist  des  Urheberrechts  abgelaufen  ist.  Ob  ein  Buch  offentlich  zuganglich  ist,  kann 
von  Land  zu  Land  unterschiedlich  sein.  Offentlich  zugangliche  Biicher  sind  unser  Tor  zur  Vergangenheit  und  stellen  ein  geschichtliches,  kulturelles 
und  wissenschaftliches  Vermogen  dar,  das  haufig  nur  schwierig  zu  entdecken  ist. 

Gebrauchsspuren,  Anmerkungen  und  andere  Randbemerkungen,  die  im  Originalband  enthalten  sind,  finden  sich  auch  in  dieser  Datei  -  eine  Erin- 
nerung  an  die  lange  Reise,  die  das  Buch  vom  Verleger  zu  einer  Bibliothek  und  weiter  zu  Ihnen  hinter  sich  gebracht  hat. 

Nutzungsrichtlinien 

Google  ist  stolz,  mit  Bibliotheken  in  partner schaftlicher  Zusammenarbeit  offentlich  zugangliches  Material  zu  digitalisieren  und  einer  breiten  Masse 
zuganglich  zu  machen.  Offentlich  zugangliche  Biicher  gehoren  der  Offentlichkeit,  und  wir  sind  nur  ihre  Hitter.  Nichtsdestotrotz  ist  diese 
Arbeit  kostspielig.  Um  diese  Ressource  weiterhin  zur  Verfiigung  stellen  zu  konnen,  haben  wir  Schritte  unternommen,  um  den  Missbrauch  durch 
kommerzielle  Parteien  zu  verhindern.  Dazu  gehoren  technische  Einschrankungen  fiir  automatisierte  Abfragen. 

Wir  bitten  Sie  um  Einhaltung  folgender  Richtlinien: 

+  Nutzung  der  Dateien  zu  nichtkommerziellen  Zwecken  Wir  haben  Google  Buchsuche  fiir  Endanwender  konzipiert  und  mochten,  dass  Sie  diese 
Dateien  nur  fiir  personliche,  nichtkommerzielle  Zwecke  verwenden. 

+  Keine  automatisierten  Abfragen  Senden  Sie  keine  automatisierten  Abfragen  irgendwelcher  Art  an  das  Google-System.  Wenn  Sie  Recherchen 
liber  maschinelle  Ubersetzung,  optische  Zeichenerkennung  oder  andere  Bereiche  durchfiihren,  in  denen  der  Zugang  zu  Text  in  groBen  Mengen 
nutzlich  ist,  wenden  Sie  sich  bitte  an  uns.  Wir  fordern  die  Nutzung  des  offentlich  zuganglichen  Materials  fiir  diese  Zwecke  und  konnen  Ihnen 
unter  Umstanden  helfen. 

+  Beibehaltung  von  Google-Markenelementen  Das  "Wasserzeichen"  von  Google,  das  Sie  in  jeder  Datei  finden,  ist  wichtig  zur  Information  iiber 
dieses  Projekt  und  hilft  den  Anwendern  weiteres  Material  iiber  Google  Buchsuche  zu  finden.  Bitte  entfernen  Sie  das  Wasserzeichen  nicht. 

+  Bewegen  Sie  sich  innerhalb  der  Legalitdt  Unabhangig  von  Ihrem  Verwendungszweck  miissen  Sie  sich  Ihrer  Verantwortung  bewusst  sein, 
sicherzustellen,  dass  Ihre  Nutzung  legal  ist.  Gehen  Sie  nicht  davon  aus,  dass  ein  Buch,  das  nach  unserem  Dafiirhalten  fiir  Nutzer  in  den  USA 
offentlich  zuganglich  ist,  auch  fiir  Nutzer  in  anderen  Landern  offentlich  zuganglich  ist.  Ob  ein  Buch  noch  dem  Urheberrecht  unterliegt,  ist 
von  Land  zu  Land  verschieden.  Wir  konnen  keine  Beratung  leisten,  ob  eine  bestimmte  Nutzung  eines  bestimmten  Buches  gesetzlich  zulassig 
ist.  Gehen  Sie  nicht  davon  aus,  dass  das  Erscheinen  eines  Buchs  in  Google  Buchsuche  bedeutet,  dass  es  in  jeder  Form  und  uberall  auf  der 
Welt  verwendet  werden  kann.  Eine  Urheberrechtsverletzung  kann  schwerwiegende  Folgen  haben. 

Uber  Google  Buchsuche 

Das  Ziel  von  Google  besteht  darin,  die  weltweiten  Informationen  zu  organisieren  und  allgemein  nutzbar  und  zuganglich  zu  machen.  Google 
Buchsuche  hilft  Lesern  dabei,  die  Biicher  dieser  Welt  zu  entdecken,  und  unterstutzt  Autoren  und  Verleger  dabei,  neue  Zielgruppen  zu  erreichen. 


Den  gesamten  Buchtext  konnen  Sie  im  Internet  unter  http  :  //books  .  google  .  com  durchsuchen. 


~S  1L AS  \VRIGHt  itt'NN  1XG 

BEQUEST 
UNIVERSITY  »k  MICHIGAN 
GENERAL  LIBRARY 


i 

If 


I 


JAHRBUCH 

do- 
St.  Gallischen 

Naturwissenschaftlichen  Gesellschaft 


fur  das  Vereinsjahr 

19014902. 


Redaktion:  Dr.  G.  Ambtihl. 


$"« 


St.Gallen. 

Zollikofer'sthe  Buchdruckerei. 


Inhaltsverzeichnis. 


Prof.  Dr.  Bern  hard  Wartmann 

und  ( .'haraktrrhild 
Bikinis)    .... 


Museumsdirrktor. 
von   E  in  i  1  Bar.  h  1 or. 


Ein  Lebons- 
(Mit  einein 


Belte 


1 


I. 


II. 


III. 
IV. 


VI. 
VII. 

vui. 

IX. 

x. 

XL 

XII. 


Jahresberirlit  Ubcr  das  Voreinsjahr  vom  1.  Juli  1901 
bis  30.  Junl  1902,  erstattrt  an  dor  Hauptversammlun<r 
vom  15.  November  11)02,  von  Dr.  G.  Ambiihl     .     .     .     122 
Cbersicht  iiber  die  im  Jahre  1901/1902  gchaltonon  Vor- 
trUire.    Xach    den    ProtokolUui    zusammonirefasst    vom 

Aktuar  Dr.  H.  Beh stein er 135 

Verzoichnis  dor  zirkulierenden  Zeitsehrlften    ....     175 
Berirht  filer  den  Sehriftenaustausch  und  die  Mappen- 
zirkulation  (1.  Juli  1901   bis  31.  Dezember  1902)  vom 
Bibliothekar  dor  Gesellschaft,  Konservator  E.  Bstcbler     179 
Akadornioii   und  Vereino.  mit  wclohen  die  St.  Gallischo 
Naturwissensrhaftl.  Gesollsr.haft    in  Tauscbverbinduni? 

steht 183 

Vorzeichnis  d«»r  vom  1.  Juli  1901  bis  31.  Dezember  1902 

eingo#anjrenon  I)  ruck  soli  rift  en 189 

Berieht  fiber  das  naturhistorische  Museum,  die  bota- 
niselirn  Anlasren,  die  Voliere  und  don  Parkweihcr.  Von 

Konservator  E.  Bar. blur 200 

Intersuchuntren  iiber  die  Bodenfauna  in  den  Alpen.  Von 

I>r.  Konrad   Diem 234 

Die  Pflanzenwrltdes  h<dirnNordeiisiu  ihron  Btviolmn^ron 
zu  Klima  und  Bodenhesrhaftenheit.  Von  Dr.  M.  Kikli, 
Ziirich.  Narb  einem  am  17.  Januar  1903  ^ohaltenen  Vor- 

trap.    (Mit  drri  Tafeln) 415 

tjberMeteorolo^ieund  Influenza.  Von  Dr  med.  B.ZoIli- 

kofor.    Vortra«r  vom  15.  Miirz  1902 447 

BeitrHare  zur  (<eolo«ric  der  rtug-ebunt?  von  St.  Gallon. 
Von  Oh.  Kalkncr  und  A.  Ludwiu 474 

iDuzu  iiiu  S-hliiMS  «l»\s  Hiiii<lt*s :  Gi-ologisclu:  Kitrt-o  von  St.  Oulh'n 
uihI   I'ln^fliimi;.) 

Meteoroloiriselie  Beobaclituntren  iJahr  1902 »: 

A.  In   Altstiittrn.   Heobarhtor:  J.  Halt  nor      .     .     .     .     621 

B.  ,.     Ebnar.  Beobarhter:  J.  J.  Kuratlo 623 

C.  .,    Heiden.  BriiharlitiM-:  J.  .L  Niederer     ....     625 
I).    ..    St.  Gallon.   Beubarhtor:  J.  G.  Kessler     .     .     .     628 

E.  Aut' drm  Sintis,  Brnbacbter :  J.  Bommer  .     630 

F.  In  Saltans.  Benbarhtrr :  J.  A.  Albrocht.     ...     633 

G.  „    Vartis.  Bonhaehter:  Graf 635 

H.    .,    Wildhaus.  Bmbachter:  J.  Na-f 638 


Prof.  Dr.  Bernhard  Wartmann, 

Museu  Misdirect  or 


Prof  Dr.  Bernhard  Wartmann 

Museumsdirektor. 


Ein  Lebens-  und  Charakterbild 


Emil  Bachler. 


*, ^k. ..,<• 

—   «o    Mit  einem  Bildnis.   o. — 
^  — ^ _^ 


Vorwort 

Als  mir  der  ehrenvolle  Auftrag  geworden,  ein  Lebens- 
und  Charakterbild  des  um  seine  Vaterstadt  hochverdienten 
Dir.  Dr.  Bernhard  Wartmann  sel.  zu  zeichnen,  zogerte 
ich  wohl  einen  Augenblick,  und  legte  mir  die  Frage  vor, 
ob  ich  der  schwierigen  Aufgabe  gewachsen  sein  mochte  in 
Anbetracht  meines  ungeubten  Stiftes  und  der  verhaltnis- 
massig  kurzen  Spanne  Zeit,  wiihrend  welcher  ich  mit  dem 
teuren  Dahingeschiedenen  verkehrte.  Doch  bin  ich  ihm 
in  diesen  funf  Jahren,  da  ich  tagtaglich  mit  ihm  arbei- 
tete,  mit  ihm  dachte  und  fuhlte,  naher  getreten,  als  dies 
in  einem  langern  Zeitraume  bei  oberflachlicherem  Verkehr 
moglich  gewesen  ware.  —  Es  war  die  herbste  Zeit  seines 
ganzen  Lebens,  war  er  doch  in  steter  Sorge  um  seine 
schwer  erkrankte  Gattin,  welche  nach  langen,  bangen 
Schmerzensstunden  von  ihm  schied  und  deren  Verlust  an 
seinem  Herzen  nagte.  —  In  stillen  Abendstunden  hat  er 
dann  und  wann  den  Schleier  der  Vergangenheit  vor  mir 
gehoben,  mit  Begeisterung  die  Bilder  langst  entschwun- 
dener  schoner  Jugendtage  nocli  einmal  erscheinen  lassen 
und  mir  erzahlt  von  seinen  einstigen  Zukunftsplanen, 
ihrer  Verwirklichung  oder  ihrem  Misslingon,  von  Kampf 
und  Arbeit  im  Sonnenbrande  des  Mannesalters.  lmmer 
schloss  er  seine  Worte  mit  toils  angstlichem,  teils  wohlbe- 
friedigtem  Ausblicke  auf  das,  was  nach  ihm  kommen  werde. 

Das  Fehlen  einer  geschriebenen  Selbstbiographie,  eines 
Tagebuche6  und  des  grossten  Teiles  seiner  eigenhandigen 

1 


Korrespondenz  bedingten  es,  dass  manche  Liicken  ofl 
blieben.  Nichtsdestoweniger  ist  mir  viel  Freude  geworc 
beim  Studium  der  zahlreichen  hinterlassenen  Schriftstiic 
welche  einen  Einblick  gewahren  in  den  Entwicklungsga 
und  das  reiche  Leben  des  lieben  Verstorbenen.  Wart  ma: 
war  ein  Mann,  der  sich  und  seinen  Prinzipi 
treu  geblieben  durch  alien  Wandel  und  Wech* 
der  Zeit,  im  Ausblicke  auf  die  hochsten  zu  e 
reichenden    Ziele    unseres   irdischen  Daseii 

Mit  besonderem  Danke  erwahne  ich  der  freundlich 
Mithilfe  so  mancher,  welche  dem  Heimgegangenen  nal 
oder  ferner  gestanden,  vor  allem  seiner  nachsten  Ang 
hdrigen.  Einer  ganz  wesentlichen  TJnterstutzung  erfrei 
ich  mich  auch  von  Seite  zweier  seiner  intimsten  Freun 
aus  dem  Kreise  der  Naturwissenschaftlichen  Gresellscha 
des  Herrn  Apotheker  C.  Rehsteiner-Zollikofer,  som 
des  Herrn  Professor  H.  Wegelin  in  Frauenfeld.  Ausst 
dem  haben  mich  mit  Beitragen  verschiedener  Art  zu  hei 
lichem  Danke  verpflichtet  die  Herren  Dr.  Am  buhl,  Ret 
schulvorsteher  J.  Brass  el,  Rektor  Dr.  A.  Dick,  Pn 
Dr.  L.  Fischer  sen.  (Bern),  Konrektor  Giintensperge 
Landammann  Dr.  A.  Kaiser,  Realschulvorsteher  Kuste 
Dr.  M.  Rickli  (Zurich),  Landammann  Dir.  A.  Saxer,  Rea 
lehrer  H.  Schmid,  Ratsschreiber  Schwarzenbac) 
Geheimrat  Prof.  Dr.  S.  Schwendener  (Berlin),  Schulrat 
president  E.  Zollikofer. 

Der  ebenso  liebe-  wie  pietatvoll  gehaltene,  anlasslich  d< 
Trauerfeier  in  der  St.  Leonhardskirche  verlesene  Nekroloj 
verfasst  von  dem  Bruder  des  Verstorbenen,  Herrn  D 
Hermann  Wartmann,  ist  in  beinahe  unverandertei 
Wortlaut  wiedergegeben.  (nAusserer  Lebensgang.") 
St.  Gallen,  im  Februar  1903.  Der  Verfasser. 


Einleitung. 

,,Leben  hoisst  Arbeiten  !u 

„Der  Hinschied  von  Professor  Wartmann  ist  fur  die 
Naturerforschung  des  Heimatkantons  sowohl  wie  fur  die- 
jenige  der  gesamten  Ostschweiz  ein  geradezu  immenser 
Verlust.  Das  fuhlte  ich  in  weiter  Feme  ebenso  deutlich, 
wie  jeder  St.  Galler  daheim  und  sonst  irgendwo  in  der 
Welt  draussen.  Generationen  schauen  zu  ihm  auf  als 
ihrem  Lehrer  und  ihrem  geistigen  Mentor;  er  war  eine 
treibende  Kraft  an  dem  regen  kulturellen  Leben,  durch 
das  sich  St.  Gallen  so  vorteilhaft  auszeichnete  unter  den 
gesamten  Schweizerstadten  und  das  ihm  eine  Bedeutung 
verlieh,  welche  von  manchem  Universitatssitz  vorteilhaft 
abstach. 

rMit  ihm  verlieren  wir  einen  Vertreter  jener  heute 
immer  seltener  werdenden  Klasse  der  Naturforscher  alten 
Schlages,  welche  iiber  ein  erstaunliches  encyklopadisches 
Wissen  verfiigen  und  welche  jedesmal  hinter  sich  eine 
Llicke  leer  lassen,  die  durch  ihrer  drei  oder  vier  zusammen 
von  der  neuen  Schule  und  Richtung  nicht  eigentlich  aus- 
gefiillt  werden  kann.  Spezifisch  Wartmannisch  aber  war 
nun  eine  hochgradig  entwickelte  Fahigkeit,  dieses  Wissen 
auch  umzusetzen  und  weitern  Kreisen  zuganglich  zu 
machen.  Und  anzuregen  verstand  er  wie  kaum  ein  zweiter! 
Es  war  eine  Freude,  St.  Galler  zu  heissen  und  zu  sein  — 
schon  seinetwegen! 


f 


i 


„Wir  konnen  seinen  Manen  aber  nicht  passender 
dienen,  als  durch  pietatvolles  Aufrechterhalten  seiner 
Traditionen  und  das  Befolgen  der  ihm  wahrend  eines 
reichlich  bemessenen  Lebensalters  vorgezeichneten  Bahnen 
und  Wege!" 

Mit  diesen  treffenden  Worten  hat  unser  in  der  Wissen- 
schaft  beruhmt  gewordene  Landsinann,  Prof.  Dr.  Emil 
G  6 1  d  i ,  Direktor  des  naturhistorisch-ethnographischen  Mu- 
seums in  Para  (Brasilien),  dem  Wartmann  ein  vaterlicher 
Freund  und  warmer  Gonner  gewesen,  desselben  nach 
seinem  Tode  gedacht. l) 

Es  durfte  einen  stattlichen  Band  ausfullen,  wenn  ich 
ausfiihrlich  schildern  wollte,  was  der  Verstorbene  in  seinen 
verschiedenen  Lebensstellungen  als  treibender  Faktor 
Dauerndes  geschaffen  und  was  „den  innersten  Nerv  der 
geistigen  Individuality,  die  heute  in  sich  vollendet  vor 
uns  liegt",  beriihrt.  Es  wird  nicht  moglich  sein,  den  ge- 
samten  Inhalt  seines  zielbewussten  Wirkens  als  Lehrer 
und  Forscher.  seiner  Tatigkeit  als  strammer  Fiihrer  der 
Naturwissenschaftlichen  Gesellschaft  und  als  treuer  Hiiter 
der  Schatze  unseres  Naturhistorischen  Museums  zu  schil- 
dern. Endlich  ware  so  vieles  zu  sagen  uber  Wartmanns 
Bedeutung  fur  das  geistige  Leben  seiner  Vaterstadt  und 
des  Heimatkantons ,  sowie  uber  all  das,  was  er  seinen 
jungen  und  alten  Freund  en  und  speziell  seinen  zahllosen 
ehemaligen  Schulern  gewesen. 

Ich  will  in  den  folgenden  Blattern  nur  versuchen, 
dem  Mamie  ein  einfaches  Denkmal  der  Dankbarkeit  und 
Verehrung  zu  setzen,  der  als  scharf  ausgepragter  Charakter 
mit  wuchtiger  Energie  in  rastloser  Arbeit  sein  Ziel  ver- 

*)  Kondolenzschreiben  an  die  Naturwissenschaftliche  Gesell- 
schaft St.  Gallen,  datiert  vom  5.  Juli  1902. 


folgte  und  der  mit  echtem  Idealismus  und  vorbildlicher 
Begeisterung  fur  seine  Sache  bis  zum  letzten  Lebenstage 
nach  vorwarts  strebte. 


Ausserer  Lebensgang. 

F.riedrich  Bernhard  Wartmann  erblickte  das 
Licht  der  Welt  am  8.  Dezember  1830  als  Sohn  des  Jakob 
Wartmann,  V.  D.  M.,  Lehrer  der  Naturgeschichte  an  der 
stadtischen  Madchenschule  in  St.  Gallen,  nnd  der  Helene 
Dorothea  Wild,  der  Tochter  des  Stadtarztes  und  Stadt- 
prasidenten,  Dr.  Bernhard  Wild. *) 

l)  Die  Familie  Wartmann,  urspriinglich  in  den  Gemeinden 
Wittenbach  und  Lommenswil  ansassig,  begann  schon  friihe  nach 
der  Stadt  einzuwandern.  Ein  Georg  Wartmann  bekleidete  da- 
selbst  von  1702—1725  die  Wiirde  des  Biirgermeisters.  Von  ihm 
gingen  zwei  Linien  aus.  Ein  Sohn  von  Georg  III.,  Zunftmeister, 
war  Dr.  med.  Bernhard  Wartmann  (1739—1815),  Stadtarzt 
und  Ratsherr,  machte  sich  u.  a.  durch  seine  „Beschreibung  und 
Naturgeschichte  des  Blaufelchenu  (C oregonus  Wa r t- 
manni),  Berlin  1777,  bekannt.  (Es  ist  also  nicht.  wie  vielfach 
irrtumlich  angenommen  wird,  unser  Dr.  phil.  B.  W.  der  Autor  jener 
Abhandlung  iiber  den  Blaufelchen.)  Die  Linie.  welcher  unser  W. 
angehort.  trifft:  zwischen  1650  bis  1670  mit  jener  von  Dr.  mod. 
B.  Wartmann  zusammen.  Der  Vater  von  Dir.  Dr.  Wartmann,  geb. 
7.  III.  1803,  gest.  17./VIII.  1873.  als  Sohn  eines  Buch binders,  wuchs 
in  bescheidenen  Verbaltnissen  auf,  war  schon  friibe  voll  Lernlust. 
studierte  Theologie,  trat  aber  nicht  in  die  praktische  Laufbahn  als 
Geistlichor  ein,  sondern  widmeto  sich  mit  grossem  Eifer  und  Er- 
folge  dem  Lehrberufe.  begann  1825  auf  dem  Ruhberg  bei  Tiibach 
seine  piidagogische  Tatigkeit  als  Hauslehrer,  ubernahm  dann  nach 
einem  kurzen  Aufentbalt  im  Lippeschen  Institut  zu  Lenzburg  eine 
St^lle  an  der  Madchenschule  seiner  Vaterstadt  St. Gallen,  ver- 
tauschte  sie  bald  mit  einer  solclien  an  der  Knaben-Realsohule 
und  erteilte  nach  dem  Iiiicktritte  seines  Kollegen,  Pfarrer  Kunkler, 
den  Unterricht  in  Naturgeschichte  und  Geographie.  Erstere  bil- 
dete  sein  Lieblingsfach ,  da  er  einen  ausserst  regen  Sinn  fiir  die 
Natur  und  ihre  Lebewesen  hatte;  er  gab  verschiedene  trefHiche 
Lehrmittel    iiber  Naturgeschichte  heraus,  vBrdffentliohte  1847  die 


8 


Er  war  ein  zartes  Knablein  von  lebhaften  und  ein- 
nehmenden  Gesichtsziigen,  die  eine  in  seinen  ersten  Lebens- 
jahren  von  Kunstlerhanden  angefertigte  Bleistiftzeichnung 
uns  erhalten  hat. 

Schon  in  der  Primarschule  muss  er  als  hervorragend 
guter  Schiiler  gegolten  haben,  sonst  ware  er  nicht  dazu 
ausersehen  worden,  bei  der  Einweihung  des  neuen  Schul- 
hauses  am  Graben  im  Namen  der  Schiilerschaft  einige 
kindliche  Worte  an  die  Festversammlung  zu  richten. 

Inzwischen  war  der  Vater  als  Lehrer  der  deutschen 
Sprache  an  die  Knaben-Realschule  gewahlt  und  die  Amts- 
wohnung  in  der  Madchenschule  mit  einer  solchen  ini 
„Knabenklosteru  vertauscht  worden. 

Hier  wuchs  der  Knabe  heran  und  legte  schon  in 
fruhem  Alter  eine  ausgesprochene  Vorliebe  fur  alles  an 
den  Tag,  was  in  das  Gebiet  der  Naturkunde  einschlug. 
Es  war  diese  Richtung  gewissermassen  ein  Erbstiick  von 
vaterlicher  und  miitterlicher  Seite.    Hatte  der  Grossvater 

„St.  Gallische  Flora",  ein  Verzeichnis  jener  Pflanzen,  die  im 
Unikreise  von  zirka  einer  Stunde  von  St.  Gallen  zu  treffen  sind.  1825 
trat  er  der  Naturwissenschaftlichen  Gesellschaft  bei,  welcher  ev 
mit  Feuereifer  seine  Dienste  durch  V"ortrap:e  u.  a.  m.  widmete,  be- 
kleidete  1843 — 1868  das  Amt  des  Aktuars  jenes  Vereins  und  wab- 
rend  der  folgenden  zehn  Jahre  dasjenige  des  Prasidenten.  Voik 
1854  bis  zu  seinem  Tode  (1873)  war  er  Direktor  des  Naturbistori- 
schen  Museums  und  Stadtbibliotbekar.  Friedlich  und  rubig  go- 
stalteten  sich  die  letzten  Lebensjabre  des  arbeitsfreudigen  Marines. 
Der  iiberaus  gliicklicben  Ehe  (1829)  mit  Helen e  Dorothea 
Wild,  einer  ausserordentlicb  regsamon,  initiativen  Frau,  von  der 
wohi  manche  Eigenschaften  auf  unsern  Verstorbenen  iibergegangen. 
entsprossen  vier  Kinder,  drei  Scibne,  von  denen  Friedricb  Bern- 
hard  dor  iilteste  war,  dann  Joachim  Theodor,  Maschinen- 
ingenieur  in  St.  (leorgen,  J.  Hermann,  Dr.  phil.,  Aktuar  des 
Kaufman nisc hen  Direktoriums,  liochverdienter  Geschiclltslbrsche]•. 
.  und  eine  Tocbter,  Anna  Karolina.  Letztere  drei  (Teschwister 
beklagen  beute  mitSobn  und  Tocbter  des  lieben  Heimgogangenon 
den  Verlust  ihres  treu  besorgten  Bruders  und  Vaters.         E.  li. 


Wild  erne  reiche  Bibliothek  vorwiegend  naturwissenschaft- 
lichen  Inhalts  hinterlassen,  so  zog  es  den  Vater  mit  aller 
Macht  zu  literarischen  Arbeiten  naturkundlichen  Charak- 
ters.  Seine  Verehrung  fur  den  Botaniker  Linne  war  so 
gross,  dass  er  alien  Ernstes  seinen  Erstgebomen  auf  diesen 
Namen  taufen  lassen  wollte  und  diese  Absicht  nur  durch 
den  entschiedenen  Widerspruch  der  Mutter  nicht  zur  Aus- 
fiihrung  kam.  Von  den  W&nden  der  vaterlichen  Studier- 
stube  sahen  die  Bilder  einer  ganzen  Beihe  bcriihmter  Natur- 
forscher,  darunter  jene  der  Botaniker  Linne,  Decandoile, 
Willdenow,  auf  das  heranwachsende  Sohnlein  herab,  das 
nicht  immer  zur  Freude  der  Mutter  und  zum  gelegent- 
lichen  Schrecken  angstlicher  Dienstm&dchen  gar  bald  eine 
kleine  Menagerie  von  allem  laufenden,  fliegenden  und 
kriechenden  Getier  anlegte,  das  ihm  in  die  Hande  fiel. 
Auch  Pllanzen  und  Mineralien  wurden  gesaminelt,  so  dass 
man  schon  zurzeit,  als  der  junge  Naturforscher  auf  den 
Banken  der  Realschule  und  des  Gymnasiums  sass,  keinen 
Augenblick  dariiber  zweifelhaft  sein  konnte,  wohin  sich 
seine  Studien  wenden  wurden. 

Als  Lehrer,  denen  er  neben  vaterlichem  Einfluss  die 
meiste  Anregung  fur  die  eingeschlagene  Bahn  verdankte, 
diirfen  wohl  die  Herren  Pfarrer  Kunkler,  damals  Lehrer 
der  Naturkunde  an  den  Stadtschulen,  und  Prof.  Peter 
Scheitlin,  sein  Oheim  miitterlicher  Seite,  genannt  wer- 
den.  Aber  auch  bei  den  Professoren  der  sprachlichen  und 
historischen  Facher  war  er  gut  angeschrieben  und  liess 
e»  nicht  an  Interesse  fur  eine  allgemeine  Gymnasialbil- 
dung  fehlen-  Immerhin  folgte  er  dem  damals  allgemein 
ublichen  Beispiel  der  angehenden  st.  gallischen  Mediziner 
und  verliess  das  Gymnasium  als  Schuler  der  zweitobersten 
Klasse. 


10 


Tm  Friihjahr  1849  bezog  B.  Wartmann  die  Uni- 
versitat  Zurich,  um  sich  dort  zum  Lehrer  der  Natur- 
wissenschaften  auszubilden,  wozu  er  sich  eigentlich  berufen 
fiihlte  und  audi  in  der  Tat  berufen  war.  Seine  Lehrgabe 
darf  eine  ungewohnliche  genannt  werden,  und  nicht  ge- 
ringer  war  seine  menschliche  Teilnahme  an  dem  Wohl 
und  Wehe  aller  seiner  Schuler. 

Der  Zoologe  Frei,  der  Physiker  Mousson,  der 
Chemiker  Lowig.  der  Physiologe  Lud  wig,  der  Geologe 
Escher  v.  d.  Linth  und  vor  allem  die  Botaniker  Heer 
und  N  a  g  e  1  i  regten  alle  seine  Fahigkeiten  an  und  er- 
schlossen  ihm  vom  Katheder  aus  ein  reiches  geistiges 
Leben ;  daneben  erfuhr  er  in  seiner  Lieblingswissenschaft 
vielfache  Forderung  durch  Re  gel,  damals  Direktor  des 
botanischen  Gartens,  und  durch  den  Algen-  und  Flechten- 
kenner  Dr.  Hepp  (spater  russischer  Staatsrat),  einen  pfal- 
zischen  Fliichtling  von  grosser  geistiger  Begsamkeit,  dessen 
gastliches  Haus  jedem  Gleiehstrebenden  otfen  stand. 

Eine  Freundschaft  fiirs  Leben  verband  den  jungen 
St.  Galler  Botaniker  alsbald  mit  dem  gleichaltrigen  Zurcher 
Karl  Cramer,  und  ein  gliicklicher  Zufall  fiigte  es,  dass  die 
beiden  Freunde  im  Jahre  1852  ihren  verehrten  Lehrer,  Prof. 
Nageli,  nach  Freiburg  i.  Br.  begleiten  durft-en,  als  letz- 
terer  an  die  Professur  der  Botanik  daselbst  berufen  wurde. 

Tag  fiir  Tag  arbeiteten  sie  am  Mikroskop  neben  dem 
Meister,  und  aus  diesen  gemeinsamen  Studien  ging  die 
epochemachende  pflanzenphysiologische  Schrift  iiber  die 
Starke  korner  hervor.  Aus  ihnen  erwuchs  auch  die 
Doktordissertation  B.  Wartmanns  iiber  die  Entwick- 
lungsgeschichte  der  Algengattung  Lemanea. 
1m  Jahre  1854  bestand  er  in  Freiburg  sein  Examen  s  u  m  m  a 
cum   laud  e. 


11 


Aber  nicht  bloss  filr  sein  wissenschaftliches  Leben 
hat  der  Oxeschiedene  in  Freiburg  i.  Br.  die  schonste  Er- 
fiilliing  des  in  Zurich  Begonnenen  gefunden.  In  dem 
Haase,  wo  er  seine  Wohnung  aufgeschlagen  hatte  und 
sich  an  Leib  und  Seele  wohl  versorgt  fuhlte,  fand  er 
anch  seine  treffl iche  Lebensgefahrtin  in  Fraulein  Marie 
Herzog,  dor  Tochter  der  friih  verwitweten  Frau  Regie- 
rungsrat  Herzog.  Als  Verlobter  kehrte  er  1866  mit  Pro- 
fessor Nageli,  der  die  erste  Professur  der  Botanik  am 
eidgenossischen  Polytechnikum  ubernommen  hatte,  nach 
Zurich  zuriick,  nachdem  er  einen  Buf  nach  St.  Petersburg 
als  Assistant  des  Direktors  am  kaiserlich  botanischen 
Garten,  seines  friihern  Zurcher  Freundes  Re  gel,  ausge- 
schlagen  hatte. 

Mit  grosser  Freude  und  nicht  geringerem  Geschick 
and  Erfolg  nahm  B.  Wartmann,  nachdem  er  sich  auch 
als  Privatdozent  am  Polytechnikum  habilitiert  hatte,  neben 
den  Arbeiten  der  Assistentenstelle  seine  botanischen  Vor- 
lesungen  *)  an  die  Hand,  und  es  ist  wohl  keinem  Zweifel 
unterworfen.  dass  er  bleibenden  Fuss  als  Dozent  gefasst 
hatte.  wenn  nicht  im  Spatjahr  1866  die  Wahl  zum  Pro- 
fessor der  Naturkunde  an  die  neugegriindete  st.  gallische 
Kantonsschule  auf  ihn  gefallen  ware. 

Er  trat  hier  in  gewissem  Shine  an  die  Stelle  seines 
Vaters.  der  seit  langerer  Zeit  zum  Lehrer  der  Naturwissen- 
sehaften,  der  Geschichte  und  Geographie  an  den  hohern 
Stadtschulen  vorgeriickt  war  und  nun  die  Leitung  der 
Stadtbibliothek  und  des  von  ihm  gegriindeten  Naturwissen- 
schaftlichen   Museums  in  ihren  neuen,  schonen,  mit  dem 

1;   Im  SonJiner  1856  las  er:  „Grundzuge  der  allgemeinen  und 
ipwiellen  Botanik" ;  4  Stunden.  K.  B. 


12 


Kantonsschulgebaude  in  unmittelbarer  Verbindung  stehen- 
den  R&umlichkeiten  tibernahm. 

Mit  Feuereifer  und  Herzenslust  gab  sich  der  26-jah- 
rige  Professor  in  seiner  Vaterstadt  dem  Schulberufe  hin 
und  fuhrte  im  Herbst  1868  seine  Braut  heim. 

Wie  er  sich  vom  ersten  Tage  an  in  seiner  Stellung 
zurechtfand  und  in  kurzester  Zeit  das  voile  Vertrauen 
der  vorgesetzten  Beh6rde,  die  Liebe  seiner  Schuler  ge- 
wann,  davon  konnten  wohl  noch  manche  erzahlen,  die 
damals  auf  den  Banken  der  neuen  Anstalt  sassen.  Dafur 
zeugte  vor  allem  seine  Wahl  zu  ihrem  zweiten  Rektor, 
als  der  erste,  Herr  Melchior  Kraus,  zurucktrat.  14  Jahre 
lang  (1863—1877)  hat  der  Verstorbene  in  sturmischen 
Zeiten  das  Steuer  der  Schule  mit  kraftiger  Hand  gefiihrt 
und  durch  seine  Wirksamkeit  als  Lehrer  und  Rektor  nicht 
wenig  dazu  beigetragen,  der  heftig  angefeindeten  Schopfung 
das  Ansehen  und  den  guten  Ruf  zu  erwerben,  dessen  sie 
sich  seit  langem  erfreut. 

Dass  sich  der  Vertreter  der  Naturvvissenschaften  an 
der  Kantonsschule  auch  unverweilt  mit  aller  ihm  inne- 
wohnenden  Energie  der  St.  Gallischen  naturwissenschaft- 
lichen  Gesellschaft  annahm,  verstand  sich  von  selbst. 
10  Jahre  lang  stand  er  als  vorwartsdrangender  Aktuar 
neben  seinem  Vater,  der  das  Presidium  fuhrte.  Im  Jahre 
1867  loste  er  den  Vater  an  dieser  Stelle  ab,  wie  er  6  Jahre 
spater  bei  dessen  Tode  als  Direktor  des  Naturwissenschaft- 
lichen  Museums  sein  Nachfolger  geworden  ist. 

Diese  drei  Stellungen  nun :  die  Professur  an  der  Kan- 
tonsschule, das  Prasidium  der  Naturwissenschaftlichen  Ge- 
sellschaft und  die  Direktion  des  Naturwissenschaftlichen 
Museums,  haben  von  da  an  das  Leben  B.  Wartmanns  aus- 
gefullt   und   ihm   seinen   Inhalt   gegeben,  soweit   es   sich 


13 


mcht  in  den  Eaumen  der  Hauslichkeit  abspielte,  in  denen 
er  zu  jeder  Zeit  seine  Erholung  fand  und  in  denen  zwei 
Kinder,  eine  Tochter  und  ein  Sohn,  zur  Freude  der  Eltern 
heranwuchsen. 

tiber  die  reiche  Fulle  des  Wissens  und  der  Anregung, 
die  von  ihm  als  Lehrer  ausgegangen  ist,  fiber  die  unge- 
wohnte  Entwicklung,  welche  die  Naturwissenschaftliche 
Gesellschaft  unter  seiner  Leitung  erfahren  hat,  iiber  die 
Umgestaltungen  und  Erweiterungen  des  Naturwissenschaft- 
lichen  Museums  unter  seiner  Direktion,  auch  tiber  die 
Anerkennungen,  die  ihm  seine  rastlose  T&tigkeit  in  alien 
drei  Stellungen  gebracht  hat,  miissen  wir  andere  berichten 
lassen. 

Nicht  mit  Stillschweigen  ubergangen  werden  darf  aber 
in  diesem  kurzen  Lebensbilde  seine  eingreifende  Beteili- 
gung  an  der  Leitung  des  st&dtischen  SchuLwesens,  seitdem 
er  im  Jahre  1867  Mitglied  des  genossenbiirgerlichen  Schul- 
rates  geworden  und  bei  der  Schulverschmelzung  von  1880 
in  die  neue  stadtische  Schulbehdrde  iibergetreten  war. 
Als  President  der  Realschulkommission,  voriibergehend 
auch  der  Fortbildungsschulkommission  und  als  Vizepra- 
sident  der  Behorde  hat  er  hier  mit  einem  auf  reicher  Er- 
fahrung  beruhenden  Verstandnis  und  einer  nie  ermiidenden 
Liebe  zur  Sache  seines  Amtes  gewaltet,  so  dass  vielleicht 
die  Lucke,  die  sein  Scheiden  hier  zuriicklasst,  am  schwie- 
rigsten  gleichwertig  auszufullen  sein  wird. 

So  zogen  die  Jahre  und  Jahrzehnte  dahin  in  voller 
Arbeits-  nnd  Schaffensfreude  und  ohne  dass  man  eine 
wesentliche  Abnahme  der  Tatkraft,  eine  wesentliche  Ande- 
rang  in  dem  immer  noch  jugendfrischen  Gemiitsleben  des 
rustig  dahinschreitenden  Mannes  gespiirt  hatte.  Es  wurde 
ihm  die  Freude   zu  teil,  den   Sohn  nach  erfolgreich  be- 


14 


endeten  Studien  als  vielbeschaftigten  Arzt  neben  sich  zu 
sehen  und  mit  ihm  —  der  okonomischen  Enge  fruherer 
Jahre  entwachsen  —  ein  eigenes  Heim  zu  beziehen. 

Furwahr,  ein  freundliches  Geschick,  das  die  sich  nei- 
genden  Tage  ungetrtibt  dahinfliessen  liess,  bis  eine  schwere, 
unheilbare  Erkrankung  der  Gattin  dunkle  Schatten  in 
das  stille  Familienleben  warf  und  nach  langen,  mit  grosser 
Seelenstarke  ertragenen  Leiden  am  26.  Marz  1898  ihren 
Tod  herbeifuhrte. 

Trat  auch  fur  die  Leitung  dos  Hauswesens  die  dazu 
trefflich  ausgeriistete  Tochter  an  die  Stelle  der  daliinge- 
gangenen  Mutter,  so  konnte  doch  der  verwitwete  Gatte 
diesen  Schlag  nie  mehr  ganz  iibervvinden.  Trotz  der  treue- 
sten  Fiirsorge  beider  Kinder  kam  seither  ofters  das  Gefuhl 
einer  gewissen  Vereinsamung  iiber  ihn.  Die  voile  Freu- 
digkeit  des  Wirkens  erlitt  allmahlich  eine  den  Naher- 
stehenden  fuhlbare  Abnahme,  wenn  auch  vor  den  Schiilern 
und  im  Kreise  der  Freunde  wenig  oder  nichts  davon  zu 
verspuren  war.  Dankbar  anerkannte  der  Verstorbene  die 
Erleichterungen,  welche  ihm  die  Erziehungsbehorde  ge- 
wahrte,  um  ihm  auch  bei  abnehmenden  Kraften  eine 
ungestorte  Wirksamkeit  als  Lehrer  zu  ermoglichen,  an 
der  er  mit  ganzer  Seele  hing. 

Der  Gang  nach  der  Schnle  war  Freitag  den  30.  Mai 
1902  sein  letzter  Gang.  Aus  ihr  schleppte  er  sich  todmude 
nach  Hause,  um  Dienstag,  den  3.  Juni,  morgens  6  Dhr, 
einer  Herzlahmung  zu  erliegen,  die  als  Folge  der  sonst 
nicht  bosartig  verlaufenden  Krankheit  ihn  unvermutet  imd 
ohne  schweren  Todeskampf  hinuberfuhrte,  im  Alter  von 
71  Jaliren  und  6  Monaten. 


15 


Studienjahre. 

Froh  in  die  Zukunft  blickend,  reich  an  Planen  und 
Hofihungen,  so  treffen  wir  den  wissensdurstigen,  wohl- 
geriisteten  und  mit  besten  Empfehlungen  versehenen 
lSVs-jahrigen  Wartmann,  wie  er  seine  hoheren  Studien 
in  Zurich  beginnt.  Am  24.  April  1849  wurde  er  von 
dem  damaligen  Rektor  der  Universitat,  Professor  Lowig, 
in  die  philosophische  Fakultat  aufgenommen.  ., Die  Studien 
bluhten ;  es  war  eine  Lust,  zu  lebenu  unter  der  Agide  so 
vortreffticher  Manner,  wie  sie  bereits  genannt  wurden. 
Zurich  konnte  sich  damals  einer  Anzahl  Gelehrter,  speziell 
Naturforscher,  ruhmen,  wie  wohl  kaum  eine  andere  der 
damaligen  kleinern  Universitaten. 

Die  Erinnerungen  an  jene  herrlichen,  gewinnbringen- 
den  Zurcherjahre  blieben  fortan  der  Sonnenglanz  auf  dem 
Lebenswege  des  Verstorbenen.  Je  alter  er  wurde,  desto 
inniger  hing  er  an  der  Vergangenheit  und  dem,  was  in 
firohen   Jugendtagen   sein   ganzes  voiles  Grluck   gewesen. 

Wartmann  fuhlte  sich  am  meisten  zu  drei  Profes- 
soren  hingezogen,  dem  Geologen  Arnold  Escher  von 
der  Linth  i  Sohn  von  Hans  Konrad  Escher,  dem  beruhmten 
Erbauer  des  Linthkanales),  und  den  Botanikern  Oswald 
Heer  und  Karl  Wilh.  Nageli.  Wenn  auch  Wartmann 
wabrend  funf  Semestern,  d.  h.  bis  zum  Herbste  1851,  alle 
uber  Xaturwissenschaften  gelesene  Kollegien  mit  gloichem 
Eifer  besuchte,  so  gab  er  schon  wahrend  dieser  Zeit  dor 
Botanik  entschieden  den  Vorzug,  was  gewiss  uicht  zum 
geringsten  dem  Einflusse  von  Nageli  und  Heer  zu  ver- 
danken  war.    Der  Name  des  Zuletztgenannten  besass  im 


16 


Munde  Wartmanns  fortan  einen  hohen  Klang,  und  wir 
kennen  ausser  seinen  Nachsten  keinen  Menschen,  von  dem 
er  mit  grosserer  Achtung,  mit  herzlicherer  Verehrung  und 
Liebe  gesprochen.  Das  Vertrauen  war  aber  ein  gegen- 
seitiges.  Es  ist  bekannt,1)  dass  Heer  (1834—1882  Pro- 
fessor an  der  Universitat  Zurich)  im  Winter  1850/61  wohl 
infolge  zu  grosser  Anstrengung  schwer  erkrankte  und 
auf  dringenden  Rat  der  Arzte,  die  fur  sein  Leben  fiirch- 
teten,  einen  voriibergehenden  Aufenthalt  auf  Madeira  zu 
nehmen  gendtigt  war.  Schon  fur  das  Sommersemester 
1850,  zu  einer  Zeit,  da  Wartmann  eben  erst  in  seinem 
3.  Semester  (!)  stand,  hatte  Heer  unsern  jungen,  begeisterten 
Naturfor8cher  mit  dem  Auftrage  beehrt,  das  durch  Krank- 
heit  unterbrochene  Kolleg  liber  s}Tstemati8che  Botanik  zu 
Ende  zu  fiihren.  Auch  im  folgenden  Sommersemester  leitete 
er  ofters  die  botanischen  Exkursionen  fur  Professor  Heer. 
Wem  es  gegenwartig  ist,  wie  Heer  „den  ganzen 
Zauber  seiner  liebenswurdigen  Personlichkeit"  erst  recht 
entfaltete  bei  den  wahrend  den  Sommermonaten  allwochent- 
lich  unternommenen  Exkursionen  in  der  Nahe  Ziirichs 
(Katzensee,  Greifensee,  Uto,  Robenhausen  am  Pfaffiker- 
see),  aber  auch  in  weitere  Entfernungen  (Irchel,  Hornli, 
Hohe  Rohnen)  und  auf  zwei-  bis  zehntagigen  Reisen  selbst 
in  das  Alpengebiet  hinein  (Glarnerland,  St.  Galler  Ober- 
land,  Pilatus)  u.  a.  a.  0.,  wobei  er  Ernst  und  Heiterkeit, 
tlichtige  Arbeit  und  frohe,  ungebundene  Musse  in  gliick- 
lichste  Verbindung  zu  bringen  wusste,  der  begreift,  dass 
es  fur  Wartmann  kein  kleines  gewesen,  gerade  hier 
die  Stelle  des  Meisters  zu  vertreten.  Aber  Wartmann 
hat  seine  Aufgabe  jeweilen  glanzend  gelost. 


1)  C.  Schroter.     Oswald  Heor,  Lebensbild  eines  Natur- 
forschers;  II,  435.     Zttrich.     1887. 


17 


Unter  den  Zuhorern  und  Exkursionsteilnehmem  Heers 
befand   sich.    der  Sohn  eines  Aarburger  Webereibesitzers, 
der  als  Student  der  Medizin  eine  ausserordentliche  Vor- 
liebe  fur  die  Scientia  Amabilis  besass,  und  der  sich  durch 
hervorragende    Charaktereigenschaften    sofort    die    voile 
Sympathie   unseres  Wartmann  zu  erobern  wusste.   Es  war 
dies  Jakob  Jaggi  (geboren  den  25./I.  1829,  gestorben 
den  21.,'VL  1894),  nachmals  (seit  1870)  der  verdienstvolle 
Konservator  der  botanischen  Sammlungen  des   eidgenos- 
sischen  Polytechnikums,    wohl   einer   der  allertuchtigsten 
Eenner  unserer  heimatlichen  Pflanzenwelt.  Wartmann  sah 
ihn  immer  als  den  Mann  an,  der  dazu  geschaffen  sei,  eine 
alien  Anforderungen  entsprechende  „Schweizer-Flora"  za 
verfassen.    Jaggi  hatte  manchen  Charakterzug  mit  Wart- 
mann  gemeinsam;    beide    waren  beseelt  von   Gewissen- 
haftigkeit  und  Sorgfalt,  von  Sinn  fur  Ordnung,  von  zaher 
Ausdauer  in  der  Durchfuhrung  trockenster  Arbeit,  von 
SchafFenslust,    Arbeitskraft   und    Enthusiasmus    in    ihren 
Amtern,   und   es   muss  uns  nicht  wundern,  wenn  gerade 
diese   zwei   mit   Cramer  zeitlebens  am  engsten  sich  ver- 
bunden  fuhlten.     Es  ist  ein  wahrer  Genuss,   den   Brief- 
wechsel  dieser  Manner  zu  durchgehen,  in  dem  ausser  dem 
Personlichen  vorab  die  Wissenschaft :  Notizen  iibpr  neue 
Funde,  Fortgang  der  wissenschaftlichen  Arbeiten,   ihren 
Platz  behauptet.    Welche  Freude  empfand  Wartmann,  als 
ihn  Jaggi  einmal  im  grauen  Miillerkittel  besuchte,  nach- 
dem   er    1864    die   medizinisehe  Fakultat   verlassen   und 
neben  dem  privaten  Studium  der  Botanik  die  Leitung  der 
Mtihle,  sowie  die  Verwaltung  der  Giiter  seiner  bejahrten 
Tante  in  Kiittigen  iibernommen  hatte. !) 

r)  C.  Schroter:  Prof.   Jakob  Jaggi,  Separatabdruck   der 
»Xeuen  Ziircber-Zeitiing"  vom  30./VI.  und  2./VI1.  1894. 

2 


18 


Dort  in  Ztirich  war  es  iiberhaupt  ein  eigenes,  gliick- 
liches  ZusammentrefFen  von  gleichgesinnten,  mit  gleicher 
Energie  dem  namlichen  Ziele  zustrebenden  jungen  Mannern, 
die  zum  herzlichen  Freundschaftsbunde  sich  fanden  und 
in  demselben  lebenslang  verblieben. 

In  den  Vorlesungen  Nagelis  iiber  Anatomie  und 
Physiologie  der  Grewachse,  sowie  solchen  liber  allgemeine 
Botanik,  dann  aber  besonders  in  seinen  instruktiven 
mikroskopischen  Demonstrationen  lernte  Wartmann  im 
folgenden  Sommer  (1850)  Carl  Eduard  Cramer  von 
Zurich,  geb.  4.  Marz  1831,  kennen,  dessen  Vater  Besitzer 
der  „Drakenmuhlea  am  Limmatquai  gewesen  war.  Cramer, 
neben  Jaggi  der  beste  Freund  Wartmanns,  war  1861  bis 
zu  seinem  Tode  (24.  Nov.  1901)  Professor  der  Botanik  am 
Polytechnikum  und  hat  sich  durch  zahlreiche  wissen- 
schaftliche  Arbeiten  (iiber  Algen  etc.)  einen  bleibenden 
Namen  in  der  Wissenschaft  erworben. 

Nicht  lange  dauerte  es,  bis  die  beiden  strebsamen 
Freunde  die  Vergunstigung  erhielten,  bei  Nageli  zu  ar- 
beiten „so  oft  es  ihnen  beliebteal).  1852  trat  dem  Bunde 
Ludwig  Fischer  von  Bern,  jetzt  emeritierter  Professor 
der  Botanik  an  der  dortigen  Universitat,  bei. 

Begleitet  von  seinen  Freunden,  unter  denen  auch  der 
frtiher  erwahnte  Lichenologe  Dr.  med.  Hepp  (gestorben 
5./II.  1867)  eine  fiihrende  Rolle  spielte,  unternahm  Wart- 
mann mannigfache  Streifziige  sowohl  in  die  Ebene  hin- 
aus  als  hinauf  und  hinein  ins  Gebirge.  Kryptogamen  und 
Phanerogamen  fanden  dabei  gleiche  Berucksichtigung. 

Diese  Exkursionen  verschafften  alien  Teilnehmern  un- 
streitig  die  hochsten  Genlisse,  die  man  in  jenen  mehr  oder 

l)  0.  C  r a  in  e  r :  Loben  und  Wirken  von  C  a  r  1  "VV  i  1  h  e  1  m  v  o  n 
Nageli,  Zurich  1896. 


19 


weniger  ^bedurfnislosen"  Tagen,  wo  die  echten  Ideale  eine 
intensive  Pflege  fanden,  so  recht  zu  sch&tzen  wusste.  Ein 
Blick  auf  das  riesige  Material,  das  die  jungen  Manner  da- 
bei  einheimsten,  urn  sich  gegenseitig  zu  erganzen  und  alle 
Intere8senten  damit  zu  versorgen,  der  stets  wiederholte 
Hinweis  auf  die  gemeinsam  genossenen  Freuden  in  Gottes 
herrlicher  Natur,  die  in  Korrespondenzen  wahrend  langen 
Jahren  noch  einen  lebhaften  Nachklang  hinterlassen,  be- 
weist  das  zur  Geniige. 

Recht  bezeichnend  ist  es,  dass  unser  junger  St.  Galler 
Forscher  und  Sammler  schon  damals  vielfach  um  seine 
scharfe  Beobachtungsgabe  namentlich  fur  pflanzliche  Ob- 
jekte,  das  rasche  und  sichere  Erkennen  einer  Spezies,  ilirer 
Zugehorigkeit  zum  System,  beneidet  wurde.  Durch  treues 
Sichversenken  in  ein  sehr  grosses  Material  hatte  sich  das 
Auge  des  Forschers  gescharft;  allein  es  ist  kein  Zweifel 
dariiber,  dass  sich  bei  ihm  mit  der  Beobachttmg  eine  natiir- 
liche  Intuition  gepaart  hat.  "Wir  wissen  von  John  Ray, 
dem  eigentlichen  Urheber  der  neueren  Pflanzensystematik, 
,jWie  er,  indem  er  sich  immer  in  den  aussern  Habitus  einer 
Pflanze  —  plantae  facies  exterior  —  versenkte",  gleich- 
sam  ohne  sich  Rechenschaft  dariiber  geben  zu  konnen, 
sofort  die  Einreihung  eines  Einzelobjektes  in  die  systema- 
tische  Ordnung  der  Natur  ahnte.  Genau  so  bei  Wart- 
mann.  Hatte  er  sich  (in  spatern  Jahren)  langere  Zeit 
hindurch  nicht  mehr  mit  der  Gattung  Carex  oder  mit 
Grasern  oder  mit  andern  speziesreichen  Genera  und 
Familien  beschaftigt,  so  konnte  er  doch  jedesmal  beim 
Zugesichtebekommen  einer  schwieriger  erkennbaren  Pflanze 
rasch  sagen;  „das  ist  nicht  die  und  die;  sie  gehort  aber 
sicher  in  jene  Untergruppe.a 

Von  besonderer  Denkwurdigkeit  fur  Wartmann  scheint 


20 


ein  Ausflug  mit  Fischer  aufdie  Sandalp  (14.  — 17.  Juli 
1862)  gewesen  zu  sein,  in  dessen  Verlaufe  manch  inter- 
essante  and  seltene  Pflanze  entdeckt  wurde.  Eine  ernste 
Erkaltung  wahrend  jener  Exkursion  legte  aber  auch  den 
Grund  zu  der  Abneigung  gegen  grossere  Reisen  und  lan- 
gere  Abwesenheit  von  seiner  Hauslichkeit,  welche  ihm  von 
Freanden  und  Fernerstehenden  als  besondere  Eigenheit 
gedeutet  wurde.  Schon  1865  schreibt  Cramer  an  Wart- 
mann,  er  scheme  ihm  in  einen  Baum  verwandelt,  der  die 
Scholle  nicht  mehr  verlassen  konne,   der  Wurzel  wegen. 

Die  Klagen  liber  Unpasslichkeit  infolge  chronischer 
Verdauungsstorungen  und  damit  verbundener  Schlaflosig- 
keit  ziehen  manche  Jahre  durch  die  Korrespondenzen  an 
seine  besten  Freunde.  In  den  letzten  Dezennien  machten 
ihm  xiberdies  ziemlich  starke  Brustkatarrhe  und  Influenza- 
erkrankungen  nicht  wenig  zu  schaffen.  „ Grossere  Ex- 
kursionen  zu  Sammelzwecken  darf  ich  leider  voraus- 
sichtlich  lange  keine  unternehmen,  da  ich  noch  immer 
von  einem  chronischen  Magenkatarrh  geplagt  werde  und 
jede  grossere  korperliche  Anstrengung  absolut  meiden 
muss.  Dass  solche  Storungen  auch  einen  schlimmen  Ein- 
fluss  auf  die  Gemutsstimmung  haben,  ist  keine  Neuigkeit, 
und  ich  bedarf  oft  meiner  ganzen  Energie,  um  nicht 
Melancholiker  zu  werden."     (Brief  an  Jaggi). 

Vielfache  Anregung  fanden  die  begeisterten  jungen 
Botaniker  in  dem  zu  jener  Zeit  bluhenden  Botanischen 
Kranzchen,  und  ein  reger  Tauschverkehr,  bedingt  durch 
die  fortgesetzte  Aufnung  der  Privatherbarien,  rief  bereits 
auch  einer  sehr  ausgedehnten  Korrespondenz  mit  einem 
weitern  Kreis  in-  und  auslandischer  Forscher  und  Freunde. 

Wenn  im  ganzen  die  Jahre  des  Aufenthaltes  in 
-Limmatathen"  einem  ausserordentlich  intensiven  Schaffen 


21 


galten,  so  kam  doch  auch  die  gemiitliche  Seite  durchaus 
zu  ihrer  vollen  Entfaltung.  ^Immer  war  der  Feuerkopf 
Wartmann  ein  gem  gesehener  Gast  im  Kreise  seiner 
Freunde;  man  musste  ihn  schon  seiner  Aufrichtigkeit, 
seines  decidierten  Auftretens  und  seiner  freimtitigen,  un- 
geschminkten  Rede  wegen  schatzen  and  lieben.u  Nie  liess 
er  die  Gelegenheit  unbentitzt,  den  Einladungen  in  den 
Familienkreis  von  Heer,  Escher  von  der  Linth,  Hepp  u.  a. 
Folge  zu  leisten,  und  bekam  durch  seinen  Freund  Carl 
We  gel  in  (nachmals  praktischer  Arzt  in  St.  Gallen),  Ein- 
tritt  in  hochangesehene  Zilrcherfamilien.  Wie  Wegelin, 
so  war  auch  Wartmann  „kein  zopfiger  Philisteru;  beide 
genossen  das  frohliche  Studentenleben  wie  es  Brauch 
und  Recht  ist  und  zahlten  sich  zu  den  eifrigsten  Neu- 
Zofingern. 

Das  Wintersemester  1851/62  verbrachte  Wartmann 
mit  Privatstudien  in  St.  Gallen.  Aus  einem  sehr  freund- 
schaftlich  gehaltenen  Briefe  von  Professor  Heer  an  Wart- 
mann (22./UI.  1852)  geht  hervor,  dass  letzterer,  nachdem 
er  vergeblich  sich  um  eine  Konservatorenstelle  umgesehen, 
bereits  an  die  Ausarbeitung  eines  wissenschaftlichen  Themas 
zum  Zwecke  der  Promotion  dachte.  Auch  beabsichtigte 
Wartmann  nichts  Geringeres,  als  in  Paris,  woselbst  ein 
grosseres  Material  fur  Arbeit  vorliege  und  bedeutende 
geistige  Mittel  geboten  wiirden,  seine  Studien  zu  vervoll- 
standigen.  Allein  jener  Plan  sollte  nicht  zur  Ausfuhrung 
gelangen.  Seine  Eltern  ermoglichten  es  ihm,  noch  ein 
weiteres  Semester  in  Zurich  (Sommer  1863)  zu  speziellen 
Privatstudien  und  Ubungen  im  Mikroskopieren  bei  Pro- 
fessor Nageli  zuzubringen. 

Eben   zu   jener  Zeit  erhielt  dieser  einen   Ruf  nach 
Freiburg  i.  Breisgau,  welchem  er  im  Herbste  Folge  leistete, 


22 


begleitet  von  Cramer  als  Mitarbeiter  and  Hausgenossen, 
w&hrend  Fischer  nach  Bern  iibersiedelte,  um  sich  dort 
zu  habilitieren.  Bei  diesem  Anlasse  bot  Nageli  Wartmann 
die  Stelle  eines  Assistenten  bei  ibm  an,  welche  dieser  ohne 
Zogern  und  mit  Freuden  annahm.  ,,In  Frankreichs  Haupt- 
stadt  hatte  ich  zwar  gewiss  viel  mehr  Interessantes  und 
Grossartiges  gesehen ;  allein  es  schien  mir  doch  passender, 
mich  fur  meinen  wissenschaftlichen  Beruf  noch  langere 
Zeit  in  dem  taglichen  Umgang  mit  einem  Manne  auszu- 
bilden,  der  zu  den  geistigen  Celebritaten  der  wissen- 
schaftlichen Botanik  gehort."  Er  hatte  seinen  Entschluss 
nicht  zu  bereuen. 

Nicht  ohne  eine  gewisse  Genugtuung  wies  Wartmann 
ofters  auf  jene  glucklichen  Freiburger-Jahre  zuriick ; 
denn  neben  manchen  vorzugsweise  mikroskopischen  Ar- 
beiten  tiber  Gefasspflanzen  (u.  a.  betreffend  die  Anordnung 
der  Fibrovasalmassen)  und  solchen  uber  Kryptogamen, 
war  es  ihm  vor  allem  vergonnt,  an  den  wissenschaftlichen 
Untersuchungen  Nagelis  iiber  Starke  und  Starke- 
korner  teilzunehmen.  Wie  sehr  jener  die  trefflichen,  von 
grosser  Gewandtheit,  Genauigkeit  und  Zuverlassigkeit 
zeugenden  Leistungen  seines  Assistenten  zu  wiirdigen 
wusste,  das  bezeugte  er  dadurch,  dass  er  nicht  zuriick- 
hielt,  neben  demjenigen  Cramers  auch  den  Namen  "Wart- 
manns  auf  den  Titel  der  genannten  umfassenden  Studien 
zu  setzen. L) 

Wartmanns  Anteil  an  der  Nagelischen  „Starkebibela, 
wie  ein  spaterer  Schuler  dieses  grossen  Botanikers  die  um- 


l)  Die  Starkekorner.  Morphologische,  physiologische, 
chemisch-pbysikalische  und  systematisch-botanische  Monographie. 
Von  Carl  Nageli.  Unter  Mitwirkung  von  Dr.  G.  Cramer  und 
Dr.  B.  Wartmann.   Zurich,  1858. 


23 


fangreiche  Arbeit  naniite,  bezieht  sich  hauptsachlich  auf 
dieKapitel  von  der  Verbreitung  der  Starkekorner 
in  den  einzelnen  Pflanzenfamilien  und  Pflanzen- 
teilen,  sowie  der  Form-,  Grossen-  und  Struktur- 
verhaltnisse  der  erstern. *)  Cramer  und  Wartmann  haben 
also  gewissermassen  einen  namhafben  Teil  der  Bausteine 
zosammengetragen,  die  dem  Meister  das  Material  zum 
gefestigten  wissenschaftlichen  Gebaude  lieferten. 

Voll  wahrer  Hochachtung  sprach  Wartmann  auch  in 
den  letzten  Jahren  seines  Lebens  von  seinem  ehemaligen 
Lehrer,  Professor  Nageli.  Wie  Cramer 2),  so  hob  auch  er 
stets  die  geistige  Eigenart  desselben  hervor,  dessen  streng 
mathematischen  Zug,  „das  Bestreben,  die  Dinge  nach 
Mass  und  Zahl,  nach  ihrer  Lage  im  Raum  so  genau  als 
moglich  zu  erforschen,  seine  logische  Scharfe  des  Gedanken- 
ganges,  die  sich  in  alien  seinen  Arbeiten  dokumentierte". 
Ein  anderer  hervorstechender  Zug,  welcher  Wartmann  am 
meisten  imponierte,  war  seine  Griindlichkeit  des  Schaffens, 
das  Prinzip,  eine  angefangene  Arbeit  unter  alien  Um- 
standen  zu  beendigen  und  einen  einmal  tuchtig  durch- 
beratenen  Plan  ohne  Zaudern  zu  realisieren.  Ein  Ziel  ward 
aufgesteckt,  und  es  gait,  demselben  energisch  zuzusteuern, 
unbeachtet  dessen,  was  links   und  rechts  am  Wege  lag. 

Dieser  Zug  war  auch  so  recht  ein  Wartmannischer ; 
wenn  man  heute  das  Geheimnis  kennen  lernen  will,  warum 
der  Verstorbene  in  seinem  Leben  so  Eminentes  geleistet, 
so  ist  es   dessen   Zielbewusstheit,   die  Abneigung,  vieles 

*)  Genauere  Angaben  finden  sich  in  einem  Referate  Wart- 
manos,  publiziert  im  Oktober  1860  in  Nr.  10  der  „Oesterreichischen 
botanischen  Zeitschriftu. 

•)  Cramer,  Leben  und  Wirken  von  Carl  Wilh.  v.  Nageli. 
Zurich,  1896. 


24 


miteinander  zu  beginnen,  ganz  besonders  aber  die  Ten- 
denz,  einmal  Begonnenes  mit  Wucht  und  ohne  Rucksicht 
auf  Nebensachliches  durchzufiihren.  Dazu  kommt  die  weise, 
minutiose  Ausniitzung  der  Zeit.  Jede  Halbheit  war  ihm 
verhasst,  ebenso  wie  er  ein  scharfes  Urteil  hatte  iiber 
Leute,  die  nie  recht  wu8sten,  was  sie  wollten,  die  ohne 
Plan  und  ohne  Abschluss  waren.  Ihn  selbst  konnte  man 
nicht  argerlicher  sehen,  als  wenn  einem  seiner  Arbeits- 
programme  Hindernisse,  z.  B.  Zeitmangel,  in  den  Weg 
traten,  nie  aber  hat  er  ein  erstrebenswertes  Ziel  aus  dem 
Auge  gelassen.  Wie  viele  deren  hat  er  erreicht,  dank 
seiner  Zahigkeit  und  Ausdauer! 

In  anderer  Beziehung  standen  und  stehen  sich  Nageli 
und  Wartmann  durchaus  diametral  gegenuber.  Besass 
ersterer  eine  ausgesprochene  Neigung  zu  naturphilosophi- 
schen  Spekulationen,  so  konnte  sich  Wartmann  nie  ent- 
schliessen,  aufs  ^Glatteis  der  Theorien,  Hypothesen  und 
Spekulationen u  sich  zu  wagen.  Darliber  spater  einige 
Ausfuhrungen. 

Den  kraftigsten  Impuls  zur  Schaffensfreudigkeit  Wart- 
mannB  in  Freiburg  mag  aber  neben  den  vielen  herrlichen 
Exkursionen  in  der  Umgebung  jener  Stadt  die  innige  Zu- 
neigung  und  Liebe  zu  seiner  reichbegabten,  durch  Tiefe 
des  Gemiites  sich  auszeichnenden  spatern  Lebensgefahrtin 
gegeben  haben.  Diese  war  die  Tochter  der  Regierungs- 
ratswitwe  Herzog,  ;;einer  herzensguten,  liebenswiirdigen 
Fraua,  deren  Hinschied  im  August  1880  trotz  ihres  hohen 
Alters  Wartmann  sehr  wehe  tat.  Fast  schuchtern  warb 
er  urn  seine  Auserwahlte  des  Herzens,  wurde  aber  alsbald 
durch  ein  freudiges  „  Jau  begliickt.  Hatte  er  hier  im  tag- 
lichen  Verkehr  mit  Mutter  und  Tochter  im  so  trauten 
Familienkreise  ein  zweites  Heim,  eine  zweite  Jugendzeit 


25 

gefunden,  so  wurde  Fr&ulein  Marie  Herzog,  nachdem 
sich  seine  Berufsverhaltnisse  definitiv  und  giinstig  gestaltet 
hatten,  seine  hingebende  und  verstandnisvolle  Gattin,  die 
Freud  und  Leid  getreulich  mit  ihm  teilte. 

Dort  in  Freiburg  beendigte  er  auch  seine  Doktor- 
dissertation:  rBeitrage  zur  Anatomie  und  Ent- 
wicklungsgeschichte  der  Algengattung  Lemanea." 

Die  Florideen,  Rhodophyceen  oder  Rotalgen  des  stissen 
Wassers,  zu  welchen  Lemanea  gehdrt,  geben  nur  ein  iiberaus 
kunimerliches  Bild  dieser  farbenprachtigen  Algengruppe  der 
Meere.  Die  Gattung  Lemanea  Bory  tritt  mit  einer  kleinen 
Zahl  von  Spezies  auf  und  gleicht  ausserlich  feinen,  im  Wasser 
geschwarzten  Wiirzelchen. 

Schon  vor  Wartmanns  Untersuchungen  hatte  sich  diese 
komplizierte  Sfisswasseralge  der  Aufmerksamkeit  verschiedener 
Forscher  zu  erfreuen  gebabt  und  war  lange  Zeit  der  Gegen- 
stand  sehr  verschiedener  Ansichten  sowohl  seitens  der  Sy ste- 
rn atiker,  als  auch  der  Pflanzenanatomon  (Vaillant,  Vauchor, 
Bory,  Agardh,  Hassal,  Kiitzing,  Braun). 

Eine  eingehende  Beschaftigung  mit  der  gesamten  Ana- 
tomie uud  der  Entwicklungsgeschichte  derselben  schien  desbalb 
Wartmann  durcbaus  wunschenswert,  und  er  bereute  es  nie. 
dieses  Thema  fiir  seine  Dissertation  gewahlt  zu  haben,  indem 
seine  Untersuchungen,  wie  sich  Ketel,  der  1887  die  namliche 
Materie  behandelte,  ausdruckt,  in  anatomiscber  Hinsicbt  einen 
wesentlichen  Fortschritt  bedeuteten.  „Die  ganze  Abhandlung, 
welche  der  Verfasser  seinem  Lebrer,  Prof.  Dr.  Carl  Nageli.  ge- 
widmet,  ist  das  Resultat  eigener,  scharfer,  aufmerksamer  und 
glucklicber  Beobachtungen,  die  viel  Neues,  Zuerstgesehenes  zu 
Tage  forderten.*  • 

Wartmann  bat  zuerst  die  Existenz  einer  Zentralaxe  im 
Thallus  zweifellos  nacbgewiesen,  die  vor  ihm  bald  behauptet, 
bald  wieder  geleugnet  worden  war.  Er  erkannte  auch  die  vier 
Stutzzelien  und  die  Zahl  und  Anordnung  der  wandstandigen 
Zellreihen  bei  der  Untergattung  Lemanea,  und  er  gibt  in  seiner 
Darstellung  ein  vollkommen  ricbtiges  Bild  von  dem  Bau  des 
fertigen  Thallus;  ebenso  bat  er  mit  Bezug  auf  das  Spitzen- 
wachstum  genaue  Resultate  erzielt  (Ketel.)  Nacb  den  spatern 
Untersuchungen  von  Sirodot  und  Ketel  bat  sich  wohl  heraus- 
gestellt,  dass  die  von  Wartmann  speziell  als  Lemanea  Huvia- 
tilis  bezeicbnete  Spezies  zur  Untergattung  Sacheria  Srdt.  gebort; 
allein  dies  andert  nichts  an  der  Tatsache  der  ausserst  sorg- 


26 


faltigen  Untersuchungsweise  Wartmanns,  seiner  ihn  stets 
charakterisierenden  scharfen  Beobachtungsgabe  und  der  peinlicb 
gewissenhaften  Behandlung  jedes  wissenschaftlichen  Gegen- 
standes. 

Dem  ehrenvollen  Ruf  nach  Petersburg  (pag.  11)  hat 
Wartmann  aus  verschiedenen  Gninden  nicht  Folge  ge- 
leistet.  Die  Hauptbedenken  waren  solche  in  Hinsicht  auf 
die  unumganglich  notwendige  Erlernung  der  russiscken 
Sprache,  auf  das  Klima,  auf  die  damaligen  gesellschaft- 
lichen  Verhaltnisse  und  die  politischen  Konstellationen  in 
Bussland.  Sodann  zog  er  eine  wissenschaftliche  Betati- 
gung  in  Deutschland  oder  in  der  Schweiz  schon  seiner 
Braut  zuliebe  vor. 

Die  Hauptaufgabe  Wartmanns  nach  der  Ruckkehr 
Nagelis  nach  Zurich  (Friihling  1866)  als  Professor  fur  all- 
gemeine  Botanik  am  neugegnindeten  Polytechnikum,  wohin 
ihn  ersterer  wiederum  als  Assistent  begleitete,  bestand 
vorab  in  der  Leitung  der  Exkursionen,  in  Anfertigung  der 
mikroskopischen  Praparate  und  der  Unterstiitzung  Nagelis 
bei  dessen  mikroskopischen  Untersuchungen. 

Zur  namlichen  Zeit  war  auch  Simon  Schwendener 
von  Buchs  (seit  1878  Professor  der  Botanik  an  der  Uni- 
versitat  Berlin,  eine  der  gefeiertsten  Koryphaen  der  bo- 
tanischen  Wissenschaft)  in  Zurich  eingeriickt,  wo  er  sich 
eben  auf  das  Doktorexamen  vorbtereitete,  das  er  im  Sommer 
1866  absolvierte. J)  Nur  wahrend  kurzer  Zeit  konnten  sich 
die  beiden  jungen  Forscher,  welche  nebeneinander  in  der 
Privatwohnung  Nagelis  mikroskopierten,  naher  treten; 
nichtsdestoweniger  sind  sie  stetsfort  in  freundschafllichen 
Beziehungen  zueinander  geblieben. 

*)  Nach  giitiger  brieflicher  Mitteilung  von  Herrn  Geheimrat 
Prof.  Dr.  S.  Schwendener.  Anm.  <L  Verf. 


27 


Tatigkeit  als  Lehrer  und  Sehulmann. 

„Wir  konnen  dem  Staate  keine  grossern  und  bessern 
Geschenke  darbringen,  als  wenn  wir  die  Jugend  unter- 
richten  und  erziehen.a  Selten  war  sich  ein  Mensch  der 
Wahrheit  dieser  Worte  so  sehr  bewusst,  wie  Wartmann. 
Mit  ausgesprochenem  natiirlichem  Talente  fur  Padagogik, 
ohne  vorhergegangenes  langes  Studium  derselben,  begann 
er  nach  kurzer  Tatigkeit  als  Privatdozent  die  ihm  von 
der  Vaterstadt  angebotene  Lebensarbeit.  Er  setzte  berech- 
tigte  Hoffnungen  auf  einen  nach  Jahren  zu  erlangenden 
akademischen  Lehrstuhl  bei  Seite  und  wandte  sich  dem 
Gymnasium  zu,  gliicklich  im  Gedanken,  dass  ihm  auch  dort 
eine  hohe  und  edle  Aufgabe  als  Jugenderzieher  erwachse. 

46  voile  Jahre  hindurch,  fast  ein  halbes  Jahrhundert, 
ist  ihm  eine  wahrhaft  ideale  AufFassung  des  Lehrerberufes 
eigen  geblieben;  bis  vier  Tage  vor  seinem  Tode  hat  er 
seine  besten  Krafte  der  st.  gallischen  Kantonsschule  ge- 
widmet,  mit  einer  Umsicht  und  Begeisterung,  mit  einer 
Grrundlichkeit  und  Klarheit  im  Unterricht,  wie  sie  ihres- 
gleichen  suchen  und  die  ihm  die  Liebe  und  Anhanglich- 
keit  seiner  Schuler  fur  das  ganze  Leben  sicherten.  „Wenn 
heute  die  st.  gallische  Kantonsschule  auf  ehrenhafter  Hohe 
steht,  wenn  sie  nach  ihrer  erzieherischen  und  wissenschafb- 
lichen  Tatigkeit  allgemeine  Achtung  und  Anerkennung 
geniesst,  so  darf  auf  den  verstorbenen  Kollegen  Wart- 
mann in  erster  Linie  hingewiesen  werden,  als  auf  einen 
derjenigen,  welche  dazu  den  Grundstein  gelegt  haben.  Seine 
eminente  und  kostbare  Gabe,  die  Jugend  fur  seine  Wissen- 
Bchaft  und  die  Natur  zu  interessieren  und  zu  begeistern; 


28 


verdankte  er  vor  allem  seinem  reinen  Gemiit,  seiner  nie 
versiegenden  Liebe  zur  Jugend,  dem  heiligen  Feuer  der 
Begeisterung,  das  ihn  durchgliihte  und  das  auch  seine  Zu- 
horer  erwarmte  and  unwillkiirlich  mit  fortriss."  l) 

„Die  Jugend  ist  und  bleibt  fur  mich  der  Stimulus, 
der  mich  jung  erhalt,  wenn  auch  der  Winter  des  Lebens 
sich  langst  auf  meinem  Haupte  angemeldet ;  nehmt  mir 
den  Lehrberuf  und  ihr  raubt  mir  das  Leben  selbst!"  Von 
nachster  Seite  ward  ihm  wohl  angedeutet,  dass  er  das 
Becht  besitze,  seinen  Lebensabend  durch  weise  Musse  sich 
selbst  zu  verschonern,  um  die  Frfichte  dessen  zu  geniessen, 
was  er  als  treuer  Saemann  ausgestreut;  allein  er  konnte 
sich  den  Gedanken  eines  Abschiedes  von  seiner  ihm  ans 
Herz  gewachsenen  Jugend  nicht  zurechtlegen,  ohne  in 
eine  triibselige,  ja  argerliche  Stimmung  zu  verfallen.  Mit 
Wehmut  erinnere  ich  mich  der  letzten  Unterredung,  am 
Tage  vor  seinem  Tode,  da  er  mir  den  Auftrag  gab,  mit 
der  funften  Gymnasialklasse  unverzuglich  die  tJbungen 
im  „Pflanzenbestimmenu  fortzusetzen,  welche  er  ein  paar 
Wochen  vorher  an  den  bezaubernden  Fruhlingsboten  be- 
gonnen  hatte. 

Wartmann  war  kein  Freund  von  padagogischen 
Klaubereien  und  Spitzfindigkeiten.  „Wer  ein  Lehrer  von 
echtem  Korne  werden  will,  muss  das  Zeug  schon  friihe 
in  sich  tragen.  Begeisterung  und  Liebe  zur  Jugend  weisen 
dem  Jugendbildner  von  selbst  den  Weg.  An  Stelle  des 
vielen  Redens  iiber  P&dagogik  treibe  man  niitzlichere 
Dinge:  Bereicherung  der  positiven  Fachkenntnisse.  Der 
Lehrer  trachte  darnach,  viel  Einzelkenntnisse  zu  gewinnen, 
er  lerne  griindlich  sehen,  beobachten,  beschreiben.  Im 
tiichtigen  Wissen  des  Lehrers,  gepaart  mit  Konsequenz 

')  Aus  der  Grabrede  von  Rektor  Dr.  Dick. 


29 

in  der  Bebandlung  der  Schuler,  liegt  schon  eine  machtige, 

geheimnisvoll-autoritative   Kraft;    sie   bedingt   zu   einem 

grossen  Teil   auch  den  Respekt,   der  den  Lernenden  von 

selbst  im  Ziigel  halt  und  vor  disziplinarischen  Ubertre- 

tungen  instinktiv  bewahrt."    Schon  bei  dem  erstei^ent- 

schiedenen  Auftreten  hatte  der  junge  Lehrer   mit  einem 

Schlage  jene   von    der    Jugend    etwa    versuchsweise    in- 

szenierten   Storungen  gebannt,   urn   so   mehr,    als  er  die 

Geister  durch  Wort  und  Beispiel  nicht  nur  in  der  intellek- 

taellen,  sondern   auch   in   der  ethischen  Entwicklung   zu 

fordern  verstand.  „  Bei  Wartmann  war  alles  mauschenstill ; 

wir  wussten  selbst   nicht  warum;   es  schien  sich  einfach 

von  selbst  zu  verstehen,  dass  wir  ihn   achteten   und  ihn 

reepektieren  mussten." 

Wohl  wenige  der  Schuler  konnten  sich  nicht  in  seine 
Art  finden,  versaumte  er  doch  nicht,  durch  gelegentliche 
f  Gesprache  allgemeiner  Natur  dem  einzelnen  in  freund- 
i  schaftlicher  Weise  naher  zu  treten  und  an  Leid  und  Freud 
de88elben  teilzunehmen.  Daher  die  unbedingte  Anhang- 
lichkeit,  welche  ihm  vor  allem  seine  Schuler  aus  den  ersten 
Dezennien  der  Lehrtatigkeit  bewiesen.  Wer  sich  vertrauens- 
voll  an  ihn  wandte,  der  hatte  zeitlebens  einen  kraftigen 
Racken  an  ihm,  und  um  das  weitere  Fortkommen  brauchte 
er  sich  nicht  zu  kummern.  Immer  stand  Wartmann  mit 
seiner  reichen  Erfahrung  den  fruhern  Schulern  und  vorab 
den  gewesenen  Lehramtskandidaten  als  vaterlicher  Berater 
bei  alien  Dingen  in  uneigenniitzigster  Weise  zur  Verfiigung; 
mancher,  der  heute  in  gliicklich-bescheidener  oder  hoher 
Position  steht,  verdankt  ihm  einen  grossen  Teil  „des 
f     gutigen  Geschickes". 

Hunderte   seiner   ehemaligen   Schuler   bekleiden   zur 
Stonde  das  Amt  eines  Theologen,  Arztes,  Juristen,  Staats- 


} 


30 


bediensteten  und  Lehrers  auf  mittlerer  und  hdherer  Schul- 
stufe.  Welch  grosse  Summe  von  Anregung  haben  sie 
empfangen  und  hinausgetragen  in  das  praktische  Leben ! 
Unter  jenen,  die  sich  in  der  Praxis  der  akademischen 
Laufbahn  bereits  einen  Namen  erworben,  nenne  ich  hier: 
Dr.  E.  Billwiller,  Direktor  der  Schweizerischen  meteoro- 
logischen  Zentralanstalt  in  Zurich;  Dr.  C.  Correns,  Pro- 
fessor der  Botanik  an  der  Universitat  Leipzig;  Dr.  K. 
Hescheler,  Privatdozent  der Zoologie  an  der  Universitat 
Zurich;  Dr.  Hochreutiner,  Privatdozent  der  Botanik 
an  der  Universitat  Genf.  Sie  alle  wissen  und  anerkennen 
es  freudig  und  dankbar,  was  ihnen  der  teure  Verstorbene 
gewesen. 

Sein  herzliches  Wohlwollen  gegen  strebsame,  junge 
Leute  trat  namentlich  auch  in  den  Abgangsprufungen  zu 
Tage.  Nie  erschien  er  ohne  eigene  gewissenhafte  Vorberei- 
tung  im  Examensaal;  er  verstand  liebevoll  einzugehen  auf 
das,  was  dem  Kandidaten  mehr  oder  weniger  gelaufig  war. 
Die  Schiiler  wussten  zwar  sehr  gut,  dass  Wartmann  von 
ihnen  griindliche  Vorbereitungsstudien  verlangte  und  dass 
„8ch6ne  Redensartenu  bei  ihm  nichts  halfen;  sie  kannten 
seine  Gerechtigkeit  im  „Notengeben" ;  aber  sie  freuten 
sich  selbst,  wenn  sie  ihrem  Lehrer  Ehre  machen  konnten. 
Ein  besonderes  Auge  hatte  er  auf  die  Reallehramts- 
kandidaten  und  deren  Studiengang.  Kein  anderer  als 
Wartmann  war  es,  welcher  1868  den  ersten  Anstoss  gab 
fiir  eine  bessere,  zweckentsprechendere  Ausbildung  der- 
selben,  nachdem  sie  bis  anhin  bald  an  dieser,  bald  an 
jener  Abteilung  der  Kantonsschule  muhsam  ein  Stuck 
urn  das  andere  fiir  ihre  Berufsvorbereitung  herbeizuholen 
gezwungen  gewesen  waren.  Uberhaupt  ging  von  jeher 
sein  Bestreben  darauf  hinaus,  auf  alien  Schulstufen  den 


31 


naturkundlictien  Unterricht  auf  eine  m6glichst  breite 
Basis  zu  stellen.  Das  unerschrookene  Veto  gegen  jegliche 
"Verkurzung  und  Beschneidung  desselben  ist  ihm  speziell 
von  seiner  Oberbehorde  stets  gut  vermerkt  worden,  am 
so  mehr,  als  diese  seine  Stellung  zu  alien  iibrigen,  nament- 
lich  den  humanistischen,  Fachern  kannte.  Horen  wir  ihn, 
was  die  letztern  anbetrifft,  selbst  in  dem  Gutachten  des 
Lehrerkonvents  der  Kantonsschule  liber  den  Entwurf  des 
Kantonsschulgesetzes  ( 1863) : 

„Oder  glaubt  man  etwa  die  klassische  Bildung 
leicht  nehmen  zu  diirfen?  Es  tut  wahrlich  unserem  in- 
dustriell  vermaterialisierten  Geschlechte  not,  dass  es  der 
masslosen  Uberhebung  der  nackten  Interessen  gegenuber 
wieder  mehr  rein  geistigen  Halt  gewinne.  Es  steht  schlecht 
urn  jede  Nation,  noch  schlechter  urn  eine  Republik,  wenn 
die  bedeutsamst  in  ihr  Geistesleben  eingreifenden  Stande 
keinen  Begriff  und  Sinn  haben  fur  die  rein  menschliche, 
herrliche  Welt,  die  uns  im  Hellenismus  aufgeht;  wenn  ihre 
Sonne  in  der  einseitigen  Verschrobenheit  gross  wachsen, 
die  untertanigst  und  borniert  den  epbemeren  Launen  der 
Zeit  huldigt.  Das  Ewige  ist  unzerstorbar ;  der  Sturmwind 
des  Geistes  wird  wieder  einmal  die  hohlen  Gotzen  zer- 
schlagen,  an  die  in  unsern  Zeiten  Tausende  und  Tausende 
ihr  Herz  und  ihre  Ehre  verkaufen!u 

Mit  einer  reichen  Fiille  von  Lehrstunden  bedacht, 
welche  sich  auf  alle  Abteilungen  der  Kantonsschule  und 
des  damaligen  Lehrerseminars  verteilten  und  welche  die 
Gebiete  der  Zoologie,  Botanik  und  Mineralogie  umfassten 
(zu  jener  Zeit  hatte  er  ohne  grosse  Bedenken  auch  Physik 
and  Chemie  doziert),  legte  Wartmann  vorerst  seine  auf 
derUniversitat  mit  grossem  Fleisse  und  scharfster  Prazision 
gefuhrten  Kollegienhefte  bei  Seite,  von  der  tlberzeugung 


32 


ausgehend,  dass  sich  ihr  Gang  und  Stoff  selbst  fur  die 
hochsten  Stufen  des  Gymnasialunterrichtes  nicht  eignen 
wtirden.  „Wie  der  Hausvater  jedem  Kinde  nach  Alter 
und  Bedtirfnis  die  Portionen  leiblicher  Nahrung  bemisst, 
so  handelte  es  sich  far  mich  darum,  in  sorgfaltiger  Pra- 
paration  die  Lektionen  zurechtzuschneiden  und  sie  der 
jeweiligen  Stufe  anzupassen."  Auf  diese  Weise  entstanden 
jene  umfangreichen,  durch  Klarheit  der  Definitionen  sich 
auszeichnenden  Lehrg&nge  und  Stoffausarbeitungen  fur 
alle  Disziplinen  der  Naturgeschichte.  Noch  in  den  letzten 
Jahren  hat  Wartmann  eine  totale  Neubearbeitung  der 
Botanik  und  Mineralogie  seiner Vortragshefte  durchgefiihrt 
welche  ohnehin  von  Kursus  zu  Kursus  viele  Zusatze  und 
Nachtrage  (nach  neuester  Literatur)  erhielten.  Oft  wurde 
es  als  eine  Eigentiimlichkeit  Wartmanns  gedeutet,  dass  er 
sich  beim  Dozieren  mit  Konsequenz  an  den  Inhalt  und 
Wortlaut  des  Manuskriptes  gehalten  und  an  seine  Schiiler 
die  manchmal  scheinbar  weitgehende  Forderung  stellte, 
denselben  prazis  wiederzugeben.  Wer  aber  die  eingehende 
Fassung  des  Textes,  speziell  den  scharfen  klaren  Ausdruck 
der  allgemeinen  Teile  desselben  kennt,  wer  anderseits 
weiss,  wie  leicht  der  Schiiler  bei  der  Wiedergabe  von  Ge- 
hortem  ins  Fabulieren  gerat,  der  versteht  auch  unsern 
Wartmann,  wenn  er  sich  ein  fiir  allemal  zum  Grundsatze 
gemacht:  „Meine  Schiiler  miissen  etwas  Rechtes,  Be- 
stiinmtes  und  Sicheres  wissen." 

„Sein  Unterrichtszielu,  schreibt  mir  Herr  Reallehrer 
Schmid,  einer  seiner  tuchtigsten  und  speziell  im  Fache  der 
Botanik  wohlbewanderten  Schiiler,  „war  eine  griindliche, 
streng  systematische  Grundlage  fur  ein  weiteres  Studium, 
speziell  fiir  dasjenige  an  der  Hochschule.  Gleichzeitig 
sollten  aber  auch  diejenigen,  welche  mit  der  Kantonsschule 


33 


ihren  Bildungsgang  abschlossen,  eine  Fiille  richtiger  Vor- 
stellungen  und  die  Fahigkeit  tiichtiger  Beobachtungsgabe 
erwerben.  Dieses  Ziel  bedingte  auch  seine  Unterrichts- 
methode.  Klar  und  pragnant  wusste  er  die  Merkmale  der 
systematischen  Einheiten  hervorzuheben.  Unsicherheiten 
in  den  Antworten  liess  er  nicht  passieren ;  sein  gnindliches, 
in  die  Details  des  Einzelwesens  eindringendes  Wissen 
verunmoglichte  jegliches  Fabulieren.  Besondern  Wert  legte 
er  auf  die  Kenntnis  der  einheimischen  Tier-  und  Pflanzen- 
welt,  namentlich  derjenigen,  welche  dem  unbewaffheten 
Auge  im  Laufe  des  Jahres  sichtbar  ist.  Eine  Verwechslung 
von  Habicht  und  Mausebussard,  Immen  und  Fliegen, 
Esparsette  und  Luzerne,  konnte  eine  gerechte  Entriistung 
bei  ihm  bewirken,  und  es  bedurfte  dann  energischer  Ar- 
beit von  Seite  des  Schiilers,  urn  eine  solche  Scharte  wieder 
auszuwetzen." 

Neben  Somatologie  und  Oryktognosie,  die  Wartmann 
mit  besonderer  Vorliebe  betrieb,  bildete  die  spezielle 
Botanik,  vor  allem  das  Pflanzenbestimmen,  den 
Glanzpunkt  seines  Unterrichtes  und  es  ist  nicht  zu  viel  ge- 
sagt,  wenn  man  behauptet,  dass  er  mit  Bezug  auf  das 
zuletzt  genannte  Lehrobjekt  kaum  je  iibertrofFen  werden 
kann.  ^Eine  tiefinnerliche  Freude  war  es  fiir  ihn,  wenn 
der  Lenz  wieder  ins  Land  gezogen  kam  und  seine  Schuler 
Gelegenheit  fanden,  sich  mit  Floras  Kindern  bekannt  zu 
machen.u 

«Wie  leuchtete  sein  Auge,  wenn  aus  den  gninen  Be- 
haltern  nicht  gewohnliches  „Heuu  zum  Vorschein  kam, 
sondern  eine  seltene  Spezies,  oder  gar  ein  neuer  Kan  ton  s- 
biirger.  Als  Autoritat  auf  botanischem  Gebiete  konnte  er 
frei  schalten  und  walten,  und  sein  enormes  Wissen  erfiillte 
die  Lernenden  mit  Hochachtung.   Das  Pflanzenbestimmen 

3 


34 


nach  Qremli  bildete  in  gewissen  Klassen  die  Hauptarbeit 
des  Sommersemesters,  wobei  es  sich  durchaus  nicht  etwa 
bloss  urn  den  lateinischen  und  deutschen  Namen  einer 
Pflanze  handelte.  Diese  Einfuhrung  in  die  wunderbare 
Mannigfaltigkeit  der  einheimischen  Pflanzenwelt  ist  seinen 
Schiilern  alien  stets  in  angenehmster  Erinnerung  ge- 
blieben  und  eine  grosse  Zahl  derselben  verdankt  heute 
ihr  Interesse,  ihre  Liebe  zur  ewig  schonen  Natur  und  zu 
ihren  stillen  lieblichen  Kindern  ihrem  Meister.  Wiewobl 
er  mit  den  Schiilern  selbstkeine  Exkursionen  veranstaltete, 
hat  er  sie  nichtsdestoweniger  zu  Streifziigen  durch  Feld 
und  Wald  ermuntert,  hat  sie  hinaus-  und  hinaufgesandt 
in  die  weite  Ebene,  ins  majestatische  Gebirge,  damit  sie 
dort  selbst  die  Anmut  und  Pracht  der  lebenden  Pflanzchen 
an  ihren  naturlichen  Standorten  kennen  und  bewundern 
lernen. u 

Wir  schliessen  die  Notizen  iiber  die  Lehrtatigkeit 
Wartmanns,  die  einen  Hauptteil  seiner  grossen  Lebens- 
arbeit  ausgemacht,  nicht  ab,  ohne  nochmals  darauf  hin- 
zuweisen,  dass  er  seinen  Unterricht  vorzugsweise  auf  streng 
systematischem  Boden  aufgebaut  hat.  Daneben  linden  sich 
aber  in  seinen  Lehrgangen  sehr  viele  Angaben.  welche  in 
einein  modernen  Lehrbuche  unter  die  Titel  ^Physiologie4* 
und  „Biologieu  zu  stehen  kamen.  Sehr  wohl  wusste  er,  dass 
er  sich  mit  manchen  Ansichten  der  neueren  Methodiker 
im  Widerspruche  befand,  insbesondere  mit  jenen,  welche 
der  Biologic  einen  breiten  Raum  im  Unterrichte  zu  ver- 
schafFen  bestrebt  sind.  Wahrend  auf  viele  der  „neuenu 
Padagogen  schon  das  Wort  Biologie  faszinierende  Wirkung 
ausiibt,  stand  er  derselben  immer  etwas  skeptisch  gegen- 
tiber.  Er  hatte  es  selbst  erlebt,  wie  so  manches,  was 
man  s.  Z.  als  unumstosslich  zu  betrachten  gewohnt  war, 


35 


mannigfache  Modifikationen  passieren  musste.  Deshalb  hielt 

er  die  Syatemaiik  fur  die  solide  Unterlage,  auf  welcher  spater 

mit  Leichtigkeit  weiter  gebaut  werden  konne.    Das  Reden 

fiber  rein  Biologisches  artet  gern  in  em  zusammenhang- 

loses  Allerlei  ans  and  fuhrt  auf  Nebenpfade;  grosse  Partien 

dessen,  was  Wartmann  nach  genauer  Prufung  fur 

durchaus  notwendiges  Wissen  hielt,  bleibt  dabei 

unbertihrt.    Immer  nur  „Zuckerbrot"  darreichen.  verdirbt 

den  Magen  und  verleidet  mit  der  Zeit  durch  das  vielfache 

Einerlei.  Schliesslich  weist  auch  die  Biologie  immer  wieder 

auf  das  ..Positive",  dieOrgane  und  die  Organisation  zuriick. 

Das  grosseBucli  der  Natur  hat  wiejedes  andere  sein  Alphabet, 

ohne  dessen  griindliche  Kenntnis  das  Studium  des  Textes 

nicht  moglich  ist.  Ausserdem  arbeitet  sich  der  Lernende  in 

den  jiingern  Jahren  bei  elastischem  und  kraftigem  Gedachtnis 

leichter  in  Nomenklaturen  ein  als  dies  spater  geschieht.   Im 

reifern  Studienalter  aber  sollen  Physiologie  und  Biologie 

zii  ihrem  vollen  Rechte  gelangen.    Sie  sind  dazu  angetan, 

Hem  Ganzen  die  verklarende  Weihe  zu  geben. 

1st  es  durchaus  richtig,  was  Wartmanns  Biograph  in 
der  ^Neuen  Ziircher  Zeitungu  schreibt,  dass  es  noch  in 
den  siebziger  Jahren  ein  Leichtes  gewesen  ware,  vom 
st.  gallischen  Gymnasium  weg  direkt  die  naturwissen- 
«jhaftlichen  Priifungen  eines  eidgenossischen  medizinischen 
Pnipiideutikums  zu  bestehen,  so  ist  es  nicht  weniger  wahr, 
dass  die  der  Schnle  Wartmanns  entstammten  Studierenden 
nberall  an  hochstenUnterrichtsanstaltensoforteinegiinstige 
und  freudige  Aufnahme  fanden. 
\  Es  mag  ja  sein,  dass  Wartmann  in  seinen  Befurch- 

tungen  etwas  zu  weit  ging  oder  in  den  letzten  Jahren  seiner 
Lehrpraxis  sich  konservativ  gegeniiber  neuen  Stromungen 
im  Unterrichtswe8en  verhielt.     Was   seine    Stellung  zur 


f 


36 


Systematik,  fur  die  er  nun  einmal  lebte,  anbetrifft,  so  darf 
vielleicht  daran  erinnert  werden,  dass  bei  ihm  selbst  das 
Feuer  der  Begeisterung  fur  die  Natur  und  die  Natur- 
wissenschaften  in  jenen  Tagen  entfacht  wurde,  da  das 
System,  d.  i.  „die  Zusammenstellung  der  Naturkorper",  in 
der  Wissenschaft  dominierte.  Im  iibrigen  lag  es  ihm  feme, 
auf  ein  System  zu  schworen,  selbst  auf  ein  solches,  ndas 
sich  nicht  nur  auf  e  i  n  anatomisches  Merkmal,  sonderu 
lediglich  auf  Merkmale  aus  dem  verborgensten  Innern 
der  Struktur  stiitzte"  (Naturliches  System).  Allein  das 
System  besass  trotz  seines  Charakters  als  Notbehelf  und 
Provisorium  fiir  ihn  einen  grossen  Teil  Naturwahrheit. 
insofern,  „als  man  auch  durch  dasselbe  die  Sprache  der 
Natur  immer  besser  verstehe,  deren  ,naturlicheu  Ordnung 
wir  ja  zu  ergriinden  trachten.tt 

Wartmann  hat  manches  Wort  der  Geringschatzung  iiber 
die  ^Systematik"  gehort;  es  ging  ihm  nicht  nahe,  denn  er 
selbst  hatte  es  miterlebt,  dass  die  naturgemasse  Systemati- 
sierung  geradezu  den  Anstoss  gegeben,  ,,dass  Hunderte  und 
Tausende  von  neuenTatsachen  durch  sie  bekannt  geworden. 
die  alle  „unwissenschaftliche"  Beobachtung  und  alle  In- 
tuition der  Welt  dem  Menschen  niemals  verraten  hatten.u 

„Sind  etwa,"  schreibt  er  an  Freund  Jaggi,  ^die  Be- 
sultate  der  jetzigen  Anatomen,  Physiologen  und  Biologen 
grossartiger  als  jene  der  Systematiker?  Verlieren  sie  sich 
nicht  auch  in  mannigfachen  Spitzfindigkeiten!u  Fiir  seinen 
Unterricht  mag  er  in  spatern  Jahren  die  Schwierigkeiten 
bemessen  haben,  dem  system atischen  und  biologischen 
Prinzipe  gerecht  zu  werden. 

Als  Feind  jeglichen  Theoretisierens  wollte  Wartmann 
seine  Schiiler  grundsatzlich  nicht  in  die  vielerlei  natur- 
wissenschaftlichen  Hypothesen   eingefiihrt   wissen.     „Das 


37 


sind  Dinge,  die  sie  in  reiferen  Jahren  und  auf  hoheren 
Stufen,  nachdem  ihnen  ein  8olides  Fundament  gegeben, 
studieren  mogen.u 

„Nichts  ist  torichter,  als  junge  Leute  mit  wissen- 
sichaftlichen  Theorien  abzu  flit  tern,  die  ja  bestandig  die 
Gelehrten  im  Streite  halten." 

Dem  obersten  Grundsatze  im  Unterrichte:  Veran- 
s«haulichung  dessen,  was  gelehrt  und  gelernt  wird,  gerecht 
werdend,  bestrebte  sich  Wartmann,  das  Naturalienkabinett 
der  Kantonsschule,  welches  sich  vorziiglich  aus  den  Ver- 
trutern  der  einheimischen  Tier-,  Pflanzen-  und  Steinwelt, 
nber  auch  den  charakteristischen  Reprasentanten  fremder 
Lander  zusammensetzte,  so  viel  als  moglich  zu  erweitern. 
Dazu  kamen  zahlreiche  andere  Lehrmittel,  Tabellen,  Bilder- 
werke,  Modelle.  Fiir  ein  ausgedehnteres  Studium  standen 
den  Schiilern  tiberdies  die  Museumssammlungen  zur  Ver- 
lugung,  auf  welche  er  sie  stetig  verwies.  Der  von  seinem 
Vater  verfasste,  1839  in  1.  Auflage  erschienene  ^Leitfaden 
zum  Unterrichte  in  der  Naturgeschichte",  welcher  sich 
durch  eine  reicheFiille  des  StofFes,  iibersichtliche  analytisch- 
systematische  Darstellung  und  knappe,  treffende  Form  des 
Ausdruckes  vor  manchen  andern  Lehrmitteln  jener  Zeit 
auszoichnete.  wurde  von  der  7.  Auflage  an  von  Rektor 
Wartmann  herausgegeben  und  von  ihm  bis  zur  letzten 
Auflage,  der  1  lten  (1900),  fortwahrend  verbessert.  Er  ver- 
trat  darin  die  namlichen  Grundsatze,  wie  wir  sie  von  seiner 
Lehrmethode  geschildert.  Das  trotz  des  Fehlens  von  Illu- 
strationen  vorzligliche  Biichlein  ist  leider  von  verschiedenen 
Seiten  unrichtig  beurteilt  worden,  weil  es  in  den  beiden 
letzten  Ausgaben  dem  biologischen  Momente,  das,  vergessen 
wir  es  nicht,  noch  recht  jungen  Datums  ist,  keinen  breiteren 
Raum  gewahrte.  Der  ^Leitfaden"  will  in  gedriingten  Ziigen 


38 


die  Grundlinien  der  Wissenschaft  behandeln;  er  stiitzt  sich 
auf  die  Anschauung  und  will  zum  Beobachten  anleiten, 
nicht  aber  dem  Lehrer  und  dem  Schiller  etwa  Stoft*  zu 
reinen  Ged&chtnisiibungen  geben,  welche  den  Unterricht 
verleiden  und  dem  Schuler  die  Liebe  zur  lebendigen  Natur 
rauben.  Sorge  der  Lehrer  daneben  fur  eine  gute  Sammlung 
von  Naturobjekten,  Bilderwerken  etc.,  wie  sie  Wartmann 
fur  jede  Schule  als  unerlasslich  betrachtete,  trage  er  selbst 
seine  Liebe  und  Begeisterung  fur  das  Fach  der  Natur- 
geschichte  in  sich  und  der  Erfolg  wird  nicht  ausbleiben. 
Jederzeit  aber  stehe  der  Lehrer  hoch  iiber  Schulbuch  und 
Leitfaden ! 

Die  Personlichkeit  Wartmanns  in  Verbindung  mit  der 
St.  Gallischen  Kantonsschule  zu  nennen,  kann  nie  ge- 
scbehen,  ohne  seines  Amtes  als  Rektor  derselben  zu 
gedenken,  das  er  von  1863 — 1877  innehatte. 

Die  hochgehenden  Wogen  aufregender,  schwerer 
Kampfe  um  die  Schaffung  einer  der  Erziehung  der  Sohne 
beider  Konfessionen  dienenden  Mittelschule  hatten  sich 
zwar  bereits  etwas  gelegt.  Doch  stand  der  neue  Fahr- 
mann  immer  noch  auf  einem  exponierten  Posten.  Seiner 
grossen  Umsicht  und  kuhnen  Unerschrockenheit,  seinem 
Mannesmut  und  seiner  Energie,  der  Offenheit,  Geradheit 
und  Festigkeit  seines  Charakters,  sowie  seiner  unverwiist- 
lichen  Uberzeugungstreue  ist  es  zu  danken,  rwenn  das 
damals  noch  schwache  Schiff  der  Schule  an  Klippen  und 
zahlreichen  Anfechtungen  vorbei  siegreich  in  ruhiges  Fahr- 
wasser  lenkte".  Es  gait,  der  neuen,  unter  harten  Wehen 
geborenen  Schopfung  nach  innen  und  nach  aussen  einen 
guten  Ruf  zu  verschaffen  und  angstlich  alles  von  ihr  ab- 
zuhalten,  was  ihr  von  Seite  ihrer  Feinde  Schwierigkeiten 
liatte   bereiten   konnen.    Die   Behorde  war  sich   klar  be- 


39 


wrest,  dass  Wartmann  ihres  vollen  Vertrauens  in  hohein 
Masse  wurdig  sei.  Als  er  nach  14  Jahren  das  Szepter  in 
ihre  Hand  zuriickgab  und  die  Schule  in  jeder  Richtung 
♦*hrenvoll  dastand,  wusste  jedermann,  wem  das  wesent- 
lichste  Verdienst  dabei  gebiihrte. 

Wartmanns  Ara  kennzeichnet  sich  durch  strenge  Ord- 
oung  und  straffe  Disziplin.  Wie  konnte  es  auch  anders  sein 
unter  einem  Manne,  der  an  sich  selbst  und  seine  Leistungen 
den  strengsten  Massstab  anlegte!  „Wohl  mochte  diesem 
und  jenem  Schuler  durch  das  drakonische  Gesetz  manch 
ein  lustig  und  luftig  Planlein  gekreuzt  word  en  sein",  aber 
es  gab  auch  dankbare,  welche  nach  Jahren  noch  die  Stunde 
segneten.  da  sie  in  riehtige  Bahnen  gewiesen  wurden. 

Ganz  besonders  hervorzuheben  ist  das  ausserst  an- 
genehme,  schone,  kollegiale  Verhaltnis,  das  den  Rektor 
mit  alien  Lehrern  verband.  Bei  der  Behorde  genoss  er 
den  Vorzug  einer  Vertrauensperson.  „lch  freue  mich, 
daran  erinnern  zu  durfen,  dass  unser  gemeinsames,  lang- 
jahriges  Arbeiten  nie  auch  nur  von  einem  Schatten  ge- 
trubt  war,  und  dass  Ihr  treuer  Rat  und  Ihre  einsichtige 
Cnterstutzung  meine  Beziehungen  zur  Kantonsschule  un- 
aasgesetzt  ftrderten  und  erleichterten.  Ebenso  freue  icli 
mich.  Ihre  voile  Lehrtatigkeit  der  Anstalt  erhalten  zu 
sehen.a  So  schrieb  dem  Verstorbenen  der  damalige  Chef  des 
Erziehungsdepartementes,  der  bekannte  und  hochverdiente 
Staatsmann  und  Naturforscher  Dr.  Friedr.  v.  Tschudi, 
anlasslich  seiner  Resignation  auf  das  Rektorat  (1877). 
Nach  Jahren  noch,  bis  zu  Wartmanns  Tode,  holte  die 
Behorde  gerne  die  Meinung  und  das  auf  einer  reichen 
Erfahrung  beruhende  Urteil  desselben  tiber  Schuleinrich- 
tangen,  Verordnungen,  Reglemente  etc.  ein,  wie  sie  ihn  auch 
mit  der  Rezension  und  der  Begutachtung  von  Lehrmitteln, 


40 


80weit  sie  sein  Wissensgebiet  beschlugen,  betraute.  Sie 
versaumte  nicht,  ihn  bei  bestimmten  Anlassen  ihrer  Ge- 
wogenheit  zu  versichern  und  gewahrte  ihm  mit  grosster 
Loyalit&t  eine  mit  den  Jahren  fortschreitende  Reduktion 
seiner  Lehrstunden,  deren  er  zuletzt  noch  17  (von  der 
III. — VII.  Gymnasialklasse)  zu  erteilen  hatte. 

Endlich  darf  nicht  unterlassen  werden,  der  Verdienste 
zu  gedenken,  welche  der  Entschlafene  urn  die  Wit  wen-, 
Waisen-  und  Alterskasse  der  Lehrer  an  der 
Kantonsschule  St. Gallen  besitzt.  Diese  fur  alle  An- 
teilhaber  so  unschatzbare  Institution,  die  Garantie  eines 
pekuniar  sorgenfreien  Alters  nach  treuer  Arbeit,  hat  ihm 
stets  sehr  am  Herzen  gelegen.  Von  ihrer  Giiindung  im 
Jahre  1882  an  —  die  Professoren  Rehmke  und  Amrein 
gaben  den  ersten  Anstoss  dazu  —  gehorte  Wartmann  zum 
leitenden  Ausschusse  derselben  und  hat  in  dieser  Eigen- 
schaft  manoh  wichtiges  Wort  mitgesprochen.  Er  half  ihre 
Interessen  in  jeder  Hinsicht  kraftig  fordern,  und  wenn 
auch  heute  nach  den  versicherungstechnischen  Berech- 
nungen  „die  Kasse  noch  lange  nicht  alien  Eventualitaten 
gewachsen  ist,  die  an  sie  herantreten  konnen,  so  darf 
doch  mit  voller  Befriedigung  auf  das  seit  21  Jahren  an- 
gesammelte  Vermogen  geschaut  werden." 

Die  gliickliche  Entwicklung  der  st.gallischen  Kantons- 
schule nnter  dem  schneidigenRegimente  Wartmanns,  dessen 
organisatorisches  Talent  und  seine  griindliche  Kenntnis  des 
gesamten  Schulwesens  mochten  wohl  schuld  sein,  dass 
sehr  bald  auch  die  stadtischen  Behorden  und  Burger 
ein  Auge  auf  ihn  warfen  und  sich  seiner  dauernden  Mit- 
hilfe  an  der  gedeihlichen  Entwicklung  des  Gemeinde- 
schulwesens  versichern  wollten.  Bereits  bestand  der 
grosse  Plan,  die  Trennung  der  drei  Schulgenossenschaften 


41 


in  St. OaUeii.  vorab  jene  nach  den  Konfessionen,  aufzu- 
heben,  da  im  Verlaufe  der  Zeit  allm&hlich  Verbal tnisse 
entstanden  waren,  welche  sich  infolge  ungleicher  Belastung 
der  gesonderten  Teile  zur  Unhaltbarkeit  steigerten.  Wir 
konnen  hier  raumbalber  nicht  eingehen  auf  die  einzelnen 
Etappen  der  Realisierung  des  genannten  Vorhabens;  so 
viel  aber  ist  sicher.  dass  unser  Wartmann  seit  dem  Ein- 
tritte  in  den  genossenbiirgerlichen  Schulrat  (1867) 
mit  seinen  Kollegeu.  Dekan  Mayer  und  Landammann 
A.  Saxer,  ein  gat  Teil  dazu  beigetragen  hat,  dass  die 
grosse  und  weitschichtige  Aufgabe  der  Schulvereinigung 
und  der  gesamte  Aufbau  der  neuen  Organisation,  ein 
schweres  Stuck  Arbeit,  anno  1880  vollendet  war. 

tlberhaupt  manifestierte  sich  in  der  Tatigkeit  Wart- 
manns  als  Schulrat  „der  ausdauernde  Einsatz  seiner  besten 
Kraft  fur  die  in  der  Schule  zum  Ausdrucke  gelangenden 
grossen  Zukunftsideale  der  Menschheit",  fiir  die  er  ailer- 
ons lebhaft  und  uberzeugend  eingetreten.  Es  war  in  der 
Tat  nicht  zu  viel  gesagt,  was  der  President  des  Gemeinde- 
schulrates  St.  Gallen  seinem  eben  zur  Ruhe  gebetteten 
Kollegen  nachrief1):  ,,Wenn  unsere  Schulen,  selbst  iiber 
die  Stadtgrenzen  hinaus,  sich  eines  guten  Rufes  erfreuen, 
so  gebiihrt  das  Verdienst,  sie  auf  diese  Stufe  gehoben  zu 
haben.  nicht  zam  kleinsten  Teile  dem  Manne,  dessen  be- 
redter  Muud  sich  nun  fur  immer  gescnlossen  hat.u  Die 
Piinktlichkeit.  mit  welcher  Wartmann  die  Sitzungen  des 
Schulrates  besuchte  (ihre  Zahl  betrug  neben  jenen  der  ein- 
zelnen Kommissionen  durchschnittlich  30  per  Jahr),  ist 
fast  sprichwortlich  geworden;  nur  Krankheit  hielt  ihn  von 
denselben  fern.     In  alien  Fragen   hat   er  mitgesprochen : 


1    Rede  von  Herrn  President  E.  Z oil  ikofe  r- Wirt  h. 


42 


Uber  die  Schaffung  neuer  Schulklassen  und  Parallelen, 
Einfiihrung  neuer  Kurse,  Revision  der  Lehrplane,  fiber 
Lehrmittel,  permanente  Schulausstellungen,  Kadettenwesen, 
Subvention  des  botanischen  Gartens  beim  Museum,  Schul- 
hausbauten  (St.  Leonhard,  Talhof,  Blumenau),  Einreihung 
der  Fortbildungsschule  in  den  Organismus  der  stadtischen 
Volksschule  (1882)  etc. 

Gemeinnutzige  und  humane  Bestrebungen  fanden  bei 
ihm  jederzeit  warme  Befiirwortung :  die  Witwen-,  Waisen- 
und  Alterskasse  der  Lehrer,  Lehrmittel  fur  arme  Kinder, 
Gratisverabreichung  von  Schreib-  und  Zeichnungsmate- 
rialien,  Unterstiitzung  armer  Sehulkinder,  Ferienkolonien, 
Spezialklassen  fur  Schwachbegabte.  —  Vieljahrige  Er- 
fahrungen  hatten  ihn  in  solchen  Dingen  etwas  vorsichtig 
gemacht;  nicht  immer  schloss  er  sich  Neuerungen  unbe- 
dingt  und  sofort  an,  oft  hielt  er  zuriick,  wo  andere  in 
Begeisterung  vorwarts  zu  stiirmen  versuchten.  Sein  Wahl- 
spruch  war  auch  hier:  „Grundliche  Priifung,  alsdann  ener- 
gisches  Handeln!u 

Als  Mitglied  und  langere  Zeit  hindurch  als  President 
der  Jugendfestkommission  arbeitete  er  stets  darauf  hin, 
dem  bei  Arm  und  Reich  tief  eingewurzelten  Freudentag 
des  Jugendfestes  seinen  althergebrachten,  volkstumlichen 
Charakter  zu  wahren.  Er  verlangte,  um  jeglicher  Miss- 
stimmung  unter  Klassengenossen  und  einer  die  Eltern  be- 
driickenden  Begehrlichkeit  der  Kinder  vorzubeugen,  tun- 
lichste  Einfachheit,  speziell  auch  in  der  Festbekieidung 
und  gehorte  zu  jenen,  welche  das  Jugendfest  fur  alle 
Kinder  obligatorisch  erklarten  iseit  1880). 

Nicht  geringe  Arbeit  erwuchs  ihm  durch  die  Referate 
iiber  den  padagogischen  Stand  der  Schulen,  die  innern 
und  aussern  Verhaltnisse  der  von  ihm  wahrend  des  Jahres 


43 


besuchten  Abteilungen  (M&dchen-  und  Knaben  -  Primar- 
und  Realschulen),  Aufstellung  von  Thematen  fiir  die  Prii- 
fungen  und  die  aktive  Teilnahme  an  diesen  selbst. 

Vielleicht  die  wichtigste  Rolle  wurde  Wartmann  je- 
weilen  bei  den  Neuwahlen  von  Lehrkraften  zugeteilt.  Er 
erwarb  sich  ein  grosses  Verdienst  durch  seine  Bemiihungcn, 
stets  die  anerkannt  tuchtigsten  Erzieher  und  Lehrer  in  die 
Hauptstadt  zu  versetzen.  Die  Mehrzahl  derselben  zahlte 
zu  seinen  ehemaligen  Schiilern,  und  fiir  diese  besass  er  ein 
gutes  Gedachtnis,  urn  so  mehr,  als  er  ihren  spatern  Ent- 
wicklungsgang  mit  wachsamem  Auge  verfolgte.  Er  sah  es 
gerne,  wenn  seine  Jiinger  die  Lehrjahre  der  padagogischen 
Praxis  auf  dem  Lande  draussen  mit  Erfolg  bestanden;  ,,sie 
eignen  sich  dort  eine  gewisse  Selbstandigkeit  im  Umgang 
mit  dem  Volke  an  und  werden  in  der  Behandlung  des 
Unterriehtsstoffes  vielseitig.  Die  Stadt  bietet  ihnen  nachher 
die  gewunschte  Gelegenheit,  sich  in  das  eint  und  andere 
Fach  mehr  vertiefen  zu  konnen  durch  Lekture,  wissen- 
?chaftliche  Vereine  u.  s.  w.u 

Wie  er  gegen  sich  selbst  sehr  strenge  war,  so  legte 
er  auch  einen  strengen  Massstab  an  die  Leistungen  der 
Schule  und  jene  der  Lehrer.  „Das  spatere  Leben  verlangt 
auf  jedem  Schritte  Ernst,  Anstrengung,  Kampf.  Wer  in 
der  Jugend  nicht  auf  jene  hingeleitet  wird,  lernt  das  Leben 
spater  selten  mehr  richtig  auffassen.  Nur  durch  ernste, 
tiichtige  Arbeit,  nicht  durch  blosse  Unterhaltung  und 
Tandelei,  kann  die  Jugend  zur  Arbeitsfreude  und  Arbeits- 
tiichtigkeit  erzogen  werden.  Die  Arbeit  ist  nicht  ein  Joch, 
nicht  eine  Last  und  ein  Fluch,  sondern  eine  Zierde  des 
Burgers:  das  Kostlichste  im Menschenleben  ist  immer  noch 
Miihe  und  treue  Pflichterfullung.  Arbeitsamkeit  bildet  den 
Verstand,   gibt  den  Gefuhlen  des  Herzens  Krafte,  verhiitet 


44 


das  ungesunde  Schweifen  der  Sinne  und  bewahrt  unsere 
Natur  vor  Schwache." 

Diese  Pestalozzischen  Worte  sind  der  Spiegel  der  pada- 
gogischen  Grundsatze  Wartmanns.  „Der  Lehrer  muss  in 
erster  Linie  Begeisterung  fur  die  ihm  anvertraute  Jugend 
und  das  ganze  grosse  Werk  der  Erziehung  besitzen,  er 
muss  tiber  ein  tiichtiges  Wissen  und  einen  einwandfreien 
Charakter  verfugen ;  er  darf  nicht  unterlassen,  unausgesetzt 
an  seiner  Weiterbildung  zu  arbeiten,  die  ihn  vor  Stabilitat 
und  VerknScherung  schutzt." 

In  den  Schulen  sah  der  gestrenge  Herr  Visitator  auf 
einen  regen,  frischen  Geist  im  Gedankenaustausch  von 
Lehrer  und  Schuler,  auf  Klarheit  und  Griindlichkeit  in 
der  Behandlung  des  StofFes  und  ganz  besonders  achtete 
er  auf  die  Handhabung  einer  flotten  Disziplin,  als  der 
Seele  des  Unterrichtes.  „Eine  Schule  ohne  Disziplin  ist 
wie  eine  Miihle  ohne  Wasser!"  Wenn  es  Lehrern  an  einer 
guten  Schulfuhrung  gebrach,  bekamen  sie  bei  Gelegenheit 
die  notigen  klaren  Winke,  welche  zwar  nicht  immer  gut 
aufgenommen  wurden.  Um  so  mehr  aber  dankten  ihm 
alle  Pflichteifrigen  fur  jeden  guten  Rat,  welchen  er  immer 
in  redlichster  Absicht  erteilte. 

„Mit  weitem  Blick  und  warmem  Herzen  war  er  stets 
aufrichtig  und  unentwegt  bemiiht,  die  Interessen  der  Schule 
zu  wahren  und  alle  Bestrebungen  zu  unterstiitzen,  die 
darauf  hinzielten,  dieselben  zu  fordern.  Wie  oft  lenkte 
der  ehrwiirdige  Greis  schon  vor  Beginn  seiner  Tagesarbeit 
die  Schritte  der  Schule  zu  oder  berief  nach  vollendeter 
Arbeit  seines  Berufes  in  stillen  Abendstunden  ein  Mitglied 
der  Lehrerschaft  zu  sich  ins  Studierzimmer,  um  ein  Er- 
eignis  im  Schulleben  griindlich  zu  besprechen  oder  sich 
Auskunft  erteilen  zu  lassen,  wobei  er  herzlich  und  wohl- 


46 


wollend  nicht  nur  seine  Meinung  aussprach,  sondern  auch 
gerne  diejenige  anderer  anhorte  und  entgegennahm.  Selbst 
den  kleinsten  Vorfallen  in  der  Schule  schenkte  er  seine 
voile  Auf merksamkeit ;  dieselben  schienen  ihm  nicht  zu 
gering,  sie  eingehend  zu  priifen  und  zu  erortern,  um  die 
notigen  Konsequenzen  daraus  zu  ziehen. 

Durch  die  unumwundene  Offenheit  und  Geradheit  in 
seinem  ganzen  Wesen,  die  unbedingte  Gerechtigkeit  in 
seinem  Urteile,  durch  welche  immer  Wohl  wollen  schimmerte, 
gewann  er  das  stets  wachsende  Vertrauen  seiner  Unter- 
gebenen  und  weiterer  Kreise,  die  mit  Hochachtung  ihm 
gegenuberstanden.  Die  Lehrerschaft  durfte  ihn  als  treu- 
besorgten  und  vaterlichen  Freund  betrachten"  (Vorsteher 
K  u  s  t  e  r). 

Vielleicht  durfte  hier  noch  erwahnt  werden,  dass  Wart- 
mann  sich  als  heftigen  Gegner  der  korperlichen  Ziichtigung 
bekundete.  Er  betrachtete  dieselbe  im  allgemeinen  als  un- 
passend  und  wollte  sie  hochstens  als  Strafe  fiir  sittliche 
Vergehen  der  Schiiler  angewendet  wissen,  wenn  alle  andern 
Disziplinarmittei  sich  als  unwirksam  erwiesen  hatten.  Wir 
glauben  nicht  zu  irren  bei  der  Annahme,  dass  das  soit  1885 
vom  Schulrate  erlassene  Verbot  der  korperlichen  Ziichtigung, 
speziell  der  Madchen,  vorzugsweise  dem  Votum  Wartmanns 
zu  verdanken  ist.  —  ^Niemals  darf  das  natlirliche  Gefiihl  der 
Unverletzlichkeit  des  weiblichen  Korpers  zerstort  werden  !a 

Bei  Anlass  der  VII.  Versammlung  des  schweizerischen 
Lehrervereins  in  St.  Gallen,  im  Oktober  1867,  stand  Wart- 
mann  an  der  Spitze  der  damit  verbundenen  Lehrmittel- 
ausstellung  und  verfasste  den  durch  Reichhaltigkeit  und 
angemessene  Auswahl  des  Stoffes  sich  auszeichnenden 
104seitigen  Katalog  derselben.  1887  war  er  Delegierter 
des  Schulrates  am  Lehrerfest. 


46 


So  bedeutet  die  T&tigkeit  Wartmanns  im  Dienste  der 
Jugend  und  damit  in  jenem  des  Staates  ein  hochwichtiges 
Stuck  in  den  Annalen  seiner  Lebensgeschichte  und  ein 
ebenso  schones  Blatt  ira  Lorbeerkranze  des  nimmer- 
miiden  Mannes,  „dem  alle  diejenigen,  die  seine  Opfer- 
freudigkeit  fur  die  Schule  und  speziell  fur  die  Kantons- 
schule  und  die  Realschule  zu  schatzen  wussten,  ein  dank- 
bares  Andenken  bewahren  werden,  das  stets  im  Segen 
bleiben  wird,  wenn  in  seinem  Sinn  und  Geist  die  Ideale 
auf  dem  reichen  und  fruchtverheissenden  Gebiete  der 
Jugendbildung  hochgehalten  werden." 


Wartmann  als  Museumsdirektor.1) 

Die  Griindung  eines  naturhistorischen  Kabinetts  in 
St.  Gallen  datiert  aus  dem  Jahre  1844,  als  die  Herren 
Apotheker  Daniel  Meyer  und  Stadtbibliothekar  Pfarrer 
Wartmann  unter  Mitwirkung  aller  Freunde  wissenschaft- 
licher  und  gemeinnutziger  Bildung  die  iinanziellen  Mittel 
zum  Ankauf  der  grossen  Naturaliensammlung  des  Dr.  Caspar 
Tobias  Zollikofer  auftrieben.  Sie  bildete  den  Grundstock, 
welchem  schon  im  Laufe  der  folgenden  Jahre  zahlreiche 
Beitrage  von  alien  Seiten  sich  anreihten.  Nachdem  1855 
das  hiefur  bestimmte  Lokal  in  dem  eben  aufgefiihrten 
Kantonsschulgebaude  bezogen  war,  wuchsen  die  Samm- 
lungen,  namentlich  infolge  Ankaufes  der  reichen  Kol- 
lektionen    des    selbst    ausserhalb    der    Schweiz    ehrenvoll 

')  Da  in  Balde  eine  eingehendf  ,,Eiitwicklungsgesohichte  des 
naturhistorischen  Museums  der  Stadt  St.  Gallen*  im  Drucke  er- 
scheinen  wird.  darf  ich  mich  hier  fiber  die  Tatigkeit  Wartmanns. 
als  vieljahrigem  Vorstand  desselben,  moglichster  Kiirze  beHeissen. 


47 


bekannten  Botauikers,  Pfarrer  Rehsteiner  so  rasch  an, 
dass  schon  Mitte  der  Sechzigerjahre  die  Frage  betreffend 
Erstellung  eines  eigenen  Museumsbaues  ernsthaft  diskutiert 
werden  musste.  In  diesem  sollten  gleichzeitig  auch  die 
Schatze  des  Historischen  und  des  Kunst-Vereins  Aufnahme 
tin  den. 

Es  "war  am  17.  August  1873,  als  nach  einem  arbeits- 
reichen  Leben  Herr  Bibliothekar  Wartmann  starb;  seit 
den  Tagen  ihrer  Gnindung  hatte  er  der  naturhistorischen 
Sammlungmit  ruhrender  Anhanglichkeit  und  seltenerTreue 
vorgestanden.  In  seine  Fussstapfen  konnte  auch  hier  nie- 
mand  anders  treten  als  sein  Sohn,  Rektor  Dr.  Wartmann, 
welcher  seit  jenem  Zeitpunkt  neben  einem  vollgeriittelten 
Mass  von  sonstiger  Arbeit  die  Direktion  dieses  Institutes 
besorgte  und  demselben  sein  grundliches  Wissen,  seine 
reiche  Erfahrung  und  beinahe  samtliche  Mussestunden 
znr  Verfiigung  stellte. 

Als  dann  am  8.  Oktober  1877  die  Pforten  des  neuen, 
neben  dem  fruheren  Scherrer'schen  Gute  im  ^untern  Briihl" 
errichteten  Museums,  eines  herrlichen  Monumentes  der 
Opferwilligkeit  von  Behorden  und  Privaten  der  Stadt  und 
des  Kantons  St.  Gallen  (Bausumme  Fr.  427,000),  geoffnet 
warden,  hatte  sich  der  Leiter  die  Ziele  und  Aufgaben  des- 
*elben  schon  langst  festgesteckt.  „Gegrundet  zur  Pflege 
and  Aafnung  der  Sammlungen  fur  Kunst  und  Wissen- 
§ehaftu,  sollte  es  vor  allem  sein  „eine  reiche  Quelle  edlen 
Genusses  und  vielseitiger  Belehrung  fiir  alle  Klassen  und 
Stande  der  Bevolkerung". 

Bereits  zu  Anfang  wurde  dem  Direktor  eine  ausser- 
ordentliche  Freude  zu  teil.  In  einen  der  acht  geraumigen, 
bellen  Sammlungssale  des  Parterres,  welches  den  natur- 
historischen   Objekten  reserviert    ist,   hielt  die   beruhmte 


48 


schweizerische  Vogelkollektion  seines  Freundes  und  Schii- 
lers,  Dr.  C.  Stolker  in  St.  Fiden,  durch  letzte  Verfugung 
des  leider  viel  zu  fruh  verstorbenen,  in  wissenschaftlichen 
Kreisen  hochangesehenen  Ornithologen,  Einzug.  Gleich- 
zeitig  folgte  auch  dessen  grosse  Eiersammlung,  sowie  eine 
&usserst  reichhaltige  Kollektion  von  Papageien.  Alle  drei 
sind  wahre  Juwele  unseres  Museums,  und  namentlich 
erstere  kann  von  Fachmannern  nicht  hoch  genug  geschatzt 
werden  wegen  ihrer  beispiellosen  Vollstandigkeit ,  der 
musterhaften  Preparation  und  Aufstellung  der  Einzel- 
objekte.  Sie  hat  dem  besten  schweizerischen  Monographen 
der  hoheren  Tierwelt,  Dr.  Viktor  Fatio  in  Genf,  zu  seinem 
klassischen  Werke  nFaune  des  vertebras  de  la  Suisse" 
vorziigliche  Dienste  geleistet.  „Was  Dr.  Stolkers  Museum 
vielleicht  iiber  alle  andern  derartigen  Museen  stellt",  sagt 
der  Ornithologe  Dr.  A.  Girtanner,  „das  ist  seine  vom  ersten 
bis  zum  letzten  Vogel  durchgefuhrte  wissenschaftliche 
Verwertbarkeit,  indem  in  erster  Linie  nur  in  der  Schweiz 
selbst  gefangene  oder  erlegte  Exemplare  sich  darin  be- 
finden  und  iiber  jedes  derselben  in  einem  eigenen  Kata- 
loge  genaue  Auskunft  hinsichtlich  des  Gesclilechtes,  Alters, 
Herkunftortes,  der  Jahreszeit  der  Erlegung,  sichere  Aus- 
kunft gegeben  wird.  Das  Vorhandensein  von  zahlreichen 
Gruppen,  bestehend  aus  Individuen  einer  und  derselben  Art 
in  alien  ihren  Altersstadien,  von  manchen  Spezies,  die  bis 
auf  Stolkers  Sammolzeit  als  Bewohner  und  Besucher  der 
Schweiz  gar  nicht  bekannt  waren  und  solchen,  welche  in 
ihren  Nest-  und  Jugendkleidern  nicht  habhaft  gemacht 
werden  konnten,  verleihen  dieser  Sammlung  einen  hohen 
Wert."  —  Das  ausserordentlich  freundschaftliche  Verhalt- 
nis,  welches  Stolker  und  Wartmann  mit  einander  verband 
(ersterer  war  noch  einige  Zeit  ein  begeisterter  Schtiler  des 


49 


ngen  Professor  Wartmann)  mochte  zu  einem.  grossen 
eile  echuld  gewesen  sein,  dass  Stolker  sich  schon  lange 
or  seinem  Tode  emsthafb  mit  dem  Gedanken  trug,  seine 
Aturhistorischen  Schatze  dereinst  dem  Museum  zu  ver- 
>ben. 

Gleichsam  als  Pendant  zum  Stolker-Museum  schuf 
tan  Dir.  Wartmann  eine  eigene  schweizerische  Saugetier- 
md  Vogelsammlung,  in  welcher  speziell  die  Vertreter  der 
tantonalen  Fauna,  ihrer  Arten  und  Varietaten  Aufnahme 
anden,  und  hier  war  es  ihm  darum  zu  tun,  absolute  Voll- 
tandigkeit  zu  erzielen,  welches  Prinzip  er  insbesondere 
uch  auf  die  Pflanzenwelt  seiner  Heimat  ausdehnte  und 
ur  die  Minerale  und  Gesteine  noch  strenge  durchzufuhren 
jedachte.  Komplette  Lokalsammlungen  zu  besitzen,  welche 
amtliche  Dokumente  der  naturhistorischen  Verhaltnisse 
q  sich  vereinigen,  war  stets  sein  hflchster  Wunsch,  und 
rir  vergegenwartigen  uns  die  vielen  freudigen  Momente, 
renn  ihm  eine  Raritat  zu  Gesichte  kam,  die  Begeiste- 
•ung.  mit  der  er  Gleichgesinnten  und  Interessenten  xiber 
ftwas  bisher  noch  nicht  im  Kanton  Gefundenes  berich- 
ete.  Mit  grosser  Spannung  sah  er  allemal  schon  zum 
roraus  im  Montierkabinett  seines  ehemaligen  Schiilers, 
fes  um  die  Aufhung  der  einheimischen  Vogel-  und  Sauge- 
tiersammlung  unstreitig  verdienstvollsten  Gonners,  Herrn 
Praparator  Zollikofer,  nach,  was  aus  demselben  fur  sein 
$eliebtes  Museum  wieder  „abfallenu  mochte.  „Wer  von 
iu*warts  kommt  und  unsere  Sammlungen  besucht,  der 
rill  in  denselben  in  allererster  Linie  die  Tier-  und  Pflanzen- 
r«lt,  die  mineralogischen  und  geologischen  Verhaltnisse 
inseres  eigenen  Landes  vereinigt  finden.  Sehr  reichhal- 
ige  KoJIektionen  von  exotischen  Naturobjekten  anzulegen, 
st  Sache  der  Museen  grossen  Stiles." 

4 


60 


Was  nun  diese  auslandischen  Lebewesen  anbelangt, 
so  vertrat  er,  urn  eine  gewisse  Grenze  zu  ziehen,  den 
durchaus  richtigen  Grundsatz,  nur  das  Charakteristische, 
wirklich  Typische  und  Belehrende,  in  den  letzten  Jahren 
auch  das  biologisch  Interessante,  anzuschaffen  (Entwick- 
lungsreihen ,  Metamorphosen ,  besonders  von  Insekten ; 
Schutzfarben  und  Schutzformen  in  der  Tierwelt,  Mimikry; 
Dimorphismus  und  Polymorphismus  der  Tiergeschlechter, 
Symbiose,  Gesellschaftsleben  der  Tiere  etc.).  Daneben 
unterliess  er  aber  nicht,  z.  B.  einzebien  ausgezeichneten 
Gruppen,  wie  Paradiesvogeln,  Kolibris,  Papageien,  stets- 
fort  neue  Vertreter  zuzuweisen. 

Mit  Stolz  wurden  jedes  Jahr  in  den  ausfiihrlichen, 
mit  grosser  Genauigkeit  ausgearbeiteten  Jahresberichten 
iiber  den  Stand  und  den  Fortgang  des  Museums,  die 
vielerlei  kleinen  und  grossen  Geschenke,  welche  ihm  von 
Freunden  und  Schiilern,  von  Interessenten  und  Forschern 
zuflossen,  verzeichnet,  und  wenn  einmal  ein  Jahrgang 
punkto  Schenkungen  zu  wiinschen  tibrig  liess,  bedurfte 
es  nur  seines  tiichtigen  Appells,  um  die  Quellen  wieder 
fliessen  zu  machen.  Die  grosste  Freude  bereiteten  ihm 
die  in  alien  Erdteilen  zerstreut  weilenden  St.  Galler  Kauf- 
leute  u.  a.,  wenn  sie  das  heimatliche  Museum  mit  den 
reichen  Naturschatzen  ferner  Weltgegenden  bedachten  und 
sich  den  Vater  Tell  zum  Vorbild  genommen,  der  niemals 
heimzukehren  pflegte,  ohne  „eine  schone  Blume,  einen 
seltenen  Vogel  oder  ein  Ammonshorn"  mitzubringen. 
Durch  sie  gelangte  ein  wesentlicher  Teil  der  exotischen 
Vogelwelt  in  unsere  Sammlungen.  Zum  Bedauern  des 
Direktors  hat  dieser  lobenswerte  Brauch  spater,  nament- 
lich  in  den  letzten  Jahren,  wesentlich  abgenommen.  Wart- 
mann   schrieb   die  wenig   erfreuliche  Erscheinung   einem 


51 

Uberhandnehmen  des  Materialismus  zu,  der  keine  Zeit 
mehr  finde  for  die  Berucksichtigung  ideeller  Interessen. 
Nicht  hoch.  genug  konnte  er  desbalb  die  mannigfaltigen 
,und  ausserst  wertvoUen  Dedikationen  seines  Freundes  und 
Kollegen,  Dir.  Dr.  Emil  Goldi  in  Pari,  schatzen.  Dieser 
beruhmte  "Erforscher  des  Amazonenstromgebietes  bezeugte 
seit  derGiiindung  des  von  der  dortigen  Regierung  nach 
seinem  Namen  benannten  naturhistorischen  Institutes  Jahr 
for  Jahr  seine  Anhanglichkeit  an  die  Heimat  durch  wert- 
volle  Schenkungen. 

Gait  es  einmal,  grossere  Prachtstucke  fur  das  St.  Gal- 
lische  Museum  zu  erwerben,  so  scheute  Wartmann  nicht 
davor  zuriick,  selbst  den  „Bettelsack"  umzuhangen;  mit 
Hilfe  gleichgesinnter  Preunde  brachte  er  stets  die  notige 
Samme  zusammen,  um  das  Gewiinschte  zu  erhalten  und 
sich  den  Arger  zu  ersparen,  die  fraglichen  Objekte  in 
andere  Hande  wandern  zu  sehen.  Ich  erinnere  beispiels- 
weise  nur  an  unsern  stattlichen  Eisbaren,  an  das  Pracht- 
exemplar  des  grossen  Morionkristalls  aus  der  Hohle  ober- 
halb  des  Tiefengletschers  (TJri),  an  die  herrliche  Kollektion 
von  Steinkorallen  aus  den  indischen  Gewassern  etc. 

Manche  seltene  einheimische  Spezies  verdankt  unser 
Museum  den  Bemuhungen  Wartmanns  um  Freipatente 
fur  ttichtige  Jager  und  Kenner  der  schweizerischen  Ornis. 
Die  offentlichen  Sammlungen,  insbesondere  die  Schul- 
eammlungen,  erhielten  dadurch  die  zu  einem  gedeihlichen 
Unterrichte  notwendigen  Typen  und  die  fur  wissenschaft- 
liche  Zwecke  bedeutungsvollen  Reprasentanten.  —  Mit 
scharfem  Aug'  und  Ohr  verfolgte  Wartmann  allfallige 
Nachrichten  von  interessanten  Funden  aus  dem  engern 
Forschungsgebiete.  Da  gait  es,  rasch  alle  Hebel  in  Be- 
wegung    zu    setzen,   dass   ihm   nichts   entrinnen   mochte. 


52 


Dieeer  Rfihrigkeit  verdankt  St.  Gallen  jenes  tadellos-voll- 
st&ndige  Elentierskelett  aus  dem  Torfmoor  von  Niederwil 
bei  Gossau,  welches  wohl  als  der  kostbarste  Gegenstand 
all  unserer  Sammlungen  angesehen  werden  darf. 

Auf  diese  Weise  und  durch  fortw&hrende  Ank&ufe, 
die  aus  finanziellen  Mitteln  der  Stadt,  Vermachtnissen  und 
Beitragen  verschiedener  Vereine,  Privaten  u.  a.  bestritten 
wurden,  haufte  sich  mit  den  Jahren  ein  ganz  enormes 
Material  an,  von  dem  zwar  infolge  des  sich  bereits  zu 
Ende  des  letzten  Dezenniums  fuhlbar  machenden  Platz- 
mangels  lange  nicht  mehr  alles  dem  Publikum  zugang- 
lich  ist;  ebenso  fehlte  es  teilweise  an  Zeit,  die  Schatze 
wissenschaftlich  zu  bearbeiten  und  zu  verwerten. 

Welch  enorme  Fortschritte  das  Wachstum  der  Einzel- 
kollektionen  innert  des  Zeitraums  von  1863  bis  1898  ge- 
macht,  zeigt  u.  a.  folgende  Zusammenstellung  der  Sauge- 
tier-  und  Vogelspezies : 


Saugetiere,  Auslander  1863:  115 

„  Schweizer  1863:     20 

Vogel,  Auslander  1863:  600 

Schweizer  1863:  156 


1898 
1898 
1898 
1898 


300 

44 

1830 

272 


Dass  die  Zahl  der  Exemplare  eine  ungleich  hohere 
ist,  als  die  der  Arten,  versteht  sich  von  selbst.  Auf  manche 
Vogelspezies  z.  B.  kommen  5—8  und  mehr  Einzelexemplare, 
in  den  verschiedenen  Geschlechtern,  Jahresstufen,  Alters- 
stadien  (Dunen-,  Jugend-,  Ubergangs-,  Alterskleider).  — 
Ein  grosser  Kasten  beherbergt  eine  hochinteressante  Serie 
von  Aberrationen  (Albinismus,  Melanismus  und  sonstige 
Farbenabweichungen ;  Missbildungen  von  Schnabel,  Beinen 
etc.)  aus  der  einheimischen  Saugetier-  und  Vogelwelt. 

Einem  umfassenden  Wissen  ist  es  zuzuschreiben,  dass 
Dir.  Wartmann  alle  Disziplinen  der  Museumstatigkeit  mit 


53 


gleicher  Exaktheit,  Grlindlicheit  und  Liebe  behandelte. 
Auch  besaas  er  in  der  Auswahl  der  anzuschaffenden  Ob- 
jekte  einen  ausserst  sichern  Griff,  wobei  jeweils  die  drei 
Katurreiche  mehr  oder  weniger  gleichm&ssige  Beriick- 
sichtigung  fanden. 

Stets  trachtete  er  darnach,  fur  Forschungen,  die  im 
engem  Gebiete  einem  bestimmten  Ziel  entgegenriickten, 
die  Belegexemplare  fur  das  Museum  zu  gewinnen ;  wir  er- 
innern  nur  an  die  Conchylien  von  Ulrich,  die  Hymenopteren 
you  Prof.  Wegelin,  die  Lepidopteren  von  Mdller-Rutz,  ferner 
an  die  Belege  zu  den  geologischen  Untersuchungen  von 
Dr.  Gutzwiller,  Dr.  R.  Keller  und  A.  Ludwig. 

In  den  Sammlungen  hielt  Wartmann  auf  peinliche 
Ordnung  und  gefallige  Darstellung  der  Objekte.  Hinsicht- 
lich  der  Nomenklatur  der  Gegenst&nde  folgte  er  einem 
bewahrten  System;  Neuerungen  gegenuber  beobachtete 
er  eine  gewisse  Vorsicht  und  Zuriickhaltung,  wohl  wis- 
send,  dass  Systeme  eben  nur  Mittel  zum  Zwecke  sind. 
Eein  Objekt  kam  in  die  Schaupulte  und  Vitrinen,  ohne 
eine  griindliche  Verifikation  passiert  zu  haben,  und 
kaam  hat  je  ein  Fachmann  einen  groben  Irrtum  aufge- 
deckt.  Uber  einheimische  Tiere  etc.  wurde  eine  Art  Pro- 
tokoll  mit  Angabe  der  kleinsten  Einzelheiten  aufgenommen. 
So  war  er  Feind  jeglicher  Oberflachlichkeit.  Interessante 
Neuheiten  fiir  das  Museum  wanderten  meist  erst  dann  in 
die  Sammlungen,  wenn  sie  vor  dem  Forum  der  Natur- 
wissenschaftlichen  Gesellschaft  gehorige  Besprechung  ge- 
fonden  hatten. 

Das  Hauptverdienst  um  das  Museum  erwarb  sich  der 
Veretorbene  unzweifelhaft  durch  die  Griindung  und  Auf- 
nnng  eines  kantonalen  Herbariums.  Die  Scientia  amabilis 
hat  es  ihm  sein  ganzes  Leben  hindurch  angetan ;  ihr  gait 


64 


sein  voiles  Denken  und  Ftihlen;  in  ihr  suohte  und  fand 
er  nach  Erfiillung  der  iibrigen  anstrengenden  Berufs- 
pflichten  die  „Erholungu,  wie  er  sioh  auszudrucken  pflegte. 
Sie  wiirde  auch  die  letzte  Heimst&tte  seines  Wirkens  ge- 
wesen  sein,  wenn  Gesundheitsriicksichten  ihn  zum  Ruck* 
tritt  vom  Schuldienst  und  zum  Abschied  von  der  ihm  ans 
Herz  gewachsenen  Jugend  gezwungen  batten. 

Unter  Mitwirkung  zahlreioher,  fur  seine  Sache  be- 
geisterter  Schuler,  welche  dem  sichtenden  und  ordnenden 
„Meister  an  der  Steinach"  ein  iiberreiches  Material  von 
vielen  Exkursionen  durch  alle  Gegenden  des  Kantons 
zufiihrten  und  nach  Vereinigung  und  Durohsicht  der 
Herbarien  tiichtiger  st.  gallischer  Botaniker  (Dr.  Custer, 
Dr.  Zollikofer,  Dekan  Zollikofer,  Pfarrer  Rehsteiner, 
Dr.  Girtanner  u.  a.)  schuf  Dir.  Wartmann  jene  herrliche 
botanische  Lokalsammlung  von  zirka  180  Faszikeln  und 
iiber  30,000  Pflanzenbogen.  Sie  war  sein  berechtigter 
Stolz;  wusste  er  doch,  dass  kaum  eine  zweite  derartige 
innerhalb  der  Gfcenzen  seines  Vaterlandes  existierte.  An 
derselben  arbeitete  er  mit  peinlicher  Sorgfalt  und  Gewissen* 
haftigkeit,  und  seinem  scharfen  Auge  entging  kaum  eine 
unrichtige  Determination.  Bekanntlich  enthalt  dieses  Her- 
barium die  Belege  fur  die  von  1881 — 1888  von  ihm  und 
seinem  Mitarbeiter,  dem  ausgezeiohneten  Botaniker,  Er- 
ziehungsrat  Th.  Schlatter,  verfasste  ^Kritische  tJbersicht 
der  Gefasspflanzen  der  Kantone  St.  Gallen  und  Appenzell4*, 
die  von  Fachleuten  mit  vollster  Berechtigung  als  Muster- 
arbeit  im  besten  Sinne  aufs  freundlichste  aufgenommen 
wurde.  Wir  kommen  spater  auf  dieselbe  ausfiihrlicher 
zu  sprechen.  Schwierigere  Typen  sandte  er  immer  gerne 
seinen  lieben  Ziircherfreunden  Jaggi,  Keller,  Schinz  und 
SchrSter;   die  kritischen  Genera  wurden  Spezialisten  zur 


55 


Bestimmung  und  Yerifikation  iibergeben  (Rosa  und  Rubus: 
Keller,  Hieracium :  Kaser,  Salix:  Buser).  —  Wer  die  Serien- 
bogen  des  Wartmannschen  Herbariums  durchgeht,  dem 
muss  die  Sauberkeit,  Exaktheit  und  Eleganz,  mit  der  die 
Einzelexemplare  auf  den  Bogen  angeordnet  Bind,  die  pein- 
lich  genaue  Einordnung  nach  Kantonsteilen,  in  grosse, 
starke  Kartonmappen,  sofort  angenehm  in  die  Augen 
springen.  Die  Objekte  wurden  nicht  aufgeklebt,  sondern 
mit  Stecknadeln  und  roten  Papierstreifen  auf  ein  solides, 
bellbraunes  Papier  (Format:  6O/3OV2)  gehefbet,  damit 
erstere  jederzeit  zu  einer  allfalligen  Nachuntersuchung 
losgelost  werden  konnten.  Neben  den  gewohnlichen  An- 
gaben  uber  Name,  Standort,  Hohe,  Finder  etc.  treffen  wir 
auf  den  Etiketten  auch  solche  iiber  Exposition.  Bodenunter- 
lage,  sowie  z.  T.  liber  Vergesellschaftung  u.  s.  w.  Anfanger 
auf  dem  Gebiete  der  Pflanzenkunde  und  Leute,  „welche 
keinen  Sinn  fur  Ordnung  und  Exaktheit  besassen",  liess 
er  nie  selbstandig  „in  seinem  Werke  blatternu,  daftir  war 
es  ihm  zu  wertvoll,  sozusagen  Bunantastbaru.  Schon  dar- 
aus  ergibt  sich  zur  Evidenz,  dass  Wartmann  die  Pflanze 
nicht  als  nHeuK  betrachtete,  sondern  als  etwas,  das  in 
den  Gesamtbereich  der  lebendigen  Natur  gehort. 

Wahrend  eines  Zeitraumes  von  zehn  Jahren  riickte 
abermals  ein  solch  bedeutendes  Material  ein,  dass  er  bald 
wieder  mit  der  Sichtung  desselben  zu  einem  Nachtrag  fur 
die  st.  gallische  Flora  sich  beschafbigte.  ^ —  Nur  sehr  lang- 
sam  ging  bei  seiner  minutiosen  Treue  in  der  Behand- 
lung  diese  Arbeit  vorwarts,  gait  es  doch,  Bogen  um  Bogen 
genau  zu  studieren,  zu  vergleichen,  Fehler  zu  korrigieren. 
Dafur  durfte  er  aber  auch  fur  die  Zuverlassigkeit  und 
Echtheit  der  Angaben  einstehen.  —  Sein  Herzenswunsch, 
das  Supplement  in  absehbarer  Zeit  fix  und  fertig  vor  sich 


66 


zu  sehen,  blieb  unerfullt;  mitten  drin,  eben  bei  einem  der 
Bchwierig8ten  Genera  (Hieracium)  angelangt,  blieb  er  stehen. 
Was  er  bis  heute  fur  die  Floristik  seines  Heimatkantons 
geleistet,  wird  ein  schones  Denkmal  ausdauemder,  ernster 
Forscherarbeit  bleiben. 

1896  iibergab  er  geschenkweise  dem  stadtischen  Mu- 
seum sein  grosses  Privatherbarium,  welches  durch  Kauf 
und  Tausch,  namentlich  aber  durch  personlichen  Sammel- 
eifer  den  respektabeln  Umfang  von  80  starken  Mappen 
mit  zirka  3000  Genera,  geordnet  nach  Endlicher,  besitzt. 
Bei  Anlass  der  Zusammenstellung  des  st.  galiisch-appen- 
zellischen  Herbariums  und  seiner  Nachtrage  hat  dasselbe 
fur  Vergleichs-  und  Untersuchungszwecke  ganz  wesent- 
liche  Dienste  geleistet,  und  Wartmann  betrachtete  es  als 
beinahe  „unfehlbares"  Pflanzenlexikon.  —  Es  sollte  spater, 
bei  der  Erstellung  und  Ordnung  einer  allgemeinen 
Pflanzensammlung,  dieser  letztern  einverleibt  werden,  so 
wie  er  bereits  friiher  seine  kan tonal  en  Standortsexemplare 
verwertet  hatte. 

Wartmanns  Bestrebungen  zum  Wohle  seines  Museums, 
ndem  sprechendsten  Monumente  seiner  unermudlichen 
Tatigkeit",  haben  stets  ihre  voile  Wurdigung  gefunden. 
Das  bewiesen  und  beweisen  heute  noch  die  vielen  im  an- 
erkennendston  Sinne  gehaltenen  Urteile  von  Fachmannern 
und  Kennern  aus  alien  Landern,  das  bezeugen  alle  jene, 
welche  die  namlichen  Institutionen  anderer  Stadte  von 
der  Grosse  St.  Gallons  kennen,  und  ein  unzweideutiger 
Beleg  bildet  der  stets  rege  Besuch  unserer  Sammlungen 
von  jung  und  alt,  von  arm  und  reich.  Wenn  die  kom- 
menden  Jahre,  nach  dem  Wunsche  dessen,  der  die  Seele 
des  Ganzen  gewesen,  das  biologische  Moment  allmah- 
lioh  mehr  und   mehr  in  den  Vordergrund   treten  lassen, 


67 


10  wird  die  G-rundidee,  aaf  welch e  das  Ganze  gebaut  ist, 
stets  diejenige  Wartmanns  sein  und  bleiben:  „Zu  Nutz 
nnd  Frommen  aller  !u 


Wartmann  als  Begriinder  und  Leiter 

des  botanischen  Gartens  und  des  Alpinums. 


In  innig8ter  Beziehung  zu  den  reichen  Schatzen  des 
Naturhistorischen  Museums  steht  der  kleine  botanische 
6arten  nebst  einem  Alpinum.  Beide  zeugen  dafiir,  dass 
unser  Verstorbener  nicht  nur  Sinn  fiir  tote  Pflanzen  be- 
sass.  Selbst  ein  warmer  Freund  des  Pflanzenlebens,  wollte 
er  auch  andern  den  lebendigen  Organismus  der  liebreizen- 
den  Kinder  Floras  demonstrieren. 

Gleichzeitig  mit  der  Auffiihrung  des  monumentalen 
Huseumsgebaudes  wurde  1875  der  im  Osten  an  dasselbe 
anstossende  freie  Raum  gegen  das  „Burgli"  hinunter  mit 
den  Parkanlagen  in  harmonische  Yerbindung  gebracht 
and  fur  die  Erstellung  eines  ^botanischen  Systems" 
im  Auge  behalten.  Acht  grosse  Beete,  zu  denen  sich 
spater  zwei  weitere  gesellten,  nahmen  auf  einem  Flachen- 
raum  von  zirka  t>000  m2  die  zahlreichen  Vertreter  aller 
bedeutenden  Pflanzenfamilien  auf,  wobei  zwar  sehr  bald 
die  einjahrigen  (annuellen)  Gewachse  von  den  ausdauern- 
den  (perennierenden)  getrennt  werden  muss  ten.  Desgleichen 
erfdhren  die  Handelspflanzen,  sowie  die  offizinellen,  die 
gewurzliefernden  Grewachse  (Korbel,  Dill,  Coriander, 
Fenchel  etc.),  sodann  Gespinst-,  Farbe-,  Giftpflanzen,  ferner 
die  Gretreidearten  and  Gemiise  gesonderte  Behandlung  in 
Extrabeeten. 

Urn  das  Angenehme  mit  dem  Niitzlichen  und  Not- 


68 


wendigen  zu  verbinden,  fanden  in  diesem  „ System",  das 
ja  in  erster  Linie  wissenschaftlichen  Zwecken  (den  Be- 
diirfnissen  des  botanischen  Unterrichtes  in  den  stadtischen 
Schulen,  vorab  der  Kantonsschule),  dienen  musste,  be- 
sonders  auffallende,  schone  und  biologisch  interessante 
Typen  Beriicksichtigung.  Den  praktischen  Wert  dieser 
Anlagen  erkennend,  suchten  sich  daselbst  bald  die  Zog- 
linge  der  Zeichnungsschule  des  Kaufmannischen  Direk- 
toriuins  und  spater  des  Gewerbemuseums  die  Modelle  fur 
ihre  Arbeiten,  selbst  zu  Entwiirfen  von  Stickereimustern. 
Oft  wurden  per  Sommer  iiber  6000  frische,  bliihende 
Pflanzen  fur  derartige  Zweoke  abgegeben,  gewiss  ein 
schflner  Beweis  der  richtigen  Wurdigung  dieser  Institu- 
tion. Ausserdem  stellten  sich  Kiinstler  und  Kunstlerinnen 
mit  Pinsel  und  Palette  ein ;  viele  der  hier  gepflegten  Neu- 
heiten  fanden  Eingang  in  die  Privatgarten  unserer  Stadt, 
und  jung  und  alt  suchte  dort  unten  Freude  und  Erholung. 
Recht  Vielen  Freude  zu  bereiten  und  einen  wahren 
Genuss  bieten  zu  konnen,  war  unsers  Heimgegangenen 
hflchstes  Gliick,  sein  Stolz  und  seine  Genugtuung.  Nicht 
nur  an  Sonn-  und  Festtagen  sah  man  gar  oft  eine  sehr 
ansehnliohe  Zahl  von  Interessenten  aller  Stande  von  Beet 
zu  Beet  wandern;  sogar  an  Werktagen,  nach  miihevoller 
Arbeit,  fanden  sich  so  manche  ein,  die  Erquickung  fur 
Auge,  Herz  und  Genriit  sich  verschaffen  wollten. 

Der  oft  rasche  Wechsel  und  das  Abgehen  der  An- 
nuellen  (wozu  vielleicht  die  etwas  schwere  Bodenart  bei- 
tragen  mochte),  der  manchmal  vorzeitig  sich  einstellende 
Schneefall,  sowie  endlich  das  Bestreben,  jedes  Jahr  fur 
angenehme  Abwechslung  zu  sorgen  und  dem  Botanophilen 
Neuheiten  vor  Auge  zu  fuhren,  lasst  die  nicht  geringe 
Schwierigkeit  bemessen,  das  System   immer  so  sch5n  zu 


69 


gert&lten,  wie  es  sich  tatsachlich  alljahrlich  dem  Besttcher 
darbot. 

Wollte  jemand  glauben,  der  Begrtinder  des  botani- 
achen  Gartens  hatte  seine  ganze  Aufmerksamkeit  nur  dem 
, System"  geschenkt  und  in  diesem  allein  den  Hauptzweck 
der  ganzen  Parkanlage  erblickt,  der  wiirde  sich  tauschen. 
Ein  kurzer  Gang  zur  Sommerszeit  durch  samtliche  Anlagen 
bietet  eine  Fulle  des  Interessanten  and  Abwechslungs- 
reichen  dar.  Topfpflanzen  aller  Art  und  aus  alien  Lan- 
dem,  herrliche  Palmen,  immergriine  Straucher,  Kultur-  und 
Zierpflanzen  warmer  Erdgegenden,  eine  selten  schone,  reich- 
haltige  Gruppe  von  Sukkulenten  (Kakteen  etc.)  bilden  einen 
wahren  Schmuck  der  nachsten  Umgebung  des  Museums. 
Die  Erfahrungen  haben  gezeigt,  dass  das  St.  Galler  Klima 
vielfach  besser  ist  als  sein  Ruf. 

Man  muss  die  „k6nigliche"  Freude  Wartmanns  ge- 
sehen  haben,  wenn  ab  und  zu  eine  fur  das  hiesige  Klima 
sonst  empfindliche  Pflanze  den  Dankestribut  durch  treues 
Ansharren  leistete,  wie  jenes  seltene  80 —  100-jahrige  Ex- 
emplar des  Tulpenbaumes  (Liriodendron),  das  sogar  der 
schweren  Operation  der  ortlichen  Versetzung  stand  hielt, 
oder  wenn  die  Himalaya-Ceder  (Pinus  Deodara)  wahrend 
Jahren  bei  uns  im  Freien  vegetierte,  wenn  Bananen, 
Agaven  und  jener  4  Meter  hohe  Saulenkaktus  (Cereus 
peruvianas)  sogar  zum  herrlichen  Bluhen  gelangten.  — 
Auf  unserer  Rundreise  durch  die  Anlagen  begegnen  wir 
&ber  auch  prachtigen  Schlingpflanzen,  Sumpf-  und  Wasser- 
gewachsen,  reizenden  Guirlanden  von  Rosen,  Nadel-  und 
Laubholzbaumen  selbst  aus  andern  Klimaten,  und  im 
Fruhling  iiberrascht  uns  das  schmucke  Heer  der  Zwiebel- 
pflinzen.  Doch  wie  wollten  wir  hier  alles  aufzahlen  konnen, 
was  das  bunte  Bild  des  Parkes  abschliesst!    Ein  Blick  in 


60 


die  verschiedenen  Gewachshauser  (Kalt-  und  Warmhaus) 
erschliesst  uns  hundert  neue  Farben-  und  Formenreize  der 
immer  schaffenden  und  zeugenden  Natur  (Blattpflanzen, 
Orohideen,  insektenfressende  Pflanzen  u.  a.  m.).  So  war  es 
jedem  Freunde  der  Pflanzenwelt  vergonnt,  einen  Bliek 
zu  tun  in  ihre  geheimnisvolle  Werkstatte,  zu  sehen,  „mit 
welch  lebendiger  Kraft  sie  sich  in  den  entferntesten  Zonen 
ihr  ewig  wechselndes  farbiges  Kleid  zu  wirken  weiss,  wie 
sie  immer  jugendlich  frisch,  in  niemals  rastendem  Zuge 
sich  reich  und  gewaltig  entfaltet,  voll  von  Kraft  und 
Leben,  voll  Glanz  und  Farbenschmelz,  voll  Dufl  und 
bunter  Blfitenpracht." 

Verhaltnismassig  geringe  finanzielle  Mittel  standen 
dem  zur  Verfiigung,  welcher  das  Ganze  dirigierte  (zirka 
Fr.  600  per  Jahr:  Beitrage  von  Privaten,  vom  Gemeinde- 
rat7  dem  stadtischen  Schulrat  und  der  Studienkommission 
der  Kantonsschule).  Vielfache  grdssere  Geschenke  an 
Pflanzen  wurden  ihm  auch  von  seinen  Freunden  in  Zurich, 
Bern,  Lausanne  und  von  andern  Orten  zu  teil. 

Wartmann  betrachtete  den  Park  als  unantastbares, 
kostliches  Juwel,  dem  er  ohne  irgendwelche  Entschadi- 
gung  einen  wesentlichen  Teil  seiner  Mussestunden  opferte 
und  ihm  durch  Entwtirfe  und  Verwirklichung  von  Planen, 
durch  Besorgung  samtlicher  Samereien,  durch  Inspektion 
und  phanologische  Aufzeichnungen,  fhiher  selbst  durch 
Arbeit  mit  Spaten  und  Rechen  seine  voile  Sympathie  an- 
gedeihen  liess.  Er  wusste  sehr  genau,  dass  es  Leute  gab, 
die  aus  nasthetischen  Griinden"  das  botanische  System  ins 
Pfefferland  wiinschten,  und  andere,  die  den  Park  zu  Bau- 
zwecken  verwendet  wissen  wollten.  „AUeinu,  ruft  er  ent- 
riistet  aus,  „es  ware  eine  Schande  fur  St. Gallen,  wenn 
derartige   Zerstorungsplane   gelingen   sollten;  wer  solche 


61 


Plane  lancieren  will,  begibt  sich  auf  den  Kriegspfad,  und 
wir  werden  nicht  ermangeln,  den  Kampf  mit  gebtthrender 
ZUiigkeit  aufzunehmen  l"  — 

Wohl  im  hochsten  Grade  erwarb  sich  die  Aufmerk- 
keit  der  Parkbesucher  das  Alpinum,  das  Miniaturbild  jener 
Pflanzenformationen,  deren  allerliebster  Bliitenschmuck, 
faren  reizende  Formen  und  wahrhaft  berauschende  Herr- 
Bchkeit  die  Bewunderung  auch  der  Gleichgiiltigsten  heraus- 
(ordert.  „Sind  sie  nicht  uns  alien  geradezu  ans  Herz 
gtwachsen,  diese  kleinen  Pioniere,  durch  den  frischen, 
frohlichen  Mut,  mit  dem  sie  den  Kampf  mit  Schnee  und 
Eis.  mit  Wind  und  Wetter,  mit  rollenden  Steinen  und 
rinnenden  Wassern  so  herzhaft  aufnehmen  und  so  sieg- 
reich  durchfuhren!u    (Schroter.) 

Unter   tatkraftigster  Initiative  und  Mithilfe   unseres 

trefflichen  Botanikers  Theodor  Schlatter  erhoben  sich 

schon  ein  Jahr  nach  der  Fertiglegung  des  ^Systems"  auf 

der  Nordseite  des  Museums  verschiedene  grosse  Steinpar- 

tien,  teils  aus  Kalk-  und  Nagelfluhblocken,  teils  aus  Silikat- 

peteinen   zusammengesetzt ,  damit  den  Bediirfnissen  der 

terschiedenen  alpinen  Herkommlinge  Rechnung  getragen 

rerde.    Die  Besiedelung  dieser  Partien  verursachte  jedes 

Jabr  viel    Mlihe;    ist  es  doch  eine  allbekannte  Tatsache, 

s  beinahe  wahrend  jeder  Vegetationsperiode  voile  25  °/o 

der  oft  kaum  akklimatisierbaren  und  rasch  „ausartendenu 

Pfleglinge  zu  Grunde  gehen,  trotz  der  relativ  giinstigen 

geographischen  Lage  St.  Gallons. *) 

l)  Von  den  800 — 1000  Spezies  Alpenpflanzen  unseres  A Ipinums, 
terra  grosserer  Teil  in  den  schweizerischen  und  speziell  at.  gal- 
frchen  Alpen  heimatberechtigt  ist,  haben  zur  Zoit  der  Hochsaison 
miteinander  stets  etwa  260  Arten  gebluht,  und  nicht  selten  ent- 
koten  ooch  45  den  Scheidegruss  des  Blumenjahres.  Mit  Edelweiss. 
fctpflanze,  der  Lin  naea  borealis  sind  gute  Resultate  erzielt  worden. 


62 


Dieses  innige  Verwaohsensein  mit  all  den  Sprflss- 
lingen  aus  Floras  Reich  mag  es  wohl  bedingt  haben,  dass 
Wartmanns  liebster  „Sommeraufenthalt"  stets  in  „seinem 
Garten"  war.  Wer  hatte  ihn  dort  nicht  gesehen,  den 
strammen,  nimmermuden  Greis,  inmitten  all  seiner  Lieb- 
linge,  wo  er  sich  niederbtickte  bald  zum  einen,  bald  zam 
andern,  gleichsam  fragend,  gleichsam  teilnehmend  an 
jedes  einzelnen  Geschick  und  Werdegang?  Seit  zwanzig 
Jahren  fiihrte  er  genaue  Kontrolle,  notierte  die  Zeit,  den 
Tag,  wann  schiichtern  eines  der  Pflanzchen  zum  ersten- 
mal  sein  tiefgriindiges  Auge  in  der  allbelebenden  Sonne 
spiegeln  liess,  wann  weitgeoffnet  es  voll  Stolz  und  Hoff- 
nung  in  die  Welt  des  Lichtes  jubelte,  und  wann  es  end- 
lich  die  miiden  Lider  zum  letzten  Schlummer  senkte. 


Wartmann  als  Leiter 
der  Naturwissenschaftlichen  Gesellschaft  St.  Gallen. 


„Ein  wichtiges  Moment  des  Gedeihens  irgend  eines 
Gemeinwesens  liegt  in  der  obersten  Leitung,  wenn  das 
nominelle  stets  auch  das  geistige  Haupt  und  der  urn- 
sichtige  Fuhrer  zugleich  der  denkende  Feldherr  ist.a 
Dieses  Wort  hat  sich  so  recht  bewahrheitet  an  der  Natur- 
wissenschaftlichen Gesellschaft  St.  Gallen,  deren  Grander, 
Dr.  Kaspar  Tobias  Zollikofer,  am  29.  Januar  1819  in 
begeisternder  Rede  die  Bedeutung  der  Naturwissenschaften1) 

J)  nDie  Erforschung  der  Natur  vcreinigt  Sie,  bochzuehrende 
Herren,  dieses  Studium,  welches  den  Menschen  mit  sich  selbst7 
mit  der  ihn  umgebenden  Korperwelt  bekannt  niacht;  welches  una 
immer  neue  Quellen  von  geistigen  und  sinnlichen  Geniissen  er- 
oifnet;  welches  in  seiner  Anwendung  auf  die  dem  Menschen  un- 
entbebrlichsten    Kunste   und   Gewerbe   die   Erhaltung   desselben 


63 


and  die  Ziele x)  der  genannten  Gesellschaft  darlegte.  Die 
Geschichte2)  dieser  Vereinigung  und  ihrer  bluhenden  Ent- 
faltung  ist  ein  sch6nes  Gedenkblatt  vorbildlicher  mensch- 
licher  Ruhrigkeit,  Ausdauer  und  Liebe  zu  einer  edlen 
Sache.  ,,Wie  die  untergegangene  Sonne  ihre  goldenen 
Sparen  am  Abendgewolke  zuriicklasst,  so  leuchten  uns 
aus  der  Abendstille  der  Vergangenheit  die  Werke  und 
Bestrebungen  der  langst  dahingegangenen  Griinder  zu 
einem  neuen  Geschlechte  herauf,  das  dankbar  ihrer  ge- 
denkt." 

Geht  man  aber  dereinst  den  „Energienu  nach,  welche 
in  der  Entwicklung  der  St.  Gallischen  Naturwissenschaft- 
lichen  Gesellschaft  gewirkt,  dann  wird  man  immer  wieder 

sichert,  seinen  Wohlstand  erhebt  und  seine  Versittlicbung  befor- 
dert;  welches,  wenn  je  eines,  seinen  Geist  von  den  Vorurteilen 
des  Standes,  des  Volkes,  des  Zeitalters  entfesselt  und  seine  Ver- 
nunft  vor  den  dunkeln  Irrwegen  des  Aberglaubens  bewahrt;  das 
Studiuni,  und  das  ist  wohl  sein  erhabenstes  Ziel,  welches  dem 
Erechalfenen  die  geheime  Werkstatte  des  Schopfers  enthiillt, 
welches  dem  Erdgeborenen  die  Krafte  und  Mittei  entratselt,  die 
dem  Universum  der  Schopfung  zu  Grande  liegen,  das  Studium 
endlich,  welches,  den  menschlichen  Verstand  mit  einem  Funken 
der  gottlichen  Intelligenz  beleuchtend,  ihn  deren  Zwecke  und  Ab- 
sichten  ahnen  lasst." 

J)  „Beforderung  des  Studiums  der  vaterlandischen  Natur- 
kunde  im  allgemeinen,  insbesondere  aber  Erweiterung  der  physi- 
schen  und  naturhistorischen  Kenntnis  von  unserm  eigenen  und 
den  nachstangrenzenden  Kantonen ;  Anwendung  dieser  erweiterten 
Kenntnis  auf  die  Erbaltung  und  Aufnung  des  Wohlstandes  lin- 
gerer Mitglieder  im  allgemeinen  und  auf  die  Vermehrung  und  Ver- 
vollkommnung  der  einheimischen  Natur-  und  Gewerbsorzeugnisse 
insbesondere." 

f)  Wesentliche  Beitrage  zu  einer  solchen  iinden  wir  in: 

B.  Wartmann:  Eroffnungsrede,  gehalten  am  50-jahrigen  Ju- 
bilaurn  der  St.  Gallischen  Naturwissenschaftlichen  Gesellschaft, 
5.  und  6/Vin.  1869. 

G.  Am  buhl:  Gedachtnisrede,  gehalten  an  der  70.  Stiftungs- 
feier,  29./T.  1889. 

J.  Bra sb e  1:  Rede,  gehalten  an  der  80.  Stiftungsfeier,  31./1. 1899. 


64 


auf  den  Mann  zuritokkommen,  der  34  Jahre  ais  President 
ununterbrochen  an  ihrer  Spitze  gestanden.  Wahrend 
mancher  Jahre  war  er  ihr  altestes  Mitglied ;  mehr  als  ihre 
halbe  Qeschichte  hat  W.  personlich  miterlebt ;  die  Gesell- 
sehaft  war  eine  seiner  eigentlichen  Arbeitsdomanen,  ein 
ungemein  fruchtbares  Feld  seiner  Lebensbetatigung,  man 
mochte  sagen,  die  Expansion  seines  lebendigen,  feurigen 
Geistes.  „Hier  wie  in  der  Schule  ist  er  Idealist  reinsten 
Wassers  und  besten  Schlages.u  Zahllose  Stunden  seines 
Lebens  hat  er  den  Interessen  seines  Vereins  geopfert, 
alles  in  aufrichtiger,  enthusiastischer  Verehrung  der  Natur- 
wissenschaften.  Die  Beschaftigung  mit  der  Natur  trug 
fur  ihn  etwas  wahrhaft  Bezauberndes  in  sich.  In  friihester 
Jugend  schon  hatte  ihn  die  Liebe  zu  derselben  erfasst, 
und  bis  zum  letzten  Atemzuge  hielt  sie  ihn  in  ihrein 
Banne.  Mit  seltenem  Wissen  ausgeriistet,  iibersah  er  s&mt- 
liche  Gebiete  des  weiten  Reiches;  die  griindliche  natur- 
wissenschaftliche  Erforschung  der  engern  Heimat  aber 
war  das  Gebiet  seiner  ureigensten  Tatigkeit. 

„Das  Buch  der  Natur  ist  immer  aufgeschlagen  und 
zwar  fiir  jeden,  der  darin  lesen  will,  ohne  Unterschied 
der  Person  und  des  Herkommens.  Es  antwortet  auf  jede 
richtig  gestellte  Frage,  dem  Kinde  wie  dem  Manne,  jedem 
Geschlechte,  jedem  Alter  und  macht  den  Fragenden  sou- 
veran  in  seiner  Beschaftigung.  So  teilt  sich  ihm  allmah- 
lich  ein  Gefuhl  der  Grosse  seines  Arbeitsfeldes  mit,  welches 
ganz  der  Grosse  der  Natur  entspricht.  Im  Umgange  mit 
der  unverdorbenen  Natur  bleibt  der  Mensch  selbst  rein; 
er  bedarf  der  Tunche  nicht,  welche  den  innern  Menschen 
verbirgt,  aber  auch  jedem  ein  gutes  Teil  seiner  Indivi- 
dualist raubt."  So  sagt  Karl  Mil  Her  von  Halle1),  dessen 

J)  Verfasser  des  „Antausu,  Redaktor  der  Zeitschrift  „Naturu. 


66 


hoehstes  Verdienst  wohl  darin  bestand,  dass  er  in  unzah- 
ligen  popular-wissenschaftlichen  Abhandlungen  die  Ergeb- 
nisse  der  Naturerforschung  zum  Gemeingute  vielerzu  machen 
bestrebt  war.  Was  dieser  auf  dem  Wege  publizistischer 
Tatigkeit  geleistet,  das  hat  Wartmann  durch  seine  Natur- 
wissenschaftliche  Gesellschaft  getan.  Die  Popularisie- 
rung  der  Naturwissenschaften  im  Kanton  St.  Gallen 
durch  den  Verstorbenen  ist  der  Hauptgrund  fur  das  Ge- 
deihen  des  Vereins  gewesen. 

Kaum  ein  halbes  Rundert  betrug  die  Zahl  der  Mit- 
glieder,  als  der  26-jahrige  Professor  Wartmann  1856  dem 
Bunde  beigetreten.  Er  hatte  damals  noch  keinen  sehr 
gunstigen  Stand.  „  Mitten  in  einem  Lande,  das  gross- 
artige  Fabrikation  und  einen  nach  alien  Punkten  der  Erde 
sich  erstreckenden  Handel  treibt,  stent  die  Wissenschaft 
auf  einem  nur  wenig  fur  sie  geebneten  Boden.  Fast  alle 
Mitglieder  sind  vielbeschaftigte  Berufsmanner :  Arzte, 
Apotheker,  Lehrer.u  Wartmann  beteiligte  sich  sofort  aktiv 
an  den  mehr  rein-wissenschaftlich  gehaltenen  Verhand- 
lungen  und  hielt  in  den  beiden  ersten  Jahren  nicht  weniger 
denn  8  Vorlesungen  aus  verschiedenen  Gebieten  der  Natur- 
geschichte  (uber  Starkekorner,  Parthenogenesis,  Feuer- 
meteore  etc.).  Durch  den  gewaltigen  Einfluss,  den  die 
Naturwissenschaften  auf  Industrie,  Gewerbe,  Verkehr, 
Landwirtschaft,  uberhaupt  auf  das  gesamte  praktische 
Leben  auszuiiben  begannen,  machte  sich  mit  Recht  allmah- 
lich  in  den  Vereinstraktanden  das  populare  Element  gel- 
tend.  „Der  Gelehrtenzopf  ist  abgeschnitten  worden,  damit 
auch  der  Nichtfachmann  mehr  Genuss  und  Belehrung  finde. 
Unsere  Gesellschaft  muss  immer  mehr  der  Sammelpunkt 
fur  alle  diejenigen  werden,  welche  in  Gottes  herrlicher 
Schopfung   nicht  bloss  die   Szenerie  zu  dem  Leben   und 


66 


Treiben  des  Menschengeschlechtes  sehen,  sondern  diese 
selber  verstehen  lemen  wollen.  „Die  Wissenschaft  muss 
niitzlich  seinu,  und  deshalb  sollen  auch  die  Gebildeten 
aller  St&nde  teilnehmen  an  den  Errungenschaften  und 
Fortschritten  der  Naturerforschung." 

Unablassig  hat  er  die  Werbetrommel  geriihrt ;  immer 
und  immer  wieder  erklang  sein  Ruf  nach  Zuzug  junger 
Krafte,  welche  die  Stiitze,  die  Hoffnung  des  Vereins  sind. 
„Das  Arbeitsfeld  ist  gross  und  bedarf  zur  Bearbeitung 
kraftiger  aktiver  Unterstiitzung.  Wo  viele  sich  redlich 
in  die  Arbeit  teilen,  da  werden  die  zu  stark  beschwerten 
Sclmltern  einzelner  entlastet.a  —  Nicht  selten  schrieb  W. 
selbst  den  Leuten  und  munterte  sie  zum  Beitritte  auf; 
selten  nur  erhielt  er  eine  Absage.  Der  Tod  hat  ihm  manchen 
seiner  Getreuen  hinweggefuhrt;  er  konnte  nicht  mit  ihm 
rechten;  wenn  aber  jemand  ohne  hinreichenden  Grund 
aus  der  Gesellschaft  austrat,  so  schmerzte  es  ihn,  und  er 
empfand  die  „Fahnenfluchtu  beinahe  als  personliche  Kran- 
kung.  Um  so  mehr  hat  er  das  Lob  der  Ausdauor  derer 
gesungen,  die  ihm  treu  zur  Seite  blieben.  Zur  Zeit  des 
BO.  Stiftungstages  belief  sich  der  Bestand  der  Mitglieder 
auf  234,  1879  auf  deren  533,  und  bei  seinem  Tode  xiber- 
sah  er  das  stattliche  Heer  von  723  (489  Stadt-,  234  Land- 
bewohner,  dazu  noch  3B  Ehrenmitglieder).  Dadurch  aber, 
dass  er  selbst,  oft  gegen  den  eigenen,  aber  nach  dem 
Willen  der  Gesellschaft,  immer  wieder  mit  frischer  Lust 
und  frohlichem  Mut  das  niedergelegte  Steuerruder  in  die 
Hand  genommen  (die  Kommission  ist  auf  je  drei  Jahre 
gewahlt),  mochte  er  viele  zum  Ausharren  veranlasst  haben. 

Je  mehr  die  Mitgliederzahl  wuchs,  desto  eher  konnten 
die  finanziellen  Hilfsmittel  fiir  die  Drucklegung  eines  j&hr- 
lichen    Berichtes    uber   die   gesamte  Vereinstatigkeit   be- 


67 


schafft  werdeii.  In  demselben  sollten  auch  naturwissen- 
schaftliche  A.bliandlungen  aller  Art,  vorab  die  Ergebnisse 
der  Forschungen  im  engern  Heimatkanton ,  Aufnahme 
finden.  Besass  der  erste  „Berichta  (1868 — 1860)  einen 
Umfang  von  128  Seiten,  so  wuchs  deren  Zahl  in  der  Folge 
bis  auf  500  und  mehr.  Wohl  eine  der  brennendsten  Sorgen 
des  heimgegangenen  Pr&sidenten  ist  jene  fur  eine  ange- 
messene  Ausstattung  des  Jahrbi^ches  gewesen.  Er  hat  seine 
Redaktion  nie  leicht  genommen.  Schlagt  man  die  von  ihm 
abgefasste  „Systematische  Ubersicht  iiber  samtliche  Be- 
richte*  auf,  so  kann  man  sich  davon  iiberzeugen,  dass  seine 
Bestrebungen  vom  besten  Erfolge  gekront  waren. 

Alle  Gebiete  der  Naturwissenschaften,  nicht  nur  der 
Naturgeschichte,  sind  mit  reichem  Material  vertreten; 
keine  Disziplin  ist  leer  ausgegangen. 

Von  den  Forschungen  in  der  engern  Heimat  diirfen 
wir  hier,  weil  durch  W.  entweder  angeregt  oder  doch 
lebhaft  unterstutzt,  folgende  nennen: 

Naturgeschichte  der  Alpenseen  (Asper  und  Heuscher, 
Zurich);  Kantonale  Vogelfauna  (Stolker,  A.  Girtanner, 
Wartmann);  Insektenfauna  (Taschler,  Wegelin  in  Frauen- 
feld,  Miiller-Rutz) ;  Gefasspflanzen  (Schlatter,  Wartmann, 
R.  Keller,  Winterthur) ;  Moose  (Jager,  Culmann) ;  Flechten 
(Stizenberger,  Konstanz) ;  Tertiarflora  (R.  Keller,  Winter- 
thur); Geologische  Untersuchungen  in  Diluvium,  Tertiar, 
Kreide,  Jura  (Gutz wilier,  Ludwig,  Falkner);  Erratische 
Blocke  (Stein,  Gutzwiller,  Jlehsteiner) ;  Meteorologische 
Beobachtungen  von  10  kantonalen  Stationen. 

Meisterhaft  verstand  es  Wartmann,  zahlreiche  junge 
Naturforscher  fur  seine  Zwecke  zu  gewinnen,  eine  griind- 
liche  Erforschung  des  Kantons  in  naturwissenschaftlicher 
Beziehung  durchzufiihren.    Er  selbst  trug  mit  seiner  „Kri- 


68 


tischen  Ubersicht  der  Gefasspflanzen"  das  Banner  voran. 
Machten  sich  einmal  die  Anzeichen  einer  voriibergehenden 
Erlahmung  der  Krafte  bemerkbar,  dann  weckte  er  alle 
Schlummernden  zum  aktiven  Leben  auf ;  denn  um  keinen 
Preis  durfte  die  Gesellschaft  am  Marasmus  senilis  zu 
Grunde  gehen. 

Entschieden  eine  der  mxihevollsten  Aufgaben  war  es 
fur  Wartmann,  Jahr  um  Jahr  als  Chronist  der  Gesell- 
schaft zu  funktionieren  und  ein  gedrangtes  Bild  von  ihrem 
Leben  und  Treiben  zu  entwerfen,  Licht-  und  Schatten- 
seiten  gleich  stark  betonend.  Aber  freudig  und  unver- 
drossen  tat  er  es,  im  Bewusstsein,  dass  das  feste,  zielbe- 
wusste  Vorgehen  sich  reichlich  gelohnt  habe. 

So  referiert  er  mit  schneidiger  Feder  in  den  Priisidial- 
berichten  in  zusamjnenhangender  Weise  iiber  den  all- 
gemeinen  Stand  des  Vereins,  die  Zahl  der  Sitzungen, 
bespricht  der  Reihe  nach  die  Vortrage  und  Demonstrationen 
(kurze  Inhaltsangabe)  und  lasst  sich  iiber  Festanlasse  im 
Schosse  der  Gesellschaft  (Hauptversammlung  und  Stif- 
tungstag),  sowie  iiber  Exkursionen  aus.  Er  erwahnt  im 
fernern  das  Jahrbuch  und  den  Tauschverkehr  mit  fremden 
Gesellschaften,  spricht  von  der  Mappenzirkulation  und 
dem  Lesestoff,  gedenkt  der  Tatigkeit  der  leitenden  Kom- 
mission,  beleuchtet  das  finanzielle  „Solla  und  „Haben" 
des  Vereins,  zieht  an  Hand  von  Zahlen  die  Bilanz  des 
Mitgliederbestandes  und  widmet  verdienten  Mitgliedern 
einen  tief  empfundenen  Nachruf.  Weil  das  Naturhisto- 
rische  Museum  im  organischen  Zusammenhange  mit  den 
Interessen  der  Gesellschaft  steht,  wirft  der  Berichterstatter 
einen  Blick  auf  den  Fortschritt  desselben,  zahlt  aus  Tier-, 
Pflanzen-  und  Mineralreich  die  Ankaufe  und  Schenkungen 
auf,   nicht  in   trockener  Zusammenstellung,   sondern  im 


69 


Hinweis  auf  die  Wichtigkeit  der  Objekte,  manchmal  ziemlich 
ausfuhrlich  schildernd.  Er  unterlasst  aber  auch  nicht,  den 
Fortgang  der  Arbeiten  zu  konstatieren,  welche  die  wissen- 
schaftliche  Bearbeitung  der  Museumsschatze  genommen. 
Alsdann  fiihrt  er  uns  in  die  offentlichen  Anlagen,  den 
Park,  demonstriert  uns  da  den  Zuwachs  zur  Gruppe  erra- 
tischer  Blocke  und  lasst  uns  einen  Halt  machen  vor  den 
befiederten  Bewohnern  der  Voliere  und  des  Parkweihers. 
Freud ig  strahlt  sein  Antlitz,  wenn  er  uns  endlich  als  ge- 
wandter  Cicerone  seine  Lieblinge  in  ^System",  Alpinum, 
Gewachshausern  und  Arboretum  vorstellt.  Nichts  ist  da, 
dem  er  seine  Aufmerksamkeit  entzoge! 

Der  Schluss  ist  dem  Ausblioke  in  die  Zukunft  gewidmet. 
Noch  einmal  ruft  er  alle  Mann  auf  Deck,  legt  ihnen  ihre 
Rechte  und  Pflichten  ans  Herz  und  endigt  mit  einem 
seiner  charakteristischen  Wahlspruche:  „Wer  da  rastet, 
der  rostet!"  oder:  „Nunquam  retrorsum!" 

Als  Anhang  gleichsam  folgt  jeweilen  ein  Verzeichnis 
der  von  Schwestergesellschaften,  Gelehrten  und  Freunden 
eingegangenen  Schriften ;  alle  drei  Jahre  reihten  sich  dem- 
selben  auch  eine  vollstandige  tJbersicht  iiber  die  mit  un- 
serem  Vereine  in  Verbindung  stehenden  naturwissenschaft- 
lichen  Institutionen,  sowie  ein  neubereinigtes  Mitglieder- 
verzeichnis  an. 

Die  Bedaktion  der  42  Prftsidialberichte,  welche  unter 
seiner  Feder  den  respektabeln  Umfang  von  iiber  2000 
Seiten  erreichten,  war  keine  leichte  Sache!  Bei  gleicher 
Disposition  ungefahr  die  namliche  Materie  behandelnd, 
waren  Wiederholungen  kaum  zu  umgehen.  Und  doch  ist 
der  Verfasser  immer  mannigfaltig;  die  verbindenden  Glieder 
und  einleitenden  Worte  sind  mit  gewandter  Sprachkenntnis 
|     gewechselt  und  modifiziert. 


70 


.Dementsprechend  mangelte  es  Wartmann  nie  an  un- 
umwundener,  neidloser  Anerkennung  von  alien  Seiten  fiir 
diese  seine  enorme  Muhe  und  Arbeit.  Jene  hat  es  auch  be- 
wirkt,  dass  er  alljahrlich  mit  der  gleichen  Freudigkeit  seinen 
„Berichtu  verfasste,  bei  dessen  Redaktion  er  nach  seinem 
eigenen  Ausspruche  „selbst  nicht  unbedeutend"  lemte. 
Es  ware  unnutz,  wollte  ich  hier  auch  die  vielen  Worte 
des  Dankes  und  der  Aufmunterung  zitieren,  welche  ihm 
fiir  die  Reichhaltigkeit  und  Gediegenheit  des  Jahrbuches 
gespendet  wurden :  fiir  ihn  gewiss  die  schonste  Belohnung 
fiir  so  manche  Stunde  peinlicher  Korrekturen  und  des 
Briefwechsels  betreffend  BeschafFung  der  wissenschaft- 
lichen  Beitrage.  Der  krafbigste  Beweis  fiir  den  guten 
Ruf  des  „Berichtesu  liegt  aber  in  der  ansehnliohen  Zahl 
von  Vereinen,  welche  denselben  im  Tauschverkehr  ver- 
langen.    Vor  Wartmanns  Tode  betrug  sie  genau  200. 

Anno  1885  feierte  der  Verstorbene  als  Redaktor  des  Jahr- 
buches mit  diesem  die  silberne  Hochzeit.  Er  hat  seiner  Freude 
iiber  die  Verwirklichung  „der  Idee  des  jungen  Sanguinikera 
von  1860u  im  Berichte  1885/86  beredten  Ausdruck  verliehen. 

Hohen  Wert  legte  er  auf  die  Mappe  und  deren  Inhalt, 
ein  wichtiges  Element  fiir  Fortbildung,  Belehrung  und 
niitzliche  Unterhaltung  der  Mitglieder  (1867:  12  wissen- 
schaftliche  und  10  populare  Zeitschriften ;  1900:  18  +  29, 
nebst  mancherlei  popular-wissenschafblichen  Werken,  die 
zum  Teil  in  Lieferungen  erschienen).  Diese  und  die  Gross- 
zahl  der  Tauschzeitschriften,  Berichte  etc.  wanderten  nach 
geleisteten  Diensten  in  die  Stadtbibliothek,  wo  sie  der 
allgemeinen  Benutzung  zuganglich  sind. 

Halten  wir  Umschau  in  den  gewohnlichen  Sitzungen 
der  ^Naturwissenschaftlichen",  „der  trefflichen  Fortbil- 
dungsschule  fiir  Alte  und  Junge,  Laien  und  G-elehrte" ! 


71 


,Es  gibt  kaum  ein  Gebiet  des  Naturerkennens,  kaum 
ein  Feld  seiner  Anwendung  auf  das  praktische  Leben, 
auf  Kultur,  Kunst  und  Gewerbe,  kaum  eine  Tagesfrage, 
die  nicht  in  Vortragen  und  Demonstrationen  gepflegt, 
kaum  ein  neues  Problem  der  Wissenschaft,  das  nicht  be- 
raten,  kaum  eine  neue  Entdeckung  und  Erfindung  wichtiger 
Art,  die  nicht  vorgefuhrt  oder  besprochen  worden  ware." 
Jeweils  im  vorausgehenden  Sommer  hatte  der  Pre- 
sident der  Naturwissenschafttichen  Gesellschaft  ein  genaues 
Arbeitsprogramm  entworfen,  und  bei  Beginn  der  Winter- 
sitzungen  war  bis  zum  folgenden  April  jede  Sitzung  (es 
fanden  seit  Jahren  je  deren  2  im  Monat  statt)  mit  dem 
ihr  zugehorenden  Thema  bedacht.  Der  Eingeweihte  kennt 
die  nichts  weniger  als  angenehme  Aufgabe  der  Lektoren- 
fursorge.  „Die  Interessen  sind  verschieden  je  nach  Stand 
und  Beruf  der  Mitglieder ;  darum  ist  reiche  Abwechslung, 
vielseitiger  Charakter  der  Themata  geboten;  ausserdem 
sollen  einem  grossern  Vortrage  kleinere  Demonstrationen 
folgen.*  Diese  letzteren  hat  Wartmann  Jahrzehnte  lang 
beinahe  allein  ubernommen,  als  „Luckenbusseru,  wie  er 
bescheiden  sagt.  An  Stoff  fehlte  es  ihm  allerdings  nie:  meist 
waren  es  neu  eingegangene  Objekte  aus  dem  Museum, 
aus  dem  botanischen  Garten  oder  Seltenheiten  der  ein- 
heimischen  Flora  und  Fauna.  Das  im  Anhange  des  Lebens- 
bildes  befindliche  Verzeichnis  gibt  dariiber  Aufschluss  (im 
Kleindruck). 

Feurig,  temperamentvoll  leitete  der  Verstorbene  die 
geschaftlichen  Traktanden  der  Sitzungen.  Seine  Rede  blieb 
vom  Eroflhung8-  bis  zum  Schlussworte  die  namliche:  klar, 
bestimmt,  ohne  besondern  Schmuck,  aber  sie  war  getragen 
von  innerer  Warme.  Und  so  liebte  er  auch  den  Vortrag 
des  Lektors.    Hatte  dieser  am  Schlusse  von  Seite  der  Zu- 


72 


horer  lebhafte  Anerkennung  gefunden,  so  fehlte  es  nicht 
am  aufrichtigen,  herzlichen  Danke  des  Pr&sidiums,  ver- 
bunden  mit  der  dringenden  Einladung  zur  baldigen  Wieder- 
beteiligung.  Ganz  meisterlich  wusste  W.  die  Diskussion 
in  Fluss  zu  bringen.  Wollte  sich  anfanglich  niemand  dazu 
melden,  dann  griff  er  selbst  in  den  Gang  ein  mit  Fragen 
und  Erg&nzungen.  Dabei  kam  ihm  die  Vielseitigkeit  seines 
Wissens,  die  Kenntnis  des  historischen  Werdens,  des  Ent- 
wicklungsganges  von  Forschungen  aller  Art  auf  natur- 
wissenschaftlichem  Gebiete  wohl  zu  statten,  und  vermochte 
er  damit  manchem  Zuhorer  geradezu  Bewunderung  ab- 
zunotigen.  Ubrigens  hat  er  sich,  was  wohl  wenige  wissen, 
immer  auf  die  Sitzungen  seines  Vereins  mit  grosser  Ge- 
wissenhaftigkeit  und  Intensitat  vorbereitet. 

Momente  der  Erinnerung  und  Tage  der  Selbster- 
kenntnis  sollten  jeweils  die  Hauptversammlung  (Ende 
November)  und  der  Stiftungstag  (Ende  Januar)  sein,  zwei 
Festanlasse,  von  denen  er  keinen  geschmalert  oder  auf- 
gehoben  wissen  wollte.  Den  Interessen  der  bei  solchen 
Gelegenheiten  zahlreicher  Versammelten  (bis  400  am  Stif- 
tungsfeste)  Rechnung  tragend,  ward  fiir  dieselben  gewohn- 
lich  ein  Thema  mehr  allgemeiner  Natur  und  Bedeutung 
auserkoren. 

An  einem  dieser  Feste  oder  selbst  an  beiden  erschien 
als  Referent  gewohnlich  ein  Mann  der  Fachwissenschaft, 
der  von  neuen  Entdeckungen  und  Erfindungen  auf  seinem 
Spezialgebiete  berichtete,  oder  es  entwarf  ein  weitgereister 
Forscher  farbenreiche,  herrliche  Bilder  fremder  Lander 
und  Volker. 

Den  Stunden  ernster  Arbeit  schloss  sich  schon  an 
gewohnlichen  Vereinsabenden  ein  gemutlicher  „Nachsitza 
a^n,  welcher  mit  der  Mitternachtsstunde  aufgehoben  wurde. 


73 


„Die  alte  urchige  Frohlichkeit  und  Gemiitlichkeit  gelangte 
aber  erst  recht  zum  Durchbruchu  bei  den  genannten  Fest- 
anlassen.  Immer  begleitete  sie  em  flotter  actus  secundus. 
flDie  Pflege  der  Geselligkeit  und  Freundschaft  besitzt  eine 
hohe  Bedeutxing  fur  das  rechte  Gedeihen  des  Vereins- 
lebens;  ihre  Vernachlassigung  aber  racht  sich   schwer!" 

,,Alle  Kunste",  sagt  W.  bei  Besprechung  des  63.  Stif- 
tungstages,  r  half  en  sich  im  muntern  Bund,  und  in  freu- 
digem  Bestreben  wurden  manche  Krafte  kund.  Der  Musik 
Macht,  der  Poesie  Schwung,  der  Malerei  Harmonie,  der 
Optik  Trug  —  alle  in  trautem  Zusammenhang  arbeitend, 
gestalteten  den  betreffenden  Abend  zu  einem  iiberaus  ver- 
gniigten.u  Wieoft  haben  die  Quartette  des  „Frohsinnu 
und  der  ^Harmonie",  die  herrlichen  Tone  der  Theater- 
kapelle,  die  trefflichen  Solovortrage  von  Meister  Ochs,  die 
urgelungene  Muse  von  Freund  Griitter  oder  die  inhalts- 
reichen  Reden  von  Ambiihl  und  Brassel  sein  und  aller 
Herz  hoher  schlagen  lassen!  „Solche  Anlasse  tragen  auch 
dazu  bei,  die  Mitglieder  fester  an  die  Gesellschaft  zu 
binden  und  manche  Desertionsgeluste  schon  im  Keime  zu 
ersticken.tt  Es  muss  uns  nicht  wundern,  wenn  die  aus- 
wartigen  Gaste  und  Lektoren  stetsfort  die  Versicherung 
gaben,  wie  heimelig  und  wohl  sie  sich  in  unserm  Kreise 
gefiihlt,  und  dass  sie  mit  hohem  Respekt  von  dem  schnei- 
digen  Haupte  der  Gesellschaft  sprachen. 

Eben  bei  derartigen  Gelegenheiten  verstarkten  sich 
auch  die  Beihen  der  ,,Getreuenu  und  wurden  Fonde  zur 
Anschaffung  grosser  Museumsgegenstande  (BiiflFel,  Gorilla, 
Haifisch)  gegriindet,  aus  privaten  Beitragen  und  aus  dem 
Erlos  der  ausgelosten  oder  versteigerten  Zeitschriften. 

1869,  als  das  60-jahrige  Jubilaum  des  Bestandes  der 
Natiirwissenschaftlichen  Gesellschaft  gefeiert  wurde,  fand 


74 


gleichzeitig  eine  Ausstellung  lebender  Pflanzen  und  Vogel 
statt,  im  Spatsommer  1875  eine  solche  lebender  exotischer 
Sing-  und  Ziervogel,  an  welch  lotzterer  W.  neben  Stolker 
und  E.  Linden  das  Hauptverdienst  besass  und  nolens  vo- 
lens  auch  das  Prasidium  zu  iibernehmen  hatte. 

Grossere  Beschwerden  verursachte  ihm  das  Zentral- 
fest  der  Schweizerischen  Naturforscher ,  welches  1879 
innerhalb  der  Mauern  St.  Gallens  sich  abwickelte.  Es  war 
ihm  „langere  Zeit  nicht  ganz  wohl  urns  Herz",  denn  er 
furchtete,  das  allgemeine  Fest  mochte  die  Interessen  des 
st.  gallischen  Vereins,  seiner  ^Spezialfamilie",  beeintrach- 
tigen.  Immerhin  liess  er  es  sich  nicht  nehmen,  zum  voraus 
auf  eine  sorgfaltige  Vorbereitung  und  zweckmassige  An- 
ordnung  des  Festes  hinzuarbeiten,  „auf  dass  die  Tage  des- 
selben  in  jeder  Beziehung  recht  genussreich  werden  und 
damit  St.  Gallens  Ehre  auch  in  dieser  Hinsicht  makellos 
erhalten  bleibe".  Aber  alle  Bemiihungen,  ihn  zur  Annahme 
des  Ehrenamtes  eines  Lokalprasidenten  zu  bewegen,  blieben 
fruchtlos.  Erst  als  das  eigene  Schifflein  sich  gliicklich 
zwischen  den  verschiedenen  Klippen  hindurch  gefunden 
und  dabei  keinerlei  Schaden  erlitten  hatte,  vermochte  er 
freudigen  Herzens  zuriickzublicken. 

Zur  lebendigen  Anschauung  der  vielen  Herrlichkeiten 
und  zu  einem  vertrautern  Umgang  mit  der  ewig  jungen 
Mutter  Natur  betrachtete  auch  der  heimgegangene  Pre- 
sident gemeinschaftliche  Exkursionen  als  sehr  wichtig ;  so- 
fern  er  nicht  unpasslich  gewesen,  hat  er  sich  stets  mit 
Begeisterung  denselben  angeschlossen.  Die  letzten  gros- 
sern,  die  er  mitgenossen,  waren  jene  zur  Besichtigung  des 
Rheindurchstiches  und  nach  Wartau  im  Rheintal.  Hier, 
wie  bei  den  vorgenannten  Festanlassen  fand  er  Gelegen- 
heit,  so  recht  aus  dem  Herzen  zu  sprechen  iiber  alles,  was 


75 


dem  Vereine  zum  Wohle  gedeihe,  was  ihn  zum  starken, 
festgewurzelten  Baume  mache  mit  weit  ausladendem  Ast- 
and  Blatterwerk,  in  dessen  Schatten  sich  alle  mit  Recht 
wohl  fuhlen  diirfen. 

Viel  Fibre  und  Anerkennung  ist  ihm  im  Kreise  seiner 
Gesellschaft  geworden ;  er  hat  sie  angenommen  mit  grosster 
Bescheidenheit  im  steten  Hinweis  darauf,  dass  er  sich  keine 
schonere  und  edlere  Pflicht  denken  konne,  als  ihr  zu  leben 
mit  seinem  Herzblute. 

Und  wahrlich,  wenn  er  auch  kaum  je  daran  gedacht, 
den  hundertsten  Jahrgang  erleben  zu  konnen,  der  sich  zum 
gesunden,  kernhaften  Stamme  seines  Vereines  schliessen 
wird,  so  durfte  ihn  vor  alien  der  Gedanke  erheben,  „dass 
der  Hauch  seines  irdischen  Daseins  der  Wissenschaft,  dem 
Vaterland,  seinen  Mitbiirgern  nicht  verloren  gehe  und 
dass  seine  Aussaat  auch  jenseits  der  Vollendung  hier 
segensreiche  Bliiten  und  Frtichte  tragen  werde". 

Die  Naturwissenschaftliche  Gesellschafb  St.  Gallen  aber 
wird  sich  den  Wahlspruch  ihres  im  Silberhaare  noch  jugend- 
lich  begeisterten  Prasidenten  auf  ihrer  Fahne  geschrieben 
halten:  ^Vorwarts  und  immer  nur  vorwarts!" 


Wissensehaftliehe  Arbeit 

Angesichts  der  kleinen  Zahl  grosserer  Elaborate  aus 
der  Feder  des  Heimgegangenen  hat  man  schon  die  Frage 
aafgeworfen,  ob  unser  so  reich  mit  Wissen  und  einem 
weiten  Gresichtskreis  ausgestattete  Wartmann  sich  nicht 
d&zu  hatte  verstehen  sollen,  publizistisch  mehr  an  die 
Offentlichkeit  zu  treten.  —  Aus  seinem  Munde  wissen  wir, 
dass  er  auf  den  Ruhm,  viel  zu  schreiben,  wenig  Wert 


f 


76 

legte;  er  war  vor  allem  der  I?berproduktion  abgeneigt, 
die  in  nur  zusammenfassender  Weise  von  den  Miihen  an- 
derer  zehrt.  Er  liebte  auch  die  flugblattahnlichen,  ephemeren 
Erscheinnngen  literarischer  Tatigkeit  nicht  und  verurteilte 
namentlich  Publikationen,  denen  ein  kaum  oder  nicht  aus- 
gereiftes  Material  zu  Grunde  lag,  die  in  leichtfertiger 
Weise  zu  fruhe  in  die  Welt  hinausgesandt  wurden. 

Wartmanns  wissonschaftliche  Arbeiten1)  tragen  alle 
den  Stempel  des  Wohlbegrundeten  und  Durchdachten  in 
Bezug  auf  Stoff  und  Darstellung.  Mit  absoluter  Sachlich- 
keit  wurde  ein  Theina  bis  zu  einem  gewissen  Grade  in 
konzentrierter  Art  erschopfend  behandelt.  Die  Schreib- 
weise  zeichnet  sich  durch  Einfachheit  und  grosste  Sorg- 
falt  aus;  eine  tiichtige  philologische  Bildung  kani  dem 
Autor  immer  sehr  zu  statten. 

Wir  besitzen  von  dem  Verstorbenen  eine  geradezu 
vorbildliche  Abhandlung  liber  „Die  Ivapflanze  und  Ivapro- 
dukte",  eine  reizende  Monographie  dieses  wichtigen,  hoch- 
alpinen  Heilpflanzchens ,  welche  das  Obengesagte  wohl 
am  raschesten  zu  bestatigen  im  stande  ist.  In  derselben 
beschreibt  ihr  Verfasser  die  morphologischen  Merkmale;  er 
bespricht  die  Standortsverhaltnisse ,  die  Familienange- 
horigen,  die  chemischen  Substanzen  und  Eigenschaften  der 
besagten  Pflanze.  Sodann  folgen  allerlei  liebliche  Sagen 
uber  das  „  Wildfrauleinkraut*4,  Angaben  betr.  die  botanische 
Geschichte,  die  praktische  Verwendung  desselben,  seiner 
Safte  und  der  aus  ihnen  hergestellten  Praparate. 

l)  Am  Schlusse  des  Lebensbildes  befindet  sich  das  vollstandige 
Verzeichnis  samtlicher  Publikationen  Wartmanns.  Das  daselbst 
Kleingedruckte  enthalt  die  Titel  der  enormen  Anzahl  der  in  den 
Berichten  der  Nat urwissenschaft lichen  Gesellschaft  nur  mehr 
protokollmassig  aufgefilhrten  nMitteilungen  und  Demonstrationen", 
welche  dor  Verstorbene  im  Schosse  jenes  Vereins  gebracht  hat. 


77 


Im  folgenden  mochte  ich  etwas  ausfiihrlicher  der- 
jenigen  wissenschaftlichen  Produkte  Wartmanns  gedenken, 
welche  fur  die  Forschung  oder  fur  die  Praxis  von  gros- 
serer  Bedeutung  geworden. 

1.  Schweizerische  Kryptogamen. 

Exsiccatenwerk. 

Schon  im  Jahre  1853  schloss  sick  Wartmann  mit 
vielen  andern,  unter  denen  Schweizer  Forscher  figurierten, 
einem  Riesenunternehmen  des  beriihmten  Botanikers 
Babenhorst  in  Dresden  an,  namlich  der  Herausgabe 
einer  Sammlung  europaischer  Kryptogamen.  Ersterer 
versprach  dem  grossen  Meister  insbesondere  die  spezielle 
Bearbeitung  der  Siisswasseralgen,  seiner  Studienlieblinge. 
Zu  den  Dekaden  1 — 100  der  „Algen  Sachsens,  resp.  Mittel- 
europas"  (Dresden  1860)  lieferte  W.  beispielsweise  21  Spezies, 
darunter  auch  die  von  ihm  1865  entdeckte  und  beschrie- 
bene  Lemanea  Thyriana  Wartm.  vera.  Von  den  bis  zum 
Jahre  1873  durch  Rabenhorst  zusammengestellten  2350 
Algen  tragen  12  den  Autornamen  Wartmanns,  und  Raben- 
horst, der  grosse  Stucke  auf  den  Verstorbenen  hielt,  be- 
nannte  ihm  zu  Ehren  eine  Scytonemacee  Tolypothrix 

I     Wartmanniana  Rabh. 

|  Kaum    in    die   padagogische   Laufbahn    eingetreten, 

j  beschaftigte  sich  W.  lebhaft  mit  der  Realisierung  eines 
von  ihm  schon  wahrend  seiner  Studienzeit  entworfenen, 
gross  angelegten  Planes,  der  Herausgabe  eines  Exsiccaten- 

■  werkes  der  schweizerischen  Kryptogamen,  das 
seinen  Namen  rasch  in  die  Reihe  „der  Forscher  von  bestem 

j    Klang  in  der  botanischen  Weltu  brachte. 

Das  Unternehmen  gestaltete  sich  um  so  kuhner  und 
schwieriger,    als    er   ausser  einem   tiichtigen   Mitarbeiter, 


78 


dem  Kunstgartner  B.  Schenk  in  Schaffhausen,  nur 
wenige  ihn  unterstiitzende  Freunde  zur  Seite  hatte  und 
er  so  beinahe  isoliert  dastand,  nwo  eine  herkulische  Arbeit 
auf  seinen  Schultern  lastete".  Spater  mehrte  sich  freilich 
die  Zahl  der  Unterstutzenden,  und  das  Werk  gedieh,  bis 
Schenk,  der  unverschuldeter  Weise  nach  Jahren  in  be- 
drangte  Verhaltnisse  geriet,  seine  Mithilfe,  die  in  ausser- 
ordentlich  umfangreichem,  intensivem  Sammeln  und  den 
mehr  mechanischen  Arbeiten  bestand,  entziehen  musste. 
Hiedurch,  sowie  infolge  manchen  Verdrusses  und  bitterer 
Erfahrungen  W's.  trat  nach  Herausgabe  der  VII.  Centurie 
ein  unliebsamer  Unterbruch  ein.  Nach  zwei  Jahren,  als 
W.  in  dem  auf  dem  gesamten  Gebiet  der  Kryptogamen 
wohlbewanderten,  besonders  aber  fur  die  Pilze  als  Au- 
toritat  bekannten  Dr.  6.  Winter  in  Zurich  (gestorben 
16.  August  1887)  eine  neue  Hilfskraft  gefunden,  sandte 
er  von  1880 — 82  noch  eine  VIII.  und  IX.  Centurie  in  die 
wissenschaftliche  Welt  hinaus.  Seit  jener  Zeit  ruhte  das 
Werk  ganzlich.  Freilich  erfolgte  der  Verzicht  auf  dessen 
Fortsetzung  nicht  ohne  schweren  Kampf,  „da  so  manche 
kostbare  Mussestunde  geopfert  worden  war  und  es  an 
Aufmunterung,  Beifall,  Anerkennung  und  Beitragen  nicht 
gefehlt  hatteu.  Allein  die  Rucksicht  auf  seine  Gesundheit 
(er  litt  in  jenen  Jahren  wiederholt  an  Magenbeschwerden, 
nervoser  Uberreizung  und  Schlaflosigkeit)  forderte  gebie- 
terisch  eine  Entlastung  von  itbermassiger  Beschaftigung. 
Das  trostliche  Bewusstsein  aber,  nicht  vergebens  gearbeitet, 
sondern  den  Anstoss  zu  einor  von  Lust  und  Liebe  ge- 
tragenen  Erforschung  unseres  Schweizerlandes  gegeben 
zu  haben,  hob  ihn  uber  die  ersten  Widerwartigkeiten  des 
Stillstandes  hinweg.  Andere,  dankbare  Arbeiten  traten 
an  ihn  heran. 


79 


Im  November  1861  kiindigte  W.  das  Erscheinen  seiner 
ffSchweizerischen  Kryptogamen"  an,  die  mit  der  Zeit  sarntliche 
wichtigeren  Vertreter  dieser  Pflanzen  in  natura  enthalten  sollte. 
Urn  die  Anschaffung  derselben  zu  erleichtern,  und  eine  gehorige 
Bearbeitung  des  Material es  zu  ermoglichen,  wurde  die  Bestim- 
mung  getroffen,  jahrlich  nur  zwei  Centurien  erscheinen  zu 
lassen,  in  deren  jeder  moglichst  alle  Ordnungen  der  bliiten- 
losen  Gewachse  Vertretung  finden  durften.  Im  fernern  war 
der  Preis  der  Centurie  auf  Fr.  10.  —  in  Grossoktav  oder  Fr.  15. — 
in  Folio  festgesetzt  und  stand  es  jedem  Subskribenten  vollig 
freiT  zuriickzutreten,  wann  es  ihm  beliebte. 

Einzeln  auf  freie  Blatter  starken,  weissen  Papieres  be- 
festigt,  wurde  jeder  Spezies  die  den  Namen,  die  Synonymen, 
die  genaue  Standortsangabe,  den  konsequenten  Hinweis  auf 
andere  Sammlungen  und  die  verbreitetsten  Handbiicher,  u.  a. 
wissenschaftliche  Notizen  enthaltende  Etiquette  beigegeben. 
Jeder  Faszikel  kain  in  eine  Mappe  von  25  cm  Hohe  und  17  cm 
Breite.  Urn  besonders  jiingere  Botaniker  zur  Teilnahme  an  der 
Herausgabe  der  Sammlung  anzuspornen,  war  jedem  Einsender 
von  wenigstens  5  Spezies  in  80—85  charakteristischen,  wohl- 
erhaltenen  Exemplaren  die  Gratisverabreichung  von  je  einer 
Centurie  in  Aussicht  gestellt. 

Die  scbon  1862  erscbienene  erste  Centurie,  je  25  Pilze, 
Algen,  Flecbten,  Moose  fiihrend,  alle  in  sehr  schonen,  reich- 
lichen,  belebrenden  Exemplaren  vertreten,  fand  eine  uberaus 
gunstige,  ja  sogar  begeisterte  Aufnahme.  Hatte  man  doch  schon 
dainals  die  Wichtigkeit  einer  derartigen  Sammlung  auch  als 
Lehrmittel  fur  schweizerische  Mittelschulen  erkannt,  in  deren 
naturkundlichem  Unterricht  der  Hinweis  auf  die  zahlreichen 
Feinde  der  Okonomie,  die  vielen  Menschen-  und  Tierfeinde 
unter  den  Pilzen,  auf  die  grosse  Rolle  der  Moose  im  Hausbalte 
der  Natur  etc.  nur  von  grosstem  Nutzen  sein  konnte. 

Es  versteht  sicb  von  selbst,  dass  W.,  der  die  gesamte 
weitlaufige  Korrespondenz,  die  Auswahl  samtlicber  und  die 
Lieferung  von  146  selbst  gesammelten  Spezies  besorgte.  die 
Revision  und  teilweise  Bestimmung  einzelner  Gruppen  den 
kom  pet  en  test  en  Spezialisten  ubergab. 

Folgende  Forscher  standen  ihm  hierin  neben  der  Bo- 
schaffung  von  Material  bereitwilligst  zur  Verfiigung:  Prof. 
Briigger,  Chur;  Prof.  Dr.  C.  Cramer,  Zurich  (Algen);  Prof. 
Dr.  L.  Fischer,  Bern;  Pharmazeut  Geheo  b  (Moose t;  Dr.  nied. 
Hepp7  Ziirich  (Flechten);  Apotheker  Jack,  Konstanz  (Moose); 
Prof.  J.  J  a  g  g  i ,  Zurich ;  Dr.  K  i  1 1  i  a  s,  Chur ;  Apotheker  L  e  i  n  e  r, 
Konstanz  (Moose);  Prof.  Dr.  J.  Muller,  Argoviensis.  Genf 
(Flechten);  Prof.  Dr.  Rabenhorst,  Dresden  (Pilze)  u.  a. 


80 


Nach  Beendigung  der  VIII.  Centurie  stand  Wartmann  die 
stattliche  Zahl  von  mehr  als  40  Mitarbeitern  zur  Seite.  Unter 
den  900  Nummern  befinden  sich  Algen  =  282,  Pilze  =  167, 
Flecbten  =  206,  Moose  =  238,  Gefasskryptogamen  =  7. 

2.  Beitrage  zur  st.  gallischen  Volksbotanik. 

Im  Jahre  1866  erschien  von  Carl  Jakob  Durheim 
in  Bern  eine  verdienstvolle  Schrifb :  „Schweizerisches 
Pflanzen-Idiotikon",  ein  Worterbuch  von  Pflanzen- 
benennungen  in  den  verschiedenen  Mundarten  der  deut- 
schen,  franzosischen  und  italienischen  Schweiz,  nebst  den 
lateinischen,  franzosischen  und  deutschen  Pilanzennamen. 
Aus  einer  Reihe  von  Schweizerkantonen  fanden  sich  darin 
reichhaltige  Belege  fur  mundartliche  Benennungen  von  Ge- 
wachsen;  der  Kan  ton  St.  Gallen  dagegen  war  nachWart- 
manns  Dafiirhalten  recht  stiefmutterlich  behandelt  worden. 
Dieser  Ausfall  musste  gut  gemacht  werden,  und  so  treffen 
wir  den  jungen  Botaniker  mit  einem  wahren  Riesenfleiss 
auf  der  Suche  nach  Dialektnamen  seiner  eigenen  Heimat. 
„Wir  konnten  ihmu,  berichtet  uns  einer  seiner  eifrigsten 
Schiiler  des  damaligen  Lehrerseminars,  ^keine  grossere 
Freude  bereiten,  als  wenn  wir  in  einer  Bestimmungsstunde 
fur  Pflanzen  unsere  Kenntnisse  an  Vulgarnamen  aus- 
kramten,  und  sein  Angesicht  leuchtete  auf,  wenn  er  dabei 
auf  einen  neuen  Ausdruck  stiess."  Nach  3  Jahren  (1861) 
gelangten  die  Resultate  emsigster  Recherchen,  das  erste 
Verzeichnis  der  Dialektnamen  unter  dein  Titel:  „ Bei- 
trage zur  st.  gallischen  Volksbotanik",  zur  Ver- 
ofFentlichung. 

Dieselben  enthielten  die  Volksbezeichnungen  von  347  ein- 
beimischen  und  auch  solcben  Pflanzen,  welcbe  zu  Nutz-,  Zier- 
und  Heilzwecken  in  unsern  Garten  und  Feldern  eingefiihrt 
waren,  alle  geordnet  nacb  den  verscbiedenen  Kantonsbezirken 
und  Landesteilen.  Was  dem  in  erster  Auflage  43  Seiten  uni- 
fassenden  Biicblein  besondere  Gunst  bei  Laien  und  Gelebrten 


81 


des  In-  und  Auslandes  verschaffte,  ist  der  Umstand,  dass  bei 
einer  groasern  Zahl  der  Namen  die  im  Volke  bekannten  arznei- 
lichen  und  technischen  Verwendungen  der  betr.  Pflanzen  und 
Ptianzenteile  fur  Menschen  und  Tiere  namhaft  gemacht  wurden, 
freilich  ohne  dass  der  Verfasser  der  „Volksbotanik"  sie  alle  als 
probat  empfehlen  wollte.  Vollends  erbielt  letztere  aber  den 
Charakter  eines  Unterhaltungsbiichleins  im  besten  Sinne  des 
Wortes,  da  auch  die  auf  gewisse  Pflanzen  sich  beziehenden 
Volkssagen  genannt  wurden.  Die  Absicht,  von  denselben  so  viel 
als  moglich  zu  sammeln,  ist  um  so  verdienstvoller  gewesen, 
als  bekaontlich  ein  grosser  Teil  der  bei  unserem  Volke  noch 
lebendig  gebliebenen  Sagen,  denen  ja  so  oft  ein  tiefer,  gesunder 
Kern  innewohnt,  mit  der  Zeit  verscbwindet  und  kaum  mehr 
erbaltlich  ist;  die  Leute  befiirchten,  bei  Erzahlung  derselben 
als  dumm  oder  aberglaubisch  angeseben  zu  werden. 

Mittlerweile  erfullte  sich  des  Verfassers  Wunsch,  von 
vielen  Seiten,  insbesondere  von  Lehrern  auf  den  Land- 
schulen,  weitere  Unterstiitzung  in  der  Aufnung  der  Dia- 
lektnamensammlung  zu  finden,  und  so  erschien  dann  1874, 
nach  13  Jahren,  die  zweite,  stark  vermehrte  und  total 
umgearbeitete  Auflage,  welche  W.  diesmal  dem  um  die 
Popularisierung  der  Naturwissenschaften  hochverdienten 
Dr.  Friedrich  v.  Tschudi,  dem  Verfasser  des  „Tier- 
leben  der  Alpenwelt",  widmete.  Von  liber  120  weitern 
Arten  folgten  die  Volksnamen,  deren  Zahl  jetzt  auf  gegen 
1800  anstieg ;  dazu  kam  eine  entsprechende  Vermehrung 
der  Sagen  und  praktischen  Anwendungen  der  Vegetabilien. 
Ausserdem  besass  diese  Ausgabe  die  vorteilhafte  Neue- 
nmg,  dass  nicht  nur  die  lateinischen  Pflanzennamen,  son- 
dern  auch  die  Dialektbezeichnungen  alphabetisch  zu- 
sammengestellt  wurden,  was  die  Auffindung  des  richtigen 
botanischen  Ausdruckes  wesentlich  erleichterte.  Aber  auch 
nach  dem  Erscheinen  der  zweiten  Auflage  ruhte  Wart- 
mann  nicht,  das  Verzeichnis  weiterzufuhren ;  aus  den  losen 
Blattern,  den  vielen  Einzelnotizen  lasst  sich  fiir  eine 
spatere  Bearbeitung  viel  Material  heranziehen. 


82 


3.  Ober  unsere  Fischerei. 

Vor  Jahrhunderten  schon  besass  die  Abtei  St.  Gallen 
ein  besonderes  Jagd-  und  Fischereiregal  *) ;  es  bestanden 
auch  von  1700 — 1772  Bestimmungen  liber  die  Fischweiher- 
zucht  des  Gotteshauses  St.  Gallen.  Allein  als  nach  der 
Flucht  des  Furstabtes  im  Jahre  1798  und  der  Aufhebung 
des  Klosters  nach  mehr  als  1000-jahrigem  Bestande  die 
22  furstabtischen  Klosterweiher  in  Privatbesitz  iibergingen, 
geriet  die  Fischerei  infolge  von  Missbrauchen  sozusagen 
in  Verfall.  Trotz  des  darauffolgenden  kantonalen  Gesetzes- 
erlasses  liber  die  Auslibung  der  Fischerei  vom  Jahre  1842, 
trotz  verschiedener  Vereinbarungen,  Vorrechte,  Fischerei- 
ordnungen  und  Fischereigesetze 2),  soweit  sie  auch  das 
Areal  des  Bodensees  betrafen,  herrschte  vielerorts  Willkiir 
und  verordnungswidrige  Austibung  des  Fischfapges.  Die 
nachste  Folge  dieser  Ubelstande  war  eine  bedenkliche 
Abnahme  der  Fische  nach  der  Zahl  der  Individuen,  was 
sich  u.  a.  auch  auf  dem  damaligen  Fischmarkte  in  St.  Gallen 
mit  aller  Unzweideutigkeit  dokumentierte.  Die  Gelegen- 
heit  wahrnehmend,  warf  sich  der  36-jahrige  Professor  an 
der  Kantonsschule  auf  das  intensive  Studium  der  Fische, 
und  im  Berichte  1867/68  der  Naturwissenschaftlichen  Ge- 
sellschaft  erfolgte  nach  vorausgegangenem  Vortrage  in 
ihrem  Schosse  genannte  Publikation,  die  rasch  das  Auge 
des  Gesetzgebers  auf  sich  lenkte.  Eben  beschaftigte  man 
sich  namlich  in  dirigierenden  Kreisen  mit  dem  Entwurfe 
zu  einem  neuen  Gesetze  liber  Fischerei  (1868  69),  das 
aber  erst   am  26.  Januar  1871   in   Kraft  trat,   nachdem 


l)  Wulpillier:  St.  Gallisches  Fischereiwesen  vom  Mittelalter 
bis  auf  die  Gogenwart.    Schweiz.  Fischereizeitung  1896. 

*)  Klunzinger:  Bodenseefische,  deren  Pflege  und  Fang. 
Stuttgart  1892. 


83 


dem  Yerfasser  der  ^Fischerei*  die  Ehre  zu  teil  ge  word  en, 
in  beratender  Weise  an  den  Konferenzen  mitzusprechen. 
Dank  der  Riihrigkeit  und  Energie  eines  Landammann 
Aepli,  eines  Dr.  Fr  .v.  Tschudi  u.  a.,  und  in  neuester 
Zeit  des  Herrn  Landammann  Schubiger,  bekam  das 
Fischereiwesen  im  Kanton  St. Gallen  jene  . Ausge- 
staltung,  welche  ihm  den  Ruf  der  Musterhaftigkeit  zu- 
gezogen. 

Der  Raum  verbietet  uns  hier,  so  interessant  es  ware, 
<'inzugeben  auf  die  seit  1871  erlassenen  Gesetze,  Vollzugs- 
und  Dienstverordnungen,  Bekanntmachungen  und  Be- 
schliisse  der  kantonaleh  Behorde  aus  den  Jahren  1876  bis 
1900.  Den  Urheber  der  genannten  Schrift  freute  es  je 
und  je,  dass  so  viele  seiner  Vorschlage  einen  kraftigen 
Widerhall  und  die  gewiinschte  Verwirklichung  gefunden 
durch  die  Gesetzgebung ;  er  hatte  damit  einem  grossen 
Zwecke  gedient  und  eine  Frage  von  wichtiger,  national- 
okonomischer  Bedeutung  der  Beantwortung  nahergefiihrt. 
Die  Wartmannsche  Arbeit  liber  die  Fischerei  lag  auch 
den  eidgenossischen  Gesetzgebern  vor ;  erstere  wurde  von 
ihm  viel  verlangt,  und  es  herrschte  nur  ein  Lob  liber  die 
Grundlichkeit  derselben,  sowie  den  klaren,  scharfen  Blick 
ihres  Verfassers.  Seine  Freude  iiber  das  Zustandekommen 
des  ersten  Bundesgesetzes  vom  18.  Herbstmonat  1875  war 
keine  geringe.  "Wir  konnen  leider  auch  hier  den  Faden 
nicht  weiter  spinnen;  es  geniigt,  auf  das  neue  Bundes- 
gesetz  von  1889,  auf  die  tJbereinkunft  betreffend  die  An- 
wendung  gleichartiger  Bestimmungen  fiir  die  Fischerei 
im  Bodensee,  in  E[raft  getreten  den  22.  Dezember  1893, 
sodann  auch  auf  die  Errichtung  von  staatlichen  Brut- 
aihjtalten  und  die  Grundung  von  Fischereivereinen  hin- 
zuweisen. 


84 


An  Hand  von  statistiscben  Angaben  wird  in  der  Publi- 
kation  W?s.  der  jahrlicbe  Ertrag,  die  hohe  Rendite  der  Meer- 
hscherei,  insonderbeit  jene  der  Ost-  und  Nordsee,  nacbgewiesen. 
Scblimm  stebt  es  dagegen  mit  der  Fiscberei  in  unsern 
Siisswassern  trotz  des  Reicbtums  der  Schweiz  an  solcben 
und  ungeachtet  der  gunstigen  Vorbedingungen  in  Hinsicbt  auf 
die  Zabl  der  Fiscbspezies  in  unserin  Lande.  Die  Klagen  iiber 
eine  .rapide  Abnahme  der  Individuenzabl  sind  durcbaus  be- 
griindet;  denn  schon  der  fruber  aucb  in  der  Stadt  St.  Gallen 
so  wohlbekannte  Ruf:  „0b  er  Felcha  wend?"  ist  beinabe  zur 
Seltenbeit  geworden.  Recht  beklagenswert  ist  die  Tatsache 
einer  Reduktion  der  so  wicbtigen  Forelle. 

Die  Ursacben  dieser  unerfreulicben  Erscheinungen  sind 
wobl  einzig  im  Tun  und  Treiben  des  Menschen,  dem  schonungs- 
losen,  scblimmsten  Feind  der  Fischwelt,  zu  sucben :  Rucksicbts- 
lose  Verfolgung  der  Fische  obne  Ersatz  Mr  das  Abgegangene, 
Abfang  der  „Hurlinge",  d.  i.  der  wenige  Wochon  alton  Tiere, 
sogar  zu  Diingungszwecken ;  Anlage  von  Kunstbauten  an  Seen 
und  Flussen,  da-init  eine  Verminderung  der  Zabl  der  Laich- 
stellen ;  Stoning  des  Laicbgescbaftes  durcb  Dampfscbiffe,  Flos- 
sereien  u.  s.  w.,  wodurch  der  Rogen  aufs  trockene  Strandgebiet 
geworfen  oder  durcb  den  aufgeworfenen  Sand  und  Schlanim 
bedeckt  wird;  Herstellung  von  AVubren  zu  industriellen  Zwecken, 
welcb  erstere  den  Fisoben  die  Wanderung  erschweren,  selbst 
verunmoglichen ;  Verunreinigung  durcb  die  Abwasser  vieler 
Fabriken,  Farbereien,  Druckereien,  die  das  Leben  der  Flossen- 
trager  beeintraclitigende  Stoffe  entbalten. 

Dem  Verfasser  schwebten  bei  seiner  Abhandlung  nament- 
lich  die  Mittel  und  Wege  vor.  durcb  welcbe  dem  Verfall  der 
Fiscberei  Einbalt  getan  werden  konnte.  —  In  Anbetracht  des 
Egoismus  kurzsicbtiger  Praktiker  liisst  sicb  von  blosser  Beleb- 
rung  nichts  erwarten ;  das  einzige  Heil  ist  auf  dem  Wege  der 
Gesetzgebung  (kantonale  und  Bundes-Gesetze)  zu  suchen. 

Folgende  Punkte  sollen  dabei  Beriicksicbtigung  iinden : 
a)  Ganzlicbes  Verbot  von  Betaubungsmitteln  und  Fallen : 
hi   Verbot  des  Absperrens  und  Trockonlegens  der  Fiscbe,  des 

Scbiessens  und  Speerstecbens,  des  Fiscbens  mit  Netzen  von 

zu  engen  Mascben ; 

c)  Festsetzung  einer  Minimallange  der  zu  fangenden  und  zum 
Verkaufe  kommenden  Fiscbe ; 

d)  Bann-  und  Schonzeit  fiir  bestimrnte  Fiscbarten  (Salme)  und 
eventuell  Verliingerung  der  erstern ; 

e)  ganzlicber  Verzicht  auf  die  unbeschrankte  Freigebung  der 
fiscberei  innerbalb  der  polizeiliclien  Verordnungen ;  Er- 
klarung  des  Fiscbfanges  als  Regal,  soweit  nicht  das  Eigen- 


86 


turn  an  einem  betreffenden  Gewasser  oder  besondere  Rechte 
einzelner  Gemeinden,  Korporationen  oder  Privaten  nachge- 
wiesen  werden  konnen;  immerhin  mit  Einschrankungen ; 
f)   Verbot  des  Verkaufs  der  betreffenden  Fischarten  wahrend 

ibrer  Bannzeit ;  Schonung  der  Laicbstellen ; 
*//  Bestimmungen ,  dass  die  offentlicben  Gewasser  nicbt  auf 
eine  der  Fiscbzucbt  nachteilige  Weise  zur  Ableitung  von 
Giftstoffen  beniitzt  werden; 
ht  Vorricbtungen  an  Querwubren,  Wasserfallen,  durcb  welche 
den  Fiscben  eine  Wanderung  ermoglicht  wird.  (Traversen, 
Fischleitern  etc.) 

Weitaus  den  grossten  Erfolg  zur  Hebung  der  gesamten 
Piscikultur  verspricbt  sich  der  Verfasser  von  der  kiinstlicben 
Fischzucht,  die,  von  den  Cbinesen  langst  gekannt  und  prak- 
tiziert,  bei  uns  erst  in  den  Versucbsstadien  liegt. 

Unter  Hinweis  auf  die  tiichtige  Scbrift  von  Carl  Vogt: 
„Cber  die  kiinstliche  Fiscbzucbt"  und  auf  die  Anstalt  in  Hii- 
ningen  wird  im  besondern  der  Vermehrungs-  und  Entwicklungs- 
art  der  Fiscbe  gedacbt  und  der  Bebandlung  derselben  bei  der 
kiinstlicben  Aufzucht. 

Sacbe  des  Staates  sollte  es  sein,  fur  eigentliche  Brutan- 
s  t  alt  en,  fiir  Neubevolkerung  unserer  Gewasser,  auch  der  Alpen- 
seen,  durcb  Einsetzen  von  bestimmten  Arten  zu  sorgen. 
Weniger  Wert  legt  W.  auf  Verfugungen,  welche  das  Abschiessen 
des  den  Fiscben  scbadlicben  Raubzeuges,  auch  ausserhalb  der 
Jagdzeit.  beschlagen,  da  die  scblinimsten  Feinde  der  Flossen- 
triiger  eben  zu  einer  Zeit  bei  uns  einkehren,  wo  die  Jagd  ge- 
offnet  ist. 

4.  Krrlische  Obersicht  Ober  die  Gefasspflanzen  der  Kantone 
St.  Gallen  und  Appenzell. 

Bereits  wahrend  der  Studienzeit  hatte  es  Wartmann 
vielfach  recht  unangenehm  beriihrt,  dass  seine  engere 
Heimat,  die  Kantone  St.  Gallen  und  Appenzell,  in  botani- 
scher  Hinsicht  weit  weniger  bekannt  waren  als  die  meisten 
andern  Schweizerkantone.  —  Bedingte  doch  schon  der  in 
topographischer  und  geologischer  Hinsicht  so  mannig- 
faltige  Bau  des  Gtebietes,  die  verschiedenartige  Zusammen- 
setzung  und  der  Eeichtum  der  Formationen,  die  Hohen- 
differenzen  von  400—3300  m  ii.  M.  ein  abwechslungsvolles 


86 


Bild  der  an  und  fur  sich  zwar  nicht  eigentumlichen  oder 
selbstandigen  Flora.  Sodann  fehlte  es  nicht  an  zahlreichen, 
zerstreut  im  Lande  herumliegenden  Pilanzensammlungen 
von  Liebhabern  und  tiichtigen  Botanikern,  wie  eines 
Dr.  C.  T.  Zollikofer,  Dr.  J.  G.  Custer  u.  a.  Des- 
gleichen  beherbergte  das  stadtische  Museum  ein  nicht 
gering  zu  schatzendes  Material  in  den  Herbarien  von 
Dr.  Girtanner  sen.,  Apotheker  Stein  sen.  und  Pfarrer 
Rehsteiner;  endlich  hatte  der  Bienenfleiss  Wartmanns 
in  der  Aufnung  seines  Privatherbariums  hervorragenden 
Erfolg  gehabt. 

Gab  es  da  etwas  Verdienstvolleres,  als  sich  der  schonen, 
aber  riesigen  Aufgabe  zu  unterziehen,  all  die  vorhandenen 
Schatze  aus  ihrer  Verborgenheit  zu  heben  und  dieselben 
durch  Publikation  weitern  Kreisen  zuganglich  zu  machen, 
dadurch  die  Wissenschaft  zu  fordern,  die  Liebe  zur  Heimat 
durch  ihre  genauere  Kenntnis  zu  wecken  und  einen  Sporn 
zu  bilden  zu  noch  gnindlicherer  Erforschung  des  Landes 
in  alien  seinen  Teilen! 

Allerdings  existierten  da  und  dort  innerhalb  des  zu 
bearbeitenden  Florengebietes  mehrere  Gegenden,  die  noch 
zur  terra  incognita  gehorten.  Deshalb  sammelte  W.  urn  sich 
ein  kleines  Hauflein  getreuer,  begeisterter  Schiiler  (Am- 
buhl,  Feurer,  Mil  Her  u.  a.),  an  deren  Spitze  sich  sein 
Freund,  unser  mehrfach  genannter  Botaniker  Th.  Schlat- 
ter befand.  Sie  waren  es,  welche  als  ausdauernde  Pioniere 
eine  bedeutsame  Zahl  von  planmassigen  Exkursionen  in  die 
Rietwiesen  des  Oberlandes,  in  das  Gebiet  der  Grauen 
Horner  und  Sardona,  in  die  Churfirsten,  das  Toggenburg 
u.  a.  0.  unternahnien.  Von  alien  Seiten  flossen  Beitrage 
in  Hiille  und  Fiille  herbei;  Freunde,  ehemalige  Schiiler, 
Lehrer  (Kaiser,  Ragaz ;  Meli,  Sargans  u.  v.  a.),  Interessenten 


87 

aller  Art  iiberhauften  formlich  den  Meister,  so  dass  er, 
der  wahrend  30  Jahren  speziell  die  ebeneren  Teile  des 
Kantons  botanisch  abgesucht,  kaum  die  Sichtung  und 
Bearbeitung  des  reichen  Stoffes  zu  bewaltigen  vermochte. 
Da  war  es  wieder  der  unermiidliche  Th.  Schlatter,  welcher 
ihm  in  uneigenniitzigster  Weise,  mit  grosser  Energie  und 
vollster  Sachkenntnis  zur  Seite  stand  —  voile  20  Jahre 
hindurch.  —  Viel  Unterstiitzung  mit  schriftlichen  und 
mundlichen  Mitteilungen  wurde  dem  Werke  durch  Pro- 
fessor Brtigger  in  Chur  und  Dekan  Zollikofer  in 
Marbach  zu  teil. 

Nicht  allzurasch,  aber  griindlich,  ausserordentlich 
gewissenhaft  wurde  gearbeitet.  Um  so  genauere  Resul- 
tate  zeitigten  als  reife  Frucht  die  jahrelangen  Unter- 
suchungen,  so  dass  sich  der  Titel  der  Arbeit  vollauf  recht- 
fertigte.  Die  spater  hinzugekommenen  Nachtrage  liefern 
den  schlagendsten  Beweis !  Nur  wenige  ganz  neue  Typen 
sind  im  Laufe  der  folgenden  Jahre  gefunden  worden; 
sie  gehoren  zum  grossern  Teile  jener  Adventivflora  an, 
deren  Vertreter  sich  aus  Gartenfliichtlingen,  Einwanderern 
durch  unsere  Transportmittel  u.  a.  rekrutieren.  Wieder- 
holt  wurde  von  Fachleuten  die  grosse  Zuverlassigkeit  der 
Angaben  in  der  Wartmann-Schlatter'schen  Flora  riihmend 
hervorgehoben,  und  so  ist  sie  „der  kundige  Cicerone,  der 
mit  Namen  die  friedlichen,  stillen  Bewohner  unseres  viel- 
gestaltigen  heimatlichen  Bodens  nenntu,  sowie  eine  Quelle 
reinen  geistigen  Genusses  fiir  Viele  geworden. 

Im  Zeitraum  von  sieben  Jahren  (1879 — 1886)  erschien  die 
„Kritiscbe  "Dbersicht"  in  3  Bandchen  (568  Seitenj:  1879  80  ■= 
Eleutheropetalse ;  1882/83  =  [Sympotalse;  1886/87  =  Mono- 
chlamydett,  Monocotyledones,  Gymnosperm»,  Cryptogamw. 

Sie  umfas8t  folgende  Zahl  von  einbeimischen  Plianzen- 
spezies  (Bastarde  nicht  mitgerechnet) : 


88 


A.  Phanerogamen 1352  Spezies 

I.  Angiospermen 1342 

a)  Dikotyledonen      ....     1032 

1.  Eleutheropetalen  .    475 

2.  Sympetalen  .     .     .    457 

3.  Monochlamyden    .     100 

b)  Monokotyledonen      .     .     .       310 

II.  Gymnospermen 10 

B.  Gefass-Kryptogamen 44        „ 

1396  Spezies 

Die  Verfasser  der  „Kritischen  Ubersicht"  konnten 
sich  mit  einer  blossen  Aufzahlung  der  im  Forschungs- 
gebiete  wirklich  vorkommenden  Pflanzen  nicht  zufrieden 
geben;  sie  trachteten  danach,  dem  grossen  Werke  einen 
hohern  Wert  zu  verleihen  durch  die  genauen  Angaben 
iiber  horizontale  und  vertikale  Verbreitung,  uber  Stand- 
ortslage  und  geologischen  Untergrund,  Haufigkeit  oder 
Seltenheit  einer  Spezies,  Begleitpflanzen  etc.  Im  fernern 
kennzeichnet  diese  Hauptarbeit  aus  der  Feder  Wartmanns 
einen  bestimmten  wissenschaftlichen  Standpunkt,  den  er 
in  Bezug  auf  die  Auffassung  der  „Arta  im  Pflanzensystem 
einnimmt.  Gegenuber  der  in  neuerer  Zeit  oft  zu  Ungunsten 
der  Systematik  sich  geltend  machenden  „Speziesfabri- 
kation"  und  der  Zersplitterung  der  Arten  hielt  er  sich, 
dem  Beispiele  Neilreichs  (Flora  von  Niederosterreich) 
folgend,  konsequent  mehr  an  die  alten  Linne'schen  Arten 
und  hatte  dafur  schwerwiegende  Grunde,  die  er  jenen 
nicht  vorenthielt,  die  ihm  den  Vorwurf  machen  wollten, 
„er  ziehe  zu  stark  zusammen". 

Es  darf  hier  nicht  unterlassen  werden,  der  grossen 
Verdienste  von  Direktor  Jaggi  in  Zurich  zu  gedenken, 
welche  sich  derselbe  um  das  Zustandekommen  der  st.  gal- 
lischen  „Florau,  der  Erfullung  des  Jugendtraumes  von  W., 
erworben  hat.    Das  Urteil  Jaggis  besass  stets  eine  mass- 


89 


gebende  Bedeutung  far  die  Determination  schwieriger 
Spezies;  anderseits  hat  derselbe  die  Auffassung  W.'s  be- 
ziiglich  der  Pflanzensystematik  durchaus  geteilt. 

Die  Gattungen  Rubus,  Rosa,  Hieracium,  Salix, 
diese  ,,Cruces  botanicorum",  dann  auch  Alchemilla  und 
Euphrasia  fanden  erst  spater  Bearbeitung  durch  Spezia- 
listen.  Der  rNachtrag"  zur  „Kritischen  Ubersicht"  wird 
jener  besonders  gedenken  miissen. 

Unter  den  1396  Pflanzenarten  der  St.  Galler  Flora 
figuriert  jenes  allerliebste  kleine  Vergissmeinnicht  der 
Strandzone  des  Bodensees,  jenes  Teiles  des  flachen  Ufer- 
sandbodens,  der  wahrend  der  Sommermonate  bestandig 
uberschwemmt,  im  Winter  und  Fruhling  (vor  der  Schnee- 
schmelze)  aber  trocken  gelegt  ist.  In  kleinern  oder  gros- 
sera  Rasen  bedeckt  dieses  Pflanzchen  bestimmte  Lokali- 
taten,  so  schweizerischerseits  von  Speck  bei  Staad  iiber 
Rorschach,  Horn,  Arbon  bis  zur  Badanstalt  Kreuzlingen x) 
und  entziickt  daselbst  jedes  Fnihjahr  von  Mitte  April  bis 
Mitte  Mai  das  Auge  des  Beobachters  durch  sein  wunder- 
hiibsches  Rosenrot  und  Blau  der  zarten  Korolle.  Unser 
Wartmann  kannte  die  Pflanze  schon  von  seinen  Jugend- 
exkursionen  her  unter  dem  Namen  einer  besondern  Form, 
einer  Unterart  des  Sumpfvergissmeinnichts,  als  My  o  sot  is 
palustris  var.  caespititia  Dec,  und  seine  alljahrlichen 
Beobachtungen,  sowie  Zuchtversuche  mit  derselben  im 
St.  Galler  Alpinum,  Prufung  auf  die  Konstanz,  haben  ihn 
bewogen,  sie  als  eigentliche  Art  anzuerkennen  und  benannte 
er  sie  zu  Ehren  des  verdienten  Botanikers,  Pfarrer  Reh- 
steiner,  Myosotis  Rehsteineri  Wartm.  Uber  die  Er- 
hebung  zur  Art  rechtfertigt  er  sich  folgendermassen : 

')  Schroter:  „Die  Vegetation  des  Bodensees",  in  den  Boden- 
seeforschungen.    1902.   IX.  Abschnitt,  2.  Teil. 


90 


,,1846,  als  16-jahriger  Gymnasiast,  w&re  ich  nicht  so 
frech  gewesen,  einer  mir  allerdings  schon  bekannten,  sehr 
auffallenden  Pflanzenform  einen  neuen  Namen  zu  geben. 
Ich  glaube  indessen  doch,  dass  ich  spater  dazu  berechtigt 
war,  denn  ich  halte  M.  Rehsteineri  fur  eine  ebenso  gute 
Spezies  wie  eine  Menge  anderer,  die  allgemein  als  solche 
anerkannt  sind.  Ganz  besonders  wurde  ich  in  meiner 
Ansicht  dadurch  bestarkt,  dass  sich  die  charakteristischen 
Eigentiimlichkeiten  auch  bei  aus  Samen  gezogenen 
Individuen  erhalten  haben  (Nachweis  von  Siindermann  und 
Wartmann).  De  Candolles  Namen  „caespititiau  eignet  sich, 
wie  ich  glaube,  schon  deshalb  nicht  als  Artbezeichnung, 
damit  keine  Verwechslungen  mit  M.  caespitosa  Schultz 
vorkommen.  Mir  kann's  iibrigens  sehr  gleichgiiltig  sein; 
die  Hauptsache  ist  mir  das,  dass  die  wunderhiibsche  Pflanze 
endlich  allgemeiner  bekannt  wurde  und  jetzt  iiberall  in 
Garten  den  lebhaftesten  Anklang  findet.  In  den  letzten 
Jahren  (1896)  sind  derselben  in  den  verschiedensten  Fach- 
journalen  eine  ganze  Anzahl  teilweise  recht  ausfuhrlicher 
Artikel  gewidmet  worden!"1) 

Die  vielseitige  Tatigkeit  des  Verewigten  rief  natur- 
gemass  auch  einer  ausgedehnten  Korrespondenz  mit  For- 
schern  und  Naturfreunden.  Ich  kann  hier  nur  einen 
kleinern  Teil  derselben  auffuhren  und  nenne  in  erster 
Linie  die  Fachmanner  der  Botanik: 

Ascherson,  Schwendener  (Berlin);  Cramer,  Heer,  Jaggi, 

l)  Sch rotor,  a.  a.  0.  pag.  48,  betrachtet  M.  Rehsteineri,  trotz- 
dem  von  demselbon  am  Bodensee  keine  €Tbergange  zu  M.  palu- 
stris  getrofFen  worden,  weil  solche  aber  am  Ufer  des  Langensees 
bei  Locarno  vorkommen.  wiederum  als  gut  ausgepragte  Unterart 
von  M.  palustris.  „Es  haben  in  diesem  Falle  die  eigenartigen  Be- 
dingungen  dieses  Stundortes  eine  ausgepragte  konstante  Unterart 
zu  ziichten,  vielleicht  sogar  zu  erzeugen,  vermocht." 


91 


Schroter,  Schinz  (Zurich);  De  Bary  (Freiburg  und  Strass- 
burg);  Caspary  (Konigsberg);  Brugger,  Killias  (Chur); 
Jack,  Leiner,  Stizenberger  (Konstanz) ;  R.  Keller  (Winter- 
thur);  L.  Fischer  sen.  (Bern);  Gremli  (Vevey);  J&ger, 
Sauerbeck  (Freiburg  i.  Br.);  Buser,  Miiller  Argoviensis 
•  Genf);  Rabenhorst  (Dresden);  Kegel  (Petersburg);  Rhiner 
(Schwyz). 

Das  Amt  als  Museumsdirektor  und  als  President  der 
Naturwissenschaftlichen  Gesellschaft  bedingte  auch  einen 
lebhaften  Briefwechsel  mit  Zoologen,  Geologen  und  andern 
Forschern,  von  welchen  wiederum  nur  wenige  hier  Er- 
wahnung  finden  konnen: 

Asper,  Heuscher,  H.  Meyer,  C.  Keller  (Zurich) ;  Fatio, 
Frey-Gessner  (Genf);  Goldi  (Para);  Kaiser  (Arbon-Berlin) ; 
Kerz,  Krauss  (Stuttgart) ;  v.  Maltzan,  v.  Martens  (Berlin) ; 
Muller  (Bregenz);  Riitimeyer,  Schneider  (Basel):  Stierlin 
(Schaffhausen);  Wullschlegel  (Lenzburg). 

Bertschinger,  Billwiller,  Escher,  Frilh,  Heim,  Maillard, 
Mayer-Eymar,  Alexander  Wettstein  (Zurich) ;  E.  v.  Fellen- 
berg  (Bern):  Gutzwiller  (Basel);  Miihlberg  (Aarau);  Theo- 
bald (Chur);  Jul.  Weber  (Winterthur). 

Anderseits  konnte  es  nicht  ausbleiben,  dass  unserm 
Heimgegangenen  mannigfache  Ehrungen  zuteilwurden 
sowohl  aus  dem  Kreise  einzelner  Vertreter  der  Wissenschaft, 
als  auch  von  Seite  wissenschaftlicher  und  gemeinniitziger 
Vereinigungen.  Im  Anhange  zum  „Lebens-  und  Charakter- 
bildtf  gebe  ich  eine  Zusammenstellung  der  nach  dem  Ver- 
storbenen  benannten  botanischen  und  zoologischen  Objekte, 
sowie  der  Gesellschaften,  deren  Ehren-  oder  korrespon- 
dierendes  Mitglied  Wartmann  war. 


92 


Wartmann  als  Personliehkeit 


Im  Vorausgegangenen  begleiteten  wir  unsern  Wart- 
mann aus  glucklicher  Kinderzeit  durch  die  Jahre  der 
korperlichen  und  geistigen  Entwicklung.  Ich  habe  ver- 
sucht,  ein  Bild  zu  geben  vornehmlich  seiner  intensiven 
Arbeit,  der  unverdrossenen  Tatigkeit  im  Dienste  der  Ju- 
gend,  zum  Wohle  der  Gesamtheit,  wobei  ich  Gelegenheit 
fand,  die  eint  und  andere  typische  Eigenschaft  seines 
^Ichs"  zu  charakterisieren. 

So  leicht  es  immer  ist,  die  aussern  Lebensschicksale 
eines  Mannes  in  grossen  Ziigen  zu  schildern,  so  schwer 
wird  die  Aufgabe,  wenn  es  sich  darum  handelt,  seine  ur- 
eigene  Personliehkeit  der  Nachwelt  vor  Augen  zu  fuhren. 
Wer  vermag  so  ganz  ins  Innerste  eines  Menschen  zu 
blicken,  wer  ergrlindet  die  geheimsten  Triebfedern  seines 
Denkens  und  Handelns? 

Wenn  mir  der  teure  Dahingeschiedene  bis  zu  seiner 
letzten  Stunde  als  vaterlicher  Freund  und  treuer  Berater 
sehr  nahe  gestanden,  so  bin  ich  mir  gerade  bei  diesem 
Kapitel,  das  eine  Skizze  der  Person  Wartmanns  sein  soil, 
des  verantwortungsvollen  Unternehmens  so  recht  bewusst 
geworden.  Wie  kann  ich  einem  so  reichen,  so  vielge- 
stalteten  Leben  von  70  und  mehr  Jahren  in  alien  Teilen 
gerecht  werden? 

Ein  erleichternder  Umstand  kommt  mir  allerdings  zu 
Hilfe;  das  ist  die  unwandelbare  Treue  des  Heimgegan- 
genen  gegen  sich  selbst,  die  Tatsache,  dass  er  wahrend 
seiner  irdischen  Pilgerschaft  ein  und  derselbe  gewesen, 
der  gleiche  Zielbewusste,  der  nie  Erkaltende,  nie  Erschlaf- 


93 


fende.  Indem  wir  ihm  naher  treten,  werden  wir  so  vieles 
linden,  was  ihn  uns  immer  und  immer  wieder  lieb  ge- 
winnen  und  verehren  lasst,  weit  libers  Grab  hinaus. 

Schon  das  Aussere  Wartmanns,  auf  das  er  nicht  mehr 
Wert  legte,  als  je  notwendig  war,  flosste  Respekt  ein: 
eine  markige,  gedrungen-breite  Gestalt,  kaum  von  Mittel- 
grosse.  Stets  trug  er  das  grosse,  zuletzt  mit  schneeweissem 
Haar  und  Bart  versehene  Haupt  gehoben.  „In  den  festen, 
charaktervollen  Kopf  mit  seinen  scharf  geschnittenen  Ge- 
sichtsztigen  hatte  das  Leben  nicht  die  Furchen  eingegraben, 
welche  Genusse  und  Leidenschaften  hinterlassen ;  nur  die 
geistige  Arbeit  hatte  ihre  edlen  Linien  auf  seine  breite, 
hohe  Stirn  und  um  die  ernsten  Augen  gezogen.u 

Festen,  sichern  Schrittes  trat  er  einher,  mehr  elastisch 
als  schwer;  von  Gebucktsein  war  trotz  der  71  Jahre  keine 
Spur  bemerkbar.  Dazu  kam  eine  kraftige,  wohltonende, 
mit  Besonanz  versehene  Stimme,  mit  accentuierter  Sprache. 
Wenn  seine  Mutter  fur  musikalisch,  mit  grossem  Talent 
fur  den  Gesang,  gegolten,  so  hat  er  seine  Singstimme  nur 
im  Chor  oder  Unisono  bei  den  festlichen  Anlassen  der 
XaturwissenschaftlichenGesellschaft  ertonenlassen.  Dessen- 
ungeachtet  bekundete  er  sich  als  grosser  Freund  des  ge- 
diegenen  Jugend-  und  Volksgesanges  und  einer  nicht  zu 
komplizierten  Instrumentalmusik.  Einfachheit,  Melodie- 
reichtum  tat  ihm  hier  am  wohlsten. 

Den  Graphologen  mag  es  interessieren,  zu  vernehmen, 
dass  die  Handschrift  des  Verstorbenen  stets  die  namliche 
gebheben,  ob  wir  einen  Brief  des  Achtzehnjahrigen  oder 
ein  Schriftstiick  des  Greisen  zum  Vergleiche  herbeiziehen. 

JRecht  lebhaft  bedauerte  er  stets,  nicht  ein  Kiinstler  im 
Zeichnen  zu  sein,  welchen  Vorzug  anderer  er  namentlich 
in  der  Schule  oft  schwer  vermisste.    „Dank  mehrjahriger 


94 


Ubung  bringe  ich  es  allerdings  fertig,  Bilder  nach  dem 
Mikroskope  wenigstens  so  darzustellen,  dass  man  weiss, 
was  sie  bedeuten  sollen."  So  berichtet  er  schon  Regel 
nach  Petersburg,  der,  falls  W.  die  dortige  Stelle  accep- 
tiere,  ihm  sehr  empfahl,  bei  Schlumberger  nach  guter  An- 
weisung  Blumen  zeichnen  zu  lernen.  Nie  versaumte  W., 
die  Ausstellungen  von  Zeichnungen  in  der  Fortbildungs- 
schule,  der  Kantonsschule  und  den  ubrigen  stadtischen 
Lehranstalten,  sowie  die  jeweiligen  schweizerischen  Turnus- 
ausstellungen  der  Maler  oder  Neuheiten  im  Kunstsaale 
des  Museums  grundlich  anzusehen. 

Als  Freund  von  Ordnung,  Symmetric  und  Harmonie 
ging  ihm  also  &sthetischer  Sinn  durchaus  nicht  ab;  nament- 
lich  empfand  er  Freude  bei  Betrachtung  von  Kunstformen 
in  der  Natur,  einer  schonen  Aussicht  in  die  Bergland- 
schaft  seiner  Heimat,  einer  auffallenden  Beleuchtung  des 
Himmels.  Seine  vielen  Erholungsausfluge  in  der  Um- 
gebung  der  Stadt  hat  er  kaum  je  unternommen  ohne 
Fernglas  oder  Lupe.  Die  Freude  am  Schonen  blieb  aber 
immer  eine  spezifisch  innerliche.  Wo  andere  ihrer  Be- 
wunderung  durch  begeisterte,  gewahlte  Worte  Ausdruck 
verliehen,  da  geniigte  ihm  ein  einfaches:  „Das  ist  herr- 
lich,  prachtig,  grossartig!"  Man  wusste,  was  damit  gesagt 
sein  sollte.  —  Mehr  als  Konzerte  besuchte  er,  wenigstens 
in  friihern  Jahren,  das  Theater,  bevorzugte  heitere,  von 
sittlichem  Ernst  getragene  Darstellungen  oder  die  Wieder- 
gabe  der  Klassiker,  wenn  das  Theaterpersonal  als  gut 
bekannt  oder  ein  illustrer  Gast  dabei  tatig  war. 

"Wahre,  tiefe  Sittlichkeit  hochhaltend,  finden  wir  ihn 
doch  wieder  jeglicher  Priiderie  abhold.  „Die  Natur  ist 
gut;  moge  der  Mensch  sie  richtig  interpretieren  und  sie 
selbst  als  weisen  Ratgeber  beniitzen.^    wDie  Verheissung 


95 


des  Lebens  und  der  Zukunft  gehort  auch  nach  Natur- 
gesetzen  nur  dem  Guten.u  W.  beurteilte  den  Menschen 
nach  seinem  Streben,  nach  den  vorgesteckten  Zielen  und 
Idealen.  ^Es  tut  einem  im  Herzen  wehe,  heutzutage  die 
Teilnakmlosigkeit  so  vieler  junger  Leute  mitansehen  zu 
mussen,  die  sich  gegeniiber  hohen  Bestrebungen  passiv 
verhalten,  die  nur  Freude  an  Spiel  und  Ergotzung,  wenn 
nicht  an  Schlimmerem  haben,  denen  die  Natur  ein  inhalts- 
lo>e*  Buch  ist,  oder  die  da  meinen,  der  Zweck  des  Lebens 
liege  im  Hasten  und  Jagen  nach  Geld  und  Gut!"  Wart- 
mann  rhatte  Achtung  vor  der  Arbeit,  in  welcher  Gestalt 
auch  immer  sie  ihm  entgegentrat,  sei  es  als  geistiges 
Schaffen,  sei  es  als  physisches  Wirken :  er  wusste  es,  dass 
ohne  sie  die  Menschen  verkummern  und  dass  mussige 
Rahe  das  Grab  des  Gliickes  sei.u 

Selbst  eine  Kernnatur,  gab  er  auf  die  Schale,  die 
luch  bei  ihm  zeitweise  hart  und  rauh  gewesen,  ganz  be- 
sonders,  wo  sie  mit  Unmannlichkeit,  Unentschiedenheit 
und  Unlauterkeit  in  Beriihrung  kam,  wenig.  Im  Grunde 
genommen  hat  er  nie  Personen  gehasst,  wohl  aber  das 
Schlimme  am  Menschen.  Da  war  sein  Urteil  scharf  und 
schneidend.  Kriecherei  und  Schontuerei  verabscheuend, 
verlangte  er  Offenheit,  absolute  Wahrhaftigkeit,  Mann- 
haftigkeit  und  Gerechtigkeit,  Tugenden,  die  er  in  hohem 
Grade  selbst  besass.  Es  war  voll  und  ganz  berechtigt, 
wenn  ihm  einer  seiner  liebsten  Freunde  und  Kollegen  zur 
Feier  des  70.  Geburtstages  schrieb:  „Ihre  wahre,  echte, 
jeder  Schmeichelei  und  jeder  Streberei  abholde  Natur  ist 
ein  Goldkorn  in  der  Sandwtiste  flacher  Alltagsnaturen 
unserer  Tage!"  Er  respektierte  daher  auch  ein  freies,  un- 
geschminktes,  entschiedenes  Auftreten  anderer,  wenn  ihm 
deren  Interessen  und  Ansichten  persdnlich  nicht  entsprachen. 


96 


Zu  den  Worten  des  Heimgegangenen  bedurfte  man  keines 
Kommentars ;  „man  wusste  stets;  woran  man  mit  ihm 
war",  und  nie  hat  man  ihn  erfunden  als  solchen,  der  einem 
gegebenen  Worte  untreu  geworden. 

Einen  strengen  Begriff  hatte  W.  von  der  Freund- 
schaft,  die  bei  ihm  wohl  selten  einmal  nur  vom  „Bier- 
tische"  her  stammte.  „Die  Sch&rfe  seines  Verstandes  schied 
auch  hier  sofort  die  Spreu  vom  Weizen.a  —  Gab  es  Zeiten, 
wo  er  infolge  Unpasslichkeit  eine  gewisse  Empfindlichkeit 
an  den  Tag  legte,  so  konnte  man  ihm  schon  urn  seiner 
grossen  Vorzuge  willen  nicht  dauernd  gram  sein.  Trat 
einmal  eine  vonibergehende  Missstimmung  ein,  dann  war 
er  nicht  der  Letzte,  der  zum  Frieden  rief.  Er  hielt  aber 
nie  zuriick,  Freunden  so  recht  die  Wahrheit  ins  Gesicht 
zu  sagen,  sofern  ihm  deren  Benehmen  nicht  zu  imponieren 
vermochte.  ,,Dass  mich  aber  Dein  offenes  Wort  gefreut, 
herzlich  gefreut,  dessen  sei  versichert.  Sprich  mir  nur 
immer  so  zu  —  dazu  hat  man  seine  Freunde ! "  antwortete 
ihm  einer  seiner  Intimen  auf  einen  sehr  rezent  gehaltenen 
Brief. 

In  Gesellschaft  suchte  W.  die  ungezwungene  Froh- 
lichkeit.  „Bei  der  tiefernsten  Auffassung,  mit  der  er  an 
alles  herantrat,  was  die  Pflicht,  diese  unverbriichliche 
Richtschnur  seines  Lebens,  ihm  gebot,  war  der  Humor 
ihm  stets  willkommen."  Kopfhangerei  und  Philistertum 
blieben  ihm  zeitlebens  ein  Greuel.  —  Ovationen  und  Hul- 
digungen,  welche  seiner  Person  galten,  entzog  er  sich, 
wenn  irgend  moglich  und  feierte  seine  „Festeu  am  liebsten 
in  aller  Zuriickgezogenheit,  im  trauten  Kreise  seiner  Lieben 
daheim.  Zwar  freute  er  sich,  wenn  er  Anerkennung  fand, 
aber  er  suchte  und  verlangte  sie  nicht. 

Unvergesslich  wird  es  mir  bleiben,  wie  seelenvergniigt 


97 


er  an  der  stillen  Feier  seines  vollendeten  70.  Altersjahres 
gewesen,  inmitten  eines  wahren  Blumentempels,  den  ihm 
Dankbarkeit  und  aufrichtige  Verehrung  stifteten.  Von 
alien  Seiten  str6mten  die  herzlichsten  Gliickwunsche  herbei; 
keiner  hat  den  jugendlich  fiischen  Jubelgreis  wohl  mehr 
gernhrt  als  jener,  welchen  ihm  die  damals  eben  in  Bern 
tagende  Kommission  der  Schweizer  Kryptogamiker  gesandt. 

Gelang  es  seinen  Preunden,  ihn  mit  einer  wohlver- 
dienten  Ehrung  zu  tiberraschen,  so  schien  er  bei  aller 
Bewegtheit  fast  mehr  gedriickt  zu  sein,  dankte  kurz  und 
herzlich  und  schrieb  von  den  Verdiensten,  die  man  ihm 
beimass,  den  Grossteil  denen  zu,  die  ihn  durch  tatkraf- 
tige-i  gemeinsame  Mithilfe  zum  Schaffen  und  zur  Ausdauer 
angespornt.  „Es  fireut  mich  von  ganzem  Herzen,  dass  es 
mir  bei  gesundem  Geiste  vergonnt  war,  meine  Pflicht  zu 
erfullen;  mehr  habe  ich  nioht  getan!"  In  seinem  Dankes- 
worte  anlasslich  des  25jahrigen  Jubil&ums  als  President  der 
Xaturwissenschafttichen  Gesellschaft  St.  Gallen  (25.  Juli 
1893)  sagt  er:  „Wenn  diese  Gesellschaft  sieh  einen  ehren- 
vollen  Namen  im  In-  und  Auslande  errungen,  so  verdankt 
sie  das  den  Mitarbeitern,  die  den  Yorstand  stets  gerne 
nnd  freudig  unterstiitzten.  Im  Yertrauen  auf  sie  werde  ich 
auf  meinem  Posten  ausharren,  bis  mir  einst  eine  jiingere 
Kraft  die  Arbeit  abnimmt." 

Wir  erinnern  uns  alle  des  80.  Stiftungsfestes  der 
Naturwissenschaftlichen  Gesellschaft ,  als  Bankdirektor 
Grutter  in  einem  sinnigen  Huldigungsakte  speziell  der 
grossen  Yerdienste  seines  Freimdes  Wartmann  gedachte. 
War  es  nicht  riihrend,  mitanzusehen,  wie  der  Gefeierte 
rasch  den  Lorbeerkranz  vom  Haupte  nahm,  den  ihm  die 
ewig  junge  Dame  in  griechischer  Gewandung  —  Natur- 
wissenschsft  —  aufgediiickt  mit  den  Worten: 

7 


98 


„Zuin  Schluss  ein  Wortlein  noch  zu  Dir; 
Doch  nein  —  die  Taten  sprechen: 
Dein  Lob  durch  eine  Redebluzn1 
Brauch'  ich  Dir  nicht  zu  brechen. 
Ninim  drum  aus  der  Botanik  Hand, 
Was  Liebe  und  Verehrung  wand  — 
Als  Dank  und  auss're  Ehrung!" 

Oftmal8  ist   mit  Verwunderung  dariiber  gesprochen 

worden,  dass  W.  bei  seiner  angebornen  Energie  nicht  auf 

dem  Felde  der  offentlichen  Politik  sich  betatigte,  da  es 

doch  an  Versuchen  nie  gefehlt,  ihn  in  letztere  hineinzu- 

ziehen.    Allein  eben  hier  stossen  wir  wiederum  so  recht 

auf  die  grosse  Prinzipientreue  des  Verstorbenen,  auf  jenen 

Grundsatz,  sich  vor  Zersplitterung  zu  hiiten.    Als  solche 

und  dazu  als  absolut  ungerechtfertigten  und  nicht  zu  ver- 

antwortenden  tJbergriff  betrachtete  er  es,  wenn  der  Jugend- 

erzieher  und  der  Mann  der  Wissenschaft  sich  dazu  her- 

geben  wurde,  in  Politik  zu  machen  oder  sogar  agitatorisch 

aufzutreten.    „Letztere   gehort  weder  in  die  Schule,  die 

notwendigere   Dinge   kennt,   noch   in    die   Sphare   eines 

Vereins,  dessen  Zwecke  fernab  von  jeglicher  Politik  liegen.u 

So  wenig  man  von  W.  sagen  konnte,  er  hatte  auch  nur 

einmal  vor   seinen   Schulern   oder  in   seiner  Gesellschaft 

irgendwie   einen  politischen   oder  religiosen   Standpunkt 

zum  Motiv  einer  Auslassung  gemacht,   so  hiitete   er  sich 

ebenso   sehr  davor,   seine  eigene  Uberzeugung  in  diesen 

Beziehungen    and  era    aufzudrangen.    Seine    Propaganda 

gait  allein  den  Naturwissenschafben.   Er  zahlte  sich  selbst 

aber  mit  Stolz  zur  liberalen  Partei  und  hat  je  und  je  treu 

zu  ihrer  Fahne  gestanden.    ^Er  war  echter  Demokrat, 

freisinnig  in  des  Wortes  schonster  Bedeutung.a 

*  * 

Wir  haben  Gelegenheit  gehabt,  zu  sehen,  in  welch 
mannigfaltiger  Weise  W.  sein  Wissen  und   sein  Konnen 


99 


in  den  Dienst  offentlicher  Interessen  gestellt.   Neben  den 

erwahnten  Amtern  bekleidete  er  auch  jene  eines  Mitgliedes 

der  Park-   und   der  Wildparkkommission   und  war  eine 

zeitlang  Experte  der  Kommission  zur  Bekampfung  und 

Verhiitung  der  Reblausinvasion.    Vom  Jahre  1873  an  bis 

zu  seinem  Tode  leistete  er  der  grossen  stadtischen  Lese- 

gesellschafb  ^Busch"  als  Aktuar  ausgezeichnete  Dienste 

and   besass   fur  dieselbe  eine  unbeschrankte   Sympatbie, 

weil  er  sie  als  krftftige  und  wirksame  Forderung  der  Volks- 

bildung  betrachtete.    Bei  ihm  stand  eben  der  Glaube  fest, 

rdass  ein  Volk  nur  durch  Bildung  zur  wahren  Freiheit 

gelangt,  und  nur  derjenige  wahrhaft  frei  genannt  werden 

kann,  der  es  nicht  nur  nach  dem  Korper,  sondern  auch 

nach  dem  Geiste  ista. 

Dem  verstorbenen  "Wartmann  war  das  Gliick  be- 
schieden,  schon  zu  Lebzeiten  fur  sein  hochverdienstliches 
Schaffen  Dank  und  Anerkennung  von  alien  Seiten  zu 
finden.  Wo  immer  er  mit  seiner  bekannten  Energie  etwas 
angestrebt,  fand  er  auch  rasch  die  Zustimmung  von 
Freunden  und  Behorden,  selbst  dann,  wenn  grossere  ma- 
terielle  Unterstutzungen  zur  Inscenierung  eines  Vorhabens 
notig  wurden. 

*  * 

Gleich  wie  der  aussere  Lebensgang  des  Yerblichenen 
ein  im  ganzen  ruhiger  gewesen,  so  blieb  das  Leben  im 
hauslichen  Blreise,  in  der  Familie,  bis  an  sein  Ende  ein 
einfaches  und  bescheidenes.  Von  Jugend  auf  an  eine  ge- 
wisse  Bedurfnislosigkeit  gewohnt,  sagte  ihm  die  Atmo- 
sphare  altbiirgerlicher  Soliditat  am  besten  zu.  „Die  oft 
als  altmodisch  belachelte  Strenge  und  evangelische  Ein- 
fachheit  trug  dem  Verstorbenen  auch  in  seinem  Hause 
scheme  Frucht."  —   In  seiner  Gattin   und  seinen   beiden 


100 


Eindern  lag  sein  hochstes  Qltick  geborgen,  und  diese  hin- 
wiederum  haben  alles  getan,  dem  vielbesch&ftigten  und 
treubesorgten  Familienhaupte  sein  Heim  zu  einem  trau- 
lichen  zu  gestalten.  Mit  welch  grosser  Gewissenhaftigkeit 
und  Liebe  hat  er  iiber  das  Wohl  der  Seinen  und  der  Er- 
ziehung  von  Sohn  und  Tochter  gewacht! 

Friihe  schon  offenbarte  sich  bei  W.  ein  streng  okono- 
mischer  Sinn.  Weil  er  selbst  kein  grdsseres  Vermogen 
besass,  lag  es  in  der  Natur  der  gegebenen  Verhaltnisse, 
dass  er  —  namentlich  in  den  ersten  Jahren  der  Berufs- 
praxis  —  mit  dem  damals  sehr  bescheidenen  Einkommen 
nach  Kr&ften  haushalten  musste.  Aber  auch  in  spatern 
Jahren  vermied  er  sorgsam  jegliche  unnotige,  vor  allem 
jede  Luxusausgabe.  Dennoch  hatte  er  immer  die  finan- 
ziellen  Mittel  zur  Verfiigung,  wenn  es  gait,  in  stiller  Weise 
Gutes  zu  tun,  oder  wo  es  notig  wurde,  einer  edlen  Sache 
zur  Existenz  zu  verhelfen.  „Zum  gliicklichen  Gedeihen 
einer  jeden  Institution,  sei  sie  Familie,  Verein  oder  Staat, 
gehtirt  nicht  zum  mindesten  ein  einigermassen  geordnetes 
okonomisches  Fundament.*  Der  ansehnliche  Reservefond, 
den  heute  die  Natarwissenschaftliche  Gesellschaft  St.  Gallen 
ftir  alle  Falle  ihr  eigen  nennt,  ist  wohl  der  krafbigste 
Beweis  fiir  das  Talent  Wartmanns,  besonders  mit  fremden, 
anvertrauten  Geldern  in  richtigem  Masse  sparen  zu  kdnnen. 

Anno  1890  bezog  der  Verblichene  mit  seinen  Ange- 
horigen  in  der  Museumsstrasse  ein  eigenes  Haus.  „Wie 
freue  ich  mich,  endlich  festzusitzen,  unter  meinen  Fenstern 
den  botanischen  Garten  und  daneben  mein  liebes  Museum 
zu  sehen!"  Jetzt  fiihlte  er  sich  so  recht  behaglich  und 
glucklich.  In  seinem  kleinen  und  einfachen  Studierzimmer, 
das  er  nicht  an  den  grossten  Arbeitsraum  getauscht  hatte, 
fuhrte  er  ein  Leben  intensiver  Betatigung.    Neben  einer 


101 


wohlerlesenen  Bibliothek  standen  dort  immer  einige  Be- 
hausungen  gefiederter  Sanger,  welche  seine  Gedanken- 
gange  oft  angenehm  unterbrachen.  Auf  seinem  Arbeits- 
tische  fanden  sich  je  und  je  die  schmucken  Kinderchen 
der  neuerwachenden  Natur  oder  ein  von  dankbarer  Hand 
gestifteter  Bliitenstrauss,  die  seinem  Zimmer  „einen  Hauch 
stiller  Freundlichkeit  verliehen".  Was  konnte  dieses 
heimelige  Stubchen  nicht  alles  erzahlen!  Da  war  es,  wo 
er  seine  ausgedehnte  Korrespondenz  mit  teuren  Freunden 
und  Schulern,  mit  Behorden  und  Lehrern,  mit  naturwissen- 
schaftlichen  Instituten  und  Gesellschaften,  mit  Gelehrten 
und  Forschern  erledigte;  hier,  wenn  nicht  im  Museum 
driiben,  empfing  er  die  zahlreichen  Besuche  von  Schul- 
vorstehern  und  ehemaligen  Schulern ;  hier  ward  so  manches 
intime  Wort  gesprochen,  so  mancher  Lebensplan  entworfen. 

Freudige  Abwechslung  boten  jeweilen  die  Anlasse, 
wenn  einer  seiner  auswartigen  Freunde  oder  weitgereiste 
Forscher  u.  a.  mit  den  Ergebnissen  ihrer  Studien  und  dem 
reichen  Schatze  ihrer  Erfahrungen  und  Erlebnisse  in 
fremden  Zonen  im  Kreise  der  Naturwissenschafblichen 
Gesellschaft  uns  unterhielten.  Sie  alle  haben  jeweilen  die 
Gastfreundschaft  des  Wartmannschen  Hauses  in  vollen 
Ziigen  genossen.  Die  Weitgewanderten  und  das,  was  sie 
erzahlten,  boten  ihm  wohltuenden  Ersatz  fur  den  Ausfall 
eigener  grosserer  Forschungsreisen,  und  wenn  man  die 
Wiedergabe  des  Gehorten  aus  dem  Munde  Wartmanns  ver- 
uahm,  war  es  einem  oft,  als  ob  er  selbst  an  jenen  Aben- 
teuern  teilgenommen  hatte. 

Zu  einer  Zeit,  da  seine  Gattin  sich  noch  der  besten 
Gestmdheit  erfreute,  unternahm  er  sozusagen  stets  mit 
ihr  tagliche  regelmassige  Spaziergange  in  die  nahere  oder 
fernere  Umgebung  der  Stadt.    Oft  finden  wir  ihn  dabei  in 


102 


Begleitung  guter  Freunde,  namentlich  der  Herren  Vor- 
steher  Kaufmann  und  Schlaginhaufen.  Alljahrlich 
fuhr  er  ein-  oder  zweimal,  besonders  zur  Blfitezeit,  in  den 
Obstgarten  des  benachbarten  Thurgau  oder  an  die  freund- 
lichen  Gestade  des  Bodensees  hinunter,  nach  Arbon,  Horn 
und  Rorschach.  Beinahe  jeden  Friihling  wurde  auch  eine 
Fusswanderung  veranstaltet  zu  jener  t)berschwemmungs- 
zone  des  Sees,  wo  er  seiner  von  ihm  als  Art  beschriebenen 
Lieblingspflanze  (pag.  89)  den  Willkommgruss  entbot. 

Nicht  selten  entschloss  er  sich  zu  einem  ^Blitzbesuch" 
bei  seinen  alten  Studienfreunden  in  Zurich.  „Welche 
Stunden  seligen  Geniessens,  welche  Freude  der  Wieder- 
auffrischung  langstvergangenen  Jugendgluckes !  Wir  hatten 
uns  so  viel  zu  sagen  von  Familie  und  Beruf,  von  Neue- 

rungen  und  Fortschritten  in  der  Wissenschaft!u 

* 
*  * 

Obwohl  ein  Schuler  Nagelis,  ging  W.  philosophi- 
schen,  bezw.  naturphilosophischen  Erorterungen  sorgsam 
aus  dem  Wege  und  besass,  gleich  unserm  grossen  schwei- 
zerischen  Zoologen  und  vergleichenden  Anatomen  Riiti- 
meyer,  zeitlebens  „einen  wahren  Horror  vor  der  Zwangs- 
jacke  jeglicher  Theorie".  nVon  der  Hochflut  der  Hypo- 
thesen  fallt  so  wenig  Fruchtbares  fur  das  Erdreich  unsers 
realen  und  geistigen  Lebens  ab%  schreibt  er  einem  seiner 
Studienfreunde.  „Ich  halte  es  in  der  Wissenschaft  mit 
dem,  was  unsere  Sinne  wahrnehmen,  mit  dem  Positiven, 
mit  dem,  was  klar  und  wahr  und  sicher  ist!u  Man  wurde 
sich  aber  tauschen,  wollte  man  annehmen,  W.  hatte  sich 
durch  sein  langes  Forscherleben  hindurch  keine  Welt- 
anschauung herauskristallisieren  lassen,  wenn  er  auch 
nur  ungerne  und  nur  in  ganz  vertrauten  Kreisen  daruber 
je  gesprochen.    Weder  mit  seinen  Schlilern,  noch  in  den 


103 


Diskussionen  der  Vortrage  in  der  Naturwissenschaftlichen 
Gesellschaft,  wo  vielleicht  einmal  ein  metaphysisches 
Theorem  gestreift  wurde,  liess  er  sich  in  langere  Dispute  ein. 

In  religioser  Beziehung  zeichnete  sich  der  Heimge- 
gangene  durch  eine  weitgehende  Toleranz  aus.  ^Religion 
ist  Sache  des  Gemutes;  sie  soil  aber  dem  Denken  nicht 
widersprechen.  Die  innerliohe  Lebensbetatigung  des  Glau- 
bens  stirbt  ab,  wo  Notigung,  Menschenfurcht  nnd  Politik 
ins  Spiel  kommen.  Die  Sittlichkeit  als  allgemeines  Gesetz 
steht  uber  Dogmen  und  religiosen  Satzungen."  Diese 
Worte  Paulsens  bezeichnen  die  tJberzeugungen  Wart- 
manns.  Auch  war  es  ganz  in  seinem  Sinne,  was  Dr.  Sonder- 
egger  und  Papa  Scheitlin  gesprochen:  „Der  Naturforcher 
vor  alien  kennt  die  Grenze  seines  Wissens ;  er  riihrt  grund- 
satzlich  nicht  an  das  religiose  Gefuhl  seiner  Mitmenschen, 
halt  sich  aber  desto  fester  an  die  sichtbare  Leistung,  an 
die  gute  Tat.  Er  steht  im  Leben,  wie  Moses  auf  dem 
Sinai,  und  zu  ihm  spricht  der  Ewige:  Mein  Angesicht 
kannst  du  nicht  sehen,  wenn  ich  aber  voriibergegangen 
bin,  wirst  du  mir  nachsehen." 

Von  der  Gewissheit  durchdrungen,  dass  unser  Leben 
nie  „ohne  Rest  aufgehe",  behielt  er  sich  von  vorneherein 
eine  saubere  Trennung  dessen  vor,  was  Wissenschaft  und 
Glauben  sind.  Die  Wissenschaft  und  die  Lehre  von  der 
Entwicklung  stehen  dem  Glauben  nicht  feindlich  gegen- 
uber,  im  Gegenteil :  solange  die  Forschung  in  ihrem  Streben 
nach  Wahrheit  bestehen  wird,  durfen  wir  immer  noch 
-still  verehren,  was  unerforschlich  ist".  Trotz  unserer 
heutzutage  so  bedeutend  gesteigerten  Erkenntnis  von  der 
Welt  stehen  wir  ihr  als  Ganzem  immer  noch  als  einem 
grossen  Ratsel  gegeniiber.  Wir  werden  auch  in  alle  Zu- 
kunft  nie  begreifen,  was   uber  das  Irdische   hinausgeht. 


104 


Jede  Losung  ernes  Problems  bringt  neue  Fragen;  wir 
kommen  im  Makro-  und  im  Mikrokosmos  nicht  zum  Ende. 
„Allein  die  uns  zug&ngliche  Welt  bietet  uns  einen  so 
unersch6pflichen  Reichtum  an  Erscheinungen  und  in  ihrer 
Schonheit  und  dem  harmonischen  Ineinandergreifen  der 
zahllosen  Rader  ihres  wundersamen,  unbegreiflich  ver- 
wickelten  Getriebes  einen  so  hohen  und  nie  versagenden 
Genuss,  dass  seine  Erforschung  wahrlich  wohl  wert  ist, 
unser  Leben  auszufullen." 

„Die  Naturforschung  hat  die  beobachteten  Vorgange 
in  der  Entwicklungswelt  zur  Grundlage;  ihr  Ausgangs- 
punkt  ist  immer  das  fcusserlich  gegebene,  materielle  Sein 
mit  seinen  dem  Mass  und  der  Zahl  unterworfenen,  der 
Beobachtung  oder  dem  Experiment  zuganglichen  Kraften. 
Der  Glaube  dagegen  besitzt  seinen  selbstandigen  Grund 
und  seine  eigentlichen  Lebenswurzeln  in  der  Geschichte 
und  der  unmittelbaren  innern  Erfahrung  wahrend  unsers 
irdischen  Daseins.  Alles  in  der  Welt  geht  mit  natiirlichen 
Dingen  zu,  vieles  lasst  sich  aus  natiirlichen,  gesetzmassigen 
Ur8achen  erklaren.  Wunderbares  gibt  es  in  Hulle  und 
Fiille,  Unerklartes  iiberall.  Aber  dem  Naturverlauf  wider- 
sprechende  oder  die  natiirlichen  Krafte  und  Ursachen  iiber- 
schlagende  Vorgange  gibt  es  nicht.  Neben  den  uns  be- 
kannten  Kraften  existieren  noch  dirigierende,  das  Prinzip 
der  Ordnung  und  Gesetzmassigkeit  verfolgende,  liber  die 
wir  aber  nichts  wissen  konnen,  weil  sie  uber  unserm  eng- 
begrenzten  Horizont  liegen.  So  muss  alles  im  grossen 
Zusammenhang  eines  wirklichen,  streng  geordneten  Welt- 
daseins  beurteilt  werden." 

Das  eben  Ausgefiihrte  darf  fuglich  als  die  Quintessenz 
der  Anschauungen  Wartmanns  bezeichnet  werden,  und 
ich  vergegenwartige  mir  die  sichtliche  Freude,  die  er  bei 


106 


der  Besprechung  dee  1901  erschienenen,  von  Reinke  in  Kiel 
verfassten,  bedeutsamen  Baches:  „DieWelt  als  Tat"  be- 
kundete.  Den  Ubertreibungen  des  Darwinismus  war  W. 
niemals  hold,  and  es  iflt  bezeichnend,  dass  er  von  Anfang 
an.  als  die  Theorie  des  glanzenden  Forschers  ihren  Sieges- 
zug  durch  die  Wissenschaft  hielt,  derselben  ungefehr  die 
Bedentong  zugemessen  hat,  welche  sie  heute,  nachdem  die 
kritische  und  positive  Richtung  contra  Darwin  die  wunden 
Punkte  ans  Lieut  gezogen,  in  Anspruch  zu  nehmen  be- 
rechtigt  ist.  Wartmann  betracbtete  den  Darwinismus  als 
eine  wissenschaftliche  Hypothese,  freilich  als  eine  solche, 
welcher  ein  mit  grossem  Fleiss  und  Scharfsinn  zusammen- 
getragenes  Material  zu  Grunde  liegt.  Wenn  er  speziell  dem 
f£ntwicklungsprinzipu  zugetan  war,  den  Tatsachen  der 
Morphologic  und  Embryologie,  und  besonders  jener  der 
rudimentaren  Organe  sein  voiles  Interesse  entgegenbrachte, 
so  war  er  doch  weit  entfernt  von  der  Annahme,  als  ob 
durch  die  Lehre  Darwins  die  Weltratsel  gelost  waren  und 
als  ob  alles,  selbst  die  kompliziertesten  Lebenserschei- 
nungen,  rein  mechanisch,  d.  h.  physikalisch-chemisch  sich 
erklaren  liessen. 

In  den  verschiedenen  Nekrologen,  welche  die  st.  gal- 
lischen  Blatter  dem  hochgeachteten  Dahiugeschiedenen 
widmeten,  wurde  mit  vollem  Rechte  betont,  dass  mit  Pro- 
fessor Dr.  Wartmann  ein  charakteristisches  Stuck  des  alten 
st.  gallischen  Stadtbiirgertums  zu  Grabe  gestiegen  ist.  — 
Wenn  wir  uns  zum  Schlusse  fragen:  Was  hat  den  Ver- 
storbenen  bewogen,  seinideales  Wirken  und  Streben  auf  den 
Altar  seiner  Vat  erst  ad  t  zu  legen?  so  diirfen  wir  ruhig 
bekennen:  Es  war  seine  unwandelbare  Liebe  zu 
ihr.  die  Liebe  zur  Heimat!    Darum  hater  sie  auch 


106 


gekannt   wie  kaum  ein  anderer.    Ihm  mogen  die  Worte 

seines  alten  Freundes,  Hofrat  Leiner  in  Konstanz,  gelten, 

der  wenige  Monate  vor  Wartmann   sein  iiberaus   tatiges 

und  hochverdienstliches  Wirken  beschloss: 

„Nur  wer  die  Heimat  kennt,  der  kann  sie  lieben; 
Wer  sich  von  ihr  getrennt,  ist  fremd  geblieben: 
Ein  Fremd  ling  immer  in  dem  eig'nen  Haus. 
Der  aber  fiihlt  sich  froh  und  wohl  zu  Haus, 
Der,  wie  sich  selbst,  auch  kennt,  was  um  ihn  lebet. 
Was  die  Natur  und  was  Geschichte  beut, 
Und  weiss,  wie's  herrlich  ineinander  webet, 
Und  wie  sich's  immer  wechselnd  wieder  neut 
Und  immer  doch  sein  liebes  Heim  geblieben. 
Nur  wer  die  Heimat  kennt,  der  kann  sie  lieben  !u 

Wie  von  Riitimeyer,  so  lasst  sich  auch  von  Wart- 
mann sagen,  „dass  die  iiberaus  innige  Anhanglichkeit  an 
die  heimische  Natur  seinem  ganzen  Wesen  jene  kraftvolle 
Originalitat  verlieh,  welche  einen  bleibenden  und  wich- 
tigen  Faktor  seines  Lebens  ausmachtea.  Das  aber,  was 
wir  an  dem  Heimgegangenen  immer  und  immer  wieder 
als  originell  bewundern  und  verehren,  und  was  das  eigent- 
lich  Unersetzliche  ist,  wird  fortleben  selbst  dann,  wenn 
die  Spuren  seines  Wirkens,  die  charaktervollen  Ziige  seines 
Antlitzes  dem  vergesslichen  Gedachtnis  unsers  Geschlechtes 
entschwinden. 

*  * 

In  voller,  zaher  Schaffenskraft,  gerxistet  mit  unver- 
wustlichem  Arbeitsmut,  finden  wir  den  Verewigten  wenige 
Tage  vor  seinem  Tode:  Immer  noch  die  gleiche  „typische 
Erscheinung  im  st.  gallischen  Leben,  eine  so  ausgesprochene, 
dass  man  in  Verlegenheit  kam,  sich  den  Mann  vorzustellen, 
der  nach  Wartmanns  Tode  in  alle  entstandenen  Llicken 
eintreten  und  sie  mit  der  wuchtigen  Kraft  seiner  in  sich 
geschlossenen  Personlichkeit  ersetzen  konnte".  Mancherlei 
PlSLne   hatten   noch   ihre   Realisierung  finden   sollen,  vor 


107 


allem  jene  der  Ausgestaltung  des  Naturhistorischen  Mu- 
seums and  des  botanischen  Gartens.  Er  fuhlte  kaum  ge- 
schwachte  Kraft,  die  Burden  zu  tragen,  welche  seit  so 
vielen  Jahren  auf  seinen  starken  Schultern  ruhten.  — 
Sein  ganzes  Leben  hindurch  hatte  er  keine  ^Ferien*  ge- 
kannt.  „Ich  wtinschte  nichts  Besseres,  als  dass  mein  letzter 
Arbeitstag  das  Zeichen  zum  raschen  Aufbruch  zu  jener 
Reise  in  das  unbekannte  Land  w&re.u 

Gegen  Ende  des  Maimonates  1902,  nachdem  W.  mit 
froher  Zuversicht  und  grosser  Arbeitsfrische  seine  Lehr- 
stunden  am  Gymnasium  wieder  aufgenommen,  stellte  sich 
bei  ihm  ein  hartnackiger  Brustkatarrh  ein.  Freitag  den 
30.  Mai  nahm  er  mit  den  Sekundarlehramtskandidaten 
Ubungen  im  nPflanzenbestimmeng  vor.  Schon  in  der  ersten 
Stunde  beklagte  er  sich  tiber  Unwohlsein,  setzte  sich  in 
seinen  Stuhl  und  schlummerte  leicht.  Um  9  Uhr  vormit- 
tags  ging  er  nach  Hause  und  begab  sich  bald  zu  Bette. 
Niemand  ahnte  Schlimmeres,  um  so  mehr,  als  sein  Zu- 
stand  wahrend  der  folgenden  Tage  keinen  gefahrlichen 
Charakter  annahm.  Montag  Mittag  sah  ich  ihn  zum  letzten 
Mai  in  seinem  Leben.  Er  liess  mich  zu  sich  an  sein 
Krankenlager  kommen.  Seine  letzte  Sorge  gait  der  Schule, 
dem  Museum  und  der  Naturwissenschaftlichen  Gesellschaft. 
Am  Abend  taten  sich  Unregelmassigkeiten  in  der  Herz- 
tatigkeit  kund,  und  in  der  Morgenfriihe  des  3.  Juni  trat 
der  Tod  zu  ihm;  mit  milder  Hand  beriihrte  er  den 
schlummernden  Greis.  Ohne  Kampf  und  ohne  das  Ende 
zu  fuhlen,  ging  seine  Seele  still  und  friedlich  hinxiber, 
am  auszuruhen  von  den  Anstrengungen  eines  71-jahrigen, 
erfolggekronten  Daseins. 

Auf  seinem  Antlitz  aber  lag  noch  jene  Kraft  und 
Energie,  wie   wir  sie   am   Lebenden   gekannt,   ein   tiefer 


108 


Friede  und  der  Abglanz  eines  innern,  fast  heitern  Gltickes. 
Furwahr,  ihm  ist  ein  freundliches  Los  beschieden  gewesen ! 
Mitten  aus  rastloser  Tatigkeit  weggerufen  zu  werden,  ver- 
schont  zu  bleiben  von  den  Priifungen  eines  langen,  taten- 
losen  Schmerzenslagers,  umgeben  zu  sein  von  kindlicher 
Liebe  und  Dankbarkeit:  das  war  die  liebliche  Erfullung 
eines  heissen  Wunsches! 

„Eines  solchen  Menschen  Hingang  wird  den  Freunden 
zur  Erbauung ;  denn  es  ist  ein  Grosses,  sich  zunickzuver- 
setzen  in  eine  Erscheinung,  von  der  einem  hinterher  nur 
immer  klarer  wird,  dass  an  ihr  trotz  der  menschlichen 
Schwachen,  denen  keiner  entgeht,  der  Kern  vom  edelsten 
Stoffe  war."  „Als  reiche  Garbe1),  gereift  im  Sonnenbrand 
und  Sturm  des  Lebens,  ist  er  heimgefuhrt  worden,  nach- 
dem  er  ein  Quell  mannigfachen  Segens  fur  die  Seinen, 
wie  fur  unser  offentliches  Leben  gewesen;  uns  alien  ein 
Vorbild  in  treuer  Pflege  und  Ausnutzung  der  von  Gott 
verliehenen  Gaben!" 

^In  stiller  Grosse  steht  der  nun  ruhende  Arbeiter  vor 
uns,  der  einfache  Mann  mit  dem  feinen  Gewissen,  dem 
unbeugsamen  Rechtssinn,  durchdrungen  von  absoluter 
"Wahrhaftigkeit  und  von  selbstloser  Hingabe  an  alles  Hohe 
und  Edle.u 

Als  letztes  sinniges  Lebewohl  hat  ihm  sein  Nach- 
folger  in  der  Naturwissenschaftliohen  Gesellschaft  eine 
Hand  voll  buntfarbiger,  lieblicher  Kinder  Floras  mit  ins 
Grab  gegeben.  —  Ein  Hauch  stiller  Trauer  lag  iiber  all 
den  schmueken  Blumenkopfchen  und  den  Pflanzchen,  die 
drunten  im  Park  eben  „zum  sonnenlichtfreudigen  DaseinL 

l)  Gedachtnisrede  von  Herrn  Pfarrer  E.  Brandli,  St.  Leon- 
hard.    (Text:  Hiob  V,  26.) 


109 


erwachten.    Sie  hatten  ihren  besten  Freund,  ihren  treuesten 
Pfleger  und  Beschiitzer  verloren. 

Aber  wie  unter  den  Strahlen  der  Lenzessonne  die 
unsterbliche  Natur  immer  und  immer  wieder  neues  Leben 
und  tausend  Farben  aus  ihrem  unerschopflichen  Fullhorn 
schnttet,  so  wird  auch  das  Andenken  an  Direktor  Dr. 
Wartmann  weiter  leben  und  dessen  Wirken  ein  leuch- 
tendes  Vorbild  bleiben  fort  und  fort!  — 


Den  Manen  Dr.  B.  Wartmanns. 


Ein  Baum,  festwurzelnd  in  der  Heimat  Grund, 
An  Fruchten  reich  und  bis  ins  Mark  gesund, 
So  stand  er  da,  die  Freude  seiner  Freunde, 
Urn  ihn  die  wissensdurstige  Gemeinde, 
Die  oft  getrunken  aus  der  Weisheit  Quell, 
Der  seinem  Geist  entstromte  wahrheitshell. 

Da  kam  ein  Frublingssturm,  der  warf  ibn  nieder, 
Den  Mann  der  Arbeit,  knorrig-fest,  docb  bieder 
Und  g'rad'  wie  einer  Wettertanne  Staram. 
Und  als  der  Tod  den  Freund  von  hinnen  nabm, 
Da  war  mir,  traun,  als  rauscbte  Scbwangefieder 
Hoch  uberm  Grab,  als  stiegen  Lercbenlieder 
Gen  Himmel  und  als  w  ein  ten  Blumen  leis 
Im  naben  Anger  zu  des  Forscbers  Preis.  — 

Und  summt  und  singt  es  wieder  in  den  Luften, 
Und  ruft  der  Lenz  den  Blumen  aus  den  Griiften, 
Dann  kunden  sie  in  still  bewegtem  Wort: 
In  seiner  Arbeit  lebt  der  Edle  fort. 

Johannes  Brasset. 


Verzeiehnis 

samtlicher  Publikationen  von  Dir.  Dr.  Wartmann .*) 


Botanik. 

Beitrage  zur  Anatomie  und  Entwicklungsgeschiehte   der 

Algengattung  Lemanea.    Inauguraldissertation.    4°.  St. 

Gallen,  1854;  Scheitlin  und  Zollikofer. 
Mitwirkung  an  dem  Werke  von  C.  v.  Nageli:  Die  Starke- 

korner.    Zurich,  1868.    4°. 
Verbreitung,  Form-,  GrSssen-  und  Strukturverhaltnisse  der 

St&rkekorner.    Referat  in  „Osterreich.  botanische  Zeit- 

schrift"  1860,  X.  Jahrgang,  Nr.  10,  pag.  309—320. 
Schweizeri8che8  Kryptogamen- Verzeiehnis  der  Spezies  und 

Varietaten,  welche  in  den  Centurien  I — V  enthalten  sind. 

Alphabetisch  zusammengestellt;   11  Seiten.     St.  Gallen 

1865.     Zollikofer8che  Buchdruckerei. 


Beitrage  zur  st.  gallischenVolksbotanik 

Botanische  Notizen 

Blechnum  spicant.,  Calendula  offici- 
nalis, Geum  rivale  X  urbanum,  Geum 
rivale,  Prunus  avium,  Pyrus  communis, 
Sambucus  nigra,  Veronica  Anagallis. 

Vergrunte  Kleebluten 

Weiss  bliihendes  Bittersuss,  weisse  Heidel- 
beeren,  Addje  piddo  (Telfairia  pedata) . 

Aldrovanda  vesiculosa 

Ivapflanze  und  Ivaprodukte    .... 


1872/73 
1860/61 


64/65 

74/75 

76/77 

1876/77 


237—349 
81-96 


8-9 
18-19 
194—210 


*)  Wo  nichts  weiteres  bemerkt  ist,  beziehen  sich  die  Jahrgang- 
zif f ern  nebst  Seitenzahlen  auf  die  Jahresberichte  der  St.  Gallischen 
Naturwissenschaftlichen  Gesellschaft,  in  welchen  beinahe  samt- 
liche  Arbeiten  Wartmanns  erschienen  sind. 


Ill 


Selaginella  lepidophylla 

Abnorme    Blattbildungen     (Bohnenbaum, 

Erie,  Esche) 

Elodea  canadensis 

Quersehnitte  je  durch  einen  Eichen-,Weiss- 

tannen-  und  Lindenstamm 

Direktor  Jaggis  Monographie  der  Wasser- 


nuss 


Wellingtonia  gigantea,  Weisstannen-Quer- 

sohnitt 

Zapfen  von  Araucaria  imbricata  .... 
Besueh  der  Chilitanne  im  „Weinberg"  un- 

terhalb  Walzenhausen 

Zierkurbisse 

Salvia  Horminum  und  Salvia  Sclarea,  ver- 
grosserte,  auffallend  gefarbte  Deck- 
blatter     

Nicotian  a  Spezies 

Kaktus-Dahlien,  mit  zugespitzten  Zungen- 

bliiten 

Seltenheiten  aus  der  einheimischen 
Pflanzenwelt: 

Dreigliedrige  Paris -Exemplare,  Matri- 
caria discoidea,  Caucalis  daucoides, 
Anthemis  tinctoria,  Erysimum  orien- 
tale.  Centaurea  nigra,  Campanula  lati- 

folia.  Diplotaxis  muralis 

Sorbus  aucuparia  X  Aria,  Scirpus  seta- 

eeus,  Meum  athamanticum 

Galium  tricorne,  Orchis  mascula  X  morio, 
Muscari  comosum,  Ornithopus  sativus 

(nicht  perpusillus) 

Feuerbohne  mit  riibenartiger  Wurzel,  Spelz 
mit  verastelter  Ahre,  grannenlose  zwei- 

zeilige  Gerste 

Anemone  nemorosa.  Monstrositat .... 
Phyteuma  Halleri,  mit  Seitentrieb,  der  ein 

Blutenkopfchen  tragt 

fingerhutbliite  mit  8  Kronlappen  und  8 
Staubgefassen 


1879/80 

82/83 
82/83 

82/83 

83/84 

86/87 
89/90 

96/97 
99/1900 


1900/01 
1900/01 

1900/01 


1894/95 
96/97 

98/99 


97  98 
99/1900 

99/1900 

99  1900 


8^9 

14 
14—15 

45 

13-14 

60 
55 

14-15 
108 

11 
126 

126 


13—14 
43 


71 
108 

108 

108 


112 


Bupleurum  rotundifolium  mit  durchwach- 
senen  Blattern 


B.  Wartmann  und  Th.  Schlatter 
Kritische  Ubersicht  iiber  die  Gefass- 

pflanzen  der  Kantone  St.  Gallen  und 

Appenzell 

Eleutheropetalae 

Sympetalae 

Monochlamyde® 

Monocotyledones 

GymnospermsB 

Cryptogam*  vasculares 

Nachtrag 

Inhaltsverzeichnis 

Riesen-Staubpilz 


Essbare  und  giftige  Schwamme  .... 
Falsche  Triiff eln  (Elaphomyees  granulatus) 
Der  Gitterrost  der  Birnbaume 


Eine  eigentumliche  Erkrankung  der  Wein- 
rebe 

Zoologie. 

Ausstellung  von  lebenden  exotischen 
Sing-  und  Ziervogeln 

Ein  Spitzhund  mit  vollig  verkummerten 
Vorderbeinen 

Gartenschlafer  von  Alt-St.  Johann     .    .    . 

Barenschadel  aus  dem  Werdenberg.    .    . 

Elentierskelett  von  Niederwil 

Weisses  Exemplar  von  Mustela  vulgaris  . 

Die  Tabakmaus 

Partieller  Albino  der  Gemse 

Lepus  timidus  X  variabilis 

Sorex  pygmaeus,  Zwergspitzmaus  aus 
Graubunden    

Beitrage  zu  unserer  Vogelfauna 
Ardeacomata,  Albino  vonHirundorustica 


1900/01 


10 


J79/80 

61- 

82/83 

159- 

86/87 

247- 

284- 

393- 

414- 

429 

430- 

72/73 

8 

76/77 

19 

84/85 

14—1 

92/93 

91 

80/81 

11 

81/82 

9 

87/88     i  13—1 


1874/76 


90/91 

51 

91/92 

30 

93/94 

45 

93/94 

46—3 

95/96 

42 

95/96 

42 

97/98 

38 

97/98 

38—^ 

1900/01 


1881/82        42 


27- 


126 


113 


Aquila  clanga,  Circaetus  gallicus,  Corvus 
eorax,  Sterna  nigra,  Colymbus  glacialis 

Milvus  niger,  Anser  Bernicla,  Somateria 
mollissima,  Strix  dasypus,  Pyrrhocorax 
alpinus,  P.  graculus,  Circus  cyaneus, 
Anas  acuta,  Odemia  fusca,  Machetes 
pugnax,  Picus  martius,  P.  tridacty  lus  etc. 

Ardea  purpurea,  Pernis  apivorus,  Anas 
acuta,  Picus  martius,  Tichodroma  mu- 
raria  etc 

Turdus  saxatilis,  Plectrophanes  nivalis, 
Carbo  Cormoranus,  Strix  scops,  Falco 
subbuteo,  Circus  cyaneus,  Nucifraga 
caryocatactes,  Lagopus  alpinus,  Galli- 
nula  porzana 

Calidris  arenaria,  Loxia  leucoptera,  So- 
materia mollissima,  Anas  tadorna, 
Sterna  nigra,  Picus  canus.  Circus  cya- 
neus, Falco  peregrinus 

Tetrao  Urogallus  9>  Tringa  minuta,  Li- 
mosa  aegocephala,  Harelda  glacialis, 
Fuligula  marila,  Mergus  serrator    .    . 

Xumenius  phaBopus,  Anthus  campestris, 
Emberiza  hortulana,  Strix  scops,  Parus 
palustris  var.,  Calidris  arenaria,  Chara- 
drius  hiaticula 

Circus  cineraceus,  Numenius  arquatus, 
Odemia  fusca,  Tichodroma  muraria, 
Fregilus  graculus,  Cucuius  canorus, 
Coracias  garrula 

Tetrao  medius,  Corvus  corone  X  comix, 
Strix  passerina,  Columba  turtur,  Actitis 
hypoleucos,  Numenius  arquatus,  Larus 
minutus,  Anas  penelope,  Picus  martius, 
Fuligula  marila,  Nucifraga  carry oca- 
actes  var.  leptorhyncha 

Podiceps  minor  (Albino),  P.  rubricollis, 
Bombycilla  garrula 

Milvus  ater,  Buteo  vulgaris  var.,  Limosa 
segocephala,  Somateria  mollissima,  La- 
rus tridactylus 


1882/83        39-40 


86/87 


87/88 


88.89 


90,91 


91  92 


92/93 


9394 
94/95 

95  96 


53-56 


51 — 53 


44—46 


89/90        49-51 


54    56 


33—34 


38—39 


48-50 
!  51—52 

45—46 
8 


114 


Falco  rufipes,  Nyctale  Tengmalmi,  Frin- 
gilla   nivalis,   Ardea   minuta,   Cinclus 

aquaticus 

Anas  strepera,  Hirundo  riparia,  Embe- 
riza  cia,  Turdus  torquatus,  Podiceps 
nigricollis,  Mergus  serrator.  Albino  von 
Turdus  viscivorus,  Ardetta  minuta  und 
Corvus  Corone  mit  Kreuzschnabelbil- 

dung 

Erythropus  vespertinus,  Miliaria  europaa, 
Podiceps  rubricollis,  Aquila  f ulva,  Otus 
vulgaris,  Mergus  serrator,  Tringa  al- 

pina  (einbeinig) 

Referat    iiber    die    Ausstellung    lebender 

Vogel  in  der  Reitbahn 

Vipera  Redii  bei  Villigen 

Pelias  berus  im  Obertoggenburg  .... 

„  ,,       von  Weisstannen 

Chelonia  caretta 

Schildkroteneier  (Emys  europaea)  .  .  . 
Vorweisung  zweier  lebender  Axolotl    .    . 

Unsere  Fischerei 

Hecht  von  107,  Wels  von  167  cm  Lange  . 
Regenbogenforelle  (Salmo  irideus)  .  .  . 
Petromyzon  Planeri  von  Uznach  .... 
Esox  lucius,  Chondrostoma  Xasus,   Blicca 

Bjorkna,    Blicca   Bjorkna   X   Leuciscus 

rutilus,  Cottus  gobio 

Ptinus  hololeucus 

Erbsen-Riisselkafer  (Brucbus  Pisi)  .  .  . 
Coloradokafer  (Doryphora  decemlineata)  . 

Bostrychus  dispar 

Callidium   variabile  im  Dachgebalk  eines 

hiesigen  Hauses 

Auftreten  des  Rebenfallkafers  (Eumolpus 

Vitis)  im  Rheintal 

Die  schwarze  Espenblattwespe  (Tenthredo 

nigerrima) 

Catocala  Fraxini    und   Saturn ia    Pyri    im 

Stadtpark 

Springschwanze  (schwarzer  Schnee)     .    . 


1896/97 


97/98 


98/99 


35 


44-47 


54—57 


88/89 
70/71 
70/71 
91/92 
71/72 

10- 

7 

7 

36 

7 

-11 

72/73 

79/80 

5 
5—6 

67/68 

133- 

-16( 

82/83 

41 

94/95 

54 — 55 

95'96 

49 

97/98 

51- 

-52 

75/76 
76,77 

9 
16- 

-17 

77/78 

9 

8889 

12 

89/90 

17- 

-18 

94  95 

9 

77/78 

13 

89/90 
69/70 

17 
4 

115 


Schwarzer  Schnee 

Wanderheuschrecke  im  Kanton  St.  Gallen 
Phylloxera  vastatrix 


Tetranichus  telarius 

Uber  die  Herkunft  der  Eingeweidewurmer 

des  Menschen 

Trichinen  und  Trichinenmikroskop   .    .    . 
Anodonta  cygnea 


Xineralogie  und  Geologie. 


Erratische  Blocke 


Strahlkies  und  hexaedrischer  Eisenkies  aus 
den  Appenzelleralpen 

Physik. 

Demonstrationsmikroskop  von  Leitz  in 
Wetzlar 

Referat  Uber  den  Besuch  des  Billwiller'- 
schen  Elektrizitatswerkes  im  Erlenholz 

Eikursion  nach  dem  Elektrizitatswerk 
Kubel 

Meteorologie. 

Errichtung  von  meteorologischen  Stationen 
im  Kanton  St.  Gallen 

Errichtung  einer  meteorologischen  Saule 
auf  dem  alten  Rathausplatz 

Das  Projekt  der  Errichtung  einer  meteoro- 
logischen Station  auf  dem  Santis  .    .    . 

Pflanzen-    und   Tierwelt   im  Februar 

1867 

St  Gallen 

Flusskorrektionen. 

Referat  uber  die  Besichtigung  der  Rhein- 
korrektionsarbeiten  stidlich  vom  Mon- 
stein 


376/77 

i  16 

74/75 
71/72 
77/78 
75/76 

5 

5 

10    13 

9 

78  79 

12-13 

80/81 
7677 

8—9 
17 

[e. 

69/70 

14 

71/72 
72/73 

29—30 
18—24 

73/74 
7475 

23 
22-24 

88/89 

21 

90/91 


95/96 


98  99 


60.61 


79/80 


6667 


26 


22-23 


17-18 


4—6 


77/78        23—24 


97.98 


14—15 


265-267 


16-18 


116 


Besichtigung  der  Rheinkorrektionsarbeiten 
vom  Monstein  bis  zum  Bodensee  .    .    . 

Landwirtechaft. 

Der  Gitterrost  der  Birnbaurae 


Eine  eigentiimliche  Erkrankung  der  Wein- 
rebe 


1898/99 


80/81 
81/82 

87/88 


19—22 


11 
9 

13—14 


Nekrologe  und  Lebensbilder. 

Pfarrer  Rehsteiner,  Osterr.  botan.  Zeit- 
schrift,  1860,  2.  Heft. 

Dr.  Philipp  Hepp 

Prof.  Karl  Deicke 

Prof.  0.  Bietmann 

Escher  von  der  Linth 

Dr.  Rheiner  -Wetter 

Reallehrer  Vogler 

Dr.  Hungerbiihler 

Guido  v.  Gonzenbach 

Jakob  Wartmann 

Dr.  Karl  Wild 

Prof.  Alexander  Braun 

Albert  Adolf  Wegelin 

Dr.  Aug.  Jaeger 

Dr.  Karl  Stolker 

Heinrich  Szadrowsky 

Dr.  Karl  Wegelin 

Lebrecht  Nageli 

Apotheker  Gustav  Ad.  Scheitlin     .    . 

Ratsherr  Peter  Merian 

Prof.  Osw.  Heer 

Prof.  Delabar 

Prof.  C.  F.  Dalang 

Verwaltungsrat  J.  J.  Vonwiller  .    .    . 
Landammann  Dr.  Tschudi 


1866/67 

11- 

-13 

69/70 

384- 

-402 

69/70 

402- 

-426 

71/72 

37- 

-40 

40- 

-43 

43- 

-44 

44- 

-45 

72/73 

30- 

-32 

32- 

-38 

38- 

-43 

76/77 

37 

37- 

-40 

40- 

-44 

77/78 

33- 

-44 

46- 

-48 

48- 

-55 

81/82 

30- 

-33 

33- 

-36 

82/83 

28- 

-29 

29- 

-32 

83/84 

31- 

-32 

32- 

-33 

84/86 

34 

85/86 

40- 

-42 

117 


Konsul  Labhart-Lutz 

Schulvorsteher  Tobias  Kaufmann  . 

Prof.  Dr.  R.  "Wolf 

Prof.  J.  Jaggi 

Dekan  Georg  Kaspar  Zollikofer 

Dr.  E.  Stizenberger 

Karl  Haase . 

Prof.  Dr.  Ludwig  Rutimeyer    .    .    . 

Th.  A.  Bruhin 

Dr.  Jakob  Lanter 

Dr.  0.  Fraas 

Reallehrer  Meli 

J.  Bhiner,  Philolog  und  Botaniker 

Architekt  Kunkler-Merz 

Prof.  Chr.  Briigger 

Apotheker  Ludwig  Leiner  .... 
Dr.  Jos.  B.  Jack 


1886/87 
93/94 
9495 

96/96 

96/97 
97/98    : 


98/99 
1900/01 


37-41 

42—45 

34—35 

35—38 

31-35 

35—39 

39-43 

33 

34 

24—25 

26—27 

27-30 

30-32 

35-38 

38—46 

29-32 

32—35 


!    97 


Naturhlstorlsches  Museum  und  Parkanlagen. 
a)  Entwicklung  der  naturhistorischen  Sammlungen. 
B.  Wartmann. 
Bericht  60-61  pag.    9—10;  Bericht  61—62  pag.     7 


63—64 

* 

10—12; 

65-66 

*> 

12; 

67—68 

n 

13—15; 

69—70 

7) 

23-25; 

71-72 

i* 

46-50; 

73—74 

n 

35—41; 

75—76 

» 

32—40; 

77—78 

n 

66-67; 

79-80 

.. 

33—46; 

81-82 

V 

38—50; 

83—84 

r> 

38—48; 

85—86 

j« 

46—60; 

87—88 

V 

47-64; 

64—65 
66-67 


10- 
15- 


68—69  -  21- 


7u— 71 
72-73 

74-75 
76-77 
78—79 
80-81 
82—83 
84-85 
86-87 
88—89 


30— 
47- 
42- 
50- 
37- 
34- 
35- 
38- 
49— 
39- 


—8: 

ii; 

■17; 
24; 
33; 
51; 
50; 
61: 
49; 
45; 
48: 
51; 
65; 
58; 


118 


Bericht  89— 90  pag.  44—61; 

Bericht  90— 91  pag.  49- 

91-92     „     27—46 

,       ,         92—93     „   30- 

93—94     „     42-61 

,        94-96     „    46— 

96-96     n     40-68 

„         96—97     „    29— 

„        97—98     „     36—63 

98—99     „   50— 

„       99-1900  „     33—58- 

„       1900—01  ,    38- 

b)  Geb&ude  fOr  die  wissenschafl lichen  Sammlungen. 
B.  Wartmann. 
Bericht  68-69  pag.  24;  Bericht  69—70  pag.  22- 


n 

70—71 

n 

29-30 

;       „         71-72     „ 

51— 

n 

72-73 

n 

51-63 

,       „         73-74     .    41- 

7) 

74—75 

n 

60; 

75-76     „    40- 

n 

76—77 

n 

49—50 

;       „         77-78     „    67- 

n 

79—80 

n 

46. 

c)  Parkanlagen.*) 

Bericht 

77—78  ] 

pag 

.  69—70; 

Bericht  7 

'8—79  pag.  49- 

n 

79-80 

n 

46—60 

,,         80—81     r    45— 

n 

81-82 

n 

60—53 

,        82—83     „    48- 

n 

83—84 

fl 

49—52 

„        84—85     „   51- 

•n 

85—86 

V 

60—63 

,        86—87     „    65— 

n 

87—88 

n 

64-67 

;       „         88-89     „    58— 

71 

89-90 

n 

61—66 

.,         90—91     „    66— 

n 

91-92 

n 

46—53 

,       B         92—93     „    61— 

r> 

93-94 

n 

61—71 

,       ,         94—96     n    65— 

71 

95—96 

n 

58—67 

,         96-97     „    47- 

}) 

97—98 

n 

63—76 

,       B         98—99     „    78— 

n 

99—1900 

n 

58-67 

,       „       1900—01  „    67— 

Rede 

n  etc. 

Eroffnungsrede, 

gehalten  air 

i  fiinfzig- 

jahrig 

;en  Jubilaum 

(5.  und  < 

3.  August 

1869) 

1868/69 

1—3 

*)  Von  1891—1892  an  wurden  bei  den  Referaten  nicht  b 
die  botanischen  Anlagen  berucksichtigt,  sondern  auch  die 
wohner  der  Voliere  und  des  Parkweihers. 


119 

Keferat  tiber  die  Feier  des  70jahrigen  Be-  I 
standes  der  Gesellschaft '    1888  89 

Feier  des  80jahrigen  Bestandes  der  Gesell- 
schaft (Geburtstaglied  von  J.  B.  Griitter)        98/99 

Varia. 


25    27 
22—26 


St.  Gallens  Naturalienkabinett,  geschildert  von  Prof. 
Dr.  B.  Wartmann.    St.  Gallen  1863,  25  S.  4°. 

Katalog  der  auslandischen  Zier-  und  Singvogel. 
30  S.    St.  Gallen  1875.     Zollikofer'sche  Buchdruckerei. 

Systematische  Ubersicht  iiber  die  Mitteilungen  in  den 
40 von  1860 — lDOOerschienenen  „Berichtena.  Zusammen- 
gestellt  von  Chr.  Walkmeister  und  Dr.  B.  Wartmann. 
Bericht  der Naturwissenschaftlichen  Gesellschaft  1898/99. 
Seite  306—353. 

Katalog  der  Lehrmittel-Ausstellung  in  St.  Gallen 
bei  Anlass  des  schweiz.  Lehrervereins.  Oktober  1867. 
104  S.    St.  Gallen,  Zollikofer'sche  Buchdruckerei. 

Leitfaden  zum  Unterricht  in  der  Naturgeschichte. 
Fur  hohere  Volksschulen,  untere  Gymnasien,  Sekundar- 
und  Realschulen.  St.  Gallen,  Verlag  von  Huber  &  Cie. 
E.  Fehr).  1.  Auflage  1839,  herausgegeben  von  Jak. Wart- 
mann, Lehrer  der  Naturgeschichte.  7. — 11.  Aufl.  (1900) 
besorgt  von  Prof.  Dr.  B.  Wartmann. 

Saturkalender.  In  „Ziiricher  Post",  1879:  30.  Sept., 
U.  Okt.;  1880:  22.-27.  Mai,  17.  Juni. 

Ehrungen  Wartmanns. 
A.ZuseinenEhrenbenannte  botanische  und  zoologische  Spezies: 

Tolypothrix  Wartmanniana  Rab.  in  Rabenhorst, 
Algen  Europa8,  Nr.  769. 

Rhamnus  Wartmanni  spec,  nova  (in  Robert  Keller, 
Beitrage  zur  Tertiarflora  des  Kantons  St.  Gallen,  III.  Mit- 
teilung.  Bericht  der  Naturwissenschaftlichen  Gesellschaft 
St.  Gallen  1894/95,  pag.  318). 


120 


Annuraea  stipitata  E,  var.  Wartmanni  [Rota- 
toria] (siehe  Asper  und  Heuscher:  „Zur  Naturgeschichte 
der  Alpenseen,  II. a  im  Jahrbuch  der  Naturwissenschaft- 
lichen  Gesellschaft  St.  Gallon  1887/88,  pag.  257). 

EhrenmJtglied: 

1.  Zurcher  Naturforschende  Gesellschaft. 

2.  Naturforschonde  Gesellschaft  Graubiindens. 

3.  Schweizerischer  Apothekerverein. 

4.  La  Society  de  Physique  et  d'Histoire  naturelle  de 
Geneve. 

5.  Pollichia,  naturwissenschaftlicher  Verein  der  bay- 
rischen  Rheinpfalz. 

6.  Lesegesellschaft  ^Biisch"  St.  Gallen. 

7.  Ornithologischer  Verein  St.  Gallen. 

8.  Handwerkergesellschaft  St.  Gallen. 

9.  Allgemeiner  Arbeiterbildungsverein  St.  Gallen. 

C.  Korrespondierendes  Mitglied: 

1.  Wetterauische  Gesellschaft  fiir  die  gesamte  Natur- 
kunde. 

2.  K.k.geologischeReiehsanstaltWienfKorrespondent). 

3.  Schlesische  Gesellschaft  fiir  vaterlandische  Kultur. 

D.  Auswartiges  Mitglied: 

Ostpreuss.  physikalisch-okonoraische  Gesellschaft  zu 
Konigsberg. 

Vorzeichnis  derjenitren  Al^en, 

welche  in  Rabenhorsts  Exsiccatenwerk  rDie  Algen 

Europas"  (1873)  den  Autornamen  Wartmann  tragen. 

Aphanothece  Nagelii  Wartm No.   1093 

Chroococcus  turgidus  var.  rufescens  Wartm.  .  „       631 

Cymbella  variabilis  Wartm „       803 

Encyonema  maximus  Wartm „     1248 

Ej>ithemia  Rabcnhorsti  Wartm „     1088 


121 


Epithemia  Zebra  var.  intermedia  Wartm.  .     .  No.  1089 

Glceocapsa  dubia  Wartm r  1092 

„            saxicola  Wartm „  813 

Hydruru8  subramosus  Wartm „  1094 

Xostoc  irregulare  Wartm „  1091 

Phormidium  versicolor  Wartm „  1090 

Ulothrix  thermarum  Wartm „  665 


Jahresbericht 

fiber  das  Vereinsjahr  vom  i.  Juli  190 1  bis  30.  Juni  1902 

erstattet  an  der 

Hauptversammlung  vom  IS.  November  1902 

von 

Dr.  G.  AmbQhl. 


Kurz  vor  Ablauf  des  ruhig  und  gleichmassig  fort- 
schreitenden  83.  Vereinsjahres  erlitt  das  Gesellschaftsleben 
einen  jahen  Unterbmch. 

Am  5.  Juni  1902  begleiteten  wir  die  sterbliche  Hiille 
unseres  Prasidenten,  Professor  und  Direktor  Dr.  B.  Wart- 
mann,  zu  Grabe,  der  am  3.  Juni  nach  kurzer  Krankheit 
aus  dem  Leben  geschieden  war.  Wir  gedenken  auch  an 
dieser  Stelle  in  dankbarer  Anerkennung  der  grossen  Ver- 
dienste,  die  sich  der  Verstorbene  um  alle  naturwissen- 
schaftlichen  Bestrebungen  seiner  engern  und  weitern 
Heimat,  als  Lehrer  der  Jugend,  als  Berater  und  Freund 
der  Studierenden ,  als  Griinder,  AeufFner  und  Ordner 
unseres  Museums,  als  fleissiger  und  erfolgreicherbotanischer 
Forscher,  als  begeistertes  und  anregendes  Mitglied  unserer 
Gesellschaft  und  als  ihr  treuer  Fuhrer  wahrend  34  Jahren, 
ein  ganzes  Menschenalter  hindurck,  erworben  hat. 

Es  wird  Aufgabe  der  Feder  eines  ihm  wahrend  seiner 
letzten  Lebensjahre  beruflich  nahe  gestandenen  jiingern 
Mitarbeiters  sein,  fiir  unser  nachstes  Jahrbuch  ein  voll- 
standiges  Lebensbild  des  Verblichenen  zu  entwerfen,  das 
uns  noch  einmal  alles  das  in  Erinnerung  rufen  wird,  was 


123 


Wartmann  w&hrend  eines  langen,  mit  Gesundheit,  Arbeits- 
kraft,  Arbeitsfreudigkeit  und  reichen  Erfolgen  gesegneten 
Lebens  fur  seine  Mitmenschen  geleistet  hat. 

Sein  Hinschied  bedeutet  fur  unsere  Gesellschaft  einen 
schweren,  in  seiner  Einheit  kaum  jemals  zu  ersetzenden 
Yerlust.  Sein  geistiges  Erbe  wird  auf  eine  Mehrzahl  seiner 
jungern  Freunde  und  Schtiler  iibergehen,  von  denen  jeder 
einen  Teil  der  Last  auf  sich  nimmt,  die  vordem  seine 
markige  Gestalt  allein  getragen  hat.  Wir  haben  an  seinem 
Sarge,  alle  seine  vielen  Verehrer,  Freunde  und  Schiller, 
das  feierliche  Gelobnis  abgelegt,  dass  wir  das  uns  anver- 
traute  Erbe,  die  St.  Gallische  Naturwissenschaftliche  Ge- 
sellschaft, in  seinem  Sinn  hegen  und  pflegen,  weiterfuhren 
und  ausbauen  wollen,  jeder  an  seiner  Stelle  und  soviel  er 
mit  seinen  schwachen  Kraften  vermag.  An  dieses  Gelob- 
nis wollen  wir  uns  gegenseitig  erinnern,  die  wir  heute 
zum  erstenmal  ohne  unsern  altgewohnten,  schneidigen 
Fuhrer  und  Prasidenten  zur  Jahresversammlung  beisam- 
men  sind. 

Die  tiefe  Lucke,  die  Wartmanns  Hinschied  in  unsere 
Gesellschaft  gerissen  hat,  macht  sich  bereits  in  der  Art 
der  heutigen  Berichterstattung  geltend.  Es  war  ihm  am 
7.  Dezember  1901,  zum  letzten  Mai  in  einer  Reihe  von 
Jahren,  ein  mit  grosser  Miihe  erkauftes  Vergniigen,  seiner 
heben  Gesellschaft  den  sorgfaltig  gearbeiteten  gedruckten 
Jahresbericht  vorzulegen,  der  die  Mitglieder  eingehend 
mit  alien  Lebensmomenten  unserer  Vereinigung  wahrend 
des  abgelaufenen  Zeitabschnittes,  aber  auch  mit  dem 
Wachstum  des  ihm  unterstellten  Museums  und  des  Werdens 
und  Wachsens  seiner  Lieblinge  im  Stadtparke  bekannt 
machte.  Das  wird  in  nachster  Zukunft  in  gleicher  Weise 
kaum  mehr  geschehen  konnen,  da  nur  ein  Wartmann  alle 


124 


diese  Aufgaben  in  einer  Person  vereinigen  konnte. 
An  Stelle  der  Einheit  ist  die  Arbeitsteilung  getreten:  der 
Interims-Prasident  bietet  der  Gesellschaft  einen  sehr  sum- 
marisch  gehaltenen  Bericht  iiber  das  abgelaufene  Arbeits- 
jahr;  aus  der  Feder  des  protokollierenden  Aktuars  er- 
warten  wir  eine  gedrangte  Ubersicht  der  gehaltenen  Vor- 
trage  als  selbstandigen  Teil  des  nachsten  Jahrbuches  und 
der  im  Museum  an  Wartmanns  Stelle  amtierende  Konser- 
vator  wird  seinen  Amtsbericht  ebenfalls  dem  Jahrbuch 
einverleiben.  Von  einer  doppelten  Drucklegung  dieser 
drei  Teilberichte  will  Ihre  Kommission  fur  die  nachste 
Zeit  absehen ;  dagegen  wird  sie  bestrebt  sein,  jeweilen  auf 
den  Tag  der  Hauptversammlung  wie  heute  ein  neues  Jahr- 
buch prasentieren  zu  konnen. 

Als  letzten  Gruss  des  verstorbenen  Prasidenten,  von 
seiner  Hand  beinahe  vollstandig  zusammengestellt  und 
redigiert,  iiberreichen  wir  heute  den  an wesenden  Mitgliedern 
das  Jahrbuch  fur  das  Vereinsjahr  1900/01.  Sein  Mitarbeiter, 
Herr  Konservator  E.  Bachler,  hat  sich  durch  die  Fertig- 
stellung  und  Herausgabe  des  nach  unserer  Ansicht  sich 
wurdig  an  seine  Vorganger  anreihenden  Bandes  um  unsere 
Gesellschaft  verdient  gemacht. 

Von  der  Wand  herunter  blickt  heute  das  Bild  des 
verstorbenen  Prasidenten,  so  wie  er  in  unser  aller  Er- 
innerung  lebt,  als  weisslockiger  Greis  mit  energischen, 
aber  wohlwollenden  Ziigen,  auf  die  Schar  seiner  Getreuen 
hernieder;  es  wird  spater  als  Geschenk  unserer  Gesell- 
schaft die  Raume  zieren,  in  denen  er  einen  Grossteil  seines 
Lebens  dem  Studium  der  belebten  Natur  gewidmet  hat. 

Indem  wir  noch  dem  tief  empfundenen  Wunsch  Aus- 
druck  verleihen,  dass  sein  Geist,  seine  Ideale  und  seine 
Opferfreudigkeit  in  unserer  Gesellschaft  fortleben  mogenT 


125 


nehmen  wir  Abschied  von  unserm  verehrten  Freund  und 
Prasidenten  und  rollen  noch  ein  gedrangtes  Bild  dessen 
auf,  was  unter  seiner  Fuhrung  im  Vereinsjahr  1901/02 
getan  worden  ist. 

Die  Haupttatigkeit  unserer  Gesellschaft  liegt  in  der 
Yeranstaltung  von  Zusammenklinften  zur  Anhorung  teils 
wissenschaftlicher,  teils  mehr  volkstumlicher  Vortrage 
seitens  der  eigenen,  hiezu  berufenen  Mitglieder,  oder 
Mannern  der  Wissenschaft  von  den  benachbarten  Hoch- 
schulen.  An  14  iiber  das  Jahr  zerstreuten  Abenden  ver- 
sammelten  wir  uns  in  kleinerer  oder  grosserer  Anzahl, 
von  26  Mann  am  9.  Mai  1902  bis  zur  stattlichen  Ge- 
meinde  von  iiber  200  am  25.  Marz,  als  Prof.  Dr.  Mooser 
uber  die  Kometen  sprach,  und  einer  ebenso  grossen  Teil- 
nehmerzahl  am  28.  Januar  1902,  als  am  83.  Gedenktag 
der  Gnindung  unserer  Gesellschaft.  Im  Mittel  besuchten 
jeweilen  76  Mitglieder  diese  Anlasse  zur  Unterhaltung  und 
zur  Bereicherung  ihrer  naturwissenschaftlichen  Kenntnisse. 
Was  wir  ihnen  aus  den  verschiedenen  Gebieten  der  Natur- 
kenntnis  bieten  konnten,  ersehen  wir  aus  der  nachstehen- 
den  Aufzahlung  der  gehaltenen  Vortrage  und  Demon- 
strationen7  nach  den  einzelnen  Disziplinen  geordnet: 

1.  Physik. 

Prof.  Dr.  Kopp:   Die  gebrauchlichen  Method  en  zur  Be- 
stimmung  des  Heizwertes  verschiedener  Brennmaterialien. 

2.  Chemle. 

Dr.  J.  Werder:   tJber  das  Goldschmid^sche  Verfahren 

zur  Erzeugung  hoher  Temperaturen. 
Dr.  Arthur  Hausmann:  Die  Rolle  des  Fettes  im  Haus- 

halte  der  Natur. 


126 


3.  Astronomic 

Prof.  Dr.  Mooser:  Uber  die  Kometen. 

Konservator  E.  Bachler:  Ein  Meteorstein  aus  dem  Sudan. 

4.  Geographic 

Dr.  J.  J.  David  aus  Basel:  Eine  Reise  im  agyptischen 

Sudan  und  in  Aquatoria. 
Dr.  Leo  Wehrli  aus  Zurich:  Altes  und  Neues  aus  Siid- 

amerika. 

5.  Zoologic 

Med.  Dr.  E.  Fischer  aus  Zurich:  Naturliche  und  kiinst- 
liche  Umformung  der  Lebewesen.  Im  Jahrbuch  er- 
schienen. 

Prof.  Dr.  C.  Keller  aus  Zurich:  Die  antike  Kunst  im 
Dienste  der  Zoologie. 

Dr.  B.  Wartmann:    Demonstrationen : 

a)  Steinsperling,   Schneehuhn   im  Sommerkleid,    Eider- 
gans,  Albino  von  Podiceps  cristatus  vom  Bodensee. 

b)  Nachbildung  eines  Moa-Eies. 
Kessler-Steiger,-  Handelsgartner:  Demonstrationen  aus 

seinem  Vivarium;  Flussschildkrote,  Waran-Eidechse, 
Scheltopusik,  Katzennatter  und  Chamaeleon. 
Konservator  E.  Bachler:  Demonstrationen  aus  dem 
Museum:  Hornviper  und  Nashornviper,  Chelys  fimbriata, 
Mata-Mata-Schildkrote  und  Arran-Schildkrote  (Podoc- 
nemis  expansa),  beide  Schildkroten  Geschenke  des  Herrn 
Dr.  Goldi  in  Para ;  Molchfisch  (Protoptans  annectus). 

6.  Botanik. 

Dr.  Adolf  Dreyer:  Uber  den  Russtau  (Capnodium  sali- 

cinum).     Im  Jahrbuch  erschienen. 
H.  Schmid,  Reallehrer:  Uber  die  Flora  der  Torfmoore. 

Im  Jahrbuch  erschienen. 


127 


F.  Hahn,  Gartner:  Demonstrationen:  Olweide  (Elaeagnus 
edulis),  Trifolium  pratense  mit  abnormen  Bliiten. 

Dr.  B.  Wartmann:  Demonstration  von  uberwinterten 
Sprossen  der  Utricularia  intermedia. 

M.  Wild,  Forstverwalter:  Die  Aste  des  Baumes. 

7.  Mineralogie. 
Konservator    E.   Bachler:    Demonstrationen    aus    dem 
Museum : 

a)  Schweizerische  Vorkommen  von  Fuchsit  und  Arra- 
gonit. 

b)  Kalk-Inkrustation  eines  Nadelholzzweiges   aus   dem 
Eisenbahntunnel  bei  Walenstadt. 

8.  Geologic. 
Konservator    E.   Bachler:    1.   Uber  Vulkane.      2.    Das 

Vulkangebiet  des  Hegaus. 
J.  U.  Friih,  Lehrer:  Der  geologische  Bau  des  Rigi. 

9.  Hygiene  und  Xedizln. 

Dr.  Richard  Zollikofer:  Meteorologie  und  Influenza. 

10.  Land-  und  Forstwirtschaft. 

M.  Wild,  Forstverwalter:  1.  Uber  das  Eichhornchen  in 
Wald  und  Feld.    2.  Nasse  Wiesen  und  Walder. 

Nahere  Wiirdigung  und  Beleuchtung  dieses  mannig- 
faltigen  Vortragsstoffes  werden  wir  dem  nachfolgenden 
Aktuariatsbericht  entnehmen  konnen. 

Allen  Lektoren  und  Referenten,  die  sich  an  diesem 
Zweige  unserer  Vereinstatigkeit  aktiv  beteiligt  haben,  sei 
hiemit  im  Namen  der  Gesellschaft  herzlicher  Dank  aus- 
gesprochen.  Wir  appellieren  auch  fur  die  Zukunft  an  ihre 
Mitarbeit,  an  die  sich  eine  ganze  Schar  heranreifendor 
jungerer  Krafte  anschliessen  moge. 


128 


Dem  Grundsatze  getreu,  dass  wir  auch  die  lebendige 
Natur  selbst  zu  uns  sprechen  lassen  sollen,  fuhr  am  29.  Juni 
1902,  einem  schonen,  duftigen  Sonntag-Morgen,  em  Fahn- 
lein  von  40  Mann  uber  Winterthur  und  Schaffhausen  nach 
Singen  am  Fusse  des  Hohentwiel,  urn  sodann  unter  Fiih- 
rung  des  Herrn  Konservator  E.  Bachler  die  geologischen 
Erscheinungen  andiesem  uralten,  sagenumwobenen  Vulkan- 
kegel  in  Augenschein  zu  nehmen.  Es  war  eine  wohlge- 
lungene  Exkursion,  die  alien  Teilnehmern  Naturgenuss 
und  Anregung  in  Fulle  einbrachte  und  uns  bestarkte  in 
der  Absicht,  Jahr  fur  Jalir  kleinere  und  grossere  solcher 
Wanderfahrten  zu  arrangieren,  damit  wir  allmahlich  die 
Natur  unseres  engern  Vaterlandes  und  seiner  nachsten 
Umgebung  so  recht  von  Grund  aus  kennen  lernen. 

Ausser  an  diesem  Ausflug  kam  die  Geselligkeit 
in  unsern  Reihen  zur  Geltung  an  der  Hauptversammlung 
vom  7.  Dezember  1901  und  an  der  Stiftungsfeier  vom 
28.  Januar  1902,  die  in  altgewohnter,  einfacher,  aber  ge- 
inutlicher  Art  bei  Festreden  und  musikalischen  Geniissen 
ihren  frohlichen  Verlauf  nahmen  und  wiederum  dazu  bei- 
trugen,  die  Bande  der  Freundschaft  und  des  eintrachtigen 
Zusammenwirkens  auf  dem  neutralen  Boden  der  Natur- 
wissenschaft  enger  zu  kniipfen.  Es  war  ein  eigenartiges, 
in  der  Erinnerung  wehmiitig  stimmendes  Motiv,  als  wir 
am  7.  Dezember  nachts  beim  zwolften  Stundenschlage 
unserem  Prasidenten  den  Gliickwunsch  zum  soeben  an- 
gebrochenen  71.  Geburtstage  darbrachten.  Wer  hatte  da- 
mals  geahnt,  dass  der  so  riistige  und  geistesfrische  Mann 
libers  Jahr  nicht  mehr  unter  uns  weilen  sollte! 

Ein  weiterer  Hauptzweig  unserer  Vereinsaufgabe  be- 
steht  in  der  Verbreitung  naturwissenschaftlicher  Kenntnisse 
durch  die  Zirkulation  von  Zeitschriften  und  abgeschlossenen 


129 


neuen  Werken  unter  den  Mitgliedern.  Wir  diirfen  die  Tat- 
sache  mit  Genugtuung  regis trieren,  dass  unsere  Gesell- 
schaft  ein  ungemein  reichhaltiges  Material,  teils  streng 
wissenschaftlicher,  teils  mehr  popularer  Natur  unter  ihre 
llitglieder  bringt.  Es  waren  im  Berichtsjahr  19  wissen- 
schaftliche  und  28  populare  Zeitschriften,  die  in  80  Exem- 
plaren  in  den  Mappen  zirkulierten,  nebst  einer  Reihe  kleiner 
Bticher  und  Einzellieferungen  grosserer  Werke. 

Unter  der  Obhut   und  Registratur   unseres  fleissigen 

Bibliothekars  nahm  diese  Mappenzirkulation  ihren  regel- 

rechten  Gang,  ohne  allzu  grosse  Reibung  und  ohne  arge 

Yerstflsse  der  Mitglieder  gegen  die  Satzungen  des  Zeit- 

schriften-Reglementes.    Ein  Beweis  hiefiir  ist  die  minime 

Summe  von  Pr.  5.90  an  Lesebusson  der  stadtischen  und 

Fr.  12.10  an  Lesebussen  der  auswartigen  Mitglieder.  Wenn 

es  auch  nicht  moglich  ist,  dass  dem  Wunsche  jedes  ein- 

zelnen  Mitgliedes  beziiglich  seiner  Einreihung  in  die  Zir- 

kulationslisten  entsprochen  werden  kann,  so  bestrebt  sich 

der  Bibliothekar  doch  stets,  berechtigten  Wtinschen  nach 

Moglichkeit  nachzukommen.  Wir  mochten  an  dieser  Stelle 

namentlich  darauf  hinweisen,  dass  wir  solchen  unter  unsern 

Mitgliedern,  welche  eine  wissenschaftliche  Zeitschrift  so- 

fort  nach  ihrem  Erscheinen   fiir  ihre  Studien   benotigen, 

dieselbe  bereitwilligst  fiir  einige  Tage  zustellen,  bevor  sie 

in  die  Zirkulation  geht;  ebenso  geme  wird  die  Kommission 

Gesuche  entgegennehmen,   neue  Erscheinungen  auf  dem 

Buchermarkte,  die  den  Studien  einzelner  Mitglieder  dien- 

lich  sind,  entweder  ganz  oder  teilweise  auf  Vereinskosten 

anzuschafien,  wenn  solche  Bucher  spater  auf  der  Stadt- 

bibliothek  auch  andern  Mitgliedern  von  Vorteil  sein  konnen. 

Das  letzte   Jahrbuch   in   einer   langen  Reihe,    die 

vom  verstorbenen  Pr&sidenten  Wartmann   als   Redaktor 

9 


130 


signiert  sind,  hat  in  den  letzten  Tagen  seine  Fahrt  zu 
den  auswartigen  Mitgliedern  angetreten  und  wird  heute 
den  anwesenden  stadtischen  Mitgliedern  iibergeben. 

Die  erste  Seite  tragt  Trauer  um  denjenigen,  der  sich 
unendlich  um  die  Sammlung  der  einzelnen  Beitrage  ge- 
muht,  sie  geordnet  und  an  manche  unter  ihnen  die  letzte 
glattende  und  ausgleichende  Feile  angelegt  hat.  Das  Jahr- 
buch  bildet  den  Abschluss  der  schriftstellerischen  Tatig- 
keit  des  verdienten  Mannes  und  eine  unvergangliche  Er- 
innerung  an  ihn. 

Allen  Mitgliedern  und  Freunden,  die  sich  mit  Bei- 
tragen  beteiligt  haben,  speziell  den  Herren  Apotheker 
C.  Rehsteiner,  Reallehrer  H.  Schmid,  Reallehrer  Dr.  A. 
Dreyer,  Max  Taschler,  Photograph,  Prof.  Dr.  Bigler  und 
Dr.  E.  Fischer  in  Zurich  entbieten  wir  hiemit  den  besten 
Dank  der  Gesellschaft !  Schon  sind  wir  wieder  mit  der 
Sammlung  von  Beitragen  fur  eine  nachste  Ausgabe  be- 
schaftigt  und  bentitzen  gerne  den  Anlass,  unsere  alteren 
und  speziell  auch  unsere  jungern,  heranwachsenden  Natur- 
forscher  zu  ersuchen,  die  Resultate  eigener  Studien,  soweit 
sie  namentlich  unser  Vereinsgebiet,  die  Kantone  St.  Gallen 
und  Appenzell  betreffen,  unserm  eigenen  Publikations- 
organ,  dem  Jahrbuch,  zuwenden  zu  w611en,  damit  ihm 
auch  in  der  Folge  sein  wissenschaftliches  Ansehen  im  In- 
und  Auslande  gewahrt  bleiben  moge. 

Das  Jahrbuch  vermittelt  unsern  regen  Tausch- 
verkehr  mit  den  auswartigen  Gesellschaften 
gleichen  Strebens.  Ihre  Zahl  hat  sich  wieder  um  zwei 
vermehrt  und  belief  sich  im  Berichtsjahr  auf  202,  deren 
Sendungen  uns  Briefmarken  fast  aller  Herren  Lander  ein- 
bringen  und  der  Stadtbibliothek  neben  zahlreichen  Schriften 
von  lokalem  und  ephemerem  Wert  auch  bedeutende  wissen- 


131 


schaftliche  Werke  zuftihren.  Unter  den  Biichergeschenken, 

die  uns  seitens  auswartiger  Freunde  und  Gonner  zuteil  wur- 

den?  heben  wir  besonders  das  f arbenprachtige  Werk  liber  slid 

amerikanische  Vogel  des  Herrn  Direktor  Goldi  in  Para  und 

das  Beisewerk  unsereszweiten  Landsmanns  A.  Kaiser  hervor. 

Zum  Rechnungswesen  unserer  Gesellschaft  uber- 

gehend,    konstatieren  wir  mit   Befiiedigung,    dass   unser 

getreuer  Geldverwalter  seine  Rechnung  nicht  mit  einem 

Defizit,  sondern  mit  einem  faktischen  Pius  von  Fr.  490.20 

abschliessen  konnte.    Allerdings  haben  die  regelmassigen 

Einnahmen  nicht  gemigt,  samtliche  Ausgaben  zu  bestreiten 

und  musste  hiefiir  auch  ein  Teil  des  Kapitalzinses  Ver- 

wendung   finden.     Wir  verdanken   der  angstlich   soliden 

Finanzgebarung    unseres    verstorbenen    Prasidenten    den 

Inhalt  eines  ^wahrschaften  Sparhafensu,  der  uns  jetzt  mit- 

hilft,   Vereinsaufgaben    zu    losen,    denen    friiher    unsere 

Finanzkraft  nicht  gewachsen  war ;  wir  konnen  gegeniiber 

friiher  das  Jahrbuch  reicher  ausstatten,  gelegentlich  jungen 

Forschern   behulflich  sein,    fur  sie  unerschwinglich   hohe 

Druckkosten  mitzutragen,  oder  ihnen  Lokalstudien  zu  er- 

moglichen,  die  grossere  Reiseauslagen  erheischen.    Auch 

hiefiir  wollen  wir  unserm  geschiedenen  Freund  und  Fiihrer 

dankbar  sein  und  seine  Lehren  auch  in  der  Zukunft  be- 

herzigen.  Jetzt  erst  versteht  der  Berichterstatter  die  Wart- 

mann'sche  Tendenz  so  recht,  der  Gesellschaft  immer  zahl- 

reichere  Mitglieder   zu  werben;   mit  dieser  quantitativen 

Ausdehnung  wird  nicht  bloss   den  idealen  Zwecken   der 

Gesellschaft  gedient,  sondern  sie  gewinnt  auch  vermehrte 

Finanzkraft,  ohne  welche  selbst  den  idealsten  Regungen 

die  Schwingen  gelahmt  sind;  sie  gewinnt  die  Mittel,  einem 

Teil  ihrer  Aufgabe,   der  Durchforschung   des  Vereinsge- 

8,  in  vermehrtem  Masse  gerecht  werden  zu  konnen. 


132 


Neben  den  verdankenswerten  and  uns  hochst  will- 
kommenen  Subventionen  der  kantonalenRegierung  (Fr.  300> 
des  Verwaltungsrates  der  Stadt  St.  Gallen  (Fr.  600)  und 
des  Kaufmannischen  Direktoriums  (Fr.  400)  sind  es  die 
Beitrage  der  Mitglieder,  die  mit  Fr.  6065. —  den 
Hauptteil  unserer  Einnahmen  ausmachen.  Jedes  Hundert 
neuer  Mitglieder  bringt  uns  nicht  nur  die  willkommene 
Vermehrung  unserer  Mitarbeiter,  Mitleser  und  Zuhorer, 
sondern  auch  bare  tausend  Franken  Beitrage,  wenn  es 
„Stadtlertf,  oder  wenigstens  funfhundert  Franken,  wenn 
es  Landleute  sind.  Es  ergibt  sich  aus  diesem  Satz,  den 
auch  ein  anderer  geschrieben  haben  konnte,  wie  eine  An- 
schauung  gelegentlich  an  Orten  Schule  macht,  wo  man  sie 
friiher  kaum  erwartet  hatte! 

Die  Erkenntnis,  dass  die  Finanzkraft  unserer  G-esell- 
schaft  im  direkten  Verhaltnis  zu  ihrer  Mitgliederzahl  steht, 
leitet  uns  logischerweise  zum  Personalbestand  hiniiber. 

Eine  Gresellschaft  mit  einem  Bestande  von  iiber  700 
Mitgliedern  erwachsenen,  zum  Teil  stillstehenden,  zum  Teil 
betagten  Alters,  ist  keinen  Tag  sicher,  Verluste  durch  den 
Tod,  durch  Austritte  infolge  Alters,  Krankheit,  geschaft- 
liche  oder  berufliche  Anderung  oder  Wegzug  zu  erleiden. 
Das  ist  denn  auch  im  Berichtsjahr  bei  uns  in  Mehrzahl 
eingetroffen.  Wir  haben  durch  den  Tod  die  folgenden 
Mitglieder  verloren,  deren  wir  heute  ehrend  gedenken 
wollen : 

i.  Ehrenmitglieder. 
Prof.  Dr.  Cramer,  Zurich. 
Prof.  Wolfgang,  Metz. 

2.  Ordentliche  Mitglieder. 
Jack,  Apotheker,  Konstanz. 
Wirth-Sand,  Prasident  der  V.S.B.,  St.  Gallen. 


133 


Miiller,  Gemeindeammann,  St.  Gallen. 
Wanner,  Stefan,  Prof.,  Zurich. 
Friih,  J.  U.,  Lehrer,  St.  Gallen. 
Gachter,  Simon,  Lehrer,  Riithi. 
Hosii,  Dekorationsmaler,  Azmoos. 
Kaiser,  Flavian,  Reallehrer,  Ragaz. 
Dr.  Gsell,  Robert,  Bezirksammann,  St.  Gallen. 
Ruffini,  Subdirektor  der  Helvetia,  St.  Gallen. 
Dr.  Wartmann,  Bernhard,  Professor  und  Museumsdirektor, 
St.  Gallen. 

Das  Andenken  aller  dieser  dahingegangenen  Mitglieder 
bleibe  unter  uns  in  Ehren  und  im  Segen! 

Aus  irgend  einem  def  angefuhrten  moglichen  Griinde 
sind  ferner  22  Mitglieder  aus  unserem  Verbande  ausge- 
schieden,  so  dass  sich  der  Gesamtverlust  auf  35  Mitglieder 
stellt.  Dem  gegeniiber  steht  aber  ein  Zuwachs  von  41 
neu  aufgenommenen  Mitgliedern,  so  dass  wir  uns  am 
Schlusse  des  Berichtsjahres  (30.  Juni  1902)  einer  Ver- 
mehrung  um  6  Mitglieder  und  eines  Personalbestandes 
von  731  Mitgliedern  erfreuen  durften. 

Die  Tatsache,  dass  der  Bestand  heute,  am  Tage  der 
Berichterstattung,  4  Mann  weniger  ausmacht,  soil  uns  um 
so  mehr  anspornen,  der  riieklaufigen  Tendenz  zu  begegnen 
und  in  alien  Kreisen  der  Bevolkerung  neue  Jiinger  zur 
Pflege  der  Naturwissenschaften  zu  suchen  und  zu  werben. 

Wir  stehen  heute  an  einem  ernsten  Wendepunkte  in 
der  Geschichte  unserer  Gesellschaft.  Einem  Manne,  der 
sein  ganzes  Sein,  Sinnen  und  Denken  ihrem  Wohle  und 
ihrem  Gedeihen  gewidmet  hat,  ein  ganzes  Menschenalter 
hind  arch,  ist  das  Steuer  entf alien ;  andere  Manner,  die 
nicht  seine  Kraft  und  seine  Eigenart  besitzen,  sollen  be- 
rufen  werden,  die  Nachfolge  am  Steuer  anzutreten.   Nur 


134 


dann  kann  unsere  Gesellschaft  auf  der  von  Wartmann 
ihr  vorgezeichneten  Bahn  gedeihlich  weiter  schreiten,  wenn 
alle  ihre  Mitglieder  ohne  Ausnahme,  denen  Studien,  Nei- 
gung  und  Lebensberuf  gestatten,  naturwissenschaftlich 
tatig  zu  sein,  sich  vereinigen  zu  gemeinsamer  treuer  Ar- 
beit, die  da  sein  soil:  Erforsohung  der  Natur  unserer 
engern  Heimat  und  Verbreitung  der  Resultate  der  fort- 
schreitendeu  Naturerkenntnis  in  alien  Kreisen  unseres 
Volkes! 


n. 

Obersicht 

uber  die  im  Jahre  1901/02  gehaltenen  Vortrage. 

Nach  den  Protokollon  zusammengefasst 
vom 

Aktuar  Dr.  H.  Rehsteiner. 

Eines  der  treuesten  Mitglieder  unserer  Gesellschaft, 
das  allezeit  sein  Wissen  bereitwillig  in  den  Dienst  der- 
selben  stellte,  ist  in  Herrn  Lehrer  J.  U.  Friih  uns  ent- 
rissen  word  en.  Vornehmlich  waren  es  Fragen  geologischen 
und  geographischen  Inhalts,  deren  Studium  ihn  anzog. 
Seine  letzte  diesbeztigliche  Arbeit  liber  den  geologischen 
Ban  des  Rigi  fusst  auf  dem  Studium  von  Riitimeyers 
Rigi  und  den  Beitragen  zur  geologischen  Karte  von  Kauf- 
mann. 

Bei  wenigen  Bergen  ist  der  innere  Aufbau  so  leicht 
erkennbar  wie  beim  Rigi.  G-egen  Kiissnacht  hin  prasen- 
tieren  sich  seine  machtigen  Schichten  in  horizontalen 
Iinien,  indessen  sie,  von  Siiden  her  betrachtet,  unter  einem 
Winkel  von  30  °  gegen  den  See  zu  abfallen.  Diese  Schichten 
bestehen  aus  Nagelfluh,  mit  der  Sandsteine  und  Mergel- 
lager  wechseln.  Eine  solche  Komposition,  aus  horizon- 
talen oder  schwach  geneigten  Schichten  verschiedener 
Resistenz  gebildet,  muss  naturgemass  zu  mannigfachen 
Erdrutschungen  und  Bergstiirzen  Veranlassung  geben,  wie 
sie  in  der  Tat  in  jener  Gegend  von  Alters  her  bekannt  sind. 
Das  Material  zu  der  enormen  Aufschichtung  des  Rigi  wurde 


136 


in  grauer  Vorzeit  durch  Fliisse  herbeigetragen  und  in  das 
zwischen  den  Alpen  und  dem  Jura  sich  ausbreitende  Meer 
abgelagert.  Der  Wechsel  von  Mergel-  und  Sandstein- 
schichten  mit  Nagelfluh  kann  nur  daher  ruhren,  dass  die 
betreffenden  Stellen  sich  bald  unter  dem  Einfluss  ruhen- 
den,  bald  unter  dem  sich  bewegenden  Wassers  befanden. 
Der  Rigi  gehort  mit  dem  Speer,  Hornli  und  zahlreichen 
andern  Hohen  des  Voralpenlandes  zu  den  jungern  geo- 
logischen  Schopfungen;  denn  die  Bildung  der  Nagelfluh  fallt 
in  das  der  Gletscherzeit  unmittelbar  vorangehende  Tertiar. 
Jura  und  Alpen  hatten  sich  damals  schon  iiber  den  Meeres- 
spiegel  erhoben  und  wo  Land  sichtbar  wurde,  herrschte 
eine  subtropische  Natur.  Dieser  eben  besprochenen  Mo- 
lasse formation  gehort  jedoch  nur  der  westliche  und 
mittlere  Teil  des  Rigi,  vom  Kulm  bis  und  mit  Scheidegg, 
an;  der  ostlich  daran  schliessende  pyramidenformige  Vitz- 
nauerstock  und  die  zackige  Hochfluhkette  bestehen  aus 
Kreidekalk  wie  der  Santis  und  sind  somit  viel  altern 
Datums.  Zu  dem  geschichteten  Material  kommen  noch 
als  weitere  Bestandteile  die  Schuttmassen,  eine  Folge  der 
Verwitterung.  Aus  solchen  entstanden  die  Deltas,  auf 
denen  heute  die  Dorfer  Gersau,  Vitznau  und  Weggis  stehen. 
Neben  diesen  Produkten  langsamer  Verwitterung  ist  das 
Rigigebiet  reich  an  Uberresten  kleinerer  und  grosserer 
Bergstiirze.  1674  crlebte  Vitznau  die  Schrecken  eines 
solchen,  im  Sommer  1795  verwiistete  ein  Schlammstrom 
einen  Teil  des  Oberdorfes  von  Weggis  und  noch  im  Juni 
1870  erfolgte  oberhalb  Vitznau  ein  Absturz,  der  glucklicher- 
weise  das  Tal  nicht  erreichte.  Noch  weit  grossere  Massen 
harren  der  Stunde,  die  sie  in  die  Tiefe  sturzen  l&sst. 

Zu  diesen  Aufschuttungen,   deren  Material  am  Rigi 
selbst  seinen  Ursprung  hat,  kommen  als  weitere  Depositen 


I 


137 


die  fremden  Ablagerungen  aus  der  Eiszeit,  die  in  der 

Hauptsache  auf  den  Reussgletscher  zurlickzufuhren  sind. 

Gotthardgranite  findet  man  bis  zur  Hohe  von  1340  m  Ii.  M. 

Zur  Zeit  des  hochsten  Eisstandes   ragte   demnach   kaum 

der  dritte  Teil  des  Berges  als  kahle  Felseninsel  liber  das 

Eismeer  hinaus.     Auf  der  Ostseite  des  Rigi   finden  sich 

aach  Tavigliannazgesteine   aas  dem  Schachentale,    sowie 

Ealkblocke  aus  dem  Muottatal.   Moranenschutt  tritt  man- 

cherorts  zu  Tage,  eine  besonders  schone  Seitenmorane  urn- 

saumt  den  Band  der  Seebodenterrasse  gegen  das  Tal  hin. 

Wahrend  Gletscher  und  Bergstlirze  Material   aufge- 

hauft  haben,   arbeiten  umgekehrt  die  zahlreichen  Bache 

an  der  Wegfuhr  desselben  und  weiteten  in  ungemessenen 

Zeitraumen  ihr  Bett  zu  Talchen  und  Schluchten  aus.    Wo 

harteres  Gestein  dem  Wasser  jeweilen  grosseren  Wider- 

stand   in  der  Ausfeilung   des  Untergrundes   bot,   kam  es 

hinter  solchen  Stellen  zur  Bildung  von  Kesseln,  in  denen 

vom  Wasser  in  kreisende  Bewegung  gesetzte  Steine  zur 

weiteren  Vertiefung  beitrugen.    Bei  Gross-Grubis  an  der 

Vitznauerbahn    sind   wohl   dreissig  solcher  Kessel   durch 

Wasserfalle  miteinander  verbunden. 

Zum  Schlusse  wirft  der  Lektor  noch  einige  Streif- 
lichter  auf  die  Umgebung  des  Rigi.  Eine  geringe  Niveau- 
erhohung  des  Wasserspiegels  wiirde  genligen,  um  die  den 
Rigi  umgebenden  Seen  zu  einem  ringformigen  Bassin  zu- 
sammenzuschliessen.  Das  vielgestaltige  Becken  des  Vier- 
waldstattersees  besteht  nicht  aus  einem ,  sondern  aus 
mehreren  zufallig  zusammengekommenen  Talern.  Ur- 
sprtinglich  ging  die  Reuss  liber  Brunnen  hinaus  durch  die 
Taler  des  Lowerzer-  und  Zugersees  und  mlindete  bei  Walds- 
hut  in  den  Rhein.  Der  heutige  Flusslauf,  der  den  Umweg 
uber  Luzern   macht,  ist  aber   schon   sehr   alt   und   muss 


138 


bereits  zur  Eiszeit  bestanden  haben,  was  aus  den  bezlig- 
lichen  Uberresten  mit  Sicherheit  hervorgeht. 

Dem  erhohten  Interesse  gegeniiber  tellurischen  Er- 
scheinungen,  das  durch  die  aussergewohnlich  heftigen  vul- 
kanischen  Eruptionen  des  vergangenen  Jahres  wachgerufen 
wurde,  kam  Herr  Konservator  Bachler  mit  seinen  Vor- 
tragen  iiber  Vulkane  im  allgemeinen  und  das  Vulkan- 
gebiet  des  Hegaus  im  speziellen  entgegen. 

Neben  Wind  und  Wasser,  die  von  aussen  her  das 
Antlitz  der  Erde  bestandig  verandern,  indem  sie  die  Un- 
ebenheiten  nivellieren,  wirken  von  innen  heraus  Krafte, 
welche  in  den  aussern  Eindenpartien  der  Erde  Uneben- 
heiten  aufturmen  (Vulkanismus  und  heisse  Quellen).  Die 
vulkanischen  Erscheinungen  sind  Ausserungen  der  im  Erd- 
innern  eingeschlossenen,  unter  hohem  Drucke  stehenden 
Gase,  Dampfe  und  gluhendfliissigen  Massen  gegen  die 
Erdoberflache,  die  das  Bestreben  haben,  sich  irgendwo  ge- 
waltsam  einen  Durchbruch  zu  verschaffen. 

Vulkane  konnen  wir  als  „Wunden  der  Erdkrustetf 
auffassen,  die  durch  einen  Kanal  mit  dem  Erdinnern  in 
Verbindung  stehen,  aus  welchem,  Berge  aufturmend,  glut- 
fllissige  Lava,  Blocke,  Bomben,  Lapillis,  Asche  und  Sande 
empordringen.  Von  letztern  werden  u.  a.  vom  Berge  weg- 
fallende  Schichten  gebildet  (Typus  der  SoHicht-  oder 
Stratovulkane).  Sie  zeigen  infolge  der  Kraterbildung 
die  Form  eines  abgestumpften  Kegels.  Wiederholte  heftige 
Ausbriiche  konnen  die  Krater  zerstoren ;  ruhige  Tatigkeit 
dagegen  wirkt  auf bauend.  Oft  wird  nicht  mehr  der  alte 
Auswurfsgang  benlitzt,  besonders  wenn  er  verstopft  ist; 
es  offnen  sich  dann  schwachere  Durchbruchspunkte,  bei 
welchem  Anlasse  der  alte  Krater  teilweise  zusammenfallt 


139 


oder  in  die  Loft  fliegt.  (Monte  Somma  des  Vesuv  mit 
der  Ebene  le  piane).  1767  besass  der  Vesuv  drei  Krater- 
kragen,  von  welchen  die  beiden  innern  1822  zusammen- 
sturzten.  Zwischen  altem  und  neuem  Krater  entstehen 
Kessel  und  Schuttebenen,  wie  z.  B.  das  Atrio  del  Cavallo 
am  Vesuv. 

Steigen  die  glutflussigen  Laven  ohne  grossere  Wirk- 
samkeit  von  Dampfen  in  die  Hohe,  so  stauen  sie  sich, 
sofern  sie  zahfliissige  Beschaffenheit  haben,  zu  glocken-, 
dom-  und  picformigen  Kuppen  auf(Typus  der  Mas  sen - 
vulkane).  Neben  reinen  Schicht-  und  Massenvulkanen 
gibt  es  auch  gemischte,  bei  denen  die  Lava  in  Gangen, 
Stromen  und  Banken  die  lockeren  Massen  durchdringt. 
Die  meisten  Vulkane  haben  zum  Untergrunde  entweder 
Sedimentgesteine  oder  selbst  das  Urgebirge.  Bei  Erup- 
tionen  werden  solche  dem  Kanal  anliegende  Gesteine 
mitgerissen  und  oft  wesentlich  verandert.  Die  Grund- 
schichten  sind  meist  blasig  aufgetriebenes  Erdreich,  da 
sie  haufig  gegen  den  Schlot  hin  einfallen.  Sonach  hat  sich 
der  Vulkan  selbst  aufgeschuttet.  Dagegen  sind  gleich- 
massige  Hebungen  des  gesamten  Untergrundes  von 
Vulkangebieten  bekannt,  z.  B.  am  Atna,  der  Serapistempel 
bei  Pozzuoli,  viele  vulkanische  Inseln  u.  s.  w. 

In  erloschenen  Vulkangegenden  finden  sich  Kessel- 
krater  oder  Mare,  die  meist  mit  Wasser  gefiillt  sind.  Es 
sind  dies  durch  Dampfexplosionen  entstandene  Spreng- 
locher.  Zu  diesen  gehoren  die  125  Vulkanembryonen 
Schwabens,  die  Mare  der  Eifel,  der  Laachersee  und  viele 
andere. 

Nur  wenige  Vulkane  arbeiten  in  fortwahrend  gleich- 
ma8sigen  Eruptionen  wie  der  Stromboli,  der  Sangai  in 
Ecuador,  der  per  Stunde  267  Ausbrtiche  zahlt ;  die  Gross- 


140 


zahl  ist  intermittierend.  Dann  aber  folgen  nach  langerer 
Ruhepause  meist  sehr  heftige  Ausbruche.  Vorboten  der 
letztern  sind  oft  stundenlange  Erdbeben,  Brum  men,  Rollen, 
Donnern,  Briillen,  Tieferfarbung  des  Rauches,  Versiegen 
der  Quellen  u.  s.  w.  Die  Eruption  leitet  mit  der  Explosion 
der  freiwerdenden  Gase  und  Dampfe  ein,  dichte  Wolken- 
ballen  steigen  unter  pfeifendem  Gerausch  in  rasender  Eile 
empor  und  reissen  Asche,  herruhrend  von  „zerschossenentt 
Laven  und  Gesteinen,  mit  sich.  Hdher  und  hoher  steigt 
die  Dampf-  und  Aschensaule  und  breitet  sich  zur  „Piniea 
aus.  Die  schweren  Teile  fallen  in  der  Nahe  des  Kraters 
nieder,  wahrend  die  Asche  oft  weithin  zerstreut  oder  vom 
Regen  in  die  Tiefe  gerissen  wird,  urn  als  verheerender 
Schlammstrom  liber  die  Abhange  sich  zu  ergiessen. 

Oft  treten  die  Laven  aus  der  Seite  des  Vulkans  in 
weissgluhendemZustandeheraus.  Leichtflfissige  Lava  bildet 
dann  Lavaseen,  ganze  Decken  oder  auch  Katarakte  (Hawai- 
Vulkane),  zahfltissige  staut  sich  und  bildet  Wulste,  Dome  etc. 
Am  Vesuv  kommen  Geschwindigkeiten  bis  zu  5  Kilometer 
per  Stunde  vor.  Auf  ihrer  Talfahrt  erstarrt  die  Lava 
aussen,  wahrend  sie  im  Innern  noch  monate-,  ja  jahrelang 
gliihendflussig  bleibt.  Erfolgt  die  Abkiihlung  unter  starker 
Dampfentwicklung,  so  entsteht  die  Block-  oder  S  c  h  o  1- 
lenlava;  geschieht  sie  aber  langsam,  ohne  wesentliche 
Dampf bildung,  so  bildet  sich  Fladen-,  Platten-  oder 
Gekroselava. 

In  Aschen  und  Laven  finden  sich  oft  Mineralien  von 
wunderbarem  Farbenglanz,  so  Kochsalz,  Soda,  Salmiak, 
Alaun,  Eisenchlorid,  Schwefel,  Gips,  Eisenglanz,  Eisen- 
glimmer  und  zahlreiche  prachtige  Silikate.  Als  Nach- 
klange  vulkanischer  Tatigkeit  sind  die  Gasaushauchungen 
zu  betrachten,  wie  wir  sie  in  Solfataren  (Pozzuoli),  Mofetten 


141 


mit  Kohlensaure  (Hundsgrotte  in  Neapel),  Sauerquellen  u.s.  w. 
treffen. 

Reine  Ascheneruptionen  sind  bekannt  vom  Monte 
Nuovo  bei  Neapel,  der  plotzlich  innert  drei  Tagen  zu 
fiber  100  Meter  Hdhe  anwuchs,  vom  Gunung  Tambora 
anf  Sumbawa,  wobei  6000  Menschen  ihr  Leben  verloren ; 
reine  Lavaergusse  sind  charakteristisch  for  das  grossartige 
Gebiet  der  Hawai-Vulkane.  Blosse  Dampfausbruchespreng- 
ten  beim  Bandai-San  eine  Bergmasse  von  1200  Millionen 
Knbikmeter  weg.  Der  Krakatau-Ausbruch  (23.  August 
1883)  jagte  den  grossten  Teil  des  Berges  formlich  in  die 
Luft.    Grosse  Spaltenergiisse  weist  Island  auf. 

Die  Zahl  der  tatigen  Yulkane  (ca.  360)  ist  nicht  leicht 
zu  bestimmen,  da  ein  seit  Jahrhunderten  erloschener 
Vulkan  plotzlich  wieder  tatig  werden  kann  (Vesuv). 
Auffallend  ist  ihre  reihenfbrmige  Gruppierung  auf  der 
Erde,  besonders  langs  den  Kiisten  und  in  den  Inselreichen. 
Wir  wissen  aber,  dass  Kiisten  und  selbst  Vulkangegenden, 
die  heute  weit  vom  Meere  entfernt  sind,  Bruchlinien,  d.  h. 
die  dunnsten  Stellen  der  Erdrinde  sind,  wo  also  das  Wasser 
am  ehesten  Zutritt  findet  und  die  Expansivkrafte  sich  am 
leichtesten  Luft  verscbaffen  konnen.  Der  Vulkanis- 
mus  ist  also  eine  direkte  Folge  der  Gebirgs- 
bildung,  und  nicht  umgekehrt. 

Vulkanausbruche  unter  Meer  sind  von  Seebeben, 
Flutwellen,  Wassersaulen,  porosen  Auswurflingen,  z.  B. 
von  Bimsstein  begleitet. 

Erlischt  der  Vulkan,  dann  sinkt  die  Lava  in  den 
Schlot  zuriick  und  bildet,  erstarrt,  einen  soliden  Pfropfen 
im  Kanal.  Verwitterung  und  die  Arbeit  des  Wassers 
tragen  im  Laufe  langer  Zeiten  zuerst  den  lockeren  Tuff- 
mantel  ab,    schliesslich  ragen   die  Lavagesteine   (Basalt, 


142 


Trachyte,  Phonolithe)  als  Kuppen  aus  der  Landschafb 
empor,  wie  im  Hegau,  am  Kaiserstuhl,  in  der  Auvergne, 
an  der  Eifel  etc.  Eigenartig  sind  die  Erstarrungsformen 
dieser  Ergussgesteine.  Neben  der  gewohnlichen  kristal- 
linischen  Absonderung  sind  es  teils  saulige  (Island,  Fin- 
galshohle  etc.),  teils  fiederformige,  wie  der  Humboldtfelsen 
bei  Aussig  in  Bohmen.  oder  kugelschalige,  glasige  (Ob- 
sidian der  Liparisehen  Inseln)  und  endlich  selbst  plattige, 
bankartige,  wie  am  Hohentwiel  und  Hohenkrahen. 

In  den  vulkanischen  Kraften  erblicken  wir  nicht  nur 
riicksichtslose  Zerstorer  bliihenden  Lebens,  sondern  auch 
die  Erzeuger  fruchtbarer  Kulturboden.  Die  dunkeln  Vul- 
kankegel  mit  ihrer  erhabenen  Stille  und  Einsamkeit,  sie 
wirken  wie  Erzahlungen  aus  langst  vergangenen  Tagen, 
die  das  ewige  Gesetz  von  dem  steten  Wechsel  in  allem 
Geschaffenen  und  die  Wahrheit  des  Spruches  verkiinden: 
„Und  neues  Leben  bliiht  aus  den  Ruinen.u 

Der  2.  Vortrag  beschaftigte  sich  eingehend  mit  dem 
Hohentwiel,  dem  Ziele  einer  mit  bestem  Erfolge  durch- 
gefuhrten  Exkursion  unserer  Gesellschaft. 

Der  steil  aus  der  Ebene  aufstrebende  Hohentwiel  ist 
der  erstarrte  Lavakern  eines  nach  der  Bildung  der  Mo- 
lassesandsteine  und  vor  Beginn  der  Eiszeit  noch  tatigen, 
seither  aber  erloschenen  Vulkans.  Die  unter  hohem  Drucke 
stehenden  Gase  im  Erdinnern  traten  an  einer  Bruchstelle 
der  Erde  aus,  einen  vielleicht  mehr  als  3000  Meter  tiefen 
Vulkanschacht  bildend.  Yon  seinen  Wanden  mitgerissene, 
sowie  aus  zerstaubter,  zerschossener  Lava  bestehende  Ge- 
steinsmaterialien  flogen  in  die  Luft  und  setzten  sich  rings 
um  den  Krater  ab,  wobei  sie  von  den  die  Eruption  be- 
gleitenden  Regengussen  verschwemmt  und  als  vulkanische 
Tufte  geschichtet  wurden. 


143 


Am  Schlussc  der  Eruption  fullte  sich  der  Schlot  mit 
feuerflussiger  Lava,  welche  im  Krater  erstarrte  und  eine 
Art  von  festem  Zapfen  bildete,  wie  ihn  der  Hohentwiel, 
der  Hohenkrahen  etc.  in  ihrem  Phonolith  oder  Klingstein 
zur  Anschauung  bringen.  Das  ausgeworfene  Aschen- 
material,  das  heftige  Winde  verwehten,  findet  sich  heute 
noch  in  den  dem  festen  Klingstein  des  Hohentwiel  im 
Suden  und  Westen  sich  anlehnenden,  rebenbepflanzten 
Tuffriicken.  Auf  der  ostlichen  Seite  sind  die  Aschen- 
massen  von  den  einstigen  Wassern  des  Rheingletschers 
in  Jahrhunderte  langer  Arbeit  weggefegt  worden. 

Der  auf  der  Sudseite  des  Hohentwiel  gelegene  Stein- 
bruch  gewahrt  einen  Einb.lick  in  die  Schichtung  der  zu 
ganzen  Banken  abgelagerten  Tuffe,  sowie  in  die  denselben 
eingelagerten  Gesteine  von  den  tiefliegenden,  herauf- 
gerissenen  Graniten,  Gneisen  und  Buntsandsteinen  bis 
zu  den  weiter  oben  liegenden  Kalken  des  untern  und 
obern  Jura  und  des  Molassesandsteins.  Weil  erratische 
Gesteine  aus  den  Alpen  im  Tuffe  fehlen,  muss  der  Aus- 
bruch  des  Hohentwiel  vor  der  Eiszeit  stattgefunden  haben. 
Solche  Erratica  liegen  iiberall  auf  den  Tuffen  und  selbst 
auf  dem  Plateau  des  Berges.  Im  gleichen  Steinbruche 
lassen  sich  auch  die  interessanten,  in  und  auf  den  Aschen 
gebildeten  Siisswasserkalke  nachweisen,  die  in  der  Nahe 
von  Hohenkrahen  reich  an  Versteinerungen  sind. 

Vor  dem  Festungseingang,  auf  den  siidlichen  Schan- 
zen,  trifft  man  den  dem  Tuff  hier  anstehenden  Phonolith 
oder  Klingstein,  den  acht  verschiedene  Minerale  zusammen- 
setzen.  An  den  Felsen  des  festen  Hohentwielgesteins  lasst 
sich  deutlich  eine  schalige  Absonderung  erkennen.  Wie 
Glocken  liegen  die  Schalen  ineinander,  in  denen  sich 
Bisse  erkennen  lassen,   welche  radial  zum  Vulkanmittel- 


144 


punkt  verlaufen.  Eine  Folge  des  Erstarrungsprozesses 
der  fliissigen  Lava  sind  offenbar  die  zwei  Hauptspalten 
(Barrancas),  welche  am  Phonolithklotze  wahrgenommen 
werden. 

Eine  gewisse  Beriihratheit  hatte  seinerzeit  die  Natro- 
lith-Nische  beim  alten  Soldaten  -  Friedhof  erlangt.  Ein 
Produkt  der  chemischen  Umwandlung  des  Phonoliths, 
durchsetzt  der  Natrolith  die  Spalten  und  Kliifte  desselben. 
Im  Anfang  des  XVIII.  Jahrhunderts  liess  der  damalige 
Kurfiirst  von  Wiirttemberg  die  Nische  ausbeuten.  Die 
Natrolithe  wurden  geschliffen  und  zieren  heute  mit  ihren 
prachtigen,  radialstrahligen,  seidenglanzenden  Zeichnungen 
den  Treppenaufgang  und  mehrere  Gemacher  des  konig- 
lichen  Schlosses  in  Stuttgart. 

Das  Vulkangebiet  selbst  befindet  sich  in  einer  teller- 
formigen  Senkung  der  in  jener  Gegend  aus  Jurakalk  ge- 
bildeten  Erdrinde.  Der  Bruch  erstreckt  sich  10 — 12  km 
weit  von  der  Schweizergrenze  bis  gegen  Anselfingen, 
Engen  und  Aach  hin,  wo  die  Schichten  des  dem  Randen 
entsprechenden  Tafeljuras  wieder  zu  finden  sind.  Dieses 
Einbrechen  der  Erdrinde  war  die  Ursache,  dass  sich  im 
Hegau  zwei  lange  Vulkanspalten  bildeten,  auf  denen  nach- 
her  die  Ausbriiche  stattfanden.  Wahrscheinlich  fanden 
die  ersten  Eruptionen  auf  der  westlichen  Hauptspalte 
statt,  wo  sich  die  hochsten  Vulkane  (Hohenstoffel  und 
Hohenhowen)  mit  dem  bekannten  schwarzen  Basaltgestein 
bildeten. 

Die  ostliche  Hauptspalte  tragt  die  Vulkane  des  Hohen- 
krahen  (645  m)  und  Hohentwiel  (691  m)  nebst  dem  Bosen- 
ackerberg,  der  aber  nur  TuiFe  enthalt,  die  direkt  auf  der 
obern  Siisswassermolasse  liegen,  ein  frappanter  Beleg  fur 
die  Zeit  des  Ausbruches.     Das  wellenfbrmige  Gtelande  mit 


145 


den  farbenreichen,  fruchtbaren  Saatfeldern  und  Wiesen, 
das  sich  zwischen  den  Phonolithvulkanen  ausbreitet,  be- 
steht  aus  tlberresten  der  Aschenausbriiche,  von  denen  ein 
grosser  Teil  vom  Schmelzwasser  des  Rheingletschers  nach 
Norden  and  Nordosten  verschwemmt  wurde.  Alle  auf 
den  Tuffen  des  Hegaugelandes  liegenden  alpinen  Gerolle, 
Moranen  und  Blocke  stammen  aus  der  Eiszeit. 

Endlich  wies  Herr  Bachler  noch  auf  die  interessanten 
Quellverhaltnisse  der  das  Yulkangebiet  des  Hegaus 
durchfliessenden  Aach  hin,  deren  konstante  Wasserkraft 
von  der  Industrie  in  reichem  Masse  benutzt  wird.  Ihr 
Quelltopf  oder  Quellensee  befindet  sich  beim  Dorfe  Aach, 
wo  das  Wasser  aus  einer  breiten  Felsspalte  mit  bedeuten- 
dem  Druck  aus  der  Tiefe  der  Jurakalke  hervorquillt.  Bei 
hohem  Wasserstande  betragt  die  Wassermenge  7000 
Secunden-Liter  =  420,000  Minuten-Liter,  bei  mittlerem 
4000  Sec.-Liter.  Das  im  Volksmunde  schon  lange  be- 
stehende  Geriicht,  es  beziehe  die  Aach  ihr  Wasser  aus 
der  ca.  16  Kilometer  entfernten  Donau,  wurde  1877  von 
Professor  Knop  aus  Karlsruhe  durch  exakte  qualitative 
und  quantitative  Versuche  vermittelst  starkriechendem 
Schieferol,  Kochsalz  und  Fluorescein  als  Tatsache  direkt 
bewiesen.  Dadurch  wurde  ein  langer,  zwischen  den  In- 
dustriellen  des  obern  Donaugebietes  und  der  Aach  schweben- 
der  Prozess  zu  Gunsten  der  letztern  entschieden  und  zu- 
gleich  bewiesen,  dass  in  trockenen  Sommern  der  Oberlauf 
der  Donau  in  den  Rhein  und  nicht  ins  Schwarze  Meer  fliesst. 

Herr  Dr.  Wehrli  aus  Zurich,  der  bei  uns  von  fruher 
her  noch  in  angenehmster  Erinnerung  steht,  bot  uns  durch 
semen  Vortrag  „Altes  und  Neues  aus  Sudamerikau 
eine  erganzende  allgemeine  Ubersicht  uber  Land  und  Be- 

10 


146 


vfllkerung,  insbesondere  der  chilenischen  und  argentinischen 
Republiken. 

Neun  von  ihm  selbst  entworfene  Karten  veranschau- 
lichten  in  grossen  Ziigen  die  topographischen,  meteoro- 
logischen,  botanischen,  zoologischen  und  volkswirtschaft- 
lichen  Verhaltnisse.  Ausgedehnte  Tieflander  begleiten  die 
drei  Hauptstrome  Amazonas,  La  Plata  und  Orinoco;  da- 
riiber  erheben  sich  als  Plateaux  das  brasilianische,  ein 
kleineres  siidlich  des  Orinoco  und  endlich  als  Ruckgrat 
Siidamerikas  die  machtige  Gebirgskette  der  Cordilleren 
oder  Anden.  Klimatisch  liegen  die  Isothermen  fiir  Juli 
und  Januar  sehr  weit  auseinander,  es  besteht  also  zwischen 
Winter  und  Sommer  eine  sehr  grosse  Differenz.  Hin- 
wiederum  weist  das  ganze  aquatoriale  Amerika  hinsicht- 
lich  der  Monatsmittel  fast  keine  Schwankungen,  kaum  5 
Grad  auf,  wahrend  die  Tagesschwankungen  allerdings 
sehr  grosse  sein  konnen.  Niederschlagsmenge  und  Vege- 
tationscharakter  gehen  Hand  in  Hand.  Der  tropischen 
Zone  ontspricht  die  maximale  Regenmenge  von  zwei 
Metern  im  ganzen  Amazonengebiet,  sowie  im  Siiden  ein 
schmaler  Kiistenstreifen,  wahrend  dem  Streichen  der  An- 
den eine  Trockenzone  folgt.  Bezuglich  der  Tierverbreitung 
umfassen  die  Colibris  und  Papageien  beinahe  den  ganzen 
Kontinent,  Affen  und  Faultiere  sind  auf  das  Amazonen- 
gebiet und  den  obern  Orinoco  beschrankt,  Guanaco,  Vi- 
cugna und  Condor  auf  die  Anden.  Der  allgemeine  Grund- 
satz,  dass  grosse  Flussgebiete  grosse  Verkehrswege  be- 
deuten,  findet  auch  hier  seine  Bestatigung.  Ausserst 
schwach  bevolkert,  unter  1  Einwohner  auf  1  Quadratkilo- 
meter,  sind  die  Pampas ;  Maxima  finden  sich  auf  dem  vor- 
springenden,  Europa  zugekehrten  nordostlichen  Gtebiet,  in 
den  Bergwerksgebieten  und  in  den  an  Buenos  Aires  und 


147 


Montevideo  angrenzenden  Landstrichen.  InengerWechsel- 

beziehung  mit  der  Volksdichte  steht  die  Verbreitung  der 

Kulturpflanzen.    Von  ausserordentlicher  Bedeutung  ist  die 

Kaffeekultur  in  der  Provinz  Rio  und  deren  Umgebung, 

wo  4h  der  gesamten  Produktion  der  Erde  erzeugt  werden. 

Neben  Baumwolle  und  Tabak  spielt  auch  der  Weinbau, 

letzterer  in  Paraguay,  Chile  und  Argentinien,  eine  Biolle. 

Die   allzu   stiirmisch  verlaufende   Garung   macht  jedoch 

den  Wein  nur  wenig  haltbar  und  es  mag  unsere  Wein- 

bauern    eigentumlich   anmuten,    dass   dort   die   Trauben- 

garung  mittelst  Eismaschinen  kiinstlich  gehemmt  werden 

muss.     Die   Geschichte  der  Einwanderung   spiegelt  sich 

noch  heute  in  der  Verteilung  der  Sprachen  wieder :  an  der 

Westkiiste,  in  Argentinien  und  Paraguay  ist  die  spanische, 

in  Brasilien  die  portugiesische  Sprache  die  vorherrschende. 

Zu  einem  neuen  Bilde  iibergehend,  begleiten  wir  den 

Lektor  auf  seiner  Wanderung  nach  dem  im  siidlichen  Chile 

unter  dem  42.  Grad  siidlicher  Breite  gelegenen,  ca.  1900 

Meter  hohen  Vulkan  Calbuco,  der  im  November  1893  nach 

langer  Ruhe  plotzlich  wieder  tatig  wurde  und  das  nahe- 

gelegene  Stadtchen  Puerto  Montt  mit  einem  Aschenregen 

heimsuchte.    Die  ausgeflossene,  an  ihrer  untern  Grenze  zu 

einem  machtigen  Wall  erstarrte  Lava  ist  phonolithischer 

Natur,  ahnlich  der  des  Hohentwiel. 

Von  der  lippigen  subtropischen  Vegetation  Chiles  iiber 
die  Anden  zu  den  diirren  Pampas  niedersteigend,  schildert 
uns  der  Vortragende  beim  Zusammenfluss  des  Rio  Limay 
mit  dem  Rio  Alarcon  (beides  Nebenfliisse  des  Rio  Negro) 
eine  Stelle,  die  den  Einfliissen  der  sandflihrenden  Pampas- 
winde  besonders  ausgesetzt  ist.  Dort  fand  er  Gerolle, 
ahnlich  denen  unserer  Nagelfluh,  die  alle  senkrecht  zur 
herrschenden  Windrichtung  eine  polierte  Flache  aufwiesen. 


148 


An  der  prachtigen  in  Zirkulation  gesetzten  Sammlung 
solcher  Windschliffe  liess  sich  erkennen,  dass  die  Politur 
desto  vollkommener  wird,  je  gleichmassiger  das  Gestein  ist. 

Dann  versetzte  uns  das  Skioptikon  naoh  den  S  tad  ten 
Buenos  Aires,  Santiago  und  La  Plata  mit  ihren  zum  Teil 
stilvollen  Monumentalbauten.  Die  grossartige  Oper  in 
Buenos  Aires  gibt  dem  Lektor  Gelegenheit  zu  einer  kost- 
lichen  Schilderung  der  argentinischen  vornehmen  Gesell- 
schaft,  ihres  l&cherlich  iibertriebenen  Luxus  bei  geistiger 
Hohlheit.  In  grellstem  Kontrast  steht  dazu  das  eintonige 
Leben  des  einsamen  Mannes  der  Pampas,  und  unser  Geologe 
erwies  sich  nicht  nur  als  gewandter  Redner,  sondern  auch 
als  Klaviervirtuos  beim  Vortrage  einiger  jener  traurig 
monotonen  Volksmelodien. 

Zur  fernern  Charakteristik  des  Argentiniers,  welcher 
zwischen  Melancholie  und  einer  unglaublichen  Leichtlebig- 
keit  schwankt,  fiigt  er  ein  zurzeit  sehr  beliebtes  Musik- 
stuck  ^Las  Dolores",  an,  eine  eigentumliche  Vermengung 
der  krankhaft  melancholischen  Pampaslieder  mit  den  ge- 
wohnlichsten  Gassenhauern.  Von  La  Plata,  jener  halb 
in  Triimmern  liegenden  modernen  Stadt,  die  fur  eine 
Million  Bewohner  angelegt  wurde,  aber  deren  nur  circa 
90,000  z&hlt,  interessiert  uns  namentlich  das  naturwissen- 
schaftliche  Museum  mit  seinen  vorweltlichen  Giirteltieren 
(Glyptodonten)  und  einem  Walfischskelett  von  28  Meter 
Lange,  dessentwegen  der  eine  Flugel  so  lang  gebaut  wurde. 

Auf  der  Hoimreise  fuhrt  uns  der  Lektor  nach  den 
kanarischen  Inseln,  Gran  Canaria  mit  seiner  Hauptstadt 
Las  Palmas  im  speziellen.  Die  Stadt  ist  regelmassig 
terrassenformig  angelegt  mit  machtigen  Befestigungen, 
zwischen  denen  sich  Bananenplantagen  hinziehen.  In 
schroffstem  Gegensatz  zu  der  iippigen  Vegetation  der  dem 


149 


Meere  zugekehrten  Seite  steht  das  durre  Hinterland  der 
Insel. 

Ein  Grebiet,  das  schon  seit  Jahren  die  Kolonialmachte 
in  intensiver  Weise  besch&ftigt,  iiber  dessen  intimere 
Eigenart  aber  nur  vereinzelte  sparliche  Kunde  existierte, 
weil  es  erst  in  neuester  Zeit  europaischen  Reisenden  wieder 
zuganglich  wurde,  beleuchtete  Herr  Dr.  David  aus  Basel 
in  einem  fesselnden  Vortrage  liber  seine  Reisen  im 
egyptischen  Sudan  und  in  der  Aquatoria. 

Nach  der  im  September  1898  erfolgten  Niederwerfung 
des  Mahdi-Reiches  durch  Kitchener  erwirkte  sich  der  Vor- 
tragende  filr  sich  und  seinen  Bruder  die  Erlaubnis  zu 
einer  Seise  nach  den  siidlichen  Nillandern,  wobei  er  der 
englischen  Behorde  einen  sehr  strengen  Revers  zu  unter- 
zeichnen  hatte.  Noch  drohte  im  Osten  Menelik  und  auch 
die  Derwische  waren  nicht  beruhigt,  trotzdem  ihrer  16,000 
noch  unbeerdigt  auf  der  Wahlstatt  lagen.  Unter  diesen 
Umstanden  war  das  Gemiit  der  Reisenden  aufs  hochste 
gespannt.  Als  sie  den  Nil  bereisten,  hatten  sie  ein  zweites 
Schreiben  zu  unterzeichnen,  laut  welchem  sie  von  Faschoda 
bis  zum  Victoria  Nyanza  nicht  landen  durfben.  Sie  wussten 
indessen  dieses  Verbot  zu  umgehen,  indem  sie  2  Worter 
einschalteten,  welche  ihnen  das  Betreten  der  Ufer  ermog- 
lichte.  Am  1.  Februar  1899  brachen  sie  von  Dongola  auf. 
Durch  fortgesetzte  Abhartung  waren  sie  in  den  Stand 
gesetzt,  mit  der  landesublichen  Tracht,  einem  langen  Baum- 
wollhemd,  auszukommen.  Als  Proviant  diente  Mehl,  Hirse, 
Datteln,  Eakao,  Reis  und  gedorrtes  Gemiise.  Die  Kara- 
wane  bestand  aus  27  Kamelen  und  12  Arabern  als 
Begleitung.  Es  bedurfte  grosser  Uberredungskunst,  um 
die  wilden,  braunen  Beduinen  anzuwerben,  denn  seit  etwa 


160 


15  Jahren  hatte  keine  Karawane  dieses  Gebiet  durch- 
streift.  Die  Wustensohne  trugen  Baumwolltucher  iiber 
die  Huften  und  waren  mit  Lanzen,  Messern  und  einigen 
alten  Gewehren  versehen.  Als  Nahrungsmittel  bedarf  der 
Beduine  Milch  und  Hirse.  Die  Kamele  waren  mit  Tausch- 
waren  beladen.  Der  Zweck  der  Reise  bestand  einerseits 
darin,  authentische  Berichte  iiber  die  Handelsprodukte  der 
dortigen  Gegenden  zu  sammeln,  urn  sie  an  englische 
Hauser  zu  senden,  anderseits  hoffben  die  Reisenden  fur 
sich  personlich  einen  Gewinn  durch  Eintauschen  von 
Gummi  zu  erzielen.  Nach  sieben  Tagen  waren  sie  in 
Wadi  Natron,  dessen  Soda-  und  Bittersalze  einen  wich- 
tigen  Handelsartikel  bilden.  (6000  Ctr.  Natron  jahrlich.) 
Nach  dem  Wadi  el  Kab  folgte  der  heisseste  Wustengurtel 
(46  °  C  im  Schatten) ;  doch  hatten  die  Reisenden  infolge 
ihrer  Abh&rtung  und  ihrer  Lebensweise  nicht  stark  unter 
der  Hitze  zu  leiden.  Von  Dongola  bis  El  Obeid,  also 
auf  einer  Strecke,  die  derjenigen  von  Calais  nach  Mar- 
seille gleichkommt,  trafen  sie  nur  acht  Brunnen,  deren 
Wasser  zudem  oft  schmutzig  war. 

Nun  begann  die  Vegetationsgrenze,  und  der  Halt 
richtete  sich  nach  der  Kamelsweide.  Von  Tag  zu  Tag 
wurde  die  Vegetation  hoher,  und  nach  18  Tagen  waren 
sie  im  Gummizentrum  von  Kordofan,  einem  kleinen  Stadt- 
chen,  angelangt.  Der  arabische  Gummi  stammt  von 
Akazien  (Acacia  Senegal),  deren  Stamme  von  halbwiich- 
sigen  Knaben  mittelst  langer  Lanzen  geritzt  werden,  wo- 
rauf  der  Gummi  herausiliesst  und  zu  glasglanzenden 
Stiicken  erhartet.  Von  den  Eingebornen  wird  er  als 
Nahrungsmittel  verwendet.  Hier  tauschten  sie  2  Schalen 
Gummi  gegen  eine  Schale  Korn,  wozu  Glasperlen  und 
Kupferringe   als   Geschenk   fur  die  Frauen  kamen,    ein. 


161 


Schrecklich  hatte  hier  der  Mahdi  gehaust,  das  Land  ist 
ausgehungert.  Ein  halbverhungertes  Madchen,  das  ihnen, 
jeglicher  Subsistenzmittel  bar,  einen  Tag  lang  durch  die 
Wiiste  folgte,  urn  bei  der  abendlichen  East  einige  Speise- 
reste  zu  erhalten,  stellten  sie  als  Kochin  an,  da  die  mann- 
lichen  Diener  aus  Kairo  alle  desertiert  waren.  Sie  hatten 
sich  in  Kordofan  hauslich  niedergelassen,  da  dort  infolge 
des  Kriege8  auf  einen  Mann  6  Frauen  kamen. 

Aus  Jagdlust  machte  Dr.  David  mit  seinem  Bruder 
einen  Aosflng  ins  westlich  gelegene  Darfur.  Morgens 
fruh  ritten  sie  der  Karawane  voraus,  um  Kudu-Antilopen, 
die  in  der  Feme  Termitenhiigeln  gleichen,  zu  erlegen. 
Auch  fiel  ein  Strauss  in  ihre  Hande.  Er  durfte  aber  nicht 
geschossen  werden,  um  die  kostbaren  Federn  nicht  mit 
Blut  zu  beschmutzen.  Von  alien  Seiten  umstellt,  wurde  er 
von  einem  Araber  erschlagen.  Hiebei  lernte  Dr.  David  einen 
Trick  der  schlauen  Wustensohne  kennen.  Mit  den  Sehnen 
and  Darmen  werden  die  Federn  zusammengebunden,  wo- 
bei,  um  das  Gewicht  zu  vermehren,  Steinchen  und  Knochen- 
stiicke  dazwischen  geschoben  werden.  Der  Handels- 
gepflogenheit  gemass  werden  die  Bundel  erst  in  Triest 
gedffhet. 

An  der  Grenze  von  Darfur  angelangt,  traten  ihnen 
egyptische  Kundschafber  entgegen.  Diese  argwohnten  in 
ihnen  Franzosen,  gegen  welche  sie  die  Bevolkerung  auf- 
gestachelt  hatten,  sodass  sie  sich  zur  schleunigen  Riick- 
kehr  gezwungen  sahen.  Mit  mehreren  Sacken  Straussen- 
federn  kehrten  sie  gegen  el  Obeid  zuruck,  wobei  sie  einen 
Tropenwald  von  machtigen  Affenbrotbaumen  passierten. 
Ausser  Tausenden  von  Jagdvogeln  begegneten  sie  auch 
einem  Leoparden. 

Mit  146  Kamelladungen  Gummi  kamen  sie  in  El  Obeid 


152 


an.  Dort  zahlte  man  fur  den  Zentner  34,  in  Kairo  60 
Mark.  Sie  aber  hatten  den  Zentner  zu  5 — 10  Mark  ein- 
getauscht.  Vertrauend  auf  die  Ehrlichkeit  der  Leute, 
tibergaben  sie  alien  Gummi  einem  Araberstamm,  der  ihn 
nach  Chartum  beforderte.  Hier  wird  der  Gummi  gereinigt 
und  getrocknet.  20  Prozent  davon  erh&lt  die  anglo- 
egyptische  Regierung. 

Wahrend  der  Bruder  mit  dem  Gummi  nach  Kairo 
ging,  blieb  Dr.  David  in  Omdurman.  Die  beiden  Schwester- 
stadte  Chartum  und  Omdurman  stehen  im  scharfsten 
Gegensatze  zueinander.  Ersteres  ist  eine  pr&chtige  Pal- 
menstadt,  Villen  im  Stile  der  Westminsterabtei  leuchten 
aus  schmucken  Garten  hervor.  Vor  dem  mahdischen  An- 
sturm  zahlte  die  Stadt  60,000  Seelen.  Das  am  linken 
Nilufer  gegenuberliegende  Omdurman  hingegen  ist  eine 
richtige  Wiistenstadt  mit  grauen  fensterlosen  Lehmhiitten. 
Im  Munde  des  Mahdi  war  sie  eine  heilige  Stadt.  Fruher 
hatte  sie  liber  100,000  Einwohner,  heute  herrscht  in  ihr 
zentralafrikanisches  Leben.  Jeder  Beduinen-Stamm  hat 
seine  eigenen  Hutten  und  fiihrt  ein  Leben  wie  zu  Hause. 
Hier  richtete  sich  Dr.  David  hauslich  ein  und  schrieb 
wahrend  der  funfmonatlichen  Regenzeit  sein  Tagebuch 
und  eine  Autobiographie.  Inzwischen  hatte  Kitchener 
die  Eisenbahn-  und  Telegraphenlinie  bis  Chartum  ver- 
langert. 

Im  April  1900  trat  der  Vortragende  seine  zweite  Reise 
an.  Ein  egyptisches  Kriegsschiff  zog  seine  Segelbarke  nil- 
aufwarts,  so  dass  er  schon  in  8  Tagen  in  Faschoda  war. 
Hier  fand  er  zwei  Dorfer  und  Garten  mit  europaischem 
Gemuse,  welches  durch  die  Franzosen  hieherkam.  60  Kilo- 
meter siidlich  haben  die  Englander  ein  neues  Faschoda 
fur  Verwundete   errichtet.     Hier  erlegte   unser  Reisende 


153 


den  ersten  L5wen.  AIs  er  am  Ufer  des  Sobat  jagte, 
schoss  er  auf  einen  zweiten,  doch  ohne  ihn  zu  treffen, 
dafiir  erlegte  er  Krokodile  und  Nilpferde.  Letztere  wer- 
den  von  den  Negern  harpuniert.  Auch  Elefanten  werden 
durch  eigene  mit  einer  Art  Anker  versehene  Harpunen 
getotet  oder  durch  Fallblocke,  die  eine  eiserne  Spitze  tragen, 
erschlagen.  Auf  der  Fahrt  erbliokten  sie  vom  Schiffe 
aus  eine  ganze  Herde  Elefanten,  auf  welche  ein  englischer 
Offizier  zwecklose  Schiisse  abfeuerte. 

In  Lado  sassen  die  Belgier,  welche,  vom  Kongo  her- 
kommend,  das  Oebiet  am  obern  Nil  gepachtet  haben. 
Wegen  der  herrschenden  Rinderpest,  wozu  sich  noch  ein 
Aufstand  gesellte  und  weil  der  Vertrag  zwischen  England, 
Belgien  und  Prankreich  noch  nicht  abgeschlossen  war, 
musste  Dr.  David  umkehren.  Fur  den  Handel  fiel  die 
Reise  nicht  giinstig  aus,  dafiir  hatte  er  viel  neues  gesehen. 

In  ethnographischer  Hinsicht  unterscheidet  der  Vor- 
tragende  in  dem  durchwanderten  Grebiet  drei  Volkergruppen : 
die  Beduinen  mit  arabisch-semitischem  Blute,  die  Bant u- 
Neger  und  endlich  die  Schilluk  und  Dinka.  Das  Nil- 
gebiet  ist  vom  Wasser  und  den  Menschen  des  obern  Nils  ab- 
hangig.  Seit  1600  v.  Chr.  liefert  der  obere  Nil  die  Neger,  und 
zwischen  den  semitischen  Beduinen  der  einen  Kraftquelle 
and  den  Negern  der  andern  Kraftquelle  liegt  der  Sudan 
mit  den  Nubiern.  Der  Beduine  lebt  in  Wollzelten  auf 
einer  Anhohe.  Die  Manner  treiben  Handel,  die  Kinder 
huten  die  Herde  und  die  Frau  besorgt  das  Zeltinnere. 
Der  Nubier  wohnt  in  einem  Gehofte,  drinnen  die  Diener 
und  Sklaven,  Kuhe,  Schafe  und  Esel  untergebracht  sind. 
Die  Negerwohnungen  sind  im  Kreise  angeordnet.  Alle 
Verrichtungen,  sogar  die  Toilette,  vollziehen  sich  auf  dem 
Doriplatze.     Im  iibrigen  herrscht,  abgesehen  vom  Essen, 


164 


das  nicht  gemeinschaftlich  eingenommen  wird,  ortschaft- 
licher  Kommunismus.  Der  Semit  isst  nie  Fleisch,  nur 
Milchkost,  der  Nubier  dagegen  ist  ein  Allesfresser,  der 
Schilluk  liebt  Milch  und  Fisch  und  der  Niam-Niam  will 
nur  Fleisch.  Alle  Stamme  bereiten  aus  Korn,  Wasser 
und  gekautem  Brot  ein  triibes  Bier,  das  aussieht  wie 
weisser  Sauser,  aber  doch  gesund  ist.  Kannibalismus  hat 
er  bei  keinem  Stamme  beobachtet,  doch  hat  er  sagen  ge- 
hort,  dass  die  Niam-Niam  den  Kriegsgefangenen  erst  die 
Knochen  zerschlagen,  um  sie  dann  noch  lebend  ins  Wasser 
zu  werfen.  Erst  dann  werden  sie  getotet  und  der  Kiiche 
ubergeben. 

Der  Beduine  tragt  nur  Baumwolle  und  zwar  blodes, 
schlechtes  Zeug  aus  England.  Der  Nubier  dagegen  pflanzt 
selber  Baumwolle  und  die  Frauen  spinnen  und  weben 
einen  guten  Stoff.  Der  Neger  aber  geht  mit  Schmuck 
und  Schurz  oder  ganz  nackt  einher.  Der  Beduine  schliesst 
eine  richtige  Ehe.  Der  Nubier  lebt  polygam  mit  2  bis 
6  Frauen,  die  er  gegen  4  bis  5  Lanzenspitzen  und  8  bis 
20  Kiihe  eintauscht.  Unter  feierlichen  Festen  findet  die 
Hochzeit  statt.  Der  Neger  kennt  nur  die  Einehe,  doch 
werden  altere  Frauen  nach  einigen  Jahren  durch  jiingere 
ersetzt. 

Mit  einem  kurzen  Uberblick  liber  die  Geschichte  des 
Landes  schloss  Dr.  David  seinen  Vortrag,  den  er  an- 
schliessend  durch  zahlreiche  Skioptikonbilder  illustrierte. 

Herrn  Professor  Dr.  C.  Keller  in  Zurich  gebiihrt 
das  Verdienst,  zum  ersten  Mai  bei  der  antiken  Kunst  Auf- 
schliisse  liber  die  Herkunft,  Wanderung  und  Verbreitung 
der  gezahmten  Tiere  gesucht  und  gefunden  zu  haben. 
Diese  neuen  interessanten  Gesichtspunkte  erlauterte  er  in 


156 


einem  Vortrage  liber  die  antike  Kunst  im  Dienste 
der  Zoologie. 

Wahrend  schon  behauptet  wurde,  die  bildende  Kunst 
sei  bei  den  allerprimitivsten  Volkern  zu  finden,  haben  die 
Basler  Forscher  Sarasin  dargetan,  dass  z.  B.  die  Weddas 
anf  der  Insel  Ceylon  jeder  bildenden  Kunst  entbehren; 
dagegen  ist  es  eine  Tatsache,  dass  bei  andern  niederen 
Volkern,  wie  z.  B.  bei  den  Eskimos  und  Buschmannern, 
solche  zu  finden  ist. 

Haben  sich  bis  in  die  jiingste  Zeit  nur  die  Ethno- 
logie  und  Archaologie  um  die  Entwicklung  der  Kunst 
interessiert,  so  gesellt  sich  nun  als  weitere  Wissenschaft 
die  Zoologie  zu  ihnen,  die  allerdings  vor  allem  die  Ob- 
jekte  betrachtet,  die  zur  Darstellung  gelangten.  Hie- 
bei  ergibt  es  sich,  dass  als  erster  Gegenstand  immer  zu- 
erst  der  Mensch  in  Betracht  fallt,  dann  vor  allem  die 
hohere  Tierwelt,  namentlich  Jagdtiere,  und  erst  zuletzt  die 
Pflanzenwelt.  Wir  sahen  bei  den  vorgewiesenen  Kunst- 
dokumenten  aus  den  verschiedensten  Kulturkreisen  wie 
z.  B.  aus  denen  der  Assyrer  und  Agypter  manche  Tiere 
mit  fast  vollendeter  Naturtreue  dargestellt,  wahrend  ein- 
relne  Pflanzen  oder  Landschaften  hochstprimitiv  gezeichnet 
sind.  Auf  hoheren  Kulturstufen  erhalt  die  bildende  Kunst 
einen  Zug  zum  Stilisieren,  wodurch  die  Darstellungen  fiir 
zoologische  Studien  wertlos  werden. 

Aus  den  altesten  Kunstobjekten  lassen  sich,  wie  ein- 
leitend  bemerkt,  Schlusse  iiber  die  geographische  Ver- 
breitung  der  Tiere  ziehen.  Hiebei  erinnert  der  Vortragende 
an  schweizerische  Funde  aus  der  Hohlenzeit  mit  Abbil- 
dungen  des  Moschustieres  und  einer  Pferdeform  (Equus 
hemionus),  welche  beide  in  Europa  nicht  mehr  angetroffen 
werden,  damals  aber  bhne  Zweifel  existiert  haben.  Ferner 


156 


ist  uns  von  den  Assyrern  eine  aus  dem  Jahre  884  v.  Chr. 
8tammende  Darstellung  des  Ur  (Bos  primigenius)  erhalten 
geblieben,  welche  beweist,  dass  diese  Tierart  einst  bis  ins 
ostliche  Asien  verbreitet  war,  w&hrend  sie  spater  in  ganz 
Asien  verschwand. 

Auf  einer  hoheren  Entwicklungsstufe  tritt  in  den  ver- 
schiedenen  Kulturkreisen  die  bildliche  Darstellung  der 
Haustiere  in  den  Vordergrund,  und  diese  Darstellungen 
berechtigen  zu  Schliissen  tiber  die  Abstammung  der  be- 
treffenden  Tiere.  Immer  beginnt  der  Haustierstand  mit 
einfachen  Rassen,  die  der  Wildform  sehr  nahe  stehen. 

Im  altagyptischen  Kulturkreis  begegnen  wir  sehr 
naturgetreuen  Bildern  aus  der  vierten,  funften  und  sechsten 
Dynastie.  Aber  auch  aus  der  ersten  Dynastie  und  sogar 
aus  pr&historischer  Zeit  stammen  wertvolle  Funde.  Zu 
den  altesten  und  beruhmtesten  gehoren  zwei  Schiefer- 
platten,  diejenige  von  Gizeh  (Negadahzeit)  und  eine  andere, 
welche  im  Louvre  in  Paris  aufbewahrt  wird.  Ungefahr 
aus  dem  Jahre  6000  v.  Chr.  stammend,  enthalten  sie  drei 
verschiedene  Formen  gezahmter  Tiere,  namlich  einen  Esel, 
ein  Schaf  und  ein  Rind,  welche  alle  den  wilden  Rassen 
noch  sehr  nahe  stehen.  So  zeigt  letzteres  grosse  tJberein- 
stimmung  mit  dem  Banteng  (Bos  banteng)  aus  Siidost- 
asien,  den  der  Vortragende  fur  die  Stammform  des  Haus- 
rindes  halt.  In  den  spatern  Perioden  folgen  verschiedene 
Rinderrassen  aufeinander.  Sehr  interessant  sind  auch  die 
Abbildungen  von  Hunden  aus  der  altagyptischen  Zeit.  Es 
sind  Windhunde,  cleren  Wildform  im  obern  Niltal  anzu- 
treflfen  ist.  Letztere  wurde  seinerzeit  von  Riippel  als  Wolf 
(Canis  simensis)  beschrieben. 

Aus  dem  assyrischen  Kulturkreis  stammt  vom 
Jahre  746  v.  Chr.  ein  kiinstlerisch   ausgezeichnet  ausge- 


157 


fuhrtes  Dokument,  das  die  Austreibung  von  Vieh  aus  einer 
eroberten  Stadt  darstellt.  Es  enthalt  u.  a.  ein  Fettschwanz- 
schaf,  wie  wir  es  heute  nooh  in  Agypten  und  Siidafrika 
antreffen  und  das  damals  jedenfalls  in  Assyrien  schon  ge- 
ziichtet  wurde.  Ebenso  geben  uns  diese  Bilder  Aufschliisse 
iiber  die  Herkunffc  des  Pferdes,  das  damals  noch  eine  be- 
deutend  langere  Schwanzriibe  besass,  als  das  heutige,  und 
liber  diejenige  der  Dogge.  Wir  finden  die  Dogge  schon 
im  ersten  Jahrtausend  vor  Christus  in  Assyrien,  also  zu 
einer  Zeit,  da  sie  in  Europa  noch  gar  nicht  bekannt  war. 
Durch  Xerxes  und  Alexander  den  Grossen  kam  sie  nach 
Griechenland,  von  dort  nach  Rom.  Mit  den  romischen 
Heeren  gelangten  diese  sogenannten  Molosserhunde  iiber 
die  Alpen.  So  fand  man  im  Lager  von  Vindonissa  ein 
ganz  treffliches  Bild  eines  solchen  Hundes,  der  ein  Mittel- 
ding  zwischen  einem  Bernhardiner  und  Neufundlander 
darstellt.  Bei  den  Wanderungen  iiber  die  Alpen  blieben 
Molosserhunde  in  den  Bergpassen  zuriick,  wo  sie  weiter 
gezuchtet  wurden.  Auf  diese  Weise  entstand  unsere  heutige 
Bernhardiner-Rasse. 

Auch  der  mykenische  Kulturkreis  lieferte  durch 
seine  bildlichen  Darstellungen  dem  Forscher  manch  wert- 
vollen  zoologischen  Aufschluss.  Ferner  sind  die  bildlichen 
Darstellungen  auf  den  Miinzen  aus  der  Griechen-  und 
Romerzeit  fur  derartige  Studien  von  ungemeinem  Wert. 
So  findet  sich  auf  einer  solchen  das  sehr  gelungene  und 
gut  erhaltene  Bild  eines  krummnasigen  Schafes,  wie  wir 
es  noch  heute  im  Biindnerlande  antreffen.  Selbstver- 
standlich  liefern  in  alien  Fallen  die  Ergebnisse  der  ver- 
gleicbenden  Anatomie  den  Massstab  fiir  die  Kritik.  Har- 
monieren  Bild  und  Wissenschaft,  dann  sind  in  die  Resultate 
wohl  keine  Zweifel  mehr  zu  setzen. 


158 


Ein  dankbares  Auditoriumfinden  jeweilen  die  popularen 
Vortr&ge  des  Herrn  Professor  Dr.  Mooser  iiber  astro- 
nomische  Themate.  In  gewohnter  klarer,  leicht  verstand- 
licher  Weise  warf  er  einen  Uberblick  iiber  den  heutigen 
Stand  der  wissenschaftlichen  Erkenntnis  der  Kometen, 
der  einst  so  gefiirchteten  Himmelskorper. 

Die  Kometen,  d.  h.  Haarsterne,  von  den  Chinesen 
„Besenu  genannt,  scheinen  wegen  ihrer  Form,  Grosse  und 
der  Art  ihrer  Bewegung  mit  den  iibrigen  Gestirnen  nichts 
gemein  zu  haben.  Sie  wurden  bis  vor  wenigen  Jahr- 
hunderten  fur  entztindete  giftige  Gase  in  den  obem  Luft- 
regionen  gehalten,  weshalb  die  Menschen  in  ihnen  etwas 
Gefahrliches,  moglicherweise  etwas  Weltzerstorendes  er- 
blickten.  Erst  im  16.  Jahrhundert  wurde  durch  Tycho 
deBrahes  Messungen  die  kosmische  Natur  der  Kometen 
erkannt.  Seit  etwa  200  Jahren  hat  man  Methoden  zur 
Bestimmung  ihrer  Bahnen  und  seit  40  Jahren  kann  man 
ihre  stoffliche  Zusammensetzung  ermitteln.  Heutzutage 
ist  das  Wesen  der  Kometen  vollig  erkannt,  es  gibt  an 
ihrer  Erscheinung  nichts  mehr,  das  nicht  wissenschaftlich 
erklart  werden  konnte. 

An  einem  Kometen  unterscheidet  man  Kopf  und 
Schweif.  Der  Kopf  seinerseits  besteht  wieder  aus  einer 
hellleuchtenden,  zentral  gelegenen  Masse,  dem  Kern  und 
aus  der  den  Kern  umgebenden  Hulle,  der  Haube.  Ersterer 
setzt  sich  aus  fester  und  fliissiger  Substanz  zusammen, 
letztere  bildet  sich  aus  Gasen  und  Dampfen,  die  dem 
Kern  entstromen.  Der  Schweif  ist  meist  gekrummt  und 
rohrenformig;  er  enthalt  die  Gase  des  Kopfes  in  mit  der 
der  Entfernung  vom  Kern  zunehmender  Verdunnung.  Bei 
der  Bewegung  der  Kometen  um  die  Sonne  ist  der  Schweif 
stets  von  der  Sonne  abgekehrt.    Die  Lange  des  Schweifes 


159 


nimmt  mit  der  Annaherung  des  Kerns  an  die  Sonne  zu 
and  mit  seiner  Entfernung  von  ihr  wieder  ab. 

Die  Kometen  konnen,  wie  ihre  Bewegungen  lehren, 
nicht  im  Sonnensystem  entstanden  sein,  sie  miissen  als 
Fremdlinge  angesehen  werden,  die,  aus  den  interstellaren 
Raumenkommend,  in  das  Sonnensystem  eindringen,  langere 
oder  kurzere  Zeit  in  demselben  verweilen  und  in  diesem 
auch  oft  ihren  Untergang  finden.  Kometen,  welche,  wie 
das  meist  der  Fall  ist,  in  parabolischen  oder  hyperbolischen 
Bahnen  wandern,  statten  unserer  Sonne  nur  einen  ein- 
zigen  Besuch  ab;  andere,  welche  durch  die  Anziehungs- 
krafte  von  Sonne  und  Planeten  gezwungen  wurden,  eine 
elliptische  Bahn  zu  beschreiben,  sind  dem  Sonnensystem 
einverleibt  worden.  Eine  solche  Einverleibung  nennt  man 
Kapturation.  Bei  elliptischen  Bahnen  steht  die  Sonne  in 
einem  der  beiden  Brennpunkte;  derjenige  Punkt  der  Bahn. 
welcher  der  Sonne  am  nachsten  liegt,  heisst  das  Peri- 
helium,  der  diesem  gegentiber  gelegene  Punkt  das 
Aphelium.  Ein  in  elliptischer  Bahn  sich  bewegender 
Komet  wird  ein  ^periodischer"  genannt;  seine  Umlaufs- 
zeit  bleibt  so  lange  konstant,  als  seine  Bahnform  keine 
Anderungen  erleidet.  In  unserm  Sonnensystem  gibt  es 
ca.  23  Kometen,  deren  Aphelien  in  der  Nahe  der  Jupiter- 
bahn  liegen.  Diese  haben  Umlaufszeiten  von  im  Mittel 
|  etwa  sechs  Jahren.  Die  drei  beriihmtesten  Glieder  der 
Jupiterfamilie  heissen  der  Enkesche,  der  Brorsensche 
und  der  Bielasche  Komet.  Von  den  funf  Kometen, 
welche  sich  bis  zur  Bahn  des  Neptun  von  der  Sonne  ent- 
fernen,  ist  der  Halleysche  der  bemerkenswerteste,  der 
eine  Umlaufszeit  von  etwa  76  Jahren  hat  und  Mitte  Mai 
1910  wieder  zum  Perihel  zuriickkehren  wird.  Die  Aphelien 
von  mindestens  vier  Kometenbahnen  liegen  fast  doppelt 


160 


so  weit  von  der  Sonne  entfernt,  ale  Neptun,  was  zur 
nahme  der  Existenz  eines  noch  unbekannten  Planets 
jener  Entfernung  fiihrt. 

Mit  der  spektralanalytischen  Erforschung 
Kometenlichtes  beschaftigten  sich  namentlich  die  Ai 
physiker  Vogel  and  Hasselberg.  Vogel  fand,  dass  ha 
sachlich  Kohlenwasserstoffe  und  Kohlenoxyd,  aber  i 
Wasserstoff,  Cyan-  und  Natrium-Dampfe  ja  sogar  Dai 
von  schweren  Metallen  im  Kopf  des  Kometen  vorkom 
und  dass  diese  Gase  und  Dampfe  durch  elektrische  ] 
kenentladungen  zum  Leuchten  gebracht  werden.  Has 
berg  brachte  die  beim  Erhitzen  von  Meteoriten  gewo 
nen  Gase  in  Geissler'sche  Rohren  und  erhielt  von  di 
beim  Durchleiten  des  elektrischen  Funkens  ein  mit 
Kometenspektrum  identisches  Spektrum.  Schon  aus  di( 
Grunde  ist  es  sehr  wahrscheinlich,  dass  die  Meteoi 
Stticke  von  Kometenkernen  sind.  Nahert  sich  eine  Komc 
masse  der  Sonne,  so  erwarmt  sich  die  der  Sonne  zugeke 
Oberflachenpartie  so  sehr,  dass  feste  Stoffe  schmelzen 
verdampfen.  Aus  dem  Innern  der  Kometenmasse 
weichen  hochgespannte  Gase,  die  beim  Ausstromen  * 
trisch  werden.  Durch  die  elektrisch  geladene  Sonne  we 
die  gleichnamig  elektrisch  geladenen  Gase  des  Komc 
kopfs  abgestossen  und  zur  Schweifbildung  veranl 
Die  gegenseitige  Abstossung  der  einzelnen  Teilchen 
Schweifes  bedingt  die  Rohrenform  desselben.  Je  n 
ein  Komet  der  Sonne  kommt,  um  so  grosser  ist  die  ! 
der  zur  Verdampfung  gelangenden  Stoffe  des  Kerns. 
Ausstromen  von  Gasen  aus  dem  Kern  konnte  teleskoj 
direkt  beobachtet  werden.  Manche  Kometen  zeigen  met 
Schweife,  die  aus  verschiedenen  Gasen,  auf  welche 
Repulsivkraft  der  Sonne  verschieden  wirkt,  bestehes 


161 


Die  Masse  eines  Kometen  ist  klein  im  Vergleich  zur 
Masse  der  Planeten  und  Monde.  Am  geringsten  ist  die 
Stoffmenge  des  Schweifs,  die  grosste  Masse  liegt  in  dem 
aus  festen  und  flussigen  Substanzen  bestehenden  Kern. 
Der  mittelgrosse  Loxell'sche  Komet  hatte  eine  Masse  von 
etwa  1 :  17,000  der  Erdmasse ;  dies  hatte  immerhin  geniigt, 
uin  den  ganzen  Kontinent  Australien  zuzudeckon. 

Infolge  der  Warmewirkung  der  Sonne  werden  die 
Kometenkerne  zur  Zeit  ihres  Periheldurchganges  oft  durch 
innere  Explosionen  zerrissen  und  in  ein  Konglomerat  kleiner 
fester  Korper  verwandelt,  die  sich  nacli  und  nach  iiber 
die  ganze  Kometenbahn  verteilen  und  dann  einen  Meteo- 
ritenring  um  die  Sonne  bilden.  Geht  die  Erde  durch 
einen  solchen  Ring,  so  sturzen  die  kleineren  festen  Teile 
(k-sselben  gegen  die  Oberflache  der  Erde,  werden  aber 
meistens  schon  in  der  Atmosphare  vollig  verbrannt  und 
bringen  dann  die  Erscheinung  der  Sternschnuppen  hervor. 
Der  B  i  e  1  a'sche  Komet,  der  im  Jahre  1832  sehr  nalie  an 
der  Erde  vorbeiging,  war  bei  seiner  nachsten  Riickkehr 
in  2  Teile  gespalten  und  loste  sich  nachher  in  Meteoriten- 
wolken  auf,  durch  welche  die  Erde  in  den  Jahren  1872 
and  1SS5  gezogen  ist.  Die  grossartigen  Sternschnuppen- 
fiille  im  November  der  genannten  Jahre  linden  liierin  ihre 
Erklarung.  Auf  diese  Weise  nahm  die  Erde  den  grossten 
Teil  der  Masse  des  Biela'schen  Kometen  in  sich  auf.  Ein 
Kometenkern  kann  nicht  in  kompakter  Form  auf  einen 
grossen  Planeten  fallen;  er  wird  von  ihm,  bevor  er  seine 
Oberflache  beriihrt,  durch  die  Wirkung  der  Anziehungskraft 
in  Stiicke  aufgelost.  Die  Feuerkugeln  sind  als  Stucke 
▼on  Kometenkernen  aufzufassen,  die  beim  Periheldurch- 
gang  des  Kometen  durch  Explosionen  in  demselben  fort- 
geschleadert  wurden.     Ein  etwaiger  Zusammenstoss  eines 

ll 


162 


Kometen   mit  der  Erde  wird  nicht  fur  die  Existenz  der 
Erde,  wohl  aber  fur  die  des  Kometen  verh&ngnisvoll. 

Begleitet  von  zahlreichen  frappanten  Experimenten, 
die  aufs  beste  gelangen,  erlauterte  Hr.  Dr.  J.  Werder  ein 
neues  chemisches  Verfahren,  welches  fur  unsere  schweize- 
rische  Industrie  ganz  speziell  von  grosser  Bedeutung  zu 
werden  verspricht.  Sein  Vortrag  lautete :  Uber  die  Ein- 
wirkung  von  Aluminium  aufMetallsauerstoff- 
verbindungen  bezw.  das  Goldschmidt'sche  Ver- 
fahren zur  Erzeugung  hoher  Temperaturen, 
zurHerstellung  kohlenstofffreier  Metalleund 
zur  Darstellung  von  kiinstlichem  Korund. 

Im  Jahre  1898  wurde  von  Dr.  Hans  Goldschmidt 
in  Essen  a.  d.  Ruhr  ein  Verfahren  zur  praktischen  An- 
wendung  gebracht,  das  sich  auf  die  ausserordentlich  grosse 
Aktionsfahigkeit  des  metallischen  Aluminiums  gegen- 
tiber  Metalloxyden  griindet,  indem  das  Aluminium  diesen 
den  Sauerstoff  entzieht.  Die  reduzierenden  Eigenschaften 
des  Aluminiums  sind  gleich  nach  der  Entdeckung  des 
Metalls  durch  Wohler  (1827)  erkannt  worden  und  wurden 
verschiedentlich  zur  Abscheidung  von  Metallen  aus  ihren 
Sauerstoffverbindungen  benutzt.  Sohatnamentlich  Claude 
Vantin  in  London  auf  diesem  Wege  eine  ganze  Anzahl 
von  Metallen  hergestellt.  Ahnliche  reduzierende  Eigen- 
schaften zeigt  auch  das  Magnesium,  mittelst  welchem  CI. 
Winkler  das  Aluminium  aus  Tonerde  herstellte.  Sauer- 
stoff entziehende  Wirkung  iiben  ferner  eine  ganze  Anzahl 
chemischer  Elemente,  wie  Wasserstoff,  Kohlenstoff,  Phos- 
phor etc.  aus.  Die  Reduktionswirkung  des  Aluminiums 
erstreckt  sich  aber  nicht  nur  auf  die  Metalloxyde,  sondern 
auch  auf  die  Superoxyde,  die  Sulfate  und  Nitrate  gewisser 


163 


Metalle.  Namentlich  die  Superoxyde  reagieren  mit  Alu- 
minium ausserst  energisch.  So  geniigt,  wie  aus  den  vor- 
gefuhrten,  fcusserst  interessanten  Experimenten  hervorging, 
bei  einem  Gemisch  von  Natriumsuperoxyd  und  fein  ver- 
teiltem  Aluminium  schon  der  blosse  Zutritt  von  Feuchtig- 
keit,  urn  das  Gemisch  unter  blendender  Licht-  und  hoher 
Warmeentwicklung  zur  Verbrennung  zu  bringen.  Gleich- 
falls  sehr  heftig  ist  die  Einwirkung  von  Aluminium  auf 
entwassertes  Glaubersalz  und  auf  gebrannten  Gips,  wah- 
rend  merkwiirdigerweise  die  Salze  der  sonst  so  leicht  zer- 
setzlichen  Salpetersaure  mit  Aluminium  nur  schwach  oder 
gar  nicht  reagieren.  Die  ganz  ausserordentlich  hohe 
Warmeentwicklung,  die  man  bei  der  Einwirkung  von 
Aluminium  auf  Metalloxyde  beobachtet,  liegt  teils  in  der 
hohen  Verbrennungswarme  des  Aluminiums  (7140Kalorien), 
teils  in  der  schweren  Zersetzlichkeit  des  Aluminiumoxyds 
and  dem  maximal  hohen  NutzefFekt  begriindet,  mit  wel- 
chem  das  Aluminium  verbrennt. 

Erst  Goldschmidt  hat  es  verstanden,  die  Reaktion 
zwischen  Aluminium  und  Metalloxyden  praktisch  nutzbar 
zu  machen.  Hiezu  bedurfte  es  vor  allem  einer  rationellen 
Art  der  Einleitung  der  Reaktion.  Statt,  wie  man  diese 
Yersuche  friiher  ausfuhrte,  die  zur  Einleitung  der  Reaktion 
erforderliche,  nicht  unbetr&chtliche  Warme  auf  das  ganze 
Gemisch  von  Aluminium  und  Metalloxyd  einwirken  zu 
lassen,  wobei  die  Einwirkung  mit  explosionartiger  Heftig- 
keit  ablief,  liess  Goldschmidt  die  Reaktion  an  einem 
einzigen  Punkte  des  Gemisches  einleiten,  worauf  sie  ruhig 
nach  und  nach  das  ganze  Gemisch  ergriff.  Jetzt  war  es 
auch  moglich,  mit  grosseren  Quantitaten  zu  arbeiten  und 
die  Reaktionsprodukte  in  nahezu  voller  quantitativer  Aus- 
beute  zu  erhalten.     Diese  sind  nun  in  der  Tat  interessant 


164 


genug.  Es  gelang  Goldschmidt  auf  diesem  Wege,  un- 
beschrankt  grosse  Quantitaten  vollstandig  kohlenstofffreier 
Metalle  und  Metallegierungen  von  namentlich  fur  die  Stahl- 
industrie  ausserordentlichem  technischem  Werte  herzu- 
stellen. 

Das  bei  diesem  Prozesse  sich  bildende  Aluminium- 
oxyd,  das  als  Schlacke  auf  dem  flussigen  Metall  auf- 
schwimmt,  ist  nichts  anderes  als  kiinstlicher  Korund  und 
bildet  seiner  ausserordentlichen  Harte  wegen  ein  brillantes 
Schleif-  und  Poliermaterial,  das  den  Schmirgel  an  Leistung 
weit  tibertrifft.  Der  Erfinder  bringt  dasselbe  nach  passen- 
der  Aufbereitung  unter  dem  Namen  „Corubin"  in  den 
Handel.  Eine  dritte  Art  der  Anwendung  des  Goldschmidt- 
schen  Verfahrens  bedingt  die  bei  der  Einwirkung  von 
Aluminium  auf  Metalloxyde  freiwerdende,  grosse  Warme, 
wie  sie  bisher  nur  im  elektrischen  Lichtbogen  erzeugt 
werden  konnte  und  deren  Temperatur  auf  2900  bis  3000 
Grad  geschatzt  wird.  Goldschmidt  benutzte  zu  diesen 
Versuchen  ein  Gemisch  von  Aluminium  mit  Eisenoxyd, 
das  er  Thermit  nennt.  Zur  Einleitung  der  Reaktion,  die 
in  mit  feuerfester  Erde  ausgekleideten  Tontiegeln  vor- 
genommen  wird,  bestreut  er  eine,  je  nach  dem  Zwecke 
wechselnde  Menge  (ein  bis  mehrere  Kilogramm)  Thermit 
mit  sogen.  Entzundungsgemisch  (Aluminium  und  Baryum- 
superoxyd)  und  entziindet  das  ganze  durch  Auflegen  und 
Abbrennen  eines  Magnesiumstreifchens.  Die  Reaktion 
setzt  mit  grosser  Energie  ein  und  bald  ist  der  Inhalt  des 
Tiegels  eine  feurig-fliissige  Masse,  die  eine  ganz  bedeutende 
Lichtemission  bositzt. 

Obenauf  schwimmt  eine  Schlacke  von  geschmolzenem 
Korund,  am  Boden  des  Tigels  befindet  sich  feurig-flussiges, 
hocherhitztes,  blauspiegelndes,  metallisches  Eisen.     Giesst 


■"1 


165 


man  die  Schlacke  ab  und  lasst  das  fliissige  Eisen  auf  eine 
bis  1  cm  dicke  schmiedeiserne  Platte  fliessen,  so  ist  man 
imstande,  in  die  Platte  an  dem  Punkte,  wo  das  Eisen 
auffliesst,  ein  Loch  zu  schmelzen!  Das  Experiment  ge- 
lang  dem  Yortragenden  an  einer  6  Millimeter  dicken 
Eisenplatte  innerhalb  weniger  Minuten. 

Aber  auch  zum  Schweissen  von  Eisenstucken, 
Eisenrohren  etc.  eignet  sich  Thermit  vorziiglich.  In 
einem  der  erw&hnten  Tiegel  brachte  der  Vortragende  1,7 
Kilogramm  Thermit  zur  Reaktion  und  war  damit  im- 
stande, zwei  Stticke  von  Eisenrohren,  die  in  Formsand 
eingebettet  und  mittelst  eines  Klemmapparates  in  ihrer 
Lage  festgehalten  waren,  ebenfalls  in  einigen  Minuten 
darch  und  durch  zusammenzuschweissen. 

Das  Goldschmidt'sche  Schweissverfahren  eignet  sich 
namentlich  zum  Zusammenschweissen  von  Schienen  elek- 
trischer  Bahnen,  bei  denen  es  im  Interesse  der  Einheit- 
lichkeit  des  Stromnetzes  auf  eine  vollstandige  Dichtigkoit 
der  Schweisss telle  ankommt. 

Der  physiologischen  Chemie,  einem  Gebiete,  das  in 
onserer  Gesellschaft  noch  selten  zur  Sprache  kam,  ent- 
nahm  Herr  Dr.  A.  Hausmann  seine  interessanten  Mit- 
teilungen  Tiber  d i e  Rolle  des  Fettes  im  Haushalte 
der  Natur. 

Nachdem  der  Vortragende  einleitend  die  Fette  nach 
ihrer  physikalischen  und  chemischen  Seite  beleuchtet  und 
ihre  industrielle  Bedeutung  hervorgehoben,  tritt  er  zu- 
nichst  auf  die  Entstehung  des  Fettes,  das  sich  aus 
Kohlenstoff,  Wasserstoff  und  Sauerstoff  aufbaut,  naher 
ein.  In  den  Pflanzen  entsteht  das  Fett  aus  Wasser  und 
Kohlensaure,   und   es  wird  dasselbe  von  ihnen  wiederum 


166 


als  Nahrung,  d.  h.  als  Kraft-  und  Warmespender  oder  als  i 
Baustoff  beniitzt,  indem  es  sicli  in  letzterem  Falle  in  : 
Starke  und  Cellulose  verwandelt. 

Anders  bei  den  Tieren!  Diese  sind  nicht  imstande, 
das  Fett  aus  anorganischen  Bestandteilen  aufzubauen,  ■ 
wir  miissen  dessen  Herkunft  vielmehr  in  der  Nahrung 
suchen.  Diese  besteht  in  Eiweiss,  Kohlehydrate  und  Fett,  : 
die  alle  direkt  oder  indirekt  aus  Pflanzen  stammen.  Ver- 
schiedene  Versuche  an  Tieren  haben  unzweifelhaft  dar- 
getan,  dass  das  Nahrungsfett  als  solches  resorbiert  wird 
und   in  dem  tierischen  Korper  zur  Ablagerung  gelangt  ■ 

Weniger  sicher  ist  die  Frage  entschieden,  ob  auch 
aus  dem  Eiweiss  Fett  entstehe.  Heute  stehen  sich,  was 
die  hohern  Tiere  betrifft,  einander  widersprechende  Ver- 
suche gegeniiber,  dagegen  ist  bei  niedern  Tieren  die  Ent- 
stehung  von  Fett  aus  Eiweiss  durch  Hofmann  unzweifel- 
haft dargetan  worden.  Bei  hohern  Tieren  ist  sie  nur 
unter  pathologischen  Umstanden  (fettige  Degeneration) 
so  gut  wie  sicher  nachgewiesen.  Eine  chemische  Erkl&rung 
der  Bildung  von  Fett  aus  Eiweiss  ist  vorlaufig  nicht  mog- 
lich;  dagegen  ist  der  exakte  Beweis  erbracht,  dass  sich 
Kohlehydrate  (Starke  und  Zucker)  im  tierischen  Korper 
in  Fett  umwandeln. 

Hochst  interessant  sind  die  chemischen  und  physi- 
kalischen  Vorgange,  welche  durch  die  Sekrete  der  Bauch- 
speicheldriise,  des  Darmes  und  der  Leber  (Gaile)  hervor- 
gerufen  werden,  die  schliesslich  dem  Fette  seinen  Weg 
durch  die  Epithelzellen  des  Darmes  in  den  Blutkreislauf 
ermoglichen.  Mit  dem  Blute  gelangen  die  winzigen  Fett- 
tropfchen  in  die  Zellen  des  Bindegewebes,  wo  sie  ab- 
gelagert  werden.  Eine  massige  Fettanhaufung  bei  Men- 
schen  liber  50  Jahren  gilt  als  etwas  Normales.    Es  kann 


167 


sich  jedoch  der  Fettansatz  in  ganz  ungewohnlichem, 
krankhafbem  Masse  steigern,  wobei  Fettleibigkeit  und 
Fettsucht  entsteht.  Hiebei  konnen  nicht  bloss  ganz  enorme 
Mengen  Fett  aufgespeichert  werden,  sondern  es  kann  sich 
auch  das  muskulose  Gewebe  in  solches  verwandeln. 

Die  Bedeutung  des  Fettes  in  der  Ernahrung  liegt 
darin,  dass  es  eiweisssparend  wirkt.  Versuche  haben  dar- 
getan,  dass  man  bei  Futterung  mit  wenig  Fleisch  bei 
Zusatz  von  Fett  das  gleiche  Resultat  erhalt,  wie  mit  viel 
Fleisch  allein.  Zudem  dient  das  im  Korper  abgelagerte 
Fett  als  Reservenahrung  fur  Zeiten  der  Not.  Ein  aus- 
gemagerter  Mensch  erliegt  dem  Hunger  friiher  als  ein 
mittelfetter,  selbst  das  Kamel  vermag  nur  mit  Htilfe  seines 
Fetthockers  die  Entbehrungen  der  langen  Wiistenreise  zu 
ertragen.  Das  Fett  dient  sonach  wahrscheinlich  auch  als 
Quelle  der  Muskelkraft.  Ganz  sicher  aber  ist  das  Fett 
die  ergiebigste  Warmequelle  fur  den  Korper.  Darum 
nehmen  die  Bewohner  der  Polarlander  viel  mehr  Fett 
(Tran)  zu  sich,  als  die  Bewohner  der  Tropen.  Bei  der 
langsamen  Verbrennung  im  Korper  bemachtigt  sich  der 
Sauerstoff  der  Wasserstoff-  und  Kohlenstoffatome  und  das 
Fettmolekiil  geht  restlos  in  Wasser  und  Kohlensaure  auf, 
welche  letztere  wieder  die  Ausgangsmaterialien  bilden, 
aus  denen  die  Pflanze  das  Fett  auf  baut. 

Eine  neue  einfache  und  sinnreiche  „Methode  zur 
Bestimmung  des  Heizwertes  verschiedener 
Brennmaterialien,  vornehmlich  derKohle"de- 
monstrierte  Herr  Professor  Dr.  Kopp. 

Bis  vor  kurzer  Zeit  hatte  man  zur  Bestimmung  solcher 
Heizwerte  entweder  ungenaue  oder  sehr  komplizierte  In- 
8trumente.     Eine  in  besondern  Fallen  auch   heute  noch 


168 


angewandte  Methode  beruht  auf  einer  chemischen  Elemen- 
taraiialyse  der  Kohle  und  nachheriger  Berechnung  des 
Heizwertes  nach  der  Dulongschen  Formel.  In  neuerer  Zeit 
erfand  der  Chemiker  Berthelot  eine  thermochemische 
Methode;  der  betreffende  Apparat,  eine  Gussstahl-Bombe 
mit  dicker  Platinfutterung,  kam  jedoch  auf  circa  3000 
Franken  zu  stehen.  Die  Ersetzung  des  teuren  Platins 
durch  ein  widerstandsfahiges  Email  durch  Ingenieur 
Mahler  reduziert  den  Preis  des  Apparates  auf  ca.  1000 
Franken.  Diese  Calorimeter-Bombe  von  Berthelot- 
Mahler  nahm  Herr  Professor  Kopp  zum  Gegenstand 
seiner  Demonstration.  Sie  enthalt  in  ihrem  Deckel  zwei 
Bohrungen  zur  Aufnahme  eines  isolierten  Platindrahtes 
einerseits,  einer  Sauerstoff-Zuleitung  anderseits.  Das  zu 
untersuchende  Brennmaterial  wird  in  ein  Platinschiffchen 
eingefullt,  welches  mittelst  eines  Platindrahtes  am  Deckel 
der  Bombe  befestigt  ist.  Das  ganze  kommt  in  ein  mit 
2200  Gramm  Wasser  gefiilltes,  gut  isoliertes  Messing- 
gefass,  das  Calorimeter,  zu  stehen.  Nachdem  das  Schiff- 
chen  mit  einer  genau  gewogenen  Menge  Kohle  (ca.  1  gr) 
beschickt  worden,  wird  der  Deckel  auf  die  Bombe  auf- 
geschraubt,  dann  reiner  SauerstofF  bis  zu  einem  Druck 
von  ca.  25  Atmospharen  eingeleitet.  Hierauf  bestimmt 
man  die  Temperatur  des  Wassers  im  Calorimeter  und 
setzt  den  an  seinem  untern  Ende  durch  einen  diinnen 
Eisendraht  mit  der  Kohle  verbundenen  oben  erwahnten 
Platindraht  mit  einer  galvanischen  Batterie  in  Kontakt. 
Der  Strom  entziindet  den  Eisendraht  und  dieser  die  Kohle, 
welche  im  komprimierten  SauerstofF  momentan  und  voll- 
standig  verbrennt.  Nach  ca.  drei  Minuten  hat  sich  die 
Verbrennungswarine  der  Kohle  dem  Calorimeter- Wasser 
mitgeteilt.     Aus  der  Differenz  der  beiden  Thermometer- 


169 


ablesungen  kann  durch  eine  einfache  Bechnung  unter  Be- 
rucksichtigung  der  durch  die  Metallteile  des  Apparatus, 
sowie  des  Stickstoff-  und  Schwefelgehaltes  der  Kohle  notigen 
Eorrekturen  die  Verbrennungswarme  der  Kohle  ermittelt 
werden.  Der  vorgefuhrte  Versuch  mittels  einer  von  Herrn 
Oberingenieur  Struppler  in  Zurich  bereitwilligst  zur  Ver- 
fugung  gestellten  Bombe  gelang  ausgezeichnet.  Bei  einer 
gaten  Kohle  betragt  der  unverbrennliche  Riickstand,  die 
Schlacke,  ca.  3°/o,  bei  einer  schlechten  bis  10°/o.  Die  Vor- 
teile  der  neuen  Berthelot-Mahlerschen  Methode  beruhen 
auf  der  einfachen  Handhabung  des  Apparates,  der  kurzen 
Dauer  des  Versuches  und  der  grossen  Genauigkeit  der 
Besultate.  Die  Hauptschwierigkeit  bei  diesem  Verfahren 
liegt  in  der  Probenentnahme,  d.  h.  darin,  dass  die  zu 
untersuchende  Probe  (1  gr  Substanz)  einen  richtigen  Mittel- 
wert  aus  einer  grossen  Quantitat  des  betreffenden  Brenn- 
materials  repr&sentiert,  was  durch  successives  Zerkleinern, 
Vermengen  und  Teilen  einer  ganzen  Wagenladung  Kohle 
z.  B.  erzielt  werden  kann. 

Herr  Professor  Dr.  Kopp   hat  nach  dieser  Methode 
folgende  mittlere  Heizwerte  erhalten: 

45  Sorten  Saarkohlen  ergaben  6700  Kalorien. 

57       „        Ruhrkohlen  7600         n 

20  „        belgische  Kohlen       7630         r 
10       „        Ruhrbriquettes  7650         v 

21  „        Coaks  6620         „ 

Beobachtungen  und  Erfahrungen,  unmittelbar  aus 
seiner  praktischen  Tatigkeit  geschopft,  bot  Herr  Forstver- 
walter  Wild  mit  seinen  Mitteilungen  iiber  die  „Aste  des 
Baumes  %  „nasse  Wiesen  und  Waldera  und  das  nEich- 
hornchen". 


170 


1.  Die  Aste  des  Baumes. 

Ein  freistehender  Baum  bekleidet  sich  mit  einer 
machtigen  Krone.  Mit  der  Blattflache  proportional  ist 
seine  Vegetationskraft,  d.  h.  je  mehr  Blatter  ein  Baum 
besitzt,  desto  grosser  ist  sein  Wachstum,  ferner:  je  auf- 
wartsstrebender  ein  Zweig  ist,  desto  starker  ist  sein  Wachs- 
tum. Diese  Grundsatze  finden  in  erster  Linie  Anwendung 
im  Zwergobstbau.  Horizontale  Zweige,  wie  man  sie  haufig 
an  altera  Spalieren  beobachten  kann,  bleiben  im  Wachs- 
tum zuriick,  sobald  man  aber  die  Enden  derselben  nach 
oben  richtet,  hebt  sich  deren  Wachstum  und  Produktions- 
kraft.  —  Im  geschlossenen  finstern  Hochwald  ist  das 
Wachstum  nur  gering,  immerhin  sieht  sich  der  Forster 
veranlasst,  dichte  Bestande  heranzuziehen,  um  astfreies 
Holz  zu  erhalten.  Die  untern,  dem  Lichte  entzogenen 
Aste  sterben  ab.  Laubholzer  und  Larche  reinigen  sich 
selbst,  indem  ihre  dunnen  Aste  bald  abfallen.  Anders  ver- 
halt  es  sich  bei  der  Rottanne,  deren  zahe  Aste  allmalig 
ins  Holz  hinein  wachsen,  ohne  jedoch  mit  dem  Stamm- 
holz  zu  verwachsen  und  dann  im  Brett  die  bekannten 
Astlocher  verursachen,  welche  das  Holz  sehr  entwerten. 
Ein  Abschneiden  der  durren  Aste  kann  daher  nur  nutzlich 
sein,  vorausgesetzt,  dass  es  mit  der  notigen  Sachkenntnis 
und  Sorgfalt  geschieht,  d.  h.  mittelst  eines  scharfen  Schnittes 
moglichst  nahe  am  Stamm.  Beil  oder  Gertel  sind  hiebei 
zu  vermeiden.  Solche  Wunden  vernarben  rasch  und  schon 
durch  Uberwallung,  wahrend  abgesplitterte  Aste  unrein 
uberwallen.  Alle  die  genannten  Vorkommnisse  demon- 
strierte  Herr  Forstverwalter  Wild  an  pragnanten  Bei- 
spielen.  —  Der  Baumziichter  sieht  sich  veranlasst,  auch 
griine  Aste  abzuschneiden,  um  die  Krone  der  jungen 
Baume  erst  iiber  Mannshohe  zu  bilden,  des  Weideviehs 


171 


wegen.  Beim  Versetzen  junger  B&ume  gehen  viele  Wur- 
zeln  zu  Grande  und  es  muss  aach  deshalb  die  Krone  ent- 
sprechend  zurtiokgesetzt  werden.  Diese  Operation  darf 
nicht  zur  Saftzeit  vorgenommen  werden,  ferner  hemmt 
ein  Bestreichen  der  Wunden  mit  Teer  die  Pilzentwick- 
lang.  Das  Zuriickstutzen  junger  B&ume  verhindert  auch 
allzufruhen  Fruchtansatz  und  macht  sie  dadurch  kr&ftiger. 
Zum  Schlusse  wendet  sich  der  Lektor  gegen  das  in  unsern 
Gebirgsgegenden  gebrauchliche  „  A  u  f a  s  t  e  n "  ( Abhauen 
der  untern  Aste),  namentlich  bei  der  gegen  jede  Verwun- 
dang  sehr  empfindlichen  Rottanne,  welches  haufig  die 
Rotfaule  im  Gefolge  hat  und  die  Ansiedlung  des  Borken- 
kafers  begunstigt. 

2.  Das  Eichhornchen. 

Im  Friihjahr  kann  man  haufig  die  Beobachtung  machen, 
dass  Seitentriebe  der  Eottannen  massenhaft  am  Boden 
liegen.  Als  Urheber  dieses  Unfuges  muss  das  Eichhornchen 
angeklagt  werden,  das  es  auf  die  am  Grunde  der  genannten 
Zweige  sitzenden  Knospen  abgesehen  hat.  Auch  beim 
besten  Willen  lasst  sich  dem  niedlichen  Tierchen  irgend 
ein  Nutzen  nicht  wohl  nachreden,  selbst  sein  Fleisch  ist 
kaom  geniessbar;  wohl  aber  wird  es  mit  vollem  Recht 
verschiedener  Schadigungen  bezichtigt.  Der  Vortragende 
machte  es  sich  zur  Aufgabe,  diese  nach  ihrem  vollen 
Werte  abzuschatzen.  Das  erwahnte  Abbeissen  von  Zweigen 
schadet  in  der  Regel  den  Tannen  bei  ihrer  grossen  Be- 
laubong  wenig.  Schlimmer  hausen  die  Tierchen  ausnahms- 
weise  durch  das  Abnagen  der  Gipfeltriebe  junger  Baume. 
Auch  das  Abbeissen  der  Zapfen  kann  ausser  bei  den  Arven 
kaom  als  Schadigung  taxiert  werden;  dagegen  bereitet 
das  Eichkatzchen  dem  Obstziichter  zuweilen  durch  Auf- 
beissen  der   sohdnsten  Friichte  grosses  Argernis.     Auch 


172 


wird  ihm  mit  der  schlimmen  Nachrede  des  Nestraubes 
von  Eiern  und  jungen  Vogeln  kaum  grosses  Unrecht  an- 
getan.  Alles  zusammengenommen  resultiert  nicht  gerade 
ein  Schaden  in  grossem  Massstabe,  und  wenn  man  ver- 
gleicht,  wie  viel  das  muntere  Tierchen  durch  seine  leb- 
haften  Spriinge  und  possierlichen  Bewegungen  zur  Be- 
lebung  des  Waldes  beitragt,  so  uberwiegt  die  Freude  daran 
das  angestiftete  Unheil.  Gegen  allzu  grosse  Vermehrung 
schutzt  sich  die  Natur  selbst  durch  gleichzeitige  Vermeh- 
rung seiner  Feinde  und  nur  in  seltenen  Fallen  ist  ein 
Eingreifen  des  Menschen  vonnoten. 

3.  Nasse  Wiesen  und  Walder. 

Das  Wasser  vermittelt  den  Wurzeln  der  Pflanzen  die 
Nahrstoffe,  es  befordert  die  chemische  Zersetzung  derselben 
im  Boden  und  unterstutzt  die  Vermehrung  der  Bakterien, 
die  bei  der  Aufschliessung  des  Erdreichs  eine  sehr  wichtige 
Rolle  spielen.  Wasseriiberfluss  im  Boden  wirkt  aber  sehr 
nachteilig,  einmal  durch  Verdrangung  des  Luftsauerstofis, 
anderseits  durch  Uberhandnahme  von  Humussauren,  welche 
direkt  giftig  auf  die  Pflanzen  einwirken.  An  Beispielen 
aus  unserm  Rheintal  zeigt  der  Vortragende,  wie  nasse 
Ebenen  gefahrliche  Froste  erzeugen  durch  ihre  grosse 
Was8erverdun8tung.  Verdunstung  bindet  Warme  und  diese 
wird  der  nachsten  Umgebung,  den  Rebgelanden  an  den 
Hangen,  entzogen.  Nasser  Boden  entsteht  entweder  durch 
Grundwa8ser,  welches  durch  Stauung  von  Fliissen  und 
Bachen  in  den  Ebenen  sich  ansammelt  oder  durch  auf 
undurchlassigem  Grund  entspringende  Quellen,  deren 
Wasser  nicht  gehorig  abgeleitet  wird.  Solchen,  sei  er 
aus  Leberfels,  Lehmbanken  oder  Gletscherschutt  gebildet, 
trifil  man  in  unserer  Gegend  vielerorts.  Als  erste  Frucht 
der   Rheinregulierung   gedenkt   Herr  Wild   der  enormen 


173 


Entwasserung  durch  den  Binnenkanal,  welche  jetzt  schon 
scheme  Erfolge  zeitigt.  Der  Entwasserung  muss  einhaufiges 
Umarbeiten  des  Bodens  folgen,  erst  dadurch  werden  die 
schadlichen  Sauren  neutralisiert  und  der  fruchtbare  Nolla- 
schlamm  aufgeschlossen  und  ertragfahig.  Die  Entwasse- 
rung  im  Kleinen  wird  durch  Ziehen  von  offenen  oder  mit 
Kies  oder  Holzlatten  ausgefullten  Graben  oder  durch 
Legen  von  Drainrohren  bewerkstelligt.  Letztere  sollen 
mindestens  1,20  m  tief  in  den  Boden  zu  liegen  kommen 
and  nicht  zu  eng  sein,  sonst  werden  sie  vollstandig  von 
einem  dichten  Wurzelgeflecht,  den  sog.  BWurzelz6pfenu, 
ausgefullt  und  ihr  Nutzeffekt  dadurch  auf  ein  Minimum 
reduziert.  Land-  und  Forstwirtschaft  ziehen  in  gleicher 
Weise  Vorteile  aus  rationell  durchgeflihrten  Entwasse- 
rangen ;  der  Humus  wird  erst  nach  der  Entwasserung  f iir 
die  Pflanzen  geniessbar,  Sturm,  Frostschaden  und  Schnee- 
dnick  verlieren  an  verderbender  Wirkung. 

Bis  zum  letzten  Atemzuge  hat  Herr  D ire k tor  Dr. 

B.  Wartmann  nicht  nur  die  Leitung   der  ihm  anver- 

trauten  Gesellschafb  in  zielbewusster  Hand  gehalten,  son- 

dern  auch  durch  eigene  Darbietungen  zur  Belebung  der 

Vereinsabende   beigetragen.     Noch   in   der   Sitzung   vom 

9.  Mai,    der  letzten,   der  er  beiwohnte,    demonstrierte   er 

onter  erlauternden  Bemerkungen  eine  Anzahl  Vogel,  die 

das  Museum   in  jiingster   Zeit   erhielt,   so   den  Stein- 

sperling,  der  bei  uns  Zugvogel,  im  biindnerischen  Rhein- 

tal,  im  Dnterwallis,  Genf  und  Neuenburg  dagegen  Nist- 

vogel  ist,    ein  junges   Schneehuhn   im   Sommerkleid, 

eine  Eidergans,  welche  von  Herrn  T o b  1  e r ,  Maler,  bei 

Rorschach   erlegt  wurde.     Herr  Praparator  Zollikofer 

schenkte  dem  Museum  ein  altes  Mannchen  der  Eidergans 


174 


im  Sommerkleid,  das  bereits  leise  Andeutungen  an  die 
prachtvolle  Winterrobe  enthalt.  Es  wurde  am  22.  Oktober 
1901  bei  Horn  lebend  gefangen.  Yom  Bodensee  stammen 
ferner  zwei  hiibsche  Haubentaucher  im  Sommer-  und 
Winterkleid.  Von  verschiedenen  Seiten  erhielt  Herr  Pra- 
parator  Zollikofer  Junge  im  Daunenkleid.  Auch  ein  makel- 
loser  Albino  vom  Haubensteisfuss  konnte  bei  Horn  am 
5.  Oktober  vorigen  Jahres  lebend  gefangen  werden.  Das 
Museum  besitzt  einen  zweiten  Albino  vom  kleinen  Steis- 
fuss.  Eine  Zierde  unserer  Voliere  bildete  lange  Zeit  eine 
aus  Norddeutschland  stammende  weisse  Dohle,  welche 
nach  ihrem  Ableben  ein  Platzlein  im  Museum  erhalten  hat. 


III. 

Verzeichnis 
der  zirkulierenden  Zeitschriften. 

A.  Fur  den  wissenschaftlichen  Lesekreis 

bestimmte  (je  1  Exemplar). 

(19  wissenschaftliche  Zeitschriften.) 

1.  Richet,  Revue  scientiiique. 

2.  Sklarek,  Naturwissenschaftliche  Rundschau.  Wochent- 
liche  Berichte  liber  die  Fortschritte  auf  dem  Gesamt- 
gebiete  der  Naturwissenschaften. 

3.  Milne  Edwards  et  Van  Tieghem,  Annales  des  sciences 
naturelles:  Zoologie  et  Botanique. 

4.  Archives  des  sciences  physiques  et  naturelles  (Biblio- 
theque  universelle). 

5.  Bastian,  Virchow  und  Voss,  Zeitschrift  fur  Ethnologie. 

6.  Kiihne  und  Voit,  Zeitschrift  fur  Biologie. 

7.  Kolliker  und  Ehlers,  Zeitschrift  fur  wissenschaftliche 
Zoologie. 

8.  Wettstein,  Osterreichische  botanische  Zeitschrift. 

9.  Uhlworm  und  Kohl,  Botanisches  Zentralblatt. 

10.  Bauer,  Koken  und  Liebisch,  Neues  Jahrbuch  fur 
Mineralogie,  Geologie  und  Palaontologie. 

11. Zentralblatt  fiir  Mineralogie,  Geologie  und  Pala- 
ontologie. 

12.  Krahmann,  Zeitschrift  fur  praktische  Geologie. 

13.  Wiedemann,  Annalen  der  Physik. 

H. Beiblatter  zu  den  Annalen  der  Physik. 


176 


15.  Arendt,  Chemisches  Zentralblatt. 

16.  Meyer,  Journal  fur  praktische  Chemie. 

17.  Hann  und  Hellmann,  Meteorologische  Zeitschrifb. 

18.  Virchow,  Nachrichten  iiber  deutsche  Altertumsfunde. 

19.  Revue  Suisse  de  Zoologie. 

B.  Fiir  den  popularen  Lesekreis  bestimmte. 
(28  populare  Zeitschrif  ten.) 

1.  Hesdtfrffer,  Natur  und  Haus.  Illustrierte  Zeitschrift 
fiir  alle  Naturfreunde.    (4  Exemplare.) 

2.  Klein,  G&a.  Natur  und  Leben.  Zentralorgan  zur  Ver- 
breitung  naturwissenschaftlioher  und  geographischer 
Kenntnisse.    (3  Ex.) 

3.  Koller,  Neueste  Erfindungen  und  Erfahrungen  auf  den 
Gebieten  der  praktischen  Technik,  Elektrotechnik,  der 
Gewerbe,  Industrie,  Chemie,  der  Land-  und  Hauswirt- 
schaft.    (2  Ex.) 

4.  Schwahn,  Himmel  und  Erde.  Illustrierte  naturwissen- 
schaftliche  Monatsschrift,  herausgegeben  von  der  Ge- 
sellschaft  Urania  in  Berlin.    (2  Ex.) 

6.  Schweiger-Lerchenfeld,  Der  Stein  der  Weisen.  Illu- 
strierte Halbmonatsschrift  fiir  Haus  u.  Familie.  (3  Ex.) 

6.  Witt,  Prometheus.  Illustrierte  Wochenschrifb  Tiber  die 
Fortschritte  in  Gewerbe,  Industrie  und  Wissenschaft. 
(3  Ex.) 

7.  Figuier,  La  science  illustree.  Journal  hebdomadaire. 
(1  Ex.) 

8.  Formentin,  Le  Magasin  pittoresque.   (3  Ex.) 

9.  Bibliotheque  universelle  et  Revue  Suisse.    (2  Ex.) 

10.  Potonie,  Naturwissenschaftliche  Wochenschrift.  (4  Ex.) 

11.  Westermanns  illustrierte  deutsche  Monatshefte  fiir  das 
gesamte  geistige  Leben  der  Gegenwart.    (4  Ex.) 


177 


12.  Andree,  Globus.  Dlustrierte  Zeitschrift  fur  Lander- 
und  Volkerkunde.    (3  Ex.) 

13.  Petermanns  Mitteilungen  aus  Justus  Perthes'  geogra- 
phischer  Anstalt.    Herausgegeben  von  Supan.    (2  Ex.) 

14.  Brix,  Gesundheit.  Hygieinische  und  gesundheits- 
technische  Zeitschrift.    (2  Ex.) 

15.  Custer,  Schweizerische  Blatter  fur  Gesundheitspflege. 
Dem  Schweizervolke  gewidmet  von  der  Gesellschaft 
der  Arzte  des  Kantons  Zurich.    (8  Ex.) 

16.  Sandoz,  Feuilles  d'Hygiene  et  de  medecine  populaires. 
(4  Ex.) 

17.  Bottger,  Der  zoologische  Garten.  Zeitschrift  fur  Be- 
obachtung,  Pflege  und  Zucht  der  Tiere.  Organ  der 
zoologischen  Garten  Deutschlands.    (2  Ex.) 

18.  Stahlecker,  Wild  und  Hund.    (3  Ex.) 

19.  Beck-Corrodi,  Schweizerische  Blatter  fur  Ornithologie 
und  Kaninchenzucht.    (4  Ex.) 

20.  Brodmann,  Die  Tierwelt.  Zeitung  fiir  Ornithologie, 
Gefliigel-  und  Kaninchenzucht.    (3  Ex.) 

21.  Hennicke,  Frenzel  und  Taschenberg,  Monatsschrift  des 
deutschen  Vereins  zum  Schutze  der  Vogelwelt.  (2.  Ex.) 

22.  Russ,  Die  gefiederte  Welt.  Wochenschrift  fur  Vogel- 
liebhaber,  -Ziichter  und  -Handler.    (2  Ex.) 

23.  Muller-Thurgau  und  Lobner,  Der  schweizerische  Garten- 
bau.  Ein  praktischer  Fuhrer  fiir  Gartner,  Garten-  und 
Blumenfreunde.    (4  Ex.) 

24.  Wittmack,  Gartenflora.  Zeitschrift  fiir  Garten-  und 
Blumenkunde.    (2  Ex.) 

25.  Bourguignon,  Revue  horticole.    (2  Ex.) 

26.  Stebler,  Schweizerische  landwirtschaftliche  Zeitschrift. 
Herausgegeben  vom  schweizerischen  landwirtschaft- 
lichen  Verein.    (3  Ex.) 

12 


178 


27.  Miiller-Thurgau  und  Zschokke,  Schweizerische  Zeit- 
schrift  fur  Obst-  und  Weinbau.  Organ  des  schweize- 
rischen  Obst-  und  Weinbauvereins,  sowie  der  Ver- 
suchsstation  und  Schule  fur  Obst-,  Wein-  und  Garten- 
bau  in  W&denswil.    (4  Ex.) 

28.  Fankhauser,  Schweizerische  Zeitschrift  fur  das  Forst- 
wesen.  Organ  des  schweizerischenForstvereins.  (3  Ex.) 

Vorschlage  fiir  Neuanschaffungen: 
Fur  den  wissenschaftlichen  Lesekreis: 

1.  Biologisches  Zentralblatt  von  Rosental,  Fr.  26  p.  Jahr. 

2.  Zentralblatt  fiir  Anthropologie  und  Ethnologic,  Fr.  15. 

3.  Acta  mathematica  von  Mittag-Leffler,  Fr.  20. — . 


IV. 

Bericht 

fiber  den  Schriften-Austausch  und  die  Mappenzirkulation 

(1.  Juli  1901  bis  31.  Dezember  1902). 

Vom  Bibliothekar  der  Gesellschaf t : 
Konservator  E.  Bachler. 


Abermals  floss  ein  reiches  Material  von  Berichten, 
Abhandlungen  etc.  der  mit  uns  im  Tauschverkehr  stehen- 
den  wissen8chaftlichen  Gesellschaften  und  Vereine  herzu 
(238  Sendungen).  Die  Gesamtzahl  dieser  Institute  betragt 
heute  207,  woriiber  das  nachstehende  Verzeichnis  genauen 
Aufschluss  erteilt. 

Neu  hinzugekommen  sind  folgende: 
Columbus  (Ohio),  Ohio  State  University, 
Leiden  (Holland),  Chefredaktion  des  „Botanischen  Zen- 

tralblatt", 
Liestal,  Naturforschende  Gesellschaft  Baselland, 
Montana,  University  of  Montana, 
New-York  City,  American  Mathematical  Society. 

Mit  besonderer  Freude  und  verbindlichstem  Danke 
erwahnen  wir  wiederum  mehrerer  Dedikationen,  welche 
von  Freunden  und  Gonnern  unserer  Gesellschaft  iiber- 
macht  wurden,  so  von  den  HH.  Prof.  Dr.  J.  Friih  (Zurich), 
Prof.  Dr.  E.  Goldi(Para),  Prasident  W.  Gsell  (St.Gallen), 
Dr.  G.  Stierlin  (Schaffhausen)  und  Prof.  Dr.  A.  Wolfer 
(Zurich). 

Uber  den  Gang  der  Mappenzirkulation  konnen 


180 


wir  uns  mehr  oder  weniger  kurz  fassen.  —  Wenn  im 
grossen  Ganzen  in  den  meisten  Lesekreisen  eine  stramme 
Ordnung  herrschte,  so  machten  sich  in  einzelnen  derselben 
Storungen  empfindlichster  Art  geltend,  namentlich  infolge 
von  Mappenanhaufungen.  Im  Interesse  der  Bessergestal- 
tung  dieses  einen  Ubelstandes  sahen  wir  uns  veranlasst, 
wahrend  einer  bestimmten  Zeit  in  mehrere  Kreise  nur  je 
alle  14  Tage  Lesestoff  zu  versenden.  Dieses  Vorgehen 
hatte  eine  entschiedene  Wirkung.  Sehr  viel  konnen  unsere 
Regulatoren  durch  strikte  Handhabung  ihrer  Kompetenzen 
(Versandt  von  nur  einer  Mappe  per  Woche,  in  der 
Reihenfolge  der  Speditionsnummern),  die  iibrigen  Leser 
unserer  Mappen  aber  durch  genaues  Innehalten  des  „Lese- 
reglementesa  dazu  beitragen,  die  Zirkulation  zu  einer  far 
alle  Teile  erfreulichen  zu  gestalten. 

Wiederholt  ist  es  vorgekommen,  dass  namentlich  neu 
eingetretene  Leser  nicht  die  voile  Lesezeit  von  7  Tagen, 
sondern  nur  deren  4 — 6  eingetragen,  andere  dagegen  die 
Mappen  8  und  mehr  Tage  behielten.  Findet  der  Biblio- 
thekar  ein  solches  plus  oder  minus  schwarz  auf  weiss 
in  den  Listen  aufgezeichnet,  so  muss  er  nach  den  Vor- 
schriften  des  Reglementes  die  stets  unwillkommene  Busse 
verhangen.  Da  wir  in  einem  Separatschreiben  an  alle 
unsere  Leser  gelangen  werden,  in  welchem  der  eint  und 
andere  Passus  des  Reglementes  liber  die  Beniitzung  der 
Lesemappen  weiter  ausgefiihrt  ist,  verzichten  wir  hier  auf 
speziellere  Auslassungen,  wollen  aber  besonders  noch  her- 
vorheben.  dass  in  der  jetzt  bestehenden  Reihenfolge  der 
Leser  im  kommenden  Jahre  eine  Neuordnung  geschaffen 
werden  muss. 

Die  Zahl  der  Leser  unserer  Mappen  betrug  im  Be- 
richtsjahre   280   ( —   1).     Hie  von  fallen   auf  die   wissen- 


schaftliche  Sektion  37,  auf  die  populare  deren  243.  In  dor 
Sralt  wohuun    171  i-r  5),  auf  d em  Landi;  109  ( —  6)  Loser. 

Von  den  Zeitschriften  sind  das  rArchiv  fur 
Xaturgeschichte"  von  Hilgendorf  und  die  so  beliebte 
„Natur*  in  Wegfall  gekommen.  Ersteres  ist  mit  den 
Jahren  in  seinen  verschieden  voluminosen,  zwanglos  er- 
scheinenden  Banden  so  teuer  geworden,  dass  wir  die 
Ausgaben  fur  dasselbe  (Fr.  80  fur  einen  Band  von  circa 
400  Seiten)  nicht  mehr  zu  rechtfertigen  vermochten,  um 
so  mehr,  als  diese  Zeitschrift  nur  mehr  ein  Litteraturver- 
zeichnis,  teilweise  auch  mit  kritischen  Rezensionsberichten 
und  kurzen  Inhaltsangaben  ist.  Wir  haben  vorgezogen, 
an  Stelle  deraelben  unsern  Zwecken  mehr  entsprechende 
Schriften,  u.  a.  auch  neuere,  popular-wissenschaftlich  ge- 
haltene  und  streng  wissenschaftliche  Werke  von  allge- 
meiner  Bedeutung  unsern  Mappen  einzuverleiben.  Die 
rNatura  ist  mit  dem  Jubilaumsjahr  (51)  eingegangen, 
bezw.  mit  der  im  Verlage  von  Gustav  Fischer  in  Jena 
erscheinenden  ^Naturwissenschaftlichen  Wochenschrift " , 
herausgegeben  von  Prof.  Dr.  Potonie,  vereinigt  worden, 
welch  letztere  wegen  ihres  gediegenen  Inhaltes,  ihrer 
zahlreichen  Originalarbeiten  und  des  ausserordentlich  billi- 
gen  Preises  (Mark  1. 60  per  Vierteljahr)  nunmehr  in  4 
Eiemplaren  gehalten  wird. 

Von  Neujahr  1903  ab  kommen  als  neu  abonnierte 
Zeitschriften  fur  die  wissenschafthche  Sektion  hinzu: 
Bosental:  Biologisches  Zentralblatt,  und  Mittag- 
Leffler:  Acta  mathematica.  Letztere  haben  wir  auf 
speziellen  Wunsch  unserer  Mathematiker,  welche  zu  den 
eifrigsten  Lesern  der  Mappen  und  den  Forderern  unserer 
Vereinsinteressen  zahlen,  angeschaSl.  Ausserdem  sind  im 
verflossenen  Jahre  wiederum  eine  grossere  Zahl  von  Ein- 


182 


zelschriften  und   in  Lieferungen   erscheinende  Werke   in 

die  Mappen  gewandert.    Wir  erwahnen  der  Ktirze  halber 

nur  folgende: 

Kramer:  Weltall  und  Menschheit. 

Lamport:  Die  Volker  der  Erde. 

Ratzel:  Die  Erde  und  das  Leben. 

Meyer:   Der  Untergang    der   Erde    und   die  kosmischen 

Katastrophen. 
Meyer:  Die  Entstehung  der  Erde  und  des  Irdischen. 
Keller:  Die  Abstammung  der  altesten  Haustiere. 

Wir  geben  uns  der  Hoffhung  hin,  es  mochten  durch 
Zuzug  derartiger  prachtiger  litterarischer  Erscheinungen 
allmalig  jene  Klagen  iiber  den  „altenu  Lesestoff  ver- 
schwinden;  tibrigens  gibt  es  wohl  wenige  naturwissen- 
schaftliche  Gesellschaflen,  welche  eine  solch  reiche  Aus- 
wahl  gediegener  Zeitschrifben  fuhren  (49,  namlich  21  rein 
wissenschaftlichen  und  28  mehr  popularen  Inhalts).  Da- 
gegen  ist  es  unvermeidlich,  dass  eben  in  alien  Lesekreisen 
auch  Hefte  altern  Datums  zirkulieren,  andernfalls  miisste 
fiir  jeden  derselben  ein  eigenes  Exemplar  angeschafil 
werden,  was  aber  z.  B.  bei  8  popularen  Kreisen  fur  unsere 
Kasse  eine  unerschwingliche  Ausgabe  bedeuten  wiirde. 


j 


V. 

Akademien  und  Vereine, 

mit  welchen 

die  St.  Gallische  Naturwissenschaftliche  Gesellschaft 
in  Tauschverbindung  steht. 


Aarau.     Aargauische  Naturforschende  Gesellschaft. 

AUenburg.    Naturforschende  Gesellschaft  d«s  Osterlandes. 

Augsburg.    Naturhistorischer  Verein   fiir  Schwaben   und  Neuburg. 

Baltimore.    Johns  Hopkins  University. 

Bamberg.    Naturforschende  Gesellschaft. 

Basel.    Naturforschende  Gesellschaft. 

Bautzen.    Naturwissenschaftliche  Gesellschaft  Isis. 

Bergen.    Museum. 

Berlin.    Botanischer  Verein  fiir  die  Provinz  Brandenburg. 

—  Deutsche  geologische  Gesellschaft. 

—  Kgl.  preussisches  meteorologisches  Institut. 
Bern.    Naturforschende  Gesellschaft. 

—  Schweizerische  naturforschende  Gesellschaft. 
Bdhmisch-Leipa.    Nordbohmischer  Exkursionsklub. 

Bonn.    Naturhistorischer  Verein  der  preussischen  Rheinlande,West- 

falens  und  des  Regierungsbezirks  Osnabruck. 
Boston.    American  Academy  of  Arts  and  Sciences. 

—  Society  of  Natural  History. 

—  John  Hopkins  University. 

Braunsberg  (Ostpreussen).     Botanisches  Institut  des  konigl.  Lyceum 

Hosianum. 
Braunschweig.    Verein  fur  Naturwissenschaft. 
Bremen.    Meteorologisches  Observatorium. 

—  Naturwissenschaftlicher  Verein. 

Breslau.    Schlesische  Gesellschaft  fiir  vaterlandische  Kultur. 

Brooklyn.    Institute  of  Arts  and  Sciences. 

Briinn.    K.  k.  ma  b  rise  he  Landwirtschaftsgesellschaft. 

—  Museum  Francisceum. 

—  Naturforschender  Verein. 


184 


Briinn.    Klub  far  Naturkunde. 

Briissd.   Academie  royale  des  sciences,  des  lettres  et  des  beaux-arts. 

—  Societe  entomologique  de  Belgique. 

—  Society  nialacologique  de  Belgique. 

—  Societe  royale  de  Botanique  de  Belgique. 

Budapest.    Regia  Societas  Scientiarum  Naturalium  Hungarica. 

—  Ungarisches  Nationalmuseum. 

—  Ungarische  ornithologische  Centrale. 
Buenos-Ayrcs.    Museo  nacional. 

—  Academia  nacional  de  Sciencias. 

—  Deutsche  akademische  Vereinigung. 
Buffalo.    Society  of  Natural  Sciences. 

Cambridge  (Mass.).     Museum  of  Comparative  Zoology. 

Cosset.    Verein  fur  Naturkunde. 

Cliapell  Hill  (North-Carolina).    Elisha   Mitchell  Scientific  Society. 

Chemnitz.    Naturwissenschaftliche  G-esellschaft. 

Cherbourg.  Societe  nationale  des  sciences  naturellesetraathematiques. 

Chicago.    Academy  of  Sciences. 

CJiur.    Naturforschende  Gesellschaft  Graubundens. 

Cincinnati  (Ohio).     Lloyd  Library. 

Colmar.    Naturhistorische  Gesellschaft. 

Colorado  Springs.    Colorado  College. 

Columbus  (Ohio).    Ohio  State  University. 

Cordoba  (Rep.  Argentina).     Academia  nacional  de  Ciencias. 

Danzig.    Naturforschende  Gesellschaft. 

Darmstadt.    Mittelrheinischer  geologischer  Verein. 

Davenport.    Academy  of  Natural  Sciences. 

Denver  (Colo.).     Colorado  Scientific  Society. 

Des  Moines  (Iowa).     Geological  Survey. 

Donaueschingen.    Verein   fur  Geschichte   und  Naturgeschichte  der 

Baar. 
Dresden.     Gesellschaft  fur  Natur-  und  Heilkunde. 

—  Naturwissenschaftliche  Gesellschaft  „Isis". 
Dublin.    Observatory  of  Trinity  College. 

Diirkheim  a.  d.  Hardt.     Pollichia,   Naturwissenschaftlicher   Verein 

der  Rheinpfalz. 
Elberfeld.    Naturwissenschaftlicher  Verein. 
Emden.    Naturforschende  Gesellschaft. 
Erlangen.    Physikalisch-medicinische  Societat. 
Florenz.     Quarto  Castello,  Osservatorio. 
Frankfurt  a.  M.    Physikalischer  Verein. 


185 


Frankfurt  a.  M.  Senckenbergische  Naturforschende  Gesellschaft. 
Frankfurt  a.  d.  O.    Naturwissenschaftlicher  Verein  des  Regierungs- 

bezirkes  Frankfurt. 
Frauenfeld.    Thurgauische  naturforschende  Gesellschaft. 
Freiburg  i.  B.    Naturforschende  Gesellschaft. 
Freiburg  (Schweiz).     Societe  des  sciences  naturelles. 
Fnlda.     Verein  fur  Naturkunde. 
Gcnf.    Institut  national  genevois. 
-     Societe  botanique. 

Society  de  Physique  et  d'Histoire  naturelle. 

—  Conservatoire  et  Jardin  botanique. 

Gem.    Gesellschaft  von  Freunden  der  Naturwissenschafton. 

Giessen.    Oberhessische  Gesellschaft  fur  Natur-  und  Heilkunde. 

Gbirus.     Naturforschende  Gesellschaft. 

Gorlitz.     Naturforschende  Gesellschaft. 

Graz.    Naturwissenschaftlicher  Verein  fur  Steiermark. 

—  Verein  der  Arzte  in  Steiermark. 
Greifstcald.    Geographische  Gesellschaft. 

—  Naturwissenschaftlicher  Verein  von  Neu  -Vorpommern   und 

Riigen. 
GOntrow.    Verein  der  Freunde  der  Naturgeschichte  in  Mecklenburg. 
Haarlem.     Musee  Tayler. 

Halifax  (Nova  Scotia,  Can.).  Nova  Scotia  Institute  of  Natural  Science. 
Halle  a.  d.  S.   K.  Leop.-Carol.  Deutsche  Akademie  der  Naturforscher. 

—  Naturwissenschaftl.  Verein  fiir  Sachsen  und  Thuringen. 

—  Verein  fiir  Erdkunde. 

Hamburg.    Naturwissenschaftlicher  Verein. 

—  Verein  fiir  naturwissenschaftliche  Unterhaltung. 

Hanau.    Wetterauische  Gesellschaft  fiir  die  gesamte  Naturkunde. 
Hannover.    Naturhistorische  Gesellschaft. 
Heidelberg.    Naturhistorisch-medizinischer  Verein. 
Bdsingfors.    Societas  pro  Fauna  et  Flora  Fennica. 
Hermannstadt.    Siebenbiirgischer  Verein  fiir  Naturwissenschafton- 
Iglo.    Ungarischer  Karpathen-Verein. 
Inruhruck.     Ferdinandeum  fur  Tirol  und  Vorarlberg. 
Karlsruhe.    Naturwissenschaftlicher  Verein. 
Kami.    Verein  fiir  Naturkunde. 

Kiel.    Naturwissenschaftlicher  Verein  fiir  Schleswig-Holstein. 
Klagenfurt.     Naturhistorisches  Landesmuseum  von  Karnten. 
Klautenburg.  Siebenbiirgischer  Museumsverein  (arztliche  und  natur- 
wissenschaftliche Abteilung). 
Konigsberg.     Physikalisch-okonomische  Gesellschaft. 


186 


Krefeld.    Verein  fur  Naturkunde. 

Landshut.    Botanischer  Verein. 

La  Plata  (Rep.  Argentina).     Museo  de  la  Plata. 

Lausanne.    Soci^te  vaudoise  des  sciences  naturelles. 

Leiden.   Chef-Redaktion  des  botanischen  Zentralblattes,  E.  J.  Brill. 

Leipzig.    Naturforschende  Gesellschaft. 

Liestal.    Naturforschende  Gesellschaft  Baselland. 

Linz.    Museum  Francisco-Carolinum. 

—  Verein  fur  Naturkunde  in  Osterreich  ob  der  Enns. 
Liineburg.    Naturwissenschaftlicher  Verein. 

Luxemburg.    Institut  grand- ducal,  section  des  sciences  naturelles 
et  math6matiques. 

—  Verein  Luxemburger  Naturfreunde. 

—  Soci6t6  botanique. 

Luzern.    Naturforschende  Gesellschaft. 

Lyon.    Societe  Linn6enne. 

Madison  (Wisconsin).     Academy  of  Sciences,  Arts  and  Letters. 

Magdeburg.    Naturwissenschaftlicher  Verein. 

Marburg.     Gesellschaft  zur  Beforderung  der  Naturwissenschaften. 

Meriden  (Conn.).     Scientific  Association. 

Mexiko.    Instituto  geologico  de  Mexiko. 

Milwaukee.    Public  Museum. 

—  Wisconsin  Natural  History  Society. 
Minneapolis  (Minnesota).    Academy  of  Natural  Sciences. 
Montana.    University  of  Montana.     Missoula  (Mont.). 
Montevideo.    Museo  Nacional. 

Moskau.    Societe  Imperiale  des  Naturalistes. 

Miinchen.    Kgl.  bayrische  Akademie  der  Wissenschaften. 

—  Ornithologische  Gesellschaft. 

Miinster.  Westfalischer  Provinzial verein  f iir Wissenschaft  und Kunst. 

Nancy.    Societe  des  sciences. 

Nantes.    Societe  des  sciences  naturelles  de  TOuest  de  la  France. 

Neisse.    Wissenschaftliche  Gesellschaft  Pbilomathie. 

NeucJidtel.    Societe  des  sciences  naturelles. 

—  Societe  de  Geographic. 

Neustadt  a.  d.  H.     Pollichia,  naturwissenschaftlicher  Verein  der 

Rheinpfalz. 
New-Haven  (Connecticut).     Academy  of  Arts  and  Sciences. 
New-York.    Academie  of  Sciences. 

—  American  Museum  of  Natural  History. 

—  American  Mathematical  Society. 


187 


Swrnberg.    Naturhistorische  Gesellschaft. 

Odessa.    Neu-russische  Gesellschaft  der  Naturforscher. 

Offenbach.    Verein  fur  Naturkunde. 

Osnabruck.    Naturwissenschaftlicher  Verein. 

Pard  (Brasilia  n).  Museu  Paraense  de  Historia  natural  e  Ethnographia. 

Paris.    Jeunes  Naturalistes. 

Passau.     Naturhistorischer  Verein. 

Petersburg.    Hortus  Petropolitanus. 

Philadelphia.    Academy  of  Natural  Sciences. 

—  American  Philosophical  Society. 

—  Wagner  Free  Institute  of  Science. 
Pisa.    Societa  toscana  di  Scienze  Naturali. 

Prag.    Kgl.  bohmische  Gesellschaft  der  Wissenschaften. 

—  „Loto8u,  deutscher  naturwissenschaftlich-medizinischer  Ver- 

ein fiir  Bohmen. 
Prtssburg.    Verein  fiir  Natur-  und  Heilkunde. 
Regensburg.    Kgl.  Botanische  Gesellschaft. 

—  Naturwissenschaftlicher  Verein. 
Reichenberg  (Bohmen).    Verein  fiir  Naturfreunde. 
Rio  de  Janeiro.    Museu  nacional. 

Rock  Island  (111.).  Augustana  College. 
Rochester  (N.  Y.).  Academy  of  Science. 
Rom.    Ac  cade  mi  a  dei  Lincei. 

—  Specola  Vaticana. 

Salem  (Mass.).  American  Association  for  the  Advancement  of  Science. 

—  Essex  Institute. 

Santiago  (Chili).    Societe  scientifique  du  Chili. 
St.  Louis  (Missouri).    Academy  of  Science. 

—  Botanical  Garden. 

Sitten.    Murithienne,  Societe  valaisanne  des  sciences  naturelles. 

Solothurn.    Naturforschende  Gesellschaft. 

Springfield  (111.).    Illinois  State  Laboratory  of  Natural  History. 

Stavanger  (Norwegen).    Museum. 

Stockholm.    Entomologiska  Foreningen. 

Stuttgart.    Verein  fiir  vaterlandische  Naturkunde  in  Wurttemberg. 

Topeka  (Kansas).    Kansas  Academy  of  Science. 

Trencsin  (Ungarn).     Naturwissenschaftlicher  Verein  des  Troncsiner 

Comitates. 
Tricst.    Societa  Adriatica  di  Scienze  Naturali. 

—    Museo  civico  di  storia  naturale. 
Tromso.    Museum. 


188 


Tufts  College  (Mass.). 

Ulm.    Verein  fur  Mathematik  und  Naturwissenschaften. 

Upsala.    Kgl.  Universitatsbibliothek. 

Urbana  (111.).    State  Laboratory  of  Natural  History. 

Valparaiso.    Deutscber  wissenschaftl.  Verein  zu  Santiago  de  Cbile. 

Washington.    Department  of  Agriculture. 

—  Smithsonian  Institution. 

—  U.  S.  Geological  Survey. 

—  U.  S.  National  Museum. 

Wemigerode.    Naturwissenschaftlicher  Verein  des  Harzes. 

Wien.    K.  k.  Zentralanstalt  fiir  Meteorologie  und  Erdmagnetismus. 

—  Entomologischer  Verein. 

—  K.  k.  geologische  Reichsanstalt. 

—  K.  k.  naturhistorisches  Hof museum. 

—  Verein  zur  Verbreitung  naturwissenschaftlicher  Kenntnisse. 

—  Zoologisch-botanische  Gesellschaft. 
Wiesbaden.    Nassauischer  Verein  fiir  Naturkunde. 
Winterthur.    Naturwissenschaftliche  Gesellschaft. 
WUrzburg.    Physikalisch-medizinische  Gesellschaft. 

Zagreb  (Agram,  Kroatien).   Societas  Historico-Naturalis  Croatica. 
Zurich.    Naturforschende  Gesellschaft. 

—  Schweizerische  botanische  Gesellschaft. 

—  Physikalische  Gesellschaft. 
Zwickau.    Verein  fiir  Naturkunde. 


VI. 

Verzeichnis 

der 

vom  i.  Juli  iqoi  bis  31.  Dezember  1902  eingegangenen 
Druckschriften. 

Zusammengestellt  vom  Bibliothekar  der  Gesellschaft: 
E.  Bftchler. 


A.  Von  Gesellschaften  und  Behorden: 
Aarau.     Aargauische  Naturforschende  Gesellschaft. 

Mitteilungen.    IX.  Heft.    1901. 
Alttnburg.     Naturforschende  Gesellschaft  des  Osterlandes. 

Mitteilungen.    Neue  Folge.    10.  Band.    1902. 
Augsburg.  Naturwissenscliaftlicher  Verein  fiir  Schivaben  und  Neuburg. 

35.  Bericht.     1902. 
Baltimore.    John  Hopkins  University. 

Circulars.     Vol.  XX,  nos.  154—159. 
Bamberg.    Naturforschende  Gesellschaft. 

18.  Bericht.    1901. 

Carl  Neupert.     Mechanik  des  Himmels  und  der  Molekiile. 
Basel.    Naturforschende  Gesellschaft. 

Verhandlungen.    Band  XIII,  1—3;  Band  XXIV. 

Zur  Erinnerung  an  Tycho  de  Brahe  (von  Fr.  Burckhardt). 

Namensverzeichnis   und   Sachregister    der   Bande  VI   bis  XII 
(1875—1900). 
Bautzen.     Naturwissenschaftliche  Gesellschaft  „Isis". 

Sitzungsberichte  und  Abhandlungen.     1898 — 1901. 
Bergen.     Museum. 

Sars.  An  account  of  the  Crustacea  of  Norway.    Vol.  IV.   Cope- 
poda,  part  I — X. 

Aarbog  1901.    1902,  1.  und  2. 

Aarsberetning  for  1901. 
Berlin.    Botanischcr  Yerein  der  Promnz  Brandenburg. 

Verhandlungen.    43.  Jahrgang. 


190 


Berlin.    Deutsche  geologische  Gesellschaft. 

Zeitschrift.   Band  LIU,  Heft  2  und  3;  Band  LIV,  Heft  1  und  2. 
E.  Koken:  Die  deutscbe  geologische  Gesellschaft  in  den  Jahren 
1848—1898,  mit  einem  Lebensabriss  von  Ernst  Beyrich. 
Berlin.    Kgl.  preussisches  meteorologisches  InstUut. 

Bericht  iiber  die  Tatigkeit  im  Jahre  1900  und  1901. 
Ergebnisse  der  Beobachtungen  an  den  Stationen  2.  und  3.  Ord- 

nung  im  Jahre  1896,  Heft  3;  im  Jahre  1900,  Heft  2. 
Abhandlungen.    Band  I,  Nr.  6—8.    Band  H,  Nr.  1. 
Deutsches  meteorologischos  Institut  fur  1901,  Heft  1. 
Ergebnisse  der  Niederschlagsbeobachtungen  in  den  Jahren  1897 

und  1898. 
Regenkarte  der  Provinzen  Brandenburg  und  Pommern. 
„  „  „  Sachsen  und  Thuringen. 

„  „  „  Schleswig-Holstein  und  Hannover. 

Jahrbuch  fiir  1901,  Heft  H;  Preussen  und  benachbarte  Staaten. 
Bern.    Naturforschende  Gesellschaft. 

Mitteilungen  aus  den  Jahren  1900  und  1901. 
Bern.     Schweizerische  naturforschende  Gesellschaft. 

Verhandlungen.   84.  Jahresversammlung  vom  4.  bis  6.  August 

1901  in  Zofingen. 
Compte-rendu  des  travaux  presentes  a  la  84me  session  reunie 

a  Zofingue. 
Beitrage  zur  Kryptogamenflora  der  Schweiz.    Band  I,  Heft  3. 
Bbhmisch-Leipa.    Nordbohmischer  Exkursionsklub. 

Mitteilungen.     24.  Jahrgang,  4.  Heft;  25.  Jahrg.,  1.— 4.  Heft. 
Bonn.    Naturhistorischer  Veiein   dtr  preussischen  Rheinlande,  West- 
falens  und  des  Begierungsbezirkes  Osnabruek. 
Verhandlungen.    58.  Jahrgang.    59.  Jahrgang,  1.'  Halfte. 
Sitzungsberichte  der  niederrheinischen  Gesellschaft  fiir  Natur- 
und  Heilkunde.     1901.     1902. 
Boston.    American  Academy  of  Arts  and  Sciences. 

Proceedings  Vol.  35;  nos.  20—22.  Vol.36;  nos.  2— 29.  Vol.  37; 
nos.  1—22. 
Braunschweig.     Veiein  fiir  Naturwissenschaft. 

12.  Jahrosbericht.     1899-1901. 
Bremen.     Natunvissenschaf flicker  Verein. 

Abhandlungen.     Band  XVII,  Heft  1. 
Bre m e n.     Meteor ologisches  Obserratminm. 
Jahrbuch  XI  und  XII.     1900  und  1901. 


191 


Breslau.     Schlesische  Oesellschaft  fiir  vaterlandische  Kultur. 

78.  und  79.  Jahresbericht. 

Beitrage  zur  Kenntnis  der  Verbreitung  der  Gefasspflanzen  in 
Scblesien. 
Br iinn.    Naturforschender  Vertin. 

Verbandlungen.     Band  XXXIX  (1900). 

XIX.  Bericbt  der  meteorologiscben  Kommission. 
Brunn.  Klub  fur  Naturkunde  (Sektion  des  Briinner  Lebrervereins). 

Bericbte  und  Abhandlungen.  Jabrgang  III,  1900/01.  Jabrg.  IV 
1901/02. 
BrusseL    Sociite  entomologique  de  Belgique. 

Memoires  VIII. 
Brussel.     SociHe  malacologique  de  Belgique. 

Annales.    1900. 
BrusseL    Academic  rot/ale  des  sciences,  des  lettres  et  des  beaux-arts. 

Annuaire.     1900.     1901.    1902. 

Bulletins.    1899-1901.    1902,  1—5. 
Budapest.     Ungarische  omithologische  Zentrale. 

Aquila,  Journal  f iir  Ornitbologie  VI-IX.  Jabrgang,  1898—1902. 

O.  Hermann,  tJber  die  Nutzlichkeit  und  Scbadlicbkeit  der  Vogel. 
Budapest.     Vngarisches  Nationalmuseum. 

Zeitscbrift.    Vol.  XXIV,  part.  Ill— IV;  Vol.  XXV,  part.  I— IV. 
Budapest.    Regia  Societas  Scientiarum  Naturalium  Hungarica. 

Mathematisch  -  naturwissenscbaftlicher   Bericbt  von   Ungarn; 
14—16.  Band. 
Butnos-Ayres.    Academia  national  de  Ciencias  en  Cordoba. 

Boletin.    Tomo  XVI,  entr.  1»— 3»;  XVII,  entr.  K 
Butnos-Ayres.    Museo  National. 

Communicaciones.    Tomo  I,  nos.  9—10. 
Butnos-Ayres.     Deutsche  akademische  Vereinigung. 

Veroffentlichungen.    Band  I,  Heft  4 — 5. 
Buffalo.     Society  of  Natural  Sciences. 

Bulletin.     Vol.  VII,  no  1. 
Cambridge.     Museum  of  Comparative  Zoology. 

Bulletin.     Vol.  XXXVII,    nos.  3;    Vol.  XXXVIII,    nos.  5-7; 
Vol.  XXXIX,  nos.  3— 4;  Vol.  XL,  nos.  2-3;  Vol.  XLI,  no.  1. 

Annual  Report  for  1900—1901. 
Chapel  Hill  (N.  C).    Elisha  Mitchell  Scientific  Society. 

Journal.     Seventeenth  year,  part  second. 
Chtrbourg.    Societi  nationale  des  sciences  naturelles  et  mathematiqucs. 

Memoires.     Tome  XXXII  (1901—1902). 


192 


Chicago.    Academy  of  Sciences. 

Bulletin.     Vol.  II,  Nr.  3  und  Nr.  4,  part.  1. 
Chur.    Naturforschende  Gesellschaft  Graubiindens. 

Jahresbericht.     Band  XLIV.     1900—1901. 
Cincinnati  (Ohio).    Lloyd  Library. 

Bulletin.     1902,  Nr.  4  (Pharmacy  Series,  Nr.  1). 
Col  mar.     Naturhistorische  Gesellschaft. 

Mitteilungen.    Neue  Folge.     Band  VI,  1901  und  1902. 
Colorado  Springs.     Colorado  College. 

Studies.    Vol.  IX. 
Columbus  (Ohio).     Ohio  State   University. 

Thirtieth  Annual  Report.     Bulletins,  Series  5,  Number  1. 

Thirty-first  Annual  Report  for  the  year  ending  June  30,  1901 
(part.  I — II),  Series  6,  Number  1. 
Cordoba  (Rep.  Argentina).     Academia  Nacional  de  Ciencias. 

Boletin.     Tomo  XVI,  entr.  4\ 
Danzig.    Naturforschende  Gesellschaft. 

Schriften.     10.  Band,  2.  und  3.  Heft. 
Darmstadt.     Verein  fur  Erdkunde  und  Grossherzoglich  Geologischt 
Landesanstalt. 

Notizblatt.    IV.  Folge,  21.  Heft  (1900);  22.  Heft  (1901). 
Davenport.     Academy  of  Natural  Sciences. 

Proceedings.    Vol.  VIII. 
Denver.     Colorado  Scientific  Society. 

Proceedings.     Vol.  VI.     1897     1900. 
Des  Moines  (Iowa).     Geological  Survey. 

Annual  Report  1900.     Vol.  XI. 
Dresden.  Naturwissenscliaftliche  Gesellschaft  Isis. 

Sitzungsberichte  und  Abhandlungen.  Jahrg.  1901.  1902,  I.  HefL 
Dresden.     Gesellschaft  fur  Natur-  und  Heilkunde* 

Jahresbericht.     1899—1900,  1900—1901. 
Diirkheim  a.  d.  Hardt.     Pollichia,  Naturwissenschaftlicher  Verein 
der  Rheinpfalz. 

Mitteilungen.     Nr.  16—17. 
Km  den.    Naturforschende  Gesellschaft. 

86.  Jahresbericht. 
Erlangen.    Physikaliseh-medizinischc  Societal \ 

Sitzungsberichte.     33.  Heft,  1901. 
Frankfurt  a.  d.  O.    Naturioissenschaftlicher  Verein  des  Regierungs- 
bezirkes  Frankfurt. 

Helios.     19.  Band. 

Societatum  Litterse.     Jahrgang  XV. 


193 


Frankfurt  a.  M.     Physikalischer  Verein. 

Jahresbericht  1899—1900,  1900—1901. 
Frankfurt  a.  M.    Senckenbergische  naturforschende  GeseUschaft. 

Bericht  fur  1901  und  1902. 
Freiburg  (Breisgau).    Naturforschende  GeseUschaft. 

Berichte.     XII.  Band  (1902). 
Freiburg  (Schweiz).    Socitte  fribourgeoise  des  sciences  naturelles. 

Bulletin.    Vol.  IX. 

Memoires.    Chemie,  Band  I,  Heft  3—4. 
Botanik.    Band  I,  Heft  2—3. 
Geologie  und  Geographie.    Band  II,  Heft  1—2. 
Ful da.    Yerein  fur  Naturkunde. 

2.  Erganzungsheft. 
Genf    Conservatoire  et  Jardin  botanique. 

Annuaire.    5me  annee. 
Gtnf.    Societe  de  Physique  et  aVHistoire  Naturelle. 

Memoires.    Tome  XXXIV,  fasc.  1—2. 
G lessen.    Oberhessisehe  GeseUschaft  fur  Natur-  utid  Heilkunde. 

33.  Bericht.    1899—1902. 
Graz.    Naturwissenschaftlkher  Verein  fiir  Steiermark. 

Mitteilungen.    Jahrgang  1900.  1901. 
Graz.    Verein  der  Arzte  in  Steiermark. 

Mitteilungen.    37.  Jahrgang.     1900. 
Greifstcald.    Naturwissenschaftlicher  Verein  von  Neii -Vorpommem 
utid  Riigen. 

Mitteilungen.    33.  Jahrgang. 
Gust  row.    Verein  der  Freunde  der  Naturgeschichte  in  Mecklenburg. 

Archiv.    65.  Jahrgang,  1.  und  2.  Halfte;  56.  Jahrg.,  1.  Halfte. 
Haarlem.     Musee  Teyler. 

Archives.    Serie  II,  Vol.  II,  4me  partie,  Vol.  VIII,  Ire  partie. 
Halle  a.d.  S.  K.  Leopold.-Carol.  Deutsche  Akademie  der  Natur  f or  schet: 

Leopoldina.    Heft   XXXVH,   8-12.     Heft   XXXVIH,    1—10. 
Heft  XXXIX,  1-2. 

L.  Cohn.    Zur  Anatomie  und  Systematik   der  Vogelcestoden. 

Losener.     Monographia  Aquif oliacearum ;  Pars  I. 

R.  Burckhardt.     Der  Nestling  von  Psophia  crepitans  und  das 
Jugendkleid  von  Rbinochetus  jubatus. 
Halle  a.  d.  S.     Naturwissenschaftlicher  Verein  fiir  Sachsen  und 
Thuringen. 

Zeitschrift.    74.  Band,  Heft  1—6. 
Halle  a.  d.  S.    Verein  fUr  Erdkttnde. 

Mitteilungen.     1901.  1902. 

13 


194 


Hamburg.    Naturwissenschaftlicher  Verein . 

Verhandlungen.    Dritte  Folge.     IX. 
Hamburg.    Yerein  fur  nuturwissenscliaftliche  Unterhaltung. 

Verhandlungen.     1898—1900. 
Heidelberg.    Naturhistoriseh-medizinischer  Verein. 

Verhandlungen.    Neue  Folget  7.  Band,  1.  und  2.  Heft. 
Helsingfors.     Societas  pro  Fauna  et  Flora  Fennica. 

Acta.    XVin-XIX. 

Meddelanden  24—26. 
Hermannstadt.     Siebenbiirgischer  Yerein  fiir  Naturwissenschaften. 

Verhandlungen  und  Mitteilungen.     51.  Band.     1901. 
Iglo.     Ungarisclier  Karpathen -Verein. 

Jahrbuch.     29.  Jahrgang.     1902. 
Innsbruck.     Ferdinandeum  fiir  Tirol  und  Vorarlberg. 

Zeitschrift.     3.  Folge,  45.  und  46.  Heft. 
Karlsruhe,    Naturtcissemchaftliclier  Verein. 

Verhandlungen.     15.  Band.     1901—1902. 
Kbnigsberg.    Physikalisch-bkonomische  Gesellschaft. 

Schriften  derselben.    42.  Jahrgang.    1901. 
Kolozsvdr  (Klausetiburg).     Siebenbiirgischer  Museumsvereiti. 

Sitzungsberiehte  der  medizinisch-naturwissenschaftl.  Sektion; 
Jahrgang  XXVII,  1902.    XXIII.  Band,  arztliche  Abteilung. 
Lausanne.    Societe  vaudoise  des  sciences  natureUes. 

Bulletin.     No.  141-144. 
Leipzig.    Xaturforschende  Gesellschaft. 

Sitzungsberiehte.     1899/1900. 
Liestal.    Naturforschende  Gesellschaft  Basellayid. 

Tatigkeitsbericht,     1900  und  1901. 
Linz.     Museum  Francisco- Carolinian. 

59.  und  60.  Jahresbericht. 
Linz.    Verein  fiir  Naturkunde. 

31.  Jahresbericht. 
Luxemburg.    Verein  der  Luxemburger  Xatnrfreunde. 

Fauna.     11.  Jahrgang.     1901. 
Luxemburg.    Institut  Grand-Ducal,  section  des  sciences  naturelles et 
mathematique*. 

Publications.     Tome  XXVI. 
Lyon.     Societe  Linmenne. 

Annales.     46.-48.  Jahrgang.    1899—1901. 
Madison.    Wisconsin  Academy  of  Sciences,  Arts  and  Letters. 

Transactions.     Vol.  XIII,  part  I. 


195 


Magdeburg.    Naturwissenschaftlicher  Verein. 

Jahresbericht  und  Abhandlungen  1901 — 1902. 
Marburg.     Gesellschaft  zur  Befbrderung  der  gesamten  Naturwissen- 
schaften. 

Sitzungsberichte.    Jahrgang  1901. 
Milwaukee.    Wisconsin  Natural  History  Society. 

Bulletin.    Vol.  II,  nos.  1—3. 
Minneapolis  (Minnesota).    Academy  of  Natural  Sciences. 

Bulletin.     Vol.  III.,  nos.  3. 
Montana.     University  of  Montana,  Missoula  (Mont.). 

Bulletin,  No.  3. 
Montevideo.     Museo  Nacional. 

Anales.  Tom.  in,  entr.XX,  XXI;  Tom.  IV,  entr.  XXII-XXIII 
(fasc.  I). 
Moskau.     SociHe  Lnperiale  des  Naturalistes. 

Bulletin.     Annee  1900,  no.  4.     1901,  no.  1—4.    1902.  no.  1-2. 
Munch  en.    Mathematisch-physikalische  Klasse  der  kgl.  bayr.  Akademie 
der  Wissenschaften. 

Sitzungsberichte.    1901,  Heft  3—4.     1902,  Heft  1—2. 
Miinchen.     Omithologischer  Verein. 

2.  Jahresbericht.     1899—1900. 
Xancy.    SociHe  des  sciences. 

Bulletin.    Serie  HI,  Tome  II,  fasc.  II— IV. 
„      HI,      „     HI,      „      I. 
Xante  s.     SociHe  des  sciences  naturelles  de  VOuest  de  la  France. 

Bulletin.     Tome  X,   n°  4;  XI,  1—4;  XH,  1.     Deuxieme  Serie 
Tome  I.     ler  et  2n,«  trimestres. 

Table  des  matieres  de  la  premiere  serie,  Tome  la  X. 
Xtuchatel.     Societe  neuch&teloise  de  Geographic. 

Bulletin.     Tome  XIV. 
Xtuchatel.     SociHe  des  sciences  naturelles. 

Bulletin.     Tome  XXVIH. 
Xnc-York.     Academy  of  Sciences. 

Memoirs.     Vol.  IU,  part  III.     Vol.  II,  part  III. 

Annals.     Vol.  XIV,  part  I— H.     Vol.  XV,  part  I. 
Xtvc-York.     American  Museum  of  Natural  History. 

Bulletin.     Vol.  XVII,  part  I— II. 

Annual  Report.     1901. 
Xiirnberg.     Naturhistorische  GeselUchaft. 

Abhandlungen.     Band  XIV. 

Jahresbericht.     1900. 

Festschrift  znr  Sakularfeier  1901. 


196 


Offenbach.  Verein  fQr  Naturkunde. 

37.-42.  Bericht.     1895-1901. 
Para  (Brasilieti).  Museu  paraense  de  Historia  naturale  e  Ethnogtaphia. 

Boletim.    Vol.  Ill,  no.  2. 

J.  Huber.  Iconographie  des  plantes  spontanees  et  cultivees  les 
plus  importantes  de  la  region  amazonienne,  1™  et  2m«  decade. 
Paris.    Jeunes  Naturalistes. 

Feuilies.    IVme  serie.     1902,  No.  375—385. 
Petersburg.    Hortus  Petropolitanus. 

Acta.    Tom.  XIX,  fasc.  1-3.    Tom.  XX. 
Philadelphia.    Academy  of  Natural  Sciences. 

Proceedings.    1901,  part  I— III;  1902  part  I. 
Philadelphia.    American  Philosophical  Society. 

Proceedings.    Nos.  165—169. 

Memorial.     Volume  I. 
Pisa.    Societa  toscanadi  Scienze  Naturali. 

Processi  verbali.    Vol.  XIII,  pg.  1—40. 

Memorie.    Vol.  XVIII. 
Prag.    Kgl.  bohmische  Gesellschaft  der  Wissenschaften. 

Jahresbericht  fur  1901. 

Sitzungsbericlite  (math.-naturwissenschaftliche  Klasse)  1901. 
Prag.  Deutscher  naturtvissenschaftlich-medizinischer  Verein  fur  Bbhmen, 
„  Lotos". 

Neue  Folge.    XX.  Band,  1900;  XXI.  Band,  1901. 
Pressburg.    Verein  filr  Natur-  und  Heilkunde. 

Verhandlungen.     Jahrgang  1901. 
Quarto-Castello  (Firenze).    Osservatorio. 

Bolletino  Sismografico  (Anno  meteorico  1901 — 1902). 
Regensburg.    Naturwissenschaftlicher  Verein. 

Berichto.    8.  Heft,  1900. 
Reichetiberg.    Verein  fur  Natnrfreunde. 

Mitteilungen.     32.  Jahrgang.    1901. 
Rochester  (N.  Y.).    Academy  of  Science. 

Proceedings.     Vol.  IV,  pp.  1  —  64. 
Rom.    Accademia  dei  Lincti. 

Rondiconti.    Serie  quinta.    Vol.  X,  2°  semestre,  fasc.  4  —  12. 

Vol.  XI,  1°  semestre,  fasc.  1—12. 

Rendiconti  delT  adunanza  solenne  del  1  Giugno  1902,  Vol.  I— II. 
Rom.     Spccola  vaticana. 

Communications  scientifiques  sur  une  hypothese  sur  la  circu- 
lation cyclonique  de  l'atmosphere  dans  l'hemisphere  boreale. 


197 


Santiago  de  Chili.    Deutscher  unssenschaftlicher  Verein. 

Verhandlungen.     Band  IV,  Heft  3-5. 
Santiago  de  Chili.     Societe  scientifique  du  Chili. 

Tome  XII,  1-2. 
Sitten.    La  Murithienne,  sociHe  valaisantie  dcs  sciences  naturelles. 

Bulletin  des  travaux.  1900.     1901.     1902. 
Solothurn.    Naturforschende  Gesellschaft. 

Mitteilungen.    I.  Heft,  1899—1902. 
St.  Louis  (Missouri).    Academy  of  Science. 

Transactions.    Vol.  X,  nos.  9—11;  Vol.  XI,  nos.  1—11. 
St. Louis  (Miss.).    Botanical  Garden. 

Twelfth  Report  1901. 
Stavanger  (Norwegen).    Museum. 

Aarsheefte.     11.  und  12.  Jahrgang,  1900  und  1901. 
Stockholm.    Entomologiska  Fbreningen. 

Arg.  22,  Haft  1—4. 
Stuttgart.    Verein  fiir  vaterldndische  Naturkunde  in  Wiirttembeig. 

Jahreshefte.     1901.    1902. 
Top  eh  a  (Kansas).    Academy  of  Science. 

Transactions  of  the  Thirty-second  and  Thirty-third  Meetings 
(1899-1900).    Vol.  XVH. 
Troms  o.    Museum. 

Aareshefter  23  (1900). 

Aarsberetning  for  1899,  1900. 
Tufts  College  (Mass.). 

Studies.    No.  7. 
L'lm  a.D.    Verein  fiir  Mathematik  und  Natuncissenschaften. 

Jahreshefte.     10.  Jahrgang,  1901. 
I'rbana.     Illinois  State  Laboratory  of  Natural  History. 

Bulletin.     Vol.  VI,  article  I. 
y<ilpara  iso.   Deutscher  wissenschaftlfcher  Verein  zu  Santiago  de  Chile. 

Verhandlungen.    IV.  Band.    Heft  5  (1901). 
Washington.     XJ.  S.  Department  of  Agriculture. 

Yearbook.     1901. 

North  American  Fauna.    Nos.  20—22. 
H'nthington.     Department  of  the  Interior.    U.S.  Geological  Surrey. 

Twenty-First  Annual  Report.    1899—1900,  part.  I,  V,  VI,  VII 
(inch  maps). 

Bulletin  of  the  United  States  Geological  Survey,  Nos.  163—194. 

Mineral  Resources  of  the  United  States.     1900. 

Reconnaissances  in  the  Cape  Nome  and  Norton  Bay  Regions 
Alaska  in  1900. 


198 


The  Geology  and  Mineral  Ressources  of  a  portion  of  the  Copper 
River  District  Alaska. 

Monographs  XXXIX.    Vaughan,  the  Eocen  and  Lower  Oligo- 
cene  Coral  Faunes  of  the  United  States  etc. 

Monographs  XL. 
Washington.    Smithonian  Institution. 

Annual  Report  of  the  year  ending  June  30,  1897;  1899.    1900. 

Report  of  the  U.  S.  National  Museum  1897.     1899. 
Wien.    Entomologischer  Yerein. 

Jahresbericht.     XII. 
Wien.     K.  k.  Zentralanstalt  fiir  Meteorologie  und  Erdmagnetismus. 

Jahrbucher.  Neue  Folge.  Band  XXXVI,  Teil  II.  Bd.  XXXVII. 
Bd.  XXXVIII.    Bd.  XXXIX.   (1902.) 
W  i  e  n.     K.  k.  geologische  ReichsanstaU. 

Jahrbuch.     1900,  4.  Heft;  1901,  1.  Heft;  1902,  1.  Heft. 

Verhandlungen.     1901,  9-12,  16-18.     1902,  1.— 15.  Heft. 
Wi en.    K.  k.  Zoologisch-botanische  GeseUschaft. 

Verhandlungen.    Band  LI,  1901. 
Wien.    Verein  zur  Verbreitung  naturwissenschaftlicher  Kenntnisse. 

Schriften  desselben.    41.  und  42.  Band. 
Wi esbaden.    Nassauischer  Verein  fiir  Naiurkunde. 

Jahrbucher.     54.  Jahrgang.  1901. 
Wi nterthur.    NatunoissenscJiaftliche  Gesellschaft. 

Mitteilungen.     III.  Band.  1900/01. 
WUrzburg.     Physikalisch-medizinische  Geselhchaft. 

Sitzungsberichte.     Jahrgang  1901. 
Zagreb  (Agram).     Societas  Historko-Naturalis  Croatica. 

Glasnik.     Band  XIII,  Heft  1—6. 
Ziirich.    Geologische Kommission der  scliweizer.  naturforschendcn  Gesell- 
schaft. 

Beitrage  zur  geologischenKarte  der  Schweiz.  Neue  Folge.  Lfg.  XI. 

XIII.  Lieferung:   Rittener,   Etude  geologique   de  la  C6te-aux- 
Fees  et  des  environs  de  St-Croix  et  Baulmes. 

Karten :  Rollier,  Environs  de  Moutier  et  de  Bellelay. 
Miihlberg,  Lagern,  mit  Erlauterungen. 
Zurich.    Naturforschcnde  Geselhchaft. 

Vierteljahrsschrift.    46.  Jahrgang,  3.  und  4.  Heft;  47.  Jahrg., 
1.  und  2.  Heft. 

Neujahrsblatt  auf  das  Jahr  1902. 
Zurich.     Schweizerische  botanische  Geselhchaft. 

Berichte.     Heft  XII. 

Beitrage  zur  Kryptogamenliora  der  Schweiz.    Band  I,  Heft  3. 


199 


Zurich.    Pkysikalische  Gesellschaft. 

Jahresbericht  XI.  1899  und  1900. 

Mitteilungen.     1901,  Heft  1;  1902,  Heft  2. 
Z  trick  an  i.  S.    Verein  fiir  Naturkundc. 

Jahresbericht  1899.  1900. 

B.  Von  einzelnen  Gelehrten  und  Freunden  der 
Gesellschaft. 

Para  (Brazil).    Prof.  Dr.  E.  A.  Goldi,  Museumsdirektor. 
Gueldi,  Ensaio  sobre  o  Dr.  Alexandre  R.  Ferreira. 
Gceldi,  Zum  Klima  von  Para. 
Goeldi,  O  Park  em  1900. 
Gceldi  und  Hagmann,  Die  Eier  von  Tropidurus  torquatus  und 

Ameiva  Surinam ensis. 
Gceldi,  Naturwunder  der  Insel  Maraj6  im  Amazonenstrom. 
Gceldi,  Against  tbe  Destruction  of  White  Herons  and  Red  Ibises 
on  the  Lower  Amazon,  especially  on  the  Island  of  Marajo. 
Para.    Dr.  G.  Hagmann. 

Der  Zoologische  Garten  des  Museums  Goldi  in  Park. 
St.Gallen.    Prasident  W.GstU. 

IX.  Jahresbericht  der  Versuchsstation  und  Schule  fiir  Obst-, 
Wein-  und  Gartenbau  in  Wadensweil.    1898/99.  (4  Exempl.) 
S c h a ffh ausen.    Dr.  G.  Stierlin. 

Mitteilungen  der  schweizerischen  entomologischen  Gesellschaft 
Vol.  X,  Heft  9. 
Zurich.    Prof.  Dr.  J.  Frvh. 

Jahresbericht  der  geographisch-ethnograpbischen  Gesellschaft 
Zurich,  1901/02.   (Die  Abbildung  der  vorherrschenden  Winde 
durch  die  Pflanzenwelt,  von  Prof.  Dr.  J.  Fruh.) 
Zurich.    Prof.  Dr.  A.  Wolfer. 

Revision  of  Wolfs  Sun-Spot  relative  numbers. 


VII. 

Bericht 

iiber 

das  naturhistorische  Museum,  die  botanischen  Anlagen, 

die  Voltere  und  den  Parkweiher. 

Von  Konservator  E.  Bftchler. 


In  unserm  „Lebensbild"  des  verstorbenen  Prasidenten 
der  naturwissenschaftlichen  Gesellschaft  haben  wir  aus- 
fiihrlicher  der  grossen  und  bleibenden  Verdienste  gedacht, 
welche  er  um  das  naturhistorische  Museum  und  die  bo- 
tanischen Anlagen  besitzt.  Jahr  fur  Jahr  gab  er  an  dieser 
Stelle  eine  oft  bis  ins  Kleinste  gehende  Schilderung  des 
Standes  und  der  Weiterentwicklung  der  genannten  In- 
stitutionen,  wobei  er,  weil  mit  den  Interessen  derselben  im 
engsten  Zusammenhang  stehend,  stets  auch  die  lebendigen 
Bewohner  der  Voliere  der  ornithologischen  Gesellschaft  in 
den  Rahmen  seiner  Berichterstattung  hineinzog.  —  Es  sei 
uns  heute  gestattet,  in  seinem  Sinn  und  Geiste  dieses  Amtes 
zu  walten. 

Werfen  wir  vorerst  einen  Blick  auf  die  Entwicklung  der 
naturhistorisehen  Sammlunireii  im  Berichtsjahre  1901/02. 
Wir  beginnen  mit  der  Tierwelt.  Der  Zuwachs  zur  hochsten 
Grruppe  der  Wirbeltiere,  namlich  der  Saugetiere,  ist 
im  Vergleich  zu  domjenigen  der  Vorjahre  etwas  zuriick- 
geblieben.  Was  die  auslandischen  Vertreter  anbetrifll, 
so  hat  sich  einerseits  weniger  Gelegenheit  zu  geeigneten 
Ankaufen  geboten ;  anderseits  sind  gerade  diesmal  wenig 


201 


Geschenke  eingegangen.  Immerhin  erwahnen  wir  auch 
heute  wiederum  eine  freundliche  Dedikation  des  unserem 
Institute  seit  Jahren  so  wohlgesinnten  hochherzigen  Gon- 
ners,  Herni  Dir.  Dr.  Emil  Goldi  in  Para.  In  einer  Sen- 
dung  von  Fledermausen,  die  noch  der  Aufstellung 
harren,  hat  er  uns  eine  Anzahl  typischer  Formen  dieser 
Tiergruppe  aus  der  Umgebung  von  Para  (Brasilien)  uber- 
mittelt.  —  Unter  den  Ankaufen  figurieren  vor  allem  Mann- 
chen  und  Weibchen  der  schwarzen  Varietat  des  ge- 
meinen  Rehs  (Cervus  capreolus,  var.  niger,  <j*  et  9)» 
welche  in  dem  Westfalischen  Bezirk  Miinster  und  auch 
anderswo  nicht  sehr  selten  vorzukommen  scheint ;  wie  sie 
denn  in  gleichfarbig  sich  fortpflanzenden  Bestanden  aus 
dem  Kurhessischen  und  aus  der  Gegend  zwischen  Harz* 
und  Teutoburgerwald  schon  langst  bekannt  ist. 

Den  Besucher  unserer  einheimischen  Saugetier- 

sammlung   mag   es   angenehm   beruhrt   haben,    dass   die 

Familien  der  Fledermause,  Spitzmause,  Mause  und  Wiihl- 

mause  durch  den  nimmermiiden  Protektor  derselben,  Herrn 

Praparator  Zollikofer,  in  den  letzten  drei  Jahren 

eine  vdllige  Neuschaffung  erfahren  haben.   An  Stelle  der 

alten.  schlechtpraparierten  und  ausserst  mangelhaft  ver- 

tretenen  Reprasentanten  sind  lebenswahre  und  nach  bio- 

logischen  Prinzipien  aufgestellte  Gruppen   getreten,   die 

eine  rasche  Orientierung  innerhalb  der  einander  in  ihrem 

Aeussern  so  ahnlichen  Lebewesen  ermoglichen.   Von  den 

diesjahrigen  Geschenken  des  Herrn  Zollikofer,  die  z.  T. 

noch  fehlende   Spezies  unseres  Museums   waren,   nennen 

^ir  folgende:  die  langfiissige  Fledermaus  (Vesper- 

tilio  capacinii  Bp.),  2  Exemplare  von  S.  Martino  bei 

Lugano  (12.  XI.  01),   welche,   sonst  nur  aus  Italien  und 

dem  Banat  bekannt,  von  dem  kritischen  Auge  des  Herrn 


202 


Praparator  Ghidini  in  Lugano  entdeckt,  als  vollig  neu  fiir 
d ie  Schweiz  gelten  muss ;  die Bartfledermaus ( Ve s p e r- 
tilio  mystacinus)  eine  zwar  nicht  seltene,  aber  recht 
charakteristische  Spezies,  ein  cf ,  in  Rehetobel  (Appenzell 
A.-Rh.)  erbeutet.  Ein  unserer  Hausratte  (Mus  rattus)  sehr 
nahe  stehender,  von  neuesten  Forschern  aber  nur  als  die 
urspriingliche,  oben  braungraue,  unten  hellgrauweisse  Form 
der  genannten  bezeichneter  Nager  ist  die  agyptische 
Ratte  (Mus  alexandrinus).  Wir  besitzen  heute  ein 
<$  und  ein  9 )  ersteres  stammt  von  Sonvico,  letzteres  von 
Comano.  Den  Wuhlmausen  gesellte  sich  eine  reizende  Fa- 
milie  der  Schneemaus  (Arvioola  nivalis)  in  zwei 
weiblichen  und  einem  mannlichen  Exemplar  bei.  Das  eine 
der  Weibchen  wurde  in  der  Klubhutte  Tierwies  am  Santis 
(15.  VIII.  01),  das  andere,  welches  trachtig  gewesen  und 
auf  dem  Transporte  4  Junge  geworfen,  im  Santis-Obser- 
vatorium  (9.  VIII.  01)  gefangen;  das  Mannchen  dagegen 
wurde  auf  der  Furkapasshohe  (Uri)  25.  IX.  1900  erwischt. 
Von  der  kurzsch wanzigen  Erdmaus  (Arvicola 
Savii  Selys),  einer  fur  unsere  Sammlungen  neuen  Art, 
erhielten  wir  ein  Mannchen  (Melano,  Tessin,  17.  V.  02), 
sowie  ein  Weibchen  (Comano,  Tessin,  1.  V.  02).  Bis  zum 
Jahre  1869  war  sie  nach  den  Angaben  von  Blasius  mit 
Sioherheit  nur  auf  dem  Festland  von  Italien,  nordlich  bis 
zur  Lombard ei  und  im  siidlichen  Frankreich  nachgewiesen; 
seit  jener  Zeit  wird  sie  von  Fatio  (Faune  des  vertebres, 
Vol.  I,  appendice  pg.  VII)  als  Burger  des  siidlichen  Tessin 
aufgefiihrt.  Im  vorjahrigen  Berichte  wurde  ausser  den 
Prachtstucken  der  Moschusochsenfamilie  auch  der  so  inte- 
ressante  Schiidel  des  mannlichen  Tieres  erwahnt;  von 
Herrn  Konservator  Sparre  Schneider  in  Tromso  bezogen 
wir  nachtraglich  die  Kopfskelette  des  Weibchens  und  des 


203 


Jungen.     Der  so    wertvollen  Zollikofer'schen   Sammlung 

einheimischer  Sauger  spendete   deren  Donator  samtliche 

Sch&delobjekte,  welche  bei  der  Bestimmung  der  betreffen- 

den  Arten  von  so  ausschlaggebender  Bedeutung  sind. 

J  Einer  wesentlichen  Vermehrung    erfreute    sich    ins- 

besondere  die  exotische  Vo g e  1  w e  1 1  unseres  Museums. 

In  fruheren  Berichten  ist  wiederholt  beziiglioh  derselben 

der  Grundsatz  ausgesprochen  worden,   dass   es  sich  fur 

die  st.  gallischen  Verhaltnisse  nicht  um   eine   komplette 

Kollektion  handeln  kann,  sondern  dass  bei  der  Aeufnung 

speziell  Vertreter  interessanter,   durch  Organisation  und 

biologische  Eigentumlichkeiten   ausgezeichneter  Gruppen 

Berucksichtigung  finden  miissen.   Die  bereits  ansehnliche 

Sammlung  von  Para  dies  vogeln  hat  in  folgenden  An- 

kaufen  Zuwachs  erhalten :  Epimachus  Meyeri  ^  und 

i,.Macgregoria  pulchra  ,^,  Parotia  Lawesi  ^T, 

!  '  Diphyllodes    Hunsteini    cf,     Manucodia    atra, 

L    samtliche  aus  Neu-Guinea,  dem  Heimatland  dieser  herr- 

\    lichen  Gottervogel,  stammend.    Mit  Vergniigen  fuhren  wir 

;    hier  auch  ein  Geschenk  auf  von  Hrn.  Dr.  Girtanner, 

dem  um  das  Museum  vielverdienten  Ornithologen,  welcher 

durch  einen  Reprasentanten    der   eigentlichen   Paradies- 

vogel,  namlich  mit  Paradisea  Fintschi  cf,  die  Unter- 

arten  des  gewohnlichen  kleinen  Paradiesvogels  (Paradisea 

minor)  bereicherte.    Der  Familie  der  Pinguine,  die  in 

unserer  Sammlung  noch  wesentliche  Llicken  aufwies,  sind 

durch  Kauf  mehrere  interessante   Spezies   zugekommen, 

so  Spheniscus   chilensis    tf    ad   (Cap  Horn),   Sph. 

taeniatus   oT  und   9    a(i  (Falklandinseln),   Eudyptes 

minor  $   ad  (Siidaustralien),   E.  catarractes    tf   ad 

(Magelhaensstrasse).  Besonders  wertvoll  ist  die  Erwerbung 

dergrSssten  Art  der  Schnepfenstrausse  oder  Kiwi, 


204 


jener  eigenartigen  Erscheinungen  der  neuseelandischen 
Ornis,  deren  Fliigei  so  verkummert  sind,  dass  ihre  stummel- 
artige  Anlage  z.  T.  nur  noch  im  Skelett  wahrnehmbar 
ist.  Herrn  Professor  Heim  in  Zurich,  der  bekannt- 
lich  vom  Oktober  1901  bis  April  1902  Neuseeland  zu 
geologischen  Untersuchungen  bereiste,  ist  es  gelungen, 
von  den  Eingebornen  einige  Exemplare  des  grossen 
Kiwi  (Apteryx  maximus),  auf  dessen  Schuss  und 
Fang  heute  eine  hohe  Strafe  verhangt  ist,  samt  den 
Knochenteilen  aufzutreiben.  Wir  danken  ihm  an  dieser 
Stelle,  dass  er  speziell  dem  Museum  seiner  Yaterstadt  zu- 
erst  Angebote  gemacht,  da  die  wenigen  Arten  von  Kiwis 
infolge  schonungslosester  Verfolgung  durch  trophaen- 
siichtige  England  er  sozusagen  auf  dem  Aussterbe-Etat 
stehen.  Dem  schon  lange  vorhandenen  Argus  fa  san 
(Argus  giganteus)  leistet  heute  sein  auf  Nord west- 
Borneo  lebender  Vetter  Argusianus  Grayi  cf  und  Q 
Gesellschaft.  Er  unterscheidet  sich  im  mannlichen  Ge- 
schlechte  von  ersterem  durch  die  mehr  ovalen  „Augenu 
auf  den  Prachtfedern  und  die  rostrote  Brust.  Eine  hubsche 
Kollektion  typischer  Vogel  aus  der  Fauna  von  Su- 
matra konnte  um  sehr  billigen  Preis  von  Herrn  Van  Ter 
Mer  in  Leiden  bezogen  werden ;  von  den  65  Stuck  gehort 
die  Mehrzahl  den  Familien  der  Spechte,  Kukuke,  Eisvogel, 
Wurger  und  Finken  an.  Ihre  Preparation  besorgt  gegen- 
wartig  Herr  Ghidini  in  Lugano,  einer  der  tiichtigsten 
Schiiler  unseres  Meisters  Zollikofer  und  zugleich  Natur- 
forscher.  Wenn  es  leider  nicht  moglich  war,  Herrn  Ghi- 
dini dauernd  an  St.  Gallon  zu  fesseln,  so  diirfte  es  sich 
doch  sehr  empfehlen,  denselben  auch  kiinftighin  mit  einem 
Teil  unserer  MontierauftriLge  zu  betrauen.  Der  bereits  an- 
sehnlichen  Falkenkollektion  hat  bis  dato  ein  charakteristi- 


205 


scher  Bewohner  der  griechischen  Inseln,  der  unserem 
Baum-  oder  Lerchenfalken  nahestehende  Eleonoren- 
falke  (Palco  Eleonorae)  vollig  gefehlt.  Wir  verdanken 
es  wiederum  Herr  Dr.  Girtanner,  dass  wir  heute  im  Besitze 
je  zweier  Mannchen  und  Weibchen  von  Cerigo,  zum  Toil 
mit  interessanten  Kleidern,  sind.  Die  Ornithologische 
Gesellschaft  ist  auch  dieses  Jahr  mit  Geschenken  nicht 
zurackgeblieben ;  sie  iibergab  uns  ein  prachtiges  M&nnchen 
der  Brautente  (Aix  sponsa),  mit  beginnender  Ver- 
farbung. 

Beitrage  zur  Aeufnung  der  einheimischen,  d.  h. 
der  schweizerischen  und  der  spezifisch  st.  gallisch-appen- 
zellischen  Vogelsammlung  sind  von  jeher  in  erhohtem 
Masse  willkommen  gewesen;  soil  doch  hier  speziell  Voll- 
standigkeit  angestrebt  werden  nicht  nur  mit  Bezug  auf 
die  Artenzahl,  sondern  auch  auf  die  einzelnen  Altersstadien 
and  die  verschiedenen  Kleider  der  einzelnen  Spezies.  Ob- 
wohl  nicht  auf  Schweizerboden,  bezw.  in  Schweizerluft 
geschossen,  gedenken  wir  vor  allem,  als  einer  Raritat,  eines 
alten  Mannchens  des  Zwergadlers  (Aquila  pennata), 
helle  Varietat.  Das  Tier,  ein  Geschenk  von  Herrn  P  r  se- 
parator Zollikofer,  dem  opferfreudigen  Forderer  und 
Ausbauer  unserer  kostbaren  inlandischen  Ornis,  hat  uns 
bisher  vollstandig  gemangelt.  Es  stammt  aus  dem  Monta- 
fon  im  Vorarlberg  (St.  Gallenkirch,  9.  Juni  1902),  also 
wenige  Stunden  vom  Rheintal  entfernt,  dessen  osterreichi- 
sches  und  schweizerisches  Gebiet  ftir  faunistische  Beob- 
achtungen  stets  zusammengezogen  wird.  Die  Verbreitung 
des  Zwergadlers  beschr&nkt  sich  im  allgemeinen  auf  den 
Siiden  Europas  (Siidfrankreich,  Spanien,  Oesterreich-Un- 
garn  und  Griechenland) ;  nur  selten,  als  eine  zufallige 
Erscheinung,   wird   er  aus  Siiddeutschland  gemeldet.     In 


206 


der  Sohweiz  soil  er  in  ganz  wenigen  Fallen  beobachtet 
worden  sein,  so  1846  in  Sohwyz,  1870  im  Tessin  und  auch 
im  Kan  ton  St.Gallen;  allein  alle  diese  Angaben  scheinen 
nicht  vollig  verbiirgt  zu  sein.  Moglicherweise  ist  er  wegen 
seiner  Aehnlichkeit  mit  dem  Rauhfussbussard  (Archibuteo 
lagopus)  mehr  denn  einmal  iibersehen  worden  (Befiederung 
bis  zu  den  Zehen).  Wir  reihen  also  unser  authentisches 
Exemplar  urn  so  mehr  zu  den  st.  gallischen  Vogeln  ein, 
als  es  bei  der  grossen  Beweglichkeit  und  dem  haufigen 
Wechsel  des  Standortes  des  Zwergadlers  ja  leicht  denk- 
bar  ist,  dass  selbst  dieser  tatsachlich  auf  Schweizergebiet 
tritt.  —  Neu  fur  unsere  Kollektion  ist  auch  der  Stein- 
sperling  (Pyrgita  petronia,  Petronia  stulta),  ein 
typischer  Bewohner  des  Siidens,  der  aber  auch  im  schwei- 
zerischen  Mittellande  nistet.  Herr  Praparator  Ghidini  er- 
hielt  denselben  vom  Roccolo  di  Bugiolo  bei  S.  Lucio,  Val 
Colla  im  Tessin,  ca.  200  m  von  der  Schweizergrenze  entfernt. 
(Donator:  Herr  Praparator  Zollikofer.)  Von  letzterem 
fuhre  ich  noch  folgende  giitige  Beitrage  auf:  ein  Schnee- 
huhn  (Lagopus  alpinus),  circa  l1/* — 2  Monate  alt,  in 
interessantem  Uebergangsstadium  vom  Jugend-  ins  Alters- 
kleid  (Graubiinden,  18.  IX.  01);  Zwergreiher  (Ardea 
minuta),  eine  niedliche  Gruppe  der  ganzen  Familie,  nam- 
lich  des  alten  cf  und  9  >  nebst  4  Jungen,  letztere  2 — 3 
Wochen  alt,  samt  Originalnest  (Egnach,  hinter  Schloss 
Luxburg,  27.  VII.  und  5.  VIII.  01),  ferner  ein  altes  Mann- 
chen  (cf)  der  Eiderente  (Somateria  mollissima) 
in  Mauser  und  Umfarbung  zum  Winter-  oder  Prachtkleid. 
Dasselbe  wurde  in  total  abgemagertem  Zustande  lebend 
ergriffen  bei  Horn  am  Bodensee,  und  es  bedeutet  fur  uns 
uin  so  mehr  eine  sehr  erwiinschte  Acquisition,  als  wir  bis 
zur  Stunde  ein  alteres  Mannchen  in  diesem  Kleide,  wel- 


207 


ches  dem  des  jungen  Mannchens  oder  des  Weibchens 
ahnlich  ist,  nicht  besassen.  Vom  Teichrohrsanger 
(Acrocephalus  arundinaceus)  dedizierte  uns  Herr 
Zollikofer  ein  Junges,  mit  zierlichem  Neste  (Egnach, 
22.  VIL  01).  Dem  Jager  am  Bodensee  ist  die  Seltenheit 
der  Heringsmove  (Larus  fuscus),  die  dem  Norden 
Europas  angehort,  nur  ab  und  zu  einmal  weit  sudlich  im 
Innern  des  Landes  und  am  Bodensee  auftritt,  wohl  be- 
kannt.  Von  der  zuletzt  genannten  Lokalitat  besitzen  wir 
ganz  wenige  Exemplare ;  um  so  freudiger  haben  wir  denn 
ein  prachtiges  Geschenk  desHerrnKunstmaler  Tobler 
in  hier  entgegengenommen.  Er  schoss  vom  25. — 27.  Nov. 
1901  zwei  dieser,  im  graubunten  Jugendkleid  sich  be- 
findenden  Moven,  die  eine  zwischen  dem  alten  und  neuen 
Bahnhof  in  Rorschach,  die  andere  im  „Rietleu.  Sie  sollen 
von  den  gemeinen  Moven  (Larus  ridibundus,  Lachmove) 
aufs  heftigste  verfolgt  worden  sein. 

Abnormitaten  aus  der  gefiederten  Welt  haben  fur 

den  Naturfreund  immer  eine  besondere  Anziehungskraft. 

Neuerdings   sind  einige   sehr  lehrreiche  Beispiele   einge- 

gangen.   Den  aufmerksamen  Beobachtern  unserer  Voliere- 

insassen  gefielen  u.  a.  namentlich  jene  beiden   schnee- 

weissen  Dohlen  (Corvus  monedula);  leider  ist  ihnen 

die  Gefangenschafb  nicht  gut  bekommen;  eine  derselben, 

wahrscheinlich  ein   Weibchen,  ziert  jetzt  unser  Museum 

(Geschenk   der  Ornitholog.  Gesellschaft).    Ein  par- 

tieller  Albino  des  Eichelhehers  (Garrulus  glandarius) 

zeichnet  sich  dadurch  aus,  dass  die  an  dem  normalen  Tier 

sonst  graurostbraunen  Federn,  sowie  der  schwarze,  breite, 

dem  Unterschnabel  zulaufende  Streifen  zum  grossten  Teile 

weiss  gefarbt  sind.  Sehr  hubsch  prasentiert  sich  ein  junges 

Weibchen    des    Haubensteissfuss    (Podiceps    cri- 


208 


statu  8),  mit  beinahe  totalem  Albinismus.  Dieses  fing  sich 
in  einem  Fischnetz  beim  Bad  Horn,  am  Bodensee  (5.  X.  01). 
Donator  des  zuerst  genannten  Albinos  ist  wiederum  Herr 
Praparator  Zollikofer. 

Die  osteologische  Sammlung  hat  im  verflossenen 
Jahre  durch  eine  Dedikation  der  Ornitholog.  Gesellschaft, 
bestehend  in  einem  S  k  e  1  e  1 1  des  weissen  L  6  f  f  e  1  r  e  i  h  e  r  8 
(Platalea  leucorodius)  sehr  erwunschte  Erweiterung 
gefunden. 

Uebergehend  zu  der  in  den  vorigen  Berichten  mehr- 
fach  erwahnten  Eier sammlung  nennen  wir  vorab  den 
Ankauf  einer  Artefaktes,  des  Eies  von  Euryapteryx 
crassus,  einer  Spezies  jener  ausgestorbenen,  straussen- 
artigen  Biesenvogel  Neuseelands,  welche  allgemein  ah 
Moa-Vogel  bezeichnet  werden.  Die  Grflsse  dieses  Eies, 
mit  gelbbrauner  Grundfarbe,  ubertrifft  diejenige  des  afri- 
kanisohen  Strausseneies  urn  ein  Betrachtliches ;  es  ist  be- 
sonders  charakteristisch  dadurch,  dass  die  Poren  nicht 
rund,  wie  bei  alien  andern  Vogeleiern,  sondern  langlich, 
kurzstrichartig  sind.  —  Eine  zweite  Nachahmung  (Gips- 
abguss),  namlich  des  Eies  vom  Riesenalk  (A lea  im- 
pennis)  verdanken  wir  der  Gtite  des  Herrn  Dr.  Gir- 
tanner.  Der  Brillenalk  war  noch  zu  Anfang  des  19.  Jahr- 
hunderts  als  sogenannter  Geyrfugl  der  Nordlander  an  den 
Klisten  von  Island  und  Gronland  haufig;  seit  1844  ist  er 
aber  ausgerottet.  Sein  Ei,  dessen  Grosse  jener  des  neu- 
holland.  Strausses  (Dromapus  Novse  Hollandiae)  etwa  gleich- 
kommt,  besitzt  eine  weisse  Grundfarbe.  Gegen  den  stumpfen 
Pol  zu  haufen  sich  die  sonyt  beinahe  tiber  das  ganze  Ei 
verbreiteten  schwarzen  und  gelben,  runden  oder  schnur- 
formigen  Fleckfm  kranzartig  an. 

Die  verschiedenen  Separatkollektionen  von  Eiern,  teils 


209 


Geschenke,  tails  Ank&ufe,  sind  im  Berichtsjahr  mit  der 
reichhaltigen,  kostbaren  Stolkersammlung  nach  dem  Gray- 
schen  Katalog  za  einer  grossen,  allgemeinen  Eier- 
kollektion  vereinigt  worden.  Die  Vorarbeiten  zum  Haupt- 
katalog  sind  beinabe  vollendet ;  die  Reinschrift  diirfte  im 
Laufe  des  kommenden  Winters  ausgefuhrt  werden,  wo- 
durch  die  Zahl  der  vom  Beriobterstatter  erstellten  Katalog- 
bande  sicb  auf  deren  9  belaufen  wird. 

Was  die  Reptilien   und   Amphibien   anbetriift, 

so  sei  bemerkt,  dass  in  diesen  Klassen  nur  wenige  An- 

schaflftingen  von  allgemeinem  Interesse  bier  Erwahnung 

finden  konnen,  so  jeein Exemplar  der  eigentlichenKlapper-. 

schlange  (Crotalus  horridus),  aus  Nord-Amerika  (Ver- 

einigte  Staaten),  der  Brillenschlange  (Naja  tripu- 

clians)  aus  Indien.    Zu  den  Eidechsen,  bezw.  den  Aga- 

miden  gebort  der  fliegende  Drache  (Draco  volans) 

der  ostindiscben  Inseln,  ein  in  seiner  Korperbildung  unter 

den  Wirbeltieren  einzig  dastehendes  Lebewesen,  bei  wel- 

chem  funf  oder  sechs  der  falschen  Rippen  gewaltig  ver- 

langert  sind,   die  einer  breiten,   facberartig   zusammen- 

zuklappenden  oder  auszaspannenden  Hautfalte  zur  Stiitze 

dienen.     Bekanntlicb   scbiessen   die  auf  Beute  lauernden 

iliniatordrachen   mit  gewaltigem  Satze   in  die  Lufb  bin- 

aus;  durcb  die  fallscbirmartigen  Hautlappen  liberwinden 

sie  die  Kraft  des  Sturzes  und  konnen  sie  sicb  so  auf  den 

nachstunteren  Zweigen  niederlassen.   Leider  zeigt  der  ab- 

geplattete,  tote  Korper  keine  Spur  mehr  von  den  herr- 

lichbunten  Erregungsfarben,  die  im  Leben  den  langlichen 

Kehlsack  und  den  Pallschirm,  sowie  diverse  andere  Haut- 

anhange  zieren.  —  Nicht  ubergeben  diirfen  wir  zwei  Meta- 

tnorphosenreihen    des   Axolotl   (Amblyostoma    mexi- 

canam)   und   der  Berg-   oder  Waldeidecbse    (La- 

14 


210 


certa  vivipara),  sowie  zwei  ausserst  sorgfaltig  gear- 
beitete  Praparate  der  Anatomie  der  gemeinen  euro- 
paischenSchildkr8te(EmyseuropaBa),wovoneines 
mit  prachtiger  Injektion  des  Blutgefasssystems.  —  Fr&alein 
Helens  Hogger,  eine  eifrige  Naturfreandin,  welche 
seit  einiger  Zeit  ein  eigenes  Terrarium  halt,  spendete  dem 
Museum  in  freundlioher  Weise  einen  Scheltopusik 
(Pseudopus  apus),  jene  bekannte,  liber  ganz  Sudeuropa 
und  das  stidwestliche  Asien  verbreitete  Schleiche,  des- 
gleichen  eine  Perleidechse  (Lacerta  ocellata)  aus 
den  sudlichen  Teilen  der  iberischen  Halbinsel.  Die  Katzen- 
scblange  (Tarbophis  fallax  s.  vivax)  schenkte  uns 
Herr  Gftrtner  Kessler,  ein  begeisterter  Freund  der 
Tierwelt;  eine  Aesculap-Natter  (Coluber  Aescu- 
lapii)  ist  von  Hrn.  Pr&parator  Ghidini  aus  Lugano 
(San  Martino,  April  1902)  eingegangen. 

Ganz  besondere  Bereicherung  hat  auch  dieses  Jahr 
die  Sammlung  derFische  erfahren  und  zwar  durch  ein 
reichhaltiges  Geschenk  des  Herrn  Dr.  A.  Dreyer  in  hier, 
bestehend  in  12  frisch  von  der  Nordseekiiste  bezogenen 
Flossentragern,  alles  stattliche  Exemplare.  Recht  sch6n 
sind  drei  Knurrhahne  (Trigla  hirundo),  h5chst  eigen- 
tlimliche  Mitglieder  derFamilie  derPanzerwangen.  Mittelst 
der  drei  freien  Strahlen  vorn  an  den  Brustflossen  vermag 
sich  der  Knurrhahn  wie  mit  gegliederten  Beinen  auf  dem 
Boden  zu  bewegen.  Nimmt  man  ihn  aus  dem  Wasser,  so 
gibt  er  mit  Hilfe  der  Schwimmblase  und  der  sich  jeder- 
seits  an  sie  anschmiegenden  Muskelplatten  einen  knurren- 
den  oder  grunzenden  Ton  von  sich,  welches  Gerausch  er 
aber  auch  freiwillig,  namentlich  zur  Fortpflanzungszeit, 
an  der  Wasseroberflache  hervorbringen  kann.  Von  den 
iibrigen   Typen   mogen   im   weitern    aufgefiihrt    werden: 


211 


der  Heilbutt  (Hippoglossus  vulgaris),  der  Stein- 
butt  (Rhombus  maximus),  der  Goldbutt (Platessa 
vulgaris),  die  Zunge  (Solea  vulgaris),  ferner  Gold- 
barsch,  Roche,  Tarbutt,  Rotzunge,  Hai  u.  s.  w. 
Durch  Ankauf  kamen  in  den  Besitz  des  Museums  ein  j lin- 
gerer Zitterwels  (Malapterurus  electricus)  aus 
dem  Nil,  der  zwischen  der  Korperhaut  ein  gallertartiges 
Gewebe  besitzt,  welches  das  Tier  befahigt,  elektrische 
Schlage  auszuteilen;  ein  Praparat  eines  streitsuchtigen, 
lebhaften,  kleinen  Fisches,  des  Stichlings  (Gastero- 
steus  aculeatus),  dessen  Mannchen  an  passender  Stelle 
ein  aus  Pflanzenstoffen  und  Schleim  gefestigtes  Nest  baut, 
in  welches  nacheinander  verschiedene  Weibchen  je  einzelne 
(3 — 4)  Eier  legen,  die  das  Mannchen  aufs  nachhaltigste 
verteidigt  gegen  die  Angriffe  liisterner  Genossen,  was  es 
am  so  eher  imstande  ist,  als  es  mehrere  Stachelstrahlen 
besitzt,  mit  welchen  es  selbst  grosseren  Fischen  gefahrlich 
werden  kann.  Viel  Freude  wird  jene  Darstellung  des  inte- 
ressanten  Bitterlings  (Rhodeus  amarus)  bereiten. 
Das  Weibchen  hat  namlich  eine  eigentumliche,  rotliche 
Legerohre  von  mehreren  cm  Lange,  durch  die  es  zur 
Laichzeit  die  Eier  in  die  Kiemenspalten  der  Malermuschel 
♦Unio)  legt,  wo  sie  bis  zur  Entwicklung  der  Jungen  ver- 
bleiben.  Nach  der  Fortpflanzungsperiode  schrumpft  die 
betreffende  Rflhre  wieder  ein. 

Betreten  wir  das  grosse  Reich  der  Gliedertiere 
(Arthropoda),  dessen  Aeufnung  und  Ordnung  in  den  kom- 
menden  Jahren  eine  Hauptaufgabe  unseres  Museums  bil- 
clen  soil,  wenn  wir  nicht  hinter  den  gleichartigen  Instituten 
anderer  Stadte  zuiiickbleiben  wollen.  Vor  allem  handelt 
es  8ich  um  die  Aufstellung  einer  grossen  europtiischen 
Schmetterlings8ammlung,  analog  der  durch  die  tat- 


212 


kraftige  Unterstiitzung  von  Herrn  Dr.  Stierlin  inSchaff- 
hausen  recht  ansehnlich  gewordenen  Kafer-Kollektion. 
Speziell  fehlen  uns  aber  Schausammlungen  der  ein- 
heimischen  Kafer,  Schmetterlinge,  Hautflugler,  Gerad- 
fltigler,  Zweifliigler,  Wanzen  und  Spinnen.  Fur  die  beiden 
erstgenannteii  Gruppen  steht  uns  schon  ein  erkleckliches 
Material  zu  Gebote;  was  die  letztern  Gruppen  dagegen  an- 
betrifft,  so  muss  die  kommende  Spezialforschung  in  unserm 
engsten  Gebiete  die  einzelnen  Vertreter  liefern.  Ihr  heutiger 
Berichterstatter  wird  sich  mit  Vergnugen  in  den  Dienst 
dieser  grossen  Aufgabe  stellen,  und  wir  wissen  ganz  sicher, 
dabs  uns  sehr  bewahrte  Entomologen  sofort  in  bereit- 
willigster  Weise  unterstiitzen  werden! 

Wie  in  den  Vorjahren,  so  bezogen  wir  auch  heuer 
einige  recht  hiibsche  Serien  charakteristisoher  exotischer 
Schmetterlinge,  Kafer  etc.  von  Herrn  Heine,  jetzt 
in  London.  Auf  deren  Einzelbeschreibung  einzugehen, 
wiirde  aber  hier  zu  weit  fuhren.  Ganz  besonderer  Gunst 
bei  den  Besuchern  unserer  Sammlungen  erfreuen  sich  die 
instruktiven  Entwicklungsreihen  (Metamorphosen) 
der  verschiedensten  Gliedertiere.  Nennen  wir  von  den  16 
in  Spiritus  fixierten  Praparaten  nur  folgende:  Hirsch- 
kafer(Lucanuscervus),  PechschwarzerKolben- 
wasserkafer  (Hydrophilus  piceus),  Palmbohrer 
(Rhynchophorusschach),  grosseWasserjungfer 
(Aeschna  grandis),  gemeine  Magen-  oder  Vieh- 
bremse  (Gastrophilus  pecorum),  deren  Weibchen 
ihre  Eier  an  die  Haare  der  Pferde  etc.  legen,  von  wo  die 
jungen  Larven  abgeleckt  werden,  in  den  Magen  der  Pferde 
kommen,  wo  sie  sich  mit  ihren  Mundhaken  befestigen  und 
wenn  sie  reif  geworden,  durch  den  Darm  entleert  werden; 
Rosengallwespe   (Rhodites  rosse),  welohe  infolge 


213 


ihres  Stiches  und  nachheriger  Eiablage  die  sogen.  Rosen- 
gallapfel  hervorruft.    Ausserordentlich  lehrreich  ist  aber 
die  prachtvolle  Darstellung  der  Reblaus  (Phylloxera 
vastatrix).     Nicht  nur  sind   alle  Entwicklungsstadien, 
sowie  die  verschiedenen  Formen  dieses  gefurchteten  In- 
fiektes,  sondern  namentlich  auch  die  durch  die  Wirksam- 
keit  desselben  erzeugten  Veranderungen  und  Verwnstungen 
an  den  einzelnen  Pflanzenteilen  (Reblausblattgallen,  No- 
dositaten,  Tuberositaten  etc.)  sichtlich  gemacht.   In  sechs 
Trockenpraparaten  mit  jeweiligem  ausfiihrlichem  Text  als 
Erklarung   haben  nachstehende   biologische  Insektenent- 
wicklungsreihen  Aufnahme  in  die  Sammlung  gefunden: 
die  Riesenwaldameise  (Formicaria  herculeana), 
die  Maulwurfsgrille    oder    Werre    (Gryllotalpa 
vulgaris),  der  Tannenriisselkafer  (Possodes  pi- 
ce®), der  Kiefernschwarmer   (Sphinx  pinastri), 
derKiefernspinner(Lasiocampa  pini),  dieNonne 
(Psilura  monacha).   Seit  zwei  Jahren  ergotzt  sich  an 
unserer  kleinen  aber  recht  typischen  Kollektion  von  Bei- 
spielen  fur  die  so  ratselhaften  und  hochinteressanten  Schutz- 
farben  und  Schutzformen,   sowie  fur  die  wahre  Mimikry 
(Nacha£fung)  Jung  und  Alt  in  solchem  Masse,  dass  wir 
es  fur  angezeigt  hielten,  diese  Schaustiicke  zu  vermehren ; 
rind   sie   doch   so  recht  geeignet,   uns   den  Sinn  fur  ein 
ordnendes  Prinzip  mit  Zielstrebigkeit  und  Zweckmassig- 
keit  in  der  Natur  zu  offnen.  Zwei  Kasten  mit  sogenannten 
Geschlechts-Dimorphismus  demonstrieren  jene  Eigen- 
tumlichkeit  in  der  Schmetterlingswelt,  wonach  Mannchen 
and  Weibchen   in   Farbe   und   Zeichnung,  ja  manchmal 
aogar  im  Fliigelschnitt  so  vollstandig  von   einander  ab- 
weichen,  dass  der  Nichteingeweihte  sie  fiir  ganz  verschie- 
dene  Arten  zu  halten  geneigt  ware.   Ein  Teil  der  Weib- 


214 


chen  dieser  Lepidopteren  bildet  zugleich  die  Belege  fur 
diejenigen  Mimikryformen,  die  sich  in  Kolorit  und  Zeich- 
nung  an  die  sogen.  geschiitzten,  durch  schlechten  Geruch 
und  Geschmack  immun  gewordenen  Arten  angepasst  haben 
und  damit  selbst  gegen  Yerfolgung  und  Ausrottung  ge- 
sichert  sind.  Ein  drittes  Tableau  enthalt  Objekte  fur  den 
Polymorphismu8,  die  Vielgestaltigkeit  der  Schmetter- 
linge.  W&hrend  die  Mftnnchen  einer  und  derselben  Art 
von  den  verschiedensten  Lokalitaten  sich  in  Farbe  und 
Zeichnung  mehr  oder  weniger  gleich  bleiben,  sehen  wir 
die  Weibchen  je  nach  den  Landern,  in  denen  sie  leben, 
oft  sehr  wesentlich  variieren.  L&ngst  beriihmt  ist  der 
Einsiedlerkrebs  (Pagurus  Bernhardii),  ein  Be- 
wohner  des  Meeres.  Sein  Hinterleib  ist  im  Gegensatze 
zu  dem  anderer  hoherer  Krebse  sehr  weichhautig;  des- 
halb  birgt  er  denselben  in  einer  leeren  Schneckenschale. 
Mit  zunehmendem  Wachstum  wechselt  er  seine  Wohnung. 
Urn  seine  Nahrung  miiheloser  zu  bekommen,  vergesell- 
schaftet  er  sich  mit  einer  Koralle,  einer  Aktinie  (Seerose, 
Seeanemone)  Adamsia,  jenen  herrlichen  Zierden  der  See- 
wasseraquarien.  Mit  den  Nesselorganen  vermag  die  Ak- 
tinie hunderte  von  kleinern  Tieren  zu  l&hmen,  die  ihr 
als  Nahrung  dienen7  von  welcher  auch  fiir  den  Krebs 
noch  geniigend  abfallt.  Aendert  dieser  notgedrungen  seine 
Wohnung,  so  lost  er  die  auf  seinem  Geh&use  ans&ssige  See- 
rose  sorgfaltig  los  mit  den  Scheren  und  disloziert  sie  auf 
die  neue  Behausung.  Die  Aktinie  geniesst  aber  den  Vor- 
tcil,  dass  sie  vom  Krebse  in  moglichst  viele  Nahrbezirke 
gefuhrt  wird.  Dieses  Zusammenleben  mit  gegenseitiger 
Dienstleistung  nennt  man  Genossenschaftsleben,  Sym- 
biose  oder  auch  Mutualismus  zum  Unterschiede  vom 
Parasitismus. 


215 


Geschenke  aus  der  Gruppe  der  Gliederftlssler  ver- 
zeichnen  wir  mit  Genugtuung  auch  dieses  Jahr.  Herr 
Dir.  Dr.  E.  Goldi  in  Pari  bedachte  uns  mit  je  M&nn- 
chen  und  Weibchen  von  vier  Spezies  sehr  grosser  Heu- 
schrecken  (Para,  Brasilien);  von  Herrn  Kaufmann 
Heinr.  G-uggenbuhl,  dem  im  vorletzten  Berichte  auf- 
gefuhrten  gutigen  Donator,  bekamen  wir  einen  merk- 
wurdigen Geisselskorpion,  der  unter  demNamen  Tarantel- 
skorpion  (Phrynus  lanatus)  bekannt  geworden.  Das 
spinnen&hnliche  Geschopf  hat  als  erstes  Kieferpaar  be- 
dornte  und  in  Klauen  auslaufende  Anne,  das  zweite  Paar 
ist  zu  langen  Geisseln  umgewandelt.  Die  Eieferfuhler 
endigen  ebenfalls  in  Klauen,  welche  das  Gift  bergen. 
Herr  Kaufmann  Gutknecht,  Eisenhandlung  in  hier, 
ubermachte  uns  eine  grossere  Zahl  von  im  Baselbiet  ge- 
sammelten  Eafern,  welche  uns  zur  Kompletierung  der 
einheimischen  Schausammlung  wesentliche  Dienste  leisten 
werden. 

Steigen  wir  zu  den  niedersten   Tierklassen 

hinanter,  und  ilbergehen,  weil  dieses  Jahr  ohne  namhafte 

Beitr&ge    geblieben,    die   Conchylien.      Originelle    Okto- 

korallen,    bezw.  Fleischkorallen    reprasentieren    die    See- 

federn,   deren  Polypentrager  federartig   an   einem   Stiele 

sitzen.     Die  rote  Seefeder  (Pennatula  phosphorea), 

aus  dem  Mittelmeer,  ist  imstande,  in  gereiztem  Zustande 

and  bei  Wellenschlag  ein  intensiv  griinliches  Licht  auszu- 

strahlen  (Meeresleuchten!).    Zur  Ordnung  der  Federbusch- 

schwamme  und  hier  besonders  der  Glasschwamme 

rechnet  man  die  Hyalonema  Sieboldii.     Auf  einem 

Bundel   spiralig    gedrehter,   weissglanzender?    bis   60  cm 

langer  Wurzelschopfiaadeln  sitzt  der   massige   Schwamm 

mit  seinen  zahlreichen  Poren  und  Kanalen  fiir  die  Wasser- 


216 


zirkulaiion.  Symbiotisch  lebt  am  obern  Ende  der  Kiesel- 
nadeln  regelmassig  eine  betrachtliche  Zahl  von  Polypen 
(Polythoa  fatua).  Recht  wiinschenswert  waren  schon 
langst  die  beiden  in  unserem  Siisswasser  vegetierenden 
Schwamme  Spongilla  fluviatilis  tind  Sp.  lacu- 
stris.  Die  Praparate  zeigen,  wie  sie  als  weisse,  leicht- 
runzelige  Kruste  im  Wasser  stehendes,  altes  Holzwerk 
iiberziehen.  Ihre  Vermehrung  firidet  durch  Schwarm- 
sporen  statt,  die  sich  nach  einer  gewissen  Zeit  des  freien 
Umherschwarmens  sesshaft  machen  und  zum  Schwamm, 
der  Kolonie  der  Einzeltiere,  heranwachsen.  Herr  Kauf- 
mann  H.  Guggenbuhl  in  Portorico  ist  seinem  uns 
miindlich  geausserten  Versprechen,  ab  und  zu  etwas  von 
sich  horen  zu  lassen,  in  promptester  und  verdankens- 
wertester  Weise  nachgekommen.  Gleichsam  als  Anhang 
zum  vorvorjahrigen  recht  ansehnlichen  Geschenke  sandte 
er  uns  abermals  eine  sehr  hiibsche  Serie  von  Binden- 
korallen  und  einen  Axinella-Schwamm. 

Sozusagen  in  jedem  Berichte  konnte  auch  eines  Zu- 
wachses  zur  Sammlung  pflanzlicher  Produkte,  bezw,  der 
botanischen  Objekte  gedacht  werden.  Von  den  diversen 
Gesclienken  erwahnen  wir  vor  allem  ein  solches  eines 
bewahrten  langjahrigen  Freundes  des  St.  Galler  Museums, 
des  Herrn  Prof.  Dr.  Schroter  in  Zurich.  Der  grosse 
botanische  Garten  zu  Buitenzorg  auf  Java,  welcher  unter 
der  trefflichen  Leitung  von  Dir.  Treub  zu  hoher  Bedeu* 
tung  fur  okologische,  physiologische  und  biologische  Stu- 
dien  in  der  tropischen  Pflanzenwelt  geworden,  hat  ausser 
einem  vorzuglich  eingerichteten  Laboratorium  auch  grdssere 
Versuchsgarten  fiir  Kulturpflanzen  aller  Art.  So  sollen 
Theorie  und  Praxis  einander  erganzen.  Herr  Professor 
Schroter  sandte  uns  in  Form  von  Herbariumsexemplaren 


217 


folgende  Belege  aas  dem  obgenannten  Institute:  Tranen- 
gras  (Coix  Lac  rim  a  J  obis).  Yon  dieser  Pflanze 
stammen  die  falschlich  als  Samen  bezeichneten  Gebilde, 
die  elfenbeinartigen  Blattscheiden,  welche  zu  Ketten, 
Rosenkranzen,  Armbandern  etc.  Yerwertung  find  en.  Die 
Eami£pflanze  (Boshmeria  nivea),  ein  nicht  „bren- 
nendes"  Nesselgewachs,  urspninglich  aus  China  stammend, 
liefert  den  Sohstoff  fur  ein  seidenglanzendes  Gewebe, 
sowie  fur  feste,  im  Wasser  sehr  dauerhafte  Stricke.  Bei 
Humboldtia  laurifolia,  einer  Papilionacee  von  Ceylon, 
liessen  sich  symbiotische  Erscheinungen  nachweisen.  Unter 
den  Bliitenstanden  treffen  wir  namlich  blasige  Hohlraume ; 
«ie  dienen  bissigen  Ameisen  zur  Wohnung,  welche  die 
Pflanze  vor  unberufenen  Gasten  in  wirksamster  Weise 
schutzen.  Der  Cocastrauch  (Erythroxylon  Coca), 
dessen  Blatter  von  den  Eingebornen  schon  seit  uralten 
Zeiten  als  Beizmittel  geschatzt  werden,  ist  der  Lieferant 
des  in  der  europaischen  Heilkunde  vielfach  angewendeten 
Alkaloides  Coca'in.  Letzteres  erzeugt  bekanntlich  auf  den 
Schleimh&uten  eine  ortliche  Gefuhllosigkeit.  Von  einer 
Labiate,  Pogostemon  Patchouly,  gewinnt  man  das 
durchdringend  riechende,  aber  nicht  allgemein  beliebte 
Patchouly  -  Parfiim.  Von  den  weitern  Geschenken  des 
Herrn  Professor  Schroter  nennen  wir  kursorisch  noch 
nachstehende Kulturpflanzen :  Muskatnuss  (Myristica 
iragrans),  Zimmet  (Cinnamomum  Zeylanicum), 
Kakaobaum  (Theobroma  Cacao),  Theespezies 
(Thea  sinensis  und  Th.  Assamica),  Baros-  oder 
Borneo  -Kampfer  (Dryobalanops  aromatic  a), 
endlich  liberischer  Kaffe  (Coffea  liberica). 

Hinsichtlich  der  Herbarien  und  der  sie  beschla- 
genden  Sammlungsarbeiten  verweisen  wir  auf  die  beiden 


218 


letzten  Jahresberichte ;  die  Bemerkungen,  die  daselbst 
angebracht  sind,  haben  auch  heute  im  vollen  Umfange 
Geltung.  Herr  Direktor  Dr.  Wartmann  und  der  Bericht- 
erstatter  widmeten  einen  grossen  Teil  der  disponiblen 
Zeit  der  Revision  und  der  Einordnung  der  st.  gallisch- 
appenzellischen  Pflanzensammlung,  namentlich  fanden 
griindliche  Bearbeitung  die  zahlreichen  Beitrage  der 
letzten  10  Jahre,  die,  wie  Sie  wissen,  das  Material  zum 
„Nachtrag  fur  die  kritische  Uebersicht  iiber  die  Gefass- 
pflanzen  der  Kan  tone  St.  Gallen  und  Appenzell"  bilden. 
Wir  sind  bei  der  60.  Familie,  den  Compositen  (Gattung 
Hieracium),  stehen  geblieben,  und  wir  erachten  es  als 
einen  Akt  dankbarer  Pietat,  wenn  wir  uns  schon  diesen 
Herbst  an  die  Erfullung  des  Lieblingswunsches  unseres 
seligen  Chefs,  den  Nachtrag  successive  abzuschliessen, 
machen. 

Relativ  sehr  giinstig  gestaltete  sich  teils  durch  An- 
kauf,  teils  aber  namentlich  durch  Dedikationen  die  Ent- 
wicklung  der  mineralogischen  und  petrographischen  Ab- 
teilung  des  Museums.  Die  Erstellung  des  zweibandigen, 
voluminosen  Kataloges  der  Minerale  hat  deutlich  die  ein- 
zelnen  Liicken  gezeigt,  die  in  diesem  Naturreiche  in  unsern 
Sammlungen  vorhanden  sind.  Sie  z.  T.  auszufullen  war  das 
Ziel  der  Ankaufe.  Das  Bergbaubureau  Christiania 
sandte  eine  Reihe  prachtvoller  Typen,  so  10  Stuck  idealer 
Rhombendodekaeder  (oo  0)  des  Granats  (Nordland),  Mus- 
co  vit  oder  Kaliglimmer  von  tafeligem  Habitus  mit  hexa- 
gonalen  Umrissen,  grosse  Turmaline  (go  P,  oo  Pa,  R),  Feld- 
spathkristalle,  welche  vollig  von  Quarz  umwachsen 
sind.  Aus  der  Auswahlsendung  von  Herrn  Minod  in  Grenf 
wurden  circa  35  Stiick  behalten,  z.  B.  Granat  (oo  0)  in 
Talkschiefer  aus   dem  Oetztal  im  Tirol,   Periklin  vom 


219 


Ofenhorn,  gelber  Top  as  vom  Ural,  weissseidenglanzender 
Dawsoni  t  (Canada),  gesohliffener  Achat  von  Oberstein 
mit  Bergkristalldruse,  Bleiglanz  (0. 00O00  !)  aus  Ungarn, 
derber  Molybdanglanz  (Washington),  Kieselzink- 
erz  oder  Calamin  in  grunen  kugeligen  Gruppen  (Laurion, 
Griechenland),  Silber  (Chile),  Parallelverwachsungen 
von  Klinochlor  mit  Biotit  (Tirol),  Pseudomor- 
phosen  von  Brauneisenstein  nach  Quarz,  von 
RoteisenBtein  nach  Calcit  (Es,  von  Iserlohn  in  West- 
falen),  Malachitnach  Quarz  (Friedrichssegen b. Ems), 
endlich  ein  wahres  Kabinettstiick  von  weissem  Fluss- 
spath  (oo  Ooo  ,  Zwillinge  nach  0)  mit  aufgelagerten  Quarz- 
kristallen  und  Zinkblende  aus  Cumberland.  Zahlreiche 
schweizerische  Minerale  von  alten  und  neuen  Fund- 
stellen  bilden  eine  willkommene  Erganzung  zu  den  bereits 
vorhandenen :  Marmor  mit  F  u  c  h  s  i  t  (Chromglimmer),  ein 
neues  Schweizermineral  von  Buccarischuna  (Biinden),  viele 
neue  Kalkspathformen  aus  der  Hohle  Kobelwies  bei 
Oberriet  im  Rheintal,  Aragonit,  kristallisiert  und  sinterig 
(bienenwabenartig)  von  Eealta  in  Biinden,  Flussspath, 
grun,  mit  Calcit  (Hohle  westlich  des  y,Aescheru  im  Kanton 
Appenzell),  prachtvolle  Rauchquarzgruppen  (Val  Giuf 
Biinden),  Grammatit  (Campo  longo,  Tessin),  Tremolith 
(Buccarischuna),  Cyanitkristalle  in  wunderschoner  Aus- 
bildung und  Farbe  (Pizzo  Forno),  Arsenkies  (Engadin), 
Eisenrose  mit  Rutil  (Binnental,  Wallis),  Eisen- 
8  path,  R  (Viesch  im  Wallis)  etc.  Einen  ansehnlichen  Teil 
der  obgenannten  schweizerischen  Minerale  lieferte  Herr 
Koberle  in  hier,  ein  tuchtiger  Mineralsammler.  Ihm  ver- 
danken  wir  zahlreiche  Geschenke,  wie  Cy  a  nit  in  Glimmer- 
schiefer  von  Campo  longo  und  Pizzo  Forno,  Aragonit, 
faserig,  mit  sinterartiger  Oberflache  aus  dem  Domleschg, 


220 


Graphit  (Chur),  Hauptrogenstein  and  Calcit- 
drusen  (Muttenz),  Calcit  mit  Eisenspath,  letzterer 
in  Drehspanform,  mehrere  charakteristische  Kalksinter- 
gebilde  und  Calcitrhomboederkombinationen  aus 
der  Kobelwies-Hohle.  Herr  Bezirkslehrer  F.W.Sprecher 
(S.  A.  C.)  von  Vattis  erg&nzte  in  generosester  Weise  seine 
vorjahrige  wertvolle  Sendung  von  Kabinetstucken  in  Cal- 
citen  etc.  aus  dem  st.  gallischen  Taminatal  durch  eine 
betrachtliche  Zahl  von  KalkspathskalenoSdern,  Berg- 
kristall  mit  Chloriteinschluss,  Markasit,  Pyrit, 
Fahlerz  u.  s.  w.  Ebenfalls  vom  St.Galler  Oberlande  be- 
kamen  wir  von  Herrn  Posthalter  Schmon  in  Mels, 
einem  unserm  Museum  wohlgesinnten  Naturfreund,  Citrin 
mit  durchgehender  Gelbf  arbung,  ferner  eine  wundervolle 
Kalkinkrustation  eines  Fichtenzweiges  vom  Walen- 
stadter-Tunnel,  die  sich  wie  ein  weisses  Korallengeriist  aus- 
nimmt  u.  a.  m.  Abermals  bereitete  uns  Herr  Direktor  Dr. 
E.  Vinassa  in  Lugano,  der  allzeit  treueFreund  und  Gonner 
unseres  Institutes,  von  dem  so  manche  schatzenswerte 
Gabe  gekommen,  grosse  Freude  mit  diversen  Beispielen 
von  Lavezstein  (Arcegno  bei  Ascona;  Val  Verzasca), 
von  Asbest  (Valtellino)  und  mit  zwei  Stiicken  Bauxit, 
dem  wasserhaltigen,  stark  verunreinigten  Aluminiumoxyd, 
das  fur  die  Gewinnung  des  Aluminiums  von  technisch 
hoher  Bedeutung  ist.  Die  Lokalitaten  der  zwei  genannten 
Belege  sind  neu.  (Capo  la  Carmona,  Monte  Turchio,  Pes- 
cina  in  den  Abruzzen.)  Nachdem  der  Beriohterstatter  s.  Z. 
seinem  hochverehrten  Lehrer,  Herrn  Prof.  Dr.  A.  Heim 
in  Zurich,  eine  selbstgesammelte  Serie  der  verschiedenen 
mechanischen  und  chemischen  Veranderungen  an  Nagel- 
flubgesteinen  der  dislozierten  Molasse  aus  der  Zone  von 
St.  Gallens  Umgebung  fiir  das  Polytechnikum  dedizierte, 


221 


folgte  von  ihm  als  freundliche  Gegengabe  eine  Anzahl 
Minerale  trad  Gesteine,  die  in  unsern  Sammlungen  noch 
gefehlt  hatten.  Von  den  Mineralen  nennen  wir  u.  a.  eine 
Carneolinfiltration  in  Buntsandstein  des  Schwarz- 
waldes,  Fuchsit  (Chromglimmer)  im  metam^rphosierten 
Marmor  der  Biindnerschiefer.  Als  weitere  Donatoren  haben 
sich  verdient  gemacht  die  Herren  Oberfbrster  Schnyder: 
Horn  stein  mitB&nderavonQuinten,Kaufmann  Vischer- 
Schl&pfer:  Pyritkugel  in  Kalkstein  (Weisstannen- 
tal),  Otto  Schefer:  Molassekohle  zwischen  Sandstein 
and  Nagelflah  (Steinbruch  b.  Riethausle,  St.  Gallen).  Vor 
ca.  I1/*  Jahren  hat  Herr  Direktor  Dr.  Wartmann  bei  Herrn 
Minod  in  Qenf  auf  die  grosse  schweizerische  Gesteins- 
sammlang  abonniert.  In  letzter  Stunde  sind  dann  be- 
reits  196  Typen,  die  verschiedensten  Gruppen  und  For- 
mationen  vertretend,  angelangt.  Durch  ihre  Ausstellung 
sind  wir  imstande,  Interessenten  ein  klares  Bild  der  Mannig- 
faltigkeit  der  Zusammensetzung  unseres  Schweizerbodens 
zu  verschaffen.  Unter  den  von  Herrn  Prof.  Heim  uns 
geschenkten  und  sofort  dem  Museum  ubergebenen  Ge- 
steinen  dtirfen  wir  hier  wohl  einige  aufflihren:  Talk- 
schiefer  (Zoblitz  i.  S.),  gequetschter  Eisenoolith 
(Windgalle),  Dynamometamorpher  Liasschiefer 
f  Juramulde  zwischen  Gotthard  und  Tessin),  vor  allem  aber 
eine  geschliffene  Platte  gefaltelter  Gneiss  aus  der 
Schlucht  von  Dazio  Grande  im  Tessin.  Sie  ist  ein  sprechen- 
der  Beweis  dafiir,  dass  bei  der  Alpenfaltung  nicht  nur  die 
Sedimente,  sondern  auch  die  Urmassive  in  Mitleidenschaft 
gezogen  wurden.  Ueberdies  verzeichnen  wir  hier,  wenn 
auch  schon  mehr  der  geologischen  Abteilung  zuzuweisen, 
zwei  echte  Fulgurite,  Blitzspuren  oder  Blitzvergla- 
8ungen.   Die  eine,  auf  Amphibolgneiss,  kommt  vom  Gipfel 


222 


de8  Sustenhorn,  die  andere,  an  Juliergranit,  vom  Gipfel 
des  Piz  Julier  (Engadin).  In  unserem  Bestreben,  mit  der 
Zeit  eine  vollstandige  Serie  von  st.  gallischen  Gesteinen 
anzulegen,  hat  uns  Herr  Kreisforster  J&ger  in  Vattis  in 
verdankenswertester  Weise  kraftig  unterstiitzt.  Von  ihm 
erhielten  wir  eine  grosse Platte  des  herrlichen  Korallen- 
kalkes  aus  dem  Malm  des  Calanda  (Steinbruch  an  der 
Stra88e  von  Vadura  nach  Vattis),  sowie  einen  ansehnlichen 
Block  des  einzigschonen  rosenroten  Rdtidolomites 
vom  Kreuzbachtobel  bei  Vattis.  Unser  Versprechen,  durch 
Zueignung  einer  selbstgesammelten  Kollektion  der  vul- 
kanischen  und  sedimentaren  Gesteine  des  He- 
gaus  (Hohentwiel,  Hohenhewen  etc.)  eine  recht  empfind- 
liche  Llicke  auszufiillen,  haben  wir  dadurch  honoriert, 
dass  wir  dem  Museum  dieser  Tage  unsere  Handsammlung 
von  ca.  180  Stucken  ubergaben  (Phonolithe,  Basalte, 
beiderlei  Tuffe,  Sti  s  swasserkalke,  Juranagel- 
fluh,  Susswasser-Molasse,  Grobkalke,  Erratica 
u.  8.  w.).  Ebenso  sind  kaum  mehr  aufzufindende  Natro- 
lithe  dadurch  in  den  Besitz  des  Museums  iibergegangen. 
Zum  Schlusse  gedenken  wir  noch  mehrerer  Geschenke 
in  Petrefakten.  Herr  Erziehungsrat  Dr.  Mliller 
tiberreichte  uns  ein  Bruchstuck  eines  versteinerten  Cala- 
miten  (St.  Etienne,  Frankreich),  Herr  Prof.  Heim  den 
charakteristischen  Conoclypus  Ybergensis  aus  dem 
Eoc&n  der  „Planggu  bei  Yberg  (Schwyz)  und  Fraulein 
Klara  Sutter  und  Herr  Pfarrer  E.  Schuster  in  Stett- 
f urt  erf reuten  uns  mit  einer  seltenen  Seeigelversteine- 
rung  im  Feuerstein  der  Insel  Fohr. 

Zu  verschiedenen  Malen  hat  der  langjahrige  Referent, 
Herr  Direktor  Dr.  Wartmann,  in  seinen  Berichten  den 
durch  das  Wachstum  der  Sammlungen  immer  mehr  sich 


223 


fuhlbar  machenden  Plutzmangel  hervorgehoben.  Sollen 
in  den  nachsten  Jahren  vor  allem  die  Lokalkollektionen 
der  Gesteine  und  Petrefakten,  sowie  die  geologischen  Ob- 
jekte  die  langst  notwendig  gewordene  Aufstellung  finden, 
so  muss  auf  irgendwelche  Weise  auch  fur  den  entsprechen- 
den  Raum  gesorgt  werden. 

Dank  der  Liberalitat  des  loblichen  Verwaltungsrates, 
der  den  ndtigen  Kredit  gewahrte,  ist  die  Anschaffung  des 
grossen  Kataloges  der  Reptilien  und  Lurche  von 
Boalenger  zur  Neuordnung  der  betreffenden  Tierklassen 
moglich  geworden;  vom  Katalog  der  Fische  ist  bis  jetzt 
nur  der  erste  Band  erschienen  und  beliefen  sich  die  Kosten 
fur  die  genannten  Werke  auf  ca.  Fr.  200.  — 

Was   den  Besuch   des   Museums  von  Seite  des 

Pablikums  anbelangt,  so  ist  derselbe  auch  im  abgelaufenen 

Zeitraume  ein  recht  reger  gewesen,  was  nicht  zum  mindesten 

der  neuen  Verordnung  betreffend    die  Besuchszeit  zuge- 

schrieben  werden  darf.  Vom  16.  April  bis  22.  Juni,  wahrend 

welcher  Zeit  in  unsern  Raumlichkeiten  die  schon  langer 

geplante  Niederdruckdampf  h  eizung  ,   ausgefuhrt 

von  den  HH.  Gebriider  Sulzer  in  Winterthur,  gebaut 

wurde,  blieben  samtliche  Sammlungen  vollig  geschlossen. 

Eg  ist  nicht  daran  zu  zweifeln,  dass  sich  jene  sehr  er- 

wunschte  Neuerung  sowohl  fur  die  Objekte  als  namentlich 

for  den  Besuch  des  Museums  in  segensreicher  Weise  be- 

merkbar   machen   wird.     Noch  glauben  wir  anfuhren  zu 

durfen,  dass  die  Erstellung  der  Centralheizung  durchaus 

mit  keinerlei  Unzuk5mmlichkeiten  verbunden    war;   der 

Staub,  der  sich  geltend  machte  beim  Durchbruch  des  Bodens 

und  der  Decke,  lag  wohl  fiber  Kasten  und  Vitrinen,  ver- 

mochte  aber  nicht,   in   dieselben  einzudringen. 

Der  diesjahrige  Bericht  hat  gezeigt,  wie  das  letzto 


224 


Amtsjahr  von  Herrn  Direktor  Ih\  Wartmann  ein 
jeder  Hinsicht  normales  und  giinstiges  fiir  die  Weifc 
entwicklung  des  st.  gallischen  naturhistorischen  Museu: 
gewesen  ist.  Wir  danken  dies  vor  allem  den  energiscb 
Bemuhungen  und  der  so  liebevollen  Hingabe  des  teui 
Verstorbenen,  insbesondere  aber  auch  der  vollen  Sympatl 
der  loblichen  Behorde  und  den  vielen  alten  und  jung< 
begeisterten  Freunden  des  Museums.  Ihnen  alien  gilt  unj 
herzlichster  Dank! 

Das  Fundament  unserer  Institution  ist  solid  gebai 
ein  kraftiger  Pfeiler  um  den  andern  ist  darauf  geset: 
sorgen  wir  dafur,  dass  mit  den  neuen  Perspektiven,  ( 
sich  aus  den  eminenten  Fortschritten  der  Naturwisse 
schaften  unserer  Zeit  erschliessen,  der  Ausbau  im  Sii 
und  Geiste  der  Begriinder  des  grossen  Werk 
durchgefuhrtwerdezuihrerEhreund  zuihre 
Andenken!  Darum  gelte  auch  heute  die  alte,  gt 
Devise:  „Mit  vereinter  Kraft  rtistig  vorwarts!" 

Kaum  wird  man  sich  wundern,  wenn  der  Berk 
uber  die  botanischen  Anlagen  diesmal  relativ  knapp  $ 
halten  ist.  Eine  wesentliche  Beeintrachtigung  der  A 
beiten  in  denselben  fand  durch  die  sehr  ungunstig 
Witterungsverhaltnisse  im  Friihjahr  und  Vorsommer  sta 
So  konnte  z.  B.  erst  Ende  April  mit  dem  Ansaen  der  G 
treidearten  begonnen  werden  und  wiederholt  eingetrete 
Schneefalle  (8.  und  14.  Mai)  verursachten  eine  Verschiebuj 
der  ersten  Anpflanzung  hoherer  Blutengewachse  bis  zi3 
29.  Mai.  Ihren  Abschluss  fanden  die  genannten  Arbeit 
am  21.  Juni. 

Herr  Stadtgartner  Walz  war,  nebst  seinen  viel 
andern  Verpflichtungen  fiir  die  iibrigen  offentlichen  A 
lagen  der  Stadt,  in  erster  Linie  bestrebt,  dem  Park  d 


225 


jenige  Gestaltung  zu  verleihen,  wie  sie  eine  grosse  Zahl 

von  Besuchern   mit  Rucksicht   auch   auf  die  Zier-   und 

Kunstgartnerei  wissen  mochte,   wo  das  Notwendige  mit 

dem  Angenehmen  Hand  in  Hand  geht.  Wenn  es  von  vorn- 

herein  schwer  fallt,  alien  Anforderungen  und  Meinungen 

gerecht  zu  sein,   so  darf  urn  so  mehr  anerkannt  werden, 

wie  Herr  Walz   mit  grosster  Unverdrossenheit  auf  eine 

bestmogliche  Abwechslung  bedacht  war  hinsichtlich  der 

Arrangements  von  Palmen,  Bananen,  Ziergrasern,   Topf- 

pflanzen    und   immergriinen   Gewachsen.      Die    Teppich- 

gartnerei  blieb  innerhalb  bescheidener   und   berechtigter 

Grenzen;   das  Vorhandene  aber  zeugte  von  grossem  Ge- 

schick  und  Geschmack  und  die  Parkbesucher  mochten  es 

jeweilen  kaum  erwarten,  bis   eine  derartige   Zusammen- 

stellung   ihre  definitive  Beendigung  gefunden.     Die  von 

Herrn  Walz  personlich  behandelte  prachtige  Gruppe  unserer 

Sacculenten  oder  Kakteen  gedieh  wiederum  vortrefflich, 

und  einheimische  wie  fremde  Besucher  des  Parkes  spende- 

ten   ihr    stets  voiles  Lob.     Einige  der  Riesensaulen- 

kakteen,  Cereus  peruvianus,  wiesen  einen  aussergewohn- 

lich  hohen  Bliitenansatz  auf;  schade  nur,  dass  die  alsbald 

eingetretene  regnerische  Witterung  die  Bltiten  nicht  zur 

vollenEntwioklunggelangenliess.  Eswaresehrzuwiinschen, 

dass  dieser  hochinteressanten,  als  einem  der  frappantesten 

lnpassungsbelege  fiir  die  vielgestaltige  Pflanzenwelt  wohl 

bekannten  Familie  noch  weitere  Reprasentanten  zugefiihrt 

wurden,  so  aus  dem  Genus  0  p  u  n  t  i  a ,  von  welchem,  wie 

wir  horen,  zwei  Prachtexemplare  im  hiesigen  Burgerspital 

vorhanden  sein  sollen.     Nebstdem   gibt  es  noch  mehrere 

herrliche  Typen,  die  uns  nicht  lange  mehr  fehlen  diirften ; 

taitzt  sie  doch  schon  die  sonst  viel  bescheidenere  Kakteen- 

gruppe  im  Konstanzer  Stadtgarten. 

15 


226 


Der  Adjunkt  des  Stadtg&rtners,  Herr  Habegger,  hat 
mit  voller  Liebe  der  Pflege  des  botanischen  Systems 
und  des  Alpinums  obgelegen,  einer  nicht  gerade  leichten 
Aufgabe,  wenn  man  den  bestandigen  Weohsel  und  die 
verschiedenerlei  Bediirfnisse  der  einzelnen  Insassen  in 
Betracht  zieht.  —  Infolge  Ablebens  des  treuen  Huters 
und  kraftigen  Beschiitzers  der  zuletzt  genannten  Anlagen 
wurden  keine  Erweiterungen  oder  sonstige  Veranderungen 
in  ihrem  Bestande  vorgenommen.  Dagegen  verzeichnen 
wir  hier  ein  generoses  Geschenk  des  unserem  Alpinum 
seit  kurzer  Zeit  wohlgesinnten  Herrn  Obergartner  Schenk 
vom  botanischen  Garten  in  Bern,  bestehend  in  circa  100 
Arten  von  Alpenpflanzen  verschiedenster  Herkunft.  Sie 
waren  uns  um  so  willkommener,  als  eine  grossere  Zahl 
gerade  der  wichtigsten  Vertreter  mit  den  Jahren  einge- 
gangen  ist.  Herr  Habegger  fuhrte  auch  eine  vollige  Neu- 
etiquettierung  der  Alpinumbewohner  zu  Ende;  im  fernern 
wurde  eine  gehorige  Raumung  von  ungebiihrlich  den  Platz 
erobernden  Arten,  sowie  eine  reichliche  Zufuhr  von  frischem 
Nahrboden  vorgenommen.  Die  gesamten  Alpenpflanzen- 
anlagen  sollten  —  es  ist  dies  kein  neuer  Wunsch  —  einer 
totalen  Neugestaltung  bezw.  einer  Hoherlegung  unter- 
zogen  werden.  Bei  diesem  Anlasse  wiirde  der  langst  not- 
wendig  gewordene  Bodenwechsel  verwirklicht,  anderseits 
Hesse  sich  durch  den  Bau  von  zusammenhangenden  Felsen- 
komplexen,  Mauern  etc.  den  okologischen  Prinzipien  ge- 
recht  werden.  Selir  zu  begriissen  ware  daneben  die  mehr 
geographische  Gliederung  der  Vertreter  speziell  unserer 
einheimischen  montanen  und  alpinen  Flora. 

Die  Pflanzen  des  Warmhauses,  welche  keinen 
nennenswerten  Zuwachs  von  Neuheiten  erfuhren,  erfreuten 
sich  durchwegs  eines  guten  Gedeihens.     Besonders  herr- 


227 


lich  kam  auch  dieses  Jahr  jene  wunderbare,  fast  aufdring- 
lich  vanillaartig  duftende  epiphytische  Orchidee  Stan- 
hopea  tigrina  aus  Mexiko  zur  Bliite.  Leider  haben  sie  nur 
wenige  gesehen,  da  ihre  Infloreszenz  von  kurzer  Dauer  ist. 
Zu  beklagen  ist  der  ganzliche  Abgang  der  so  interessanten 
karnivoren  Kannentrager  (Nepenthes  spec),  welche  ihre 
Blatter  in  Kannen  oder  Becher  umgestalten,  „in  denen  sie 
ihren  Feinden  totlichen  Trunk  kredenzen".  Es  ist  wohl 
keinem  Zweifel  unterworfen,  dass  die  abgestorbenen  Exem- 
plare  durch  neue,  lebenskrafbige  Ersatz  finden.  Desgleichen 
mochte  die  Haltung  und  Pflege  einer  Anzahl  wichtigster 
Eolonialpflanzen  von  hochst  belehrendem  Werte  sein. 
Im  Laufe  des  vergangenen  Sommers  ist  das  im  vor- 
jahrigen  Berichte  erwahnte  Kalthaus  als  Anbau  zum 
Turnhause  auf  dem  Biirgliturnplatz  erstellt  worden  und 
dient  dasselbe,  weil  recht  giinstig  ausgefuhrt,  bereits 
seinem  Zwecke  der  Uberwinterung  vieler  immergriiner 
Gewachse,  die  ehedem  im  Kellergeschosse  des  Museums- 
gebaudes  enggepfercht  ein  kummerliches  Dasein  fristeten. 
Heute  befinden  sich  jene  unter  gunstigen  Luft-,  Licht-  und 
Warmebedingungen  stehenden  maohtigen  Lorbeerbaume 
des  Hrn.  Minister  Roth,  die  Dracaenen,  Araucarien  etc. 
im  besten  Zustande.  Sollte  die  Winterkalte  allzu  stark  als 
Eindringling  fungieren,  dann  sorgt  der  stattliche  eiserne 
Ofen  fur  eine  angemessene  Temperierung  (bis  +  5°  C). 

Keine  Veranderung  ist  im  Arboretum,  d.  h.  in  den 
Baum-  und  Strauchgruppen  des  Parkes  vor  sich  gegangen. 
Fallungen  von  altersschwachen  oder  insektenbedrohten 
Baumen  wurden  nicht  notwendig  und  die  noch  vorhan- 
denen  alten  Eschen  diirfen  sich  wahrscheinlich  noch  langere 
Zeit  ihres  Daseins  erfreuen,  bis  der  junge  Nachwuchs  ein- 
mal  zum  reichen  Schattenspender  geworden. 


/ 


228 


Gliicklicherweise  wurde  das  Projekt,  einen  namhaften 
Teil  des  Stadtparkes  fiir  den  neuen  „Saalbau"  in  Anspruch 
zu  nehmen,  fallen  gelassen,  denn  durch  die  Verwirklichung 
desselben  hatten  unsere  Anlagen  eine  ganz  wesentliche 
Einbusse  erlitten. 

Recht  angenehm  beriihrte  jeden  Besucher  die  stets 
schneidige  und  peinliche  Ordnung  innerhalb  des  ganzen 
Parkes.  Trotzdem  die  Anlagen  „dem  Schutze  des  Pub- 
likumsa  empfohlen  sind,  so  kommen  doch  ab  und  zu  Dinge 
vor,  die  sich  mit  der  Ordnung  nicht  vertragen,  wobei  dann 
selbst  beim  besten  Willen  Kontroversen  entstehen,  deren 
Ergebnis  stets  auf  die  Schultern  des  ohnehin  geplagten, 
aufsichtfuhrenden  Gartenpersonals  abgeladen  wird. 

Einen  Attraktionspunkt  besonderer  Art,  der  sich  von 
jeher  sehr  lebhafter  Frequenz,  namentlich  von  Seite  unserer 
lieben  Jugend  zu  erfreuen  hatte,  bilden  die  Volidre  und  der 
Parkweiher,  die  reichhaltige  Gesellschaft  lebender  Vogel. 
^Dieser  lebendige  Anschauungsunterrichttf ,  sagt  einer  ihrer 
lebhaftesten  Verehrer  und  Gonner  mit  Poesie  und  Tat. 
„ist  geradezu  unbezahlbar  fiir  die  Jugend,  einzig  schon 
deshalb,  weil  auch  er  uns  hinlenkt  zur  gutigen  Mutter 
Natur,  deren  Freuden  ebenso  unerschopflich  als  bildend 
sind  fur  unser  Gemut." 

Der  fortwahrend  erhebliche  Kosten  verursachende 
Unterhalt,  die  oft  nicht  kleinen  MortalitatsziflTern,  welche 
eine  bestandige  NeuanschafFung  und  Erganzung  bedingen, 
die  hauslichen  Einrichtungen  fiir  die  Parksanger,  „ deren 
Abonnementskonzerte  bekanntlich  gratis  sindu,  und  die 
noch  nicht  vollige  Amortisation  der  Baukosten  fiir  die 
Voliere  ftihrten  jedes  Jahr  eine  wachsende  Schuld  und 
ein  unliebsames  Defizit  herbei,  so  dass  tatsachlich  die 
Fortexistenz  dieser  so  beliebten  Institution  in  Frage  stand. 


229 


Yon  den  mancherlei  Vorschl&gen  zur  Beseitigung  einer 
Kalamitat  worde  schliesslich  jener  des  Subskriptionsweges 
acceptiert.  Ein  von  unserm  allzeit  hilfsbereiten  Hrn.  Bank- 
direktor  Grtitter,  dem  begeisterten  Freunde  der  Natur 
an  die  Freunde  der  gefiederten  Welt  und  die  Besuche 
des  Stadtparkes  gerichteter  Aufruf,  den  er  im  Auftrage 
der  Ornithologischen  Gesellschaft  verfasste,  hatte  einen 
geradezu  unerwartet  giinstigen  Erfolg,  welch  letzterer  aber- 
mal8  ein  schoner  Beweis  der  st.  gallischen  Opferfreudig- 
keit  ist.  War  es  schon  die  urgelungene  Muse  des  Mottos, 
welche  auch  dem  verdriesslichsten  der  stets  „angepumpta 
werdenden  Mitburger  unwillkurlich  einen  Gold-  oder  Silber- 
vogel  aus  der  Tasche  lockte,  so  ist  es  anderseits  wohl 
weniger  der  Aussicht  auf  den  Orden  „pour  le  merite", 
als  vielmehr  der  "Oberzeugung,  einer  guten  und  schonen 
Sache  wieder  auf  die  Beine  zu  helfen,  zuzuschreiben,  dass 
so  namhafte  Beitrage  geflossen.  Die  Kollekte  ergab  den 
schonen  Betrag  von  ca.  3000  Fr.,  wodurch  die  Not  fur 
absehbare  Zeit  gehoben  und  die  Erhaltung  der  Voltere 
und  des  Parkweihers  gesichert  wurde. 

Ihr  Zustand  gestaltete  sich  im  Berichtsjahr  zu  einem 
durchaus  erfreulichen  und  normalen,  und  keinem  der  In- 
Bassen  mochte  wohl  die  finanzielle  Verlegenheit  seiner  Be- 
schtitzer  anzumerken  sein.  Die  Bevolkerungsziffer  betrug 
for  die  Voli^re  durchschnittlich  156  Exemplare  mit  69 
Arten,  jener  fur  den  Parkweiher  66  Exemplare  mit  32 
Arten. 

Wir  durfen  hier  um  so  eher  auf  eine  detaillierte  Be- 
schreibung  Verzicht  leisten,  da  der  von  Herrn  Haupt- 
mann  Gahwiller  mit  voller  Sach-  und  Fachkenntnis 
verfasste  Katalog  uber  die  Einzelobjekte  geniigenden 
Auf8chlas8  erteilt.    Vielmehr  beabsichtigen  wir,  der  inter- 


230 


essantesten  und  wichtigsten  Vorkommnisse  und  Muta- 
tionen  Erwahnung  zu  tun.  Die  Mortalitatsstatistik  ist 
innerhalb  bescheidener  Grenzen  geblieben.  Abermals  be- 
wahrt  haben  sich  der  prachtige  Flamingo  und  einer 
der  weissen  Loffelreiher.  Dem  im  letzten  Berichte 
sehnlichst  erwarteten  und  bald  nachher  eingetroffenen 
weissen  Storch  gesellte  sich  Mitte  September  ein  zweiter 
bei,  als  einem  freundlichen  Geschenke  des  Herrn  Pyro- 
techniker  Miiller  in  Emmishofen  (Thurgau).  Grosster 
Beliebtheit  erfreute  sich  unzweifelhaft  der  wegen  seiner 
hervorragenden  Eigenschaften,  besonders  der  ausserordent- 
lichen  Klugheit  und  Zahmheit  sich  auszeichnende  gemeine 
Kranich  (Grus  cinereus).  Bekundete  das  hiibsche  Mann- 
chen  durch  die  stete  Annaherung  an  seine  ihn  oft  scharen- 
weise  umgebenden  Freunde  und  durch  die  gemiitvolle7 
knarrende  Stimme  seine  Anhanglichkeit  und  Zutraulich- 
keit  zu  den  Menschen,  vorab  den  Kindern,  so  war  es  stets 
ein  kostlicher  Anblick,  wenn  er,  durch  Verbeugungen,  Hut- 
abnehmen  und  Griissen,  mittelst  frappanter  Gestikulationen 
und  Sprunge  dazu  aufgefordert,  getreulich  nachahmte, 
was  ihm  moglich  war  und  schliesslich,  zum  allgemeinen 
Gelachter  der  Anwesenden,  mit  gehobenen  Flugeln  sich 
um  sich  selbst  drehte  und  meisterhaft  zu  tanzen  begann.  Be- 
kanntlich  werden  namentlich  jung  aufgezogene  Kraniche 
sehr  rasch  zahm,  gewohnen  sich  an  eine  strikte  Haus- 
ordnung  und  wenn  man  sie  in  Gesellschaft  anderer  Vogel, 
ja  selbst  in  eine  solche  von  grossern  Weidetieren  bringtr 
so  ubernehmen  sie  gerne  die  Rolle  eines  Waiters  und 
pflichteifrigen  Ordnungschaffers.  Bei  einer  Viehherde  ver- 
sieht  dieser  intelligente  Vogel  die  Funktionen  des  Hirten- 
hundes  und  es  gibt  Falle,  wo  er  sogar  Ochsen  meister- 
haft im  Zaune  zu  halten  wusste.  —  Wir  bitten  also  Be- 


231 


sucher  des  Parkweihers  dringend,  dem  herrlichen  Burschen 
voile  Sorgfalt  und  Liebe  angedeihen  zu  lassen;  iibrigens 
weiss  man,  dass  er  unter  Umstanden,  namentlich  nach 
Beleidigungen,  sich  rasch  und  empfindlich  zu  revanchieren 
versteht. 

Ein  wiederholter  Versuch  mit  dem  zierlichen,  schlank 
and  grazios  gebauten,  in  Asien,  besonders  in  Indien,  mit 
dem  gemeinen  Kranich  vorkommenden  Jungfernkranich 
(Grus  virgo)  ist  leider  auch  dieses  Jahr  total  missgluckt. 
Es  scheint  beinahe  sicher  zu  stehen,  dass  wir  von  der 
Haltung  dieser  Art  ein  fur  allemal  abstehen  miissen ;  das 
St.  Galler  Klima  vor  allem  muss  ihr  nicht  zutraglich  sein. 

Wir  wollen  im  fernern  nicht  unerwahnt  lassen  einen 
selbst  in  zoologischen  Garten  kaum  zu  Gesicht  zu  bekommen- 
den  Gast,  der,  als  Geschenk  von  Herrn  Praparator  Zolli- 
kofer ,  unsere  Kollektion  zierte.  Es  sind  dies  vier  H  auben- 
steissfiisse  (Podiceps  cristatus),  von  welchen  zwar  zwei 
Exemplare  infolge  absoluter  Futterverweigerung  schnell 
eingingen;  dagegen  gewohnten  sich  die  beiden  anderen 
schliesslich  doch  an  die  Nahrung  und  gediehen  vortreff- 
lich  bis  zur  Zeit  des  Einfrierens.  Zur  Stunde  lebt  noch 
ein  Exemplar ;  bedauerlicherweise  ist  auch  bei  diesem  ein 
Absterben  zu  befurchten,  da  ihm  sein  Lebenselement,  das 
Wasser,  nicht  in  genugender  Weise  reserviert  gehalten 
werden  kann. 

Vor  einigen  Jahren  beherbergte  die  Voliere  eine  seit- 
her  abgegangene  Kolonie  von  Eulen;  im  Berichtsjahre 
warden  abwechslungsweise  einmal  vier  Turmfalken 
Palco  tinnunculus)  gehalten,  welche  sich  zahlreiche  Zu- 
schauer  anzuziehen  wussten. 

Weit  mehr  als  diese  interessierte  aber  die  seit  dem 
Monat  Joli   errichtete  Spechtabteilung   (vier  grosse 


232 


Buntspechte  [Picus  major]  und  zwei  mittlere  [Picus  medius]) 
in  der,  nach  sorgfaltiger  Priifung,  mehrere  mit  jenen  sich 
gut  vertragende  Spechtmeisen  oder  Kleiber  (Sitta  europaea) 
Unterkunft  fanden.  Berindete  *  Baumstamme  mit  Asten 
boten  den  ausserst  muntern  und  klugen  Gesellen  die  schonste 
Gelegenheit,  ihre  Zimmermannskiinste  zur  Schau  zu  tragen, 
und  die  Spechtmeisen,  als  die  einzigen  einheimischen 
Vogel,  welche  imstande  sind,  auch  stammab warts  zu 
klettern,  erfreuten  Jung  und  Alt  mit  ihren  flinken  Be- 
wegungen.  Allein  der  unter  Spechten  wohlbekannte  Un- 
vertraglichkeitssinn  gelangte  sehr  rasch  zum  Durchbruch. 
Einmal  ganz  erstarkt  und  die  Mauser  glucklich  iiber- 
standen,  uberfielen  sich  die  Spechte  gegenseitig  und  heute 
ist  von  der  ganzen  Sippe  nur  noch  der  einzige  Sieger 
fiber  alle  andern  am  Leben,  der  aber  selbst  kaum  uber 
Winter  ausharren  wird. 

Es  versteht  sich  von  selbst,  dass  bei  den  Einrich- 
tungen,  die  unsern  Lieblingen  geschaffen  wurden,  die 
Bruterfolge  eben  nur  als  bescheidene  bezeichnet  wer- 
den  miissen.  Immerhin  lassen  sich  auch  dieses  Jahr  eine 
Anzahl  giinstiger  Falle  von  Bruten  namhaft  machen,  so 
besonders  eine  zweite  der  Mahnentaube  (Columba  nico- 
barica)  und  zwei  Bruten  der  Nymphensittiche.  La- 
bradorente,  Bisamente,  Brautente,  Silber- 
fasanen  blieben  ebenfalls  nicht  zuruck  und  die  reizenden 
Scharchen  ihrer  allerliebsten  Kinderchen  sind  das  Ent- 
ziicken  von  jedermann  gewesen.  Mitte  Juni  erhielten  die 
weissen  Schwane  eine  vom  Publikum  lebhaft  begriisste 
Nachkommenschaft;  zwei  der  Jungen  wuchsen  rasch  heran 
und  nachdem  sie  lange  ihr  dunkelgraubraunes  Habit  ge- 
tragen,  entschlossen  sie  sich  allmahlich  zur  Ubernahme 
des  endgiltigen  schneeweissen  Gewandes. 


W&hrend  die  schwarzen  und  weissen  Schwane  Tiber 
die  strengste  Winterszeit  draussen  im  Biirgerspital  Unter- 
kunft  find  en,  hat  seit  Jahren  Herr  G&rtnereibesitzer 
Kessler-Steiger  in  zuvorkommendster  Weise  die  Uber- 
winterung  der  grossern  Sumpfvogel,  wie  Loffelreiher, 
Kranich  und  Flamingo  auf  sich  genommen,  und  seiner 
liebevollen  Fursorge  ist  es  zu  verdanken,  wenn  wir  im 
Fronting  wiederum  diese  alten  Bekannten  in  bestem  Zu- 
stande  begriissen  durfen. 


vra. 
Untersuchungen 

iiber 

die  Bodenfauna  in  den  Alpen 

von 

Konrad  Diem. 


I.  Einleitung. 

Was  verstehen  wir  unter  „Bodenfaunaa? 

Wir  haben,  obwohl  der  Ausdruck  „ Bodenfauna"  in 
der  Literatur  haufig  anzutreffen  ist,  doch  nirgends  eine 
genaue  Umschreibung  des  Begriffes  finden  konnen. 

Vom  n  Boden"  gibt  Nowacki  (Lit.  44)  eine  auch  vom 
zoologischen  Standpunkt  annehmbare  Definition,  indem 
er,  mit  Wasser  bedeckte  Flachen  ausschliessend,  sagt: 
„Der  Boden  stellt  eine  lose  gefugte  Masse  dar,  in  welcher 
grossere  und  kleinere,  bis  verschwindend  kleine  Gesteins- 
triimmer  mit  Mineralsalzen,  Humussubstanzen,  Wasser, 
Luft,  pflanzliehe  und  tierische  Lebewesen  zu  einem  in  sich 
beweglichen  und  veranderlichen  Ganzen  vereinigt  sind." 

Als  Bodenfauna  konnten  wir  demnach  im  allgemeinen 
Sinn  des  Wortes  die  Gesamtheit  der  tierisohen  Lebe- 
wesen im  Boden  auffassen. 

Wir  glauben  aber,  im  Interesse  einer  auf  biologische 
Eigentlimlichkeiten  Eiicksicht  nehmenden  Definition  den 
Begriff  enger  fassen  zu  mussen. 

Die  zahlreichen  Tierformen,  die  wir  zu  verschiedenen 
Zeiten  und  an  verschiedenen  Orten  im  Boden  antreflfen 
konnen,  stehen  in  sehr  verschiedenen  Abhangigkeitsver- 
haltnissen  zu  demselben. 


235 


Wir  finden: 

a)  solche  Formen,  die  nur  zufallig,  aktiv  oder  passiv, 
in  den  Boden  gekommen  sind  oder  die  sich  nur  wahrend 
kiirzerer,  unbestimmter  Zeit  dort  aufhalten.  Ihre  Ent- 
wicklung vollzieht  sich  aber  gewohnlich  und  natur- 
gemass  ausserhalb  des  Bodens;  wir  betrachten  sie  daher 
nicht  als  Bodentiere; 

b)  Tiere,  die  wahrend  einer  bestimmten,  begrenzten 
Periode  ihrer  Entwicklung  an  den  Boden  gekniipft  sind, 
deren  Auftreten  an  gewissen  Stand orten  aber  oft  durch 
das  Verhalten  anderer  Entwicklungsstadien  bedingt  ist 
(z.  B.  Bakterien,  Nemathelminthen,  Mollusken  (Eier)  und 
Arthropoden).  Diese  Gruppe  kann  als  „Bodenfauna  im 
weitern  Sinn"  angesehen  werden; 

c)  solche  Tierformen ,  deren  Existenz  dauernd  mit 
dem  Boden  verkniipft  ist,  die  aber  zufallig,  oder  zur 
Erfullung  einer  physiologischen  Funktion  regelmassig 
an  die  Oberflache  kommen  (z.  B.  verschiedene  Lumbri- 
ciden  und  Myriapoden); 

d)  Tiere,  die  normaler  Weise  nur  im  Boden  leben 
iz.  B.  viele  Enchytraeiden,  Nematoden,  Bakterien) ; 

e)  Tierformen,  deren  ganze  Entwicklung  sich  ge- 
wohnlieh im  Boden  vollzieht,  welche  aber  ebenso  gut 
dauernd  an  andern  Standorten  zu  leben  vermogen  (z.  B. 
verschiedene  Oligochaeten :  Lumbricus  melibceus,  nach 
Bretscher  amphibisch;  Enchytraeiden  unter  Rinde  oder 
in  faulendem  Holz). 

Als  eigentliche  Bodentiere,  als  Bodenfauna  im  engern 
Sbne,  konnen  nur  Tiere  unter  c,  d,  e  aufgefasst  werden, 
in  erster  Linie  also  Nematoden,  die  terricolen  Oligochaeten 
mid  verschiedene  Myriapodenformen. 


236 


Die  Kenntnis  der  Bodenfauna  der  Schweiz  ist  in 
systematisch-tiergeographischer  Hinsicht  im  Laufe  der 
letzten  Jahre  namentlich  durch  die  Arbeiten  von  Bretscher 
und  Ribaucourt  iiber  Oligochaeten  und  von  Rothenbtihler 
iiber  Myriapoden  wesentlich  gefordert  worden. 

Doch  mit  der  Kenntnis  der  Formen  und  deren  Ande- 
rungen  in  verschiedenen  Verbreitungsgebieten  ist  die  Auf- 
gabe  der  Tier  geographic  keineswegs  erschopft;  sie  sucht 
auch  nach  einer  Erklarung;  sie  forscht  nach  dem  ursach- 
lichen  Zusammenhang,  nach  den  Wechselbeziehungen  vom 
Herkommen  iiberhaupt,  den  Anpassungserscheinungen  und 
den  aussern  Lebensbedingungen  —  also  nach  dem  Ein- 
fluss  der  Standortsverhaltnisse  auf  die  Tierformen  und 
deren  Lebensweise ;  nach  dem  gegenseitigen  Verhalten  der 
verschiedenen  Arten  und  Individuen  und  nach  dem  Ein- 
fluss der  verschiedenen  Tiergruppen  auf  ihre  Umgebung. 

Der  am  haufigsten  begangene  Weg  zum  Studium  der 
Wechselbeziehungen  zwischen  Tier  und  Standort  ist  ge- 
wissermassen  ein  synthetischer:  der  Forscher  untersucht 
die  Einwirkung  eines  gesonderten  aussern  Faktors  auf 
den  Organismus  und  die  Lebensweise  einer  Tierform  und 
umgekehrt  den  Einfluss  des  gesonderten  Tieres  auf  seine 
Umgebung. 

Bei  solchen  Versuchen  zeigt  es  sich  aber  oft,  dass 
die  Wirkung  einzelner  naturlicher  Faktoren  durch  Ver- 
suche  iiberhaupt  nicht  exakt  gemessen  werden  kann.  Bei 
Versuchen  iiber  die  Lebensweise  der  Bregenwurmer  und 
iiber  ihren  Einfluss  auf  die  Entwicklung  der  Pflanzen 
kann  z.  B.  nicht  umgangen  werden,  die  Versuchserde  in 
kiinstlich  veranderter  Struktur  fur  denVersuch  bereit  zu 
stellen.  Dadurch  wird  aber  natiirlicherweise  die  tJbereiii- 
stimmung  der  gebotenen  Lebensbedingungen  mit  denen 


237 


in  naturlichen  Verhaltnissen  gestort  (vergleiche  lit.  19, 
pag.  15  und  lit.  69). 

Der  Systematiker  sucht  durch  spezielle  tiergeographisch- 
vergleichende  Betrachtungen  zum  Ziele  zu  kommen.  Dies 
ist  aber  bei  der  Erforschung  der  Bodenfauna  mit  viel 
grosseren  Schwierigkeiten  verbunden,  als  bei  der  mobilen 
Luft-  und  Oberflachenfauna. 

Die  bestimmenden  Lebensbedingungen  dieser  letz- 
tern  sind  weniger  lokalisiert,  wie  auch  die  Fauna  selbst, 
und  sie  sind  auch  leichter  und  rascher  zu  beobachten. 

Dagegen  stellt  das  Sammeln  der  Bodentiere  an  und 
fur  sich  grossere  Anforderungen ;  die  ungefahre  relative 
Tertretung  und  Verbreitung  kann  nicht  durch  blossen 
Augenschein  geschatzt  werden;  die  Beobachtung  aller 
Existenzbedingungen,  der  Standortsverhaltnisse,  verlangt 
spezielle,  dem  Systematiker  ferner  liegende  Studien. 

Die  Mannigfaltigkeit  der  klimatischen,  der  geologi- 
schen,  pedologischen  und  botanischen  Verhaltnisse  der 
Schweiz  erschwert  die  biographische  Erforschung  der 
Bodenfauna  noch  besonders. 

Diese  Umstande  fiihren  uns  darauf,  eine  bis  heute 
wenig  beachtete  Forschungsmethode  zu  Rate  zu  ziehen: 

Die  Bodentiere  sind  im  allgemeinen  sesshaft. 
Passive  Translokationen  sind  selten,  und  ihre  Wirkungen 
konnen  in  der  Mehrzahl  der  F&lle  geschatzt  werden  (Ver- 
schleppung  durch  Vogel  und  andere  Tiere,  durch  Erd-  und 
Pflanzentransporte,  Erdrutsche,  Lawmen,  Uberschwein- 
mungen,  fliessende  Gewasser).  Ihre  geringe  Wanderungs- 
tahigkeit,  die  grossen  Gefahren  bei  ihren  Wanderungen 
veranlassen  die  Bodentiere,  nur  dann  ihren  Standort  zu 
wechseln,  wenn  die  Existenzbedingungen  ihnen  nicht  nielir 
geniigen;  den  ungiinstigen  Verhaltnissen  aber  konnen 
rie  nie  entfliehen. 


238 


Unter  dem  Optimum  von  Lebensbedingungen  werd 
sie  sich,  weil  ihre  Entwicklung  begunstigt,  ihr  Wandertr: 
aber  gering  ist,  in  grosstmoglicher  Anzahl  ansamme 
wahrend  Ansiedelungen  unter  ungunstigen  Verhaltniss 
nur  von  kurzer  Dauer  sein  werden. 

Die  zahlenmassige  Vertretung  der  Formen  c 
Bodenfauna  an  einem  Standort  wird  sich  also  in  gewiss* 
Masse  proportional  der  Giinstigkeit  der  Lebensbedingung 
gestalten ;  wir  werden  durch  vergleiohend-statistische  Ai 
lysen  der  Bodenfauna  bei  genauer,  ausfiihrlicher  Ermi 
lung  der  aussern  Verhaltnisse  deren  Einfluss  auf  die  Ti< 
feststellen  konnen;  wir  werden  dadurch  Anhaltspunl 
erhalten  uber  das  Verhalten  der  verschiedenen  Tiergrupj 
und  Arten  zu  einander  und  uber  ihre  Einwirkung  i 
ihre  Umgebung. 

Hiebei  muss  aber  vorausgesetzt  werden,  dass  die  Stai 
orte  der  Untersuchungen  moglichst  natiirliche  sei 
d.  h.  solche,  die  namentlich  nicht  haufigen,  raschen  u 
unvermittelten  Anderungen  durch  den  Einfluss  der  Kul 
ausgesetzt  sind. 

Aus  diesem  Grunde,  sowie  mit  Rlicksicht  auf  • 
Moglichkeit,  auch  vergleichende  Beobachtungen  versch 
dener  Hohenlagen  machen  zu  konnen,  erscheint  es  zwe< 
massig,  solche  Untersuchungen  in  den  Alpen  durch: 
fuhren,  die  am  ehesten  natiirliche,  von  der  Kultur  wei 
beeinflusste  Standorte  bieten.  — 

Bei  der  Losung  der  uns  gestellten  Aufgabe  —  sta 
stische  Analysen  der  Bodenfauna  in  Verbindung  mit  I 
trachtungen  iiber  die  Standortsverhaltnisse  —  haben  \ 
verschiedene  Exkursionsgebiete  gewahlt,  teils  run  grdsse 
auffallendere  Unterschiede  einzelner  Faktoren  zu  erhalti 
teils  auch  aus  rein  ausserlichen  Griinden.  — 


239 


Die  statistische  Analyse  wird  in  ahnlichem  Prinzipe 
schon  lange  von  Botanikern  angewendet.  Wir  erwahnen 
die  Arbeiten  von  Sinclair,  Lawes  und  Gilbert,  Kuhn,  Witt- 
mack,  Vogt,  Schindler,  Stebler  und  Schroter  (lit.  60). 

Von  Zoologen  dagegen  sind  bis  heute  nur  wenige 
derartige  Erhebungen  gemacht  worden ;  genaue  Zahlungen 
von  Oligochaeten,  jedoch  ohne  besondere  Berucksichtigung 
der  aussern  Verhaltnisse  und  ohne  Einbeziehung  anderer 
Bodentiere,  haben  Hensen  (lit.  30)  und  in  neuerer  Zeit 
Bretscher  (lit.  6 — 11)  gemacht. 


tber  Standortsverhaitnlsse. 
a)  Boden. 

Die  Beziehungen  der  Bodenfauna  zu  ihrem  eigent- 
liehen  "Wohnort,  zum  Boden,  konnen  direkte  sein ;  in  dieser 
Hinsicht  haben  wir  zunachst  die  verschiedenen  Boden- 
verhaltnisse  zu  betrachten.  Sodann  aber  miissen  wir  auch 
benicksichtigen,  dass  klimatische  Faktoren  je  nach  Art 
und  Zusammensetzung  des  Bodens,  je  nach  seiner  Ex- 
position und  Neigung  einen  sehr  verschiedenen  Einfluss 
auf  ihn  ausiiben,  dass  ferner  durch  den  Boden  auch  die 
Formation  der  Pflanzendecke  mitbestimmt  wird. 

Wir  haben  bei  unsern  Untersuchungen  Erhebungen 
gemacht  iiber  die  morphologischen  Eigenschaften  des 
Bodens  —  Struktur  und  Schichtungsverhaltnisse  —  und 
uber  seine  chemische  Zusammensetzung;  wir  sind  aber 
gezwungen,  das  physikalische  Verhalten  der  unter- 
sachten  Boden  unter  Anlehnung  an  spezielle  bodenphysi- 
kalische  Versuche  durch  Kalkulation  zu  bestimmen. 
Denn  die  physikalischen  Eigenschaften  des  Bodens  — 
Bodenfeuchtigkeit  und  Bodentemperatur  —  sind  durch 
klimatische  Bedingungen  beeinflusst:  sie  wechseln  ortlich 


L 


240 


und  zeitlich,  und  ihre  Feststellung  erfordert  jahrelange  '. 
Beobachtungen. 

Eine  Zusammenfassung  der  Forschungen  auf  diesem 
Gebiete  der  Bodenphysik  ergibt  folgende  allgemeine 
Grundsatze : 

1.  In  bezug  auf  Feuchtigkeitsverhaltnisse: 

a)  Dichte  Boden  (Humus-,  Ton-,  Kalkerdeboden)  sind 
bei  anhaltender  Trockenheit  (starken  Luftstromungen) 
trockener,  bei  kalterem,  ruhigerem,  feuchtem  Wetter 
feuchter,  als  lockere  Boden  (Quarz-,  Kalksand-  und 
Steinboden). 

Mit  der  Dichtigkeit  wachsen  demnach  die  S  c  h  w  a  n- 
kungen  der  Bodenfeuchtigkeit. 

b)  Der  Wassergehalt  ist  am  kleinsten  bei  Siidexposition, 
grosser  bei  Ost-,  dann  Westexposition,  am  grossten 
bei  Nordexposition. 

c)  Mit  dem  Grade  der  Neigung  nimmt  der  Wassergehalt 
a  b,  in  starkerem  Masse  bei  bewachsenem  Boden  und 
bei  Siidexposition. 

d)  Die  trocknende  Wirkung  des  Windes  macht  sich  in 
tieferen  Schichten  weniger  geltend,  als  in  der  ober- 
flachlichen  Schicht. 

2.  In  bezug  auf  Bodentemperatur: 

a)  Die  Temperaturmittelwerte  werden  hauptsachlich 
vom  Gang  der  Lufbtemperatur  beeinflusst. 

Temperaturschwankungeti  nehmen  im  allge- 
meinen  mit  der  Tiefe  ab ;  tagliche  Temperaturschwan- 
kungen  dringen  hochstens  30  cm  tief  ein. 
In  den  Monaten  Oktober 


bis  Marz  steigt 
vom  April  bis  September 
fallt 


die  Tem- 
peratur 


von  den  oberflach- 
lichen 
zu  tieferen  Schichten. 


241 


b)  Bei  anhaltend  hoher  Lufttemperatur  ist  die  Temperatur 
der  Boden  mit  Sand *)  >  Ton  >  Humus. 

Umgekehrt  bei  niederer  Lufttemperatur; 
im  feuchten  Zustande  aber  ist  Humus  >  Sand  >   Ton. 

An  heissen  Tagen  konnen  die  Temperaturdif- 
ferenzeti.  extremer  Bodenkonstituenten  auf 
8,3°  C.  (bei  5  cm  Tiefe)  steigen : 

(Humus  <  Biindnerschiefer,  lit.  40). 
r)  Die  Bodentemperatur  ist  bei  Exposition  gegen 
Slid  >  Ost  -  West  >  Nord. 

Die  Differenz  ist  am  grossten  an  heissen  Tagen 
(mittags  1  h.  =  9°  C.  bei  5  und  15  cm  Tiefe)  bei  Sud- 
und  Nordexposition. 

Die  Temperaturschwankungen  sind  bei  Siid- 
exposition  grSsser  als  bei  anderer  Exposition. 

Ebenso  sind  Temperaturunterschiede  nach  dem 
Grade  der  Neigung  bei  Sfidexposition  am  gross- 
ten  (im  Maximum  7 — 8°). 

Mit  grosserer  Neigung  ist  die  Temperatur  des 
Bodens  bei  Exposition  nach 

April-Oktober  Noraibir-Mrz 

Slid    .     .     hoher  ,     niedriger  (rawhc  Schncewhrnelie) 

Nord .     .     niedriger     j     hoher. 

Bei  Ost-  und  Westexposition  zeigen  sich  nur  ge- 
ringe  Unterschiede. 
d)  Der  Einfluss  der  Vegetations-  und   Schnee- 
decke  aussert  sich  in  folgendem  Masse: 

Die  Bodentemperatur  ist  bei  bewachsenem 
Boden  (oder  mit  Schneedecke)  geringern  Schwan- 
kungen  unterworfen,  als  bei  nacktem  Boden,  nament- 
lich  im  Walde. 


hoher  >  niedriger. 

16 


242 


Im  Walde  ist  sie  niedriger  (im  Jahresmittel 
5 — 10°)  ah  im  Freiland;  der  Unterschied  wachst  mit 
der  Dichte  des  Bestandes. 


Aus  den  Alpen  sind  uns  nur  die  Erhebungen  iiber 
Bodentemperatur  in  Sils-Maria  bekannt. 

Sils-Maria  liegt  einem  unserer  Exkursionsgebiete, 
dem  Fextal,  nahe. 

Wir  ftigen  deshalb  eine  Zusammenstellung  der  Ergeb- 
nisse  der  Beobachtungen  bei1),  zum  Vergleich  auch  die 
von  Buus  (Baselland);  Haidenhaus8)  (Thurgau),  696  m, 
zeigt  Ahnlichkeit  mit  Buus  unter  etwelcher  Annaherung 
an  die  Resultate  von  Sils. 


Jahresmittel 

Lull- 
temperatur 

Bodentemperatur    °  C.  1— l'/i  b.  p. 

Silt 

Mi  m 

Buus 

451  ■ 

Sils  !  Bws 

Hit  ■      4U  ■ 

5  cm  tief 

Sils 

Ins 

Sils 

Im 

Sis    las 

| 

30  cm  tief 

60  cm  tief 

120  «■  tief 

1," 

8,4 

5,12 

10,3 

4,66 

15,1 

8,8 

4*» 

8* 

4,« 

8, 
11* 
0, 

littlerei  Ma 

— 

— 

20* 

28,8 

20* 

13* 

19,.' 

15,4 

littlerei  Mid. 

— 

-3,« 

-4,6 

-1, 

~2,o 

0,7 

2;> 

Min.  in  der  Periode 

— 

— 

-6,. 

-9,7 

—2.9 

— 6,0 

— 0.S 

U 

Die  Beobachtungen  erstrecken  sich:  in  Sils  von  1894 
bis  1899  (in  einer  Wiese),  in  Buus  von  1895  bis  1901  (im 
Garten). 

Im  allgemeinen  bestatigen  sich  die  frtiher  ausgefuhrter 
Grrundsatze  auch  fur  die  Alpen.  Sie  werden  aber  folgender- 
dermassen  erweitert: 

*)  Die  Originaltabellen  wurden  uns  von  der  meteorologischer 
Zentralanstalt  Zurich  zur  Bearbeitung  giitigst  zur  Verfugung  ge 
stellt. 

')  Von  der  schweizerischen  Zentralanstalt  fur  forstliches  Ver 
suchswesen  und  der  meteorologiscben  Zentralanstalt. 


243 


Die  Bodentemperatur  nimmt  im  Jahresmittel  mit  Zu- 
nahme  der  Hohe  iiber  Meer  in  erheblich  geringerem 
Grade  ab  als  die  Lufttemperatur. 

Wahrend  im  Flachlande  die  Temperatur  schon  bei 
60  cm  seltener  unter  0°  sinkt,  treten  in  grosseren  Hohen 
selbst  bei  120  cm  noch  Temperaturen  unter  0°  ein  (Sils 
bei  60  cm  mittl.  Min.  von  —  2,o°). 

DasTemperatur-Minimum  trittinSilsvomFebruar 
bis  Mai  ein,  in  120  cm.  Tiefe. 

In  der  Vegetationszeit,  Mai  bis  September,  zeigt 
die  Bodentemperatur  in  den  Alpen  eine  Temperatur- 
iiberlegenheit  der  obern  Schichten  (5  und  30  cm)  nur 
im  Juni  und  Juli;  in  jeder  Schicht  kommen  wahrend  dieser 
Zeit  gleichwohl  Temperaturen  unter  0°  vor. 

b)  Pflanzenbestand. 

Vom  Pflanzenbestand  sind  eine  Reihe  chemischer  und 
physikalischer  Eigenschaften  des  Bodens  beeinflusst,  wie 
wir  im  vorstehenden  Abschnitt  gezeigt  haben. 

Durch  Darwins  Versuche  (lit.  18,  pag.  18  ff.)  ist  nach- 
gewiesen,  dass  der  Regenwurm  fiir  besondere  Pflanzen 
und  Pflanzenteile  grosse  Vorliebe  zeigt,  andere  verschmaht; 
ahnlich  auch  verschiedene  Myriapoden  (durch  Plateau 
lit.  45).  Die  Bodenfauna  im  weitern  Sinne  (Larven)  wird 
auf  ahnliche  Weise  beeinflusst,  oder  indirekt  dadurch,  dass 
ihre  Imagines  an  einen  bestimmten  Typus  der  Pflanzen- 
formation  gebunden  sind. 

Durch  die  Tatigkeit  der  Wiirmer  sind  nach  Hensen, 
Darwin,  Wollny,  Djemil  wiederum  Entwicklung  und 
Gedeihen  der  Pflanzen  in  vielen  Fallen  beriihrt. 

DieseTatsachen  haben  uns  veranlasst,  auch  diePflanzen- 
decke  bei   unseren  Untersuchungen  in  Beriicksichtigung 


244 


zu  ziehen.  Ausserdem  bietet  uns  die  Flora  oft  ein  wert- 
volles  HQfsmittel,  um  auf  besondere  Eigenschaften  des 
Bodens  schliessen  zu  konnen  und  den  Grad  der  Wirkung 
klimatischer  und  wirtschaftlicher  Faktoren  beurteilen 
zu  konnen. 

Nach  den  Gesamterscheinungen  des  Pflanzenbestandes 
unterscheiden  wir,  unterZusammenfassung  derverwandten, 
von  Stebler  und  Schroter  aufgestellten  „Pflanzengesell- 
schaftena  fur  unsere  Probestandorte  folgende  Bestandes- 
formationen: 

1 .  Wi  e  8  e  (Fett wiese,  Magermatte,  Sumpf(Streu)- wiese). 

2.  Weide. 

3.  Wald  (und  Drosgebiisch). 

4.  Planggen. 

Die  Wiese.  In  der  Fettwiese  wird  durch  perio- 
dische  Zufuhr  von  meist  animalischem  Diinger  der  Humus- 
gehalt  des  Bodens  verandert.  Die  Entwicklung  derPflanzen 
ist  einseitig:  es  bildet  sich  eine  hohe,  aber  an  Trieben 
und  Individ uen  relativ  arme,  lockere  Pflanzendecke. 

Der  Boden  der  Magermatte  wird  durch  Heunutzung 
ohne  Ersatz  der  Pflanzennahrstoffe  beraubt.  Ein  kompakter 
Rasen  und  dichter  Wurzelfilz  unmittelbar  unter  der  Ober- 
flache  hemmen  den  Zutritt  der  Atmosphaerilien  zum 
Boden;  sie  erschweren  der  Bodenfauna  das  Durchdringen 
der  obern  Bodenschichten.  Die  Sumpf wiese,  gewohn- 
lich  als  Streuland  beniitzt,  auf  n  ass  em  Boden,  zeigt  be- 
sonders  charakteristischen  Pflanzenbestand  und  meistens 
,,saureu  Humusdecke.  Durch  die  grosse  Bodenfeuchtig- 
keit  wird  iiber  der  Sumpfwiese  oft  innerhalb  desselben 
Himmelsstriches  ein  kalteres,  rauheres  Klima  bedingt. 

In  den  Wiesen  gelangen  innert  kiirzern  oder  langern 
Perioden  beim  Mahen  eine  Menge  den  Humus  bereichernde 


245 


oder  der  Bodenfauna  als  frische  Nahrung  dienende  tote 
Pflanzenteile  auf  und  in  den  Boden. 

Die  Weide.  Das  Vieh  lasst  hier,  sehr  unregelmassig 
verteilt,  seine  Exkremente  —  pflanzliche  Euckst&nde  der 
Verdauung  und  tierische  Stoffe  —  an  begrenzten  Stellen 
fallen,  „Kuhfladentt,  welche  der  Bodenfauna  besondere, 
von  den  allgemeinen  Verhaltnissen  abweichende  Existenz- 
bedingungen  bieten,  aber  nur  wahrend  kiirzerer  Zeit 
(Stellen,  die  von  Oligochaeten  oft  gerne  aufgesucht  wer- 
den,  nach  Bretscher  lit.  11). 

Durch  den  Weidgang  wird  der  Boden  unregelmassig 
festgetreten  („Kuhtrittea). 

Der  alpine  Wald,  grosstenteils  Coniferengesell- 
schaften,  bietet  gegeniiber  den  andern  Pflanzenformationen 
besondere  Standortsbedingungen,  sowohl  in  seinen  klima- 
tischen  Bedingungen  —  grossere  Luftfeuchtigkeit,  gleich- 
raassige  Niederschlagsverteilung,  gleichmassigere  Tempe- 
raturen,  Windschutz  —  als  auch  hinsichtlich  der  Boden- 
verhaltnisse  (Waldhumus). 

Die  Planggen,  Planklerrasen,  sind  in  der  Art  ihrer 
Zusammensetzung  sehr  mannigfaltig,  weil  die  naturlichen 
Terschiedenheiten  (Lage,  Hohe,  Klima,  geologisch-pedo- 
logische  Verhaltnisse)  fast  allein,  ohne  ausgleichende  kultu- 
relle  Massregeln,  zur  Geltung  kommen. 

Eine  uppige,  wiirzige  Flora,  selten  durch  den  „Zahn 
der  Tiereu  gestort,  bildet  gewohnlich  einen  dichten,  war- 
raenden  Pelz  uber  dem  Boden. 

c)  Klima. 

Die  Unterschiede  der  klimatischen  Verhaltnisse  der 
verschiedenen  Exkursionsgebiete  aussern  sich  in  ihrer  Ein- 
wirkung  auf  die  geschiitzte,  verborgene  Bodenfauna  haupt- 


246 


8&chlich  in  verschiedener  Hdhenlage,  indirekt  durch  ihren 
Einfluss  auf  andere  Standortsbedingungen,  wie  Boden- 
feuchtigkeit,  Temperatur  und  Pflanzenbestand. 

Aus  unsern  Exkursipnsgebieten  stehen  uns  keine 
meteorologischen  Daten  zur  Verfiigung.  "Wir  mlissen  uns 
begndgen,  an  dieser  Stelle  die  Lufttemperaturen  der  be- 
nachbarten  Stationen  vergleichend  gegenfiberzustellen: 


i 

3 


o 

.  o 


3 

4 

1 

51 

1    ^ 

5 

r» 

•9 

i    s 

*~1 
1 

00 
1 

T 

^ 

;     e 

cm 

Ok 

1 

4 

CM 

1 

g 

ft 

i 

3 

CM 

• 

• 

of 

•• 

1 

s 

g 

s 

"3 

* 

_ 

H. 

'      2 

• 

a 
3 

■? 

CO 

iO 

00 

J8 

1 

e 

OS 

1 

CO 

1 

- 

* 

w 

S 

:  * 

O 

CO 

1-* 

CD 

^ 

t^ 

1 
t^ 

o 

• 

(4 
*0 

, 

1 

© 

i  1 

CM 

X 

oc* 

* 

CO 

5 

*H 

1     . 

^, 

| 

1 3 

cf 

go" 
1 

co~ 

1 

s 

of 

e« 

e« 

*H 

es 

~. 

X 

» 

$ 

„^ 

-a 

CM 

00 

1 

© 

i 

is    e 

I  -  s 
*3§ 

.£  Q 
«8    CM 

T3     €8     — 

OS 

c 

=  ?  = 

lie 

i 



-^  CO 

©9 

~» 

» 

1 

s 

I  .- 

*-*        ; 

'd 

i 

o 


247 


Wir  haben,  um  eine  tJbersicht  der  Hohenlage  der 
Probestandorte  zu  wahren,  fiir  die  in  Betracht  kommenden 
Gebiete  3  Hohenregionen  unterschieden  (anlehnend  an 
ifiihry's  klimatische  Regioneneinteilung,  lit.  42): 


248 


Wir  erwahnen  noch,  dass  mit  grosserer  Hohe  zu- 
nehmende  Intensitat  der  Evaporation  (Bodenoberflache 
austrocknend !),  aber  auch  gr6sserer  Feuchtigkeitsgehalt 
der  Luft  sich  bemerkbar  machen. 

In  den  obern  Regionen  ist  die  Saturation  im  Sommer 
grosser,  im  Jahresmittel  dagegen  kleiner. 

Die  mittlere  Jahrestemperatur  nimmt  ab,  ebenso  die 
Temperaturschwankungen  im  Jahresmittel;  dagegen  sind 
die  taglichen  Fluktuationen,  namentlich  im  Sommer, 
grosser  als  in  tiefern  Lagen. 

Der  Ubergang  vom  Winter  zum  Friihling  erfolgt  in 
der  Hohe  immer  rascher. 


III.  Methode  der  von  mir  durchgefBhrten 
Untersnchungen. 

Bretscher  hat  bei  seinen  Zahlungen  einzelner  Erd- 
aushube  die  Ergebnisse  pro  1  m2  berechnet;  er  macht  nur 
bei  einer  Erdprobe  von  Avers -Cresta  nahere  Angaben 
xiber  das  untersuchte  Quantum  Erde:  20X10>5  bei  einer 
untersuchten  Tiefe  von  8,5  cm  (also  ca.  1jbo  m*).  (Der  Boden 
selbst  hatte  eine  grossere  Machtigkeit.) 

Er  fugt  ferner  bei,  dass  die  Untersuchungen  „mit 
starker  Lupeu  durchgefiihrt  wurden. 

Wir  konnten  uns  demnach  bei  der  praktischen  Aus- 
fuhrung  der  Bodenuntersuchungen  nur  wenig  auf  friihere 
stiitzen. 

In  den  meisten  Fallen  haben  wir  eine  Flache  von 
25X25  cm  =  Via  m2  untersucht. 

Die  Flachenmasse  haben  wir  stets  parallel  der  Ober- 
flache  des  Bodens,  die  Tiefenmasse  senkrecht  zur  Ober- 
flache  genommen,  um  die  wirkliche  Masse  der  Erde  fest- 
zustellen.  Das  horizontale  Mass  geneigter  Oberflachen 


249 


wurde  eine  Verkleinerung  der  Probe  gegenuber  solchen 
mit  wagrechter  Oberflache  bedingen  und  beim  Messen  der 
Bodenschichten  (Humus,  Gesamtmachtigkeit)  in  verti- 
kaler  Richtung  wiirden  deren  Masse  bei  geneigter  Ober- 
flache grosser  erscheinen,  als  sie  in  Wirklichkeit  sind. 

Die  Abgrenzung  und  das  Messen  der  einzelnen  Boden- 
schichten ist  in  manchen  Fallen  kaum  moglich ;  wir  haben 
dann  festgestellt,  wie  weit  die  Hauptmasse  der  Wurzeln 
reichte  und  wir  bezeichnen  diese  Tiefe  als  „Wurzel- 
region". 

Nach  den  Erhebungen  iiber  Witterungsverhaltnisse, 
Oberflachengestaltung,  Pflanzenbestand,  brachten  wir  die 
Erde  (bis  zur  felsigen  oder  steinigen  Unterlage)  auf  Wachs- 
papier  und  packten  sie,  um  Verluste  moglichst  zu  ver- 
meiden,  sofort  in  doppelter  Umhiillung  ein. 

Die  topographische  Orientierung  geschah  nach  dem 
topographischen  Atlas  der  Schweiz,  diegeologische  nach 
den  ortlichen  Befunden  unter  Zuhilfenahme  der  rGeolo- 
gischen  Karten  der  Schweiz"  (vide  Literaturverz.).  Zur 
Feststellung  der  Oberflachengestaltung  bedienten  wir 
uns  der  Geologenbussole. 

Zur  Ermittlung  der  Qualitat  des  Pflanzenbestandes 
bestimmten  wir  die  dominierenden  Arten,  die  wir  nach 
den  Angaben  von  Stebler  und  Schroter  auch  zur  Boden- 
bestimmung  zu  Hilfe  zogen. 

Der  Bodenbestimmung  legten  wir  NowackisKlassi- 
fikation  zu  Grande. 

Zur  zoologischen  Analyse  der  Bodenprobe  ver- 
wendete  ich  ein  2  mm  Drahtsieb  von  20  cm  Durchmesser 
und  2  cm  hohem  Band. 

Ich  brachte  successive  kleine  Portionen  der  vorher 
zerteilten  und  von  grobern  Steinen  und  Pflanzenteilen  und 


260 


den  grds8ern  Lumbriciden  befreiten  Erde  auf  das  Sieb 
and  siebte  davon  einen  feinen  Belag  (ca.  1  mm  dick)  auf 
schwarzes  Wachstuch. 

Das  Aussuchen  der  Erde  wollte  zuerst  nicht  recht 
gelingen. 

Enchy  traeiden  und  Nematoden  und  andere  kleine  Lebe- 
wesen  waren  oft  nicht  oder  nur  schwer  von  pflanzlichen 
Grebilden,  wie  Wurzelstuckchen,  Gefassbiindelstrangen  und 
Staubfaden  zu  unterscheiden;  ebenso  konnten  Tiere  von 
dunkler  Farbe,  wie  einzelne  Collembolen,  kanin  gefunden 
werden,  wenn  sie  sich  ruhig  verhielten. 

Besseren  Erfolg  hatte  ich,  als  ich  begann,  Tabak- 
rauch  iiber  die  feine  Erdschicht  zu  blasen.  In  der  vor- 
her  fast  tot  erscheinenden  Masse  erwachte  reges  Leben. 
Nicht  nur  Enchytraeiden  und  Nematoden,  auch  Acariden, 
Collembolen,  selbst  die  kleinsten  Arthropodenlarven  und 
-Puppen  begannen  sich  lebhaft  zu  bewegen  und  zu  kiiimmen. 
Es  wurde  mir  bei  steter  Anwendung  des  Tabakrauches 
fortan  leicht,  der  gesamten  kleinen  Bodenfauna  habhaft 
zu  werden.  Zur  vollstandigen  Durchsuchung  bediente  ich 
mich  zuletzt  der  Lupe. 

Darwin  verneint  die  Empfindlichkeit  der  Regenwiirmer 
gegen  Geriiche,  spezielle  Falle  ausgenommen;  er  konnte 
keine  Empfindlichkeit  gegen  Tabaksgeruch  erkennen  (beim 
Tabakkauen)  [lit.   18,  pag.  15  ff.]. 

Wir  haben  immer  eine  Reaktion,  sowohl  bei  Lumbri- 
ciden wie  Enchytraeiden,  wahrnehmen  konnen;  beiletztern 
war  sie  allerdings  immer  rascher  und  energischer.  Da- 
gegen  rcagierten  die  Enchytraeiden  und  Nematoden  nur 
wenig  auf  den  .,Atemu  und  andere  Windstromungen. 

Den  ini  Siebe  verbleibenden  Riickstand,  Steinchen, 
Wurzelfilz  etc.  durchsuchten   wir  besonders,   wobei  dann 


251 


nicht  nur  grossere  Tiere,  sondern  auch  mit  Teilen  des 
Riickstandes  enger  verbundene  kleinere  (an  Wurzeln  haf- 
tende  und  in  Wurzelstucke  eingefressene  Enchytraeiden 
und  Nematoden)  zu  einem  grossen  Teil  herausgefunden 
werden  konnten. 

Durch  mehrere  Kontrollversuche,  mehrmaliges  Durch- 
sieben  der  gleichen  Erde  ohne  weitere  Funde,  iiberzeugten 
wir  uns  von  der  Richtigkeit  der  gewonnenen  Resultate, 
soweit  sie  sich  auf  mit  der  Lupe  noch  erkennbare  Tiere 
beziehen.  Einzig  einzelnen  Collembolen  gelang  es,  sich 
durch  einen  lebhaften  Sprung  unserer  Pincette  zu  ent- 
ziehen.  Einige  Nematoden,  die  sich  im  Wurzelwerk  ver- 
steckt,  verflochten  hatten,  mogen  gleichfalls- entkommen 
sein. 

Auf  den  Rat  von  Herrn  Dr.  Grete  machten  wir  auch 
einen  Versuch  mit  Abschl&mmen,  aber  ohne  jeden  Erfolg. 

Das  gefundene  Material  brachten  wir,  soweit  es  nicht 
zuerst  zu  Versuchen  verwendet  wurde,  zunachst  in  ver- 
dunnten,  dann  in  70— 90%  Alkohol. 

Diese  Art  der  Konservierung  ist  gegeben  fiir  Podu- 
riden,  Myriapoden,  Gastropoden  und  auch,  fur  beschrankte 
Zwecke,  fur  Lumbriciden.  Sehr  erschwert  wird  die  Be- 
stimmung  von  Enchytraeiden  und  Insektenlarven  —  sie 
ist  bei  diesen  in  unserem  Falle  ausgeschlossen  in  Riick- 
sicht  auf  die  ungeheure  Zahl  der  gesammelten  Individuen. 

Das  angewendete  Verfahren  ist  wohl  auch  das  einzige, 
das  gestattet,  die  Untersuchungen  ohne  Materialverlust  in 
absehbarer  Zeit  durchzufuhren. 

Die  Verteilung  der  Bodenfauna  auf  die  einzelnen 
Bodentiefen  und  Schichten  konnte  zwar  nicht  statistisch, 
durch  gesondertes  Sieben  der  einzelnen  Schichten,  aber 
darch  Sch&tzung  beurteilt  werden. 


252 


Die  mobilen  Wirbeltiere  der  Bodenfauna  —  Mause, 
Maulwurf,  Murmeltier  —  entgehen  bei  dieser  Methode. 
Wir  haben  gesucht,  ihre  Verbreitungsbezirke  in  den  Alpen, 
wo  sie  nur  sehr  lokal  auftreten,  tunlichst  zu  vermeiden. 


Im  Laboratorium  haben  wir  zunachst  eine  Sonderung 
des  Materials  in  die  einzelnen  Tiergruppen  vorgenommen 
und  deren  zahlenmassige  Vertretung  ermittelt  und  nach- 
her  die  einlassliche  systematische  Bearbeitung  begonnen. 

Die  Lumbriciden  sind  von  uns  bestimmt  und  Yer- 
treter  der  einzelnen  Arten  von  Herrn  Dr.  Bretscher  giitigst 
revidiert  worden. 

Ladierte  und  nicht  geschlechtsreife  Individuen  wurden 
nach  ihrem  Habitus  und  einzelnen  erkennbaren  Merk- 
raalen  auf  ihre  wahrscheinliche  Zugehorigkeit  zu  bestimm- 
ten  Typen  beurteilt.  Bruchstucke  wurden  soweit  moglich 
zu  Individuen  zusammengestellt.  Die  Angaben  beziehen 
sich  also  immer  auf  Individ uenzahl. 

Die  Bestimmungen  machten  wir  nach  Michaelsen 
(lit.  38),  zum  Teil  niit  Benutzung  der  Lumbricidensamm- 
lung  des  Polytechnikums. 

In  freundlicher  Weise  haben  die  Herren  Dr.  H.  Rothen- 
buhler  die  Myriapoden,  Dr.  J.  Carl  die  Collemboliden  und 
Dr.  Andre  die  Mollusken  bestimmt.1) 

Die  Bodenfauna  im  weiteren  Sinne  (Larven,  Puppen, 
Bodenraupen)  ist  quantitativ  untersucht  und,  soweit  mog- 
lich, gesondert  worden  in  Kaferlarven,  Dipterenlarven  und 
„Andere". 


J)  Die  Encbytraeiden  und  Xeruatoden,  Myriapoden,  Collembo- 
liden und  Mollusken  haben  wir  den  zoologischen  Sammlungen  des 
oidg.  Polytechnikums  iibergeben. 


263 


IV.  Ergebnisse  der  Bodenaimlysen. 

Die  Reihenfolge  der  Proben  ist  innerhalb  der  ver- 
schiedenen  Exkursionsgebiete  nach  Hohenregionen  und 
Pflanzenformation  geordnet.1) 

A.  Exkursionsgebiet  Alpstein-Calfeusental. 

a)  Subalpine  Region:  1300—1800  m. 
aa)  WIese. 
Nr.  1.  6.  VIII.  00,  einige  Tage  regnerisch. 

Calfeitsen.  St.  Martin  1350  m. 

Magermatte:  nur  ausnahmsweise  beweidet. 
Pflamenbestand:  locker,  am  Standort  frisch  gemaht. 
Dactylis  glomerata  L.  dl. 

Deschampsia  caespitosa  Beau  v.  fl. 

Heracleum  Sphondyleum  L.  mf.  dl. 

Alchemilla  fissa  Schamm.  mf.  dl. 

Ranunculus  acris  L.  mf.  dl. 

Rumex  arifolius  All. 
Boden:  Geol.:  Nummulitenbanke. 
a  Expos.:  NNO— SSW.  Neig.:  30°. 

humushaltiger,  frischer  Lehm  10  cm  Wurzelrtgion 

feuchter  lehmiger  Ton  40  cm  ^-20cm 
stark  feuchter  Ton  iiber  50  cm 

Gesamtm&chtigkeit  iiber  100  cm 

b  mit  H  CI  kein  Brausen  in  der  40  cm-Schicht  —  schwach 

in  der  10  cm-Schicht. 
c  ziemliche  Feuchtigkeits-  und  Temperatur- 

schwankungen  (n.  der  Kornigkeit). 


')  Siehe  auch  Anliangl:  Abkiirzungen  und  Beurteilungsskalen. 


E  66 

2 

L    4 

2 
1 

Mt      1 

Bw.  16 

G    5Ek 

254 


Fauna:  im  Untergrund  nur  vereinzelt  (unter  10  cm) 

N  10  ■ 


•  &  Typ.  d.  Helodrilus  D.  rubidus  2 
Brs.:    „      „  „  „ 

Scolopendrella  notacantha  Gerv. 

a  6     (3  4    y  6 

Arion  hortensis  Fer  ljuv. 

Hyalina  spec?  ljuv. 

Helix  (Arionta)  arbustorum  L  2 
Zua  lubrica  Miill.  var.  minima 
Siem.  1 

bb)  Welde. 

Nr.  2.  2.  VII.  00,  einige  Tage  ohne  Niederschli 

Alpstein.  BrUlenstein  1300  m. 

Magerweide  (Ziegen  und  Rindvieh-). 
Pflanzenbestand:  ziemlich  locker. 

Poa  Alpina  var.  vivipara  L.  mf.  ( 

Anthoxanthum  odoratum  L. 

Trifolium  montanum  L. 

Rumex  arifolius  All. 

Alchemilla  montana  Willd. 

Veronica  fruticulosa  L.  (( 

Ranunculus  montanus  Willd.  fl. 

Veratrum  album  L.  mf. 

Boden:  Gcol.:  Seewerkalk  (hellgraue,  knollige  Platl 

wenig  verwittert. 
a  Expos.:  SO  — NW.  Neig.:  12°. 


255 


Schuttboden:  humoser  mergeliger  Lehm  2!/s/9  cm 

Gesamtmachtigkeit. 
Untergrund:  Gerflll,  mit  wenig  Erde  untermengt. 
b  mit  HC1:  Untergrund  starkes  Brausen. 

Krome  kaum  bemerkbares  Brausen:  wenig 
Ca! 
c  im  allgemeinen  feucht,  ziemliche  Feuchtigkeits-  und 
Temperaturschwankungen. 
Fauna:  N    9 

E  40 
viele  an  Wurzelstocken  von  Alchemilla  haftend. 

L     6 
Helodrilus  D.  rubidus  Sav.  3 


•  d  2 

Leptophyllum  nanum  Latzel  2 

a  85     p  12     y  1  (Charaeas  graminis) 

Sira  spec.  1  defect. 


Mi  2 

Bw  98 

G  P1)    Eiirll 
C     1 

A  20 


Xr.  3.  13.  VII.  00,  drei  Tage  ohne  Niederschlage. 

Alpst.  Furgglen  1500  m. 

Magerweide  (Kuh-) 
Pflanzenbe8tand:  ziemlich  locker. 

Agrostis  alpina  Scop.  tl     dfl.     H     felsige  Orte. 

Trifolium  Thalii  Vill. 

Lotus  corniculatus  L. 

Pirola  minor  L. 

Senecio  abrotanifolius  L. 

Alchemilla  montana  Willd.  bo. 


')  Glaschen  zerbrochen. 


256 


Boden:  Geol.:  Gaultgeroll  (quarziger,  brauner  Sandst 
a  Expos.:  SO  — NW.  Neig.:  14°. 

Dunkler,  staubiger  (Haide-)  Humus  4!/a  cm  Gesa 

machtigkeit. 
Untergrund:  Felsplatte,  etwas  erhaben,  wenig  ^ 
wittert. 
6  m.  HC1:  Untergrund:  kaum  bemerkbares  Brausei 

Krume:  keine  Reaktion. 
c  feucht;  zieml.  wenig  Feuchtigkeits-  und  Temperai 
sch  wankungen . 
Fauna:  N    51 

E  179 
•cf  2        L       2 


Cylindroiulus  nitidus  Verh.  6 


Mi     6 
Ma     1 


Geophilus  spec.  ljuv. 

Bw  51 

a  9     p  14     r  28 

G       7    El 
Hyalina  (Polita)  radiatula  Gray       2 

Helix  (Vallonia)  pulchella  Mull.      3 

Helix  (Fruticicola)  sericea  Drap.      1 

Zua  lubrica  Mull.  var.  minima  Siem.  1  juv. 

C     11 

Podura  minor  Lubb.  1 

Isotoma  viridis  Bourl.  10        Hauptform. 

A    30 

Xr.  4.  26.  VII.  00.  3  Tage  ohne  Niederschl 

Alpst.  Gamsler  am  Roslen,  1630  m. 

Weide (Kuh-)  mit  Drosgebiisch,  von  Pinus  und  Picea  i 

geben. 
Pflanzenbestand:  locker. 


267 


mf.  dfl.  Kih.  H. 
mf.  dfl.  Kih.  H. 
fl.  dfl. 


Eryngium  alpinum  L. 

Vaccinium  Myrtillus  L. 

Rhododendron  ferrugineum  L. 

Ranunculus  montanus  Willd. 

viel  Moose  (Sphagnum). 
Boden:  Geol.:  Geroll  v.  Neocomien. 
a  Expos.:  0.  Neig.:  0. 

wenig  mergeliger  Haidehumus     3/5  cm. 

humoser,  mergeliger  Steinboden   40  cm  (mit  Wurzeln 
von  Pinus  und  Picea). 

Gesamtmachtigkeit  ca.  45  cm. 
b  mit  HC1:  Krume,  leichtes  Brausen. 
e  kleine  Feuchtigkeits-  und  Temperaturschwankungen, 

feucht. 


auna:  N  30 

hauptsachlich  unmittelbar  unter  der  Humus- 

schicht  E  115 

L  15 
in  der  Humusschicht. 


Helodrilus  D.  rabidus  Sav. 
Octolasium  cyaneum  Sav. 
Octolasium  lacteum  Oerley 

1 
1 
2 

•  J  Typ.  Helodrilus  D.  rubidus 

1 

Typ.  Octolasium  cynaneum 

Brs. 

Cylindroiulu8  nitidus  Verb.. 

6 
4 

10 

M,   10 
M2     6 

Scolopendrella  notacantha  Gerv.  4 

Scolopendrella  immaculata  Newport    1 

a  62    p     18    y  7 


Bw  87 


17 


258 

G4 
Hyalina  (Euhyalina)  cellaria  Mull.       2  juv. 

Helix  (Fruticicola)  villosa  Drap.  2  juv. 

C3 
Podura  (Tomocerus)  n.  spec.  1  defect. 

Sminthurus  luteus  Lubb.  Hauptform  2 

A  47 

Nr.  5.     12.  VII.  00.      Am  8.  und  9.  SchneefeU,  am  10.  Regen, 
gestern  und  heute  m&ssiger  Sonnenschein. 

Alpst.  Kasten  1797  m. 

Magerweide:  (Kuh-  und  Ziegen-). 
Pfianzenbestand:  dicht. 

Poa  alpina  var.  vivipara  L.  mf.  dfo. 

Trifolium  caespitosum  Reyn.  mf.  Kin. 

Alchemilla  montana  Willd. 

Primula  integrifolia  L.  fl.  dfl. 

Ranunculus  montanus  Willd.  fl.  dfl. 

Boden:  Geol.:  Schrattenkalk. 
a  Expos.:   SO  (a.  d.  Kuppe).  Neig.:  16°. 

mergeliger,  schwarzer  Humus  10  cm. 

mergeliger  Steinboden  (Grus)  30  cm. 
Gesamtmachtigkeit  40  cm. 

Untergrund:  Steinboden, mit  wenig mergeliger Erde. 
/;  mit  HC1  Krume  und  Steine,  schwaches  Brausen. 
c  frisch,    ziemliche  Feuchtigkeits-,  wenig  Temperatur- 
schwankungen. 

Fauna:   auf  10  cm-Schicht   und   untere  Schicht  ziemlich 

gleichmassig  verteilt. 

N    41 

E  655 

L     32 

hauptsachlich  in  der  Tiefe  von  6 — 10  cm. 


269 

Helodrilus  D.  octaedrus  Sav.  1 

Helodrilus  D.  rubidus  Sav.  1 
Octolasium  cyaneum  Sav.                     16 

Lumbricus  rubellus  Hoffm.  1 

*°  3   Typ.  d.  Octolasium  cyaneum  5 

Helodrilus  A.  spec.  1 

Helodr.  (D.  od.  A.)  spec.  1 

Brs.  6 

Cylindroiulus  nitidus  Verh.  7 


Mt   7 
Ma  3 


Geophilus  pusillus  Verh.  3 

in  der  30  cm  (untern!)  Schicht. 

Bw  31 
a  3     p  16  y  12 

G  —   Eierl 

C  1 
Sminthurus  aureus  Lubb.  Hauptform  1 

A  17 

ee)  Wald. 

ir.  6.  6.  VII.  00.  Seit  3  Tagen  regnerisch,  neblig-kalt. 

Jpst.  BrUlenstein  1300  m. 

Fkhtenwald  (hochstammig). 
Pflanzenbestand:  vereinzelt. 
Juncus  filiformis  L.  fl. 

Ranunculus  montanus  Willd.      fl.  dl. 
Oxalis  Acetosella  L.  fl. 

Wurzeln  von  Picea  excelsa. 
Boden :  G  e  o  1. :  hellgrauer,  stark  verwitternder  See  werkal  k . 
<i  Expos.:  NO-SW  (allgem.  Expos.  NO)     Neig.  11°. 
mergelig-lehmiger  Waldhumus  12  cm 

nasser,  humushaltiger,  mergeliger  Lehm  40  cm 
Gesamtmacbtigkeit  52  cm. 


260 


Untergrund:  lehmig-mergeliger  Grus- u.  Steinboden. 
b  mit  HC1:  schwaches  Brausen. 
c  wenig  Feuchtigkeits-  und  Temperaturschwankungen, 

feucht,  ziemlich  kalt. 

Fauna:  fast  durchwegs  in  der  Humusschicht.  N    67 

E  344 

L    41 
Eisenia  rosea  Sav.  2 

Allolobophora  aporata  Bretsch.  2 

m°      31 

Brs.  6 

Scolopendrella  notacantha  Gerv.  2 

a  59     p  16     y  2  (Charaeas  graminis) 

Arion  hortensis  Fer  5 

Helix  (Arionta)  arbustorum  L.  1  juv. 


M.  2 

Bw  77 

G  6 

C  12 


Podura  minor  Lubb.  8 

Lepidocyrtus  fucatus  Uzel  2 

Sminthurus  fuscus  (L.)  Lubb.  2  Hauptform 

A  54 

Nr.  7.         7.  VIII.  00.       Nach  langerer  Trockenheit  einige  Tage 

regnerisch. 

Calf.  St.  Martin  1450  m. 

Fichtenwald:  hochstammig,  looker. 
Pflanzenbestand:  0.     Wurzeln  von  Picea  excelsa. 
Boden:  Geol.:   Thonschiefer  (-blocke)   des  Eocan. 
a  Expos.:  O-W.     Neig.:  18°. 

feuchter  Waldhumus  6  cm 

trockener  lehmiger  Sand    uber  60  cm   (humushaltig) 
Gesamtmachtigkeit  iiber  55  cm 


N    2 

E  45 

1 

L    3 

2 
1 

Mi  2 

1 
1 

M2  1 
Bw  16 

A  17 

261 


b   mit  HC1:  keine  Reaktion. 

c   obere  Schicht  massig  feucht,  untere  trocken;  ziemliclie 
Feuchtigkeits-,  wenig  Temperaturschwankungen. 
rauna:  hauptsachlich  in  der  Humusschicht. 


Bra.:  Typus  d.  Octolasium  lacteum 

unbestimmt 

Schizophyllum  sabulosum  Latzel 
Cylindroiulus  nitidus  Verhoeff. 

Scolopendrella  notacantha  Gerv. 

a  12     p  4 


Nr.  8.      9.  VIII.  00.       Einige  Tage  regnerisch,  zeitweise  starke 

Niederschl&ge. 
Calf.  St.  Martin  1560  m. 

Lichter  Mischwald  (Lerchen,  Bergahorn,  Fichten). 
Pflanzenbe8tand:  sehr  dicht. 
starke  Qrashorate  (Nardus  stricta  L.,  Agrostis 

alpina  Scop.)  tl.  dfii.  H. 

Trisetum  flavescens  Beauv.  mf.  dl. 

Veratrum  album  L.  mf.  dl. 

Vincetoxicum  officinale  Monch. 
Aconitum  paniculatum  Lam. 
Bodeti:  Geol.:  Nummulitenblocke  und  Blocke  von 

Flyschschiefer. 
a  Expos.:  S—  N.  Neig.  46°. 

schiefirig^mergeliger,  moderiger  Humus   13  cm. 
schiefriger,  mergeliger  Steinboden  iiber  40  cm. 
Gesamtmachtigkeit     iiber  50  cm. 


262 


b  mit  HC1:  sehr  starkes  Brausen  in  beiden  Schi 
c  wenig  Feuohtigkeits-  und  Temperaturschwank 
(N  expos.!),  feucht. 

Fauna:    Alles  in  der  Humusschicht. 


w  +    Typ.  d.  Helodrilus  octaedrus  4 

Unbe8timmt  4 

Cylindroiulus  nitidus  Verh.  16 

Glomeris  hexasticha  Brandt  9 

Glomeris  transalpina  C.  Koch  4 

Craspedosoma  Rawlinsii  Leach  1 

Chord enuma  nodulosum  Verh.  2 

Polyde8mus  spec.  (?)  1 

Scolopendrella  immaculata  Newport  2 

Scolioplanes  acuminatus  Leach  2 

Geophilus  spec.  10  juv. 

Lithobius  aulacopus  Latzel  6 

Lithobius  spec.  7  Brs. 


a  204     £  4 


G  74 


Arion  hortensis  Fer  2 

Vitrina  diaphana  Drap.  2 

Hyalina  (Euhyalina)  allaria  Mull.  27 

Hyalina  (Polita)  pura  Alder  31 
Helix  (Fruticicola)  sericea  Drap.  1 

Helix  (Trioclopsis)  personata  Lam.  2  juv. 

Helix  (Acanthinula)  aculeata  Miill.  1 

Helix  (Arionta)  arbnstorum  L.  2  juv. 
Pupa  (Alaea)  substriata  Jeffr.  1 


263 


Carychium  minimum  Mull.  4  |j£t^"UllI!!rt^ 

Acme  polita  Hartm.  1 

A  12 


fc.  9.  17.  VII  00,  seit  lttngerer  Zeit  trocken. 

Mpst.  Zisler-Ebenalp  1724  m. 

Lichtes  Drosgebitech  (vereinzelte  Zwergfohren). 

Pflanzenbestand;  locker. 

Vaccinium  Myrtillus  L.  Kih.  mf.  dfl.  H. 

Vaccinium  uliginosum  L.  fl.  dfl.  H. 

Rhododendron  ferrugineum  L.  Kih.  mf.  dfl. 

Boden:  Geol.:  lockeres  Ger6ll  von  Schrattenkalk. 

a  Expos.:  freiliegend  (Kuppe).  Neig.:  0. 

brauner  Haidehumus  10  cm  I 

,.  ,  „  n        !  schwebend! 

mergebger,  schwarzer  Humus  2  cm  J 

dann  grosse  Lucke. 

Aus  der  Tiefe  von  75  cm  schwarzer,  mergeliger  Humus. 

h  mitHCl:  oberste  Schicht  (Haidehumus)  keineReaktion, 

schwarzer  Humus  (2  cm  Schicht  und  tiefste 

Schicht)  massig  starkes  Brausen. 

c  Obere  Schichten :  starkeFeuchtigkeits-  und  Temperatur- 

schwankungen. 

Unterste    Schicht:    mftssige    Schwankungen ,    massig 

feucht. 

Fauna:  E  2 

in  der  (obern)  Humusschicht 

M*  2 

unterste  Humusschicht. 

Scolopendrella  immaculata  Newport  1 

GeophOus  spec.  1 

Bw  70 

in  der  untersten  Schicht  ca.  1/s 


264 

a  13     pi     y  56 

G  1    Etor 
Hyalina  spec.  (?)  ljuv. 

C  2 

Sminthurus  luteus  Lubb.  var.  primosa  Tullb.  1 
Isotoma  spec.  (?)  1 

A  2 

dd)  Planggen. 

Nr.  10.  4.  VII.  00,  seit  zwei  Tagen  regnerisch 

Alpst.  Ruhsitz  1450  m. 

GhrosseTilcegelformiger Felsblock  (fiirWeide  unzuganglicfr 
Pflanzenbestand:  dicht. 

Poa  alpina,  var.  brevifoiia  mf.  dfo.  (? 

Myosotis  alpestris  Schmidt 

Gentiana  verna  L.  mf.  df 

Anemone  alpina  L.  Kh.  mf.  df 

Saxifraga  Aizoon  L. 

Globularia  cordifolia  L. 

viele  Moose  und  Fleohten  (Cladonia  rangifera). 
Boden:   Geol. :    weisser   Schrattenkalk,    stark   in   Ver 

witterung. 
a  Expos.:  S— N  (allgem.  Expos.  N).         Neig.  68°. 

grusiger  Humus  2 — 6  cm  Gesamtmachtigkeit. 
b  mit  HC1:  wenig  bemerkbares  Brausen. 
c  starke  Temperatur-  und  Feuchtigkeitsschwankungen 

Fauna:  N    2 


+ 


Leptophyllum  nanum  Latzel 


E     1 
L     1 

Mi  2 


265 


Ms  2 

Lithobius  spec. 

2 

juv. 
Bw  8 

a  2    (3  3     y  3     (2  Charaeas  graminis,  ; 

L  Puppe  von 

PapilionidaB). 

G  54  Eier  2 

Patula  rupestris  Drap. 

18 

Pupa  (Torquilla)  secale  Drap. 

var.  graciiior  Kreyl 

3 

var.  minor  Kreyl 

1 

Pupa  (Torquilla)  avenacea  Bruy 

var.  hordeuma  Stud. 

1 

Pupa  (Pupilla)  triplicata  Stud. 

1 

Clausilia  (Pirostoma)  parvula  Stud. 

var.  minor  Sohmid 

24 

Clausilia  spec.  (?) 

6  , 

juv. 

C  1 

Isotoma  sensibilis  Tullb. 

1 

A  1 

b)  Alpine  Region:  1800— 2300  m. 
bb)  Weide. 

Xr.  11.  27.  VII.  00,  seit  ca.  4  Tagen  trocken,  heiss. 

Alpst.  RuchbUhl-Kraialp  2080  m. 

Magerweide  (hauptachlich  Schaf-  und  Kuhweide). 
Pflamenbestand:  ziemlich  locker. 

Poa  alpina  var.  vivipara  L.  mf.  dfo. 

vorwiegend  Oxytropis  montana  Dec.  mf.  dfl. 

Meum  Mutellina  Gartn.  Kh.  mf.  dl. 

Polygonum  viviparum  L.  mf. 

Boden:  Geol.:  Obere  Aptschichten. 
aAUg.  Expos.:  SO— NW.  Neig.:  0°. 

mergelig-grusiger,  filziger  Humus  6  cm. 


266 


humushaltiger,  steiniger  Lehmmergel  iiber30  cm  (init 
Wurzeln  von  Oxytropis). 

Gesamtmachtigkeit  iiber  36  cm. 
Untergrund:  lehmig-mergeliger  Steinboden. 
b  mit  H  CI :  in  alien  Tiefen  massig  starkes  Brausen. 
c  massig  feucht,  zieml.  Feuchtigkeits-  und  Temperatur- 
schwankungen. 
Fauna:  haupts&chlich  in  der  Humusschicht.  N  28 

viele  im  Lehmmergel  E  461 

alle  in  der  Humusschicht  L  4 

Octolasium  cyaneum  Sav.     2 
»  9   unbestimmt     1 
Brs.     1 


a  50     £  7     y  10 

Isotoma  sensibilis  Tullb.  3 
Isotoma  palliceps  Utzel  1 

Entomobrya  lanuginosa  Nic.  10  juv. 
Orchesella  rufescens  Wulf. 

var.  pallida  Reut.  1 


Bw  67 
C  15 


A  25 


Nr.  12.  19.  VII.  00,  seit  einigen  Tagen  keine  Niederschlage. 

Alpst.  flhrli  2150  m. 

Magerweide  (Schaf-  und  Ziegen-). 
Pfianzenbestand:  locker. 

Poa  alpina  L.  mf.  dfo. 

Anthoxanthum  odoratum  L.      bv.  u.  a.  Gramineen. 

Leontodon  incanus  Schrank. 
Boden:  Geol.:  schiefriger  braunl.  Mergel  des  Neocomien. 
a  Expos.:  N-S.  Neig.:  15°. 

schiefrig-lehmiger  Humus  6-10  cm       I   mit  einzelnen 

humoser  schiefriger  Mergel  ca.  5 — lOcmj      Ca-Steinen. 


267 


Gesamtm&chtigkeit  ca.  15  cm. 
b  mit  HC1:   obere  Schicht   keine  Reaktion   (mit  Aus- 

nahme  der  Steine). 
c  wenig  Feuchtigkeits-  und  Temperaturschwankungen, 
massig  feucht. 
Fauna:  N  12 

E  376 
L  16 
N — E — L:  die  meisten  in  der  Humusschicht. 
Helodrilus  D.  octaSdrus  Sav.  3 

Octolasium  lacteum  Oerley  1 

*  5.  Typ.  d.  Helodrilus  D.  oetaedrus  5 

Typ.  d.  Octolasium  lacteum      2 

Brs.     6 


Scolopendrella  notacantha  Gerv.  4 

?  84  (in  der  untern  Schicht)     y  36 

Pupa  (Edentulina)  edentula  Drap.  6 

Pupa  (Pupilla)  muscorum  L.  1  (?) 

Clausilia  spec,  oder  Pupilla  spec.  1 


Ms   4 

Bw  120 
G  8 

A  20 


ce)  Wald. 

Nr.  18.  18.  VIII.  00,  seit  langer  Zeit  regnerisch. 

Alpst  Schraa-Wiesli  2090  m. 

Arven-Fichtengruppe  (Baumgrenze). 
Pflamenbesta?id:  0. 

Boden:  Geol.:  Flyschschieferblocke. 
a  Allg.  Expos.:  S-N.  Neig.:  0°. 

filzig-torfiger  Humus  8  cm. 
lehmiger,  humoser  Steinboden  20  cm. 


268 


humushaltiger,  lehmiger  Steinboden  15  cm. 
Gesamtmachtigkeit  ca.  43  cm  (mit  Wurzeln  von 
Picea  excelsa  und  Pinus  Cembra). 
b  mit  HC1:  keine  Reaktion. 

c  feucht,  wenig  Feuchtigkeits-  und  Temperaturschwan- 
kungen. 
Fauna:  E  22 

Bw  44 
a  44 

C  2l. 
Isotoma  quadrioculata  Tullb.        1 

Entomobria  multifasciata  Tullb.  1 

A  15 

dd)  Planggen. 

Np.  14.  16.  VIII.  00,  seit  langer  Zeit  regnerisch,  kalt. 

Calf.  Heuberge  1797  m. 

Felsgrasband. 
Pflanzeribestand:  vereinzelt. 

Avena  Scheuchzeri  All.  tl.  dfl.  H. 

Trifolium  alpinum  L.  Kih.  mf.  dfl. 

Sempervivum  montanum  L. 
Boden:  Geol.:  Flyschschieferfels  (?). 
a  Expos.:  NNO  —  SSW.  Neig.:  50°. 

humusreicher  Lehm.      12  cm  Gesamtmachtigkeit. 
b  mit  HC1:  keine  Reaktion  in  der  Krume;  Fels:  m&ssig 

starkes  Brausen. 
c  starke  Feuchtigkeits-  und  Temperaturschwankungen. 

Fauna:  N  3 

E  2 
M*  2 

lj  Erstmalige  Zahlung  ergab  18,   es  muss  auf  irgendwelche 
Weise  ein  Verlust  entstanden  sein. 


269 

Scolopendrella  immaculata  Newport  1 

Lithobius  spec.                               Brs.  1 

a  4     £  11     r  9 

Patula  rupestris  Drap.  1 

Helix  (Fruticicola)  sericea  Drap.  5 

Helix  (Vallonia)  pulchella  Mull.  15 

Zua  lubrica  Mull.  var.  minima  Siem.  4 

Pupa  (Isthmia)  opisthedon  Bernhardt  4 
Pupa  (Torquilla)  avenacea  Bruy. 

var.  hordeuma  Stud.  6 
Clausilia  (Pirostoma)  parvula  Stud. 

var.  minor  Schmidt  1 

Clausilia  spec.  1 


Bw  24 
G  37  Dir  fl 


A  4 


Nr.  15.  16.  VIII.  00,  seit  langer  Zeit  regnerisch,  kalt. 

Calf.  Heuberge  1800  m. 

Fetegrasband  (3  m  ostlich  von  Nr.  14). 
Pflanzenbestand:  locker. 

Avena  Scheuchzeri  All.  tl.  dfl.  H. 

Leucanthemum  vulgare  Dec.  mf.  dl. 

Senecio  Doronicum  L.  Kh.  mf.  dfl. 

Chaerophyllum  Villarsi  Koch. 

Dianthus  silvestris  Wulf. 
Boden:  Geol. :  Flyschschieferplatten  (Nummulitenkalke?) 
a  Expos.:  NNO— SSW.  Neig.:  50°. 

sandig-staubiger,  dunkler  Humus    6  cm  I  Wuraelregion 

steiniger  Lehm  20  cm  )       10  cm 

Gesamtmachtigkeit  26  cm. 
b  mit  HC1:  Krume  kaum  bemerkbares  Brausen. 


270 


Fels  (und  Steine  im  Lehm):  schwaches,  andauerndes 
Brausen. 
c  m&ssig  frisch,    zieml.  Feuchtigkeits-  und  Temperatur- 
schwankungen. 
Fauna:  N  3 

E  5 
L  1 


Brs.  unbestimmt  1 

Cylindroiulus  nitidus  Verh.  8 

Chordeuma  sylvestre  C.  Koch  6 

Glomeris  hexasticha  Brandt  2 

Scolopendrella  immaculata  Newport  9 

Lithobius  spec.  1 

a  25     0  6 

Hyalina  (Polita)  pura  Alder  9 

Hyalina.  (Polita)  radiatula  Gray  2 

Helix  (Vallonia)  pulchella  Mull.  5 

Helix  spec.  (?)  2 

Helix  (Fruticicola)  sericea  Drap.  1  juv. 

Zua  lubrica  Miill.  var.  minima  Siem.  4 


Mi  16 

M*  10 

Bw  31 
G  23 


A  3 


Nr.  16.  28.  VII.  00.  Langere  Zeit  wenig  Niederschlage. 

Gestern  Regen. 

Alpst.  Gamsler-Hundstein  1855  m. 

Grassland  im  lichten  Fohrenwald. 
Pflanzeribestand:  sehr  dicht. 

viel  Festuca  violacea  Gaud.  Kih.  mf.  dfl. 

Trifolium  badium  Schreb.  Kh.  mf. 

Pimpinella  saxifraga  L.  tl. 

viele  Moose. 


271 


Boden:  Geol.:  obere  Aptschichten — Felsplatten. 
a  Expos.:  NW— SO.  Neig.:  68°. 

humusreicher,  mergeliger  Lehm,  8 — 10  cm  Gesamt- 
machtigkeit. 
b  mit  HC1:  schwaches  Brausen. 

c  massig  trocken  —   grosse   Feuchtigkeits-   und  Tem- 
peraturschwankungen. 
Fauna:  Mi  7 

Leptophyllum  nanum  Latzel  6  juv. 

Glomeris  hexasticha  1  juv. 


a  1     0  3     Y  3 

Hyalina  (Polita)  pura  Alder  1 

Helix  (Fruticicola)  sericea  Drap.  3 

Zua  lubrica  Mull,  var.  minima  Siem.  1 
Pupa  (Torquilla)  avenacea  Bruy. 

var.  hordeuma  Stud.  3 

Neuer  Apterygotentypus. 


c)  Subnivale  Region  2300—2700  m. 


Bw  7 

G  8 


C  1 
A  5 


dd)  Planggen. 

Nr.  17.  20.  VII.  00. 

Alpst.  Santis  2465  m. 

Qrasband. 

Pflanzenbe8tand:  sehr  dicht. 

hauptsachlich  Poa  alpina,  var.  vivipara  L.      mf.  dfo. 

Nardus  stricta  (?)  L.  tl.  dfl.  H.  Torfmoore. 

Boden:  Geol.:  Korniges  Urgonien. 
a  mergelig-sandiger,  filziger,  staubiger  Humus,    13  cm 
Gesamtmachtigkeit. 

Untergrund:  humushaltiger,  sandiger  Steinboden. 


272 


Expos.:  SW— NO.  Neig.:  22°. 

b  mit  HC1:  Humusschicht  kurzes,  schwaches  Brausen. 
Untergrundschicht  massig  starkes  Brausen. 
c  grosse  Feuchtigkeits-  und  Temperaturschwankungeii ; 
im  allgemeinen  trocken. 
Fauna: 


al     ?1 

Lepidocyrtus  fucatus  Uzel 


E  10 
Bw  2 

C  1 

A  1 


Nr.  18.  20.  VII.  00. 

Alpst.  Santis  2480  m. 

Grasfleck  nordostlich  der  Spitze. 
Pflamenbestand:  sehr  dichter  Gramineenrasen. 
Boden:  Geol.:  Knolliger  Gault. 
a  Expos.:  N,  O,  S.  Neig.:  0°. 

mergeliger,  kompakter,   gelbbrauner,   staubig-filziger 
Humus,  9  cm  Gesamtmachtigkeit. 
b  mit  HC1:  kaum  merkbares  Brausen. 
c  trocken,  grosse  Feuchtigkeits-  und  Temperaturschwan- 
kungen. 
Fauna:  (Stichprobe       l;M  m2.)  N  1 

E  4 


B.  Exkursionsgebiet  Avers. 

b)  Alpine  Region  1800—2300  m. 

aa)  Wicse. 

Nr.  19.      28.  VIII.  01.      Gestern  SchneefaU,  heute  starker  Reif. 
Ar.  Juf  2145  m. 

Fettwiese,  etwas  vorstehender  Felsblock. 


273 


Pfiamenbestand :  ziemlich   locker,   am   Standort   frisch 

gemaht. 

vorwiegend  Grashorste,  keine  Kleearten. 

Alchemilla  alpina  L.  fl.  dfl. 

Ranunculus  bulbosus  L. 

Boden:  Geol.:  Griiner  Biindnerschiefer. 

a  Expos.:  im  allgem.:  S  exp.  Neig.:  0°. 

lehmiger  Humus  2  cm 

humoser,  sandiger  Lehm  15  cm 

lehmiger  Sand  5  cm 

Gesamtmachtigkeit     22  cm 

b  mit  HC1:  keine  Reaktion. 

c  im  allgemeinen  massig  feucht;   ziemliche   Feuchtig- 

keits-  und  Temperaturschwankungen. 

Fauna:  in  den  obern  Schichten.  N  35 

E  165 

L  2 
Brs.  unbestimmt     2 

Bw  169 
a  156     p  8     y  5 

G  —  Eier?56 

C  2 

Sminthurus  luteus  Lubb.  Hauptform     2 

A  17 

Sr.  20.  28.  VIII.  01.  Gestern  Schneefall,  heute  Reif. 

Av.  Juf  2146  m. 

Fettwiese. 

Pfiamenbestand:     locker,     frischgemaht ;     wenig    Gra- 
mineen, 
vorwiegend    Alchemilla    montana    und    Ranunculus 
bulbosus. 
Boden:  Geol.:  Btindnerschiefer  griin. 

18 


L 


274 


a  Expos.:  N— S.  Neig.:  12°. 

humoser  Lehm  6  cm 

humushaltiger,  sandiger  Lehm         30  cm 
Gesamtmachtigkeit    36  cm 

Untergrund:  sandig-lehmiger  Steinboden. 
b  auf  HC1:  keine  Eeaktion. 
c  wenig    Feuchtigkeits-     und     ziemliche    Temperati 

schwankungen;  im  allgemeinen  frisch. 

Fauna:  N  120 

E  740 
Viele  grossere  Enchytr.  an  Wurzelstdcken 
von  Alchemilla  eingebettet  oder  am  Bul- 
bus   von  Ranunculus.    1  E  in  Wurzel- 
fragment  eingefressen. 


in  der  obersten  Schicht. 

Octolasium  lacteum  Oerley  1 

Lumbricus  rubellus  Hoffm.  1 

m  W_   Typ.  d.  Octolasium  lacteum  1 

Typ.  d.  Lumbricus  rubellus  2 

Brs.     2 


L  7 


Scolopendrella  notacantha  Gerv. 
a  4     ^  10     r  6 


M*  1 
Bw  20 
G  —  ?E1ii 


Nr.  21.     19.  VIII.  01.     Seit  einigen  Tagen  keine  Niederschlaj 
Av.  Alpengaden  2160  m. 

Sumpfige  Magerwiese. 

Pflanzeribestand:  ziemlich  locker. 

Anthyllis  Vulneraria  L.  Kh.  fl.  d 

Campanula  Scheuchzeri  Vill,  mf. 


276 


Potentilla  aurea  L.  mf.    dl. 

Alchemilla  montana  Willd. 

Veratrum  album  L.  mf.    dl. 

Boden:  Geol.:  Biindnerschiefer. 
a  Expos.:  NO— SW.  Neig.:  9°. 

lehmiger  Humus  3  cm 

humoser  Lehm  B  cm 

schwerer  Lehm  12  cm 

Gesamtmachtigkeit    20  cm 

Untergrund:  lehmiger  Steinboden. 
c  obere  Schichten  feucht,  untere  nasskalt;  geringe  Tem- 

peraturschwankungeii. 

Fauna:  Nur  obere  2  Schichten  untersucht!        N  260 
zum  grossern  Teil,  wie  auch  E,  in  der  untern  Schicht. 

E  127 
L     10 
alle  in  der  Humusschicht. 
Lumbricus  rubellus  Hoffm.  4 

Helodrilus  D.  octaedrus  Sav.  1 

•  &  Typ.  Helodrilus  D.  octraedrus       1 

unbestimmt     1 
Brs.     3 


a  46     £  16     y  2 


Bw  64 

G  —  EIk?  35 
A  12 


Nf.  22.  19.  VIII.  01,  seit  einigen  Tagen  trocken. 

At.  Alpengaden  2140  m. 

Strewwiese. 

Pflawenbestand:  dicht,  starke  Gramineen-  u.  Carexhorste. 
Trifolium  badium  Kh.  mf. 

Alchemilla  montana  Willd. 


276 


Gentiana  nivalis  L. 

Eriophorum  angustifolium  Roth. 

Parnassia  palusiris  L.  fl. 

Boden:  Geol.:  Bundnerschiefer. 

a  Expos.:  NO— SW.  Neig.:  10°. 

feuchter,  lehmiger  Humus  4  cm  j 

Wurzelregion  12  cm 
nasskalter  Lenm  2b  cm  ) 

Untergrund:  nasser  Steinboden. 

c1)  sumpfig,    geringe  Schwankungen  der  Feuchtigkeit 

und  der  Temperatur. 

Fauna:  N  90 

E  100 
L  1 
NEL  hauptsachlich  in  der  Humus  schicht 
Lumbricu8  rubellus  Hoffm.  1 


a  4     p  2 

Leptocyrtus  cyaneus  Tullb. 


Bw  6 

G  —  Bir?  4 
C     1 

A    3 


bb)  Weide. 

Nr.  23.  28.  VHI.  01.     Gestern  Schneefall,  heute  Reif. 

Av.  Juf  2130  m. 

Weide  (Kuh-). 
Pflanzeribestand:  ziemlich  locker. 

viele  Poa  alpina  var.  vivipara  L.  mf.  dfo. 

Trifolium  alpinum  L.  Kih.  mf.  dfl. 

Alchemilla  montana  Willd. 
Gentiana  brachyphylla  Frohl. 

J)  Wo  nichts  bemerkt  ist  unter  b,  zeigte  der  Boden  keine 
Reaktion  auf  HC1. 


277 


Boden:  Geol.:  Bundnerschiefer. 

a  Expos.:  N — S.  Neig.:  0°  (Kuppe  eines  kleinen 

Hockers). 
lehmiger  Humus  2  cm  j  Wurzelregion 

humushaltiger,sandigerLehmikerlOO  cm  ]       12  cm 

Gesamtmachtigkeit  liber  100  cm. 
Untergrund:  Steinboden. 
c  geringe  Feuchtigkeits-  und  Temperaturschwankungen, 
im  allgemeinen  frisch. 

Fauna: 


a  1     p  5     y  6 

Sminthurus  luteus  Lubb.  Hauptform  1. 


N 

15 

E  38 

Bw 

11 

C 

1 

A 

12 

28.  Vm.  01.     Gestern  Schneefall,  heute  Reif. 
Juf  2125  m. 


Nr.  24. 

Av. 
Magerweide. 
Pflanzenbestand:  dicht  am  Standort  abgeweidet, 

dichte  Grashorate  —  Alchemilla  montana  Willd 
Boden:  Geol.:  Bundnerschiefer. 
a  Expos.:  S— N.  Neig.:  5°. 

sandiger  Humus  3  cm 

humushaltiger,  lehmig-steiniger 

Schiefersand  40  cm 

Gesamtmachtigkeit  43  cm. 
Untergrund:  schiefriger  Steinboden. 
c  zieml.  grosse  Feuchtigkeits-  und  Temperaturschwan- 
kungen,    zieml.  trocken. 
Fwna:  N  1 

E  3 


Wurzelregion 
8  cm 


278 

1  E  in  Stengelteil  eingefressen. 

Bw  12 
P  2    y  10  ausschliessl.  grosse  (Puppen). 

A  8 

c)  Subnivale  Region:  2300—2700  m. 
bb)  Weide. 
Np.  25.  22.  VIII.  01,  seit  lftngerer  Zeit  trocken. 

Av.  Wfingahorn  2390  m. 

Magerweide  (Kuh-  und  Ziegen-)  mit  wenig  Drosgebusch. 

Pjlanzeribestand:  zieml.  locker  —  vereinzelie  Grashorste, 

vorwiegend  Vaccinium  uliginosum  L.  fl.  dfl.  H« 

Phyteuma  hemisphaBricum  L. 
zieml.  viele  Flechten,  wenig  Moose. 
Boden:  Geol.:  Bundnerschiefer. 
a  Expos.:  allgem.  SSW— NNO.  Neig.:  0°. 

wenig  lehmiger  Haidehumus  4  cm. 

humushaltiger,  sandiger  Lehm         20  cm. 
feuchter,  schiefrig-steiniger  Lehm    40  cm. 

Gesamtmachtigkeit  64  cm. 
Untergrund:  Schieferfels. 
c  obere  Schichten  zieml.  Feuchtigkeits-,  wenig  Tempe- 
raturschwankungen,  unterste  Schicht  feucht-nass. 
Fauna:  N  70 

kleine  Individuen  (Arten?)  hauptsachlich  in 

der  Humusschicht. 
im  feuchten  Lehm  1  ca.  20  mm  1.  N  (Mermis?). 

E  280 
fast  ausschliesslich  in  der  Humusschicht. 

Bw  11 
a  1     £  6     y  4 

C  1 
Isotoma  cinerea  (Nic.)  Borner  1. 

A  25 


279 


Nr.  26.  30.  VIII.  01,  vor  2  Tagen  SchneefaU, 

heute  massig  warm. 

it-.  Stallerberg-Juf  2410  m. 

Magerweide  (Ziegen-). 

Pflamenbestand:  locker  —  vereinz.  Gras-  u.  Carexhorste. 
Anthyllis  Vulneraria  L.  Kh.  fl.  dfl. 

Aster  alpinus  L. 

Campanula  Scheuchzeri  Vill.  mf. 

Parnas8ia  palustris  L.  sumpfige  Orte. 

Boden:  GeoL:  Gabbroblocke. 
a  Expos.:  NNO-SSW.  Neig.:  36°. 

schwarzer,  mollig-filziger  Humus     4  cm  J  Wurzelregion 
humushaltiger,  schwerer  Lehm     25  cm  j        8  cm 
nasser,  schwerer  Lehm  uber  20  cm. 

Ge8amtmachtigkeit  iiber  50  cm. 
Untergrund:  Fels. 
c  feucht-nasskalt;  wenig  Schwankungen. 
Fauna:  N  6 

E  14 
N  u.  E  unmittelbar  unter  der  Hamusschicht, 

1  30  mm  N  ca.  20  cm  tief. 

Bw  8 
a  4    pi     r  3 

G  1 
Pupa  (Edentulina)  edentula  Drap.  1. 

A  6 

Nr.27.  30.  VHI.  01,  vor  2  Tagen  SchneefaU, 

heute  m&ssig  warm. 

it.  Stallerberg-Juf  2584  m. 

Magerweide  (Ziegen-). 

Pflamenbestand:  dichtes  Polster  verfaulender  Gras-  und 

Carexhorste;  wenige  Moose  (keine  Flechten). 


280 


Boden:  G-eol.:  Blockmeer  von  griinem  Biindnerschie: 

und  Gabbro. 
a  Expos.:  S  u.  0  (Kamm).  Neig.:  0°. 

sandig-lehmiger,  mollig-filziger  Humus  18  cm  (dichl 

Mergelfilz  bis  8  cm)  Gesamtmachtigkeit. 
Untergrund:  Felsblock. 
c  zieml.  feucht,  aber  zieml.  Schwankungen  der  Feuchti 
keit  und  der  Temperatur. 
Fauna:  ausschliessl.  bis  ca.  6 — 8  cm  Tiefe.  N  : 

E 
Bw  ! 


P  24    Y  2 

Isotoma  tigrina  Nic.  2 


C 


Nr.  28.  30.  Vin.  01,  vor  2  Tagen  Schneefc 

seither  m&ssig  warm 

Av.  FlUhseen  2700  m. 

Magerweide  (Ziegen-). 

Pflanzenbestand:  zieml.  locker;  abgestorbene  Grashorsl 

viele  Flechten  (Cladonia). 
Boden:  Geol.:  Serpentin. 
a  Expos.:  NO— SW.  Neig.:  14°. 

sandiger,  schwarzer  Humus  5/6  cm  j  Wurzelregi 

humushaltiger,  sandiger  Lehm  tber  60  cm  J       6/8  cm 
Gesamtmachtigkeit  liber  65  cm. 

Untergrund:  grobknolliger  Steinboden. 
c  massig  frisch,  ziemliche  Feuchtigkeits-  u.  Temperatr 

schwankungen. 
Fauna:  im  und  unmittelbar  unter  dem  Humus     E  100 

Bw  9 

a  1     p  4    T  4 

G  —    B 

0  9 


281 


Sminthurus  luteus  Lubb.  Hauptform  6 
var.  primosa  Tullb.  2 

Lepidocyrtus  cyaneus  Tullb.  1 


A  14 


Kh.  fl.  dfl. 


18°. 


Wurzelregion 
ca.  15  cm 


dd)  Planggen. 

Nr.  29.    22.  Viil.  01,  seitlanger  Zeit  keine  Niederschlage,  heiss. 

Av.  WSngahorn  2700  m. 

Grasfleck  auf  Schntthalde  (Ziegenweide). 

Pflamenbestand:   zieml.  locker,  starke  vereinzelte  Gras- 

und  Carexhorste  (Carex  dioica). 

Flechten;  Oxytropis  campestris  Dec. 

Boden:  Geol.:  Biindnerschiefer. 

a  Expos.:  SSW— NNO.  Neig. 

steiniger,  sandiger  Humus     5  cm 

steiniger,  humoser  Lehm       8  cm 

grusig-steimger  Lehm  25  cm 

Gesamtmachtigkeit  38  cm. 

Untergrund:  verwitternder  Schieferfels  (Platten). 

c  zieml.  trocken,  zieml.  starke  Feuchtigkeits-  und  Tem- 

peraturschwankungen. 

Fauna:  fast  ausschliessl.  in  den  obern  Schichten.  N  15 

E  16 

Bw  16 
p  10    r  6 

G(l?)  Verlutt 

C  3 
Sminthurus  luteus  Lubb.  3 

A  8 

Nr.  SO.  22.  VIII.  01,  seit  langer  Zeit  trocken. 

At.  Wangahorn  2700  m. 

Orasfleck  auf  Schutthalde  (Ziegenweide). 

Pflamenbestand:  zieml.  locker,  vereinz.  dichte  Grashorste. 


282 


Silene  acaulis  L.  dfl. 

Hutchinsia  brevicaulis  Hopp. 

Draba  Zahlbruckneri  Host. 
Boden:  Geol.:  Btindnerschiefer. 
a  Expos.:  S— N.  Neig.:  16°. 

sandiger,  filziger  Humus        8  cm 

humusarmer  Schiefergrus     15  cm 

Gesamtmachtigkeit  23  cm. 

Untergrund:  verwitternder  Plattenschiefer. 
c  starke  Feuchtigkeits-  und  Temperaturschwankungen ; 

zieml.  trocken. 
Fauna: 


Wurzelregion. 


a:  l!a  Probe  =  1,»2  ma. 

N  37 

E  34 

Bw  21 

p  20    r  1 

C  1? 

Lepidocyrtus  cyaneus  Tullb.  1. 

A  11 

C.  Exkursionsgebiet  Fextal  im  Oberengadin. 

b)  Alpine  Region:  1800— 2300  m. 

aa)  WIese. 

Nr.  3J.  26.  VII.  01,  seit  einigen  Tagen  regnerisch. 

Fex.  Curtins  1920  m. 

Fettwiese  im  Talboden. 
Pflanzeyibestand:  dicht. 

Anthoxanthum  odoratum  L. 

Schcenus  nigricans  L. 

Trifolium  repens  L.  mf.  dl. 

Trifolium  alpinum  L.  Kih.  mf.  dfl. 


288 


Wurzelregion 
12  cm 


Silene  inflata  Sm. 
Plantago  alpina  L.  Kh.  mf.  dl. 

Anemone  alpina  L.  Kh.  mf.  dfl. 

Boden:   Geol.:    Combination  von   Schwammland    und 
Schuttkegel;   Triimmer  von  Glimmer-  and  Streifen- 
schiefer  and  von  Gneis. 
a  Expos.:  SO  und  NW.  Neig.:  0°. 

humoser,  lehmiger  Sandboden  mit  viel 
Gros  13  cm 

lehmiger  Grusboden  12  cm 

Gesamtmftchtigkeit    25  cm   . 
Untergrund:  Steinboden  (grobknollig  mit  Grus). 
b  mit  HC1:  keine  Reaktion. 

c  feucht,  mit  wenig  Feuchtigkeitsschwankungen  (weil 
vom  Fexbach  befeuchtet),  ziemliche  Temperatur- 
schwankangen. 

Fauna:  nur  in  der  obern  Schicht!  N  30 

hauptsachlich  im  Wurzelfilz. 

E  18 
M2  1 


Scolopendrella  notacantha  Gerv.  1 

a  2     p  3     Y  & 

Pupa  (Papilla)  spec,  (species  nova?)  Stoll 


Bw  10 
G     1 


A    2 

Nr.  32.  26.  VII.  01,  seit  einigen  Tagen  regnerisch. 

Fex.  Curtins  1920  m. 

Fettwiese  im  Talboden,  3  m  siidlich  von  Nr.  31 
wie  Nr.  31,  aber  grossere  Wasserkapazit&t 
(trocknet  langsamer). 
Fauna:  N  33 

E  36 


284 


*  cf.  unbestimmt     1 

Bw  i 
a  1     S  1 

A    S 


Nr.  33*  5.  VIII.  01,  lange  regnerisch,  heute  m&ssig  warm. 

Fex.  Curtins  1950  m. 

Fettwiese  an  der  Strasse. 

Pfianzevbestand:  dicht  (am  Standort  frisch  gemaht). 
Anthoxqmthum  odoratum  L.  bv 

Dactylis  glomerata  L.  dl 

Trisetum  flavescens  Beauv.  mf.  dl 

Trifolium  repens  L.  mf.  dl 

Plantago  alpina  L.  Kh    mf.  dl 

Myosotis  alpestris  Schmidt. 

Boden:    Geol.:    Trummer    von   Gneis    und    Glimmer 
schiefer. 

a  Expos.:  0— W.         Neig.:  6°. 

humoser  Lehm  7  cm 

humushaltiger  sandiger  Lehm      20  cm 
8teiniger  Lehm  33  cm 

Gesamtmachtigkeit    60  cm 
Untergrund:  steiniger schwerer Lehm (Ton?),wasser 
fiihrend. 

b  mit  HC1:  keine  Reaktion. 

c  massig  feucht  bis  frisch;  wenige  Schwankungen  dei 
Temperatur  und  des  Feuchtigkeitsgehaltes. 

Fauna:  N    60 

E  1220 
L     11 

fast  ausschliesslich  im  humosen  Lehm 


285 


Lambricus  rubellus  Hoffm. 

2 

"?  Typ.  d.  Octolasiam  lactenm 

4 

Typ.  d.  Lumbricus  rubellus 

3 

Brs.  Typ.  d.  Lumbricus  rubellus 

2 

a  91     p  30    r  6 

Bw 
G 

127 
—  Bit?  4 

Isotoma  viridis  Bourl.  Hauptform 

C 
20 
A 

20 
60 

Nr.  34.  6.  VIII.  01,  lange  regnerisch,  heute  massig  warm. 

Ffx.  Curtins  1965  m. 

Fettwiese  an  der  Strasse. 

Ppiiieenbestand:  ziemlich  locker  (am  Standort  frisch  ge- 
maht-. 

Voi  Gnniueo  hiiptnehlich  Dactylis  glomerata  dl. 

Trifolium  repens  L.  mf.  dl. 

Taraxacum  officinale  Web.      dfo. 
Plantago  alpina  L.        Kh.  mf.  dl. 
Boden:  Geol.:  Triimmer  von  Glimmerschiefer  u.  Gneis. 
a  Expos.:  O—  W.  Neig.:  7°. 

humusreicher  sandiger  Lehm  6  cm 

humoser  sandiger  Lehm  (lehmiger  Sand?)  14  cm 
Gesamtmachtigkeit     20  cm 
Untergrund:  grobknolliger  Steinboden. 
b  mit  HC1:  kaum  bemerkbares  Brausen. 
c  frisch;  massige  Feuchtigkeits-  u.  Temperaturschwan- 
kungen. 

Fauna:  N    70 

E  900 
1  E  hat  sich  durch  ein  Wurzelfragment  durchge- 
fressen  (?)  und  steckt  in  der  Wurzelhaut. 


286 

Lumbricus  rubellus  Hoffm.  1 

"jf  Typ.  d.  Lumbricus  rubellus  1 

Bra.  unbe8timmt  1 

a  125    0  60    r  12 

Isotoma  viridis  Bourl.  Hauptform  9 


Bw  1 
C 
A 


Nr.  35.     5.  VIII.  01,  lange  Zeit  regnerisch,  heute  ziemlich  wa 
Fex.  Curtins  1970  m. 

Fettwiese  ob  der  Strasse. 
Pflanzenbestand:  dioht. 
Vorwiegend  Polygonum  alpinum  L. 

Leucanthemum  vulgare  Dec.         mf. 
Phleum  alpinum  L.  mf  c 

Daucus  Carota  L. 
Boden:  Geol.:  Triimmer  von  Glimmerschiefer  u.  Gn 
a  Expos.:  0— W.  Neig.:  5°. 

humoser  Lehm  8  cm 

steinfreier,  sandiger  Lehm  17  cm 

lehmiger  Steinboden  25  cm 

Gesamtm&chtigkeit    50  cm 
Untergrund:  Steinboden. 
h  mit  HC1:  keine  Reaktion. 

c  frisch,  massige  Feuchtigkeits-  u.  Temperaturschw 
kungen. 

Fauna:  N    90 

E  290 

N  und  E  ziemlich  gleichmassig  in  den  obern  Schichl 

L     13 
hauptsachlich  im  humosen  Lie] 
*  5.  Typ.  d.  Lumbricus  rubellus  10 


287  _ 

firs,  unbestimmt  3 

Bw  33 
a  10    p  18    r  6 

G  —  Eltr?  27 

C     2 
Isotoma  viridis  Bourl.  Hauptform  1 

Sminthuru8  viridis  (L.)  Lubb.  Hauptform  1 

A  20 

Sr.  36.      6.  Vlli.  01,  seit  lange  regnerisch,  heute  m&ssig  warm. 
Fez.  Curtins  1970  m. 

Fetttviese  am  „Bachbordtt. 
Pflamenbestand:  vereinzelte  Gramineenhorste  (frisch  ge- 

maht). 
Boden:  Geol.:  Glimmerschiefer  und  Gneistriimmer. 
a  Expos.:  0— W.  Neig.:  3°. 

humu8haltiger,  wenig  lehmiger  Sand  8  cm  |  Gesamt- 
untere  Schicht  sandiger,  loser  Steinboden  j      keit 
b  keine  Reaktion  auf  HC1. 
c  trocken,  starke  Temperaturschwankungen. 
Fauna:  nur  in  der  obern  Schicht.  N    B 

E  B8 

Mi  2 
Julus  nigrofu8Cus  Verh.  2 

a  18     p  7     y  3 

A     6 

Sr.S7.  10.  VIII.  01,  3  TageohneNiederschlage,  vorher  regnerisch. 
hi.  Crasta  1955  m. 

Magerwiese  im  Lerchenwald  (sehr  lockerer  Bestand). 
Pflanzenbestand :  ziemlich  locker  (am  Standort  frisch  ge- 
maht). 
Trifolium  repens  L.  mf.  dl. 


288 


Arnica  montana  L.  Kih.  fl.  dfu. 

Antennaria  dioica  G-artn.  fl.  dfu. 

Pirola  minor  L. 

viele  Sphagnum  und  Flechten. 
Boden:  Geol.:  Talkschiefer  (?  -{-  Glimmerschiefer). 
a  Expos.:  SW— NO.     Neig.:  0°  (kkiner  Hocker). 

lehmiger  Humus  6  cm 

humoser  Lehm  6  cm 

steiniger,  lehmiger  Sand  13  cm 

Gesamtmadhtigkeit     26  cm 

Untergrund:  Schiefer-Steinboden. 
b  mit  HC1:  keine  Reaktion. 
c  zieml.  trocken ;  zieml.  Feuchtigkeits-  und  Temperai 

schwankungen. 

Fauna:  N  30 

hauptsachlich  in  der  Humusschi< 

E  27 
Bw  5 


M   t8 


G  —  Eli 
A  11 


Nr.  38.      10.  VIII.  01,  seit  3  Tagen  keine  Niederschlftge,  voi 

lange  regnerisch. 
Fex.  Crasta  1920  m. 

Stremviese. 
Pflanzeribestand:  dicht. 

Trisetum  flavescens  Beauv.  mf. 

Festuca  rubra  L.  mf. 

Molinia  coerulea  Monch. 
viele  Polygonum  alpinum  L. 
und  Rumex  arifolius  All. 
Ranunculus  alpestris  L. 


289 


Boden:  Geol.:  Talk-  (und  Glimmer-?)  schiefer. 
a  Expos.:  SW— NO.  Neig.:  12°. 

steinfreier,  humoser,  sandiger  Lehm  46  cm  KKunilnfiw  13  m 

Untergrund:- feuchter  Lehm. 
b  keine  Reaktion  auf  HCL 
c  feucht  bis  nass;  geringe  Feuchtigkeits-  und  Tempe- 

rat  urschwankungen . 

Fauna:  N  60 

wenige  unter  der  Wurzelregion  (1  ganz  grosser  N) 

E  630 

hauptsachl.  in  den  obern  2/5  der  Wurzelregion 

1  kleiner  E  in  Wurzelfragment  eingebohrt. 

L  18 

in  dem  obersten  Vs  der  Wurzelregion,  fast  oberfl&chlich ! 

Eisenia  rosea  Sav.  2 

Lumbricus  rubellus  Hoffm.  6 

9  Typus  der  Eisenia  rosea  4 

Typus  des  Lumbricus  rubellus  4 

Brs.  unbestimmt  2 

Bw  177 

a  116  (in  dem  untern  Vs  der  Wurzelregion  und  darunter 

ziemlich  viele)     ji  66     y  6 

bb)  Weide. 

^r.  39.      10.  VIII.  01,  seit  3  Tagen  milssig  warm,  vorher  lange 

regnerisch. 

ft*.  Crasta  1930  m. 

Magerweide  (Kuh-). 

Bfiamenbestand:  dicht:  vorwiegend  Silene  inflata  Sm. 
und  Campanula  Scheuchzeri,  Vill.  mf.  —  viele  Moose. 
Boden:  Geol.:  Talkschiefer. 
flExpoB.:  SW-NO.  Neig.:  26°. 

19 


290 


sandiger  humusreicher  Lehm    5  cm 

sandiger  humoser  Lehm  30  cm 

Gesamtmachtigkeit     35  cm 

Untergrund:  schiefriger  Steinboden. 

b  keine  Beaktion  auf  HC1. 

c  massig  frisch;  wenig  Feuchtigkeits-,  ziemliche  Tem- 

peraturschwankungen . 

Fauna:  N  36 

E  13E 

Einige  E  unter  der  Binde  eines  morschen  Lerchen- 

zweiges  im  Boden! 

Mi  1 
Scolopendrella  notacantha  Gerv.  1 

Bw  1£ 
a  3     S  8    v  2 

A  £ 

Nr.  40.  30.  VH.  01,  8  Tage  regnerisch,  heute  heU 

Fex.  Plaun  Vadret  2080  m. 

Magerweide. 

Pflanzenbestand:  dichter  Carexrasen  (Schoenus  nigricans? 

Boden:    Geol.:    Triimmer   von   Gneis,   von   Talk-   unr 

Glimmerschiefer. 
a  Expos.:  SW— NO.  Neig.:  0°. 

sandiger,  humusreicher  Lehm         8  cm  Wurzelregiot 

humushaltiger  sandiger  Lehm     17  cm 
Gesamtmachtigkeit     2B  cm 

Untergrund:   grobknolliger   und   schiefriger  Stein 

boden. 
b  keine  Beaktion  auf  HC1. 
c  feucht  bis  nasskalt,  wenige  Schwankungen  im  Feucb- 

tigkeitsgehalt  und  in  der  Temperatur. 
Fauna:  V«  Probe  (— 1/m  m2)  N  2 

L  2 


_291_ 

Bra.  unbestimmt  2 

Bw  6 
a  3     p  2 

G  —  Eitr?  3 

A  2 

Xr.  41.  30.  VII.  01,  langere  Zeit  regnerisch,  heute  schfln. 

Fex.  Plaun  Vadret  2140  m. 

Magerweide. 

Pflanzenbestand:  vereinzelt.     Standort    zu   *U  ziemlich 
frisch  von  Kuhfladen  bedeckt. 
Trifolium  repens  L.  mf.  dl. 

Gentiana  acaulis  Jacq.  Kh.  mf.  dfl. 

Arnica  montana  L.  Kih.  fl.  dfu.  H. 

Boden:  Geol.:  Triimmer  von  Talk-  u.  Glimmerschiefer. 
a  Expos.:  NW— SO.  Neig.:  40°. 

humusreicher  Lehm  4  cm 

humushaltiger  sandiger  Lehm  20  cm 

Gesamtmachtigkeit     24  cm 
Untergrund:  Grober  Schiefergrus. 
b  keine  Reaktion  mit  HC1. 

c  massig  frisch;  wenig  Feuchtigkeits-,  ziemliche  Tem- 
peraturschwankungen. 
Fauna:  N    3 

E    4 

L     1 
Bra.  unbestimmt  1 

Bw  182 
a  26     p  150    Y  6 

P  hauptsachlich  in  der  obern  Schicht. 

A  7 

^•42.  30.  VII.  01,  langere  Zeit  regnerisch,  heute  schon. 

fa.  Plaun  Vadret  2140  m. 

Magerweide,  3  m  ostlich  von  Nr.  41. 


292 


Pflamenbestand:  dicht;  einzelne  starke  Gramineenhorste 
Trifolium  repens  L.  mf.  dl 

Campanula  Scheuchzeri  Vill.  mf, 

Gentiana  acaulis  Jacq.  Kh.  mf.  dfl. 

Anemone  alpina  L.  Kh.  mf.  dfl. 

Phyteuma  hemisphaericum  L. 
Daphne  striata  Tratt. 

Boden:  Geol.:  Triimmer  von  Talk-  und  Glimmerschiefer. 

a  Expos.:  NW-SO.  Neig.:  40°. 

humusreicher  Lehm  4  cm 

humushaltiger,  sandiger  Lehm     26  cm 
Gesamtmachtigkeit    30  cm 

Untergrund:  Schiefergrus-  und  grobknolliger  Stein  - 
boden. 

c  mittel-frisch;  wenig  Feuchtigkeits-,  ziemliche  Tempe- 

raturschwankungen. 

Fauna:  N  4 

E  1 

Bw  13 
a  6     ^  5     y  2 

A  2 

Nr.  43.  30.  VII.  01,  seit  8  Tagen  regnerisch,  heute  hell. 

Fex.  Averts  2060  m. 

Magerweide  im  lichten  Lerchenwald. 

Pflanzenbestand:  dicht,  aber  nur  wenige  Gramineenhorste. 
Trifolium  montanum  L.  dfl. 

Arnica  montana  L.  Kih.  fl.  dftL  H. 

Plantago  alpina  L.  Kh.  mf.  dL 

Campanula  Scheuchzeri  Vill.  mf- 

Vaccinium  Myrtillus  L.  Kih.  mf.  dfl.  H. 

Rhododendron  ferrugineum  L.  Kih.  mf.  dfl.  H. 

Boden:  Geol.:  Talkschiefer. 


293 


a  Expos.:  W— 0.  Neig.:  36°. 

sandig-lehmiger  Haidehumus  8  cm 

sandiger  Lehm  22  cm 

Gesamtmachtigkeit    30  cm 
Untergrund:  Steinboden. 
b  keine  Beaktion  m.  HC1. 

c  frisch,  massige  Feuchtigkeits-  und  Temperaturschwan- 
kungen. 
Fauna: 


a: 

N  15 
E  48 

«6    p3 

Isotoma  tigrina  Nic. 
Lepidocyrtus  fucatus  Uzel. 

1 
1 

Bw  9 
C  2 

A  7 

cc)  Wald. 

Nr.  44.  10.  VIII.  01,  lftngere  Zeit  regnerisch,  seit  3  Tagen 

keine  Niederschlage. 
Fex.  Crasta  1950  m. 

Lichier  Lerchenwctid. 
Pflanzenbestand:  vereinzelt. 
Vaccinium  Myrtillus  L.  Kih.  mf.  dfl.  H. 

viele  Flechten. 
Boden:  GeoL:  Talkschiefer. 
a  Expos.:  W  und  N  und  O.  Neig.:  0°. 

Haide-Waldhumus  5  cm 

humoser  Sand  11  cm 

sandiger  Lehm  4  cm 

Gesamtmachtigkeit     20  cmmitWurzeln  von 
Abies  Larix. 
Untergrund:  Steinboden. 


294 


b  mit  HC1  keine  Reaktion. 

c  feucht,  8ehr  wenig  Feuchtigkeits-,  massige  Tempera! 
schwankungen. 
Fauna:  mit  Ausnahme  von  Bw.  nur  im  Humus.  N  30 

E  46 
1  E  in  Wurzelfragment  ,,eingefressenu 

Bw  7 
a  1     p  4    r  2 

G  —  EH 

C  lfle 
A  16 

Nr.  45.  30.  VII.  01,  l&ngere  Zeit  regnerisch,  heute  scl 

Fex.  Averts  2060  m. 

Lichter  LercJienwald. 

Pflanzenbestand.'verQinzelte,  aberstarkeGras-  und  Car 
horste. 
Plantago  alpina  L.  Kh.  mf. 

Rhododendron  ferrugineum  L.  Kih.  mf.  dfl. 

Boden:  GeoL:  Talkschiefer. 
a  Expos.:  W— 0.  Neig.:  38°. 

sandig-lehmiger  rotlicher  Humus  3  cm 
sandiger  Lehm  14  cm 

sandiger,  blaulicher  Ton  13  cm 

Gesamtmachtigkeit     30  cm 
Untergrund:  Steinboden. 
b  mit  HC1  keine  Reaktion. 

c  frisch,  massige  Feuchtigkeits-  und  Temperaturschwi 
kungen. 
Fauna:  nur  in  den  obern  Schichten.  N 

E 
B* 
P2 


296 


Xr.  46.  80.  VII.  01,  8  Tage  regnerisch,  heute  hell. 

Fez.  Averts  2060  m. 

Lichter  Lerchenwald  (auf  einem  erhabenen  Felsblock). 
Pflanzenbestand:  dicht  (Felsflora!) 

Globularia  cordifolia  L. 

Geum  reptans  L. 

Gentiana  excisa  Presl. 

Saxifraga  bryo'ides  L.  und  viele  Moose. 
Baden:  Geol.:  Talkschiefer. 
a  Expos.:  O.  Neig.:  0°. 

ziemlich  trockener,  sandiger  Rohhumus     8  cm 

Grusboden  12  cm 

Gesamtmachtigkeit    20  cm 
b  ohne  Beaktion  auf  HC1. 
c  starke  Feuchtigkeits-  und  Temperaturschwankungen. 

Fauna:  ziemlich  beschrankt  auf  Humusschicht. 

N  13 

E  32 

Bw  7 


%  6     0  1 


A  13 


c)  Subnivale  Region:  2300—2700  m. 
bb)  Weide. 
S'«  47.  24.  VII.  01,  einige  Tage  regnerisch,  heute  sch8n  u.  warm, 
ft;  Munts  2535  m. 

Magerweide  (Kuh-). 
Pflawenbestand:  zieml.  locker7  abgestorbene  Gramineen- 

horste. 
Boden:  Geol.:  griiner  und  roter  Biindnerschiefer. 
a  Expos.:  O.  Neig.:  0°. 

feuchter  humoser  Ton  4  cm 

steinfreier  nasskalter  Ton         70  cm 


296 


darunter  Grundwasser.    Gesamtmachtigkeit  ii 
80  cm. 
c  feucht  bis  nasskalt ;  geringe  Temperatursch  wankun^ 

Fauna:  Probe  bis  ca.  20  cm  Tiefe,  Stichprobe  bis  26 

N  24 

14  kleine  Individuen  in  der  humosen  Schicht;  10  grosse 
dividuen  bis  14  cm  lang,  aas  tiefern  Schichten. 

E  60 

zum  grossten  Teil  in  der  humosen  Schit 

L     3 

nur  in  der  humosen  Schi< 

m 9_  unbestimmt     1 

Brs.  „  2 

Bw  4 

M    Tl 

C    llHtl 

A  3 

Nr.  48.  24.  VII.  01,  einige  Tage  regnerisch,  heute  schOn  u.  wa 
Fex.  Lej  Sgrischus  2640  m. 

Steinige  Magerweide  (Kuh-,  Schaf-,  Ziegen-). 
Pflanzenbestand:  lockere  niedere  Grashorste. 

Leucanthemum  alpinum  Lam. 

Meum  Mutellina  G^rtn.  Kh.  mf. 

Geum  montanum  L. 

Ranunculus  alpestris  L. 
Boden:  Geol.:  Talkschiefer. 
a  Expo 8.:  frei  nach  S,  W,  O  (Plateau).      Neig.: 

humoser,    steiniger   Lehm   3—18   cm,   Wurzelreg 

(filzig)  3 — 5  cm. 

Untergrund:  Fels. 
b  mit  HC1  keine  Reaktion. 
c   starke  Feuchtigkeits-  und  Temperaturschwankung 


297 


Fauna:  nur  in  der  Wurzelregion. 


N  3 

E  1 

Bw  2 

A  1 


Nr.  49. 


24.  VII.  01,  einige  Tage  regnerisch,  heute  schtfn 
und  warm. 
Fex.  Piz  ChUern  2694  m. 

Magerweide  (Kuh-,  Schaf-,  Ziegen-). 
Pflanzenbestatid:  ziemlich  locker. 
Poa  alpina  L.  var.  fructifera 
Leucanthemum  alpinum  Lam. 
Leontodon  pyrenaeicus  Gouan. 
Ranunculus  montanus  Willd. 
Lloydia  serotina  Bchb. 
Boden:  GeoL:  Arlbergkalk  ?  Geroll. 
a  Expos.:  N,  0,  S,  Wr-Kuppe. 


mf.  dfo.  b.  a.  Granineen. 

mf. 

mf.  dfl.  h. 

fl.  dl. 


scharf  von 
einander 
getrennt. 


Neig.:  0°. 

lehmiger,  heller  Humus  l1/*  cm|Wurzel- 

region 
12..  pml     8cm 


lehmiger,  humoser  Sand    "27  cm  j 

sandiger,  dunkler  Humus       2  cm 

(auf  Gestein  aufiiegend) 

Gesamtmachtigkeit  ca.  15 — 30  cm 

Untergrund:  Felsblock. 

h  mit  HC1:  keine  Reaktion,  auch  Gestein  nicht. 

c  ziemlich     grosse    Feuchtigkeits-     und     Temperatur- 

schwankungen;  mittelfrisch. 

fwna:  Nur  in  der  Wurzelregion  (nichts  in  der  3.,  untern 

Humusschicht). 

N  15 

E  176 
Bw  8 


a  1     p  2     Y  6 


C  1 


293 
Isotoma  palustris  Mull.  var.  pallida  Schaff.    1 


A  2 


D.  Exkursionsgebiet  Bergell. 
a)Subalpine  Region:  1300— 1800  m. 

aa)  Wiese. 

Nr.  50.  2.  VI.  01,  lange  Zeit  trocken,  warm. 

Ob.  Bergell.  0b  Rotticcio  1350  m. 

Magermatte,  ca.  30  cm  vorstehender  Felsblock. 
Pfianzenbestand:  dicht. 

Poa  alpina  var.  vivipara  et  fructifera  L.  mf. 

Trisetum  flavescens  Beauv.  mf.  dl. 

Anthyllis  Vulneraria  L.  Kh.   fl. 

Viola  tricolor  L.  mf. 

Lychnis  flos  Jovis  L. 

Myosotis  intermedia  Link. 

Cerastium  trigynum  Vill. 
Bodm:  Geol.:  Schuttkegel  von  griinem  Bundnerschiefer. 
a  Expos.:  S.  Neig.:  0°. 

mit  viel  |  trock.,  sandig-lehmiger,  filziger  Humus  6  cm 

Grus     |  trock.,  sandig-lehmiger,  staubig.  Humus  6  cm 

Gesamtmachtigkeit     12  cm 

Untergrund:  Schiefer-Steinboden. 
*)c  Sehr  grosse  Feuchtigkeits-  und  Temperaturschwan- 

kungen. 

Fauna:  Mi  1 

Julidae-Fragment     1 

Bw  4 
a  i 

viele  Ameisen  und  Ameiseneier- 


*)  Wenn  ohne  Bemerkung,  keine  Reaktion  auf  HC1  (6). 


299 


Sr.  51.     1.  VII.  01,  an  den  2  letzten  Tagen  starke  Niederschlage. 
Ob.Bergell.  Asarina  1380  m. 

Fettwiese. 

Pflanzenbestand :  sehr  dicht. 
Trisetum  flavescens  Beauv.  mf.  dl. 

Dactylis  glomerata  L.  dl. 

Anthoxanthum  odoratum 

Trifolium  pratense  L.  mf. 

Trifolium  montanum  L.  dfl. 

Taraxacum  officinale  Web.  dfo. 

Silene  inilata  Sm. 
Boden:  Geol.:  Schuttkegel  von  Talk-  und  Glimmerschiefer. 
a  Expos.:  0— W.  Neig.:  18°. 

lehmig-sandiger,  wenig  filziger  Humus  3 — 4  cm 
humoser,  sandiger  Lehm  22  cm 

Gesamtmachtigkeit     25  cm 
Untergrund:  Steinboden. 

c  grosse  Feuchtigkeits massige  Temperaturschwan- 

kungen. 
Fauna: 


E  24 

M,  8 

Bw  23 

G  —  Elar?10 

C  1  entkmin 

A  3 

Scolopendrella  notacantha  Gerv.  8 
a  14     ?  6     r  4 


fr.  52.  20.  VI.  01,  langere  Zeit  hiiiitige  Niederschlage, 

seit  drei  Tagen  keine  solchen. 
Vnt.  Bergell.  Tombelo  1560  m. 

Magenviese. 

Pflamenbestand:  sehr  dicht. 
Poa  alpina  L.  var.  fructifera  mf.  dfo. 


300 


Dactylis  glomerata  L.  dl 

Festuca  ru^ra  L.  mf.  dl 

ovma 

Trifolium  pratense  L.  mf. 

Taraxacum  officinale  Web.  dfo 

Boden:  G-eol.:  Glimmerschiefer. 
a  Expos.:  N— S.  Neig.:  20°. 

humoser,  sandiger  Lehm  4  cm  j  Wurzelregioi 

humushaltiger,  sandiger  Lehm    46  cm  J        10  cm 
Gesamtmachtigkeit  ca.  50  cm 

Untergrund:  Fels. 
c  frisch;  m&ssige  Feuchtigkeits-  und  Temperaturschwan 

kungen. 

Fauna:  Probe  bis  ca.  25  cm  Tiefe;  aus  tieferen  Schichtei 

Stichprobe:  diese  leer. 

N  35 

viele  8ehr  kleine  Formen,  deshalb  Verlust 

E  700 

meistens  in  der  Wurzelregion,  tiefer  fast  keine.    1  E  u 

ein  welkes  Gramineenblatt  eingefressen. 

meist  im  humosen  Lehm     L  15 

*  9    Typ.  d.  Lumbricus  rubellus         6 

unbestimmt    9 

1   L   ist  durch   4  Julusringe   gedrungen,   die  jetx 

getrennt  sind. 

Mi  ? 
4  Julusringe. 

Ms  5 

Scolopendrella  notacantha  Gerv.  6 

Bw  126 
a  45     ^  65     y  16 

ebenfalls  in  den  obersten  Schichtex) 

G  1 


301 

Helix  (Vallonia)  pulchella  Mull. 


C  2 
A  16 


Nr.  53.  2.  VI.  01,  langere  Zeit  trocken. 

(*.  Bergelh  Rotticcio  1350  m. 

Magerwiese. 

Pflanzenbestand:  sehr  dicht. 
Poa  alpina  L.  fructifera  et  vivipara  mf.  dfo. 

Anthoxanthum  odoratum  L. 

Trifolium  montanum  L.  Kh.  dfl. 

Salvia  pratensis  L.  fl. 

Primula  officinalis  Scop.  fl. 

Ranunculus  bulbosus  L. 
Boden:  Geol.:  Schuttkegel  von  griinem  Bundnerschiefer. 
a  Expos.:  NNO— SSW.  Neig.:  21°. 

humoser  Sand  (sandiger  Humus  ?)   11  cm  j  Wurzelregion 
stein.,  lehm.,  humushalt.  Sand  fiber  40  cm  J      ca.  20  cm 

Gesamtm&chtigkeit  iiber&Ocm 
Untergrund:  Stein-  [Geroll]  boden. 
c  ziemlich  trocken;  grosse  Feuchtigkeits-  und  Tempe- 
raturschwankungen. 
fruna:  fast  ausschliesslich  in  der  Humusschicht! 


N  3 

Brs. 

1 

E  2 

L  1 
Mt  43 

Cylindroiulus  Verhoeffi  Broel. 

43 

fast  alle 
M8  10 

juv. 

Scolopendrella  immaculata  Newport 
Geophilus  spec. 

3 

7 

juv. 
Bw  65 

302 


a  16     0  14    r  25 


G4IK 


C  15 


Helix  (Vallonia)  pulchella  Mull.  1 

Zua  lubrica  Mull.  var.  minima  Siem.     1 
Pupa  (AlsBa)  eumicra  Bourg.  1 

Isotoma  viridis  Bourl.  Hauptform      10 
Isotoma  quadrioculata  Tullb.  5 

Nr.  54.  9.  VII.  01,  seit  einigen  Tagen  keine  Niederschl 

Ob.  Bergell.  Casaccia  1470  m. 

Magerwiese  am  Waldrand. 
Pflanzenbestand:  locker. 

Trisetum  flavescens  L.  mf. 

Anthoxanthum  odoratum  L. 

Trifolium  repens  L. 

Lychnis  flos  Jovis  L. 

Smilacina  bifolia  Desf. 
Boden:  Geol.:  Talk-  und  Streifenschiefer. 
a  Expos.:  S— N.  Neig.:  15°. 

humusreicher  Sand  10  cm 

lehmiger  Sand  mit  viel  Grus  15  cm 

Gesamtmachtigkeit     25  cm 

Untergrund:  schiefriger  Steinboden. 
c  ziemlich   frisch;   ziemliche  Feuchtigkeits-    und   T< 

peraturschwankungen. 

Fauna:  nur  in  der  humusreichen  Schicht.  N  3 


?    unbestimmt     1 


Scolopendrella  notacantha  Gerv. 


E  14 
LI 

M*  1 
Bw  4 


303 

a  2     p  2 

C  1  iRtkMien 
A  6 

Nr.  55.  17.  VI.  01,  seit  4  Tagen  viel  Regenfall. 

Unt.  Bergell.  Ob  Soglio  1555  m. 

Magerwiese  im  Fichtenwald  (sehr  locker),  Runse. 
Pflawenbestand:  sehr  dichter  Rasen  verdorrter  und  z.  t. 

verfaulter  Gramineen. 
Boden:  GeoL:  Triimmer  von  Glimmerschiefer. 
a  Expos.:  S.  Neig.:  0°. 

sandig-lehmiger,  feucht-filziger  Humus  15 — 25  cm. 
Untergrund:  Steinplatte. 
c  ziemliche  Feuchtigkeits-  u.  Temperaturschwankungen ; 
ziemlich  feucht. 
Fauna:  N  6 

E  43 
L  7 
Octolasium  lacteum  Oerley  1 

•  2  Typ.  d.  Octolasium  lacteum         1 
Typ.  d.  Lumbricus  rubellus         5 


Julus  Zinalensis  Faes  13 

6eophilu8  pygmseus  Verh.  1 

Scolopendrella  immaculata  Newport    1 
Scolopendrella  notacantha  Gerv.  6 


Mi   13 
M*  8 

Bw  38 


a28    8  4     y  6 

A  5 

G  —  Eier?  10 

^•56.  17.  VI.  01,  seit  4  Tagen  regnerisch. 

r"'  Bergell.  Ob  Soglio  1 560  m. 

Magerwiese  im  Fichtenwald. 

Pflamenbestand:  vereinzelt. 


304 


Gentiana  excisa  Presl.  Bah.  mf. 

Viola  biflora  L. 

Vaccinium  Myrtillus  L.  mf.  dfl. 

Sphagnum. 
Boden:  Geol.:   Schuttkegel  von  Glimmerschiefer 

wenig  Arlbergkalk. 
a  Expos.:  N— S.  Neig.:  40°. 

wenig  lehmiger,  dunkler  Waldhumus  13  cm  j  Wun 

steiniger,  sandiger  Lenm  21  cm)     8  ci 

Gesamtmachtigkeit    34  om 

Untergrund:  Steinboden. 
b  mit  HC1:  weder  Krume  noch  Gestein  Reaktion. 
c  feucht,  wenig  Feuchtigkeits-  und  Temperatursch^ 

kungen. 

Fauna:  N  10 

E  44 
einige  an  Wurzeln  haftc 
L     6 
hauptsachlich  in  der  Humusschi 
Lumbricus  rubellus  Hoffm.  1 

*  ?  Typ.  d.  Lumbricus  rubellus       5 


Cylindroiulus  generosensis  Verh.  5 

Julus  Zinalensis  Faes  10 

Scolopendrella  notacantha  Gerv.  7 
Scolopendrella  immaculata  Newp.    1 

Geophilus  proximus  C.  Koch  1 

Geophilus  spec.  2  juv. 

a  17     3  14     y  3 


Mi   15 
Ms  11 


Bw  34 

G  —  ft 
A    2 


306 


Nr.  57.  9.  VI.  01,  seit  einigen  Tagen  keine  Niederschlftge. 

Ob.  BtrgelL  Untere  Blese  1590  m. 

Magerwiese  im  lockern  Fichtenwald. 

Pflanzenbestand:  dicht. 

Anthoxanthum  odoratum. 

Carex  Oederi  Ehrh. 

Trifoliam  montanum  dfl. 

Trigonella  monspeliaca  L.  fl. 

Hippocrepis  comosa  L.  fl. 

Antennaria  dioica  Gartn.  tl.  dfl.  H. 

Boden:  Geol.:  Glimmerschiefer. 

a  Expos.:  NNW— SSO.  Neig.:  32°. 

humusreicher,  wenig  lehmiger  Sand  12  cm  |  Wurzeln 

bis  c& 
fast  steinfreier,  lehmiger  Sand  90  cm  J    40  cm 

Gesamtmachtigkeit  uber  100cm 

Untergrund:  Fels  (?) 

c  obere  Schicht  im  allgemeinen  ziemlich  trocken,  unter 

60  cm  Tiefe  sehr  trocken. 

Fauna:  Probe  bis  20  cm  Tiefe;  Stichprobe  bis  50  cm. 

N    6 

1  grosser  N  unter  20  cm  Tiefe. 

E  13 

Bra.  Typ.  des  Octolasium  lacteum     1 
Cylindroiulus  Verhoeffi  Broel.  4 

Geophilus  linearis  C.  Koch  1 

Geophilus  spec.  10  juv. 

Scolopendrella  immaculata  Newport  1 


a  2    p  IB     r  9 
Helix  spec.  (?) 


L 

1 

Mi 

4 

Ms 

12 

I  in  die  Tiefe 

bis 
)    ca.  35  cm 

Bw 

26 

G 

2  Eier  3 

20 


306  _ 

Zua  lubrica  Mull.  var.  minima  Siem.  1 


C  — 

A     4 


Nr.  58.  6.  VI.  01,  seit  langer  Zeit  trockenes  Wet 

Ob.  Bergell.  Ob  Rotticcio  1380  m. 

Natiirliche  Rieselwiese  (vom  Bach  bei  hoherm  Was: 

stand  berieselt). 
Pflanzenbestand :  dicht  (unter  dem  Schatten  von  Al 
nigricans). 
Trigonella  monspeliaca  L. 
Alchemilla  montana  Willd. 

Primula  farinosa  L.  fl. 

Trollius  europaeus  L.  fl. 

Viola  biflora  L. 

Equisetum  palustre  L.  viele  Mew 

Boden:  Geol.:  Schuttkegel  von  grxinem  Biindnerschie 
a  Expos.:  S.     Neig.:0°. 

wenig  lehmiger,  filziger  Humus. 

3 — 12  cm  Gesamtmachtigkeit. 
Untergrund:  Felsplatte. 
c  feucht-nass,  selten  trocknend;   im  allgemeinen  ai 
Temperaturschwankungen  massig. 
Fauna: 


Helodrilus  D.  octaedrus  Sav. 

10  ?  Typ.  d.  Helodrilus  D.  octaedrus 

unbestimmt 

r  5     p  65 

Helix  spec.  (?)  1  Fragment. 

Zua  lubrica  Mull.  var.  minima  Siem.  1  juv. 


N  0 

E  26 

L  4 

1 

2 

1 

Bw  70 

G  2  E 

C  3 


307 


Orchesella  alticola  Uzel.  3  (hrbemrietit). 

A  8 

Np.  59.  6.  VI.  01,  langere  Zeit  trockenes  Wetter. 

Ob.  BergelL  Ob  Rotticcio  1410  m. 

NatUrliche  Rieselwiese  (vom  Bach  berieselt). 

Pflamenbestand:  sehr  dicht. 

Carex  Oederi  Ehrh. 

Plantago  alpina  L.  Kh.  mf.  dfl. 

Aichemilla  montana  Willd. 

Trollius  europseus  L.  fl.  dfl. 

Smilacina  bifolia  Desf. 

Viola  biflora  L. 

Vaccinium  uliginosum  L.  fl.  dfl.  H. 

viele  dichte  Sphagnum. 

Boden:  Geol.:  Schuttkegel  von  Btindnerschiefer,  griin 

und  rot. 

a  Expos.:  S.  Neig.:  0°. 

lehmiger,  feuchtmolliger  Humus  10  cm 

humoser,  sandig-lehmiger  Steinboden    12  cm 

Gesamtm&chtigkeit  22  cm. 

Untergrund:  Steinboden. 

c  feucht-nass,  selten  nicht  berieselt ;  massige  Tempera- 

turschwankungen. 

Fauna:  N  45 

E  415 

hauptsachlich  in  der  Humusschicht. 

L  5 

im  obern,  feuchtesten  Teil  des  Humus. 

Octolasium  lacteum  Oerley  1 

"  ^   Typus  des  Octolasium  lacteum  2 

Brs.  derselbe  Typus  2 

Mi  18 


308 


Cylindroiulus  Verhoeffi  Broel.         11 
Julus  Zinalensis  Faes  1 

Julus  spec.  6jung 

G  —   Der 
Bw  66 
a  10    p  35    r  11 

C  10?  Ir 
A  17 
bb)  Weide. 
Nr.  60.  3.  VI.  01,  lftngere  Zeit  trockenes  Wett< 

Ob.  BergelL  Ob  Altlbruno  1 680  m. 

Magerweide  (Kuh-). 
Pflamenbestand:  locker. 

Poa  alpina  L.  var.  fructifera  mf.  di 

Trifolium  montanum  L.  d 

Plantago  alpina  L.  Kh.  mf.  c 

Alchemilla  montana  Willd. 

Anemone  alpina  sulfurea  L.  Kih.  mf.  d 

Boden:  Geol.:  Bundnerschiefer,  grtin  und  rot. 
a  Expos.:  N— S.  Neig.:  12°. 

humushaltiger  Sand  6  cm 

sandig-lehmiger  Steinboden      25  cm 
Gesamtmachtigkeit  31  cm 
Untergrund:  lehmiger  Steinboden. 
c  trocken,  grosse  Temperaturschwankungen. 
Fauna:  L 

*  £  unbestimmt  2 

a  3     y  1 

Nr.  61.  20.  VI.  01,  nach  einigen  Niederschlagen  nun  8  T» 

trocken. 

Vnt.  BergelL  0b  Soglio  1320  m. 

Schattige  Waklweide  (im  Fichtenwald). 


309 


Pflanzenbestand:  vereinzelt. 

Trifolium  repens  L.  mf.  dl. 

Viola  biflora  L. 

viele  Moose. 

Boden:  GeoL:  Glimmerschiefer. 

a)  Expos.:  S.  Neig.:  0°. 

lehmiger,  wurzelfilziger  Schiefergrus,  24  cm  Gesamt- 

machtigkeit. 

Untergrund:  lehmiger  Steinboden. 

c  frisch-feucht;  wenig  Feuchtigkeits-  und  Temperatur- 

schwankungen  (im  Walde !). 

Fauna:  N  15 

E  15B 

Fast  ausschliesslich  im  Wurzelfilz  und  an  den  Wurzel- 

stocken!     B  kleine  E  bis  zur  Halfte  in  morschem 

Fichtenholz  in  der  Erde  eingefressen ! 

L  17 
im  Wurzelfilz  und  an  Graswurzelstocken. 


Euenia  rosea  Sav. 

1 

Octolasium  cyaneum  Sav. 
?  unbestimmt 

1 
10 

?35    r  4 

Bra.     5 

Bw  39 

G  —  Citr?  IB 

C     4 

Isotoma  palustris  Miill.  3 

Sminthurus  luteusLubb.Hauptform  1 

^•18.  9.  VII.  01,  seit  einigen  Tagen  keine  Niederschlage. 

w-  Bergeli.  Suracana  1 560  m. 

Woldweide  im  Mischwald. 

Pfateenbestand:  ziemlich  locker. 
Poa  alpina  L.  var.  fructifera  mf.  dfo. 


310 


Dactylis  glomerata  L. 

Trifolium  repens  L.  mf. 

Taraxacum  officinale  Web.  d 

Plantago  montana  L.  Kih.  mf. 

Silene  inflata  Sm. 
Boden:  Geol.:  Streifenschiefer  und  Geroll  von  Virglor 

kalk. 
a  Expos.:  N.  Neig.:  0°. 

humushaltiger,  sandiger  Lehm  mit  viel  Grus, 

65cmGesamtmachtigkeit.  Wurzelregion  15— 20c 

Untergrund:  Schieferfels. 
c  ziemlich    trocken;    wenig    Feuchtigkeits-,    ziemlic 

Temperaturschwankungen. 
Fauna:  nur  in  der  Wurzelregion   und  hier  hauptsachl 

bis  zu  8  cm  Tiefe.  N  15 


E  86 
L     3 


Luinbricus  rubellus  Hoffm.  1 

Bruchst.  Typ.  Lumbricus  rubellus  1 

Typ.  des  Lumbricus  terrestris  1 

Julus  nigrofuscus  Verh.  2 

a  6     p  2     y  10 


cc)  Wald. 

Nr.  63.  1.  VII.  01 ,  seit  2  Tagen  regnerisch,  vorher  zieml.  trocl 
Ob.  Bergell.  Asarina  1360  m. . 

Fichtenwahl  docker). 

Pflanzenbestaml:  vereinzelt:  Briza  media  L.    Kh.  if. 

Boden:  Geol.:  Schuttkegel  von  hauptsachl.  Talk-  i 
Glimmerschiefertrummern. 


Mi 

2 

Bw 

IS 

C 

1 

ntt 

A 

14 

311 


a  Expos.:  W.  Neig.:  0°. 

sandiger,  wenig  filziger  Waldhumus. 

26  cm  Gesamtmachtigkeit. 
Untergrund:  Steinboden  mit  Fichtenwurzeln. 
c  massig  frisch;  wenig  Temperatur-  und  Feuchtigkeits- 
schwankungen. 
Fauna:  N  3 

E  4 
Bw  10 


Y  10 

Podura  minor  Lubb.  1 

Isotoma  fimetaria  L.  Tullb.  3 


C  4 


Nr.  64.  1.  VII.  01,  seit  2  Tagen  regnerisch,  vorher 

ziemlich  trockenes  Wetter. 

Ob.  BergelL  Barga-Asarina  1360  m. 

Fichtenwald. 

Pflanzenbestayid:  0. 

Boden:  Geol.:  Triimmer  von  Talk-  u.  griinem  Biindner- 

schiefer. 
a  Expos.:  NW— SO.  Neig.:  32°. 

sandig-lehmiger,  filziger  Waldhumus   20  cm. 

trockener,  lehmiger  Sand  15  cm. 

Gesamtmachtigkeit  35  cm. 

Untergrund:  Geroll. 
c  frisch,    massige    Feuchtigkeits-,    wenig    Temperatur- 

schwankungen. 

Fauna:  nur  1/ai  mm  (=  1/a  Probe) 
ausschliesslich  im  Humus! 

Brs.  unbestimmt 
Scolopendrella  notacantha  Gerv. 


N  21 

E  33 

L  2 

2 

m  IB 

14 

(•rvptnps  horttMisi.s  Loach  1 

Bw  L  z> 


a  7     [5  3     r  2 


AH 


Nr.  65.  13.  VI.  01,  seit  4  Tagen  regnerisch. 

Unt  Bergell.  Sletna  1500  m. 

Lichter  Fichtenwald. 
Pflanzeribestand:  0. 
Boden:  Geol.:  Glimmerschiefer. 
a  Expos.:  N— S.  Neig.:  25°. 

dunkler  Waldhumus  2  cm  |  Wurzelregio** 

lehmiger  Sand  mit  viel  Grus  13  cm  J        8  cm 

steiniger  Sand  15  cm. 

Gesamtmachtigkeit  30  cm. 
Untergrund:  Schiefer-Steinboden. 
c  zieml.  trocken;  zieml.  Temperaturschwankungen. 
Fauna:  N  3 

E  12 

M»  5 

Scolopendrella  notacantha  Gerv.  4 

Geophilus  spec.  1  juv. 

N,  E  u.  Mj  in  der  lehmigen  Sandschicht. 

Bw  24 
a  4     y  20.  hauptsachl.  in  der  Humusschicht. 

C  6    .ft— 
A  6 

Nr.  66.  17.  VI.  01,  seit  4  Tagen  regnerisch. 

Unt.  Bergell.  Soglio  1570  m. 

Fichtenwald. 

Pflanzeribestand:  vereinzelte  Grashorste;  viele  Moose. 

Boden:  Geol. :  Triimmer  von  Glimmerschiefer  und  wenig 
Arlbergkalk. 


313 


a  Expos.:  N— S.  Neig.:  41°. 

lehmiger,  dunkler,  filziger  Humus  10  cm 
hamoser  Lehm  15  cm 

Gesamtm&chtigkeit    25  cm 
Untergrund:  Steinboden. 
c  frisch,  wenig  Feuchtigkeits-  und  Temperaturschwan- 
kungen. 
Fauna:  N    6 

E  90 
viele  im  Wurzelfilz  haftend,  schwer  herauszufinden. 

L     7 
Helodrilus  D.  octaedrus  Sav. 

Octolasium  lacteum  Oerley 

Lumbricus  terrestris 

"jl  unbestimmt 

Cylindroiulu8  generosensis  Verh. 
Julus  Zinalensis  Faes 


I 


Scolopendrella  notacantha  Gerv. 
«  30    p  7    r  20 


1 

1 

1 

4 

37 

M  60 

23 

oo 

M4 

20 

£\J 

Bw  67 

G 



Eier16? 

A 

11 

Ar.  67.  3.  VI.  01,  wenig  Gewitterregen. 

Ob.  Bergell.  Ambruno  1610  m. 

Fichtenwald  (hoch-dicht). 
Pflanzenbestand:  0. 
Boden:  Geol.:  Schuttkegel  von  Biindnerschiefer,  griin 

und  rot. 
a  Expos.:  N— S.  Neig.:  29°. 

roter  Waldhumus  3  cm 

humoser  Steinboden  15  cm 

Gesamtmaohtigkeit     18  cm 


314 


Untergrund:  Steinboden. 
c  wenig  frisch,  wenig  Temperaturschwankungen. 
Fauna:  N    5 

E  22 
in  der  humosen  und  in  der  Humusschicht. 

Mi  1 
Cylindroiulus  generosensis  Verh.  1  juv. 

M2  11 
Scolopendrella  notacantha  Gerv.  10 

Geophilus  spec.  1  juv. 

Bw  133 
a  123,  nur  im  Humus!  p  10 

zum  Teil  auch  im  Steinboden?     C 

A     9 

Nr.  68.  20.  VI.  01,  seit  8  Tagen  keine  Niederschlftge. 

Unt.  Benjelh  Soglio  1320  m. 

Erlenwald  (locker). 

Pflanzenbestand:  sehr  locker,  einzelne  Gramineenhorste. 
Keimpflanzen  von  Alnus  incana. 
Viola  biflora  L. 
Fragaria  vesca  L. 
Boden:  Geol.:  Glimmerschiefer  (Rutschgebiet). 
a  Expos.:  NNO— SSW.  Neig.:  40°. 

moderiger  Humus  2  cm 

lehmiger,  dunkler  Humus  8  cm 

steiniger,  sandiger  Lehm  40  cm 

Gesamtmachtigkeit     50  cm 
Untergrund:  Geroll. 
c  wenig  feucht,  massige  Feuchtigkeits-  unci  Temperatur- 
schwankungen. 
Fauna:  E  18 

hauptsachlich  nur  in  der  obern  Humusschicht. 


315 


L    5 

+  Typus  des  Helodrilus  D.  rubidus 

2 

nnbeatimmt 

3 

Mi     3 

Julas  Zinaleneis  Faes 

1 

Ms     1 

Polydeanius  spec. 

2  (Mi) 

Geophilus  ferruginous  C.  Koch 

1 

(nur  dieser 

in  der  untersten  Schicht). 

Bw  10 

p  6    Y  4 

A     1 

Nr.  69.  4.  VII.  01,  langere  Zeit  trockenes  Wetter. 

Ofr.  Bergell.  Barga  1390  m. 

Erlengebiisch. 
Pftamenbestand:  locker, 
vorwiegend  Viola  billora  L. 

Lychnis  flos  Jovis  L. 
Gteranium  silvaticum  L.  fl.  dl. 

Paris  quadrifolia  L. 
Boden:  Geol.:  griiner  Biindnerschiefer. 
a  Expos.:  NNW— SSO.  Neig.:  18°. 

feachter,  sandig-lehmiger  Humus  6  cm 

humoser,  sandiger  Lehm  4  cm 

trockener,  steiniger,  lehmiger  Sand      25  cm 
G-esamtmachtigkeit     35  cm 
Untergrund:  Steinboden. 
c  wenig  Feuchtigkeits-  und  Temperaturunterschiede. 
Fauna:  N    8 

E  290 
hauptsachlich  im  humosen  Lehm ;  wenig  in  der  untersten 

Schicht. 

L     7 


316 

"  9_  Typ.  d.  Lumbricua  rubellus  3 

Brs.  unbestimmt  4 

Mi 
Julus  Zinalensis  Faes  2 

M*  1 
Scolopendrella  notacantha  Gerv.  2 

Geophilus  spec.  11  juv. 


a  12     p  15    r  15 


Bw  4 
G 


Hyalina  (Polita)  pura  Alder  3 

Hyalina  spec.  1  fragm. 

C 
Orchesella  spec.  1  defect. 

A  1 

b)  Alpine  Region:  1800—2300  m. 
bb)  Weide. 

Nr.  70.  27.  VI.  01,  seit  ca.  10  Tagen  seltene  Niederschlag* 

Unt.  BergelL  Pianvest  1815  m. 

Pflanzenbestand:  ziemlich  locker. 

Poa  alpina  L.  var.  fructifera  mf.  dfi 

Dactylis  glomerata  L.  d 

Festuca  rubra  Thuill.  mf.  d 

Trifolium  alpinum  L.  Kih.  mf.  d1 

Alchemilla  montana  Willd. 
ChaQrophyllum  Villarsi  Koch. 
Boden:  Geol.:  Glimmerschiefer. 
a  Expos.:  NNO-SSW.  Neig.:  22°. 

(sandiger  Lehm)  lehmiger,   dunkler, 

filziger,  humusreicher  Sand  12  cm 

lehmiger  Sand  mit  viel  Grus  13  cm 

Gesamtmachtigkeit    25  cm 

Untergrund:  sandig-lehmiger  Steinboden. 


317 


c  massig  frisch  -  feucht ;   ziemliche  Feuchtigkeits-   unci 
Temperatiir8chwankungen. 
Fauna:  hauptsachlich  nur  bis  6  cm  Tiefe. 
tiefer  nur  einzelne  E  und  Bw. 

"?   unbestimmt 
Brs. 

Cylindroiulus  generosensis  Verh. 

Lithobius  spec.  Brs. 
Geophilus  spec.    juv.  et  Brs. 

a  40     £75    r  14 

Helix  (Vallonia)  pulchella  Mull. 

Zua  lubrica  Mull.  var.  minima  Siem.   1 

Hyalina  spec.  (?) 

Isotoma  viridis  Bourl.  Hauptform 

Cr.  71.  6.  VII.  01,  regnerisch-kalt. 

>b.  BergelL  Forcella  1980  m. 

r«de-Kuhtritt  (Galtvieh-). 
Pflanzenbestand:  sehr  dicht. 

Poa  alpina  L.  var.  fructifera  mf.  dfo. 

Anthoxanthum  odoratum  L. 

Trifolium  montanum  L.  dfl. 

Trigonella  monspeliaca  L.  tl. 

Antennaria  dioica  G&rt.  tl.  dfl.  H. 

Plantago  alpina  L.  Kh.  mf.  dl. 

Eriophorum  alpinum  L. 
Boden:  Geol.:  grtin-roter  Blindnerschiefer. 
a  Expos.:  NNO— SSW.  Neig.:  24°. 


N  103 

E  1118 

9 

L     11 

2 
1 
1 

Mi     1 

Ms     4 

3 

Bw  129 

2 

G    4 

1 

1  juv. 
3 

C  3 
A  30 

318 


humo8er,  lehmiger  Sand  11  cm  Wurzelregion 

sandiger  Lehm  12  cm 

Gesamtmachtigkeit    23  cm 
TJntergrand:  Steinboden. 
c  frisch;    ziemliche    Feuchtigkeits-    und    Temperatur- 
schwankungen. 
Fauna:  E  56 

in  der  Wurzelregion 
L     8 
n  u  r  bei  2 — 3  cm  Tiefe,  da,  wo 
humose  Stoffe  am  dichtesten. 


Lumbricus  rubellus  Hoffm. 

8 

Mi     2 

Julus  Zinalenais  Faes 

2 

M»     2 

Geophilus  spec. 

2  juv. 

Bw  16 

p  3    r  12 

G     1  Etorll? 

Zua  lubrica  Miill.  var.  minima 

Siem.  1 

A    5 

Nr.  72.  19.  VII.  01,  in  letzter  Zeit  nur  selten  kleine  Niederschlftge. 
Unt.  Bergell.  Planlo-ZoBchetta  1990  m. 

Weide  (Kuh-  und  Ziegen-). 
Pflanzenbestand :  ziemlich  locker. 

dichte  (zahe)  Grashorste  (Nirdua  stricto  L.)  Kih.  tl.  dfu.  H. 

Trigonella  monspeliaca  L.  tl. 

Trifolium  alpinum  L.  Kih.  mf.  dfl. 

Gentiana  acaulis  Jacq.  Kh.  mf.  dfl. 

Vaccinium  Vitis  Iduea  L.  mf.  dfl.  H. 

Daphne  striata  Tratt.  Kh. 

Boden:  Geol.:  Glimmerschiefer. 
a  Expos.:  NW-SO.  Neig.:  18°. 


319 

humusreicher  Lehm  13  cm  | 

.  !-         x    i       ftt  I  Wurzelregion  16  cm 

humoser,  sandiger  Lehm  25  cm  J 

sandig-steiniger  Lehm     20  cm 

Gesamtmachtigkeit     58  cm 

Untergrund:  Schieferfels. 

c  frisch;  wenig  bis  mittlere  Schwankungen  der  Feuch- 

tigkeit  und  der  Temperatur. 

Fauna;  nur  in  der  humusreichen,  obern  Lehmschicht. 

N  20 


Cylindroiulus  Verhceffi  Broel.  6 

Scolopendrella  notacantha  Gerv.    13 


E  12 
Mi  5 

M2  13 


G  —  Eier?  7 

Bw  8 
a  5     y  3 

A    9 

Nr.  73,  8.  VII.  01,  seit  einigen  Tagen  trockenes  Wetter. 

06.  Bergell.  Salecina  2155  m 

Weide  (Kuh-). 

Pflanzenbestand:  dichter  Rasen  von  Carex  Oederi  Ehrh. 
Vaccinium  Myrtillus  L.  Kih.  mf.  dfl.  H. 

Empetrum  nigrum  L. 
Boden:  Geol.:  Geroll  von  Hornblendeschiefer. 
a  Expos.:  S— N.  Neig.:  20°. 

molliger  (Haide-)  Humus  12 — 15  cm 

sandiger  Humus  —  humusreicher  Sand   12  cm 
Gesamtmachtigkeit  ca.  25  cm 
c  grosse    Feuchtigkeits-,    massige    Temperaturschwan- 
kungen. 
Fauna:  lU  Probe  (=  lfa  m2)  N  5    E  69     Bw  4 

P8    ^2  A2 


320 


Nr.  74.  8.  VII.  01,  seit  einigen  Tagen  trockenes  Wetter. 

Ob.  Bergell.  SalecilM  2160  m. 

Weide  (Kuh-). 
Pflanzeribesta'nd:  zahe,  dichte  Carexnarbe  (Carex  Oederi 

Ehrh.). 
Boden:  Geol.:  Hornblendeschiefer. 
a  Expos.:  0,  N,  W.  Neig.:  0°  (Kuppe). 

roher,  sandiger  Humus  (Wurzelfilz),  10  cm  Gesamt- 

machtigkeit. 
Untergrund,  Steinplatte. 
c  sehr  grosse  Feuchtigkeits-,  grosse  Temperaturschwan- 
kungen. 
Fauna:  Vu  Probe  (=1«4  m2)  E  2 

Bw  2 

C  2  urtkMM. 

A  1 

Nr.  75.  13.  VII.  01,  lange  Zeit  trocken. 

Ob.  Bergell.  Piz  Campo  2250  m. 

Weide  (Galtvieh-). 

Pflanzenbestand:  dicht;  zahe  Grashorste  (Sirdw  strict*  etc,). 

Anthyllis  Vulneraria  L.  Kh.  tl.  dfl. 

Vaccinium  Myrtillus  L.  Kih.  mf.  dfl.  H. 

Vacc.  Vitis  Idaea  L.  mf.  dfl.  H. 

Anemone  alpina  sulfurea  L.  Kih.  mf.  dfl. 

Trollius  europaeus  L.  fl.  dl. 

Boden:  Geol.:  griiner  Biindnerschiefer. 

a  Expos.:  NW- SO.  Neig.:  34°. 

lehmiger,  dunkler  Humus    10  cm| 

v         T    ,  or  }  Wurzelregion  20  cm 

sandiger  Lehm  35  cm| 

Gesamtmachtigkeit     46  cm 

Untergrund:  Fels. 


321 


c  massige  Feachtigkeits-  und  Temperaturechwankungen ; 
frisch. 
Fau  ia:  N  18 

E  70 
L    5 
9   unbestimmt  3 

Brs.  2 


Julus  Zinalensis  Faes  2 

Craspedosoma  Canestrini  Fedr.         1 

a  12     £  5     y  3 


Mi  3 

Bw  20 
G     9  Eltf7 


Hyalina  (Polita)  pura  Alder  2 

Helix  (Fruticicola)  sericea  Drap.      1 

Helix  (Arionta)  arbustorum  1  Fragment 

Zua  lnbrica  Mull.  var.  minima  Siem.  5 

A  17 

cc)  Wald. 

Nr.  76.  27.  VI.  01,  seit  langer  Zeit  trockenes  Wetter. 

Vnt.  Bergell.  Pianvest  1800  m. 

Fichtenwald  (locker— Waldgrenze). 
Pflanzenbestand:  dicht. 
ake  Borate  von  Nardus  striota  L.  (?)  Kih.  tl.  dfii.  H. 

Trifolium  alpinum  L.  Kih.  mf.  dfl. 

Gentiana  excisa  Presl.  Kih.  mf.  dfl. 

Vaccinium  Myrtillus  L.      Kih.  mf.  dfl.  H. 
Boden:  Geol. :  Glimmerschiefer. 
a  Expos.:  SW.  Neig.:  0°. 

schwarzer,  filziger  Waldhumus  3  cm 

sandiger,  filziger  Humus  7  cm 

humushaltiger,  lehmiger  Sand  30  cm 

Gesamtmachtigkeit     40  cm 

21 


322 


Untergrund:  Felsplatte. 
c  wenig  Feuchtigkeits-  und  Temperaturschwankungen ; 
frisch-feucht. 
Fauna:  nur  in  den  Humusschichten  (Ausnahme  8.  u.)     N    6 

E  36 
L    2 
in  der  obern  Humusschicht. 
Lumbricu8  rubellus  Hoffm.  1 

2  Typ.  d.  Lumbricus  rubellus  1 


M,  9 


+ 

Cylindroiulus  Verhoeffi  Broel.  2 

Cylindroiulus  generosensis  Verh.  3 

Julus  Zinalensis  Faes  1 

Julus  spec.  3  juv. 

M*  4 

in  der  Sandschicht. 

Scolopendrella  notacantha  Gerv.  3 

Scolopendrella  nivea  Scop.  1 

«12?7r6  »l* 

Nr.  77.  19.  VII.  01,  lange  Zeit  trocken. 

Unt.  Bergen.  Pianlo  1970  m. 

Fichtenwald  (locker). 

Pflanzenbestand:  locker;  einzelne  Grashorste (verfaulend). 

Poa  trivialis  L.  mf.  dl. 

Alcherailla  montana  Willd. 

Aconitum  Napellus  L.  fl.  dl. 

Boden:  Geol.:  Glimmerschiefer. 
a  Expos.:  S.  Neig.:  0°. 

dunkler  Wald humus  2  cm 

lehmiger.  hellor  Humus        10  cm     Wurzelregion 

lohmiger,  dunkler  Humus    23  cm  (yerfanlende  FicMeifinelii) 
Gesamtmiichtigkeit     35  cm 


N  36 

E  308 

L    1 

1 

Mi  2 

2 

M»  1 

1 

Bw  17 

G  —  Ehr  12? 

A  29 

323 


Untergrund:  lehmiger  Schiefer-Steinboden. 
c  sehr  wenig   Fenchtigkeits-    und   Temperaturschwan- 
kungen;  feucht. 

Fauna: 


Bra.  unbestimmt 
Julus  Zinalensis  Faes 
Scolopendrella  DOtacantha  Gerv. 
a  8     p  6     y  4 


Xr.  78.  4.  VII.  01,  seit  einigen  Tagen  regnerisch. 

06.  Bergell.  Blese  grande  2010  m. 

Lerchengruppe  (locker — Waldgrenze). 
Pflanzenbestand:  locker. 
Anthoxanthum  odoratum  L. 

Anemone  alpina  sulfarea  L.  Kih.  mf.  dfl. 

Fragaria  vesca  L. 
Viola  biflora  L. 
Boden:  Geol.:  Biindnerschiefer,  grun-rot. 
a  Expos.:  NW— SO.  Neig.:  22°. 

lehmiger,  dunkler  Humus  5  cm 

humusreicher,  lehmiger  Sand     8  cm    AVurzelrogion 
lehmiger  Sand  liber  50  cm 

Gesamtmachtigkeit  iiber  60  cm 
Untergrund:  sandiger  Lehm,  steinig. 
c  massige  Feuchtigkeits-  und  Temperaturschwankungen ; 

frisch.  ^— 


324 


Fauna:  N  30 

auch  im  lehmigen  Sand. 
E  68 
nur  wenige  im  lehmigen  Sand, 
hauptsachlich  in  den  obern  Schichten. 

L     1 
in  der  obersten  Humusschicht. 

Helodrilus  D.  octaedrus  Sav.  1 

M2  3 
in  der  untersten  Schicht  (lehm.  Sand). 
Scolopendrella  notacantha  Qerv.      3 


a  25     p  14    y  10 


Bw  49 

G  —  Eier?  10 

C  2 

Lepidocyrtus  lanuginosus  Nic.  2 

A  6 

Nr.  79.  8.  VII.  01,  seit  einigen  Tagen  keine  NiederschlMge. 

Ob.  Bergell.  Salecina  2160  m. 

Haide. 
Pflanzeiibestand:  ziemlich  locker. 

Vaccinium  Myrtillus  L.  Kih.  mf.  dfl.  H. 

Rhododendron  hirsutum  Kh.  tl.  dfl. 

Eriophorum  angustifolium  Roth. 
Empetrum  nigrum  L.  Kih.  mf.  dfo. 

Boden:  Geol.:  Geroll  von  Hornblendeschiefer. 
a  Expos.:  O,  N,  W.  Neig.:  0°  (Kuppe). 

nasser,  schwarzer  Torfhumus  30  cm  Wurzelregion  15  cm 
humoser,  steiniger  Lehm  5  cm 

Gesamtmachtigkeit     35  cm 
Untergrund:  Fels. 
b  Torfhumus  sauer. 

c  nass;    fast  keine  Feuchtigkeits-,   wenig  Temperatur- 
schwankungen. 


325 

Fauna:  alles  in  der  Wurzelregion.  E  51 

Y  2  Bw  2 

G  —  Eier?  9     A  10 
dd)  Planggen. 

Hr.  80.  13.  VII.  01,  seit  einigen  Tagen  trockenes  Wetter. 

Ob.  BergelL  Bei  Piz  Campo  2250  m. 

Grasband. 
Pflamenbestand:  locker;  dichte  Moosbiische. 

Gentiana  verna  L.  mf.  dfl. 

Sempervivum  spec. 
JBoden:  Qeol.:  Biindnerschiefer,  grim. 
a  Expos.:  N— S.  Neig.:  40°. 

steiniger,  filziger  Humus.    15  cm  Gesamtmachtig- 

keit. 
Untergrund:  verwitternder  Fels. 
c  zieml.  Feuchtigkeits-  und  Temperaturschwankungen. 
Fauna:  N  18 

E  91 

Brs.  unbestimmt  1  LI 

Bw  18 

G     4  Eier  2 


a  14    p  2     r  2 


Hyalina  (Polita)  pura  Alder  1 

Helix  spec.  2  juv. 

Zua  lubrica  Miill.  (?)  1  Fragment. 

A  22 
Nr.  81.  8.  VII.  01,  seit  einigen  Tagen  trockenes  Wetter. 

Ob.  BergelL  Bitabergo  1872  m. 

Magerweide  in  engem  Tobel.  (Schnee  bleibt  sehr  lange: 
Schneefalchen  ?) 

Pflamenbestand:  ziemlich  locker. 
haupts&chlich  Plantago  alpina  L.       Kh.  mf.  dl. 
und  Potentilla  nivea  L. 


326 


Boden:  Geol.:  Talkschiefer. 

a  Expos.:  S— N.  Neig.:  6°. 

schwarzer  (feuchter)  humushaltiger  Lehm     20  cm 
heller,  sandiger,  wurzelreicher  Lehm  15  cm 

Gesamtm&chtigkeit     35  cm 
Untergrund:  Steinboden. 
c  feucht-frisch  (kalt);  wenig  Feuchtigkeits-  und  Tempe- 
raturschwankungen. 
Fauna:  in  der  Tiefe  von  ca.  5—8  cm.  N  1 

E  2 
Y  1  Bw  1 

c)  Subnivale  Region:  2300— 2700  m. 
bb)  Weide. 

Nr.  82,         21.  VII.  01,  nach  lftngerer  Trockenheit  heute  starker 

Gewitterregen. 
Unt.  Bergell.  Pianlo-Duana  2340  m. 

Magerweide  (Ziegen-). 

Pflanzenbestand:  dichte  Gramineen-  und  Carexhorste. 
Gentiana  verna  L.  mf.  dfl. 

Ranunculus  montanus  Willd.  fl.  dl. 

viele  Myosotis  alpestris  Schmidt. 
Boden:  Geol.:  Geroll  von  Streifenschiefer  und Virgloria- 

kalk. 
a  Expos.:  NNO— SSW.  Neig.:  44°. 

steiniger,  sandig-lehmiger  Humus.     10  cm  Gesamt- 

machtigkeit.     Wurzelregion  6 — 8  cm. 
Untergrund:  Steinboden. 
b  Humuserde  mit  H  CI  kein  Brausen ;  die  eingebetteten 

Ca-Steine  starkes  Brausen. 
c  massig  frisch;  grosse  Feuchtigkeits-  und  Temperatur- 
schwankungen. 


327 


Fauna:  '/t  Probe  (—  Va*  m2) 


M    T3 


nur  bis  ca.  6- 


N    3 

E  70 

-6  m  Tiefe. 

Bw  4 


A    8 

Nr.  83.  21.  VII.  01,  nach  langerer  Trockenheit  starker 

Gewitterregen. 
Unt.  Bergell.  Pianlo-Duana  2370  m. 

Magerweide  (Ziegen-). 
JPflamenbestand:  dichte,  zahe  Narbe  von 
Gramineen-  und  Carexhorsten. 
viele  Ranunculus  montanus  Willd.  fl.  dl. 

Gentiana  verna  L.  mf.  dfl. 

Viola  calcarata  L.  Kh.  mf.  dfl. 

Myosotis  alpestris  Schmidt  mf.  dfl. 

Boden:  Geol.:  Glimmerschiefer. 
a  Expos.:  S.  Neig.:  0°  (kleine  Mulde). 

humoser  dunkler  Ton  8  cm  (dichte  Wurzeln  bis  4  cm), 
dann  eisenhaltiger,  dunkler,  schwerer  Ton  fiber  70  cm 
Gesamtmachtigkeit. 
c  feucht-nass;   wenig  Temperatur-,   massige  Feuchtig- 
keitsschwankungen. 
Fauna:  L  1 

1 


'?   unbestimmt 


P  1 


Bw  1 

G  —  Eiir  ?1 
A  5 


Nr.  84.  6.  VII.  01,  heute  regnerisch,  kalt. 

Ob.  Bergell.  Val  Forcella  2400  m. 

Magerweide  (Galtvieh-). 

Pftanzenbestand:  dicht;  zahe  Gramineenhorste. 


Trifolium  alpinum  L.  Kih.  mf.  dfl. 

Primula  viscosa  All. 

Gentiana  excisa  Presl.  Kih.  mf.  dfl. 

Anemone  alpina  sulfarea  Kih.  mf.  dfl. 

Geum  reptans  L. 

Vacoinium  Myrtillus  L.  Kih.  mf.  dfl.  H. 

Daphne  striata  Tratt. 
Boden:  Geol.:  Geroll  von  Biindnerschiefer,  griin-rot. 
a  Expos.:  NNO— SSW.  Neig.:  26°. 

sandig-lehmiger,  kompakter  (filziger)  Humus  6  cm)  Wurul- 
humusreicher,  sandiger  Lehm  10  cm)  12  Ci 

lehmiger  Sand  10  cm 

Gesamtmachtigkeit    26  cm 
Untergrund:  Steinboden. 
c  ziemlich  frisch;  massige  Schwankungen  des  Feuchtig- 
keitsgehaltes  und  der  Temperatur. 
Fauna:  in  der  Wurzelregion.  N  44 

E  23 
a  1     J3  5     y  3  Bw9 

C     2 
Isotoma  sensibilis  Tullb.      1  (1  entkommen) 

A     6 

Xr.  85.  6.  VII.  01,  regnerisch-kalt. 

Ob.  BergelL  Val  Forcella  2400  m. 

Magerweide  (Galtvieh-)  ca.  5  m  von  Nr.  84  entfernt. 

Pflanzeribestand :  dichte  Gramineenhorste. 

Trifolium  alpinum  L.  Kih.  mf.  dfl. 

Primula  viscosa  All. 

Gentiana  excisa  Presl.  Kih.  mf.  dfl. 

Eanunculus  pyrenacus  L.  fl. 

Geum  montanum  L. 

Bodcn:  Geol.:  Triimmer  von  grlin  und  rotem  Biindner- 
schiefer. 


329 


a  Expos.:  N— S.  Neig.:  24°. 

lehmiger  kompakter  Humus      7  cm  )  Wurzelregion 
humushaltiger  lehmiger  Sand  30  cm  j         14  cm 

Gesamtmachtigkeit     37  cm 
Untergrund:  Steinboden. 
c  frisch  bis  ziemlich  frisch,  massige  Feuchtigkeits-  und 
Temperaturschwankungen. 
Fauna:  nur  in  der  Wurzelregion.  N  24 

E  168 
Bw  4 

A    2 

Nr.  86.  21.  VII.  01,  einige  Gewitterregen  nach  lttngerer 

Trockenheit. 
Unt.  Bergell.  Pianlo  Campo  2430  m. 

Magerweide  (Ziegen-). 

Pflanzenbestand:    dichte    Gramineenhorste    und    einige 
Carexhorste. 
Oxytropis  campestris  Dec.  Kh.  tl.  dfl. 

Gentiana  verna  L.  mf.  dfl. 

Androsace  Chamaejasme  Host.  Kh.  tl.  dfl. 

Boden:  Geol.:  Biindner-  und  Glimmerschiefer. 
a  Expos.:  S,  N,  Neig:  0°  (Sattel). 

lehmiger,  filziger,  dunkler  Humus   6  cml     "Wurzel- 
humusreicher,  sandiger  Lehm  10  cm  j       12  cm 

Gesamtmachtigkeit     1G  cm 
Untergrund:  Fels. 
c  frisch;  massige  Feuchtigkeits-  und  Temperaturschwan- 
kungen; kalt. 

Fauna:  N  1 

E  3 

L  1 

in  der  Tiefe  von  ca.  5  cm. 


330 
Lumbricus  rubellus  Hoffin. 

P     1 


Bw  1 
A  2 


V.  Bio-geographischc  Vcrbreitung  der  gefundenen 

Arten. 

A.  Lumbricidae. 

Synonymen.1 

Eisenia  rosea  Sav.   Lumbricus  communis  Hoffm.  (var.  ana- 
tomicus). 
Allol.  rosea  Bosa  =  Allol.  Danieli  rosai  Bibauc 
Hdodrilus  D.  rubidus  Sav.  (var.  subrubicunda  Eisen). 

(Allol.  subrubicunda  nach  Mich,  und  Bretscher.) 
Helodrilus  D.  octaedrus  Sav.     Allol.  octaedra  Bosa  (von 
Michaelsen,  Bibauc,  Bretscher). 
A.  octaed.  var.  alpinula,  Bibauc. 
Octolasium  cyaneum  Sav.   Allol.  cyanea  var.  studiosa  Mich, 
(v.  Bibauc.  und  Bretscher). 
Allol.  cyanea  var.  profuga  Bosa  (v.  Mich.,  Bibauc, 
Bretscher). 
Octolasium  lacteum  Oerley.    Allol.  cyanea  subspec  rubida 

Oerley  (v.  Bibauc). 
L.  terrestris  L.  Lumbricus  terrestris  Bosa  +  L.  Studeri  Bib. 
(v.  Bibauc). 
Lumbricus  herculeus  Sav.  (v.  Bretscher).' 

Eisenia  rosea  Say. 

Alpstein  neu  Nr.  6  1300  m  Fichtenwald.  Boden:  feucht- 

nass,  humusreich.     Ki.:  2  Exempl. 
Fextal  neu  Nr.  38  1920  m  Streuwiese.     Boden:   feucht, 

humos,  Ki.-reich:  2  (4)2. 

1  Nach  Litteratur  der  angefuhrten  Autoren. 

2  (4)  =  Anzahl  der  w  y,  oder  Brs. 


331 


Bergell  neu  Nr.  61  1320  m  Waldweide.    Bo  den:  m&ssig 

feucht,  humo8,  Ki.-reich:  1. 

Bisher  konstatiert: 
Michaelsen:  Sehr  grosse  geographische  Verbreitung.     „In 

mehr  oder  weniger  feuchter  Erde,  sowie  im  Sohlamm 

von  Susswasser.u 
Ribaucourt:  tlberall,    aber  in  kleiner  Anzahl;   sowohl  in 

lehmiger,  kieseliger  Erde  als  auch  in  humusreicher  Erde 

(A.  rosea  Rosa). 

Unter  Brettern  von  Klubhiitten  in  den  Berneralpen 

(A.  Danieli  Rosai). 
Bretscher:  Umgebung  von  Zurich,  Tierfehd  (Glarus),  Fur- 

stenalp,  Avers-Cresta  (in  Wiesen  zahlreich),  scheint 

,.mit  Vorliebe  unter  verwesendem  Laub  der  W&lderu. 
Helodrilus  D.  rnbidus  Sar. 
Calf,  neu  Nr.  1   1350  m  Magermatte.     Boden:    massig 

feucht,  tiefgriindig,  humushaltig:  (4). 
Alpst.  neu  Nr.  2  1300  m  Magerweide.     Boden:  feucht, 

flachgrlindig,  humos,  Ca:  3  (2). 
Alpst.  neu  Nr.  4  1630  m  Weide  mit  Dros.  Boden:  feucht, 

mittelgriindig,  humusreich,  Ca:  1  (1). 
Alpst.  neu  Nr.  5   1797  m  Magerweide.     Boden:    frisch, 

mittelgriindig,  humusreich,  Ca:  1. 
Bergell  neu  Nr.  68  1320  m  Erlenwald.    Boden:  massig 

feucht,  mittelgriindig,  humusreich:  (2). 

Bisher  konstatiert: 
Michaelsen:  Sicher  bekannt  von  Sibirien,  Irland,  Deutsch- 

land,   Frankreich,    Schweiz.     (A.  subrubicunda   vom 

Berninapass.) 
BreUcher:  Teufelskopf  (Fiirstenalp),  Goscheneralp.  (A.  sub- 
rubicunda Avers- Weisshorn,  in  der  Ostschweiz  haufig). 
Helodrilas  D.  oetaedras  Say. 
Calf,  neu  Nr.  8  1600  m  Mischwald.    Boden:  feucht,  tief- 
griindig, humusreich:  (4). 


332 


Alpst  neu  Nr.  5  1797  m  Magerweide.     Bod  en:   frisch, 

mittelgrundig,  humusreich:  1. 
Alpst.  neu  Nr.  12  2150  m  Magerweide.   Boden:  massig 

feuoht,  flachgrfindig,  humos:  3  (5). 
Avers  Nr.  21  2160  m  Magermatte.    Boden:  feuchtnass, 

flachgrundig,  humos:  1. 
Ob. Bergell neu  Nr.  58  1380  m  Rieselwiese.  Boden:  feucht- 
nass, flachgrundig,  humusreich:  1  (2). 
Tint.  Bergell  neu  Nr.  66  1670m  Fichtenwald.     Boden: 

frisch,  mittelgrundig,  humusreich:  1. 
Ob.  Bergell  neu  Nr.  78  2010  m  Lerchengruppe.    Boden: 

frisch,  tiefgriindig,  humos:  1. 

Bisher  konstatiert: 
Michaeteen:  Sehr  grosse  geographische  Verbreitung;   am 

Berninapass  (A.  oct.). 
Eibaucourt:  Sehr  haufig  im  Wallis  bei  2—3000  m,    bei 

3200  m  ziemlich  grosse  Anzahl;  nicht  in  den  Berner- 

alpen  und  im  Jura. 
Bretscher:  Avers-Cresta  (Wiese),  Tierfehd  (Glarus),  Pragel- 

pass  (unter  Rinde),   Frutt,  Hinter-  und  Obersandalp 

(2100),  Furstenalp  (bis  2100),  Goscheneralp,  Talalp- 

seegebiet.     Steigt   nicht    in   die    Niederungen    hinab 

(Ribauc.  und  Bretscher). 

Allolobophora  aporata  Brotsch. 
(Helodrilus  T>.  rhenani  Bnstsch.?) 
Alpst.  neu  Nr.  6  1300  m  Fichtenwald.    Boden:  feucht- 
nass, tiefgriindig,  humos:  2. 
Bisher  konstatiert: 
Bretscher:  Furstenalp-Trirumis  (1700—2300  m). 

Octolasium  cvaiieum  8a v. 
Alpst.  neu  Nr.  4  1630  m  Weide  mit  Dros.  Boden:  feucht, 
mittelgrundig,  humos:   1  (6). 


333 


Alpst.  neu  Nr.  5  1797  m  Magerweide.     Bo  den:   frisch, 

mittelgriindig,  humos:  16  (5). 
Alpst.  neu  Nr.  11  2080  m  Magerweide.    Bod  en:  m&ssig 

feucht,  mittelgriindig,  humos:  2. 
Unt.  Bergell  neu  Nr.  61  1320  m  Magerweide.     Bo  den: 

frisch-feucht,  mittelgriindig,  humushaltig:  1. 

Bisher  konstatiert: 
Michaelsen:   Grosse  geographische  Verbreitung  (Schweiz: 

Zurich,  Rigi),  var.  profuga:  Weissbad. 
Riban-court:  All.  cyanea  —  var.  profuga:   sehr  verbreitet 
in  der  Schweiz  und  in  grosser  Anzahl  in  humusreichen 
Feldern  bis  2000  m. 

Var.  studiosa  Mich. :  in  Gesellschaft  m.  var.  profuga, 
weniger  h&ufig;  auch  unter  feuchtem  Moos. 
Bretscher:  var.  profuga:  Zurich  und  Umgebung,  nicht  ge- 
rade  haufig. 

var.  studiosa:  „eine  Art,  der  man  iiberall  begegnen 
kann"  (?). 

im  "Wasser  unter  Steinen  bei  Zurich.    Rusein  sura 
2200  m. 

Octolasium  lacteum  Oerley. 
Calf,  neu  Nr.  7    1460  m  Fichtenwald.     Bo  den:   massig 

feucht,  tiefgriindig,  humos:  (1). 
Alpst.  neu  Nr.  4  1630  m  Weide  mit  Dros.  Boden:  feucht, 

mittelgriindig,  humos:  2. 
Alpst.  neu  Nr.  12  2150  m  Magerweide.    Boden:  massig 

feucht,  flachgriindig,  humos:  1  (2). 
Avers  neu  Nr.  20  2146  m   Fettwiese.     Boden:   frisch. 

humos,  mittelgriindig:   1  (1). 
Fextal  neu  Nr.  33    1950  m   Fettwiese.     Boden:    frisch- 

feucht,  tiefgriindig,  humushaltig:  (4). 


334 

Unt.  Bergell  neu  Nr.  55   1555  m  Magerwiese.     B  o  d  e  n : 

feucht-frisch,  flachgrundig,  humusreich :  1  (1). 
Ob.  Bergell  neu   Nr.  67    1590  m   Magerwiese.     Boden: 

ziemlich  trocken,  tiefgrundig,  humos:  (1). 
Ob.  Bergell   neu   Nr.  69    1410  m   Rieselwiese.     Boden: 

feucht-nass,  mittelgriindig,  humos:  1  (4). 
Unt.  Bergell  neu  Nr.  66  1570  m  Fichtenwald.     Boden: 

frisch,  mittelgriindig,  humusreich:  1. 

Bisher  konstatiert: 
Michaelsen:  Grosse  geographische  Verbreitung! 
Ribaucourt:  (A.  cyanea  Rosa  subspec.  rubida  Oerley)  am 

Chasseral  (1609  m). 
Bretscher:  Hochwang  (2400  m),  Fiirstenalp-Teufelskopf. 

Lumbricus  terrestris  L. 

Ob.  Bergell  neu  Nr.  62  1560  m  Waldweide.  Boden:  zieml. 

trocken,  tiefgrundig,  humushaltig:  (1). 
Unt.  Bergell  neu  Nr.  66  1570  m  Fichtenwald.     Boden: 

frisch,  mittelgriindig,  humos:  1. 

Bisher:  Grosse  geograph.  Verbreitung  (Michaelsen). 

Ribaucourt:  „Sur  les  hauteurs  il  est  rare  d?en  trouveru ;  a 
Morgins  2000  m  3  exempl. 

Bretscher:  Vorwiegend  dem  Flachlande  angehorend. 
Lumbricus  rubellus  Hoffm. 

Alpst.  neu  Nr.  5   1797  m  Magerweide.     Boden:    frisch, 
mittelgriindig,  humos:  1. 

Avers  Nr.  20  2146  m  Fettwiese.    Boden:  frisch,  mittel- 
griindig, humos:  1  (2). 

Avers  Nr.  21  2160  m  Magerwiese.     Boden:   feuchtnass, 
mittelgriindig,  humos:  4. 

Avers  Nr.  22  2140  m  Streuwiese.    Boden:  nass,  mittel- 
griindig, humos:   1. 


336 


Boden:   frisch- 


B  o  d  e  n  :   frisch, 
Boden:   frisch, 


Fextal  neu  Nr.  33   1950  m  Fettwiese. 

feucht,  tiefgriindig,  humos:  2  (5). 
Fextal  neu  Nr.  34  1965  m  Fettwiese. 

mittelgrundig,  humos:  1  (2). 
Fextal  neu  Nr.  36   1970  m  Fettwiese. 

tiefgriindig,  humushaltig :  (10). 
Fextal  neu  Nr.  38  1920  m  Streuwiese.    Boden:  feucht- 

nass,  mittelgrundig,  humushaltig:  6  (4). 
Tint.  Bergell  Nr.  52  1660  m  Magerwiese.    Boden:  frisch, 

tiefgriindig,  humos:  (6). 
Unt.  Bergell  Nr.  65  1555  m  Magerwiese.    Boden:  feucht, 

mittelgrundig,  humos:  (5). 
Unt  Bergell  Nr.  56  1560  m  Magerwiese.    Boden:  feucht, 

mittelgrundig,  humos:  1  (5). 
Ob.  Bergett  Nr.  62  1560  m  Waldweide.  Boden:  ziemlich 

trocken,  tiefgriindig,  humushaltig:  1  (1). 
Ob.  Bergell  Nr.  69  1390  m  Erlengebiisch.   Boden:  feucht- 

trocken,  mittelgrundig,  humushaltig:  (3). 
Ob.  Bergell  Nr.  71  1980  m  Weide.    Boden:  frisch,  mittel- 
grundig, humos:  8. 
Unt.  Bergell  Nr.  76  1800  m  Fichtenwald.  Boden:  frisch- 

feucht,  mittelgrundig,  humusreich:  1  (1). 
Unt.  Bergell  Nr.  86  2430  m  Magerweide.    Boden:  frisch, 

flachgriindig,  humusreich:   1. 

Fur  das  Bergell  neu. 

Bisher  konstatiert: 
Michaelsen:  Selir  grosse  geographische  Verbreitung. 

Im  Oberengadin  und  beim  Weissbad  (Appenzell). 
Ribaucourt:  Im  schweizer.  Mittelland   und   in  den  Alpen 

haufig. 
Mont  Geant  (2600  m);  Bliimlisalp  (3200  m). 


336 


Bretscher:  Findet  fast  iiberall  genugende  Existenzbedin- 
gungen. 

Uberall  um  Zurich;  Tierfehd  (Glarus),  Kehlenalp, 
Goscheneralp,  Obstalden,  Thusis,  Avers  (2500  m); 
fehlte  auf  der  Frutt. 


Im  Alpstein  wurden  neu  nachgewiesen  (,,wahrschein- 
lich*  wo  nur  *y_  oder  Brs.!):  Eisenia  rosea  Sav.  (Nr.  6); 
Helodrilus  D.  rubidus  Sav.  (Nr.  2,  4,  B);  Helodrilus  D. 
octaedrus  Sav.  (Nr.  B,  12);  Allolobophora  aporata  Bretsch. 
(Nr.  6);  Octolasium  lacteum  Oerley  (Nr.  4,  12) ;  Octolasium 
cyaneum  Sav.  (Nr.  4,  B,  11);  Lumbricus  rubellus  Hoflm. 
(Nr.  6). 

Im  Calfeusen:  Helodrilus  D.  rubidus  (Nr.  1);  Helo- 
drilus D.  octaedrus  (Nr.  8);   Octolasium  lacteum  (Nr.  7). 

Im  Avers:  Octolasium  lacteum  (Nr.  20). 

Im  Fextal:  Eisenia  rosea  (Nr.  38);  Octolasium  lacteuni 
(Nr.  33);  Lumbricus  rubellus  (Nr.  33,  34,  3B,  38). 

Im  Bergell:  Eisenia  rosea  (Nr.  61);  Helodrilus  D. 
rubidus  (Nr.  68);  Helodrilus  D.  octaedrus  (Nr.  58,  66,  78); 
Octolasium  cyaneum  (Nr.  61);  Octolasium  lacteum  (Nr.  55, 
57,  59,  66);  Lumbricus  terrestris  (Nr.  62,  66);  Lumbricus 
rubellus  (Nr.  52,  55,  56,  62,  69,  71,  76,  86). 


B.  Myriapoden. 

Diplopoden  =  Mi. 
Fam.:  Glome r id  ae. 

Glomeris  hexasticha  Brandt. 
Calf,  new  Nr.  8  1560  m  Mischwald.  Bo  den:  feucht,  tief- 

griindig,  mittelschwer,  humusreich:  9. 
Calf,  neu  Nr.  15  1800  m  Grasband.   Boden:  frisch,  mittel- 
griindig,  ziemlich  leicht,  humusreich:  2. 


337 


Bisher:  nach  Rothenbiihler1):  Wie  Glomeris  trans- 
alpina,  aber  nicht  so  haufig.  An  mehr  trockenen  Stand- 
orten,  Waldr&ndern,  Gebiischhalden  (sonnigen). 

Glomeris  transalpine!  C.  Koch. 
Calf,  neu  Nr.  8  1B60  m  Mischwald.   Bo  den:  feucht,  tief- 

grundig,  mittelschwer,  humusreich:  4. 

Bisher  konstatiert:  nach  RotJienbiihler:  auf  Wallis, 
Tessin,  Blinden  beschrankt,  in  Biinden  allgemein.  Am  Faul- 
horn  (2000  m),  Zentralalpen  bis  2500  m.  An  feuchten  Orten. 

Nach  v.  Rath:  Glomeridie  mit  Vorliebe  in  bergigen 
Gegenden,  an  Stellen,  die  von  Mittag-  und  Abendsonne 
beschienen. 

Fam.:  PolydesmidsB. 

Polydesmus  spec.  (?) 
Calf,  neu  Nr.  8  1560  m  Mischwald.  Bod  en:  feucht,  tief- 

griindig,  mittelschwer,  humusreich:  1. 
Unt.  Bergell  neu   Nr.  68   1320  m   Erlenwald.     Bo  den: 

frisch,  tiefgriindig,  mittelschwer,  humusreich:  2. 

Nach  v.  Rath:  Polydesmidae  unter  Baumrinde,  aber 
auch  im  Moos  und  unter  Steinen. 

Fam.:  Chordeumidse. 

Craspedosoma  Rawlinsii  Leach. 
Calf,  neu  Nr.  8  1560  m  Mischwald.   Bod  en:  feucht,  tief- 
griindig, mittelschwer,  humusreich:  1. 
Nach  Rothenbiihler:  haufig  unter  Borke  alter  Baum- 

stamme. 

Craspedosoma  Canestrinii  Fedr. 
0b.  Bergell  neu  Nr.  75  2250  m  Weide.     Boden:   frisch, 

mittelgrundig,  ziemlich  schwer,  humos:  1. 

Nach RothenbiUiler:  Engadin  (Unt.-Engadin  bis  2700m), 
liebt  feuchte  Orte. 


y)  Lit.  Nr.  48—50. 

22 


338 


Craspedosoma  nach  Rath  unter  altem  Holz  und 
Steinen. 

Chordeuma  nodulosum  Verh. 
Calf,  neu  Nr.  8  1560  m  (siehe  oben):  2. 

Nach  Rotheribitiiler:  Engadin:  Val  Triazza  (2000  m); 
am  Schwarzhorn  (2300). 

Chordeuma  silvestre  C.  Koch. 
Calf  neu    Nr.   15    1800  m    Grasband.     Bo  den:    frisch, 

mittelgriindig,  ziemlich  leicht,  humusreich:  6. 

Nach  Roihenbihhler :  am  Schwarzhorn  auf  Alpweiden 
(2300 m)  unter  Steinen;  auch  im  Engadin.  Feuchte  Platze: 
tiefere  Laubschichten,  unter  Moos  und  Steinen. 

Fam.:  Julidae. 

Julus  nigrofuscus  Verh. 
Fextal  neu  Nr.  36  1970  m  Fettwiese.    Bod  en:  trocken 

bis  frisch,  flachgriindig,  humushaltig:  2. 
Oh  Bergell  neu  Nr.  62    1560  m   Waldweide.     B  o  d  e  n  : 

trocken,  tiefgriindig,  humushaltig:  2. 

Nach  Rothmbiihler:  im  Engadin  allgemein  und  zahl- 
reich  —  bis  (iber  Schneegrenze  (an  feuchten  wie  mehr 
trockenen  Orten) ;  im  Miinstertal  unter  Moos  und  Steinen ; 
im  Lischanagebiet  (2900  m). 

Julus  Zinalensis  Faes  (J.  rheeticus,  Dufourii,  =  Synon.). 

Im  Bergell  neu  nachgewiesen: 

Tint.  Bergell  Nr.  55  1555  m  Magerwiese.   Bod  en:  feucht, 

flach-niittelgrundig,  humusreich:  13. 
Unt.  Bergell  Nr.  56  1560  m  Magerwiese.   Bo  den:  feucht, 

mittelgriindig,  humusreich:   10. 
Ob.  Bergell  Nr.  59   1410  m   Rieselwiese.     Bod  en:  nass, 

mittelgriindig,  humusreich,  mittelschwer:  1. 
Unt.  Bergell  Nr.  66  1570  m  Fichtenwald.   Boden:  frisch, 

mittelgriindig,  humusreich,  schwer:  23. 


339 


Unt.  Bergdl  Nr.  68  1320  m  Erlenwald.    Bod  en:  feucht, 
tiefgriindig,  mittelschwer,  humusreich :  1. 

Ob.  Bergdl  Nr.  69  1390  m  Erlengebiisch.   Bo  den:  feuoht, 
mittelgriindig,  mittelleicht,  humusreich:  2. 

Ob.  Bergell  Nr.  71  1980  m  Weide.   Boden:  frisch,  mittel- 
griindig, mittelleicht,  humushaltig:  2. 

Ob.  Bergell  Nr.  75  2250  m  Weide.   Boden:  frisch,  mittel- 
griindig, mittelschwer,  humos:  2. 

Unt.  Bergell  Nr.  76  1800  m  Fichtenwald.  Boden:  frisch- 
feucht,  mittelgriindig,  leicht,  humusreich:  1. 

Unt.  Bergdl  Nr.  77  1970  m  Fichtenwald.   Boden:  feucht, 
mittelgriindig,  mittelschwer,  Humus:  2. 
Bisher  gefunden:  nov.  d.  Faes  bei  Zinal  im  Wallis; 

d.  Rothenbiihler :  bei  Campo  im  Blegnotal,  Val  Luzzono  im 

Blegnotalgebiet. 

Cylindroiulus  (Julus)  nitidus  Verh. 

Alpst  neu  Nr.  3   1500  m  Magerweide.     Boden:  feucht, 
flachgrundig,  Humus:  6. 

Nr.  4  1630  m  Weide  mit  Dros.  Boden:  feucht, 
mittelgriindig,  mittelschwer,  humos:  10. 
Nr.  5   1797  m  Magerweide.     Boden:   frisch, 
mittelgriindig,  mittelschwer  bis  leicht,  humus- 
haltig: 7. 
Calf,  neu  Nr.  7  1450  m  Fichtenwald.   Boden:  frisch,  tief- 
griindig, mittelleicht,  humushaltig:  1. 
Nr.  8  1560  m  Mischwald.     Boden:  feucht,  tief- 
griindig, mittelschwer,  humos:  16. 
Nr.  15  1800m  Grasband.  Boden:  frisch.  mittel- 
griindig, mittelschwer,  humos:  8. 
Nach    Rothenbiihler:    soweit    Buchenbestande    gehen, 
massenhaft  in  Laubschichten  der  Walder. 


340 


Cylindroitilus  Verhoeffi  Broel. 
Neu  fur  das  Bergell. 

Ob.  Bergell  Nr.  53  1360  m  Magerwiese.   Bod  en:  ziemlich 
trocken,  tiefgriindig,  leicht,  humos:  43. 

Ob.  Bergell  Nr.  57  1690  m  Magerwiese.   Bod  en:  ziemlich 
trocken,  tiefgriindig,  leicht,  humos:  4. 

Ob.  Bergell  Nr.  69  1410  m  Rieselwiese.     Boden:    feucht- 
nass,  mittelgrundig,  mittelschwer,  humusreich:  11. 

Unt.  Bergell  Nr.  72  1990  m  Weide.    Boden:  frisch,  tief- 
griindig, mittelschwer,  humos:  5. 

Unt.  Bergell  Nr.  76  1800  m  Fichtenwald.  Boden:  frisch- 
feucht,  mittelleicht,  humusreich:  2. 

Cylindroiuhis  generosemi*  Verh. 

Neu  fur  das  Bergell. 

Unt.  Bergell  Nr.  56  1660  m  Magerwiese.   Boden:  feucht, 

mittelgrundig,  mittelschwer,  humos:  5. 
Unt.  Bergell  Nr.  66  1570  m  Fichtenwald.   Boden:  frisch, 

mittelgrundig,  ziemlich  schwer,  humusreich:  37. 
Ob.  Bergell  Nr.  67  1610  m  Fichtenwald.     Boden:  wenig 

frisch,  flachgriindig,  H.— humusreich:  1. 
Unt.  Bergell  Nr.  70  1815  m  Magerweide.     Boden:  frisch- 

feucht,  mittelgrundig,  humos:  1. 
Unt.  Bergell  Nr.  76  1800  m  Fichtenwald.   Boden:  frisch- 

feucht,  mittelgrundig,  mittelleicht,  humusreich:  3. 

Leptophyllum  nanum  Latzel. 
(Syn.:  Julus  nanus  Latz.) 
Alpst.  neu    Nr.  2    1300  m   Magerweide.     Boden:    feucht, 
flachgriindig,  mittelschwer,  humos:  2. 
Nr.  10  1450  m  Felsgrasfleck.   Boden:  „veran- 
derlich;i,  flachgriindig,  Humus:  2. 
Nr.  16    1S55  m  Grasband.     Boden:    ziemlich 
trocken,  flachgriindig,  humusreich:  6. 


341 


Nach  Rothenbiihler :  im  Malm  eines  alten  Weiden- 
stammes,  im  Laub  auf  Waldboden,  unter  Steinen,  Moos 
im  Walde. 

Schizophyllum  sabulosum  L. 

(Syn.:  Julus  sabulosus  L.) 

Calf,  neu  Nr.  7    1460  m   Fichtenwald.     Bod  en:    frisch- 

trocken,  tiefgriindig,  humos:  1. 

Nach  Rothenbilhler:  im  Berneroberland  (2000  m),  Jura, 
"Wallis,  Tessin,  Engadin  (im  ganzen  Engadin  gemein); 
meidet  feuchte  Waldbezirke.    Unter  Steinen  zahlreich. 

Julus  vpec. 
Ob,  Bergell  Nr.  B9  1410  m  Rieselwiese.    B  o  d  e  n :  feucht- 

nass,  mittelgrundig,  humnsreich:  6. 
Unt.  Bergell  Nr.  76  1800  m  Fichtenwald.   Boden:  frisch- 

feucht,  mittelgrundig,  humusreich:  3. 

Chilopoden  =  Ma. 

Fam.:  Lithobid®. 

Lithoblus  aulacopus  Latz. 
Calf,  neu  Nr.  8  1560  m  Mischwald.   Boden:  feucht,  tief- 
griindig, mittelleicht,  humusreich:  6. 
Rothenbiihler:  im  Jura  (im  Walde). 

Li th obi us  spec. 
Calf  Nr.  8  (vide  oben):  7. 

Nr.  14  1797  m  Grasband.     Boden:  feucht-trocken, 
mittelschwer,  humusreich:  1. 

Nr.  IB   1800  m  Grasband.     Boden:    frisch,    mittel- 
griindig,  mittelschwer,  humos:  1. 
AlpsL  neu  Nr.  10  1450  m  ^Felsgrasfleck".   Boden:  „ver- 
anderlich*,  flachgriindig.  Humus  (leichter):  2. 
(Rothenbiihler:  Lith.  forficatus  im  Berneroberland  bis 
2100  m  Hohe.) 


342 


Fam.:  ScolopendridaB. 

Cryptops  hortensis  Leach. 
Ob.  Bergell   neu   Nr.  64    1360  m   Fichtenwald.     Bod  en: 

frisch,  mittelgrundig,  mittelleicht,  humusreich:  1. 

Rothenbiihler :  an  alten  Baumstriinken,  anWaldrandern 
unter  Laub  und  Steinen. 

Plateau:  in  leichter  Erde! 

Fam.:  Geophilid.re. 

Geophilus  ferrugineus  C.  Koch. 
Unt.  Bergell  neu  Nr.  68  1320  m  Erlenwald.  Bod  en:  feucht- 

frisch,  tiefgriindig,  mittelschwer,  humos:  1. 

Geophilus  linearis  C.  Koch. 
Ob.  Bergell  neu  Nr.  57  1690  m  Magerwiese.   Bo  den:  ziem- 
lich  trocken,  tiefgriindig,  leicht,  humos:  1. 
Nach  Eothenbiihler :  versteckte  Lebensweise:  in  Gar- 
tenerde,  in  faulen  Baumstriinken,  im  Walde  unter  Steinen 
und  in  den  tieferen  Laubschichten. 

Geophilus  proximm  C.  Koch. 
Unt  Bergell  neu   Nr.  56   1560  m  Magerwiese.     B  o  d  e  n  : 
feucht,    mittelgrundig,   mittelschwer,   humusreich:    1. 

Geophilus  pygmceus  Latz. 

Unt.  Bergell  neu  Nr.  55   1555  m  Magerwiese.     B  o  d  e  n : 

ziemlich  feucht,  flach-mittelgriindig,  Humus:  1. 

Geophilus  pusillus  Verh. 
Alpst.   neu   Nr.  5   1797  m   Magerweide.     Bod  en:   frisch, 
mittel-tiefgriindig,  mittelleicht,  humusreich:  3. 

Geophilus  spec. 
Alpst.  neu  Nr.  3   1500  m  Magerweide.     Bod  en:   feucht, 
flachgriindig,  Humus:  1. 

Nr.  9  1724  m  Drosgebusch.     Bod  en:  feucht- 
trocken,  tiefgriindig,  locker,  Humus:  1. 


343 


Calf,  neu  Nr.  8  1560  m  Mischwald.   Boden:  feucht,  tief- 
grundig, mittelleicht,  humusreich:  10. 
Fur  das  Bergell  neu: 

Ob.  Bergell  Nr.  53  1360  m  Magerwiese.  Boden:  ziemlich 
trocken,  tiefgrundig,  leicht,  humusreich:  7. 

Unt  Bergell  Nr.  56  1560  m  Magerwiese.    Boden:  feucht, 
mittelgrundig,  mittelschwer,  humos:  2. 

Ob.  Bergell  Nr.  57  1590  m  Magerwiese.  Boden:  ziemlich 
trocken,  tiefgrundig,  leicht,  humos:  10. 

Unt.  Bergell  Nr.  65  1500  m  Fichtenwald.    Boden:  ziem- 
lich trocken,  mittelgriindig,  leicht,  humushaltig:   1. 

Ob.  Bergell  Nr.  67  1610  m  Fichtenwald.     Boden:   frisch, 
flachgriindig,  leicht,  humusreich:  1. 

Oh.  Bergell  Nr.  69  1390  m  Erlengebiisch.  Boden:  feucht- 
trocken,  mittelgrundig,  mittelleicht,  humos:  11. 

Unt.  Bergell  Nr.  70  1815  m  Weide.    Boden:  frischfeucht, 
mittelgrundig,  mittelleicht,  humos:  3. 

Ob.  Bergell  Nr.  71  1980  m  Weide.   Boden:  frisch,  mittel- 
griindig, leicht,  humushaltig:  2. 

Scolioplanes  acuminatum  Leach. 
Calf,  neu  Nr.  8  1560  m  Mischwald.    Boden:  feucht,  tief- 
grundig, mittelleicht,  humusreich:  2. 
Rothenbuhler :  Jura,  im  Wald  unter  Steinen,  in  Bex  in 
alten  Kastanienstrunken,  in  Villeneuve  an  feuchter  Kalk- 
sinterwand,  im  Val  Triazza  (Engad.)  unter  Steinen  (2500m). 

Symphila. 
Fam.:  Scolopendrellidae. 

Scolopendrella  nfcea  Scopoli. 
In  der  Schweiz  bisher  nicht  nachgewiesen! 
Unt.  Bergell  Nr.  76  1800  m  Fichtenwald.  Boden:  frisch- 
feucht, mittelgriindig,  humusreich:  1. 


344 


Nach    Rothenbiihler   bekannt    aus:    Ungarn,    Nieder- 
osterreich,  Galizien,  Bdhmen,  Steiermark,  K&rnten. 

Seolopendrella  immaculata  Newp. 
Alpst.  neu  Nr.  4  1680  m  Weide  mit  Dros.   Boden:  feucht, 
mittelgrtindig,  leicht,  humos:  1. 
Nr.  9   1724  m  Drosgebtisch.     Boden:  feucht- 
trocken,  tiefgriindig,  Humus:  1. 
Calf,  neu  Nr.  8  1660  m  Mischwald.    Boden:  feucht,  tief- 
griindig, mittelleicht,  humos:  2. 
Nr.  14  1797m  Grasband.  Boden:  „schwankendu, 
flachgrundig,  mittelschwer,  humusreich:  1. 
Nr.  15  1800  m  Grasband.  Boden:  frisch,  mittel- 
grundig, mittelschwer,  humos:  9. 
Ob.  Bergell   neu   Nr.  B3    1350  m   Magerwiese.     Boden: 

trocken,  tiefgriindig,  leicht,  humos:  3. 
Unt.  Bergell  Nr.  55   1555  m  Magerwiese.     Boden:   ziem- 

lich  feucht,  flach-mittelgriindig,  Humus:  1. 
Unt.  Bergell  Nr.  56  1560  m  Magerwiese.   Boden:  feucht, 

mittelgrundig,  mittelschwer,  humusreich:  1. 
Ob.  Bergell  Nr.  57  1590  m  Magerwiese.   Boden:  ziemlich 
trocken,  tiefgrlindig,  leicht,  humusreich:  1. 

Seolopendrella  notacantha  Gerv. 
Neu  fur  alle  Fundorte: 
Calf.  Nr.  1    1350  m   Magermatte.     Boden:    feucht,   tief- 
griindig, ziemlich  schwer,  humushaltig:  1. 
Nr.  7  1450  m  Fichtenwald.    Boden:  feucht- trocken, 
tiefgriindig,  mittelschwer,  humos:  1. 
Alj)st.  Nr.  4  1630  m  Weide  mit  Dros.     Boden:    feucht, 
mittelgrundig,  mittelleicht,  humusreich:  4. 
Nr.  6  1300  m  Fichtenwald.     Boden:  feucht,  tief- 
griindig, ziemlich  schwer,  humusreich:  2. 


346 


Alpst.  Nr.  12  2150  m  Magerweide.  Boden:  feucht,  flach- 
griindig,  mittelschwer,  humusreich:  4. 

Fecctdl  Nr.  31  1920  m  Fettwiese.  Boden:  feucht,  mittel- 
griindig, leicht,  humos:  1. 

Fextal  Nr.  39  1930  m  Magerweide.  Boden:  ziemlich 
frisch,   mittelgriindig,   mittelschwer,   humusreich:    1. 

Ob.  Bergett  Nr.  51  1380  m  Fettwiese.  Boden:  „schwan- 
kend",   mittelgriindig,   mittelschwer,   humusreich:  8, 

Unt.  Bergell  Nr.  62  1560  m  Magerwiese.  Boden:  frisch. 
tiefgriindig,  mittelschwer,  humos:  6. 

Ob.  Bergell  Nr.  54  1470  m  Magerwiese.  Boden:  frisch, 
mittelgriindig,  leicht,  humos:  1. 

Unt.  Bergell  Nr.  55  1655  m  Magerwiese.  Boden:  ziem- 
lich feucht,  flach-mittelgriindig,  Humus:  6. 

Unt.  Bergell  Nr.  66  1560  m  Magerwiese.  Boden:  feucht, 
mittelgriindig,  mittelschwer,  humusreich:  7. 

Ob.  Bergell  Nr.  64  1360  m  Fichtenwald.  Boden:  frisch, 
mittelgriindig,  mittelleicht,  humusreich:  14. 

Unt.  Bergell  Nr.  65  1500  m  Fichtenwald.  Boden:  ziem- 
lich trocken,  mittelgriindig,  leicht,  humos:  4. 

Unt.  Bergell  Nr.  66  1570  m  Fichtenwald.  Boden:  frisch, 
mittelgriindig,  ziemlich  schwer,  humusreich:  20. 

Ob.  Bergell  Nr.  67  1610  m  Fichtenwald.  Boden:  frisch- 
trocken,  flachgriindig,  zieml.  leicht,  humusreich:    10. 

Ob.  Bergell  Nr.  69  1390  m  Erlengebusch.  Boden:  feuclit- 
trocken,  mittelgriindig,  mittelleicht,  humos:  2. 

Unt.  Bergell  Nr.  72  1990  m  Weide.  Boden:  frisch,  tiol- 
griindig,  mittelschwer,  humusreich:  13. 

Unt.  Bergell  Nr.  76  1800  m  Fichtenwald.  Boden:  frisch- 
feucht,  mittelgriindig,  mittelleicht,  humos:  3. 

Unt.  Bergell  Nr.  77  1970  m  Fichtenwald.  Boden:  feucht, 
mittelgriindig,  Humus:  1. 


346 


Ob.  Bergdl  Nr.  78  2010  m  Lerchengruppe.    Bod  en:  frisch, 
tiefgrundig,  mittelleicht,  humusreich:  3. 
Rothenbiihler    fand    Scolopendrella   immaculata    und 

notacantha  auf  altem  Schuttplatz  (Bern?). 


Myriapoden  wurden  in  unsern  Exkursionsgebieten 
neu  nachgewiesen: 

Im  Alpstein:  Cylindroiulus  nitidus,  Leptophyllum  na- 
num,  Lithobius  spec,  Geophilus  pusillus  (Nr.  5),  Geophilus 
spec.  (Nr.  3,  9),  Scolopendrella  immaculata,  Scolopendrella 
notacantha. 

Im  Calfensental:  Glomeris  hexasticha,  transalpina, 
Polydesmus  spec,  Craspedosoma  Rawlinsii,  Chordeuma 
nodulosum,  silvestre,  Cylindroiulus  nitidus,  Schizophyllum 
sabulosum,  Lithobius  aulacopus  (Nr.  8),  Lithobius  spec. 
(Nr.  8,  14,  15),  Geophilus  spec  (Nr.  8),  Scolioplanes  acumi- 
natus,  Scolopendrella  immaculata,  notacantha. 

Im  Fextal:  Julus  nigrofuscus,  Scolopendrella  nota- 
cantha. 

Im  Bergell:  Polydesmus  spec,  Craspedosoma  Rawlinsii, 
Julus  nigrofuscus,  Julus  Zinalensis,  Cylindroiulus  Verhoeffi, 
generosensis,  Cryptops  hortensis,  Geophilus  ferrugineus, 
linearis,  proximus,  pygmaeus,  Scolopendrella  nivea,  imma- 
culata, notacantha. 

Im  Avers  wurden  keine  Myriapoden  gefunden! 

C.  Mollusca. 

Fam.:  Vitrinidae. 

Vitrina  diaphana  Drap. 
Calf,  neu  Nr.  8  1560  m  Mischwald.  Pflanzenbestand :  dicht. 
Ca,  feucht,  humusreich.     N  ex  p.:  2. 


347 


Nach  Am  Stein:  Graubiinden  (Calanda  ca.  2800  m). 

Nach  Martens:  Santis,  Wildhaus.  Suter:  am  tJtliberg. 

Nach  Leunis:  auch  norddeutsche  Ebene.  Sehr  feuchte 
Orte,  liebt  Kalte. 

Fam.:  Zonitidso. 

Hyalina  (Euhydlina)  cellar ia  Mull. 
Alpst.  Nr.  4  1630  m  Weide  mit  Dros.     Pflanzenbestand : 

locker.     Ca,  feucht,  hamos.    0  exp.:  2. 
Calf,  neu  Nr.  8  1560  m  (vide  oben):  27. 

Nach  Am  Stein:  Taminaschlucht;  in  Graubiinden  ver- 
breitet.   Hochste  Fundstelle  Cresta  bei  Schuders  (1100  ni). 

Nach  Martens:  Briilltobel  im  Alpstein. 

Sitter:  Utliberg,  Zurich;   an  feuchten  Stellen;   nicht 
haufig. 

Hyalina  (Polita)  radiatula  Gray. 
Alpst.  neu  Nr.  3,  1500  m  Magerweide.     Pflanzenbestand  : 

ziemlich  locker;  wenig  Ca,  feucht,  Humus:  2. 
Calf.  Nr.  15  1800m  Grasband.     Pflanzenbestand:  locker; 
wenig  Ca,  frisch,  humos:  2. 

Nach   Am    Stein:    Sardonagletscher,   in   Graubiinden 
•Arosa  1800  m). 

Nach  Martens:  Wildhaus.  Nach  Leunis:  in  den  Alpen 
bis  2000  m. 

Hyalina  (Polita J  pura  Aid. 
Calf,  neu  Nr.  8  1560  m  Mischwald.  Pflanzenbestand:  dich  t 
Ca  feucht,  humusreich:  3. 

Nr.  15   1800  m   Magerweide.     Pflanzenbestand: 
ziemlich  locker,  wenig  Ca,  feucht,  Humus:  9. 
Alpst.  neu  Nr.  16  1855  m  Grasband  im  Wald.    Pflanzen- 
bestand:   dicht,    wenig  Ca,    ziemlich  trocken, 
humusreich:  1. 


348 


Bergell  neu  Nr.  69  1390  m  Erlengebiisch.  Pflanzenbestand: 

locker,  feucht,  humusreich :  3. 

Nr.  75  2260  m  Weide.  Pflanzenbestand:  dicht, 

frisch,  humos:  2. 

Nr.  80   2260  m   Grasband.     Pflanzenbestand: 

locker,  feucht- trocken,  Humus:  1. 

Nach  Am  Stein:  in  Graubiinden  verbreitet,  aber  ver- 

einzelt  (nicht  im  Bergell). 

Nach  Martens:  Rheintal.    Sitter:  Utliberg,  in  feuchten 

Waldungen,  selten. 

Nach  Leunis:  besonders  gebirgige  Gegenden  Deutsch- 

lands,  gern  in  feuchten  Buchenwaldern. 

Hyalina  spec? 

Calf.  Nr.  1  1350  m  Magermatte.   Pflanzenbestand :  locker, 

feucht,  humushaltig,  wenig  Ca:  1  juv. 

Alpst.  Nr.  9  1724  m  Drosgebusch.  Pflanzenbestand :  locker, 

feucht-trocken,  Humus:  1  juv. 

Bergell  Nr.69  1390  m  Erlengebiisch  (siehe  H.  pura) :  1  Brs. 

Nr.  70  1815  m  Weide.    Pflanzenbestand:  ziemlich 

locker,  frisch,  humos:  1  juv. 

Fam. :  P  u  p  i  d  as. 

Papa  (Torquilla)  secale  Drap. 

var.  gracilior  Kregl. 

Alpst.  Nr.  10  1450  m  Felsgrasband.  Pflanzenbestand :  dicht, 

feucht-trocken.  Humus :  3. 

var.  minor  Kregl. 
Alpst.  Nr.  10:   1. 

Forma  P.  secale:  nach  Am  Stein:  in  Graubiinden,  Ragaz. 

Nach  Martens:  in  der  ganzen  Schweiz;  im  6stlichen 
Alpstein,  Wildhaus. 

Suter:  in  der  Anschwemmung  eines  Wildbachs  und 
auf  dem  "Utliberg. 


349 


Pupa  (Torquilla)  avemcea  Brug. 
var.  hordeum  Stud. 
Alpst.  neu  Nr.  10  1450  m  (siehe  oben):  1. 

Nr.  16  1865m  Grasband.  Pflanzenbestand:  dicht, 
trocken,  humusreich:  3. 
Calf,  neu  Nr.  14  1797  m  Grasband.  Pflanzenbestand:  ver- 
einzelt,  trocken-feucht,  humusreich:  6. 
Nach  Am  Stein:  Chur  und  Malans,  selte/i.    Suter:  auf 
dem  Utliberg. 

Nach  Martens:  Murg,  Pfafers  (fonna  P.  avenacea: 
ostlicher  Alpstein,  Wildhaus. 

Pupa  (Pupilla)  trfplicata  Stud. 
Alpst.  neu  Nr.  10  1460m  (siehe  oben):  1. 

Nach  Am  Stein:  verschiedene  Pundorte  in  Graubunden. 

Pupa  (Pupilla)  muscorum  L. 
Alpst.  Nr.  12  2150m  Magerweide.  Pflanzenbestand:  locker, 

feucht,  humusreich:  1. 

Nach  Am  Stein:  in  Graubunden  viele  Fundorte. 

Nach  Martens:  in  der  ganzen  Schweiz,  Nordostfuss 
des  Santis,  Wildhaus,  Schlucht  von  Pfafers.  Suter:  Gras- 
abhange  beim  Schanzengraben  Zurich. 

Pupa  (Alcea)  substriata  Jeffr. 
Calf,  neu  Nr.  8  1560  m  Mischwald.  Pflanzenbestand:  dicht, 

feucht,  Humus,  Ca,  N  exp.:  1. 

Nach  Martens:  Wildhaus.  Nach  Leunis:  in  Deutschland 
nor  wenige  Fundstellen. 

Pupa  (Akea)  pygnuea  Drap. 
Calf,  neu  Nr.  7  1450  m  Fichtenwald.  Pflanzenbestand:  0, 

feucht-trocken,  Humus:  2. 

Nach  Am  Stein:  in  Graubunden  verschiedene  Fund- 
orte.   Nach  Martens:  St.  Gallen. 


860 


Nach  Suter:  am  Utliberg  in  faulendem  Holz.  Nach 
Leunis:  in  den  Alpen  bis  fast  2000  m. 

Pupa  (Alcea)  eumicra  Bourg. 
Ob.  Bergett  nea  Nr.  53  1350  m  Magerwiese.    Pflanzenbe- 

8tand:  dicht,  trocken,  humos:  1. 

Nach  Am  Stein:  St.  Moritz,  nicht  haufig. 
Pupa  (hthmia)  opisthodon  Reinh. 
Calf,    neu   Nr.  14    1797  m    Grasband,     Pflanzenbestand : 

vereinzelt,  feucht-trocken,  humusreich:  4. 
Pupa  (Edentula)  edentulina  Bourg. 
Alpst.  Nr.  12  2160  m  Magerweide.  Pflanzenbestand:  looker, 

feucht,  humusreich:  6. 
Avers  neu  Nr.  26  2410  m  Magerweide.    Pflanzenbestand : 

locker,  feucht,  humusreich:  1. 

Nach  Am  Stein:  in  Graubiinden  (aber  nicht  im  Hinter- 
rheingebiet). 

Nach  Martens:  Weissbad,  St.  Gallen,  Rheintal.  Suter: 
Ziirichberg,  selten  (Hygromia  edentula). 

Clausilia  (Pirostoma)  parvula  Stud. 

var.  minor  Schmidt. 

Alpst.   neu   Nr.  10   1450  m   Felsband.     Pflanzenbestand: 

dicht,  feucht-trocken,  Humus,  Ca:  24. 
Calf,  neu  Nr.  14  1797  m  Grasband.  Pflanzenbestand:  ver- 

einz.elt,  feucht-trocken,  humusreich:  1.    • 

Suter:  Ztirich-Utliberg  haufig,  an  Mauern. 

Forma  Clausilia  parvula :  nach  Martens:  Schloss  Appen- 
zell,  St.  Gallen,  Wildhaus,  Nordostfuss  des  Santis,  Schlucht 
von  Pfafers.     Nach  Am  Stein:  in  Graubiinden. 

Nach  Leunis :  deutsche  Gebirgsgegenden  an Kalkfelsen. 
Clausilia  (Pirostoma)  plicatula  Drap. 
Calf,  neu  Nr.  7    1450  m  Fichtenwald.     Pflanzenbestand: 

0,  feucht,  Humus:  1. 


351 


Nach  Am  Stein:  in  Graubiinden  ziemlich  haufig. 

Nach  Martens:  Nordostfuss  des  Santis,  Schwendi, 
Walzenhausen,  St.Gallen,  Wildhaus,  Dorf  Pfafers,  Tamina- 
schlucht.     Suter:  in  Laubholzwaldungen  gemein. 

Clausilia  spec? 
Alpst  Nr.  10  :  6  juv. 

Calf  Nr  14    (8^e^e  Clausilia  parvula)    m  + 

Clausilia  spec,  et  Pupa  spec. 
Alpst.  Nr.  12  2150  m  Magerweide. 
Fam.:  Stenopyridae. 
Zua  (Chnella)  lubrim  Mull  var.  minima  Siemaschko. 
Calf,  neu  Nr.  1    1350  m  Magermatte.     Pflanzenbestand: 

locker,  feucht,  humushaltig :  1. 

Nr.  14  1797  m  Grasband.  Pflanzenbestand:  ver- 

einzelt,  feucht-trocken,  humusreich:  4. 

Nr.  16    1800  m   Grasband.     Pflanzenbestand: 

locker,  frisch,  Humus:  4. 
Alpst.  neu  Nr.  3   1500  m  Magerweide.     Pflanzenbestand : 

ziemlich  locker,  feucht,  Humus,  Ca:  1  juv. 

Nr.  16  1855m  Grasband.  Pflanzenbestand:  sehr 

dicht}  trocken,  humusreich,  Ca:  1. 
0b.  Bergell  Nr.  63  1360  m  Magerwiese.     Pflanzenbestand: 

sehr  dicht,  trocken,  humusreich:  1. 

Nr.  57  1690  m  Magerwiese.     Pflanzenbestand : 

dicht,  trocken,  humusreich:  1. 

Nr.  58  1380  m  Rieselwiese.     Pflanzenbestand : 

dicht,  feuchtnass.  Humus:  1. 
Unt.  Bergell  Nr.  70  1815m  Weide.  Pflanzenbestand:  ziem- 
lich locker,  frisch,  humusreich:  1. 
0b.  Bergell  Nr.  71  1980  m  Weide.     Pflanzenbestand:  sehr 

dicht,  frisch,  humos:  1. 


/ 


352 


Ob.  Bei-gell  Nr.  75  2260  m  Weide.  Pflanzenbestand:  dicht, 
frisch,  Humus:  5. 

Nr.  80  2250  m   Grasband.      Pflanzenbestand: 
locker,  frisch-trocken,  Humus:  1  Brs. 
Nach  Am  Stein:  in  Graubiinden  sehr  verbreitet  bis 
hoch  in  die  Berge.    Nach  Martens:  ostl.  Alp.,  Wildhaus, 
Dorf  Pfafers. 

Fam.:  Arionidae. 

Avion  hortensis  F£r. 
Calf,   neu  Nr.  1    1350  m  Magerwiese.     Pflanzenbestand: 
locker,  feucht,  humushaltig,  Ca:  1  juv. 
Nr. 8  1560m  Mischwald.  Pflanzenbestand:  sehr 
dicht,  feucht,  humusreich,  Ca:  2. 
Alpst.  Nr.  6  1300  m  Fichtenwald.     Pflanzenbestand :  ver- 
einzelt,  feucht,  Humus,  Ca:  5. 
Nach  Am  Stein:  Zizers,  St.  Moritz,  Maloja,  Bergell 
(bis  ca.  1800  m). 

Sitter:  Zurich  und  Umgebung  in  Garten  und  Ackern, 
nicht  haufig. 

Fam.:  Helicidae. 

Helix  (Patula)  rupestris  Drap. 
Alpst.  Nr.  10  1450m  Felsgrasfleck.  Pflanzenbestand:  dicht, 

feucht-trocken,  Humus,  Ca:  18. 
Calf,  neu  Nr.  14  1797  m  Grasband.  Pflanzenbestand:  ver- 

einzelt,  feucht-trocken,  humusreich:  1. 

Nach  Am  Stein:  in  Graubiinden,  im  Bergell  haufig, 
auf  dem  Calanda. 

Nach   Martens:   Schwendi,   Weissbad,   Schlucht  von 
Pfafers  und  an  andern  Orten. 

Suter:  an  Nagelfluhfelsen  des  Utliberg  (Punctum  ru- 
pestris  Drap.). 


353 


Nach  Leunis:    in  Ca-gebirgen  Suddeutschlands ;    am 
Fusee  von  Kalkfelsen,  bei  Regen  an  diesen  aufsteigend. 

Helix  (Triodopsis)  personata  Lam. 
Calf,  neu  Nr.  8  1660  m  Mischwald.  Pflanzenbestand :  sehr 

dicht,  feucht,  humusreich,  Ca:  2. 

Nach  Am  Stein:  Graubiinden,  Ragaz,  Pirminsberg. 

Nach  Martens:  an  Felsen  uber  dem  Seealpsee  (Alpst.), 
Rheineck,  Wildhaus,  Pfafers. 

Helix  (Fruticicola)  sericea  Drap. 
Alpst  Nr.  3  1500  m  Magerweide.   Pflanzenbestand:  ziem- 

lich  locker,  feucht,  Humus:  1. 
Calf.   Nr.  8   1660  m   Mischwald.     Pflanzenbestand :    sehr 

dicht,  feucht,  humusreich,  Ca:  2. 

Nr.  14  1797  m  Grasband.     Pflanzenbestand :  verein- 

zelt,  feucht-trocken,  humusreich:  5. 

Nr..l5   1800m   Grasband.     Pflanzenbestand:   locker, 

frisch,  humusreich,  Ca:  1  juv. 
Alpst.  Nr.  16   1856  m  Grasband.     Pflanzenbestand:   sehr 

dicht,  trocken,  humusreich,  Ca:  3. 
Unt.  Bergell  neu  Nr.  75  1800  m  Fichtenwald.     Pflanzen- 
bestand: dicht,  frisch,  humusreich:  1. 

Nach  Am  Stein:  am  Sardonaglotscher,  haufig  in  Grau- 
bunden (nicht  im  Bergell).  Nach  Martens:  Schloss  Appen- 
zell,  Nordostfuss  des  Santis,  Wildhaus,  St.  Gallen,  Arbon. 
Nach  Mousson:  an  der  Churfirsten-  und  Santiskette.  Suter: 
an  der  Albiskette  bis  Egelsee  an  Stengelpflanzen  und 
niederem  Gestrauch,  Zurichberg  seltener.  Nach  Leunis: 
in  Deutschland  besonders  Gebirgsgegenden. 

Helix  (Fruticicola)  villosa  Drap. 
Alyst.  Nr.  4  1630  m  Weide  mit  Dros.     Pflanzenbestand : 
locker,  feucht,  humusreich,  Ca:  1  juv. 

23 


354 


TSach  Am  Stein:  in  Graubunden,  Ragaz,  Pfafers.  Nach 
Oeyer:  Gloggeren  im  Alpstein.  Nach  Martens:  Nordost- 
fuss  des  Santis,  Schwendi,  Weissbad,  Wildhaus,  Seealp 
und  noch  hoher.  Suter:  in  alien  Laubholzwaldungen  haufig. 

Helix  (Arionta)  arbustorum  L. 
Alpst.  Nr.  6. 1300  m  Fichtenwald.    Pflanzenbestand :  ver- 

einzelt,  feucht,  Humus,  Ca:  1  juv. 
Calf,  neu  Nr.  1    1360  m  Magermatte.     Pflanzenbestand: 

locker,  feucht,  humushaltig,  Ca:  2. 

Nr. 8  1560m  Mischwald.  Pflanzenbestand:  sehr  dicht, 

feucht,  Humus,  Ca:  2  juv. 
Ob.  Bergell  Nr.  75  2250  m  Weide.  Pflanzenbestand :  dicht, 

frisch,  Humus:  1  Brs. 

Nach  Am  Stein:  Pfafers,  Weisstannental,  Avers-Cresta, 
Maloja,  Bergell  (am  Fuss  des  Septimer,  Vicosoprano)  bis 
2400  m.  Nach  Martens:  Schloss  Appenzell,  Schwendi,  See- 
alp und  noch  hoher.  Ulrich :  am  Santis  an  feuchten  Stellen 
mit  Moos  (var.  alpicola  Fer.).  Nach  Leunis:  besonders 
haufig  in  hohern  Gebirgen  bis  2300  m. 

Helix  (Acanthimda)  aculeata  Mull. 
Calf,  neu  Nr.  8  1660  m  Mischwald.  Pflanzenbestand:  sehr 

dicht,  feucht,  humusreich,  Ca:  1. 

Nach  Am  Stein:  Zizers,  im  Malm  kleiner  Felsbander, 
selten.  Nach  Leunis:  in  ganz  Deutschland,  aber  selten, 
in  feuchten  Waldungen. 

Helix  (Vallonia)  pulchella  Mull. 
Alpst.  Nr.  3  1500  m  Magerweide.   Pflanzenbestand:  ziem- 

lich  locker,  feucht,  Humus:  3. 
Calf,  neu  Nr.  14  1797  m  Grasband.    Pflanzenbestand:  ver- 

einzelt,  feucht-trocken,  humusreich:  15. 

Nr.  15    1800  m  Grasband.     Pflanzenbestand:   locker, 

feucht-trocken,  humusreich:  5. 


356 


Unt  Bergell  Nr.  52  1660  m  Magerwiese.   Pflanzenbestand : 

sehr  dicht,  frisch,  humos:  1. 
Ob.  Bergell  Nr.  63  1360  m  Magerwiese.    Pflanzenbestand : 

sehr  dicht,  trocken,  humos:  1. 
Unt  Bergell  Nr.  70  1815  m  Weide.  Pflanzenbestand:  ziem- 

lich  locker,  frisch,  humusreich:  2. 

Nach  Am  Stein:  in  Graubunden  (aber  nicht  im  Bergell). 
Nach  Martens:  ;,Ende  der  Welta  im  Alpstein. 

Helix  8})ec? 
Calf.  Nr.  15  1800  m  (siehe  H.  pulchella) :  2. 
Bergell  Nr.  57  1590  m  Magerwiese.  Pflanzenbestand:  dicht, 

trocken,  humusreich:  1. 

Nr.  68  1380  m  Eieselwiese.   •  Pflanzenbestand :  dicht, 

feucht-nass,  Humus:  1. 

Nr.  80  2260  m  Grasband.     Pflanzenbestand :   locker, 

feucht- trocken,  Humus:  1. 

Fam.:  AuriculidaB. 

Carychium  minimum  Mull. 
Calf,  neu  Nr. 8  1560 m  Mischwald.  Pflanzenbestand:  sehr 

dicht,  feucht,  Humus,  Ca:  4. 

Nach  Am  Stein:  hochster  Fundort  in  Graubunden: 
Maloja  1800  m  an  Graswurzeln.  Suter:  bei  Zurich:  iiber- 
all  auf  Mauern,  Hecken,  Gras,  meist  mit  Vallonia.  Nach 
Martens:  Wildhaus,  Rheineck. 

Fam.:  AciculidaB. 

Acme  (Acicula)  polita  Hartm. 
Calf  neu  Nr.  8  (siehe  oben). 

Nach  Martens:  Staad.  Suter:  am  Fusse  des  Utliberges, 
sehr  selten. 


Wir  haben  in  unsern  Exkursionsgebieten  gefunden, 
zum  Teil  neu: 


r 


356 


Im  Alpstein:  Hyalina  cellaria,  radiatula,  pura,  Pupa 
secale  var.  gracilior  und  minor,  P.  avenacea  var.  hordeum, 
P.  triplicata,  musoorum,  Clausilia  parvula  var.  minor,  Zua 
lubrica  var.  minima,  Arion  hortensis,  Helix  (Patula)  ru- 
pestris,  H.  sericea,  villosa,  arbustorum,  pulchella. 

Im  CcUfeusental:  Vitrina  diaphana,  Hyalina  cellaria, 
radiatula,  pura,  Pupa  avenacea  var.  hordeum,  P.  substriata, 
pygmaBa,  opisthodon,  Clausilia  parvula  var.  minor,  Clau- 
silia plicatula,  Zua  lubrica  var.  minima,  Arion  hortensis, 
Helix  (Patula)  rupestris,  person  ata,  sericea,  arbustorum, 
aculeata,  pulchella,  Carychium  minimum,  Acme  polita. 

Im  Avers:  Pupa  edentula. 

Im  Bergell:  Hyalina  pura,  Pupa  eumicra,  Zua  lubrica 
var.  minima,  Helix  sericea,  arbustorum,  pulchella. 

Die  Untersuchungen  im  Feoctal  ergaben  keine  Mollusken- 
funde  mit  Ausnahme  von  Pupa  (spec,  nova?  Stoll)  in  Nr.  31. 


D.  Collembola. 

Fam.:  Entomobryidae. 

Isotoma  quadrioculata  Tullb. 
Calf.    Nr.  13    2090  m    Arven   (Fichtengruppe).    Pflanzen- 

bestand:  0;  feucht,  mittelleicht,  humos:  1. 
Ob.  Bergell  Nr.  53  1350  m  Magerwiese.    Pflanzenbestand : 

dicht;  ziemlich  trocken,  leicht.  humos:  5. 

Carl*):  if.  (1400  m)  an  feuchten  Stellen  unter  abge- 
fallenen  Asten. 

Isotoma  f  met  aria  Tullb. 
Ob.  Bergell  Nr.  63  1360  m  Fichtenwald.   Pflanzenbestand: 

vereinzelt;  frisch,  Humus:  3. 


*)Hieru.  f.:  Fundortc  (hochste)  nach  Carl  (Lit.  13)  *4.  =  Alpen, 
M.  --  Mittelland,  J. --^  Jura  der  Schweiz. 


357 


A.  M.  Einmal  auf  dem  Gurten  unter  der  Rinde  eines 
Baumstrunkes ;  haufig  unter  Blum  en  top  fen. 

teotoma  tigrina  (Nic.)  Tullb. 
Avers  Nr.  27  2584  m  Magerweide.  Pflanzenbestand :  dicht; 

feucht,  Humus:  2. 
Fextal  Nr.  43  2060  m  Magerweide.  Pflanzenbestand:  dicht; 

frisch,  mittelschwer.  humusreich:  1. 

A,  J.  M.  (1400  m)  auf  Holzbank,  im  Zimmer  unter 
Blumentopfen. 

Isotottia  palustris  Mttll. 
var.  pallida  Sch&ffer. 

Fextal  Nr.  49  2694  m  Magerweide.  Pflanzenbestand:  ziem- 
lich  locker;  frisch,  leicht,  humusreich:  1. 

Unt.  Bergell  Nr.  61  1320  m  Waldweide.  Pflanzenbestand: 
vereinzelt;  feucht,  leicht,  humushaltig:  3. 
Carl:  forma  principalis:  Fettan,  Unt.-Engad.  (1600m). 

Isotoma  virklfo  Bourl. 
Hauptform. 

Alpst.  Nr.  3  1500  m  Magerweide.   Pflanzenbestand:  ziem- 

lich  locker;  feucht,  Humus:  10. 
Fextal  Nr.  33  1950  m  Fettwiese.  Pflanzenbestand:  dicht; 

frischfeucht,  mittelschwer,  humushaltig:  20. 
Fextal  Nr.  34  1965  m  Fettwiese.    Pflanzenbestand:  ziem- 

lich  locker;  frisch,  mittelschwer,  humusreich:  9. 
Fextal  Nr.  35  1970  m  Fettwiese.  Pflanzenbestand:  dicht; 

frisch,  mittelleicht,  humos:  1. 
0b.  Bergell  Nr.  63  1350  m  Magerwiese.    Pflanzenbestand : 

sehr  dicht;  ziemlich  trocken,  leicht,  humos:  10. 
Unt.  Bergell  Nr.  70  1875  m  Weide.  Pflanzenbestand :  ziem- 
lich locker;  frischfeucht,  mittelleicht,  humos:  3. 

A.   M.    (1600  m)    auf  schmelzendem   Schnee   (Marz, 


368 


April),  unter  Holzstiicken  im  Walde,  auf  feuchten  Wiesen 
unter  allerlei  Gegenstanden. 

Isotoma  cinerea  (Xic.)  BSrner. 
Avers  Nr.  26  2390  m  Magerweide.  Pflanzenbestand :  ziem- 

lich  locker;  feucht,  mittelschwer,  humusreich :  1. 

J.  M.  Auf  dem  Gurten  unter  morscher  Rinde.  Im 
M.  nicht  haufig.  Bisher  im  Engadin  nicht!  Nicolet  reichl. 
Fund  unter  Baumrinde  im  Jura. 

Isotoma  sensibilis  Tullb. 
Alpst.  Nr.  10  1460m  „Felsflecka.  Pflanzenbestand:  dicht; 

feucht-trocken,  Humus:  1. 

Nr.  11  2080  m  Magerweide.    Pflanzenbestand:  ziem- 

lich  locker;  feucht,  mittelschwer,  humusreich :.  3. 
Ob.  Bergell  Nr.  84  2400  m  Magerweide.   Pflanzenbestand : 

dicht;  frisch,  mittelschwer,  humusreich:  1. 

Isotoma  jxilliceps  Uzel. 

Alpst.  Nr.  11  2080  m  Magerweide.  Pflanzenbestand:  ziem- 

lich  locker;  feucht,  mittelschwer,  humusreich:  3. 

Neu  fur  die  Schweiz  (Carl). 

Isotoma  spec.  (?) 

Alpst.  Nr.  9  1724  m  Drosgebusch. 

Orchesella  rufescens  Lubb.  (Wulf). 
var.  pallida  Reuter. 
Alpst.  Nr.  11  2080  m  (vide  Isotoma  palliceps):   1. 

A.  M.  (1600  m)  im  Berner  Mittelland  (Walder)  ge- 
mein,  auch  auf  Teichen.  Im  Engadin  (1600  m)  sehr  haufig 
am  Boden,  unter  Rindenstucken. 

Orchesella  alt  kola  Uzel. 
Farbenvarietat. 
Ob.  Bergell  Nr.  68  1380  m  Rieselwiese.    Pflanzenbestand : 
dicht;  feuchtnass,  Humus:  3. 

A.  (1300  m)  Engadin  unter  Fohrenrinde  und  stag- 
nierendem  Wasser. 


359 


Orchesella  sjtec. 
Ob.  Bergell  Nr.  69  1390  m  Erlengebusch.  Pflanzenbestand: 
locker;  feucht-trocken,  mittelschwer,  humos:  1. 

Entomobrya  nivalis  L. 

Calf.  Nr.  13  2090  m  Arven  (Fichten).     Pflanzenbestand: 

0;  feucht,  mittelleicht,  humusreich:  1. 

A.    Im  Engadin  sehr  haufig,   auf  Schnee  und  unter 

Rinde. 

Entomobrya  lanuginosa  Xic. 

Alpst.  Nr.  11  2080m  Magerweide.  Pflanzenbestand:  ziem- 

lich  locker;  feucht,  mittelschwer,  humos:  10. 

J.  M.  (Bern),  im  Jura  gemein. 

Lepidocyrtus  fucatus  Uzel. 
Alpst.  Nr.  6  1300  m  Fichten wald.     Pflanzenbestand:  ver- 

einzelt;  feucht,  schwer,  humos:  2. 

Nr.  17  2465  m  Grasband.  Pflanzenbestand:  sehr  dicht; 
•     trocken,  leicht,  humos:  1. 
Festal  Nr.  43  2060  m  Magerweide.  Pflanzenbestand:  dicht; 

frisch,  mittelschwer,  humos:   1. 

A.  M.  Im  Unter-Engadin  ■:  1600  m)  zahlreich  in  Fels- 
spalten  in  schattigen  Schluchten.  Auf  feuchten  Wiesen 
unter  Holzstiicken,  Steinplatten ;  unter  Blumentopfen. 

Lepirtocyrtw*  lannyinoxus  Nic. 
Ob.  Bergell  Nr.  78  2010  m  Lerchengruppe.  Pflanzenbestand : 

locker;  frisch,  mittelleicht,  humusreich:  2. 

A.  M.  Nicht  haufig.  Im  Engadin,  bei  Chur,  amGurten, 
in  Gewachshausern. 

Lepidocyrtus  cyaneus  Tullb. 
Avers  Nr.  22  2140  m  Streuwiese.    Pflanzenbestand:  dicht: 

nasskalt,  schwer,  humos:  1. 

Nr.  28  2700  m  Magerweide.    Pflanzenbestand :   ziem- 

lich  locker;  frisch,  mittelschwer,  humos:  1. 


360 


Avers  Nr.  30  2700  m  G-rasfleck.     Pflanzenbestand :    ziem- 

lich  looker;  trocken,  leicht,  humos:  1. 

A.  M.  (1700  m)  Engadin  an  sonnigen  Hangen  (April\ 
bei  Bern  an  alten  Baumstammen,  im  Weidenmulm  und 
unter  Moos. 

Sira  spec. 

Alpst.  Nr.  2  1300  m  Magerweide.    Pflanzenbestand:  ziem- 

lich  locker;  feucht,  mittelschwer,  humos:  1. 

(Bis  1600  m.) 

Tomocerus  tridentiferus  Tullb. 

(Podura  minor  Lubb.) 

Alpst.  Nr.  3  1500 m  Magerweide.    Pflanzenbestand:  ziern- 

lich  locker;  feucht.  Humus:  1. 

Nr.  6   1300  m   Wald.     Pflanzenbestand:    vereinzelt; 

feucht,  schwer,  humusreich:  8. 
Ob.  Bergell  Nr.  63  1360  m  Fichtenwald.   Pflanzenbestand : 

vereinzelt:  frisch,  Humus  (leicht):  1. 

A.  M.  (1800  m).  Im  Engadin  auf  der  rechten,  be- 
waldeten  Seite  bis  1800  m  besonders  im  Herbst  zahl- 
reich,  auf  der  linken  Seite  seltener.  Sehr  gemein,  unter 
Steinen,  Brettern,  Laub. 

Tomocerus  nor.  spec.  (J.  Carl). 
Alpst.  Nr.  4   1630  m  Weide  mit  Dros.     Pflanzenbestand: 

locker :  feucht,  mittelschwer,  humusreich :  1  Ex.  defect. 

Fam.:  Sminthurida?. 

Sniinthurus  fusciis  (L)  Lubb. 
Forma  principalis. 
Alpst.  Nr.  6  1300  m  Fichtenwald.     Pflanzenbestand:  ver- 
einzelt; feucht.  schwer,  humos:  1. 
,/.  M.   Zahlreich  im  Berner  Mittelland,  im  Nadelwald 
an  Baumstriinken. 


361 


Sminthurus  viridis  (L)  Lubb. 

Forma  principalis. 

Fextal  Nr.  35  1970  m  Fettwiese.    Pflanzenbestand:  dicht; 

frisch,  mittelschwer,  humushaltig :  1. 

A.  J.  M.   In  der  ganzen  Schweiz  verbreitet. 

Sminthurus  aureus  Lubb. 

Forma  principalis. 

Alpst.  Nr.  5  1797  m  Magerweide.  Pflanzenbestand:  dicht; 

frisch,  mittelleicht,  humos:  1. 

M.  von  Carl  1  Exemplar  bei  Bern  an  einem  Baum- 

stamme. 

Sminthurus  luteus  Lubb. 

Forma  principalis. 

Alpst  Nr.  4  1630  m  Weide  mit  Dros.     Pflanzenbestand: 
locker;  feucht,  mittelleicht,  humusreich:  2. 

Avers  Nr.  19  2145  m  Wiese.     Pflanzenbestand :    ziemlich 
locker;  feucht,  mittelschwer,  humusreich:  2. 
Nr.  23   2130  m   Weide.     Pflanzenbestand:    ziemlich 
locker;  frisch,  mittelschwer,  humos:   1. 
Nr.  28  2700  m  Magerweide.    Pflanzenbestand:  ziem- 
lich locker;  frisch,  mittelschwer,  humos:  6. 
Nr.  29  2700  m  Grasfleck.    Pflanzenbestand :  ziemlich 
locker;  trocken,  mittelleicht,  humos:  1. 

Unt.  Bergdl  Nr.  61   1320  m  Wald weide.   Pflanzenbestand: 
vereinzelt;  frischfeucht,  leicht,  humushaltig:   1. 
A.  M.  (2340  m)  sehr  haufig  auf  Sumpfwiesen  und  im 

Walde  bei  Bern;   auch  botan.  Garten  und  bei  Langnau 

und  Schaffhausen. 

Sminthurus  luteus,  var.  pruinosus  Tullb. 

Alpst.  Nr.  9  1724m  Drosgebusch.  Pflanzenbestand:  locker; 
feucht- trocken,  Humus:  1. 

Avers  Nr.  28  2700  m  Magerweide.    Pflanzenbestand:  ziem- 
lich locker;  frisch,  mittelschwer,  humos:  2. 


362 


A.  M.  (2340  m).   Kanton  Bern  und  Engadin.    Ober- 
flache  von  stagnierendem  Wasser,  unter  Steinen. 

Neuer  Apterygoten-Typm*)?  (J '.  Carl). 
Alpst.  Nr.  16   1855  m  Grasband.     Pflanzenbestand :   sehr 
dicht;  trocken,  mittelschwer,  humusreich:  1. 


Eine  Zusammenfassung  der  Ergebnisse  fiber  Collem- 
bolidenergibt:  1  neuer  Apterygotentypus(?),  eine  neueTomo- 
cerusart  und  neu  fur  die  Schweiz :  Isotoma  palliceps  Uzel. 
Fur  unsere  Exkursionsgebiete  wurden  (samtliche  neu!) 
folgende  Arten  festgestellt : 

Im  Alpstein:  Isotoma  viridis  Hauptform.  I.  sensibilis, 
I.  palliceps,  Orchesella  rufescens  var.  pallida,  Entomobrya 
lanuginosa,  Lepidocyrtus  fucatus,  Sira  spec,  Tomocerus 
tridentiferus,  T.  no  v.  spec,  Sminthurus  fuscus,  Sm.  aureus, 
Sm.  luteus  (Hauptform)  und  var.  pruinosus,  neuer  Aptery- 
gotentypus  (?). 

Im  Calfeusen:  Isotoma  quadrioculata,  Entomobrya 
multifaBciata. 

Im  Avers:  Isotoma  cinerea,  Lepidocyrtus  cyaneus,  I. 
tigrina,  Sminthurus  luteus  (Hauptform  und  var.  pruinosus). 

Im  Fextal:  Isotoma  tigrina,  I.  palustris  var.  pallida, 
I.  viridis,  Lepidocyrtus  fucatus,  Sminthurus  viridis. 

Im  Bergell:  Isotoma  quadrioculata,  I.  fimetaria,  I.  palu- 
stris var.  pallida,  I.  viridis,  I.  sensibilis,  Orchesella  alticola, 
Lepidocyrtus  lanuginosus,  Tomocerus  tridentiferus,  Smin- 
thurus luteus. 


*)  Herr  Dr.  Carl  wiinscht  zur  Beschreibung  dieser  „bizarren 
Formki  abzuwarten,  ob  es  meinen  Xachforschungen  event,  gelingen 
wird,  eine  grdssere  Anzahl  von  Individuen  zu  finden. 


363 


VI.  a)  Zusammenstellune:  der  statistischen  Resultate. 
A.  Alpstein-Calieusental.1) 


|   Standort 

N   E  i  L 

M. 

M* 

Bw   G   C 

l 

A 

1  Hihi  ImtMi 

Ir. 

1  3 

i  * 

1 

10   66   4 

— 

1    16   o  ,  —  ,  — 

i    1 

2 
3 

7 
5 

9    40  |  5 

2 

_ 

10  | 
7 

—  |  98  ?+«)[  1  |  20 
1  j  51   7    11  '  30 
5    87   4   3   47 

3    31  — +  1  1  17 

i       I 

51  179   2 

30  115  '  15 

i 

41  655   32 

1300—  1 

Will 

6 

7 
8 
9 

67  344   41 

i 
2 

&3 

_ 

-  j 

2  '  77   6  |  12 

64  1 

2   45   3 
6   53   8 

--'  Y\  - 

1 

27 

2 

IB   —  i  — 

17  ' 

208   74   —   12 

70  1  1  !  2  '  2  ; 

m.         i 

a. 

10 
11 
12 

2    \    ' 

28  1  461  1  4 

2 

2  !  8  '  54  j  1  ,  1  I 

-   67  '  -   15  1  25  ! 

1 l_  J_ 

4  1 120  ,  8  |  —  |  20  ' 

1 
c  1  - 

■    1 

12  '  376   16 

i 

8   5 

00  |  * 

13 

—   22   — 

—  1  44  1  -  2(1B?)|  15 

:  1  1 

§  j! 

■  - 1  - 

•o  Z\""u~ 

01  1 

14 

3   2    — 

3  |  5    1 

i 

i 

1 

2  '  24  1  37  !  —  !  4  . 

;     1     ' 

10  •  31  |  23  J  -  j   3  i 

—  7    8,115' 

—  2  j  —  '  1  .  1 

i     •    ; 

15 

16 
17 

-T10!  - 

7 

... 

18 

3  '  4  ,  - 

i 

~  i  —  i  _ 

_  1 

l)  Pro  Vi«  in*.  2)  +  jedoch  „Eier": 


364 


B.  Avers. 


Standori 

L 

Mi 

Mi 

C 

A 

Hibfl 

imtlon     w' 

N 

E 

Bw 

G 

s 
i 

19 

so 

35 

105 

2 

169    -+ 

2 

17 

120 

740 

7 

— 

1 

20 

-+ 

— 

12 

2i 

260 

127 

10 

r 

64 

22 

90 

100 

ll    - 

— 

6 

-+ 

1 

3 

a 

m 

15 

38 

— 

— 

— 

11 

— 

1 

12 

i 

24 

1 

3 

— 

— 

— 

12 

— 

— 

8 

s 
8 

8 

> -I 

1p 

25 

26 

70 

280 

— 

— 

11 
8 

1 

25 

6 

14 

! 

i 

— 

12 

*    '27 

1 
1   28 

o 

47 

1 

-• 

26 

i 

2 

100 

9  U+ 

1 

9 

14 

g       29 

15 

15 

: 

- 

—  1  16     v 

3 
6 

* 

1 

30 

74 

68 

— 

-  I   42  |   - 

22 

365 


c. 

Fextal 

StsunUrt 

N 

£ 

L 

Mi      Mi 

Bw 

G 

p 

* 

^      Fir- 

■     ntiu 

lr. 

u             « 

1 

31 

:w 

18 

— 

-i  » 

10 

1 

-        2 

i 

3S 

33 

:u; 

1 
11 

— 

— 

2 

— 

._ 

2 

i 

33 

GO 

1220 

— 

— 

127 

— + 

20 

50 

* 

34 
35 
36 
37 

70 

90 

5 

30 

900 
290 

3 

13 

— 

— 

197 

9 

S3 

— 

— 

33 

28 
5 

- 
— f 

2 

20 

: 

58 

— 

2 

— 

-+ 

: 

6  1 
11 

- 

) 

: 
) 

27 

— 

— 

— 

38 
39 
40 
41 

50 

r>30 

18  1 

- 

177 

— 

- 

8  : 
4  1 

* 

36 

4 

135 

_  1 

i 

!3 

_ 

2 

" 

15 

-+ 



V 

£ 

3 

4 

1 

182 

_ 

'i 

42 
43 

4 
15 

48 

- 

.3 

2 

i         i 

9 

— 

— 

2 

44 
45 

30 

4f> 

7 

-4 

l  i  ifl  i 

mi 

-- 

1  if 

15 

20 
32 

_     —  .    - 

2 

7 
4 

2 

z 

46 

13 

— 

r.L13! 

E 

o 

0 

it 

47 

24 

L 

3 

15 

50 

i 

176 

" 

i 

- 
i 

3 
1 
2 

48 

h-I- 

1 

49 

_ 



366 


D. 

BergeU 

Standort 

N 

E 

L 

Mi 

M> 

Bw 

6 

C 

A 

HBIl 

For- 

HltiM 

Ir. 

a 

o 
o 

GO 
(N 

1 
O 

o 

00 

T-l 

i 

i 

00 

50 



— 

— 

1 

4 

— 

— 

51 

24 

— 

• 

23 

-+ 

1 

3 

15  1 

6 

5  | 

52 

35 

700 

15 

? 

5 

126 

1 

2 

53 
54 
55 

"56 

3 

2 

1  i  43 

10 

55 

4   15 

3 

14 

1 

— 

1 

4 

— 

1 

6 

43 

7   13 

8 

38 

j 

10 
5 

45 

44 

6 

15 

11 

34 

— h 

— 

2 

1 

4  i 

57 

13 

26 

415 

1  1  4 

4  1  — 

5  |  18 

12 

26 
70 

2 
2 

— 

58 

3 

8  ; 

17 

59 

— 

56  j— + 

10 

9 
S 

60 
61 
62 

— 

— 

»:- 

" 

4 

— 

— 

— 

15 
15 

155 

17  ;  — 

— 

39 

— H  4 

86 

3 

2 

— 

18 

— 

1 

14 

2 

63 

3 

4 

2   - 

30 

5 

20 

10  !  — 

4 

— 

64 
65 

66 

42 
3 
6 

66 

24 

— 

— 

22 

12 
90 

— 

60 

24 
57 

-!   6 

6 

7 

-+ 

11  1 

67 
68 
69 

5 

22 

— 

1 

11 

1 

13 

133 

— 

— 

9 
1 

18 

5 

3 
2 

10  1  - 

— 

8 

290 

7 

42 

4 

1 

12 

367 


D. 

Bergell 

|        Standort 

1 

i 

a      1    n 

1 

A   1 

'  Httl    Bitten 

lr. 

N 

t 

L 

Mi   i  M« 

! 

Bw      G 

1 

c 

i 

70 

103 

1108 

11 

1        4    129 

4 

3 

30  ! 

1 

; 

71 

—  1    56        8 

2 

2 

15 

1      — 

5 

1                 :'       O 

72 

20 

12 

— 

5 

13 

8 

-+,    - 

9 

i 

4> 

73 

20 

276 

- 

— 

— 

16 

- 

8! 

1 

IE' 

74 

-  1     8 

1 

— 

— 

— 

8 

— 

8 

*! 

0— 230C 

75 

18 

70 

5 

3 

— 

20 

9 

— 

— i 

17  1 

76 

6 

36 

2 

9 

4 

25 

—        5  ' 
1         i 

1  o 

i   00     ' 

77 

36 
30 

308 

1 

2 

1 
3 

17 
49 

-+ 
-+ 

—  1    29  ' 
j         i 

78 

58  '      1 

2 

6! 

i 

79 

— 

51  '    - 

— 

— 

2 

— f :  - 

io  i 

i 

a 

& 

80 

18 

91 

1 

—  '    18 

i 

4      — 

22  1 

i — 

a 

81 

1 

2 

- !  - 1  i\-\- 

Is' 

82 

6  j  140 

— 

—    — 

8 

-!-■»! 

'8  ■. 

83 

—  i    —  '      1 

-1  " 

1 

i 

-+l  - 

1 

1 
5  i 

'&  i 

84 

44      23  '    —      -      -        9  i     - 

2 

I 
6  , 

18 

£ 

i 

85 

24  1  158 

-*-,-!     4      ~ 
1 

-  1      3! 

§ 

86 

1  ■'     3        1  !    —  1    —  '      1      —  1    —  '     21 

II'1                           l 

368 


b)  Ergebnisse  nach  den  statistischen  Resultaten, 
nach  Beobacktungen  and  Versuchen. 

In  den  folgenden  Betrachtungen  fiber  die  Beziehungen 
der  Bodenfauna  zum  Standort  untersuchen  wir,  gestiitzt 
auf  unsere  statistischen  Erhebungen  und  auf  anderweitige 
Beobachtungen,  zunachst  die  Ergebnisse  far  jede  einzelne 
Tiergruppe,  beziehungsweise  fiir  die  Arten  innerhalb  der- 
selben.  Durch  Vergleichungen  werden  wir  dann  das  Ver- 
halten  der  Bodenfauna  insgesamt  und  die  gegenseitigen 
Beziehungen  der  verschiedenen  Tierformen  festzustellen 
euchen. 

Nematoden. 

Friihere  Erhebungen  iiber  ihr  quantitatives  Vorkom- 
men  im  Boden  sind  uns  keine  bekannt. 

Die  absoluten  Zahlen  unserer  Untersuchungsergebnisse 
diirfen  am  allerwenigsten  fur  diese  Gruppe  der  Boden- 
fauna schablonenhaft  aufgefasst  werden;  wenn  auch  nur 
die  von  Auge  oder  mit  der  Lupe  erkennbaren  Individuen 
in  Betracht  gezogen  werden,  ist  es  doch  fast  unmoglich, 
bei  der  durchschnittlich  sehr  geringen  Grosse  alle  zu 
sammeln  und  zu  beobachten. 

Die  Schwierigkeiten,  die  einer  erschopfenden  Durch- 
suchung  entgegentreten,  machen  sich  aber  uberall  in  fast 
gleichem  Masse  geltend,  so  dass  eine  Vergleichung  der 
Ergebnisse  doch  ein  zutretfendes  Bild  der  tatsachlichen 
Verhaltnisse  geben  wird.  Aktive  Veranderungen  ihres 
Standortes  finden  gerade  der  kloinen  Grosse  der  Individuen 
und  ihrer  geringen  Wanderungsfahigkeit  wegen  in  ganz 
geringem  Masse  statt. 

Die  Nematoden  bilden  einen,  zwar  nach  Quantum 
und  Zahl  verhaltnismassig  kleinen,  aber  fast  uberall  ver- 


369 


tretenen  Bestandteil  der  Bodenfauna  der  untersuchten  Ge- 
biete.  Nur  in  14  von  im  ganzen  86  Proben  fehiten  sie 
ganz:  in  38  Proben  finden  sie  sich  aber  nur  in  kleiner 
Anzahl,  1  bis  15  Stiick;  in  31  Proben  finden  sich  1G  bis 
90,  in  3  Proben  iiber  100  bis  260  Individuen. 

Die  weitaus  am  zahlreichsten  vorkommenden  kleinen 
and  mittelgrosson,  bis  20  mm  langen  Bodennematoden 
fanden  wir  meistens  in  der  obersten,  „humosenu  Schicht, 
in  der  Wurzelregion,  von  2  bis  ca.  10  cm  Tiefe,  bei  vor- 
handener  diinner  Humusschicht  oft  unmittelbar  unter 
dieser;  die  grossen  Formen  —  Individuen  oder  Arten?  — 
von  2 — 14  cm  und  mehr  Lange  waren  fast  ausschliesslich 
in  grosseren  Tiefen,  bis  30 — 40  cm  unter  der  Oberflache 
und  dann  vornehmlich  in  feuchten  oder  nasskalten  Schichten. 
Ein  charakteristisches  Beispiel  ist  Nr.  25. 

Ans  dem  Verhalten  an  unsern  Probestandorten  scheint 
hervorzugehen,  dass  den  Bodennematoden  vor  allem  trockene 
oder  im  Feuchtigkeitsgehalte  stark  schwankende  Boden 
schlecht  behagon,  also  die  staubigen,  iilzigen  Humusboden 
and  Humusschichten,  dann  audi  die  sand-,  grus-  und  stein- 
reichen  Bodenarten.  Diese,  wie  audi  feuchte,  schwere, 
na3skalte  Tonboden  und  im  allgemeinen  audi  den  feuchten 
Waldhumus  meiden  sie  entweder  ganz  oder  sie  finden  sich 
an  solchen  Standorten  nur  in  kleiuer  Zahl  vor. 

Am  besten  zusagend  sind  frische  und  feuchte,  humoso, 
wurzelreiche  Lehm-  und  Mergelboden,  audi  mergelige 
Humusboden,  die  verhaltnismassig  geringe  Feuchtigkeits- 
schwankungen  zeigen.  Ausnahmen  liievon  —  geringe  An- 
zahl bei  giinstigen  Boden  vorhaltnissen,  wie  bei  Nr.  40,  41, 
43?  86  —  scheinen  durch  besonders  rauhe,  kalte  Lage  be- 
dingt  zu  sein. 

Der  Pflanzenbestand  hat,   ausgenommen  durch  Eut- 

24 


370 


wicklung  eines  reichen  Wurzelwerkes,  keinen  merklichen 
Einfluss  auf  die  Nematodenfauna,  als  Ganzes  betrachtet, 
ebensowenig  die  Gesamtmachtigkeit  des  Bodens.  Nach 
der  H5henlage,  nach  Exposition  und  Neigung,  nach  der 
chemisch-mineralogischen  Zusammensetzung  des  Bodens 
maohen  sich  ebenfalls  keine  auffalligen  Unterschiede  gel- 
tend.  Die  geringen  Verschiedenheiten  der  Proben  aus 
verschiedenen  Exkursionsgebieten  und  etwelche  Unter- 
schiede nach  Bestandesformation  (Wiese  —  Wald)  sind 
wohl  durch  Bodenverhaltnisse  hervorgerufen.  Wir  haben 
z.  B.  im  Fextal  bei  den  meisten  Proben  zusagende  Boden 
und  dabei  auch  grossere  Haufigkeit  der  Nematoden  als 
wie  im  Bergell  mit  den  vielen  sandigen,  steinigen  und 
Humusboden.  Wo  aber  in  letzterm  Gebiete  die  oben  fest- 
gestellten  giinstigen  Bodenbedingungen  sich  finden,  treten 
die  Nematoden  sofort  auch  in  grosserer  Anzahl  auf.  — 
Ebenso  verhalt  es  sich  bei  den  verschiedenen  Pflanzen- 
formationen. 

Leider  war  es  uns  der  haufigen  Veranderung  unseres 
Stand  quartieres  wegen  nur  selten  moglich,  Versuche  zu 
machen.   Folgende  Resultate  mogen  hier  erwahnt  werden: 

2  Nematoden  aus  Nr.  61,  30  mm  lang,  0,6  bezw.  1  mm 
Durchmesser;  trage,  schwache  Reaktion  auf  Tabakrauch. 

Sie  zeigen,  aus  der  Erde  in  reines  Brunnenwasser 
gebracht,  nach  2 — 3  Stunden  sehr  lebhafte  Bewegungen 
und  grossere  Reizbarkeit.  Einige  Stunden  spater  ermatten 
sie;  nach  zwei  Tagen  erfolgt  eine  Reaktion  nur  noch  auf 
Beruhrung  mit  der  Pincette ;  nach  im  ganzen  5  Tagen  macht 
ein  Versuchstier  bei  Beruhrung  noch  lebhafte  schlangelnde 
Bewegungen;  das  andere,  mit  1  mm  Durchmesser,  bewegt 
nur  langsam  das  Kopfende,  wenn  ich  demselben  den 
brennenden  Teil  der  Cigarre  nahere. 


371 


Nach  61/*  bezw.  6  Tagen  zeigen  beide  kaum  erkenn- 
bare  Bewegung  und  wenige  Stunden  sp&ter  keine  Lebens- 
ausserungen  mehr.  —  Das  Wasser  wurde  jeden  Tag  zwei- 
mal  erneuert  und  die  Tiere  zur  Untersuchung  auf  eine 
feuchte  Uhrschale  gebracht. 

Einige  Nematoden  aus  der  gleichen  Probe,  imschattigen 
Zimmer  auf  eine  trockene  Uhrschale  gelegt,  gaben  nach 
weniger  als  einer  halben  Stunde  auch  in  feuchter  Erde 
und  im  Brunnenwasser  kein  Lebenszeichen  mehr. 

Diese  wenigen  Beobachtungen  deuten  auf  grosse  An- 
passung  der  entwickelten  Individuen  der  Bodennematoden 
an  Feuchtigkeit  —  Transporte  durch  Wasser  waren  dem- 
nach  leicht  moglich  —  und  auf  grosse  Empfindlichkeit 
gegen  Trockenheit. 

Das  Fehlen  der  mittleren  und  kleineren  Neniatoden- 
formen  in  schweren,  feuchten  bis  nasskalten  Standorten 
und  Schichten  muss  demnach  wahrscheinlich  auf  die  Struk- 
turverhaltnisse  zuriickgefuhrt  werden. 

Uber  die  Ernahrung  speziell  der  Bodennematoden 
1st  nichts  Sicheres  bekannt.  Da  sie  in  reichen  Humus- 
boden  auch  bei  geniigend  Feuchtigkeit  nur  sparlich  ver- 
treten  sind,  ist  kaum  anzunehmen,  dass  zersetzender  Humus 
ihre  Nahrung  bildet.  Wir  fanden  sie  bei  zusagenden  Boden- 
verhaltnissen  am  haufigsten  in  unmittelbarer  Nahe  der 
Wurzeln:  oft  haften  sie  an  diesen;  vielleicht  ernahren 
sich  die  Bodennematoden  im  allgemeinen  von  frischen 
oder  lebenden  pflanzlichen  Stoften,  wie  manche  Kultur- 
schadlinge  ihrer  Familie.  Unsere  "Versuche  zeigen.  dass 
sie  lange  ohne  solche  Nahrung  zu  leben  vermogcn. 
Enchytraeiden. 

„Terrestrische  Reprasentanten"'  dieser  Familie  iinden 
«ich  nach  Michaelsen  und  anderen  sowolil  an  mit  Wasser 


i 


372 


fSrmlich  durchtrankten  Orten,  im  Schlamm,  an  Wurzeln 
von  Siiss-  und  Salzwasserpflanzen,  in  Torfmooren,  wie  auch 
in  modernder  Pflanzensubstanz  (Baumstrunke,  faulendes 
Laub),  in  feuchter  Erde,  in  Blumentopfen  und  auch  in 
trockenem,  festerem  Erdreich  (Fridericia-AchaBta-  [Ana- 
chaeta]  Arten)  —  vorzugsweise  aber  leben  Enchytraeiden  in 
feuchter  Erde  an  Pflanzenwurzeln  und  an  von  verwesen- 
den  Pflanzenresten  stark  durchsetzten  Orten. 

Besondero  Vorliebe  fur  gewisse  Pflanzen  zeigt  z.  B. 
Achseta  (Anachseta)  bohemica  Vejd.,  nach  Michaelsen 
(Lit.  39)  in  wenig  feuchter  Erde  an  Wurzeln  von  Veilchen. 
Vejdowski  hat  nach  Bretscher  Schadigungen  der  Zucker- 
riiben  —  Friend  solche  der  Aster-  und  Selleriekulturen 
durch  Enchytrauden  nachgewiesen. 

Bretschers  Zahlungen  von  Enchytraeiden  ergaben 
(Lit.  6,  7,  9): 

Avers-Cresta,  Magermatte,    1950  m  pro  V*7  m2=  1620* 
Stuck,  berechnet  auf  V'ic  m2  =  4860  Stuck. 
Talin  b.  Trimmis,  Fettwiese,  1000  m     ?      -=  40*  Stlick, 
berechnet  auf  1''ni  m2      32  Stiick. 

Ungediingter  Boden  1000  m  enthielt  keine. 
^:  Tannenwald  ohne  Humusschicht  pro  V*  m2=--200O 
•g  Stiick;  pro  1;'i6  m2  —  500  Stiick. 

^  Baumgarten,  steinig,  aber  tiefe  Humusschicht  pro 
'%  \i  m2      415  Stiick;  pro  ,:,lim2    =104  Stiick. 

In  Avers-Cresta  waren  ausschliesslich  Fridericia- Arten 
vorhanden.  Auf  der  Goscheneralp  und  Kehlenalp  (2300  bis 
2500  m)  fand  Bretscher  keine,  auf  der  Furstenalp  —  1700 
bis  2000  m,  Biindnerschiefer,  sandiger,  kalkhaltigerLehm  — 
liberal  1  nur  wenigc  Exemplare  (Lit.  7).  Er  fiihrt  diese  Tat- 

*  Bretsoher  bezeichnet  diese  Zahlen  wegon  geringer  Tiefe  der 
Erdproben  als  „nicht  rnassgebendu. 


373 


sachen  auf  den  Umstand  zuriick,  dass  auf  der  Goschener- 
alp  die  oberste  Erdschicht  sehr  diinn,  der  Wurzelfilz  der 
Pflanzen  ausserordentlich  dicht  und  fest  ist.  Auf  der 
Fiirstenalp  misst  er  den  Feuchtigkeitsverhaltnissen  —  ge- 
ringe  Durchfeuchtung  durch  fliessende  Wasser  —  die  wich- 
tigste  Rolle  bei  (Lit.  7,  pag.  191  und  192). 

Nach  unsern  Ergebnissen  kommen  dieEnchytraeiden 
mit  noch  viel  grosserer  Regelmassigkeit  als  die  Nematoden 
im  Boden  vor,  aber  mit  weit  grosseren  Schwankungen  in 
der  Zahl  der  Individtien. 

Sie  fehlten  in  5  von  86  untersuchten  Proben. 

In  25  Proben  waren  1—20  Stuck,  in  32  Proben21— 100, 
in  16  Proben  101—400  und  in  8  Proben  uber  400  Stiick. 
In  der  von  Bretscher  festgestellten  grossten  Anzahl  fanden 
wir  sie  nirgends.  Die  grosste  Menge  weisen  auf:  Nr.  34 
(1965  m)  mit  900,  Nr.  70  (1815  m)  mit  1108  und  Nr.  33 
(1950  m)  mit  1220  Enchytneiden. 

Die  grosste  Zahl  der  Enchytraeiden  befindet  sick  nach 
unsern  Beobachtungen  in  der  obern  humosen  oder  in  der 
Humusschicht,  gcht  aber  auch  in  dieser  bei  grosser  Mach- 
tigkeit  nur  so  tief,  als  die  Hauptmasse  der  Wurzeln  reicht 
—  im  allgemeinen  2 — 8  cm  — ;  in  kleinerer  Zahl  sind 
Enchytraeiden  haufig  audi  in  den  tiefern  Schichten  zu 
treften.  Bei  wenig  erdiger,  reicher  Humusdecko  und 
darauffolgender  humusreicher,  lehmiger  oder  mergoliger 
Schicht  ist  die  Hauptmenge  der  Enchytraiiden  in  dieser 
letztern,  unmittelbar  unter  der  Himiusschicht.  Boi  sehr 
giinstigen  Bodenverhaltnissen  ist  die  Verteilung  bis  zur 
Tiefe  von  ca.   15 — 20  cm  ziemlich  gleichmiissig. 

Wo  unter  der  obersten  Schicht  soibrt  trockene  oder  nass- 
kalte  Schichten  folgen,  sammeln  sic:h  dieEnchytradden  noch 
auff&lliger  als  gewohnlich  in  der  humosen,  obern  Schicht. 


374 


Es  ist  geradezu  auffallig,  wie  die  quantitative  Ver- 
breitung  der  Enchytraeiden  beeintrachtigt  wird  durch 
trockene  Boden  und  namentlich  solche  mit  grossen  Schwan- 
kungen  des  Feuchtigkeitsgrades  und  durch  schwere,  kalte 
oder  nasskalte  Boden.  An  solchen  Standorten  fehlen  sie 
ganz  oder  sie  kommen  nur  in  vereinzelten  Exemplaren 
vor.  Sobald  ihnen  aber  konstant  ein  gewisser  Feuchtig- 
keitsgrad  zur  Verfugung  steht,  siedeln  sie  sich  in  grosserer 
Zahl  an,  selbst  wenn  sie  diese  Feuchtigkeit  nur  in  ver- 
haltnismassig  diinner,  oberflachlich  oder  tiefer  gelegener 
Schicht  finden. 

Enchytrseiden  kommen,  sofern  der  Wassergehalt  ein 
gunstiger  ist,  sowohl  im  molligen  Wald-  und  Haidehumus, 
im  feuchtnassen  Humus  von  Sumpf-  und  natiirlichen  Biesel- 
wiesen,  wie  auch  in  humosen  oder  lehmigen  Sandschichten 
vor.  Ob  ihr  seltenes  Vorkommen  in  feuchtnassen  Lehm- 
und  Tonboden  dadurch  verursacht  wird,  dass  die  dichte 
Struktur  das  Durchdringen  durch  den  Boden  ihnen  er- 
schwert  oder  durch  den  fast  vollstandigen  Luftabschluss 
und  die  damit  bedingte  langsame,  unvollstandige  Zer- 
setzung  der  Bodenbestandteile,  vermogen  wir  nicht  zu 
entscheiden. 

Am  besten  scheinen  die  gleichmassig  frischen  bis 
feuchten,  humusreichen  und  humosen  Bodenarten  den 
Enchytraeiden  zuzusagen,  also  mergelige  und  lehmige, 
Mergel-  und  Lehmboden. 

Die  Gesamtmachtigkeit  des  Bodens  kommt  wahr- 
scheinlich  gar  nicht  in  Betracht.  —  Trotz  der  sehr  ver- 
schiedenen  chemisch  -  mineralogischen  Zusammensetzung 
der  untersuchten  Proben  zeigen  diese  keine  DifFerenzen 
im  Enchytraiidengehalt,  die  auf  direkten  Einfluss  zuriick- 
zufuhren  waren. 


376 


Der  Humusgehalt  der  meisten  Boden  ist  fiir  Enchy- 
traeiden  gentigend ;  Standorte  mit  Gras-  und  Krauterhumus, 
besonders  mit  vielen  frischen  Pflanzenresten,  wie  Wiesen 
und  Weiden,  begiinstigen  ihr  Vorkommen  sehr  wahrschein- 
lich  ganz  besonders,  da  sie  bei  sonst  gleichen  Verhaltnissen 
sich  hier  viel  zahlreicher  finden  als  im  Walde  oder  in 
Planggen,  wo  Graser  und  Krautpflanzen  nach  vollendeter 
Entwicklung  sehr  langsam  verfaulen.  —  Exposition  und 
Neigung  iiben  nur  indirekt  —  durch  Unterschiede  im 
Feuchtigkeitsgehalt  des  Bodens  —  einen  Einfluss  aus. 

Die  Verschiedenheit  in  der  Haufigkeit  der  Enchy- 
traeiden  nach  der  Hohenlage  —  etwas  kleinere  Anzahl  in 
grosser  Hohe  —  scheint  nur  durch  im  allgemeinen  ungiin- 
stigere  Feuchtigkeitsverhaltnisse  und  durch  das  Zuriick- 
treten  der  Wiesen  und  Weiden,  der  Standorte  mit  frischen 
Pflanzenresten  bedingt  zu  sein;  denn  wenn  auch  die 
hoheren  Lagen  grossere  Luftfeuchtigkeit  und  grossere 
Niederschlagsmengen  aufweisen,  sind  doch  die  Schwan- 
kungen  der  Bodenfeuchtigkeit  nach  Art  der  humosen  Decke 
und  wegen  geringerer  Machtigkeit  gewohnlich  grosser. 

Wir  haben  aber  in  sehr  grossen  Hohen  (bei  Beriick- 
sichtigung  des  Kulminationspunktes  des  Exkursionsgebietes) 
noch  verhaltnismassig  zahlreiches  Vorkommen  unter  glin- 
stigen  Bodenbedingungen : 

Alpstein  Nr.  12,  2150  m-  376Sttick;  Avers  Nr.  25, 
2390  m  =  280  Stuck ;  Bergell  Nr.  85,  2400  m  -  158  Stuck; 
Fextal  Nr.  49,  2694  m  —  176  Stuck. 

Die  Entwicklung  der  Enchytraiden  wird  also  kaum 
wesentlich  gehindert  durch  lang  dauernde  niedrige  Boden- 
temperaturen,  durch  erhebliche  Verkiirzung  der  „Vege- 
tationszeita.  (Nach  Michaelsen  ist  ihnen  das  polare  Klima 
sogar  sehr  guns  tig.) 


376 


Eine  Bevorzugung  gewisser  Pflanzen  lasst  sich  mit 
Bestimmtheit  nicht  erkennen;  namentlich  haufig  waren 
Enchytraeiden  an  Wurzelstocken  von  Alchemilla. 

Wir  konnen  nicht  feststellen,  inwieweit  diese  Er- 
hebungen  auch  fur  das  Verhalten  der  Arten  zutreffen,  ob 
der  Artenreichtum  grosser  ist  bei  grosser  Individuenzahl 
oder  ob  vielleicht  selbst  unter  kleiner  Anzahl  von  In- 
dividuen  verhaltnismassig  viele  Arten  vorkommen. 

Eine  grossere  Zahl  von  Versuchen  mit  EnchytraBiden 
aus  Nr.  52,  67  ergab: 

Ein  Individuum,  2,3  cm  lang  und  1,5  mm  dick,  102 
Stunden  in  frischem,  reinem  Brnnnenwasser  gehalten,  auf 
trockene  Erde  gebracht,  reagiert  noch  mit  matter  Bewe- 
gung  auf  Tabakrauch. 

Von  20  kleineren  Enchytraeiden  in  Brunnenwasser 
starb  die  Halfte  nach  20  Stunden;  nach  43  Stunden  lebten 
noch  6.    Ein  Enchytraeid  lebte  4  Tage. 

In  alkalischem  verdiinntem  Mistwasser  (von  Kuhmist) 
lebten  die  Enchytneiden  nur  14  Stunden.  In  lufttrockener 
Erde  im  schattigen  Zimmer  starben  samtliche  Enchytraeiden 
nach  ca.  8.'4  Stunden,  auf  trockener  Uhrschale  schon  nach 
7 — 10  Minuten. 

700  bezw.  1000  Enchytraeiden,  einige  Zeit  in  mehr- 
mals  gewechsoltem  Wasser  durch  selbsttatige  Bewegung 
und  durch  Schiitteln  gereinigt  und  nachher  in  reines  Wasser 
gebracht,  schieden  einige  Gramm  von  hauptsachlich  aus 
Mineraltriimmern  bestehendem  Bodensatz  aus. 

Die  Enchytraeiden  ernahren  sich  wohl  —  nach  unsern 
Untersuchungen  und  nach  ihrem  Darminhalt  —  haupt- 
sachlich mit  frischem  bis  stark  zersetztem  Pflanzendetritus 
(siehe  auch  Anmerkungen  von  Nr.  2.  20,  24,  34,  38,  39, 
45,  01). 


377 


Bei  der  Nahrungsaufnahine  nehmen  sie  auch  erheb- 
liche  Mengen  mineralischer  Bodenbestandteile  auf  und 
treiben  sie  durch  ihren  Verdauungstraktus. 

Lumbriciden. 

Auch  iiber  die  zahlenmassige  Verbreitung  der  Lum- 
briciden liegen  nur  wenige  Angabon  vor.  Darwin,  Hensen 
und  andere  begnugen  sich  meist  mit  Schatzungen  nach 
der  Zahl  der  Wurmrohren  oder  nach  der  Menge  der  durch 
Berieselung  mit  schadlichen  StofFen  auf  die  Oberflache 
getriebenen  und  getoteten  Tiere.  Hensen  zahlt  (Lit.  30, 
pag.  673)  im  Garten  1  Individuum  der  „grossen  Artu 
[L.  terrestris  L.)  auf  600  cm2 ;  er  bereclmet  (Lit.  30,  pag.  675) 
nach  Angaben  von  Lengerke  fur  eine  Wiese  6  Stuck  pro 
Quadratfuss. 

P.  E.  Mtiller  sammelte  (Lit.  30,  pag.  677)  in  mildem 
Buchenhumus  Tausendo  von  Lumbricus  purpureus  (L.  casta- 
neus  Sav.)  pro  Quadratfuss. 

Nach  Darwin  fehlen  Lumbriciden  in  trockener  Haide, 
trockenen,  sandigen,  kiesigen  Orten  und  in  braunom,  fase- 
rigem  Torf,  nach  P.  E.  Muller  (Lit.  30,  pag.  678)  in  saurem 
Buchenhumus,  nach  Bretscher  in  Moorboden  und  sauren 
Humusboden ;  „sehr  wenige  sincl  in  der  freien  Weide  zu 
finden"  (Bretscher  Lit.  9,  pag.  707).  Bretscher  glaubt  dies 
auf  Feuchtigkeits-  und  auf  tagliche  Temperaturschwan- 
kungen,  grossere  Anzahl  an  flachen  Stellen,  Terrassen,  in 
den  Alpen  auf  Schutz  vor  Kalte  durch  die  Schneedecke 
zuriickfuhren  zu  miissen  (Lit.  9,  ]>ag.  708). 

Die  Verhaltnisse  iiber  die  Wanderungen  dor  Lumbri- 
ciden sind  noch  nicht  abgekliirt.  Nach  Hensen  sollen 
Lumbriciden  nur  bei  starkem  Rogen  odor  in  abnormal(Mii 
Oesundheitszustande  wandern :   nach  Bretscher  haben  sie 


378 


unter  gewissen  Verhaltnissen  einen  formlichen  Wander- 
trieb,  der  durch  das  Bedurfnis,  den  Wohnort  oder  Futter- 
platz  zu  wechseln  (namentlich  in  den  Alpen),  mehr  sogar 
aber  durch  die  Fortpflanzungsverhaltnisse  bedingt  ist 
(Lit.  10,  pag.  540—542). 

Unter  alien  Umstanden  glauben  wir,  nach  der  Starke 
der  Vertretung  Folgerungen  iiber  ein  bestimmtes  Abhangig- 
keitsverhaltnis  von  den  Stand ortsbedingungen  ableiten  zu 
durfen,  zumal  die  ziemlich  regelmassige  grossere  H&uiig- 
keit  unter  Steinen,  Steinpflaster,  Kuhfladen  (Lit.  10)  und 
d  as  vollstandige  Fehlen  an  andern  Standorten  hief Sir  sprechen . 

Die  genaueren  Zahlungen  Bretschers   ergaben   nach 
einzelnen  Ausgrabungen : 
Bei  Zurich  (Lit.  9,  pag.  709)  Wiese  70—230*)  pro  m2,  fur 

unsere  Probengrosse  Vie  m2=4 — 14;  Acker  140 — 260 

pro  m2,  pro  Vie  m2  =  9-16;    Wald  70  pro  m2,   pro 

Vie  m2  — 6. 
Am  Zilrichberg  (Lit.  10)  Wiese  —  Humus  35  cm,  Unter- 

grund  lehmig  —  350  pro  m2,  pro  1/i6  m2=22.    Wiese 

—  Humus  22  cm,  Untergrund  zaher  Gletscherschutt 

—  400  pro  m2,  pro  Vie  m2  =  25. 

Avers-Cresta  (Lit.  9)  Wiese  —  Humus  15  cm,  Untergrund 
Fels  —  1660—2000  pro  m2,  pro  Vie  m2-  104— 125. 
Hier  mag  auch  eine  von  land wirtschaftlichen  Praktikern 
(fur  Hiihnerfutterung)  angewandte  Methode  zur  Sammlung 
grosser  Mengen  Regenwurmer  an  einem  Standort  er- 
wahnt  werden  (Schweiz.  landwirtschaftl.  Zeitschrift  1901, 
pag.  1091) : 

In  60  cm  tiefe  Gruben  an  feuchten,  schattigen  Stellen 
stellt  man  Strohbiindel,  mit  Erde  untermengt,  begiesst  sie 


*)  Nach  kleineren  Proben  berechnet. 


379 


ufters  unci  deckt  die  Grube  mit  Stroh  oder  Brettern  zu. 
Nach  einigen  Wochen  hat  sich  eine  Masse  von  Regen- 
wurmern  angesiedelt. 

An  den  von  uns  untersuchten  Orten  befanden  sich 
alle  Regenwiirmer,  alle  Species  in  den  obersten  Boden- 
schichten  —  in  alien  Bodenarten,  auch  bei  m&chtigerer 
Wurzelregion;  bei  jeder  beliebigen  Gesamtmachtigkeit,  bei 
jeder  Witterung  und  jeder  Tageszeit  vom  Morgen  bis 
Abend  —  meistens  in  4  bis  8  cm  Tiefe.  Wo  die  obern 
Schichten,  besonders  bei  reichem  Humus,  sehr  dichte  Struk- 
tur  zeigten,  oder  wo  die  humose  oder  Humusschicht  und 
die  Wurzelregion  nur  schwach  entwickelt  waren,  hielten 
sie  sich  in  einer  Tiefe  von  3 — 6  cm,  in  der  humusreichsten 
Region  auf.  In  feuchtem  bis  nasskaltem  Boden,  besonders 
wenn  die  Nasse  schon  bei  geringerer  Tiefe  sich  fuhlbar 
machte,  lagen  die  Regenwiirmer  unmittelbar  unter  der 
Oberflache,  oft  beinahe  an  der  Oberflache  (z.  B.  Nr.  38,  47). 

Nur  bei  Nr.  5,  zwei  Tage  nach  starkem  Schneefall, 
trafen  wir  die  meisten  ausnahmsweise  tief,  von  6—12  cm. 

Wir  vermogen  noch  nicht  bestimmt  zu  sagen,  ob 
diese  Wahl  des  Aufenthaltsortes  in  geringen  Tiefen  ihren 
Grand  in  besonderem  Luftbediirfnis  hat  —  die  oberflach- 
liche  Lage  bei  nassen  Standorten  scheint  dies  zu  be- 
statigen  —  oder  ob  dies  durch  klimatische  Faktoren  — 
Bediirfnis  nach  Sonnenwarme  wahrend  der  kurzen  Lebens- 
und  Entwicklungszeit*)  —  bedingt  ist,  oder  ob  die  Lum- 
briciden  damit  den  Ort  des  grossten  Reichtums  an  frischen 
und  frisch  zersetzenden  vegetabilen  Substanzen  aufsuchen. 

Fast  immer  hatten  die  Lumbriciden  in  den  obern 
Schichten  eine  mehr  oder  weniger  wagrechte  Lage.  Wurm- 


*)  Oder  vielleicht  durch  Fortpflanzungsverhaltnisse. 


380 

rohren  nach  unten  haben  wir  nur  selten,  sozusagen  fast  nie 
gefunden.  Ein  regelm&ssiges  und  haufiges  Wechseln  des 
Aufenthaltsortes  nach  der  Tiefe  der  Bodenschichten  scheint 
demnach  bei  der  Lumbriciden  fauna  der  Alpen  nicht  statt- 
zufinden.  —  Wandernde  Lumbriciden  haben  wir  stets  nur 
bei  Regenwetter  —  auf  Wegen,  an  Wegrandern,  auf  mit 
vielen  Steinen  bedecktem  Terrain  —  beobachten  konnen. 
Auf  Wiesen  und  im  Walde  konnten  wir  w&hrend  des 
Tages  auch  bei  regnerischem  Wetter  trotz  besonderer  Auf- 
merksamkeit  nur  ganz  ausnahmsweise  einen  Regenwurni 
auf  der  Wanderung  finden. 

Unsere  Zahlungen  der  Lumbriciden  zeigen,  dass  diese 
weit  grossere  Anforderungen  an  ihren  Standort  zu  stellen 
scheinen  —  dass  sie  weniger  haufig  geniigende  Lebens- 
bedingungen  vorfinden  —  denn  die  Regenwiirmer  fehlen 
an  einer  grossern  Anzahl  von  Orten,  an  denen  Nematoden 
und  Enchytneiden  noch  in  grosserer  Menge  vorkommen. 
Uberall  aber,  wo  wir  Lumbriciden  fanden,  war  auch  die 
Anwesenheit  von  Nematoden  oder  Enchytrceiden  zu  kon- 
statieren. 

An  11  Standorten  waren  iiber  10  Regenwiirmer;  an 
37  Orten  befanden  sich  1 — 10  Stuck;  ganz  ohne  Lumbri- 
ciden waren  38  Proben. 

Indem  wir  Standorte  mit  nur  als  „Brs.u  —  tot  oder 
verletzt  —  aufgefimdenen  Tndividuen  als  nunsichere  Auf- 
enthaltsorte*  autlassen,  gelangen  wirzufolgenden  Schliissen: 

Die  Bodenvcrhaltnis.se  haben  auch  auf  die  Menge 
der  Lumbriciden  den  bedeutendsten  Einfluss.  Die  Regen- 
wiirnier  meidcn  fast  immer  Boden  mit  trockener  oberster 
Schicht  oder  wenn  diese  grossc  Fcuchtigkeitsschwankungen 
aufweist.  selbst  wenn  ihnen  auch  in  tieferen  Schichten 
dauernd  viel  Feuchtigkeit  geboten  wird. 


381 


Wenig  zusagend  sind  ferner  stark  sandige,  grusige 
oder  SteinbSden  in  der  obern  Schicht,  auch  wenn  diese 
firisch  bis  feucht  ist.  Hiebei  scheint  also  die  Struktur 
d  i  r  e  k  t  einen  Einfluss  auszuiiben,  wahrscheinlich  in  erster 
Linie  durch  die  Kornigkeit.  Aber  sie  finden  sich  auch 
sehr  selten  an  Orten  ein,  die  bis  zur  Oberflache  schwer 
bis  nasskalt  sind.  Boden  mit  gleichmassig  frischem  bis 
feuchtem  Humus  oder  solchen  oberen  humosen  Sehichten 
werden  vor  allem  bevorzugt. 

Die  Machtigkeit  des  Bodens  ist  insofeni  von  Be- 
deutung,  als  bei  besonders  geringer  Gesamttiefe,  unter 
10 — 15  cm,  Luinbriciden  seltener  vorkommen;  bei  einer 
Bodenmachtigkeit  von  iiber  15  cm  haben  grossere  oder 
kleinere  Tiefen  und  die  Eigenschaften  dieser  untern 
Sehichten  wenig  oder  keinen  Einfluss,  so  dass  also  die 
Regenwiirmer  in  Boden  mit  nasskalten  und  in  solchen 
mit  trockeneren  sandigen  untern  Sehichten  bei  ahnlichen 
obersten  Sehichten  annahernd  gleich  stark  vertreten  sind. 

—  Da  tagliche  Temperaturschwankungen  bis  30  cm  tief 
eindringen,  ist  nicht  anzunehmen,  dass  die  Bedeutung  der 
Machtigkeit  auf  diesen  beruht. 

Eine  besondere  chemisch-mineralogische  Zusammen- 
setzung   des  Erdreichs,    wesentlicher  Kalkgehalt,   scheint 

—  durch  gunstige  Beeinflussung  der  Struktur  und  des 
Feuchtigkeitsgehaltes  —  etwelche  Einwirkung  auf  die 
Menge  der  Regenwiirmer  auszuiiben.  Weder  Exposition 
noch  Neigung  haben,  sofern  die  andern  Bodenverhaltnisse 
zusagend  sind,  einen  massgebenden  Einflus.s.  Wegen  meistens 
geringer  Bodenmachtigkeit  sind  aber  starke  Neigungen 
im  allgemeinen  arm  an  Luinbriciden. 

Eine  Standortswahl  nach  der  Art  des  Pflanzenbestandes 
ist  nicht  zu  bemerken ;  doch  sind  Regenwiirmer  gewohnlich 


382 


eher  zu  treffen  unter  dichter  Pflanzendecke  und  im  Walde, 
weil  sie  hier  bessere  Feuohtigkeitsbedingungen  finden.  — 
Wiese,  Weide  und  Wald  weisen  keine  charakteristischen 
Unterschiede  auf  beziiglich  der  Anzahl  der  sie  bewohnen- 
den  Lumbriciden  auf.  Planggen  haben  nach  unsern  Unter- 
suchungen  iiberall  nur  vereinzelte  Exemplare ;  doch  ist  dies, 
wie  auch  einzelne  Unterschiede  zwischen  Wiese,  Weide  und 
Wald,  wahrscheinlich  auf  dieBodenfaktorenzurtickzufiihren. 
Lumbriciden  konnen  nach  unseren  Ergebnissen  selbst  bis 
zu  2150  in  (Alpstein,  Nr.  12)  und  2160  m  (Avers,  Nr.  21) 
sehr  zahlreich  vorkommen;  meistens  aber  sind  sie  in 
grosseren  Hohen,  uber  2000  m  verhaltnismassig  seltener 
und  wenig  zahlreich,  wohl  der  gewohnlich  geringen  Tiefe 
des  Bodens  und  der  kornig-filzig-humosen  Struktur  wegen. 

Die  grossere  Seltenheit  der  Regenwiirmer  im  hintern 
Teile  des  Avers,  im  Fextal  und  in  den  obern  Regionen 
des  Bergell  ist  einesteils  durch  in  diesen  Gebieten  haufige 
eigenttimliche,  unglinstige  Bodenbeschaffenheit  begriindet 
und  andernteils  durch  die  Hohenlage  der  untersuchten 
Orte  zu  erklaren.  Andere,  fur  die  einzelnen  Exkursions- 
gebiete  charakteristische  Faktoren  —  Niederschlagsmengen, 
Temperaturen,  Windverhaltnisso  —  scheinen  nicht  in  Be- 
tracht  zu  kommen. 

tiber  die  besondern  Standorte  der  einzelnen  Arten 
geben  die  Zusammenstellungen  in  Kapitel  V  A  Aufschluss. 
Am  haufigsten,  auch  in  grosseren  Hohen,  sind  Lumbricus 
rubellus  und  Octolasium  lacteum,  dann  Helodrilus  (D.) 
octaedrus  zu  treffen.  Das  sclion  von  Bretscher  und  Ribau- 
court  festgestellte,  fast  vollstandige  Fehlen  der  „grossen 
Arten"  Lumbricus  terrestris  L.,  Helodrilus  (A.)  longus 
Ude,  und   caliginosus  Sav.  in  den  Alpen,  bestatigt   sich. 

Vergleichungen  iiber  das  Verhaltnis  zwischen  Indivi- 


383 


duen-  und  Artenzahl  werden  durch  die  grosse  Zahl  un- 
bestimmbarer,  junger  oder  verletzter  Exemplare  sehr  er- 
schwert,  die  Befunde  von  Nr.  5,  Nr.  38  und  Nr.  71  zeigen 
immerhin  deutlich,  dass  auch  bei  grosser  Menge  die  Arten- 
zahl sehr  verschieden,  sogar  sehr  klein  (Nr.  71  mit  8  ent- 
wickelten  Individuen  nur  eine  Art)  sein  kann  und  dass 
die  Individuenzahl  der  vertretenen  Arten  sehr  ungleich  ist. 

Diplopoden. 

Das  Lokomotionsvermogen  der  Diplopoden  ist  im  all- 
gemeinen  grosser  als  das  der  Nematoden  und  Oligochaoten ; 
die  einzelnen  Familien  und  Arten  der  Diplopoden  ver- 
halten  sich  jedoch  sowohl  hinsichtlich  der  Wahl  ihres 
Standortes  als  nach  der  Haufigkeit  der  Veranderung  des- 
selben  etwas  verschieden. 

Nach  litterarischen  Angaben  ist  hauptsachlich  folgen- 
des  konstatiert: 

Alle  Diplopoden  haben  versteckte  Lebensart ;  ihr  Auf- 
enthaltsort  ist  meistens  der  Boden.  Nur  Julus  sabulosus 
und  Glomeris  conspersa  bewegen  sich  hin  und  wieder  auf 
Wegen  oder  sitzen  auf  Mauern  oder  Pflanzen  (auch  Julus 
Parisiorum,  nach  Rothenbiihler).  —  Glomeriden  bleiben 
jahrelang  kolonienweise  an  demselben  Standorte,  wenn  sie 
nicht  gestort  werden.  Bei  trockenem  und  heissem  Wetter 
scheinen  sie  sich  tiefer  zuruckzuziehen,  das  Weibchen  auch 
wahrend  der  Eiablage. 

Diplopoden  halten  sich  unter  Rinde  von  Baumen, 
unter  Steinen,  im  Moos,  in  moderndem  Laub,  in  den  obern 
Bodenschichten  auf.  Bei  grosser  Kalte  verziehen  sie  sich 
nach  den  tieferen  Bodenschichten.  Die  Nahrungsaufnahme 
ist  im  Winter  minimal. 

Juliden    verzehren   mit    Vorliebe    Blatter,   Holz   und 


384 


andere  faulende  Vegetabilien.  Julus  sabulosus  scheint  sehr 
die  Pilze  zu  lieben. 

Die  Lieblingskost  der  G-lomeriden  sind  modernde 
Blatter  und  Moos.  Die  Polydesmiden  verzehren  anima- 
lische  Stoffe  nur  in  starker  Verwesung. 

Die  Fortpflanzungszeit  ist  fiir  die  Juliden  Fnihjahr 
bis  Herbst  (in  warmen  Gegenden  der  Winter),  fiir  Glome- 
riden  Friihjahr  und  Anfang  des  Soinmers  (Rath,  Lit.  46). 

Nach  Plateau  (Lit.  45)  leben  Juliden  hauptsachlich 
von  zersetzenden  Pflanzenstoffen,  „nie  nur  von  griinen 
Pflanzenteilen"  (pag.  60).  Sie  und  andere  Diplopoden 
konnen  lange  Zeit  Nahrung  entbehren. 

Glomeriden  fressen  untere,  grune,  weiche  Blatter. 

^Les  Jules  avalent  en  memo  temps  que  leur  nourri- 
ture  une  grande  quantite  de  torre,  grains  de  sable,  debris 
calcaires  ou  d'autres  roches  decomposers  .  .  .a  (pag.  61). 
Die  ist  nach  Brandt  und  Humbert  auch  bei  Glomeriden 
der  Fall.  —  Rothenbuhler  schreibt  uns:  „Polydesmiden 
und  Chordeumiden  mtissen  als  ausgesprochene  Feuchtig- 
keitsbewohner  besonders  aufgesucht  werden ;  Juliden  sind 
resistent.u  -  Latzel  (Lit.  36)  sagt:  Kalkgebirge  ist  im 
allgemeinen  rcicher  an  Gattungen  und  Arten  (von  Myria- 
podeni  als  das  Urgebirge;  „doch  mag  diese  Erscheinung 
wohl  in  der  grossern  Zahl  von  Schlupfwinkeln  und  in  dem 
grossern  Vorrat  an  tierischer  und  pflanzlicher  Nahrung 
ihre  Erklitrung  finden.  —  Die  Myriapoden  scheinen  sich 
wenig  an  vertikal  tibereinander  liegende  Zonen  und  Re- 
gionen  zu  bindenu  (pag.  371). 

Am  Stein  (Lit.  1)  hat  fur  den  nordlichen  Teil  von 
Graubunden,  bei  Ghur  und  Priittigau,  bestiitigt  gefunden : 
Abnahmo  der  Artenzahl  nach  der  Polhohe,  dagegen  keine 
oder  nur  ausnahmsweise  Zunahme  der  Individuenzahl. 


385 


Nach  Roth  (Lit.  46  b)  haben  Juliden  und  Glomeriden 
in  Wasser  6 — 8  Stunden  gelebt.  Bei  unsern  Versuchen 
Jebten  Julus  Zinalensis  und  Cylindroiulus  generosensis  (aus 
Nr.  66  and  68)  in  Brunnen wasser  1/2— 4  Stunden,  1  In- 
dividuum  in  wassrigem  Mistwasser  1 U  Stunde.  Eingesperrte 
Juliden  haben  wahrend  drei  Tagen  zur  Verfugung  gestellte 
frische  Pflanzenteile  nicht  beruhrt.  Nach  Verfluss  dieser 
Zeit  bewegten  sie  sich  fast  nicht  mehr. 

Die  Exkremente  dieser  Juliden  waren  hauptsachlich 
aus  Quarzkornern  mit  wenig  faserigen  Pilanzenresten  zu- 
sammengesetzt;  derDarminhaltbestand  bei  einigen  (Juliden 
aus  Nr.  59)  fast  nur  aus  pflanzlichen  Stoffen;  bei  andern 
waren  diese  mit  mehr  oder  weniger  erdiger  Substanz 
untermengt.  In  der  hintern  Korperregion  waren  die  minera- 
lischen  Stoffe  stets  in  verhaltnismassig  grosserer  Menge 
vorhanden.  Bei  kleinen  javanischen  und  madagassischen 
Juliden  fanden  wir  ahnliche  Verhaltnisso,  wahrend  grossere 
Formen  nur  wenig  oder  keine  mineralischo  Substanzen 
im  Darme  hatten. 

Juliden  scheinen  demnach  nicht  unbedingt  auf  die 
Aufnahme  von  erdigen  mineralischen  Stoffen  angewiesen 
zu  sein. 

Bei  unseren  Untersuchungen  befanden  sich  die  Diplo- 
poden  immer  in  den  oberen,  haufig  in  den  obersten  Boden- 
schichten. 

Ihr  Vorkommen  an  den  analysierten  Standorten  richtet 
sich  nach  dem  Verhalten  der  einzelnen  Arten  zu  den 
Bodenverhaltnissen  und  nach  der  geographischen  Ver- 
breitung  derselben  (siehe  Kap.  V). 

Glomeriden  haben  wir  nur  an  einem  Standort  in 
grosser  Menge  und  an  einem  Standort  in  kleiner  Zahl 
gefunden.   Ersterer  war  im  Wald  bei  Nordexposition,  mit 

25 


386 


ausgesprochen  feuchtem  und  humusreichem  Boden,  der 
letzterebeiSSW-Exposition,  imFelsgrasband.  BeideStand- 
orte  (Nr.  8  und  15)  mit  kalkhaltigem  Boden. 

Die  wenigen  Polydesmiden  fanden  sich  in  feuchtem, 
humusreichem  Waldboden,  die  Chordeumiden,  ebenfalls 
nur  in  wenigen  Proben  vertreten,  an  denselben  Standorten 
wie  die  Glomeriden,  aber  in  umgekehrtemZahlenverhaltnis. 

Nach  den  Fundorten  der  Juliden  stellen  diese  je  nach 
der  Spezies  sehr  verschiedene  Anspriiche  an  den  Aufent- 
haltsort;  wir  finden  Julidenarten  in  trockenem,  flach- 
griindigem,  wenig  humushaltigem  Boden,  andere  in  feuch- 
tem, tiefgriindigem  Boden  und  im  feuchtnassen,  milden 
Humus  der  Rieselwiese.  —  In  den  Kalkboden  des  Alp- 
steins  und  des  Calfeusentales  waren  einzig  Julus  nitidus 
und  nanus,  die  dann  im  Bergell  fehlen,  stark  vertreten, 
wahrend  im  Bergell  bei  den  sandigen,  mittelschweren  bis 
leichten  Boden  Juliden  im  allgemeinen  haufig  und  oft  in 
sehr  grosser  Anzahl  (Nr.  B5  43  Sttick,  Nr.  66  37  Stuck) 
vorkommen. 

Besonders  charakteristische  Unterschiede  der  Stand- 
orte  mit  und  dorjenigen  ohne  Diplopoden  sind  im  all- 
gemeinen nicht  vorhanden.  In  Hohen  von  iiber  1800  m 
macht  sich  eine  wesentliche  Abnahme  der  Haufigkeit  der 
Diplopoden  bemerkbar  und  schon  iiber  2000  m  haben  wir 
nur  noch  selten  (Nr.  75)  Diplopoden  gefunden.  Die  grosse 
Hohenlage  des  Avers  und  des  Fextales  mag  Ursache  sein, 
dass  wir  in  den  Proben  aus  diesen  Grebieten  keine  bezw. 
nur  in  Nr.  36  Diplopoden  nachweisen  konnten.  In  den 
subalpinen  Regionen  des  Alpsteins  und  des  Bergell  sind 
diese  in  18  von  30  Proben  vertreten  gewesen,  in  der  al- 
pinen  Region  fehlten  sie  an  der  Halfte  der  Standorte. 


387 


Chilopoden. 

..Sie  (die  hochst  entwickelten  Myriapoden)  sind  Rauberu 
und  nicht  an  bestimmte,  eng  umgrenzte  Standorte  ange- 
wiesen  (Latzel  Lit.  36). 

Nach  Plateau  (Lit.  45)  nahren  sie  sich  nicht  von  zer- 
setzenden  Pflanzenstoffen.  Ferner:  Les  Lithobides  „recher- 
chent  Thumidite  par  besoinu.  Er  weist  experimentell  nach, 
dass  sie  trotz  vorhandener  Nahrung  im  Trockenen  bald 
sterben. 

Nach  Geoffroy  (1762N,  leben  Lithobiden  von  Poduriden 
und  andern  kleinen  Jnsekten,  nach  de  Geer  auch  von 
Wiirmern,  nacli  Gervais  von  Insekten,  Acariden  und 
Spinnen.  Bei  Versuchen  von  Plateau  frass  Lithobius  for- 
ficatus  nur  Fliegen  und  Miicken,  niclit  aber  Staphyliniden 
und  kleine  Spinnen.  Lithobiden  fressen  aber  auch 
kleinere  Individuen  der  eigenen  Gattvng. 

Scolopendriden  leben  von  jungen  Lumbriciden  (L. 
communis  Hoffm.)  u.  a.,  Geophiliden  von  Poduriden  und 
kleinen  Acariden,  seltener  von  kleinen  Spinnen  und  In- 
sektenlarven.  Sie  fressen  sowohl  lebende  Tiere  wie  Stiicke 
von  frischen  Leichen.  Im  Magen  von  Himanterium  Gervasii 
Xol.  hat  Plateau  neben  zahem,  klebrigem  Material  reich- 
lich  Sandkorner  gefunden  (pag.  46). 

Cryptops  sind  hauptsachlich  unter  der  Erde,  Geophi- 
liden meist  in  unteren  Schichten,  in  2Q — 40  cm  Tiefe. 

Nach  Bothenbiihler  sind  Lithobiden,  Geophiliden  und 
Scolopendrelliden  ubiquitar. 

Bei  unseren  Versuchen  haben  mehrere  Scolopendrella 
notacantha  in  Brunnenwasser,  an  der  Oberfliiche  schwim- 
mend,  bis  4  Stunden  gelebt,  wahrend  Geophilus  ferrugi- 
neus  schon  nach  einer  Viertolstunde  starb.  —  Die  grosse 
Beweglichkeit   der  meist  kleinen  Chilopoden   erschwerte 


388 


Beobachtungen  iiber  ihren  Aufenthalt  in  verschiedenen 
Bodenschichten ;  gewohnlich  fanden  wir  sie  —  mit  Aus- 
iiahme  der  Geophiliden  —  in  den  obersten  Schichten:  doch 
sind  sie  bis  zu  gewissen  Tiefen  haufiger  anzutreffen  als 
todere  Gruppen  von  Bodentieren. 

Die  sparlichen  Funde  und  die  Unbestimmbarkeit  ein- 
zelner  Lithobiden  und  der  Mehrzahl  der  Geophiliden  geben 
keinen  sichern  Aufschluss  iiber  die  Standortswahl  dieser 
Gruppen.  Sie  scheinen  an  den  von  uns  berucksichtigten 
Orten  seltener  und  meist  in  kleinerer  Anzahl  vorzukommen. 

Filr  Lithobius  aulacopus  bestatigt  sich :  Aufenthalt  in 
feuchtem,  humusreichem  Boden  im  Walde ;  4  Lithobiden 
wurden  auf  Boden  mit  grossen  Temperatur-  und  Feuchtig- 
keitsschwankungen  nachgewiesen. 

Bei  den  Geophiliden  scheint  ein  besonderes  Feuchtig- 
keitsbedlirfnis  nicht  zu  existieren ;  es  ist  moglich,  dass  die 
einzelnen  Arten  sich  diesbeziiglich  verschieden  verhalten, 
da  sowolil  trockene  wie  feuchte  Boden  zahlreiche  Indi- 
viduen,  wahrscheinlich  aber  je  verschiedene  Arten  ent- 
halten  (vergleiche  Kap.  V,  z.  B.  Nr.  56  und  Nr.  67). 

Von  den  Scolopendrelliden  ist  Scolopendrella  imma- 
culata  in  feuchtem  wie  in  trockenem  Boden  im  Walde,  auf 
der  Plangge  und  auf  der  Wiese,  meist  aber  nur  in  kleiner 
Zahl  anzutreffen;  Scolopendrella  notacantha  ist  haufiger  in 
grosser  Menge,  scheint  aber  feuchte,  humusreiche  Stand - 
orte  vorzuziehen.  Grosse  Anzahl  von  Scolopendrella  nota- 
cantha weisen  namentlich  Nr.  64,  66,  67  und  72  auf. 

Nur  die  subalpine  Region  beherbergte  eine  grossere 
Zahl  von  Chilopodenarten ;  iiber  1800  m  trafen  wir  wenige 
Geophilus  spec,  und  Scolopendrella  notacantha ;  vonletzterer 
waren  in  Nr.  72,  1900  m,  noch  13  Stlick,  in  Nr.  12,  bei 
2150  m  4  Stuck. 


389 


In  Proben  von  grosseren  Hohen  konnten  wir  keine 
Chilopoden  mehr  finden,  ebensowenig  im  Avers  uberhaupt, 
im  Fextal  nur  in  Nr.  31  und  39,  bei  1920  und  1930  m,  je  1 
Individuum  von  Scolopendrella  notacantha. 

Die  Chilopoden  zeigen  hienach  ahnliche  Hohenverbrei- 
tung  an  den  untersuchten  Standorten  wie  die  Diplopoden. 
Wenn  damit  auch  die  absolute  obere  Grenze  ihres  Vor- 
kommens  nicht  bestimmt  festgestellt  ist,  so  weisen  die 
Befunde  doch  darauf  hin,  dass  Diplopoden  und  Chilopoden 
in  der  obern  alpinen  Region,  iiber  2000  m  bezw.  2200  m 
im  allgemeinen  viel  weniger  haufig  und  vielleicht  vorzugs- 
weise  an  anderen  Standorten,  die  von  uns  nicht  unter- 
sucht  wurden,  ihren  Aufenthalt  wahlen. 

„Bodenfauna  im  weiteren  Sinne". 

Als  solche  sind  Tierformen  aufzufassen,  die  nur  wah- 
rend  einer  bestimmten,  begrenzten  Periode  ihrer  Entwick- 
lung  an  den  Aufenthalt  im  Boden  gebunden  sind,  deren 
Yorkommen  an  gewissen  Orten  auch  mehr  oder  weniger 
von  dem  Verhalten  anderer  Entwicklungsstadien  ab- 
hangig  ist. 

Fiir  uns  kommen  hier  hauptsachlich  Jugendstadien 
von  Arthropoden  in  Betracht.  Ihr  Aufenthalt  an  be- 
stimmten Standorten  ist  also  zum  Teil  bedingt  durch  die 
entwickelten  Insekten,  die  fiir  sich  oder  fiir  ihre  Larven 
bald  eine  besondere  Standortswahl  treften.  l)ald  aber  inner- 
halb  eines  klimatischen  Gebietes  ihre  Fortpflanzungs- 
produkte  an  zufalligen  Orten  niederlegen;  oder  die  Boden- 
formen  konnen  aus  eigenem  Antrieb,  aus  Nahrungsriick- 
$ichten  oder  fiir  den  Aufenthalt  uberhaupt.  einen  be- 
stimmten Standort  aufsuchen.  Die  Faktoron,  welche  das 
Vorkommen  der  Bodenfauna  im  weiteren  Sinne  bestimmen, 


390 


sincl  demnach  so  mannigfaltig,  dass  es  schwer  fallen 
muss,  den  Grad  ihres  Einflusses  unter  den  jeweiligen  Ver- 
haltnissen  festzustellen,  namentlich  soweit  es  sich  um  das 
Abhangigkeitsverhaltnis  der  mitbestimmenden  Luft-  und 
Oberflachenfauna  handelt.  Bei  der  Art  und  Weise  unserer 
Untersuchungen  ist  es  ausserdem  geradezu  unmoglich,  die 
gesammelten,  hieher  gehorigen  Tiere  naher  als  nach  der 
Zugehorigkeit  zu  einzelnen  Tiergruppen  zu  bestimmen. 

Wir  mussen  uns  daher  mit  Vergleichungen  iiber  das 
Verhalten  der  Kafer-  und  Dipterenlarven  und  iiber  das 
Vorkommen  der  Bodenfauna  im  weiteren  Sinne  insgesamt, 
begnugen. 

Kafer-  und  Dipterenlarven  sind  ein  ausserordentlich 
haufiger,  wenn  auch  oft  wenig  zahlreicher  Bestandteil  der 
Bodenfauna.  Erstere  sind  in  der  subalpinen  Region  haupt- 
sachlich  in  feuchtem,  humosem  Boden,  besonders  im  Walde> 
auch  bei  geringer  Machtigkeit,  in  grosser  Zahl  vorhanden 
und  fehlen  fast  nur  an  trockeneren  oder  nasskalten  Orten 
der  oberen  Regionen.  Dipterenlarven  fehlen  nur  in  7 
Proben ;  sie  sind  gegen  Trockenheit  resistenter  als  gegen 
nasskalte  Aufenthaltsorte.  Im  Walde  sind  ihrer  viel  weniger 
als  im  Freilande.  Sehr  stark  vertreten  sind  sie  an  wenigen 
Standplatzen,  so  besonders  in  Nr.  41  (unter  einem  „Kuh- 
fladenu);  im  Bergell  und  im  Fextal  finden  wir  grosse  Ahn- 
lichkeit  mit  dem  Verhalten  der  (grossten)  Enchytrjeiden- 
zahlen. 

Bcide  Grnppen  nehmen  in  grosseren  Hohen  an  In- 
divid uenzahl  im  allgemeinen  ab ;  Kaferlarven  finden  sich 
in  grosserer  Menge  nur  bis  2000 — 2200  m,  dagegen  hat 
Nr.  30  bei  2700  m  noch  eine  grosse  Anzahl  Dipterenlarven. 

Beinahe  keine  der  untersuchten  Standorte  entbehren 
der  n  Bodenfauna  im  weiteren  Sinneu,  obgleich  die  beziig- 


391 


lichen  Tierformen  und  deren  Menge  stark  differieren.  Die 
Unterschiede  in  der  Individuenzahl  lassen  sich  jedoch,  mit 
Ausnahme  der  fur  Kafer-  und  Dipterenlarven  oben  fest- 
gestellten  F&lle,  nur  wenig  durch  charakteristische  Eigen- 
tumlichkeiten  der  Standorte  erklaren ;  sie  scheinen  durch 
Unterschiede  in  der  Verbreitung  der  entwickelten  Tier- 
formen der  Oberflachenfauna  hervorgerufen  zu  werden. 
Ein  sprechendes  Beispiel  hiefur  ist  wohl  die  relativ  grossere 
Vertretung  der  Kaferlarven  im  Walde,  der  Dipterenlarven 
dagegen  im  Freilande. 

Weide  ist  im  allgemeinen  armer  an  ^Bodenfauna  im 
weiteren  Sinne"  als  Wald  imd  namentlich  Wiese;  am  auf" 
falligsten  zeigt  sich  dies  im  Bergell,  auch  im  Fextal,  das 
jedoch  im  ganzen  ziemlich  arm  ist. 

Feuchte,  humusreiche  Standorte  enthalten  gewohnlich 
grossere  Mengen  als  die  trockenen  Humusboden. 

Die  Abnahme  der  Individuenzahl  in  grosserer  Hohe 
zeigt  sich  auffallig  im  Bergell,  mehr  noch  aber  im  Fex- 
tal in  der  subnivalen  Region,  weniger  dagegen  im  Avers. 
Im  Alpstein  sind  nur  die  Proben  vom  Santis,  dem  Kul- 
minationspunkt  (ca.  2600  m),  sehr  arm. 

Der  im  grossen  und  ganzen  bedeutendo  Einfluss  der 
Hohenlage  ist  wohl  nur  ein  indirekter,  durch  das  Vor- 
kommen  der  Luft-  und  Oberflachenfauna  bedingt ;  letztere 
halt  sich  wegen  ihrer  Abhangigkeit  von  Klima  und 
Vegetationscharakter  nur  kiirzere  Zeit  und  wahrscheinlich 
noch  seltener  wahrend  ihrer  Fortpflanzungstatigkeit  in  den 
oberen  Regionen  auf. 

Ausnahmen  hievon  kommen  aber  vor,  und  dadurch  nur 
lasst  sich  die  selten  grosse  Anzahl  von  Larven  in  Nr.  41 
bei  der  Armut  des  Fextales,  sowie  die  grosse  Zahl  der 
Dipterenlarven  bei  2700  m  Hohe  im  Avers  erklaren.  — 


392 


In  den  Alpen  fallt  die  Fortpflanzungszeit  in  die  verkiirzte 
warmere  Periode.  Wie  auch  aus  unseren  Untersuchungen 
hervorgeht,  bestehen  deswegen  im  G-anzen  wahrend  der 
kurzen  Sommerszeit  nach  kleineren  zeitlichen  Unter- 
schieden  keine  Verschiedenheiten  im  Auftreten  der„Boden- 
fauna  im  weiteren  Sinne". 


Mollusken,  Collembolen  und  Acariden  sind  wohl  kaum 
zur  Bodenfauna  zu  zahlen;  ihre  Lebensweise  ist  zwar  zum 
Teil  noch  nicht  bekannt,  aber  die  Mehrzahl  ihrer  Arten 
halten  sich  wahrend  der  grossten  Zeit  ihres  Lebens  an 
der  Oberflache  auf.  Sie  sind,  wie  audi  die  Ergebnisse 
zeigen,  nur  in  ganz  geringem  Grade  von  den  Bod  en  ver- 
bal tnissen,  vielmehr  in  erster  Linie  von  ausseren  Stand- 
ortsbedingungen,  dem  allgemeinen  und  dem  Mikroklima, 
zum  Teil  auch  von  den  petrographischen  Verhaltnissen 
abhangig. 

Weil  Untersuchungen  iiberdieBeziehungenzumStand- 
orte  noch  wenige  durchgefuhrt  wurden,  weil  andererseits 
Vergleichungen  tiber  ihr  Verhalten  und  iiber  ihr  Vor- 
kommen  gegeniiber  dem  der  Bodenfauna  von  Interesse 
sein  mussen,  haben  wir  diese  verhaltnismassig  wenig 
inobilen  Oberflachentiere  in  unsere  Arbeit  einbezogen.  Ihre 
Beobachtung  und  das  Sammeln  Hess  sich  sehr  leicht  mit 
unseren  Untersuchungen  verbinden. 

Landmollusken  finden  sich  je  nach  der  Vorliebe 
der  einzelnen  Arten  an  feuchten,  schattigen,  wie  an 
trockenen,  steinigen,  sonnigen  Orten,  in  unserer  Gegend 
aber  vorzugsweise  an  feuchten  Pliitzen.  Nur  von  wenigen 
Arten  ist  fur  entwickelte  Individuen  ausgesprochener  Auf- 
enthalt  i  m  Boden  nachgewiesen  (Carychium  minimum  an 
Graswurzeln,    Lit.  2  b,   Helix  aculeata  im  Mulm  kleiner 


393 


Felsb&nder,  Lit.  2);  die  hartschaligon  Eier  aber  werden 
beinahe  immer  in  die  Erde  vergraben. 

Nach  unseren  Ergebnissen  bestimmt  zu  entscheidcn, 
inwieweit  nahere  Beziehungen  zu  den  engern  Standorts-, 
den  Bodenverhaltnissen,  bestehen,  ist  unzulassig,  da  eine 
grosse  Zahl  der  gesammelten  Individuen  verletzt  oder  leer 
war,  so  dass  aus  ihrem  Vorkommen  nicht  ohne  weiteres 
geschlossen  werden  darf,  dass  sie  am  Fundort  gelebt,  oder 
gar,  dass  dieser  Fundort  gunstige  Lebensbedingungen  ge- 
boten  habe.  Auch  muss  beriicksichtigt  werden,  dass  die 
Probeentnahmen  zu  verschiedenen  Tageszeiten  und  bei 
verschiedener  Witterung  vorgenommen  wurden,  die  Mol- 
lusken  aber  gerade  nach  solchen  Wechseln  am  haufigsten 
Wanderungen  unternehmen. 

In  die  Augen  fallend  ist  der  Unterschied  der  Ex- 
kursionsgebiete.  Die  fast  regelmassige  und  meist  starke  Ver- 
tretung  und  der  Artenreichtum  derMollusken  in  den  Proben 
vom  Alpstein  und  von  Calfeusen  und  ihr  seltenes,  fast  aus- 
nahmsweises  Vorkommen  an  den  Standorten  der  andern 
Exkursionsgebiete  (vergleiche  Kap.  V,  0)  glauben  wir  da- 
mit  erklaren  zu  mussen,  dass  Arten,  die  sich  im  Alpstein- 
Calfeusen  an  den  von  uns  abgesuchten  Standorten  liaufig 
aufhalten,  hier  seltener  oder  gar  nicht  vorkommen  odor 
dann  meist  andere  Standorte  bevorzugen.  Das  letztere 
scheint  eher  der  Fall  zu  sein,  da  Eier  immer  haufiger  an- 
zutreften  waren.  —  Dieses  verschiedeno  Verhalten  nach 
verschiedenen  Gegenden  mag  seine  Ursache  vielleicht  in 
den  klimatischen  oder  in  den  allgemein  petrographischen 
Yerhaltnissen  haben;  namentlich  das  Calfeusental  zeiclmet 
sich  ja  durch  haufige  und  starke  Niederscliliige  aus,  und 
hier  wie  im  Alpstein  bildet  geologisch  kalkbaltige  Unter- 
lage  die  Regel. 


394 


Em  massgebender  Einfluss  der  Bodenverhaltnisse  ist 
kaum  zu  erkennen.  Beinahe  alle  Fundorte  sind  hunius- 
reich.  An  nasskalten  Standorten  sind  meist  weder  Mol- 
lusken  noch  Eier  vorhanden. 

Bei  den  haufiger  gefundenen  Arten  lasst  sich  folgendes 
bemerken:  Hyalina  pura  ist  an  feuchten,  humusreichen 
Fundorten  iiberall  in  grosserer  Zahl  vertreten  als  an  mehr 
trockenen,  wahrend  Zua  lubrica  viel  haufiger  an  trockenen 
Orten,  aber  gewohnlich  in  kleiner  Individuenzahl,  zu  finden 
ist.  Beide  Arten  finden  sich  von  1350 — 2250  m,  wahrend 
die  nordische  und  alpine  Helix  sericea  erst  in  Hohen  von 
iiber  1500  m,  mit  jenen  vergesellschaftet,  auftritt.  Unsere 
Proben  iiber  2250  m  weisen  iiberhaupt  keine  Mollusken 
mehr  auf. 

Von  den  durch  Stoll  (Lit.  57)  namhaft  gemachten 
xerothermen  Mollusken  sind  an  den  untersuchten  Stand- 
orten keine  vertreten. 

Collembolen. 

Die  Beobachtung  ihrer  Verteilung  auf  der  Oberfliiche 
und  i  n  dem  Boden  war  ihrer  geringen  Grosse  wegen  nicht 
zuverlassig  durehzufiihren.  In  einzelnen  Fallen  trafen  wir 
einige  Individuen,  hauptsachlich  von  Isotoma  viridis  und 
Tomocerus  tridentiferus  in  geringer  Tiefe  in  der  humosen 
Schicht. 

Einzelno  Arten  scheinen  nach  ihrem  Vorkommen  an 
unseren  Probestandorten  (vergl.  Kap.  V,  D)  bestimmten 
Pflanzenformationen  den  Vorzng  zu  geben ;  Isotoma  viridis 
z.  B.  ist  in  grosser  Anzahl  in  Wiese  und  Weide,  nicht 
aber  im  Wald ;  Carl  verzeichnet  sie  aber  auch  im  Walde 
unter  faulenden  Holzstticken.  Mit  Bestimmtheit  ist  ein 
charakteristischer  Einfluss  der  engernStandortsverhaltnisse 


395 


also  nicht  za  erkennen,  mit  Ausnahme  eiues  etwelchen 
Ubergewichtes  feuchtfrischer  Orte. 

Dagegen  sind  wahrscheinlich  einige  Spezies  in  ihrer 
Hohenverbreitung  mehr  oder  weniger  begrenzt. 

Fur  Collembolen  im  allgemeinen  zeigen  im  Alpstein 
die  Hohenregionen  keine  wesentlichen  Unterschiede ;  im 
Fextal  mit  sehr  wenigen  Collembolen fundorten  weisen  nur 
zwei  Standorte  in  der  alpinen  Region  besonders  grosse 
Zahlen  auf ;  im  Bergell  sind  die  Proben  aus  der  subalpinen 
Region  ziemlich  reich,  aus  den  oberen  Regionen  arm  an 
Vertretern  der  Collembola,  wahrend  sie  im  Avers  an  der 
Grenze  der  subnivalen  Region  sogar  zahlreicher  sind  als 
in  den  tieferen  Lagen. 

Die  hochsten  Fundorte  haben  Isotoma  palustris  (Nr.  49 
2694  m),  Lepidocyrtus  cyaneus  (Nr.  28  und  30  bei  2700  m) 
und  Sminthurus  luteus  (Nr.  28  und  29  bei  2700  m). 

Die  Acariden  nehmen  wahrscheinlich  eine  Mittel- 
stellung  ein  zwischen  Bodenfauna  und  Oberflachenfauna. 
Sie  leben  haufig  in  Erdlochern.  Wir  haben  die  meisten 
auf  der  Oberflache  und  in  der  obersten  Bodenschicht,  oft 
jedoch,  namentlich  in  trockenem,  leichtem  Boden,  auch 
in  tieferen  Schichten  gefunden. 

Die  Acariden  bilden  einen  integrieronden  Bestand- 
teil  der  Oberflachen-  bezw.  der  Bodenfauna.  Nurwenige 
(9)  Standorte  enthielten  gar  keine  Acariden.  Das  Fehlen 
an  diesen  Platzen  mag  ausserdem  ein  nur  zulalliges  sein, 
da  sich  in  keinem  Exkursionsgebiet  eine  erkennbare  Stand- 
ortswahl  geltend  macht.  —  Nur  die  hochsten  Probeorte 
haben  im  Alpstein-Calfeusen,  im  Fextal  und  im  Bergell 
etwas  seltener  Acariden;  im  Avers  aber  gehen  sie  in 
grossen  Gesellschaften  bis  zur  oberen  Grenze  der  sub- 
nivalen Region. 


396 


Darnach  zeigen  sich  die  Acariden  als  sehr  resistent 
gegeniiber  alien  Boden-  und  klimatischen  Verhaltnissen. 


Ober  gegenseitige  Beziehungen  der  Boden-  und  der 
Oberflachenfauna. 

Es  sind  uns  nur  wenige  Arbeiten  bekannt  geworden, 
die  diesen  Gegenstand  auch  nur  andeutungsweise  behan- 
deln.  ZahlenmassigeErhebungenuberverschiedeneGruppen 
der  Bodenfauna  liegen,  die  Oligochaeten  von  Bretscher 
ausgenommen,  keine  vor. 

P.  E.  Muller  hat  nach  Hensen  (Lit.  30,  pag?  676.77) 
im  milden  Buchenliumus  „Lumbricus  terrestris  L.  und, 
wo  dieser  nicht  vorzukommen  scheint,  Lumbricus  pur- 
pureus  Eisen,  ausserdem  reichlich  Lumbricus  communis 
und  daneben  zahlreich  die  kleinen  EncliytrsBiden-Arten* 
festgestellt.     „Dazu  kommen  natiirlich  Insekten  .  .  .L 

,Jn  und  unter  dem  Buchenmoor  felilt  der  Regenwurm 
ganz,  und  das  tierische  Leben  ist  iiberhaupt  hochst  spar- 
lich  vertreten." 

Hensen  schreibt  iiber  die  Tierbefunde  in  Gartenerde 
(Lit.  30,  pag.  696):  „Die  Zahl  und  Masse  der  gefundenen 
andern  Tiere  (als  der  Regenwiirmer)  ist  sehr  gering  — 
—  — .  Am  zahlreichsten  sind  kleine,  weisse  Poduren.  — 
Eine  kleine  weisse  Spinne.  Geophilus  subterraneus  Leach 
(wurmerfressendj,  ferner  haufig  ein  Julus.  Ausserdem, 
aber  keineswegs  haufig,  ein  kleiner  Enchytraeus  Perrieri, 
Vejd.  Yereinzelt  werden  auch  eine  Xurmis,  eine  Land- 
planarie,  sowie  verschiedene  Acariden  gefunden." 

Bretscher  hat  bei  seinen  Untersuchungen  die  Menge 
der  Enchytra?iden  und    der  Lumbriciden   festgestellt;   er 


397 


zahlt  ausserdem  die  vertretenen  Arten  derselben  auf,  aber 

ohne  deren  Individuenzahl  anzugeben. 

Die  Menge  der  an  einem  Standorte  sich  aufhaltenden 

Tiere  ist  in  erster  Linie  wohl  von  dem  Grade  der  Gunstig- 

keit  derStandortsverhaltnisse  fiir  die  einzelnen  Tiergruppen 
abhangig.  Aber  die  Individuen  der  Bodenfauna  und  der 
Oberflachenfauna  konnen  sich  auch  direkt  gegenseitig  be- 
einflussen,  indem  besondere  Formen  als  Feinde  von  andern 
auftreten,  diese  vertilgen  und  dadurch  an  Zahl  dezimieren. 
Als  gierige  Eaub tiere  zeigen  sich  die  Chilopoden,  be- 
sonders  die  grosseren  Arten.  Sicher  bekannt  sind  sie  als 
Feinde  der  Regenwiirmer,  namentlich  junger  Tiere,  ferner 
als  Feinde  der  Poduriden,  Acariden  und  der  kleineren  In- 
dividuen ihrer  eigenen  Gattung.  In  selteneren  Fallen 
fressen  sie  Insektenlarven.  Es  ist  noch  festzustellen,  ob 
Enchytraeiden  und  Nematoden  von  ihnen  verschont  bleiben. 
—  Die  anderen  Formen  der  Bodenfauna  und  der  in  unserer 
Arbeit  berucksichtigten  Oberflachenfauna  sind  anscheinend 
meist  harmlose  Vegetarier  oder  Humus-  und  Aasfresser. 
Wir  glauben  aber,  dass  es  nicht  ausgeschlossen  ist,  dass 
die  grossen  und  gefrassigen  Tiere  unter  ihnen,  Lumbri- 
ciden  und  Diplopoden,  gleichwohl  in  gewissem  Sinne  als 
Feinde  der  Enchytraeiden  und  Nematoden  und  kleinerer 
Larven  anzusehen  sind.  Denn  sie  werden  kaum  bei  der 
Aufnahme  der  grossen  Quantitaten  von  humoser  Erde 
stets  vermeiden  konnen,  die  in  dieser  haufig  vorkommenden 
kleinsten  Tiere  mitzuverschlucken.  Beobachtungen  hier- 
uber  liegen  bis  heute  keine  vor.  —  Unter  den  Kaferlarven 
sind  sowohl  phytophage  wie  riiuberische  bekannt;  worin 
die  Nahrung  der  letzteren  hauptsachlich  besteht,  ist  nicht 
bestimmt  festgestellt. 

Bodentiere  konnen  endlich  auch  indirekt  auf  das  Vor- 


398 


kommen  anderer  einwirken  durch  den  vielen  von  ihnen 
eigenen  Einfluss  auf  Straktur  und  chemische  Eigenschaften 
des  Bodens. 

Die  Tabellon  in  Kapitel  VI  beweisen  nun  aber,  dass 
keine  der  Tiergruppen  in  ihrem  Zahlenverhaltnis  wesent- 
lich  von  einer  anderen  Gruppe  abhangig  ist,  sondern  dass 
sich  ihre  Menge  an  einem  Probestandorte  und  ihr  Vor- 
kommen  iiberhaupt  einzig  und  allein  nach  den  Standorts- 
verhaltnissen  richtet. 

Die  einander  ahnlichen  Anforderungen  der  Nematoden 
und  der  Oligochseten  bedingen,  dass  die  Haufigkeit  ihres 
Auflretens  im  allgemeinen  grosse  Ubereinstimmung  zeigt. 
dass  aber  nach  der  verschiedenen  Empfindlichkeit  der 
Nematoden,  der  Enchytneiden  und  der  Lumbriciden  gegen- 
iiber  einzelnen  Standortsbedingungen  sich  auch  mehr  oder 
weniger  grosse  Fluktuationen  in  der  Individuenzahl  der 
drei  Gruppen  bemerkbar  machen. 

Enchytrseiden,  Acariden  und  die  Bodenfaunaim  weitern 
Sinne  insgesamt  zeigen  sich  am  meisten  resistent.  Sie 
fehlen  nur  an  selir  wenigen  Orten. 

Mit  fast  gleicher  Regelmassigkeit  sind  Nematoden 
vorhanden,  wahrend  Lumbriciden,  Myriapoden  und  Collem- 
bolen  weniger  haufig,  erstere  beiden  aber  oft  in  grosser 
Masse  im,  beziehungsweise  auf  dem  Boden  auftreten. 
Chilopoden  finden  sich  im  ganzen  etwas  regelmassiger  vor 
als  die  Diplopoden.  —  Als  verhaltnismassig  sehr  wenig 
konstanter  Bestandteil  der  Oberflachenfauna  erscheinen 
die  Mollusken. 

Die  Oberflachenfauna  ist  viel  weniger  an  die  engern 
Stand ortsverhaltnisse  gebunden  als  die  Bodenfauna;  sie 
ist  aber  mehr  durch  klimatische  Faktoren  und  durch  die 
Pflanzenformation  beeinflusst  als  diese. 


399 


Es  ist  langst  festgestellt,  dass  bei  der  mobilen  Ober- 
flachen-  und  Luftfauna  in  den  oberen  Regionen  der  Alpen 
die  rauberischen  Fleischfresser  nach  Individuen-  und  Arten- 
zahl  die  Mehrzahl  bilden.  Bei  der  Bodenfauna  sind  auch 
an  der  oberen  Grenze  der  subnivalen  Region  fast  aus- 
schliesslich  Pflanzen-  und  Humusfresser  vorhanden. 


Zusammenfassung. 

Die  Haufigkeit  des  Vorkommens  und  die  Individuen- 
zahl  der  Bodentiere  sind  am  meisten  von  den  Standorts- 
verhaltnissen ,  namentlich  den  Bodenbedingungen,  ab- 
hangig.  —  Die  Menge  der  Individuen  ist  keineswegs  be- 
stimmend  fiir  die  Zahl  der  Arten.  Die  Zusammensetzung 
nach  Individuen-  und  Artenzahl  an  den  einzelnen  Stand- 
orten  richtet  sich,  mit  wenigen  Ausnahmen,  jeweils  nach 
dem  Grade  der  Giinstigkeit  der  vorliegenden  Verhaltnisse 
fiir  die  verschiedenen  Formen  der  Boden-  und  der  Ober- 
flachenfauna.  Die  quantitative  Vortretung  dieser  letztern 
scheint  aber  in  grossem  Masse  vom  Zufall  bedingt  zu  sein. 

Von  den  Bodenbedingungen  haben  Feuchtigkeit  und 
der  Gehalt  an  frischer  bis  verwesender  organischer  Sub- 
stanz  die  grosste  Bedeutung.  —  Strukturverhaltnisso,  Ex- 
position und  Neigung  spielen,  insofern  sie  nicht  besondere 
physikalische  und  chemische  Eigenschaften  des  Bodens 
bedingen,  eine  untergeordnete  Rolle,  ebenso  die  minera- 
logisch-chemische  Zusammensetzung  und  Art  und  Dichte 
des  Pflanzenbestandes. 

Der  Gesamtmachtigkeit,  den  von  dieser  in  hohem 
Masse  abhangenden  Boden-Temperaturverhaltnissen  ist  nur 
in  sehr  kleinem  Grade  eine  gewisse  Einwirkung  auf  die 
Bodenfauna   im  allgemeinen   zuzuschreiben.     Sie   aussert 


/ 


400 


sich  nur  auf  Lumbriciden  und  auf  die  grossten  Nematodes 
formen. 

Dagegen  h&ngt  das  Vorkommen  von  einzelnen  Tier- 
gruppen  und  ihre  Verteilung  auf  verschiedene  Tiefen 
wesentlich  ab  von  der  Machtigkeit  und  der  Art  der  ver- 
schiedenen  Bodenschichten,  hauptsachlich  von  den  Eigen- 
schaften  der  oberen  humosen  Decke  und  der  nachstfolgen- 
den  Schicht.  Die  erstere  enthalt,  mit  wenigen  Ausnahmen, 
wahrend  der  Sommermonate  die  Hauptmasse  der  Boden- 
fauna. 

DiePflanzenformation  hat  auf  die  verschiedenen  Formen 
verschieden  grossen  Einfluss ;  insgesamt  aber  bestehen  nur 
wenige  Unterschiede,  die  sich  nicht  auf  bodenphysikalische 
Verhaltnisse  zuriickfuhren  lassen. 

Innerhalb  des  Bereiches  unserer  Untersuchungen  — 
1300—2700  m  —  ist  die  Bodenfauna  in  sehr  verschiedenem 
Grade  von  der  Meereshohe  der  Standorte  abhangig.  Ein- 
zelne  Gruppen  (Myriapoden,  Mollusken)  scheinen  direkt 
durch  die  Veranderung  der  klimatischen  Verhaltnisse  liber 
bestimmten  Hohen  stark  benachteiligt  zu  werden,  andere 
(Lumbriciden)  mehr  durch  allgemeine  Verschlechterung 
der  Bodenverhaltnisse,  wahrend  Nematoden,  Enchytrseiden, 
Coliembolen  und  Acariden  nachgewiesenermassen  bis  zur 
obern  Grenze  der  subnivalen  Region  gunstige  Lebens- 
bedingungen  finden  konnen  und  sich  dann  noch  in  grossen 
Massen  ansammeln.  Die  Bodenfauna  ist  also  in  hoheren 
Regionen  oft  nicht  weniger  zahlreich,  wohl  aber  viel  ein- 
formiger  als  in  der  subalpinen  und  der  untern  alpinen 
Region. 

Die  verschiedenen  Exkursionsgebiete  zeigen  hinsicht- 
lich  einzelner  Arten  und  Gruppen  der  Bodenfauna  charakte- 
ristische  Unterschiede.     Im  allgemeinen  aber,  wenn  wir 


401 


die  Bodenfauna  als  Ganzes  betrachten,  scheinen  sich  in 
gleichen  Hohen  Differenzen  nur  der  Verschiedenheit  der 
Bodenverhaltnisse  wegen  gel  tend  zu  machen.  Ein  gegen- 
seitiger  Einfluss  der  Bestandteile  der  Bodenfauna  hinsicht- 
lich  ihres  Vorkommens  und  ihrer  Masse  ist  nirgends  be- 
merkbar. 

Bodenfauna  und  Oberflachenfauna  der  Gebiete  unserer 
Unter8uchungen  zeigen  ausgesprochen  alpin  -  nordischen, 
beziehungsweise  kosmopolitischen  Charakter.  Dies  geht 
nnzweifelhafb  hervor  aus  der  H&ufigkeit  alpiner  und  alpin- 
nordischer,  wie  auch  resistenter  Formen,  aus  der  Bevor- 
zugung  der  feuchten  Stand orte  durch  die  Bodenfauna  im 
ganzen,  wahrend  an  trockeneren  Orten  nur  resistente  Tiere 
sich  finden. 

Endemische  thermophile  Arten  fehlen  dagegen  selbst 
an  trockenen,  stark  geneigten  Sudhangen  mit  sporadisch 
grosser  Erwarmung. 


Til.  Der  Einfluss  der  Bodenfauna  in  den  Alpen 
auf  ihren  Standort. 

Die  Arbeiten  von  Darwin  (Lit.  18),  Hensen  (Lit.  29 
und  30),  Wollmy  (Lit.  69)  und  Djemil  (Lit.  19)  haben 
die  Tatigkeit  des  „grossen  Regenwurms",  Lumbricus  ter- 
restris  L.,  in  Acker-  und  Gartenerde  und  seinen  Einfluss 
an  diesen  Orten  auf  die  Entwicklung  der  Pflanzen  unter- 
sucht.  Von  der  eidgenossischen  Samenuntersuchungsanstalt 
in  Zurich  wurden  inneuesterZeitaufVeranlassung  Bretschers 
Vereuche  eingeleitet  zur  Feststellung  des  Einflusses  des 
Regenwurmes  auf  den  Ertrag  und  die  Zusammensetzung 
des  Rasens. 

26 


i 


C.  Kellor  (Lit.  84 1  ist  audi  auf  Untersuchungen  ein- 
getreten  liber  den  Einiiuss  tieriscber  Tatigkeit  im  allge- 
meinen  auf  Hurausbildung  und  Bodenkultur. 

Da  aus  unseren  Untersuchungen  sich  verschiedene 
Abweichungen  ergeben  im  Verhalten  der  Bodenfauna  in 
den  Alpen  gegeniiber  dem  Flachlande,  wird  uns  nahe- 
gelegt,  auf  einige  Betrachtungen  iiber  ihren  Einfluss  auf 
den  Standort  in  den  Alpen  einzugehen. 

Die  Bodenfauna  und  die  bodenstandige  Oberfl&chen- 
fauna  der  Alpen  besteht  in  ihrer  Hauptmasse  aus  Oligo- 
ehsBten,  Myriapoden  und  Insektenlarven ;  aber  auch  die 
Tatigkeit  der  regelmassig  vorhandenen  Nematoden  und 
Acariden,  der  oft  zahlreichen  Collembolen  und  Mollusken 
darf  in  Anbetracht  der  Sum  me  stetig  dauernder  kleiner 
Wirkungen  nicht  zum  vornherein  gering  geschatzt  werden. 

Die  zum  Teil  von  einander  abweichenden  Folgerungen 
der  oben  genannten  Autoren  lassen  sich  nicht  ohne  weiteres 
auf  die  Alpen  iibertragen.  Die  verschiedenen  Lumbri- 
cidenarten,  mit  denen  wir  hier  zu  rechnen  haben,  unter- 
scheiden  sich  in  gewissen  Beziehungen  in  ihren  Lebens- 
gewohnheiten  vom  grossen  Regenwurm.  Auch  die  Stand- 
orts-,  besonders  die  Bodenverhaltnisse  sind  hier  andere 
als  im  Tieflande. 

Al8  auch  in  den  Alpen  zutreffend  darf  angenommen 
werden,  dass  Oligochaeten,  Diplopoden  und  eine  grosse 
Zahl  von  Larven,  Collembolen  und  Acariden,  vielleicht 
auch  Nematoden,  wahrend  der  warmeren  Jahreszeit  eine 
Menge  von  frischen  und  in  Zersetzung  begriffenen  Pflanzen- 
teilen,  Mollusken  und  Collembolen*)  auch  lobende  Pflanzen 
in  ihren  Verdauungskanal  aufnehmen  und  in  einfacherer 

*)  tTber  die  Ernahrung  der  Collembolen  finden  sich  nur  wenige, 
unsichere  Angaben. 


403 

Form  wieder  ausscheiden.  Hiedurch  wird  der  Humus- 
gehalt  des  Bodens  vermehrt  und  raschere  und  vollstandigere 
Zersetzung  der  organischen  Bestandteile  eingeleitet. 

Eine  Vermehrung  des  Humus  wird  auch  bewirkt  durch 
die  Absonderungen  der  Verdauungs-  und  der  Harnorgane 
und  durch  die  abgestorbenen  Tiere. 

Die  R&uber,  unter  den  Bodentieren  wenig  zahlreich, 
verandern  animal ische  Stoffe  und  beschleunigen  deren 
Verwesung. 

Die  Eegenwiirmer  und  sicher  auch  einige  Diplopoden 
(nach  Plateau,  Lit.  46)  unterstiitzen  durch  ihre  leicht  sauren 
Exkrete  die  chemische  Verwitterung  des  Bodens. 

Alle  Bodentiere,  welche  mit  ihrer  Nahrung  auch  Erde 
verschlucken,  hauptsachlich  also  Oligochaaten  und  Myria- 
poden,  zerkleinern  dabei  die  mineralischen  Bestandteile 
und  vermischen  sie  innig  mit  der  organischen  Substanz. 
Die  kleineren  Tiere  erganzen  hierin  in  vorteilhafter  Weise 
die  Tatigkeit  der  grosseren  und  besonders  in  der  Umgebung 
der  "Wurzeln.  Die  Exkrementhaufen  werden  an  der  Ober- 
fliiche  und  in  der  humosen  Schicht  abgelagert,  wo  sie  den 
Atmospharilien  am  meisten  ausgesetzt  sind  und  wodurch 
fiir  die  Wurzeln  leicht  erreichbare  und  leicht  aufnehm- 
bare  Nahrung  geschaffon  wird. 

Die  Ablagerung  vieler  feiner  Bodenbestandteile  auf 
der  Oberflache  hat,  namentlich  in  den  Alpcn  bei  haufigen 
steilen  Hangen,  auch  grossere  Denudation  zur  Folge.  In- 
wieweit  auch  das  Einsinken  von  Steinen  bowirkt  wird, 
vermogen  wir  nicht  zu  entscheiden. 

Die  Wanderungen  der  Bodenfauna  besehritnken  sich 
in  den  Alpen  mehr  als  im  Tief  lando  auf  die  oberen  und 
obersten  Scliichten.  Diese  werden  in  alien  Kichtungen 
mit  zahllosen,  kleinen  und  grossen  Gangen  durchquert,  und 


404 


namentlich  Lumbriciden,  Myriapoden  und  Larven  schaffen 
auch  Verbindungen  mit  der  Aussenwelt. 

Wollmy  hat  durch  Versuche  bewiesen,  dass  hiedurch 
die  Luftkapazitat  bedeutend  erhoht,  die  Wasserkapazitat 
vermindert  wird.  Die  vermehrte  Durchluftung  des  Bodens 
bedingt  wiederum  schnelleren  Umsatz  der  organischen 
Bestandteile,  Bereicherung  des  Bodens  mit  Kohlensaure 
und  grossere  Intensitat  der  chemischen  Verwitterung,  also 
auch  Vergrosserung  des  Gehaltes  an  Pflanzenn&hrstoffen. 

Wie  Hensen,  Wollmy  und  Dj6mil  nachgewiesen  haben, 
dringen  Wurzeln  mit  Vorliebe  in  die  Regenwurmrohren 
ein.  Dies  diirfte  wohl  der  Fall  sein  bei  den  tierischen 
Gangen  im  Boden  iiberhaupt.  Da  sich  Enchytraeiden  und 
Nematoden  vorzugsweise  in  der  Nahe  von  Wurzeln  auf- 
halten,  werden  durch  sie  namentlich  Wege  fur  die  feinsten 
Faserwurzeln  geoffnet. 

Den  Collembolen  und  Acariden  dagegen  kann  kaum 
ein  wesentlicher  Anteil  an  der  mechanischen  Bodenbear- 
beitung  zugeschrieben  werden;  sie  bewegen  sich  in  den 
Rohren  der  genannten  „Erdefresseru. 

Die  Tatigkeit  der  Bodenfauna  insgesamt  bereitet  den 
Boden  vor  fur  die  Samen,  bereichert  ihn  an  Pflanzennahr- 
stoffen  und  unterstiitzt  direkt  und  indirekt  Entwicklung, 
Kraftigung  und  Verdichtung  des  Wurzelwerkes  in  den 
oberen  Schichten. 

Eine  Aufschliessung  der  tiefern  Bodenschichten  findet 
in  den  Alpen  nur  in  ganz  geringem  Masse  statt. 

Die  Bedeutung  der  Bodenfauna  wird  besonders  erhoht 
durch  ihre  Bevorzugung  der  feuchtfrischen  Standorte, 
welche  im  allgemeinen  dicht,  luftarm  und  wasserreich  sind 
und  deren  Boden  nur  geringe  Garungserscheinungen  und 
langsame  Verwitterung  zeigt,  wo  sich  deshalb  der  glinstige 


406 


Einfluss  der  tierischen  Tatigkeit  in  viel  grSsserem  Masse 
geltend  macht. 

Die  Standorte,  die  nur  einzelne  Bestandteile  der  Boden- 
fauna  oder  nor  wenige  Individuen  enthalten,  trockenere, 
nasskalte  oder  in  grosser  Hohe  gelegene,  sind  solche,  die 
der  Bodenverhaltnisse  wegen  die  Tatigkeit  der  Boden- 
fauna  leicht,  sogar  mit  Vorteil  entbehren  konnen  oder  deren 
Vegetation  ganz  besonderen,  abweichenden  Charakter  tr&gt. 


Schluss. 

Wir  mussten  in  unserer  Arbeit  von  Versuchen  iiber 
die  Lebensweise  der  alpinen  Bodenfauna  absehen  und 
nrassen  uns  daher  an  diesem  Orte  begniigen,  einige  Ge- 
danken  zu  beriihren,  die  sich  uns  bei  unsern  vorliegenden 
Ausfuhrungen  aufgedrangt  haben. 

In  den  Alpen  weist  der  Boden  bis  zu  30  cm  Tiefe 
selbst  wahrend  der  kurzen  Entwicklungs-  (Vegetations-) 
zeit,  den  Monaten  Juni  bis  September,  sehr  niedrige  Tem- 
peraturen,  sogar  ziemlich  oft  unter  0°,  auf.  Diese  kalten 
Temperaturen  sind  die  Folge  der  taglichen  Fluktuationen 
der  Lufttemperatur  und  konnen  sich  nach  den  Messungen 
von  Sils-Maria  nach  einigen  Stunden  bis  zur  genannten 
Tiefe  (30  cm,  vielleicht  sogar  tiefer)  bemerkbar  machen. 
Meistens  werden  sie  durch  hohere  Lufttemperatur  am  Tag 
bald  wieder  erhoht. 

Es  bleibt  Versuchen  anheimgestellt,  welchen  Einfluss 
diese  rasch  eintretenden  Sommer-Temperaturschwankungen 
auf  die  verschiedenen  Bestandteile  der  Bodenfauna  ausuben. 

Es  scheint  aber  sehr  wahrscheinlich  zu  sein,  dass  die 
Bodenfauna,  die  bei  2000  m  (iiber  der  Hohe  von  Sils- 
Maria)  noch  fast  gleiche  Menge  und  Mannigfaltigkeit  auf- 
weist,  wie  an  der  unteren  Grenze  der  subalpinen  Region, 


406 


von  diesen  Temperatureinfliissen  wenig,  fast  gar  nicht 
beeintr&chtigt  wird. 

Denn  selbst  die  Sudhange  mit  den  st&rksten  und  am 
wenigsten  vermittelten  Fluktuationen  zeigen  keinen  Unter- 
schied,  dem  Wald  gegeniiber  z.  Bi?  welcher  ziemlich  gleich- 
m&ssige  Temperaturen  bildet. 

W&hrend  des  Sommers  entbehren  sie  meistens  der 
schiitzenden  Schneedecke,  welche  im  Tale  diese  niedrigen, 
winterlichen  Temperaturen  von  den  untern  Bodenschichten 
abhalt. 

Auch  wiirde  ein  Entweichen  in  grossere  Tiefen'kaum 
moglich  sein,  da  der  Boden  selten  auch  nur  eine  Machtig- 
keit  von  30  cm  hat.  Auf  der  Suche  nach  besser  geschiitzten 
Standorten  aber  mussten  die  Wanderer  doch  unfehlbar  der 
Kalte  zum  Opfer  fallen. 

Es  ist  festgestellt,  dass  Lumbricus  terrestris  ein  Ge- 
frieren  bei  langsamem  Wiederauftauen  ertr&gt.  Die  in 
den  Alpen  lebenden  Lumbricidenarten  sind  wohl  in  noch 
erhohtem  Grade  widerstandsfahig. 

Enchytraeiden  und  Nematoden,  sicher  bis  zu  2700  m, 
der  untern  Grenze  der  Schneeregion ,  in  grosserer  Zahl 
nachgewiesen,  gehen  vielleicht  in  betrachtlich  grossere 
Hohon,  soweit  uberhaupt  noch  eigentlicher  Boden  zu 
finden  ist.     Ebenso  Collembolen  und  Acariden. 

Sie  mussen,  wie  viele  Insektenlarvren,  ein  zeitweises 
Aufheben,  beziehungsweise  ein  Verschieben  ihrer  Fort- 
ptlanzung  auf  mehrere  Jahre  hinaus  ertragen  kOnnen;  oder 
es  sei  denn,  sie  werden  hierin  durch  auch  w&hrend  den 
wenigen  Sommermonaten  haufig  eintretende  Nullpunkte 
der  Bodentemperatur  nicht  gestdrt. 

Um  iiber  den  von  Bretscher  den  Lumbriciden  zuge- 
schriebenen    .Wandertrieb"    zur  Befriedigung   des   Fort- 


407 


pflanzung8triebes  vollige  Klarheit  zu  gewinnen,  miissen 
nach  unserem  Erachten  neue  besondere  Beobachtungen  in 
den  Alpen  gesammelt  werden.  Es  erscheint  uns  zum 
mindesten  fraglich,  dass  die  Regenwiirmer  hier  wirklich 
in  den  meisten  Fallen  zur  Ausiibung  der  geschlechtlichen 
Funktionen  grossere  Wanderungen  auf  der  Oberfl&che  vor- 
nehmen  werden ;  diese  Wanderungen  konnten,  wegen  der 
Empfindlichkeit  gegen  Licht,  nur  Nachts  stattfinden.  Aber 
selbst  die  Sommernachte  weisen  in  den  Alpen  meist  sehr 
niedrige  Lufttemperaturen  auf,  bei  denen  die  Tiere  nach 
unserem  heutigen  Wissen  in  ihren  samtlichen  Lebens- 
erscheinungen  erschlaffen,  in  den  ihnen  eigentumlichen 
^Kalteschlaf*  sinken  miissten,  wenn  sie  sich  der  Luft- 
teniperatur  langere  Zeit  aussetzen  wiirden  durch  dauernden 
Aufenthalt  auf  der  Oberflache. 

Eine  oberflachliche  Begattung  nahe  benachbarter  In- 
dividuen  durch  momentanes  odor  nur  teilweises  Verlassen 
der  Rohren,  wie  sie  im  Flachlande  haufig  beobachtet  wird, 
kann  wohl,  namentlich  in  hoheren  Regionen,  nicht  unter 
alien  XJmstanden  stattfinden  wegen  der  oft  grossen  Ent- 
fenmng  der  einzelnen  Individuen. 

Es  drangt  sich  un«  daher  die  Frage  auf,  ob  nicht 
vielleicht  dem  Fortpflanzungstriebe  bei  unterirdischen  Wan- 
derungen Greniige  geleistet  werde.  Leider  miissen  Versuche 
hieriiber  auf  grosse  technische  Schwierigkeiten  stossen. 

Wir  konnen  durch  die  ausgefuhrten  vorstehenden 
Untersuchungen  keine  abschliessenden  Resultate  feststellen. 
Hiezu  ist  die  Zahl  der  Proben  noch  zu  klein.  Unsere  Arbeit 
kann  und  will  nur  einen  Beit  rag  liefern  zur  Kenntnis  der 
Formen  der  Bodenfauna  in  den  Alpen  in  ihren  gegenseitigen 
Verhaltnissen  und  in  ihren  Beziehungen  zum  Standort. 


408 


I.  Anhang. 
Abkflrzungen. 

A 1  p  9 1.  =  Alpstein ;  C  a  1  f  .  =  Calfeusental ;  A  v.  =  Avers ;  F  e  x. 
=  Fextal;  Bgl.  =  Bergell. 

1.  Pflanzeribestand.1) 

Kh.  =  Kalkhold.  fl.  =  feuchtigkeitliebend. 

Kih.  =  Kieselhold.  mf . = a.  mittelfeuchtem,  frischeni 

Kis.  =  Kieselstet.  Boden. 

dfo.  =  dungerfordernd.  tl.  =  trockenheitliebend. 

dl.  =  diingerliebend.  L.  =  H.  =  vorzngsweise  in 

dfl.  =-=  diingerfliehend.  humusreichem  Boden. 

dfti.  =  dungerfiirchtend.  bo.  =  bv.  =  bodenvage,  fiberall. 

Skala  der  Dichtigkeit:  dicht  —  ziemlich  locker  —  locker 
—  vereinzelt  —  fehlend  =  0. 

3.  Boden. 

Expos.  =  Exposition,  nach  S  (Sud),  0  (Ost),  N  (Nord),  W 
(West). 

Neig.  =—  Neigung.  Geolog.  =  Geologischer  Unter- 
grund. 

a  =  morphologische,  b  =  chemische,  c  =  physika- 
lische  Eigenschaften  (soweit  letztere  nicht  durch  die  Bodenbenen- 
nung  ausgedriickt  sind). 

Skala  iiber  Feuchtigkeitsverhaltnisse2)  beim  Befund: 

Der  Boden  ist: 
diirr,  wenn  er  so  wenig  Feuchtigkeit  hat,  dass  er  staubt,  wenn  er 

gut  zerrieben  ist ; 
trocken,   wenn  er  nicht  staubt,  aber  doch  die  Handballe  beim 

Driicken  mit  der  Hand  nicht  feuchtet ; 
frisch,  wenn  er  beim  Driicken  mit  der  Hand  diese  befeuchtet; 
feucht,  wenn  dabei  das  Wasser  tropfenweise  abfliesst; 
nass,  wenn  Wasser  ohne  Druck  abfliesst. 

Skala  iiber  Humusgehalt  des  Bodens: 
humusarm  —  humushaltig  —  humos  —  humusreich  —  humus- 

iiberreich  —  moorig  —  torfig. 

l)  Nach  Stebler  und  Schroter,  Lit.  55,  pag.  26/27. 
*)  Stebler,  Lit  56. 


409 


3.  Fauna. 

Abktirzungen  and  Zeichen. 
N  =  Nematoden. 
E  =  Enchytr®iden. 
L  =  Lumbriciden. 
Mi  =  Diplopoden. 
M*  =  Chilopoden. 
Bw  =  Bodenfauna  im  weitern  Sinne  (Larven,  Puppen  u.  a.) 

a  =  K&ferlarven. 

p  =  Dipterenlarven. 

y=  tAndere*  (und  .ungewiss*). 
G=  Gastropoden. 
C  =  Gollembolen. 
A  =  Acariden. 

*  9   =  nicht  geschlechtsreif  (oder  juv.  ==  jung). 

Brs.  =  Bruchstlicke,  ladiert. 

Die  Zahlen  beziehen  sich  auf  Individuenanzahl. 


Anhans:  II. 


Litteraturverzeichnis. 

Nr.  1  Am  Stein,  J.  H. :  Myriapoden  und  Crustaceen  Grau- 

b lindens.    Jahresbericht  der  Naturforschenden  Gesellschaft 

Graubundens  1857. 
Nr.  2  a  Verzeichnis  der  bisher  bekannt  gewordenen  Mol- 
lusken  Graubundens.    1885  ibidem. 

b  Beitrftge  zur  Molluskenfauna  Graubundens  (Nach- 
tr&ge  1884—1889)  ibidem  1889. 
Nr.  3  Annalen  und  Originaltabellen  der  schweizer.  meteoro- 

logischen  Zentralanstalt  1896—1901. 
Nr.  4  Beddard:  A  Monograph  of  the  Order  of  Oligochsetae. 

Oxford  1895. 
Nr.  5  Bretscher,  C:  Die  Oligochaeten  von  Zurich.  Revue  Suisse 

de  Zoologie  1895/96. 
Nr.  6  Derselbe:    Beitrag  zur  Kenntnis    der   Oligochaeten- 

fauna  der  Schweiz  ibidem #1899. 
Nr.  7  Derselbe:    Mitteilungen    iiber   die  Oligochaeten - 

fauna  der  Schweiz  ibidem  1900. 


410 


Nr.  8  Derselbe:  Siidschweizerische  Oligoctiseten,  ibidem, 
1900. 

Nr.  9  Derselbe:  t)ber  die  Verbreitungsverhaltnisse  der 
Lumbriciden  in  der  Schweiz.  Biolog.  Zentralblatt. 
Band  XX,  1900. 

Nr.  10  Derselbe:  ZurBiologie  der  Regenwiirmer,  ibidem. 
Bd.  XXI,  1900. 

Nr.  11  Derselbe:  Beobachtungen  iiber  Oligochseten  der 
Schweiz.    Revue  Suisse  de  Zoologie  1901. 

Nr.  12  Burckhardt,  G.:  Quantitative  Studien  iiber  das  Zoo- 
plankton  des  Vierwaldst&ttersees.  Mitteilungen  der 
Naturforschenden  Gesellschaft  Luzern.    3.  Heft. 

Nr.  13  Carl,  J.:  tlber  Collembola  der  Schweiz.  Verhandlungen 
der  Schweiz.  Naturforschenden  Gesellschaft.  81.  Versamm- 
lung. 

Nr.  14  Claparede:  Histologische  Untersuchungen  fiber  den 
Regenwurm.  Zeitschrift  fur  wissenschaftliche  Zoologie. 
Band  19.    1869. 

Nr.  15  Christ:  Pflanzenleben  der  Schweiz.    Zurich,  1879. 

Nr.  16  Claus,  C:  tfbereinige  im  Humus  lebende  Anguillu- 
lidae.  Zeitschrift  fur  wissenschaftl.  Zoologie.  Bd.  XII,  1862. 

Nr.  17  von  Dalle  Torre:  Anleitung  zur  Beobachtung  der  al- 
pinen  Tierwelt.  Zeitschrift  des  Deutsch-Osterreichischen 
Alpenvereins.    1881. 

Nr.  18  Darwin,  Chr.:  Die  Bildung  der  Ackererde  durch  die 
Tatigkeit  der  Wiirmer.  tTbersetzt  von  V.  Carus.  Stutt- 
gart, 1882. 

Nr.  19  Djemil  Mehmed:  Untersuchungen  iiber  den  Einfluss 
der  Regenwiirmer  auf  die  Entwicklung  der  Pflan- 
zen.    Halle,  1896. 

Nr.  20  Dieffenbach:  Anatomische  und  systematische  Stu- 
dien an  Oligochfietaj  limicolae.  24.  Bericht  der  Ober- 
hessischen  Gesellschaft  fiir  Natur-  und  Heilkunde.    1886. 

Nr.  21  Dreyer,  A.:  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Funktion  der 
Schutzscheide.    St.  Gallen,  1892. 

Nr.  22  Ebermayer,  L.:  Untersuchungen  iiber  das  Verhalten 
verschiedener  Bodenarten  gegen  Wftrme.  Ref.  in 
der  Meteorolog.  Zeitschrift.    1892. 

Nr.  23  Geiger,  E. :  Das  Bergell.  Forstbotanische  Studie.  Chur, 
1901. 

Nr.  24  Gremli,  A.:  Exkursionsflora  der  Schweiz.  Aarau, 1889. 


411 


Mr.  25  Heer,  0.:  Beitr&ge  zur  Pflanzengeographie.  Zurich, 

1835. 
Nr.  26  Derselbe:  t)ber  die  obersten  Grenzen  des  tierischen 

und  pflanzlichen  Lebens  in  den  Schweizeralpen. 

Neujahrsblatt  der  Ziircher.  Naturforschenden  Gesellschaft. 

1845. 
Nr.  27  Derselbe:  Geographische  Verbreitung  der  Kftfer 

in  den  Schweizeralpen.  Mitteikmgen  aus  dem  Gebiete 

der  theoretischen  Erdkunde.    Zurich,  1834. 
Mr.  28  Heim,  A.:  Zur  Geologie  des  Klubgebietes  (Ringelspitz 

und  Graue  HOrner).    Jahrbuch  des  S.  A.  C.    1888. 
Nr.  20  Hensen,  V.:  DieTatigkeit  des  Regenwurmes  fiir  die 

Fruchtbarkeit  des  Erdbodens.  Zeitschrift  fiir  wissen- 

schaftliche  Zoologie.    Band  28,  1877. 
Nr.  30  Derselbe:  Fruchtbarkeit  des  Erdbodens  in  ihrer  Ab- 

h&ngigkeit  von  den  Leistungen  der  Regen  wurmer. 

Landwirtschaffclichen  Jahrbucher  von  Thiel.  Band  XI.  1882. 

Berlin. 
Nr.  31  Hensele,  J.  A.:  Untersuchungen  iiber  den  Einfluss 

desWindesaufdenBoden.  Mitteilungen des agrikultur- 

phys.  Laboratoriums  der  technischen  Hochschule  Miinchen, 

1893. 
Nr.  32  Hoffmeister,  W. :  Die  bis  jetzt  bekannten  Arten  aus 

der  Familie  der  Regenwurmer.    1845. 
Nr.  33  Kaltenbach:  Die  Pflanzenfeinde  aus  der  Klasse  der 

Insekten.    Stuttgart,  1874. 
Nr.  34  Keller,  C. :  Humusbildung  und   Bodenkultur  unter 

dem  Einfluss  tierischer  Tiitigkeit.    1887. 
Nr.  35  Kramer:  Acaridae.  In:  Das  Tierreich.  3.  und  4.  Lieferung. 

Berlin. 
Nr.  36  Latzel,  R.:  Die  Myriopoden  der  Qsterreichisch-un 

garischen  Monarchie.  2  Bande.  Wien,  1880—1884. 
Nr.  37  Leunis,  J.:  Synopsis  der  Tierkunde.  Hannover  1883. 
Nr.  38  Michaelsen,  W.:  Oligochseta.  In:  Das  Tierreich.  10.  Lie 

ferung.    Berlin,  1900. 
Nr.  30  — :  Synopsis  der  Enchytrseiden.    1889. 
Nr.  40  Mitteilungen  der  schweiz.  Zentralanstalt  fiir  forstlichet 

Versuch8wesen.    Band  3  und  4   (Berichte  von  Biihler  und 

Henne)  und  Originaltabellen  tiber  Bodentemperaturen 

in  Haidenhaus. 


412 


Nr.  41  Moesch,  C:  Das  Tierreich  (in  der  Schweiz)  in  Wirth's 

Schweiz  (vide  L.  42). 
Nr.  42  Muhry,  A.:  Allgemeines  Klima  der  Schweiz  intWirth, 

Beschreibung  and  Statistik  der  Schweiz.    1871. 
Nr.  43  Nttrdlinger:  Wald  und  Bodenwarme.    Ca.  1880. 
Nr.  44  Nowacki,  A. :  Praktische  Bodenkunde.    Berlin,  1892. 
Nr.  45  Plateau,  F.:  Recherches  sur  les  Phrinomenes  de  la 

digestion  (etc.)  chez  les  Myriopodes  de  Belgiqne. 

Mem.  de  I'Acad.  royale  de  Belgique.    1876. 
Nr.  46  v.  Bath,  0.:  a)  tfber  die  Fortpflanzung  der  Diplo- 

poden  (Chilognathen)  (1889?);  b)  Zur  Biologie  der 

Diplopoden.    In:  Bericht  der  Naturforschenden  Gesell- 

schaft  Freiburg  i.  Br.    Band  V,  1891. 
Nr.  47  Bibaucourt,  Ed.:  Etude  sur  la  faune  Lombricide  de 

la  Suisse.    Revue  Suisse  de  Zoologie.    1896/97. 
Nr.  48  Rothenbiihler,  H. :  Ein  Beitrag  zur  Kenntnis  der 

Myriopodenfauna  der  Schweiz.  Revue  Suisse  de  Zoo- 
logie.   1899. 
Nr.  49  Rothenbiihler,  H. :  2.  Beitrag  zur  Kenntnis  derDiplo- 

podenfauna  der  Schweiz;  ibid.  1900. 
Nr.  50  Rothenbiihler,  H.:  Myriopoden  Graubiindens;  ibidem 

1901. 
Nr.  51  Schinz  und  Keller:  Flora  der  Schweiz.    Zurich,   1900. 
Nr.  52  Schneider,  L.:  Monographie  der  Nematoden.    Berlin, 

1868. 
Nr.  53  Scbrflter,  C.  und  L.:  Alpen flora.    1896. 
Nr.  54  SchrSter,  C:  Das  St.  Antoniertal.  Landwirtschaftliches 

Jahrbuch  der  Schweiz.    1895. 
Nr.  55  Stebler  und  Schr5ter :  Die  Alpenfutterpflanzen.  Bern, 

1889. 
Nr.  56  Stebler  und  Schrtiter:  Beitrage  zur  Kenntnis  der  Mat- 
ten  und  Wei  den  der  Schweiz.  Im  Landwirtschaftlichen 

Jahrbuch  der  Schweiz.    Band  1,  2,  6  —  11. 
Nr.  57  Stoll,  Otto:    tTber  xerothermische   Relicten   in   der 

Schweizer-Fauna  der  Wirbellosen.    Festschrift  der 

Geographisch-EthnographischenGesellschaft.  Zurich,  1901, 
Nr.  58  Semper,  C. :  Ober  die  Aufgaben  der  modernen  Tier- 

geographie.    Berlin,  1879. 
Nr.  59  Semper,  C:  Beitrage  zur  Biologie  der  Oligochaeten. 

Arbeiten  des  zool.-zootom.  Instituts.    Wiirzburg.    Band  4. 

1887. 


413 


Nr.  60  Sutter,  H.:  Verzeichnis  der  Mollusken  Zurichs  und 
Umgebung.    Revue  Suisse  de  Zoologie.    1897/98. 

Nr.  61  Theobald,  G.:  Piz  Doan  und  das  Albignagebirge  im 
BergelL  Jahresbericht  der  Naturforschenden  Gesellschaft 
Graubtindeiis.    1858/59. 

Hr.  62  Tschudi,  F.:  Tierleben  der  Alpenwelt.  11.  Aufl.,  rev. 
von  Prof.  Dr.  C.  Keller. 

Nr.  63  Ulrich,  A.:  Beitrage  zur  Molluskenfauna  der  Kan- 
tone  Appenzell  und  St.  Gallen.  Bericht  der  St. Galler 
Naturwissenschaftlichen  Gesellschaft.    1892/93. 

Hr.  64  Verhceff:BeitragezurDiplopodenfaunaderSchweiz. 
Berliner  Entom.  Zeitschrift.    1894. 

Hr.  65  Vejdowsky:  Monographie  der  Enchytrseiden.    1879. 

Hr.  66  Vejdowsky:  System  und  Morphologie  der  Oligo- 
chseten.    1884. 

Hr.  67  Voges,  E.:  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Juliden.  Zeit- 
schrift fur  wissenschaftliche  Zoologie.    1878. 

Hr.  68  Vogtund  Jung:  Vergleichende  Anatomie.  Lieferung8, 
1886. 

Hr.  69  Wollmy,  E.:  Arbeiten  tiber  Physik  des  Bodens.  In:  For- 
s^hungen  auf  dem  Gebiete  der  Agrikulturphysik.  Band  V, 
XVI,  XIX,  XX  (1882-1898)  und  Landwirtschaftl.  Jahr- 
biicher,  5.  Jahrgang.    Berlin,  1876. 

Hr.  70  Woeikof,  A.:  Bodentemperatur  unter  Schnee  und 
ohne  Schnee.    Meteorologische  Zeitschrift.    1890. 

Hr.  71  Zschokke,  F.:  Die  Tierwelt  der  Hochgebirgsseen. 
Zurich,  1900. 

Hr.  72  Zschokke,  F.:  Die  Tierwelt  der  Schweiz  in  ihren  Be- 
ziehungen  zur  Eiszeit.    Basel,  1901. 

Hr.  73  Livret-Guide  de  Geologique  dans  le  Jura  et  les 
Alpes  de  la  Suisse.    Lausanne,  1894. 

Hr.  74  Beitrage  zur  Geologischen  Karte  der  Schweiz.  Lie- 
ferung  8,  13,  25. 

Hr.  75  v.  Martens,E.:  Die  lebenden  Mollusken  in  den  Kan- 
tonen  Appenzell  und  St.  Gallen.  Jahresbericht  der 
St.  Galler  Naturwissenschaftlichen  Gesellschaft.    1889/90. 

Hr.  76  Stoll,  O.:  Zur  Zoogeographie  derlandbewohnenden 
Wirbellosen.  Vierteljahrsschrift  der  Naturforschenden 
Gesellschaft  Zurich.    3.  und  4.  Heft,  1895. 


.  ■  ;< ••■.  '\   xiv.  xx. 

-    ;  -  ■F-<:-.'tfig  i!i.."  M7.  wo.  r^j 

V  .    S-.|i-i.i»iiii 


II 


a  I 


3  1 


a 

f 


3 


I 

3 


3 


2'  M 

»  s 


2-1 
&5 


o 


1 

I 

OB 


IX. 

Die  Pflanzenwelt  des  hohen  Nordens 

in 

ihren  Beziehungen  zu  Elima  und  Bodenbeschaffenheit. 

Von 

Dr.  M.  Rikli,  Zflrioh. 

Xach  einem  am  17.  Januar  1903  vor  der  at.  gallischen 
Naturwissenschaftl.  Gesellschaft  gehaltenen  Vortrag.*) 


Vor  kaum  drei  Dezennien,  in  der  ersten  Halfke  der 
siebziger  Jahre,  wurden  alle  Eigentiimlichkeiten  der  ark- 
tischen  Flora  auf  den  Einfluss  der  grossen  Kalte 
zuriickgefuhrt.  Der  Hauptvertreter  dieser  Richtung  war 
der  hochverdiente  Pflanzengeograph  und  Direktor  de8 
botanischen  Gartens  in  Gottingen,  A.  Grisebach.  In  seiner 
„  Vegetation  der  Erde*  findet  sich  folgende  fur  die  da- 
inalige  Auffassung  bezeichnende  S telle1):  „Die  auf  das 
„Ausserste  getriebene  Benutzung  der  Sonnenwarme  und 
rder  Schutz  gegen  Kalte2)  sind  so  sehr  die  uberwiegen- 
rden  Momente  unter  den  Lebensbedingungen  der  ark- 
^tischen  Flora,  dass  alle  iibrigen,  Feuchtigkeit,  bereite 
y,NahrungS8toffe,  angemessene  physikalische  BeschaiFenheit 
rdes  Erdreichs,  dagegen  kaum  in  Frage  kommen.  Nir- 
Tg ends  fe hit  esan  Wasser2),  wo  die  Sonne  bestandig 
rdie  Vorrate  des  Winters  zu  schmelzen  hat  und  die  raschen 
_,Sprunge  der  Luftwarme  den  Niederschlag  befordern." 

*)  Erweiterte  Wiedergabe  eines  akademischen  Rathaus-Vor- 
trages  in  Zurich  (am  6.  Februar  1902). 

l)  A.  Grisebach.   Die  Vegetation  der  Erde  I,  pag.  34  (1872). 
*)  Vom  Autor  gesperrt. 


416 


Diese  Auffassung  Orisebaclis  ist  jedoch  nicht  gerecht- 
fertigt.  Die  Resultateder  12internationalen  meteorologisch- 
arktischen  Stationen,  die  mit  den  besten  Instrumenten  ans- 
gestattet,  in  den  Jahren  1882/83  errichtet  and  nach  einheit- 
lichen  Gesichtspunkten  geleitet  wurden,  haben  uns  ein 
klimati8che8  Bild  der  Arktis  geliefert,  das  wesentlich  von 
der  Grisebach'schen  Schilderung  abweicht.8) 

Da  der  Mensch  die  ausserordentlich  niederen  Tempera- 
turen  des  hohen  Nordens  nur  bei  lufbdichtester  Bedeckung 
zu  ertragen  vermag,  dachte  man  sich  auch  die  arktische 
Vegetation  als  eine  in  hohem  Masse  an  Kalte  angepasste 
Pflanzenwelt.  Weder  der  morphologische,  noch  auch  der 
anatomische  Bau  der  Polarpflanzen  lassen  aber  diese  Auf- 
fassung als  berechtigt  erscheinen. 

Bei  unbefangener  Beobachtung  miissen  wir  vielmehr 
zugeben,  dass  sehr  viele  arktische  Pflanzen,  ohne  jeg- 
liche  in  die  Augen  fallenden  Schutzmittel,  Monate 
lang  den  grossten  Kaltegraden  ausgesetzt  sind. 

8)  Diese  12,  von  9  Kulturstaaten  der  Alten  und  Neuen  Welt 
ausgeriisteten  und  zum  Teil  noch  im  Betrieb  stehenden  inter- 
nationalen  Stationen  sind  nach  der  Nordpolarkarte  von  V.  v.  Haardt 
im  Massstab  1:5,000,000: 

Alten  (Bossekop),  siidl.  von  Hammerfest  (Norwegen)  69°  57'  n.  Br. 
Sodankyla,  Finnisch-Lappland  (Finnland)     ....  67°  27'   „     „ 
Malija-Karmakulij,  Ostkiiste  der  Siidinsel  vonNowaja- 

'  Semlja  (Russland) 72°  23'    „     „ 

Dicksonshafen,  Miindung  des  Jenissei  (Russland)  .  73°  30'  9  v 
Sagastyr,  Miindungsdelta  der  Lena  (Russland)  .  .  73°  22'  9  r 
Pt.  Barrow,  Nordspitze  von  Alaska  (Union)      .    .     .  71°  21'    ,     „ 

Fort  Rae  am  Sklavensee  (England) 62°  39'   „     „ 

Kingawa,  Ostkiiste  des  Baffinland  (Deutechland)  .  66°  36'  „  „ 
Godthaab,  Danisch-Gronland  (Danemark)  ....  64°  11'  „  n 
Fort  Conger  an  der  Lady-Franklin-Bai  (Union)  .  .  81°  44'  „  ^ 
Cap  Thordsen  am  Eisfjord,  Spitzbergen  (Schweden)  78°  28'  „  „ 
Jan-Mayen  (Osterreich) 71°  „     n 

Ferner  J.  Hann,  Handbuch  der  Klimatologie,   ed.  II,  Band  III, 
pag.  542  (1897). 


417 


Von  besonderer  Bedeutung  fur  die  Frage  des  K&lte- 
schutzes  der  arktischen  Flora  ist  die  klassische  Beobach- 
tung  von  B.  Kjellman  an  Cochlearia  fenestrata  bei 
Pitlekaj  auf  derTschuktschenhalbinsel,  dertJberwinterungs- 
station  der  Vegaexpedition  unter  E.  v.  Nordenskiold  1878/79 
geworden.  Kjellman  schreibt:  „Es  gibt  wenige  Oegenden 
auf  der  Erde,  welche  ein  so  strenges  Klima  besitzen,  wie 
die  Stelle,  an  welcher  die  Vega-Expedition  iiberwinterte. 
Die  Kalte  war  sehr  anhaltend  und  ging  auf  mehr  als  46°  C 
herab.  Das  fragliche  Exemplar  von  Cochlearia  fenestrata 
wuchs  auf  dem  Gipfel  eines  ziemlich  hohen  Sandhugels 
bei  Pitlekaj,  dem  bestandigen  und  scharfen  Nord-  und 
Nordostwind  ausgesetzt.   Es  hatte  seine  Blute  im  Sommer 

1878  begonnen,  dieselbe  aber,  als  der  Winter  kam  und 
seiner  Entwicklung  ein  Ende  bereitete,  noch  lange  nicht 
abgeschlossen.  Das  florale  System  enthielt  daher  Blttten- 
knospen  in  verschiedenen  Entwicklungsstadien,  neuerdings 
geoffnete  Bliiten,  verbliihte  Bliiten  und  mehr  oder  weniger 
reife  Fruchte.  Von  den  Rosettenblattern  fanden  sich  nur 
unbedeutende,  zusammengeschrumpfbe  Reste,  aber  die 
oberen  Blatter  waren  frisch  und  lebenskraftig.  In  diesem 
Znstand  wurde  die  Pflanze  vom  harten  Winter  be- 
troffen  und  seiner  ganzen  Strenge  ausgesetzt.4) 
Man  mochte  nun  wohl  glaaben,  dass  sie  vernichtet  werden 
masste.   Dies  war  aber  nicht  der  Fall.    Als  der  Sommer 

1879  kam,  setzte  die  Pflanze  ihre  Ausbildung  von 
da  an  fort,  wo  sie  zu  Anfang  des  Winters  unter- 
brochen  worden  war4);  die  Bliitenknospen  schlugen  aus 
und  aus  den  Blattachseln  der  obern  Stengel  blatter  schossen 
neue  frische  Blfttenstftnde  hervor."6) 


*)  Vom  Verfasser  gesperrt. 

*)  R.  Kjettman.    Aus  dom  Leben  der  Polarpflanzen: 

27 


418 


Eine  vergleichende  Untersuchung  der  arktisohen  Pflan- 
zen  auf  ihre  Anpassungserscheinungen  an  die  niederem 
winterlichen  Minima  hat  ein  durchaus  negatives  Besultat 
ergeben. 

Der  Knospenschutz  fehlt  oft  oder  ist  doch  jeden- 
falls  nicht  besser  ausgebildet  als  bei  der  grossen  Masse 
der  mitteleuropaischen  Pflanzenwelt. 

Dichte  Behaarung,  die  auch  vielfach  als  Kalte- 
schutz  gedeutet  wird,  ist  innerhalb  der  arktischen  Flora 
geradezu  eine  Seltenheit,  dagegen  gibt  es  sehr  viele  Arten, 
denen  jegliche  Behaarung  fehlt.6) 

Auch  das  Uberwiegen  oberirdischer  Organe, 
welche  spalierartig  dem  Boden  angepresst,  in  allererster 
Linie  die  niederen  winterlichen  Minima  und  zeitweise  auch 


Nordenskiold,  Studien  und  Forschungen,  veranlasst  durch  meine 
Reise  im  hohen  Norden.  Leipzig,  1885 ;  auch  in  W.  Schimper,  Pflanzen- 
geographie  (1898),  pag.  43,  mit  der  Wiedergabe  der  Abbildung  der 
Orignalpflanze  Kjellmans  (Fig.  37).  Diese  Beobachtung  Kjellmans 
ist  wohl  der  einzige  in  der  Literatur  bekannt  gewordene  Fall,  dass 
eine  in  voller  Anthese  befindliche,  krautartige  Pflanze  iiberwintert, 
um  nach  Schluss  des  Winters  den  unterbrochenen  Lebenscyklus 
wiederfortzusetzen.  Die  CberwinterungsweiseunsererHochgebirgs- 
flora  ist  ein  noch  sehr  durftig  bearbeitetes  Gebiet  der  Biologie  der 
Alpenflora.  Die  Anregung  Kjellmans,  sowie  der  in  den  letzten 
Jahren  rasch  gewaltige  Dimensionen  angenommene  alpine  Skisport 
und  die  winterlichen  Hochgebirgstouren  werden  unshoffentlichbald 
die  notigen  Bausteine  zu  einer  Winterbiologie  der  Alpenpflanzen 
liefern. 

6)  Mehr  oder  woniger  stark  behaarte  Arten  finden  sich  be- 
sonders  unter  den  Gattungen  Potentilla,  Draba  und  Salix,  wie  z.  B. 
Potentilla  pulchella,  P.  nivea  v.  multiflora  Lehm;  Draba  hirta  L., 
D.  artica  R.  Br.,  altaica  Bunge,  nivalis  Lilj,  ferner  unter  den  Sa- 
lices,  S.  Lapponum  und  lanatum,  auch  Eritrichium  villosum,  Papa- 
ver  nudicaule  sind  roichlicher  behaart.  Eigentliche  Filzpflanzen, 
wie  sie  in  der  hoheren  Alpenregion  ( Androsace  imbricata,  Leonto- 
podium,Antennarien,  Artemisia  spicata,Seneciouniflorus,carniolicus) 
oder  im  Mittelmeergebiet  (Labiaten,  Artemisien,  Helichrysen  etc.) 


419 


rwchem  Temperaturwechsel  ausgesetzt   Bind,  ware  noch 
hervorzuheben. 

Als  all  diese,  als  Anpassungserscheinungen  an  niedere 
Teinperaturen  gedenteten  Merkmale  versagten,  wiea  man 
immer  noch  auf  den  Schneeschutz  hin.  Die  arktische 
Flora,  welche  selten  iiber  Spannhohe  erreicht,  sollte  im 
Polarwinter  unter  einer  machtigen  Schneedecke  begraben, 
vollstandig  gegen  die  Kalte  geschiitzt  sein. 

Werfen  wir,  um  diesen  Einwand  auf  seine  Berech- 
tigung  zu  priifen,  einen  Blick  auf  die  Niederschlags- 
und  Schneeverhaltnisse  der  Polargebiete.  Die 
jahrliche  Niederschlagsmenge  nimmt  in  der  Arktis  von 
Stiden  nacb  Norden  stetig  ab.  Die  Beobachtungen  an  der 
Westkiiste  GrTonlands,  wo  wir  von  mchreren  Stationen  iiber 
die  Kesultate  einer  kontimiier lichen,  langjahrigen  Beob- 
achtungsreihe  verfugen,  aind  in  dieser  Hinsicht  besonders 
lehrreich.7) 

81°  44'  n.  Br.  = 

72°  47'    „    r    = 

69°  13'    n    ,    = 

64°  U     n    ,    - 

61°  12'    . 


Hie 

rd" 

"Fort  Conger 

j 

i 

Upernivik 
Jakobshavn 

| 

i 

Godthaab 

3ud  m 

Ivigtut 

10,0  »■) 
21,4 

m     21,7 
m    65,4*") 
=  124,1 


jahrliche 
Nieder- 
schags- 
menge 
in  cm 


verbreitet  sind,  acbeinen  im  Gebiet  der  Arktotundra  ganz  zn  fehlen. 
Mebrere  Arten  Bind  jedoch  auch  durch  behaarte  Varietaten  ver- 
treten,  bo  Cerastium  alpinum  *)  lanatum;  Alsine  verna  v.  hirta; 
Vaccininm  uligijio&um  v.  pubescena,  Arnieria  vulgaris  v.  pubescens* 
Deoigegeniiber  ist,  ganz  abgeeehen  van  den  kleinen,  inimergrttnen 
Hartlaubgewacbsen  der  Zworgstrauchheide,  die  Zahl  der  Arten  ohne 
jegliche  Bebaarung  sehr  gross;  apeziell  die  so  uberaus  widenstaiida- 
fehigen  Cochlearien  Bind  vollig  kahh  Wir  warden  wohl  nicbt  febl 
E*b*nT  wetin  wir  die  Zahl  vollstandiL'  kahlor  arktiweher  Ptianzen 
au!  ca*  95°/o  des  gesainten   Florenheatandea  der  Arktis  schatzen. 

fJ  Bannf  I  c.  Bd.  in,  pag-  584 

••)  Schimptr,  L  c.  p.  702.  »>  Nacb  Schimptr  fOr  1882:835=  83,5  cm, 


420 


Da  St.  Gallen  130  cm9)  jahrliche  Niederschlagsmenge 
hat,  so  wiirde  die  nordlichste  Station  Fort  Conger  erst 
in  dreizehn  Jahren  so  viel  Niederschlage  erreichen  als 
St.  Gallen  in  einem  Jahre. 

Besonders  im  Polarwinter  sind  die  Niederschlage 
ausserordentlich  gering.  Hann  sagt:  „Heiterer  Winter- 
himmel  und  Schneearmut10)  sind  sowohl  fur  das  asia- 
tische  wie  auch  das  amerikanische  Polargebiet  bezeich- 
nend.un)  Die  Machtigkeit  der  Schneedecke  ist  in  freien, 
offenen  Lagen,  auf  der  Tundra,  am  Ende  der  Winters- 
zeit  nirgends  bedeutend ;  so  war  im  Winterhafen  der  Mel- 
ville-Insel  die  Schneedecke  Ende  Januar  nur  2,6 — 5  cm 
hoch,  von  Mitte  Oktober  an  fiel  der  Schnee  nur  in  Form 
feinster  Eisnadeln.  Gewohnlich  bringt  der  Schluss  der 
langen  Polarnacht  (Februar,  Marz)  und  das  Ende  der  Vege- 
tationsperiode  (Ende  Juli  bis  Mitte  September)  die  grosste 
Niederschlagsmenge;  diese  erfolgt  somit  gleichzeitig  mit 
den  grossten  taglichen  Temperaturschwankungen  der  in- 
tensi  vsten  Entfaltung  der  Polarlichter  und  dem  Vorherrschen 
der  heftigen  Winde. 

Der  Schnee  ist  iibrigens  in  der  Arktis  ausserst  un- 
gleichmassigverteilt.  In  alien  Vertiefungen,Schluchten, 
Bachtalern,  Mulden,  vor  steilen  Halden  kGnnen  sich  oft 
fast  unglaubliche  Schneemassen  ansammeln,  indessen  die 
Plateaus,  die  ebenen  Flachen,  die  Hiigel  und  Grate  oft 
nackt  oder  nur  mit  einer  ausserst  sparlichen  Schneedecke 
bedeckt  sind.     Die  Ursache  dieser  ungleichen  Verteilung 


•)  R.  BUlwiller.  Die  geographische  und  jahreszeitliche  Ver- 
teilung der  Regenmengen  in  der  Schweiz  (mit  Karte).  Schweiz. 
Zeitschrift  fur  Forstwesen.    Jahrgang  1897,  Heft  6  und  7. 

I0)  Vom  Verfasser  gesperrt. 

»)  Hann,  1.  c.  BcL  III,  pag.  476. 


421 


der  Schneedecke  sind  die  furchterlichen  Schneestiirme,  die 
Burane,  von  denen  uns  Middendorff  in  seinem  grossen 
Reisewerk  eine  anschauliche  Schilderung  entwirft.12) 

„Der  Buran  ist  eine  Eigenttimlichkeit  der  waldlosen 
Fl&chen  und  der  Tundren  jenseits  der  klimatischen  Wald- 
grenze.  Wer  es  nicht  selbst  erlebt  hat,  hat  keinen  Be- 
griff  von  der  unwiderstehlichen  Gewalt,  mit  welcher  der 
Sturmwind  in  seiner  aussersten  Wut  iiber  diese  waldlosen 
nordischen  Ebenen  als  Orkan  dahinrast;  mit  grosster  An- 
strengung  vermag  man  sich  kaum  auf  den  Beinen  zu  er- 
halten ;  statt  von  Luft  wird  man  von  Schneeteilchen  urn- 
wirbelt,  welche  aus  alien  moglichen  Richtungen  entgegen- 
stieben;  der  Ausdruck,  dass  man  die  Hand  nicht  vor  den 
Augen  sieht,  ist  viel  zu  schwach,  denn  das  Peitschen  der 
Schneeteile  gestattet  nicht,  die  Augen  zuoffnen;  ja,  man 
kampft  bisweilen  mit  der  Furcht,  zu  ersticken,  da  der 
wlitende  Luftbrei  das  At  men  bedrangt.  Es  sind  Schnee- 
wirbelstiirme,  deren  Gewalt  sich  in  einzelnen  Fallen 
bis  zur  Erzeugung  von  wahren  Schneehosen  steigert." 

Alexander  v.  Bunge1*)  schildert  dieselbe  Erscheinung 
von  Spitzbergen:  „So  furchtbar  auch  die  Stlirme  Sibiriens 
sind,  so  stehen  sie  an  Heftigkeit  den  Stiirmen  auf  Spitz- 
bergen bei  weitem  nach.  Haufig  herrschte  der  Sturm 
bereits  einige  Zeit  auf  dem  Sunde,  bevor  er  bei  uns  an- 
hob;  meist  aber  begann  er,  oline  vorherige  Warnung  des 
Barometers,   mit  einigen   heftigen  Windstossen  aus  ver- 

M)  Th.  i\  Middendorff.  Reiso  in  den  aussersten  Norden 
und  Osten  Sibiriens.  Bd.  IV.  L'bersicht  der  Natur  Nord-  und 
Ost-Sibiriens.    T.  I,  pag.  389  (1867). 

,f)  Alex.  v.  Bunge.  Die  Polarforschung  und  die  schwe- 
disch-russische  Gradmessungs-Expedition  nach  Spitz- 
bergen 1899  bis  1901.  Velhagen  &  Klasings  Monatshefte.  1902. 
Bd.  XVI,  Heft  8,  pag.  164—179. 


i 


422 


schiedenen  Richtungen,  um  dann  in  eine  konstante  Rich- 
tung,  meist  Nordost,  bei  best&ndig  wachsender  Heftigkeit 
uberzugehen.  Die  ganze  Luft  fiillt  sich  mit  feinem  Schnee- 
staub,  ein  schreckliches  Brausen  und  Tosen  erfullt  die  Luft. 
Das  ganze  Haus  drohnt  und  zittert.  Alles,  was  nicht  niet- 
und  nagelfest  ist,  fliegt  davon,  Fasser,  Kisten,  Bretter. 
So  dauert  das  zwei,  drei,  vier,  ja  einmal  sogar  sechs  Tage 
hintereinander  an."  So  kommt  es?  dass  die  Vegetation  der 
Arktis  ohne  jeglichen  Schneeschutz  oft  wochen- 
und  monatelang  der  grossten  Kalte  und  der  austrocknen- 
den  Windwirkung  ausgesetzt  ist.  Wenn  die  Pflanzen  trotz- 
dem  nicht  zu  Grunde  gehen,  ja  selbst,  wie  das  Beispiel 
von  Cochlearia  fenestrata  lehrt,  als  ganze  Pflanze,  ohne 
Schaden  zu  nehmen,  den  Polarwinter  zu  iiberdauern  ver- 
mogen,  um  im  folgenden  Jahr  die  Entwicklung  an  dem 
Punkt  wieder  aufzunehmen  und  fortzusetzen,  wo  sie  in  der 
vorhergehenden  Vegetationsperiode  unterbrochen  wurde, 
so  werden  wir  wohl  annehmen  mlissen,  dass  die  Schutz- 
niittel  der  arktischen  Flora  gegen  Kalte  nur  in 
der  molekularen  Struktur  des  Protoplasmas 14)  zu  suchen 
sind.  Das  Protoplasma  dieser  Pflanzen  ist  offenbar  un- 
empfindlicher,  als  bei  den  Vert-re  tern  unserer  mitteleuro- 


u)  Wenn  wir  auch  zugeben  iniissen,  dass  mit  dieser  Erkliirung 
die  hochwichtipe  Frajre  noch  keinoswegs  gelost  ist,  sondern  da- 
durch  nur  die  Kichtung.  in  der  die  weitere  Erforschung  einzusetzen 
bar,  angedeutet  wird.  so  konnten  vielleicbt  docb  zwei  Vorgange 
mit  zur  Abkliirung  beitragen:  einerseits  diirfte  die  Umwandlung 
von  ReservestorrtMi  in  Zucker  und  dadurcb  ein  Herabsetzen  des 
(.Tt»friorpunktes  in  Betracbt  koinmen,  und  anderseits  ware  voin 
cbemiscben  Standpunkt  die  Moglichkeit  nicbt  ganz  von  der  Hand 
zu  weisen,  dass  die  aktiven  Eiweisse  des  Protoplasmas  sich  mit 
dem  in  den  Zellen  vorhandenen  Wasser  chemisch  als  Kristall-  oder 
Konstitutionswasser  verbinden,  so  dass  das  gebundene  Wasser  nun 
einen  ganz  andern  Cbarakter  erbalt. 


423 


paischen  Flora;  eine  solche  Unempfindlichkeit  des  Proto- 
plasmas  macht  naturlich  als  durchschlagendstes  und 
vollkommenstes  Schutzmittel  alien  weitern  Schutz 
gegen  Kalte  vollstandig  iiberflussig. 

Wie  wir  bereits  kennen  gelernt  haben,  sagt  Grise- 
bach:  ^Nirgends  fehlt  es  an  Wasser,  wo  die  Sonne  be- 
standig  die  Vorrate  des  Winters  zu  schmelzen  hat  und 
die  raschen  Spriinge  der  Luftwarme  die  Niederschlage  be- 
fbrdern.*  Dass  die  Arktis  durchaus  nicht  unter  einem 
Uberfluss  von  Niederschlagen  zu  leiden  hat,  haben  wir 
bereits  gesehen,  und  dass  es  nirgends  an  Feuchtigkeit  fehlt, 
das  kann  der  Botaniker  bei  Betrachtung  des  ausge- 
sprochen  xerophytischen  Gesanitcharakters  der 
arktischen  Pflanzenwelt  auch  nicht  wohlglauben; 
denn  die  arktische  Flora  tragt  wie  die  Vegetation  der 
Felsen,  der  Steppen  unci  Wusten  in  hohera  Grad  den 
Stempel  des  Transpirationsschutzes,  d.  h.  die  ganze  Organi- 
sation dieser  Pflanzenwelt  lasst  darauf  schliessen,  dass 
dieselbe  mit  dem  ihr  zur  Verfugung  stehenden  Betriebs- 
wasser  sehr  haushalterisch  verfahren  muss. 

Manche  Momente  wirken  in  dieser  Richtung;  teils  sind 
es  Faktoren,  welche  die  Wasseraufnahme  erschweren,  teils 
wieder  Verhaltnisse,  welche  die  Verdunstung  beschleunigen. 

I.  Faktoren,  welche  die  Wasseraiiftialiine  erschweren. 

Der  weitaus  wichtigste,  die  Wasseraufnahme  beein- 
trachtigende  Faktor  ist  die  niedere  Bodentemperatur.  In- 
folge  des  hart  gefrorenen  Bodens  ist  die  Wasserzufuhr 
aus  der  Erde  jahrlich  wahrend  acht  bis  zehn  Monaten 
nahezu  verunmoglicht;  es  muss  also  dafur  gesorgt  werden, 
dass  in  dieser  Zeit  moglichst  wenig  Feuchtigkeit  durch 
Verdunstung  der  oberirdischen  Organe  verloren  geht. 


424 


Im  Sommer  ist  zwar  der  Boden  oberflachlich  aufge- 
taut,  doch  ist  das  Bodenwasser  wegen  der  Nahe 
dGsBodeneises  meistvon  recht  niedriger  Tem- 
per at ur.  Durch  niedere  Bodentemperaturen  wird  aber 
der  Transpirationsstrom  der  Pflanzen  merklich  verlang- 
samt  und  die  Wasseraufnahme  bedeutend  erschwert.  Die 
Versuche,  welche  in  dieser  Hinsicht  von  Sachs15),  spater 
auch  von  J.  Vesque,  Kohl  und  anderen  Autoren  gemacht 
wurden,  zeigen  alle  auf  das  uberzeugendste  die  Abhangig- 
keit  der  Wasseraufnahme  von  der  Temperatur  des  Wassers. 
Sachs  veranstaltete  bereits  1859  mit  Tabak,  Kurbis  und 
Kohlarten  die  ersten  Experimente;  die  Versuchspflanzen 
begannen  zu  welken,  als  der  wasserreiche  Boden  auf 
-f-40  bis  +2°  C  abgekiihlt  wurde.  Die  Erwarmung  der 
Blumentopfe  geniigte,  um  die  Wasseraufnahme  wieder  so 
weit  zu  steigern,  dass  die  welken  Blatter  wieder  turgescent 
wurden. 

Sehr  anschaulich  schildert  Kihlmann1*)  die  Wirkung 
einer  solchen  Abkiihlung  auf  die  Vegetation  infolge  eines 
Gewitters  (Ende  Mai  1890)  in  Helsingfors,  der  Hauptstadt 
Finnlands.  „NachmehrwochentlicherTrockenheitfielam22. 
und23.MaietwasRegen(l,4mm),diegleichzeitigherr8chende 
hohe  Temperatur  hatte  die  Baume  zur  friihzeitigen  Laub- 
entfaltung  verlockt.  Am  25.  Mai  nachmittags  anderte  sich 
die  Windrichtung  auf  0  und  steigerte  sich  bald  zur  Heftig- 
keit  eines  Orkans.  Wahrend  des  Unwetters  fiel  die  Tem- 
peratur nur  auf  2,   1°  C:    durch  den   massenhaft  herab- 

1:>)  Savhs,  in:  „Land\virtscliaftliche Versuchsstationenu 
1879,  Bd.  I.  pag.  238.  und  Vorlesungon  uber  Pflanzenphysiologie, 
ed.  II  (1887),  pajar.  243. 

16i  Kihlmann,  Pf  1  anzenbiologiscbc  St udien ausRussisch- 
Lappland,  in:  Acta  Sorietatis  pro  fauna  et  flora  fennica,  T.  VI, 
Nr.  3,  pag.  94  If.  (1890).    [Abgekiirztes  Zitat.] 


425 


strdmenden  Begen  (48,7  mm)  wurde  der  Boden  fast  auf 
den  Nullpunkt  abgekuhlt. 

Alle  Waldbaume,  die  an  nicht  genugend  geschutzten 
Stellen  wuchsen,  waren  zum  grossen  Teil  entlaubt.  Am 
meisten  befremdend  war  aber,  dass  samtliche  Blatter,  die 
noch  vom  Wasser  formlich  trieften,  schlaff  und  welk  herab- 
hingen.  Die  Kronen  der  exponierten  Baume  hatten  ganz 
das  Aussehen,  als  waren  sie  abgeschlagen  worden  und 
hatten  dann  mehrere  Stunden  in  brennender  Sonnenhitze 
gestanden.  Die  mechanische  Wirkung  des  Windes  erfolgte 
erst,  nachdem  die  Blatter  durch  das  Welken  den  Turgor 
verloren  hatten.  Die  meisten  Blatter  konnten  sich  nicht 
mehr  erholen;  es  traten  an  ihnen  vielmehr  bald  zahlreiche 
braune  Flecken  auf.  Die  Braunfarbung  begann  gleich- 
zeitig  an  unzahligen  naheliegenden,  aber  doch  isolierten 
Stellen  und  zwar  immer  in  der  Mitte  der  Alveolen,  d.  h. 
an  den  Stellen,  welche  am  weitesten  von  den  leitenden 
Bahnen  entfernt  waren.  Es  kann  sich  demnach  nur  um 
eine  Erscheinung  des  Austrocknens  handeln.a 

Im  April  1899  hatte  ich  in  Basel  Gelegenheit,  an 
einer  jungen  Rosskastanie  eine  ahnliche  Beobachtung  zu 
machen.  Kaum  belaubt,  tritt  ein  Temperatumickschlag 
mit  anhaltend  kaltem  Regen  ein.  Die  Blatter  werden 
schlaff  und  welk,  selbst  einige  Blattstiele  beginnen  eine 
hangende  Stellung  einzunehmen;  sobald  aber  wieder 
warmeres  Wetter  kam,  nahni  das  Laubwerk  wieder  das 
normale  Aussehen  an.  Die  Rosskastanie,  ein  Baum  der 
sudlichen  Balkanhalbinsel,  zeigte  sich  viel  empfindlicher 
als  unsere  einheimischen  Baumarten,  an  denen .  dieser 
Temperatumickschlag  keine  so  augenfallige  Veranderung 
bewirkte. 

Solche  plotzliche  Temperaturnickf&lle,  verbunden  mit 


426 


Schneefall  und  eiskaltem  Regen,  konnen  aber  in  der  Arktis 
das  Pflanzenleben  auch  selbst  wahrend  der  kurzen  Vege- 
tationsperiode  jederzeit  uberraschen ;  diese  Verhaltnisse  in 
Verbindung  mit  der  austrocknenden  Windwirkung  be- 
dingen  wohl  hauptsachlich  das  ausserordentlich  xerophile 
Geprage  der  arktischen  Flora;  alle  andern  Faktoren  sind 
dagegen  nur  mehr  von  sekundarer  oder  lokaler  Bedeutung. 

II.  Faktoren,  welehe  die  Transpiration  beschleunigen. 

Unter  diesen  Faktoren  kommen  natiirlich  in  allererster 
Linie  die  bereits  erwahnten  heftigen  Winde  bei  gleich- 
zeitigem  Niederschlagsmangel  in  Betracht.  Aber  auch 
die  herrschende  Trockenheit  der  Luft  wird  die 
Verdunstungsgefahr  erhohen.  Payer  und  Weyprecht  be- 
richten16*),  dass  das  schlimmste  Leiden  winterlicherSchlitten- 
reisen  im  hohen  Norden  der  Durst  ist,  der  nur  schwer  be- 
friedigt  werden  kann.  Sobald  aber  die  Sonne  wieder  er- 
sclieint  und  den  Schnee  feucht  macht,  verschwindet  das 
peinigende  Durstgefuhl  augenblicklich.  Die  andauernde 
Beleuchtung  im  Polarsommer  und  oft  auch  die 
recht  bedeutenden  lokalen  Erwarmungen 16b) 
vermehren  ebenfalls  die  Verdunstung. 

Wenn  man  bei  Beurteilung  der  Warmequellen,  welehe 
der  arktischen  Pilanzenwelt  zur  Verfugung  stehen,  nur 
die  Luftteni])eratur  berucksichtigen  wollte,  so  wtirde  sich 
daraus  ein  ganz  falsches  Bild  ergeben. 

Eine  ganz  hervorragende  Warmequelle  ist  die  direkte 
Sonnenstrahlung  und  das  Warmeabsorptions- 
vermogendunklerKorper.  Schon  Afiddendorff  sagt : 
„Auf  unmittelbar  von  der  Sonne  beschienenem  Boden  sah 


,c^  Hann,  1.  c.  Bd.  Ill,  pap.  475. 
16b)  Siehe  pag.  427. 


427 


ich  wiederholt  das  Thermometer  zu  Anfang  August  bis 
fiber  30°  C  steigen,  so  dass  es  wohl  den  dreifachen  Be- 
trag  der  Lufbtemperatur  erreichen  mochte." 

In  der  Assistance-Bucht17),  unter  74°  30'  n.  Br.,  be- 
obachtete  man  schon  im  Marz  bei  einer  Lufttemperatur 
von  — 31°  bis  — 33°  C  den  Schnee  im  Schmelzen,  wo  er 
fiber  Steinen  oder  in  der  Nahe  der  dunklen  Schiffskorper 
lag.  Von  besonderer  Bedeutung  sind  aber  vor  allem  die 
genauen  Beobachtungen  von  Kjellman  und  Kihlmatu 

Kjellman11*)  machte  auf  dem  Sandstrande  von  Pitle- 
kaj,  am  8.  Juli  1879  vormittags  10  Uhr,  folgende  lehr- 
reiche  Versuche  iiber  gleichzeitige  Luft-  und  Boden- 
temperaturen: 

Lufttemperatur  1  m  iiber  dem  Boden  =  +    6,8°  C 

,  an  der  Erdoberflache     =  +  14,5°  C 

Bodentemperatur  in  10  cm  Tiefe  =  +  23°      C 

„  in  15  cm  Tiefe  =  + 17°      C 

Kihlmansllb)  Beobachtungen  in  Woroninsk  und  Orlow 
auf  Kola  bestatigten  diese  Ergebnisse  vollstandig.  Dieser 
Forscher  konstatierte  einen  durchschnittlichen  Unterschied 
von  8 — 10°  C  zwischen  der  schnell  erwarmten  Oberflache 
und  den  2  m  hoheren  Luftschichten.  Dieser  Betrag  kann 
sich  aber  noch  ganz  bedeutend  steigern.  Am  29.  Juni  wurde 
bei  Woroninsk  eine  DitFerenz  von  18,7°  C  festgestellt. 

Solche  lokale  Erwarmungen  verursachen  oft  auch  in 
der  Pflanzenwelt  ganz  aussergewohnliche  Erscheinungen; 
auf  sie  ist  einerseits  die  iiberaus  grosse  Ungleichheit  in 
der  Entwicklung  einer  und  derselben  Pflanzenart  und  die 
von  Polarfahrern  ofters  erwahnte  Tatsache  bliihender 
Pflanzen  mitten  im  Polarwinter  zuriickzufiihren. 


IT)  Hann,  1.  c.  III.,  pag.  472. 

1T*>In  Schinipcr,  Pflanzen  geographic  (1898),  p.  699.  17b>  J.  c.  p.  30/31 


428 


Die  enorme  Bedeutung  der  schnellen  Erwarmung  der 
obersten  Bodenschichten  fur  das  Pflanzenleben  in  hohen 
Breiten  wurde  bereits  von  Carl  Ernst  v.  Bdr  erkannt.  „In 
den  unwirtlichen  Einoden  der  nordischen  Tundren  konnen 
oft  nur  diejenigen  Sprosse  und  Wurzeln,  welche  sich  der 
Oberflache  hart  anschmiegen,  ihre  Vegetationszeit  auf  das 
notige  Mass  ausdehnen  und  die  Temperaturschwelle  der  ver- 
schiedenen  Entwicklungsphasen  rechtzeitig  xiberschreiten." 

Die  Feuchtigkeit  oder  Trockenheit  des 
Bod  ens  spielt  bei  der  Entwicklungsfahigkeit  der  Flora 
in  diesen  Zonen  eine  enorme  Rolle.  Wir  erinnern  nur  an 
die  meist  mehr  oder  weniger  feuchten  Tundren  einerseits 
und  anderseits  an  die  trockenen,  geneigten  Flachen  in 
den  Flusstalern  oder  im  Hintergrund  der  Fjorde,  die  mit 
ihrem  bunten  Flor  nicht  selten  an  einen  gut  gepflegten 
Garten  erinnern;  es  sind  das  die  lieblichsten  Vegetations- 
bilder,  welche  die  Arktis  hervorzuzaubern  vermag.  In 
voller  Bliite  gewahrt  die  Zwergstrauchheide  und  die  ark- 
tische  Mattenformation  ein  Bild,  das  lebhaft  an  unseren 
herrlichen  Alpenfriihling  erinnert  und  Aug'  und  Herz  er- 
quickt.  Leider  treten  aber  solche  Vegetationsbilder,  die 
C.  E.  v.  Bar  als  die  Warmeoasen  der  Arktis  bezeichnet, 
gegeniiber  der  unendlichen  monotonen  Charakterformation 
der  Arktotundra,  den  Fjeldformationen,  ausserordentlich 
stark  zuruck,  so  class  sie  jeweilen  nur  ganz  lokale  Be- 
deutung zu  erlangen  vermogen.lb) 

Sehr  viel  Warme  wird  der  Polarzone  aber  auch  aus 
fremden  Gebieten  zugefiihrt.  Als  solche  fremde  Warme- 
quellen  kommen  hauptsachlich  in  Betracht: 

u)M.Rikli,  Die  pflanzlichcn  Formationen  der  Arktis 
mit  ein  em  Formation  sprofil.  Vierteljahrsschrift  der  Natur- 
forschenden  Gesellscbaft  in  Zurich.  Bd.  XL  VI  (1901),  pag.  300—322. 


429 


1.  Grosse  Kontinentalstrdme,  die  ihr  Quell- 
gebiet  in  Gebirgen  weit  im  Siiden  haben.  Die 
Kiistengebiete  yon  ganz  Nordasien  erhalten  auf  diese  Weise 
aus  siidlichen  Breiten  j&hrlich  eine  ganz  bedeutende  Warme- 
menge  zugeftihrt.  Der  Eisgang  dieser  Riesenstrome  ist  eine 
Folge  der  fruhzeitigen  Schneeschmelze  im  stidliclien  Teil 
ihrer  Sammelgebiete;  diese  erfolgt  schon  zu  einer  Zeit, 
wo  der  Norden  noch  in  tiefstem  Winterschlafe  verharrt. 
Die  grosse  Bedeutung  dieser  Katastrophe  ergibt  sich  schon 
aus  der  Tatsache,  dass  unmittelbar  nach  dem  Eisgang  die 
Vegetation  in  wenigen  Tagen  erwacht  und  zwar  zunachst 
in  den  grossen  Flusstalern,  um  von  hier  allmahlich  land- 
einwarts,  gegen  die  offene  Tundra,  vorzuschreiten.  Nach- 
dem  Seebohm  die  grossartige  Erscheinung  des  Eisganges 
des  Jenissei  geschildert,  sagt  er19):  „Wir  befanden  uns  nun 
auf  einmal  mitten  im  heissen  Sommer,  pfliickten  Blumen 
von  zahlreichen  verschiedenen  Pflanzen  und  taten  uns  giit- 
lich  an  den  Eiern  zahlloser  Vogel." 

2.  Von  noch  grosserer  Bedeutung  sind  die  Meeres- 
stromungen;  sie  sind  fiir  den  gesamten  Haushalt  der 
Polarregion  von  allergrosster  Wichtigkeit.  Einerseits  sind 
es  warme  Strdmungen,  welche  aus  der  gemassigten  und 
subtropischen  Zone  kommen  und  der  Arktis  sehr  grosse 
Warmemengen  zufuhren,  sie  bewirken  ein  friihzeitigeres 
Aufbrechen  und  Abschmelzen  der  im  Winter  gebildeten 
Eismassen.  Anderseits  sorgen  die  Polarstromungen  fiir  die 
Abfuhr  des  aufgebrochenen  Polareises  und  der  losgelosten 
Eisberge  nach  siidlicheren  Breiten,  in  denen  die  Ab- 
schmelzung  dann  rascher  vor  sich  geht. 

Es  ist  unzweifelhaft,   dass   der  Verlauf  der  polaren 

■■)  The  North  Polar  Basin  by  Henry  Seebohm.  Arctic  Climate. 
British  Assoc  Nottingham.   Sept  1893.  Geogr.  Journal.  Oct  1893. 


430 


Baumgrenze  haupts&chlich  von  den  im  Polarbecken  vor- 
handenen  grossen  Meeresstromungen  abhangig  ist.  Je 
nachdem  diese  Lander  von  warmen  oder  kalten  StrSmungen 
bespiilt  werden,  wird  die  Baumgrenze  nordwarts  oder  siid- 
w&rts  verschoben.  Der  Polarpunkt  der  arktischen  Baum- 
grenze liegt  bei  Lukino,  an  der  unteren  Chatanga,  bei 
72°  40',  der  Sudpunkt  unter  51°  n.  Br.  im  nOrdlichsten 
Neufundland;  es  ergibt  sich  somit  eine  Differenz  von  mehr 
als  20  Breitegraden.  Dies  entspricht  ungefahr  dem  Breiten- 
unterschied  Zurich-Hammerfest. 

3.  Von  mehr  lokalem  Einfluss,  obwohl  in  ihrer  Wir- 
kung  keineswegs  zu  unterschatzen,  sind  endlich  warme, 
fShnartige  Winde.19*)  So  besitzt  Westgronland  einen 
Fallwind,  der  mit  unserem  Fohn  in  alien  wesentlichen 
Punkten  ubereinstimmt.  ffinkVJh)  beschreibt  ihn  als  einen 
warmen,  trockenen  Ost-  und  Siidostwind,  der  tiber  das 
v5llig  vergletscherte  Innere  Grdnlands  heriiberkommt  und 
sturmisch  auf  die  Fjorde  einfallt.  Nach  Hoffmeyer19*)  hat 
der  gronlandische  Fohn  dieselbe  Entstehungsursache  wie 
unser  Alpenfohn.  Er  herrscht  jeweilen,  wenn  tiber  der 
Davisstrasse  ein  barometrisches  Minimum  und  hoher  Lufk- 
druck  im  nordatlantischen  Ozean,  in  der  Gregend  von  Is- 
land, vorhanden  ist.  Im  Winter  vermag  dieser  F6hn  die 
Temperatur  durchschnittlich  12 — 20°  C  uber  die  mittlere 
Monatstemperatur  zu  bringen  und  im  Herbst  und  Friih- 
ling  immer  noch  um  8—12°  C.  Ahnliche  Polarf&hne  sind 
audi  von  der  Ostkuste  Gronlands,   von  Island  und  auch 


*••)  Ilamu  1.  c.  Bd.  I  (1897),  pag.  344. 

19b)  Rink,  Physikal.  Beschreibung  von  Nord-  und  Stidgronland. 
Zeitschrift  fiir  Allgemeine  Erdkunde.    Bd.  II,  1854. 

19e>  Hoffmcyer,  Lo  fophn  du  Gronland.  Iteferat  siehe  Zeit- 
schrift fur  Meteorologie.    Bd.  XIII,  1878,  pag.  65  und  70. 


431 

von  Ostsibirien  bekannt  geworden.  Gewohnlich  halt  dieser 
Fohn  allerdings  nur  wenige  Tage  an,  in  Westgronland  ver- 
mag  er  jedoch  jeden  Winter  langere  Zeit  die  Herrschaft 
zu  behaupten;  im  November  und  Dezember  1876  wehte 
derselbe  sogar  18  bis  20  Tage.  Die  bevorzugte  Stellung 
Westgronlands  in  der  Polarregion  ist  wenigstens  zum  Teil 
aof  das  haufige  Einsetzen  dieser  fohnartigen  Winde  zuriick- 
zufiihren. 

Wenn  die  Temperaturverhaltnisse  des  hohen  Nordens 
gegenuber  dem  Mangel  an  Niederschlagen  und  der  er- 
schwerten  Wasserzufuhr  erst  in  zweiter  Linie  in  Frage 
kommen,  so  ist  doch  nicht  zu  verkennen,  dass  dieselben 
fiir  die  Entfaltungsfahigkeit  der  Pflanzenwelt  immerhin 
entscheidend  sind.  Ohne  Bedeutung  sind  die  Minima;  dies 
lehrt  uns  schon  der  einfache  Hinweis  auf  die  Lage  des 
Kaltepols,  der  bei  Werchojansk  noch  mitten  im  Waldgebiet 
liegt;  das  verhaltnismassig  milde  ozeanische  Klima  der 
Ktistengebiete  und  Inseln  des  Polarmeeres  ermoglicht  nur 
eine  ausserst  dtirftige  Pflanzenwelt,  in  denen  die  Flechten- 
fjelde,  besonders  das  Lecanoretum,  und  die  Felsentundra 
in  ihren  trostlosesten  Ausbildungen  vorherrschen,  und 
doch  verzeichnen  diese  Gebiete  keine  so  tiefen  Minima 
wie  die  inneren  Teile  des  Landes.  Als  Erich  der  Rote  (983) 
das  grosse  arktische  Land  im  Westen  von  Island  entdeckte, 
nannte  er  es  Gronland,  d.  h.  grimes  Land,  nicht  um  durch 
falsche  Vorspiegelungen  Kolonisten  zur  Ansiedelung  an- 
zulocken,  sondern  um  den  Gegensatz  zwischen  dem  oden 
und  unwirtlichen  Kiistengebiet  und  dem  frischen  Griin 
der  tief  einschneidenden  Fjorde  zum  Ausdruck  zu  bringen. 
In  ihrem  Hintergrund  beherbergen  dieselben  neben  herr- 
lichen  arktischen  Matten  und  Zwergstrauchheiden  selbst 
noch  kleine  Buschwalder  aus  Salices,  Erlen,  Zwergbirken    ^m 


432 


und  Sorbus  americana.  Laube  schreibt80) :  „Das  auf  den 
Aas3eninseln  kaum  oder  gar  nicht,  an  den  Kxisten  des 
Festlandes  nur  sparlich  gedeihende  Zwergholz,  Birken  und 
Weiden  wird,  je  weiter  man  in  die  Fjorde  hineinkommt, 
desto  kraftiger  und  starker,  und  das  Ufer  eines  solchen 
weit  ins  Land  eingreifenden  Meeresarmes  birgt  oft  einen 
recht  ansehnlichen  Bestand  fast  mannshohen  Buschholzes." 

Ein  grosser  Teil  der  arktischen  Pflanzenwelt  meidet 
das  Kii8tenklima;  die  reicbste  Entwicklung  der  nordischen 
Pflanzenwelt  wird  in  den  kontinentaleren  Teilen  der  Arktis 
erreicht.  Bei  Vergleichung  der  einzelnen  Fjorde  ergibt 
sich,  dass  die  tiefst  eingeschnittenen  in  ihrem  Hintergrund 
auch  die  reichste  Flora  besitzen.  Ausserordentlich  lehr- 
reich  ist  in  dieser  Hinsicht  der  Eisfjord  auf  Spitzbergen. 
Von  den  123  Bliitenpflanzen  des  ganzen  grossen  Archipels 
konnen  wir  hier  113  Arten  sammeln,  so  dass  diesem  kleinen 
Gebiet  nur  10  Arten  der  gesamten  Inselgruppe  fehlen.21) 

Diese  auffallende  Tatsache  findet  ihre  Erklarung  in 
der  Verschiedenheit  des  Klimas  der  Ktistengebiete  gegen- 
iiber  demjenigen  des  Binnenlandes.  Das  Klima  ist  im 
Sommer  durch  haufige  Wolken-  und  Nebelbildungen  aus- 
gezeichnet;  dementsprechend  ist  die  Insolation  vermindert 
und  die  Schneemassen  verschwinden  an  der  Xiiste  viel 
spater  als  im  Innern.  Die  Einfahrt  in  einen  solchen 
Fjord  bringt  daher  oft  allerlei  Uberraschungen.  Herrscht 
an  der  Kiiste  noch  der  Winter,  so  ist  der  Hintergrund  der 
Fjorde  nicht  selten  schon  schneefrei  und  die  Vegetation 
bereits  aus  ihrer  Winterruhe  erwacht.     Im  hinteren  Teil 


*°)  Die  zweite  deutsche  Nordpolarfahrt  in  den  Jahren  1869 
und  1870  unter  Fiihrung  des  Kapitans  K.  Koldewey.  Bd.  I  (1873), 
pa^r.  158. 

")  Engler,  Botan.  Jahrbticher.    Bd.  IV,  pag.  439/443. 


433 


der  Fjorde  ist  der  Himinel  weniger  bewolkt,  die  Wirkung 
der  Sonnenstrahlen,  die  auf  den  Abhangen  nahezu  recht- 
winklig  einfallen  konnen,  ist  bedeutend  grosser  und  so 
wird  die  Vegetationsperiode  verlangert.  Gegenuber  diesen 
Vorteilen  haben  die  tieferen  winterlichen  Minima  fur  die 
Vegetation  nichts  zu  bedeuten. 

Feuchtigkeit,  Temperaturverhaltnisse  und  Bodenbe- 
schaffenheit  sind  fur  den  wirtschaftlichen  "Wert  eines 
Landes  die  drei  ausschlaggebenden  Faktoren.  Die  beiden 
ersten  Momente  ergeben  nun  besonders  infolge  der  niederen 
Sommer temper aturen,  der  auffallend  sparlichen  Nieder- 
schlage  und  der  grossen  Trockenheit  der  Luft  fur  die 
Pflanzenwelt  sehr  ungunstige  Lebensbedingungen.  Zudem 
ist  das  Klima  in  der  ganzen  Polarzone  ausserst  gleich- 
massig;  so  kommt  es,  dass  die  wechselnde  Bodenbeschaffen- 
heit  in  der  arktischen  Natur  die  grossten  Gegensatze  her- 
vorzubringen  vermag.  Es  sei  nur  einmal  daran  erinnert, 
was  wir  an  anderer  Stelle  bereits  iiber  die  verschiedenen 
Charakter  der  Pflanzenwelt  des  feuchten  und  des  trockenen 
Bodens  gesagt  haben.  Bei  den  iiberaus  ungiinstigen,  auf 
weiten  Gebieten  sich  nahezu  gleichbleibenden  klimatischen 
Bedingungen  der  Polarregion,  wird  der  jeweiligeLokal- 
charakter,  wie  kaum  in  einer  anderen  Zone,  fast  aus- 
schlieeslich  durch  die  Bodenbeschaffenheit  bedingt. 

Der  Einfluss  des  Bodens  ist  ein  dreifacher: 

1.  die  Neigung  und  Exposition, 

2.  die  Durchlassigkeit, 

3.  die  chemische  Beschaffenheit. 

A.  Neigung  und  Exposition.  Bei  dem  niederen  Sonnen- 
stand  der  Polarzone  ist  die  Neigung  des  Bodens,  welche 
die  Sonnenstrahlen   unter  gunstigerein  Winkel,  ja  selbst 

28 


434 


senkrecht  einfallen  lasst,   fur  das  pflanzliche  Leben  von. 
eminenter  Bedeutung. 

Die  dadurch  erreichten  Vorteile  sind  von  zweierlei  Art  z 

a)  Durch  das  mehr  oder  weniger  senkrechte  Einfallen 
der  Sonnenstrahlen  erfolgt  auf  jede  Flacheneinheit 
eine  erhohte  Warmezufuhr.  Die  grossere  Sonnen- 
wirkung  bringt  Schnee  und  Eis  rascher  zum  Schmelzen 
und  so  werden  solche  Standorte  frtihzeitiger  schneefrei, 
d.  h.  die  Vegetationsperiode  dieser  Gebiete  wird  oft  nicht 
unerheblich  verlangert. 

b)  Durch  die  Neigung  des  Bodens  wird  aber  auch 
das  Schmelzwasser  zum  raschen  Abfliessen  ge- 
notigt^  es  bleibt  in  solchen  Lagen  nicht  an  Ort  und 
Stelle  liegen,  um  bei  nebligen  Tagen  oder  infolge  der 
Nahe  des  Bodeneises  wieder  zu  gefrieren,  um  spater  neuer- 
dings  aufgetaut  zu  werden,  wie  das  auf  ebenen  Flachen 
mit  dem  Eisboden  als  Unterlage  sich  sehr  leicht  mehr- 
mals  wiederholen  kann.  An  ebenen  Stellen  verrichtet  da- 
her  die  Sonne  in  der  Arktis  eine  eigentliche  Danaiden- 
arbeit.  Ihre  Wirkung  ist  zudem  bedeutend  abgeschwacht, 
da  ja  ihre  Strahlen  unter  sehr  schiefem  Winkel  einfallen. 
Solche  Gebiete  werden  daher  oft  erst  gegen  Schluss  des 
Polarsommers  in  den  obersten  Schichten  schnee-  und  eis- 
frei ;  fur  die  Vegetation  sind  sie  daher  nahezu  ohne  Wert. 
Die  Befreiung  von  don  Schnee-  und  Eismassen  kann  an 
solchen  Lokalitaten  fast  nur  durch  allmahliche  Verdunstung 
an  Ort  und  Stelle  erfolgen,  ein  Prozess,  der  bei  den  un- 
gewohnlich  ungiinstigen  ausseren  Bedingungen  naturgemass 
nur  ausserordentlich  langsam  vor  sich  gehen  kann. 

Wenn  aber  bei  geneigter  Flache  das  Schmelzwasser 
sogleich  abfliesst,  so  wird  der  Boden  rascher  getrocknet ; 
er  ist  nun  erwarmungsfahig  geworden,  erst  jetzt  kommt 


435 


die  Sommerwarme  der  Vegetation  zu  gut.  So  sind  es  zwei 
Ursachen,  welche  zusammenwirken,  dass  die  geneigte  Fl&che 
in  der  Polarregion  dem  Pflanzenwuchs  giinstigere  Verhalt- 
nisse  gewahrt. 

Eigentliche  Gebirgsformen  wirken  dagegen  in  den 
arktischen  Gebieten  sehr  ungunstig  auf  die  Pflanzenwelt 
ein,  denn  durch  den  tiefen  Stand  der  Sonne  wird  der 
Schattenkegel  der  Berge  sehr  stark  verlangert  und  so  auch 
im  Sommer  grosse  Flachen  lange  Zeit  der  Besonnung  ganz 
entzogen.  Die  Gebirge  geben  ferner,  sobald  sie  die  bei 
kaum  300  m  liegende  Schneegrenze  uberschreiten,  Veran- 
lassung  zu  bleibenden  Ansammlungen  von  Schnee  und  Eis, 
die  jeweilen  auch  eine  klimatische  Depression  der  Nachbar- 
gebiete  bewirken.  Indem  endlich  die  Schnee-  und  Eis- 
massen  Abfluss  nach  der  Niederung  suchen,  bedecken  sie 
ihrerseits  wieder  weite  Gebiete,  die  sonst  noch  der  Vege- 
tation zuganglich  waren. 

Dass  die  Arktis  somit  nicht  noch  weit  ungiinstigere 
Vegetationsverhaltnisse  zeigt,  verdankt  sie  mithin  haupt- 
sachlich  ihreni  topographischen  Charakter,  d.  h.  dem  Vor- 
wiegen  welliger  Hiigellander;  wo  das  Gelande  sich  zu 
ioheren  Formen  erhebt,  wie  in  Gronland,  in  Franz-Joseph- 
Land  und  auch  in  einzelnen  Teilen  Spitzbergens,  da  bildet 
sich  gleich  das  allem  Leben  feindliche  Inlandseis. 

Topographisch  werden  also  ebene  Flachen  und  aus- 
gesprochene  Gebirgsformen,  welche  sich  uber  die  ortliche 
Schneegrenze  erheben,  ungiiiistige  Verhaltnisse  hervorrufen, 
schwach  geneigte  Flachen  und  Hiigellander  dagegen  dem 
vegetativen  Leben  die  giinstigsten  Bedingungen  gewahren. 

B.  Durchlassigkeit  des  Bodens.  Die  mehr  odor  weniger 
grosse  Durchlassigkeit  des  Bodens  ist  nachst  der  Neigung 
Qnd  Exposition  von  ausschlaggebendem  Einfluss.    Ober- 


436 


flachlich  schwereroder  so  gar  undurchlassiger 
Boden  bedingt  unter  alien  Umstanden  sehr  ungtinstige 
Verhaltnisse,  besonders  wenn  der  Boden  dazu  noch  eben 
ist;  in  diesem  Falle  bleibt  das  Schmelzwasser  liegen,  um. 
von  unten  immer  wieder  von  neuem  zu  gefiieren.  1st  der 
Boden  etwas  geneigt,  so  kann  das  Eis  in  den  oberflach- 
lichen  Schichten  schon  auftauen,  das  Schmelzwasser  wird 
aber  jetzt  von  den  Erdpartikelchen  festgehalten  und  fliesst 
nicht  ab;  der  Boden  muss  dann  wieder  an  Ort  und  Stelle 
durch  die  Insolation  trocken  gelegt  werden;  so  wird  trotz 
der  geneigten  Bodenlage  die  Vegetationsperiode  wiederum 
verzogert. 

Haben  wir  dagegen  oberflachlich  durchlassigen  Boden r 
so  kann  das  Schmelzwasser  gleich  in  die  Tiefe  sickern 
und  der  Boden  wird  dem  vegetativen  Leben  fruhzeitig 
zuganglich. 

In  einer  anderen  Hinsicht  scheinen  aber  durchlassiger 
und  undurchlassiger  Boden  sich  anders  zu  verhalten,  nam- 
lich  in  Bezug  auf  das  Bodeneis.  Im  lockeren  Boden 
Sibiriens,  z.  B.  bei  Jakutsk,  geht  der  Eisboden  bis  zu 
200  m  Tiefe22);  in  derselben  Breite  am  Makenzie  betragt 
die  Machtigkeit  des  Eisbodens  in  undurchlassiger,  grani- 
tischer  Unterlage  nur  zwei  Meter.  Man  darf  sich  aber 
durch  diese  auffallenden  Zahlen  nicht  irre  fiihren  lassen. 
Dass  die  Machtigkeit  des  Eisbodens  fur  das  pflanzliche 
Leben  ziemlich  irrelevant  sein  muss,  ergibt  sich  schon  aus 
der  geographischen  Verbreitung  des  Eisbodens;  derselbe 
reicht  noch  in  die  subarktische  Region  und  damit  in  das 

,2)  In  dem  bis  zu  116  m  fretriebenen  Scherginschacht  bei  Jakutsk 
liat  man  don  Eisboden  noch  nicht  durchbrochen;  nach  der  Warme- 
zunalimo  in  diesem  Schacht  berechnete  man  die  Tiefe  des  Boden- 
eises  auf  186  m. 


437 


Waldgebiet.  Die  Tiefengrenze  des  Eisbodens  entspricht 
der  Bodenschicht,  in  der  das  Thermometer  noch  dauernd 
auf  dem  Gefrierpunkt  steht.  Fiir  das  Pflanzenleben 
kommen  abernur  die  obersten  Bodenschichten 
in  Betracht;  wenn  diese  aufgetaut  sind,  so  kann  das 
vegetative  Leben  beginnen,  wenngleich  in  der  Tiefe  das 
Bodeneis  noch  so  machtig  ist.  Die  arktischen  Pflanzen 
sind  daher  fast  ausnahmslos  flachwurzelig.  Die  Wur- 
zeln  dringen  nur  wenig  in  den  Boden  ein,  um  sich  dann 
oft  unmittelbar  unter  der  Oberflache  nach  alien  Seiten 
auszubreiten. 

Der  durchlassige  Sandboden  kann  sich  einzig  genugend 
erwarmen  um,  auch  selbst  im  hohen  Norden,  eine  etwas 
reichere  Vegetation  zu  erlauben;  auf  ihm  dringen  in  den 
grossen  Flusstalern  die  Larchen  am  weitesten  nach  Norden. 

Die  Erhaltung  des  Bodeneises  in  den  obersten  Erd- 
schichten  kann  aber  auch  noch  durch  den  Charakter  der 
Vegetationsdecke  begiinstigt  werden.  Es  sind  besonders 
die  Vergesellschaftungen  von  Moosen,  welche  durch  ihre 
grosse  Hygroskopizitat  den  Boden  lange  Zeit  vor  der 
direkten  Erwarmung  und  damit  das  Bodeneis  vor  dem 
Auftauen  schiitzen. 

C.  Chemische  Beschaffenheit  des  Bodens.  In  hohen 
Breiten  erfolgt  nach  Ramann  die  Verwitterung  und  damit 
die  TJrbarmachung  des  Bodens  hauptsachlich  durch  die 
Humussauren.  Die  Kohlensaure  soil  bei  diesem  wichtigen 
Prozess  nur  eine  sehr  untergeordnete  Rolle  spielen.  Diese 
Art  der  Verwitterung  findet  sich  in  Mitteleuropa  nur  auf 
ganz  armen,  torfigen  Boden arten  und  im  Hochgebirge. 

Von  hohem  Interesse  ist  die  Tatsache,  dass  die  Kraft 
der  Dungung  sich  bis  in  aussersten  Norden  bewahrt. 
(Jberall,   wo  die  Polarvolker  wahrend   einiger  Zeit  ihre 


438 


Zeltlager  aufgeschlagen  hat  ten,  am  Ausgang  der  Hohle  des 
Eisfuchses  und  ganz  besonders  auf  den  angeschwemmten, 
jahrlich  unter  Wasser  gesetzten,  schlammreichen  Niede- 
rungen,  den  sogen.  Laidy  Middendorffs,  zeigt  die  Vege- 
tation ein  ungewShnlich  uppiges  Aussehen.88)  Auch  Kihl- 
man  erwahnt  solche  Laidys  als  mit  uppiger  Grasvege- 
tation  eingenommene  Schwemmlandbildungen  am  "Woronje 
auf  Kola. 

Die  Bareninsel  im  nordlichen  atlantischen  Ozean 
besitzt  ein  ausserordentlich  odes  Aussehen.  Nur  die  ins 
Meer  hinausragenden  Felsklippen  zeigen  ofters  kraftigeren 
Graswuchs  und  viele  dieser  steilen  Riffe  sind  mit  iippig 
wuchernder  Cochlearia  geschmiickt.  Die  Ursache  dieser 
seltsamen  Erscheinung  ist  der  unglaubliche  Reichtum  an 
Seevogeln,  denn  nur  wo  diese  nisten  und  wo  dicke  Lagen 
von  Vogelmist  die  Felsen  bedecken,  kann  sich  unter  diesea 
Breiten  noch  eine  so  uppige  Vegetation  entfalten. 

Wie  bereits  betont,  ist  unter  den  klimatischen  Faktoren 
der  Mangel  an  Feuchtigkeit  fur  die  Pflanzenwelt  ohne 
Zweifel  von  entscheidendster  Bedeutung.  Welches  sind 
nun  die  Anpassungserscheinungen  der  arktischen  Flora  an 
Trockenheit  ?  Dieselben  beziehen  sich  sowohl  auf  den  Bau 
des  Blattes  wie  auch  auf  die  Sprossachsen ;  ja  sogar  im 
Bau  des  Wurzelsystems  lassen  sich  bei  vielen  Arten  Adap- 
tionen  erkennen. 

Die  grosste  Sorgfalt  wird  auf  die  morphologisch- 
anatomische  Ausbildung  derBlattorganegelegt.28*) 

M)  M.  Rikli,  1.  c.  pag.  316—817,  ferner  pag.  320. 

,3*^  In  Bezug  auf  Nomenklatur  und  Autoren  machen  wir  auf 
die  soeben  im  Erscheinen  begrifleno  Flora  arctica  ven  C.H.  Ostcn- 
feld  ((uiglisch)  aufmerksam.  Heft  I  (1902)  enthalt  die  Pteridoplyten, 
Gymnospermen  und  Monocotyledonen. 


439 


1.  Verkleinerung  der  Blattfl&che.  Die  Kleinblattrigkeit 
oder  die  Ausbildung  microphyller  Varietaten  ist  eine  ganz 
allgemein  verbreitete  Erscheinung.  Nach  Warming  sind 
fast  alle  gronlandischen  Exemplare  von  Vacciniumuli- 
ginosum  der  var.  micro phyllum23b)zuzuzahlen.  Die 
Blatter  von  Rhododendron  lapponicum  sind  die 
kleinsten  dieses  Genus.  Auch  der  Vergleich  von  Dry  as 
octopetala  aus  siidlicheren  und  nordlicheren  Breiten 
zeigt  eine  deutliche  Verkleinerung  der  Blattflachen  nach 
dem  hohen  Norden;  die  nordische  Varietat  D.  octopetala 
v.  integrifolia  besitzt  im  hochsten  Norden  fast  schuppen- 
fbrmige  Blattchen.  Durchschnittlich  sind  die  Blatter  von 
Ledum  palustre  v.  decumbens  viel  kleiner  als  die 
mittelschwedischen  und  deutschen  Ledum-Exemplare.  In 
diesem  Zusammenhange  seien  auch  die  Blatter  von  Em- 
petrum  und  Phyllodoce  erwahnt. 

Die  Natur  wird  gewiss  nicht  diejenigen  Organe,  von 
denen  die  Ernahrung  und  ganze  Entwicklung  abhangig 
ist,  kleiner  machen,  als  durchaus  notwendig  ist.  Auch  Van- 
hoffen  fuhrt  diese  erhebliche  Verkleinerung  der  Vegetations- 
organe  auf  die  grosse  Verdunstungsgefahr  zuriick. 

Doch  nicht  immer  erfolgt  eine  solche  Verkummerung 
der  Blattflache.  Abromeit  macht  auf  einige  abweichende 
Beispiele  aufmerksam.  Bei  Alchemilla  vulgaris  sind 
dfe  Blatter  so  gross  wie  bei  deutschen  Exemplaren,  auch 
Rubus  chamaemorus,  die  Moltebeere,  hat  recht  statt- 
liche  Blatter.  Potentilla  Anserina  f.  groenlandica 
entwickelt  gelegentlich  selbst  noch  grossere  Blatter  als 
die  bei  uns  vorkommenden  Formen  dieser  Art;  dasselbe 
gilt  fur  Ledum  palustre  v.  groenlandica.  Doch  ge- 
horen  all  diese  Arten  mehr  der  Subarktis,  der  Ubergangs- 
tundra  oder  den  siidlichen  Teilen  der  Arkto-Tundra  an 

Mb>  Siehe  Tafel  pag.  444. 


440 


2.  Grosse  Verbreitung  lederartiger,  immergrOner  Blfttt- 
chen.  Die  meisten  Vertreter  der  arktisohen  Zwergatrauch- 
heide  sind  diesem  Typus  zuzuzahlen.  Es  sei  zunachst  nur 
an  die  zahlreichen  nordischen  Ericaceen  erinnert:  Loise- 
leuria,  Phyllodoce,  Cassiope,  Ledum,  Oxycoocus,  Rhodo- 
dendron, Andromeda,  ferner  an  Empetrum,  Diapensia  etc. 
Die  Blatter  all  dieser  Pflanzen  sind  steif  und  hart  und 
besitzen  eine  aussergewohnlich  starke  Cuticula,  die  Ober- 
flache  dagegen  ist  trotzdem  nicht  selten  schuppen-  oder 
nadelformig  verkummert.  Es  sind  alles  zwerghafte  Hart- 
laubgewachse,  welche  befahigt  sind,  an  schneefreien  Lagen, 
auch  im  Winter,  die  lokalen  Erwarmungen  sogleich  aus- 
zuniitzen;  es  ist  dies  um  so  wichtiger,  als  ja  durch  die 
Reduktion  der  Blattflache  die  Assimilationst&tigkeit  beein- 
trachtigt  wird. 

3.  Den  Sprossachsen  dachziegelartig  anliegende  Blfttter. 
Die  Stomata  finden  sich  auf  der  Blattoberseite ;  zwischen 
Stengel  und  Blatt,  an  windgeschutzter  Lage,  sind  sie  gegen 
zu  weitgehende  Wasserabgabe  geschxitzt.  Die  beiden 
Cassiope-Arten  und  Lycopodium  annotinum  v.  pun- 
gens  sind  fur  diesen  Fall  besonders  typische  Beispiele. 

4.  Zusammenrollbarkeit  des  Blattes.  Eine  ganze  Reihe 
von  Arten  sind  wie  Steppengraser  durch  Gelenkapparate 
ausgezeichnet,  die  bei  eintretendem  Wassermangel  infolge 
Turgorverlustes  ein  Zusammenrollen  der  Blatter  ermdglichen 
(Loiseleuria).  Die  Einrollung  kann  je  nach  der  Lage  des 
Gelenkgewebes  sowohl  nach  der  Blattober-  als  auch  nach 
der  Blattunterseite  erfolgen.  Im  ersten  Fall  sind  dann  die 
Spaltoffnungen  auch  auf  der  Oberseite  des  Blattes.  Kihl- 
man  macht  darauf  auimerksam,  wie  durch  Langsrillen- 
bildungbei  Carex  vulgaris  v.  juncella  und  bei  C.  aqua- 
til  i  s  d  ie  Leistungsfahigkeit  d  ieses  Apparats  noch  erhdht  wird . 


I 

1 


1 

I 

s 


*1 


15 


e 
1 

1 


a 
4 

S 


i 


s 

B 

UJ 


I 


to  s 


^ 


B 
1 


i 

f 


I 


.. 


B 

fa 


if 

>  o 


r 


441 


5.  Neigung  zur  Sukkulenz,  ein  xerophiles  Anpassungs- 
merkmal,  das  in  der  arktischen  Flora  jedoch  eine  ziem- 
lich  untergeordnete  Rolle  spielt.  Doch  lassen  sich  auch 
hier  einige  Beispiele  auffuhren,  mehrere  Saxifragen  sind 
mehr  oder  weniger  sukkulent.  Typische  Sukkulenten  liefern 
die  genera  Ehodiola,  Eutrema,  Amadenia;  audi 
die  Cochlearien  neigen  zur  Sukkulenz. 

6.  Die  Trichophyllie,  d.  h.  die  dichte  Behaarung  der 
Blatter  (siehe  pag.  4  und  Adnota  6). 

7.  Ausbildung  von  einer  Wachsschicht  auf  der  Blattunter- 
seite.  Dies  ist  z.  B.  der  Fall  bei  Andromeda  polifolia, 
Salix  glauca  und  reticulata  und  bei  Yaccinium  uliginosum. 

8.  Ganz  besondere  Sorgfalt  wird  endlich  auf  die  Aus- 
bildung des  Spaltdffnungsapparates  verwendet.  Die  Anlage 
der  Stomata  erfolgt  immer  an  moglichst  versteckten  Lagen, 
die  Spaltoffnungszellen  selbst  zeigen  r  i  ihren  feineren  Bau- 
verhaltnissen  zahlreiche  Adaptionen,  wie:  starke  ftussere 
Yerdickungsleisten,  Ausbildung  von  aussern  und  innern 
Yorhofen,  Auftreten  innerer  Atemh5hlen,  welche  mit 
grossen,etwasderbwandigen,plasmaarmenZellenuberwolbt 
sind  (Uncina  nach  Kihlman);  ferner  sind  die  vertieften 
Stomata  ofters  durch  eine  zottige  Haarbedeckung  (Ledum. 
Loiseleuria,  Phyllodoce,  Dry  as  etc.)  weiters  geschiitzt. 

An  den  Sprossachsen  fallt  uns  zunachst 

9.  die  meist  starke  VerkQrzung  der  Internodien  auf;  so 
bekommen  die  Blatter  eine  dichte,  gedrangte  Stellung  und 
die  Pflanzen  einen  ausserst  gedrungenen  Wuchs  (Cassiope). 

10.  Bildung  rasselnder,  dQrrer  HQIIen,  die  aus  alien, 
abgestorbenen  Blattern  bestehen  und  die  jungen.  zarten 
Triebe  nebst  dem  Vegetationspunkt  schiitzend  umgeben. 
Schon  C.  E.  v.  Bar  und  Middendorff  haben  darauf  hinge- 
wiesen,  dass  die  verdorrten  Blattmassen  oft  jahrelang  nocb 


442 


den  lebenden  Stammscheitel  umgeben.  Diese  Erscheinung 
ist  fiir  die  meisten  Polsterpflanzen,  vor  allem  fur  die 
Diapensialapponica,  bezeichnend,  aber  selbst  einige 
Sal  ices  (S.  bogadinensis  Nordasiens)  und  sogar  Farren, 
wie  Aspidium  fragrans  zeigen  diese  Schutzvorrichtung. 

1 1.  Das  Aufsuchen  der  Bodenw&rme.  Nur  auf  der  Lee- 
seite  von  Felsen  und  grosseren  Blocken,  sowie  im  Wind- 
schutz  kleiner  Hugelziige  und  Terrainwellen")  vermogen 
die  polaren  Weiden  und  Birken  sich  zu  kleinen  Spalier- 
baumchen  zu  erheben ;  ihre,  die  schiitzenden  Blocke  iiber- 
ragenden  Zweige  werden  von  den  austrocknenden  Winden 
jeweilen  wieder  abgetotet.  In  offenen  Lagen  sehen  wir 
dagegen  nicht  selten  die  Hauptsprossachsen  im  Boden  und 
nur  die  Seitenzweiglein  dieser  Zwergstraucher  ragen  uber 
denselben  bis  Spannhohe  empor.  So  verhalt  sich  z.  B.  die 
Wollweide,  Salix  lanata;  auf  Nowaja  Semlja  kriecht  sie 
oft  4  m  unmittelbar  unter  der  Erdoberflache  hin  und  er- 
hebt  sich  kaum  25  cm  uber  dem  Boden.26) 

12.  Bildung  halbkugeliger  Polster,  welche  bekanntlich 
durch  eine  ausserordentlich  reichliche  und  dicht  stehende 
Verzweigung  aus  kriechenden  Hauptachsen  zustande  kommt, 
ist  im  hohen  Norden  allgemein  verbreitet.  Solche  Polster- 
pflanzen sind  besonders  an  moglichst  windoffenen,  unge- 
schiitzten  Standorten  angesiedelt.  Am  Kap  Tscheljuskin, 
der  Spitze  Nordasiens,  wurde  von  der  Vegaexpedition  bei 
einer  Ausbeute  von  nur  23  Bliitenpflanzen  nicht  weniger 
als  13  Polsterpflanzen  gezahlt. 

a*)  .7.  Frith,  Die  Abbildung  dor  vorberrschenden  Winde 
durch  die  Pflanzenwolt.  Jahresbericbt  der  geograpbisch- 
etbno^rapbischen  Gesellscbaft  Zurich  1901/02,  pag.  Ill — 118. 

M)  A.Kirchhoff,  Pf  lanzen-  und  Tierverbreitung.  Abt.  Ill 
von  Hann,  Hochstettcr,  Pokornys  allgemeine  Landerkunde,  ed.  V 
U899>  pag.  141. 


443 


Wie  wir  bereits  an  anderer  Stelle  kennen  gelernt 
haben,  zeigt  selbst  das  Wurzelwerk  durch  seine  unter  der 
Erdoberflache  horizontale  Ausbreitung  eine  zweckmassige 
Anpassung  an  die  xerophytischen  Existenzbedingungen  der 
arktischen  Flora;  denn  eine  solche  Entfaltung  des  Wurzel- 
systems  ist  gleichbedeutend  mit  einer  vermehrten  Wasser- 
absorptionsfahigkeit. 

Die  Polarpflanze  verfugt  somit  liber  eine  stattliche 
Zahl  von  Mitfeln,  um  zu  demselben  Ziel:  ausgiebiger 
Schutz  vor  zu  weitgehender  Abgabe  von  Wasser- 
dampf,  zu  gelangen.  So  sehr  wir  aber  all  diese  An- 
passungserscheinungen  in  ihrer  Zweckmassigkeit  und  voll- 
endeten  Ausbildung  bewundern  mogen,  so  miissen  wir 
doch  immerbin  zugeben,  dass  das  arktische  Klima  auf  die 
gesamten  Vegetationsorgane  einen  sehr  ungunstigen  Ein- 
fluss  ausiibt,  indem  es  dieselben  zu  moglichster  Material- 
ersparnis  und  damit  zu  den  weitgehendsten  Reduktionen 
notigt. 


/ 


444 


o 


•a 


00 

© 


o  ~ 


1 

O 
> 


sS 


445 


Erklarung  der  Tafel. 


Diese  Blattserie  soil  fur  die  Rauschbeere  die  Verkleinerung 
der  Blattflacbe  im  bohen  Norden  gegenuber  den  Blattern  derselben 
Art  in  unseren  Breiten  zur  Darstellung  bringen.  Die  Zeicbnungen 
entsprecben  den  natiirlichen  Grossenverbaltnissen  ausgewacbsener 
Blatter. 


Xr. 


Xr. 


a)  Blotter  von  Vacilnium  uliginosum  aus  der  Schwelz 
Ton  ca.  600-2300  m. 

I  f.  macrophylla,  Wachseldorn-Moos  bei  Heimenscbwand,  leg. 

C.  Schroter. 
II  f.  macrophylla,  Waldmoore  im  Rosswald  bei  Wildhaus,  circa 
1250  m,  leg.  Chr.  Briigger. 
Xr.  m  Torfmoor  von  Hinwil,  leg.  E.  Bcnz. 

Xr.  IV  Hinterberg-Ried  bei  Schonenberg  (Kt.  Zurich),  leg.  Af.  Rikli. 
Xr.   V  Gipfel  des  Jagglishorn  bei  St.  Antonien,  Graubiinden,  circa 
2300  m,  leg.  M.  Rikli, 

b)  Blatter  Yon  Yaecinium  uliginosam  aus  der  Arktis. 

Xr.  VI-— VIII  Egedesminde  an  der  Diskobucht  in  "Westgronland  bei 
ca.  68°  n.  Br.  =  f.  microphylla. 
Nr.     VI  sehr  grosses  Blatt. 

Nr.    VII  mittlere  Grosse  ausgewachsener  Blatter. 
Nr.  VIII  kleines  Blattcben,  aber  bereits  ausgewacbsen. 


446 


Erklarung  zu  den  beiden  Chromotafeln.1) 

Unsere  beiden  Chromotafeln  bringen  zwei  der  bezeichnend- 
sten  pflanzlichen  Vergesellschaftungen  des  hohen  Nordens  zui 
lebensvollen  Darstellung :  die  arktische  Mattenf  ormatior 
in  ihrer  hervorragenden  Farbenpracht  und  die  reizenden  Typer 
der  arktischen  Zwergstrauchheide.  Um  keine  falscher 
Vorstellungen  zu  erweeken,  sei  hervorgehoben,  dass  diese  herr- 
lichen  Vegetationsbilder,  die  uns  vielfach  an  unsern  lieblicher 
Alpenfruhling  erinnern,  in  der  Arktis  gegenuber  der  unendlichen 
monotonen  Tundra  sehr  stark  zurticktreten  und  nur  auf  den  Ab- 
hangen  und  Terra9sen  der  kliraatisch  begiinstigten  Flusstaler  odei 
im  Hintergrund  der  geschutzten  Fjorde  einige  physiognomischc 
Bedeutung  zu  erlangen  vermbgen.  Und  selbst  an  solchen  Stand 
orten  werden  die  einzelnen  Arten  nur  ausnahmsweise  sich  zi 
so  geschlossenen  Formationen  zusammenfinden.  Bei  den  ge- 
gebenen  Grbssenverhiiltnissen  der  Bilder  hatte  aber  unter  Wie- 
dergabe  einer  offeneren  Bewachsung  des  Bodens  die  Darstellung 
der  einzelnen  Pflanzen  zu  sehr  gelitten.  Ubrigens  dtirften,  wenig- 
stens  in  den  siidlichen  Teilen  der  Arktis  und  in  der  Ubergangs* 
tundra,  solche  mehr  geschlossene  Vegetationsbilder  nieht  gerade 
zu  den  Seltenheiten  gehoren.  G.  E.  v.  Bar  schildert  die  Matte n 
formation,  diese  Warme-Oasen  des  hohen  Nordens,  in  beredter 
Worten  und  sagt  von  ihnen,  fman  glaubt,  kunstlich  gepflegtc 
Gartenbeete  vor  sich  zu  sehen*,  und  auf  Nowaja  Semlja  be- 
wundert  er  die  „mit  purpurfarbigen  Blumen  dichtbesetzten  Raser 
der  Silenen  und  Saxifragen,  gemisoht  mit  den  azurnen  Sterner 

*)  Die  beiden  Tafeln  wurden  ursprtinglieh,  nach  meinen  Augaben,  voi 
Herrn  Ludwig  Schniter  ausgefuhrt;  in  meinen  pflanzengeographischen  Vor 
lesungen  haben  sie  inir  wiederholt  wertvolle  Dienste  geleistet,  so  dass  mehr 
fach  der  WunHch  genussert  wurde,  dieselben  mochten  durch  Vervielfaltiguni 
einem  weitern  Kreise  zuganglich  gemacht  werden.  Dera  KUnatler,  wie  aucl 
der  Verlagsfirma  bin  ich  fiir  die  verstandnisvolle  Auffassung  und  Durohfuhrani 
der  gestellten  Aufgabe,  die  mit  nicht  geringen  Schwierigkeiten  verbonden  wat 
zu  grossem  Dank  verpflicbtet.  I'm  die  einzelnen  Arten  in  moglichster  Xatur 
treue  wiederzugeben,  wurde  nicht  nur  eiu  reichhaltiges,  z.  T.  farbiges  Bilder 
material  verwendet;  auch  das  im  botanisclien  Museum  des  eidgenossisohei 
Polytechnikum  in  Zurich  aufbewahrte.  von  unserem  hervorragenden  Lands 
mann  O.  Hoer  angelegte  arktische  Herbarium  lieferte  viele  Belegpflansen,  di 
besonders  fur  die  richtige  Darstellung  der  relativen  Grdssenverhaltnisse  stet 
benutzt  wurden. 


446a 


des  Vergissmeinnicht,  mit  goldgelben  Ranunkeln  und  Draben 
und  andern  Bluten  von  blauen,  weissen  und  hellroten  Farben- 
tonen,  unter  denen  das  Grtin,  des  sparliehen  Laubes  wegen,  kaum 
bemerkt  wird."  Verfasser  veroffentlichte  1901  in  der  Vierteljahrs- 
sehrift  der  naturforschenden  Gesellschaft  in  Zurich  (Jahrg.  XLVI) 
ein  Forraationsprofil  der  arktischen  Flora;  in  dem  begleitenden 
Text  (pag.  300—322)  findet  sich  auch  eine  kurze  Charakterisierung 
der  beiden  dargestellten  Formationen. 

Neben  dem  allgemeinen  Vegetationscharakter  und  der  Ver- 
gesellschaftung  bestimmter  Arten  zu  scharf  charakterisierten  For- 
mationen, veranschaulichen  die  beiden  Tafeln  endlich  noch  ge- 
wisse  pflanzengeographische  Tatsachen,  auf  die  wir  hier  auch 
noch  kurz  verweisen  mdchten. 

I.  ArktiMche  flatten  formation. 

Nach  den  Verbreitungsverhaltnissen  verteilen  sich  die  zwolf 
abgebildeten  Vertreter  dieser  Formation  wie  folgt: 

1.  Arktisch-alpin  (6)  und  zwar  in  den  Alpen  hauptsachlich 
in  der  hoheren  alpinen  und  nivalen  Region  verbreitet  sind  die 
beiden  zirkumpolaren  Polsterpflanzen  SileneacaulisL.  und  Saxifraga 
oppositi  folia  L.  Der  Gletscherranunkel  (Ranunculus  glacialis  L.),  in 
der  hoheren  Alpenregion  allgemein  verbreitet  und  von  hier  nach 
den  Karpathen  und  transsylvanischen  Alpen  ausstrahlend,  ist  im 
Norden  ausser  der  Fjeldregion  Skandinaviens,  Lapplands  und 
Kolas  nur  noch  auf  Island,  Spitzbergen,  Ost-  und  Westgronland, 
bo  wie  in  Labrador  zu  treffen.  Ubrigens  ist  der  nordische  Gletscher- 
ranunkel mit  unserer  alpinen  Pflanze  nicht  ganz  identisch ;  ttber- 
haupt  zeigt  diese  Art  eine  aussergewohnliche  Vielgestaltigkeit. 
Im  hohen  Norden  scheint  Ranunculus  glacialis  hauptsachlich  in 
der  Varietat  genuinus  aufzutreten;  dieselbe  ist  besonders  durch 
ihre  entschieden  breitern  Blattabschnitte  ausgezeichnet.  Diese 
Varietat  ist  in  den  Alpen  recht  selten.  Die  alpinen  Gletscher- 
ranunkeln  treten  uns  dagegen  in  zwei  andern  Formen  entgegen  : 
als  v  ar.  c  r  i  t  h  m  i  f  o  1  i  u  s,  eine  grossblutige  Pflanze  mit  schmalen, 
etwas  tiefer  eingeschnittenen,  crithmumartigen  und  meist  kahlen 
Blattabschnitten  und  als  var.  holosericeus  Gaud.,  eine  in 
alien  Teilen  kleinere  Erscheinung,  deren  Blatter  bfters  noch  mehr 
zerteilt,  deren  Abschnitte  jedoch  gewohnlich  mehr  abgerundet 
und  in  der  Regel  mehr  oder  weniger  langhaarig  sind.  Beide  Ab- 
arten  sind  bald  intensiv  rot-,  bald  reinweissbliitig ;  ubrigens 
werden  nicht  selten  an  einem  und  demselben  Stock  gleichzeitig  rote 


446b 


und  weisse  Bliiten  beobachtet  Die  Vergleichung  der  nordischen 
mit  den  alpinen  Gletscherranunkeln  ergibt  somit,  dass  seit  der 
Eiszeit,  wo  die  Pflanze  ein  einheitliches  Verbreitungsareal  be- 
wohnte,  in  den  nun  getrennten  Arealen  sich  eine  beginnende 
morphologische  Differenzierung  nachweisen  lasst  Ranunculus 
pygmccus  Wahlenbg.  ist  dagegen  vollkommen  zirkumpolar,  im 
Alpensystem  jedoeh  als  Glacialrelikt  auf  einige,  durch  weite 
Zwischenraume  getrennte  Stationen  der  Xivalregion  beschrankt, 
so  in  der  hohen  Tatra,  in  den  hohen  Tauern  und  als  westlichster 
Standort  im  Val  Zeznina  im  Unterengadin.')  In  ihrer  Verbreitung 
mehr  alpin,  ja  selbst  subalpin,  sind  endlich  Erigerm  uniflorus  L 
und  Primula  farinota  L.  Beide  scheinen  grosseren  Gebieten  der 
Arktis  zu  fehlen  und  da  dieselben  Gattungen  angehoren,  die  im 
Alpensystem  besonders  stark  und  in  vielen  Arten  entwickelt  sind. 
durften  wohl  diese  Arten  im  hohen  Norden  als  sudliehe  Ein- 
wanderer  aufzufassen  sein. 

2.  Als  arktisehe  Florenelemente  sind  dagegen  zu  betrachten(5  : 
Cochlearia  fetustrata  Br.,  bekannt  durch  ihre  enorme  Resistenz- 
fahigkeit  gegen  die  Angriffe  des  arktischen  Winters.  Papaver 
radicatum  Rottb.,  meist  gelb,  gelegentlich  auch  weiss,  vollkommen 
zirkumpolar  und  eine  Hauptzierde  aller  Polarlander;  nicht  selten 
wird  er  als  erster  Ansiedler  auf  Moranenschutt  beobachtet,  ja 
selbst  im  Inlandseis  des  siidlichen  Grbnlands  ist  er  auf  den  Nuna- 
taks,  jenen  steilen  Felspyramiden,  die  sich  aus  der  allgemeinen 
Vereisung  erheben,  noch  uberall  anzutreffen.  Beide  Arten  be- 
sitzen  jedoeh  nahe  Verwandte  in  den  Alpen  und  zum  Teil  selbst 
auch  noch  in  den  Gebirgen  des  mittleren  und  nordlichen  Europas; 
es  sind:  Cochlearia  anglica  L.  und  Papaver  alpinum  L.,  Pole- 
monium  pulchellum  Bge.  ist  eine  nordische,  vikarisierende  Art  des 
in  der  Gebirgsregion  Mittel-  und  Nordeuropas  eine  weite  Ver- 
breitung besitzenden  Polemonium  cceruleuni  L.  Draba  alpina  L., 
eine  zirkumpolare  Polsterpflanze,  welche  einzig  langs  den  grossen 
Meridionalgebirgen,  wie  im  Ural,  in  den  Kjolen  Skandinaviens  und 
an  der  Westkiiste  Gronlands  Vorstosse  nach  Suden  macht,  und 
Calypso  boreali8  Salisb.  endlich  ist  eine  der  wenigen  Orchideen 
der  arktischen  Pflanzenwelt.  Die  iiusserst  graziose,  etwas  tiber- 
hangende  Bltite  gleicht  einem  Miniatur-Frauenschuh,  indem  das 
Labellum  sackartig  ausgeweitet  und  durch  zahlreiche  rosarote 
Saftmahle  geziert  ist. 


*)  AT.  Hikli,  Ranunculus  pygnioeus  Wahlenbg.,  eine  neue  Sohweizerpflanse. 
Bericht  der  sohwelz.  bo  tan.  GeseUschaft,  Heft  IX  (1899),  pag.  1— IS. 


446c 


3.  Arktisch-zentralasiatisch  ist  SaxifragaJtagellarisW.  mit  ihren 
rent  Urn  lichen  Wandersprossen,  die  an  ihren  Enden  jeweilen 
len  Ableger  entwickeln.  Auch  diese  Art  ist  nicht  zirkumpolar. 
i  arktischen  Asien  allgemein  verbreitet,  f indet  sie  sich  im  nor- 
ichen  Europa  nur  noch  sparlich  auf  Nowaja  Semlja  und  Spitz- 
rgen.  Ihr  zweites  Hauptverbreitungszentrum  liegt  in  den  Ge- 
"gen  Zentralasiens  (Tibet,  Himalaya,  Kaukasus).  Da  einige  nahe- 
thende  Formen,  sowie  die  fiinf  nachstverwandten  Arten  im 
malaya  und  Tibet  endemisch  sind,  miissen  wir  wohl  den  Bil- 
ngsherd  dieser  Pflanze  in  die  zentralasiatischen  Hochlander 
rlegen. 

II.  Arktiache  Zwergstrauchheide. 

Die  Zwergatrauchheide  zeigt  noch  eine  grossere  Uberein- 
mmiing  zwischen  dem  hohen  Norden  und  den  hohern  Alpen- 
pionen,  als  wir  dies  bereits  fur  die  Mattenformation  nachge- 
esen  haben.  Der  Gesamtcharakter  als  ein  dem  Boden  ange- 
lmiegter,  bald  of fener,  bald  mehr  geschlossener  Teppich  niederer 
rergstrauchchen,  welche  in  ihrem  ganzen  Aufbau  die  sorg- 
tigste  Anpassung  an  extrem  xerophytische  Lebensbedingungen 
rraten,  bleibt  sich  in  den  beiden,  so  weit  auseinanderliegenden 
bieten  vollstandig  gleich.  Die  Erieaceen  und  einige  kleinere, 
rwandte  Familien,  sowie  die  Gruppe  der  Gletscherweiden  iiber- 
egen. 

Arktisch-alpin  sind:  Empetrum  nigrum  L.,  die  Rauschbeere; 
Iseleurin  procumbens  Desv.,  Vaccinium  uliginosum  L.,  Dryas  octo- 
ala  L.  Die  Dryade  findet  sich  aber  im  hochsten  Norden  noch 
einer  gut  charakterisierten  arktischen  Varietat,  die  von  ein- 
Inen  Autoren  selbst  als  eigene  Art  unterschieden  wird  (D.  inte- 
folia):  ferner  Salix  herbavea  L.  und  reticulata  L.  Auch  die  Zwerg- 
■ke,  BeMa  nana  L.  ist  beiden  Gebieten  gemeinsam.  Ihr  zer- 
senes  Areal  in  Mitteleuropa  lehrt,  dass  sie  bei  uns  wohl  als 
lik  ten  pflanze  aufzufassen  ist.  Die  zahlreichen  Funde  von  Zwerg- 
'kenblattchen  in  glazialen,  kalkigen  Letten  des  schweizerischen 
ttellandes,  welche  durch  Muhlberg,  Nathorst  und  Schroter  be- 
nnt  geworden  sind,  hestiitigen  diese  pflanzengeographische 
iitung.  Hat  sich  Betula  nana  als  Glazialrelikt  bis  in  unsere 
it  noch  an  einzelnen  Stellen  zu  erhalten  vermocht,  so  ist  eine 
dere,  allgemein  verbreitete  arktisehe  Pflanze,  die  zur  Eiszeit, 
e  subfossile  Funde  lehren,  auch  ein  Burger  unseres  Landes 
wesen  war,  Salix  polaris  Wahlenb.,  nun  bei  uns  schon  langst 
nz   verschwunden.    Ledum  palustre  L.,  der  Porst,  noch  in  den 


446* 


norddeutschen  Torfmooren  stellenweise  massenhaft  auftreten 
hat  in  der  Arktis  ebenfalls  eine  weite  Verbreitung;  er  bildet  s< 
gar  im  hohen  Norden  einige  mikrophylle  Abarten.  Wahrendde 
aber  der  Porst  im  Gebiet  seiner  gegenwartigen  SUdgrenze  haup 
sachlich  eine  Sumpfpflanze  der  Torfmoore  ist,  bevorzugt  er  i 
Polargebiet  entschieden  sonnig-trockene  Orte. 

Endlich  finden  sich  in  den  Teppichen  der  arktischen  Zwer 
strauchheide  auch  noch  einige  spezifisch  nordisehe  Typen  (5)  el 
gestreut.  Da  sind  es  zunachst  die  zierlichen  Gestalten  der  beidt 
CWiope- Arten  (C.  tetragona  Don.  und  C.  hypnoides  Don.),  mit  ihr< 
dem  Stengel  angepressten  schuppenartigenBlattchen  und  den  iibe 
aus  zierlichen,  vom  Winde  fast  stets  bewegten  Glockchen,  weld 
wohl  in  erster  Linie  unsere  Aufmerksamkeit  in  Anspruch  nehnu 
werden;  dort  bewundern  wir  das  leuchtende  Rot  der  kleinsti 
Alpenrose,  des  Rhododendron  lapponicum  Wahlenbg.  mit  fast  myrte 
artigen  Blattchen;  hier  ragt  aus  ihrem  nadelartigen  Laubwe 
eine  weitere  Ericacee  hervor,  es  sind  die  grossen,  purpurvioletto 
Bliiten  der  Phyllodoce  taxi  folia  Salisb.  und  auf  jener  kleinen  Bode 
schwelle  sehen  wir  die  weissen  Bllitenballe  der  Diapcnsia  lapponica  1 
deren  basale,  schon  langst  abgestorbene  Blatter  oft  noch  jahr 
langden  zarten  Vegetationspunkt  mit  einer  raschelnden,  schiitze 
den  Hulle  umgeben. 


X. 


Uber  Meteorologie  und  Influenza. 

Von 

Dr.  med.  R.  Zollikofer. 
Vortrag  vom  15.  Marz  1902. 


Auf  diesen  Gegenstand  wurde  meine  Aufmerksamkeit 
durch  einen  Aufsatz  gelenkt,  welcher  im  Jahre  1898  in 
der  Zeitschrift  fur  physikalische  und  diatetische  Therapie 
erschien  und  der  weit  iiber  die  medizinischen  Fachkreise 
hinaus  Aufsehen  erregte.  Nicht  nur  waren  Referate  iiber 
seinen  Inhalt  in  den  Tagesblattern  anzutreffen,  sondern 
man  konnte  auch  Nicht-Mediziner  iiber  ihn  reden  horen, 
und  dieses,  fur  einen  medizinisch-fachlichen  Artikel  unge- 
wohnliche  Interesse  ist  erklarlich,  denn  die  Publikation 
befasste  sich  mit  der  Entstehungsursache  einer  Volksseuche, 
welche,  wie  seit  Jahren  keine  andere  hierzulande,  alle  Be- 
volkerungsschichtenbetrofFen  hatte,  indem  urns  Neujahr  1890 
innert  wenigen  Wochen  ungef ahr  drei  Viertel  aller  Bewohner 
unserer  Gegend  mehr  oder  weniger  ernsthafte  Wirkungen 
der  Krankheit  an  sich  zu  verspuren  bekamen.  Es  ist  be- 
greiflich,  dass  diese  gewaltige  Erscheinung,  die  Influenza, 
welche  mit  der  Unwiderstehlichkeit  eines  grossen  Natur- 
ereignisses  von  Russland  ausgehend  westwarts  iiber  den 
Kontingent  flog,  das  Causalitatsbediirfnis,  den  Wunsch  nach 
Erklarung  umso  lebhafter  anregte,  als  sie  in  soldier  In- 
tensitat  fiir  alle  iiberraschend  und  fiir  die  meisten  auch 
vdllig  unbekannt  erschien.   Denn  es  waren  seit  der  letzten 


448 


grossen  Influenza-Epidemie  voile  drei  Jahrzehnte  verflossen ; 
sie  hatte  im  Winter  1857/58  in  der  Schweiz  gewiitet. 

So  wurde  denn  alles  mit  Begierde  aufgefangen,  was 
die  Erscheinung  unserem  Verstandnis  naher  zu  bringen 
verspraoh,  und  auch  der  erwahnte  Aufsatz  besonders  leb- 
haft  begriisst,  da  er  dem  plotzlichen  und  weitausgebreiteten 
Auflodern  der  Seuche  ein  unerwartet  einfaches  meteoro- 
logisches  Motiv  zugrunde  legte.  Die  neue  Erklarung, 
einmal  ausgesprochen  und  auch  auf  andere  Infektions- 
krankheiten  angewandt,  war  entschieden  der  tJberlegung 
wert;  und  ganz  nattirlich  drangte  sich  die  Frage  auf,  in- 
wieweit  die  neue  Hypothese,  welche  der  Berliner  Arzt 
Ruhemann  fur  Berlin  und  andere  deutsche  Stadte  fest- 
gestellt  zu  haben  glaubte,  auch  fur  uns,  fur  St.  Gallen, 
ihre  Geltung  bewahre.  Eine  Nachprufung  auf  die  Richtig- 
keit  fiir  St.  Gallen  Hess  sich  unschwer  durchfiihren  an 
Hand  der  meteorologischen  Tabellen  einerseits,  die  in  den 
Jahrbtichern  der  Naturwissenschaftlichen  Gesellschaft  nie- 
dergelegt  sind,  und  den  epidemiologischen  Angaben  ander- 
seits,  wie  sie  von  der  Sanitatskommission  in  den  Jahres- 
berichten  iiber  die  Verwaltung  des  Medizinalwesens  im 
Kanton  St.  Gallen  aufgezeichnet  werden.  Diese  zumeist 
zahlenmassigen  Angaben  sollen  im  folgenden  den  Ruhe- 
mann'schen  Aufzeichnungen  zum  Vergleich  gegeniiber- 
gestellt  werden;  in  erster  Linie  aber  ist  es  notig,  die  leiten- 
den  Gedanken  und  die  Ergebnisse  der  Ruhemann'schen 
Studien  iiber  die  Abhangigkeit  der  Infektionskrankheiten 
von  meteorologischen  Vrerhaltnissen  sich  noch  einmal  in 
Klirze  darzulegen. 

Er  sagt:  Das  epidemische  Auftreten  einer  Anzahl  von 
Infektionskrankheiten  ist  nicht  erklarlich  allein  aus  der 
Kenntnis  der  ansteckenden  Keime  und  der  Enipfanglich- 


449 


keit  des  Menschen  fiir  die  betreffende  Ansteckung.  Denn 
sowohl  diese  Keime,  die  Trager  der  Ansteckung,  wie  auch 
die  empfanglichen  Menschen,  konnen  mehr  oder  weniger 
bestandig  beisammen  sein,  jahraus  jahrein  die  einen  neben 
den  andern,  und  dennoch  sehen  wir  eine  ganze  Reihe  von 
infektiSsen  Erkrankungen  in  ihrem  Auftreten  an  bestimmte 
Jahreszeiten  gebunden ;  so  halten  sieh  manche  Verdauungs- 
krankheiten,  die  Kinderdiarrhoen  z.  B.,  vorwiegend  an  die 
Sommermonate,  indessen  das  Gros  der  Erkaltungskrank- 
heiten,  der  Affektionen  der  Atmungsorgane,  sich  in  der 
kalten  Jahreszeit  abspielt.  So  sieht  man  sich,  urn  diese 
Tatsache  zu  erklaren,  zar  Annahme  eines  weiteren  ur- 
sachlichen  ilomentes  genotigt,  welches  den  Jahreszeiten 
folgend,  einem  periodischen  Wechsel  unterworfen  ist,  und 
somit  nur  zu  gevvissen  Zeiten  seine  Wirksamkeit  aussert, 
also  wohl  eines  meteorologischen  Momentes.  Diesen 
Schluss  hatte  man  langst  schon  gezogen  und  in  richtiger 
Wiirdigung  desselben  zu  erforschen  gesucht,  ob  z.  B.  der 
Abkuhlungdes  Korpers  durch  niedrige  Aussentemperaturen, 
welchen  man  im  Winter  ausgesetzt  ist,  cine  Rolle  bci  der 
Entstehung  der  spezifischen  Winterkrankheiten  beizumessen 
sei:  zahlreiche  Untersuchungen  haben  in  der  Tat  auch  be- 
wiesen,  dass  Versuchstiere  fiir  alio  moglichen  Anstockungen 
viel  empfanglicher  werden,  wenn  sie  gowaltsam  abgekiihlt 
worden  sind.  Solche  Beobachtungen  stehen  in  bester  Uber- 
einstimmung  mit  den  landlaufigen  Anschauungcn  uber  die 
Erkaltung  und  ihre  Folgen.  Hingegen  wiirde  die  weitere 
Annahme,  dass  die  niedrigen  Wintortemperaturen  nun  also 
alle  Erkaltungskrankheiten  verschulden,  mit  der  allbe- 
kjannten  Tatsache  in  Kontlikt  geraten,  dass  diese  Erkal- 
tungskrankheiten durchaus  niclit  am  massenhaftesten  zur 
Zeit  der  strengsten  winterlichen  Kalte,  sondern  vielmehr 

29 


450 


erst  sp&ter  auftreten,  wenn  sich  der  Friihling  bereits  wieder 
durch  warmere  Tage  angekundigt  hat.  So  gelangt  Ruhe- 
mann  zum  Schluss,  dass  keineswegs  die  K&lte  die  aus- 
Schlaggebende  Rolle  spiele,  dass  man  sich  vielmehr  nach 
einer  anderen  meteorologischen  Erscheinung  umsehen 
miisse,  welche  sich  ebenfalls  mit  den  Jahreszeiten  in 
typischem  Wechsel  verandere. 

Man  hatte  den  Luftdruck,  die  Windrichtungen,  die 
Feuchtigkeit  der  Atmosphare  zur  Erklarung  heranzuziehen 
versucht,  jedoch  ohne  uberzeugenden  Erfolg.  Hingegen 
war  man  seit  einiger  Zeit  auf  die  Sonnenstrahlen  aufmerk- 
sam  geworden,  die  sich  als  einen  in  hohem  Grade  bak- 
terienfeindlichen  Faktor  herausstellten.  Besonders  f&r  den 
ultravioletten,  chemischen  Teil  des  Sonnenspektrums  lasst 
sich  eine  bedeutende  keimtotende  Kraft  experimentell  be- 
stimmt  demonstrieren,  und  damit  drangte  sich  die  Frage 
auf,  ob  die  krankmachenden  Bakterien  deswegen  in  den 
Wintermonaten  so  iippig  gedeihen  und  sich  besonders  auf- 
dringlich  und  gefahrlich  erweisen,  weil  die  ihnen  feind- 
liche  Sonne  zu  dieser  Zeit  am  haufigsten  und  langsten 
durch  Wolken  und  Nebel  von  ihnen  ferngehalten  wird. 
Ruhemann,  indem  er  dieser  Vermutung  naher  trat,  glaubte 
in  der  Tat  bald  ihre  Bestatigung  zu  finden  und  er  konnte 
deswegen  seinen  Aufsatz  in  den  Worten  gipfeln  lassen: 
„Wir  finden,  dass  im  grossen  und  ganzen  ein  umgekehrt 
proportionales  Verhaltnis  zwischen  Morbiditat,  beziehungs- 
weise  Mortalitat  und  Sonnenscheindauer  besteht." 

Es  wurde  zur  Stiitze  dieser  Behauptung  von  ihm  nun 
auch  eine  Reihe  von  Zahlen  beigebracht,  aus  welchen  zu 
ersehen  ist,  dass  der  grossen  europaischen  Influenza-Epidemie, 
die  um  die  Jahreswende  1889/90  einsetzte,  ein  Dezember 
voranging,  der  an  Sonnenschein  ungewohnlich  arm  war 


461 


im  Vergleich  mit  den  Dezembern  von  einer  Anzahl  an- 
derer  Jahre;  diese  Eigentiimlichkeit  liess  sich  in  Berlin 
und  in  einer  Reihe  anderer  europaischer  Stadte  feststellen. 
Die  Folgen,  die  ein  solcher  Ausfall  an  Sonnenbestrahlung 
nach  sich  zieht,  haben  sich  bei  der  Influenza  am  augen- 
falligsten  spiiren  lassen;  doch  bleiben  sie  nicht  auf  diese 
Krankheit  beschrankt,  sondern  eine  ganze  Gruppe  anderer 
Infektionen  nutzt  den  Sonnenmangel  ebenfalls  aus,  und 
Ruhemann  glaubt,  dass  er  in  diesem  letztern  nun  die  beste 
Verkdrperung  des  Genius  epidemicus  entdeckt  habe  und 
dass  sich,  damit  schliessen  seine  Auseinandersetzungen, 
aus  diesem  Sonnenscheingesetze  die  praktisch  wichtige 
Nutzanwendung  entwickeln  lasse.  dass  man  aus  einer  fort- 
laufenden  Beobachtung  der  Sonnenbestrahlung  in  die  Mog- 
lichkeit  gesetzt  werde,  ein  Urteil  iiber  die  in  nachster  Zeit 
zu  erwartende  Zahl  von  Erkrankungen  zu  gewinnen,  das 
Bevorstehen  von  Epidemien  vorauszusagen  und  zeitig  die- 
jenigen  Massnahmen  einzuleiten,  von  denen  eine  Eindam- 
mung  der  um  sich  greifenden  Krankheiten  erwartet  wer- 
den  kann. 

So  lautet  das  durch  seine  Klarheit  und  Einfachheit 
von  vornherein  einnehmende  Ergebnis  derunsbesch&ftigen- 
den  Publikation.  Wenn  die  neue  Hypothese  auf  der  einen 
Seite  lebhafteste  Anerkennung  erfuhr,  z.  B.  darin,  dass 
sie  von  der  Gesellschaft  der  Arzte  in  Wien  preisgekront 
wurde,  so  hat  andererseits  die  Kritik  ihr  doch  nicht  feme 
bleiben  konnen;  bis  jetzt  habe  ich  allerdings  erst  eine 
solche  Stimme  vernommen,  welche  vor  der  neuen  Lehre 
warnt;  es  ist  Professor  Nessler  in  Halle  (klin.  Vortrage 
aus  dem  Gebiete  der  Otologie  und  Pharyngo-Bhinologie, 
Band  III,  8.  Heft),  welcher  ohne  jede  theoretische  Ab- 
wagung,  einzig  gestlitzt  auf  Krankheitsstatistiken,  zu  dem 


452 


Schlusse  gelangt,  „  class  ein  direkter  Zusammenhangzwischen 
Witterung  und  Krankheit  nicht  bestehtu.  Die  grundsatz- 
liche  Wichtigkeit,  welche  der  Frage  zukommt,  rechtfertigt 
bei  solchem  Widerspruch  der  Meinungen  auf  jeden  Fall 
eine  erneute  Nachpnifung  und  dabei  scheint  es  geboten, 
zwei  Wege  einzuschlagen :  einmal  muss  mit  neuen  Werten 
die  Probe  auf  Ruhemanns  Lehre  gemacht,  d.  h.  festgestellt 
werden,  ob  z.  B.  auch  hier  in  unserer  Stadt  dieselben 
meteorologischen  Eigentumlichkeiten  wie  in  Berlin  etc. 
vorherrschend  waren  zur  Zeit,  als  die  grosse  Seuche  (iber 
uns  weg  zog;  und  weiter  gilt  es,  nachzuforschen,  ob  die 
Kette  von  Schlussen,  die  Ruhemann  zur  theoretischen 
Begriindung  seiner  Lehre  aneinander  gereiht,  auch  in  alien 
ihren  Gliedern  haltbar  sei. 

Bei  der  Nachpnifung  der  ersten  Frage  ist  es  not- 
wendig,  beziiglich  der  Methodik  moglichst  genau  in  die 
Fussstapfen  des  genannten  Autors  zu  treten,  damit  sich 
Werte  ergeben,  die  mit  den  seinigen  vergleichbar  bleiben. 
Er  hat  als  Hauptparadigma  fur  die  dem  Sonnenschein- 
gesetz  gehorchenden  Krankheiten  die  Influenza  bei  ihrem 
epidemischen  Auftreten  iin  Winter  1889  90  gewahlt  und 
den  Monat  Dezember,  welcher  der  Seuche  unraittelbar  vor- 
anging,  fur  die  Epidemic  verantwortlich  erklart.  Die 
Messungen  der  Sonnenscheindauer  nun,  die  ausschlag- 
gebenden  Beobachtungen,  auf  die  unser  Autor  sich  stiitzt, 
waren  direkt  mittelst  eines  Sonnenschein-Autographen 
(nach  Campbell-Stokes)  ausgefiihrt  worden.  Beobachtungen 
mittelst  einer  solclien  direkten  Methode  liegen  nun  fur 
St.  (j alien  niclit  vor;  wohl  aber  linden  sich  in  unseren 
Tabellen  Zahlen  iiber  das  Mass  der  Bewolkung  und 
diese  Zahlen  haben  im  folgenden  an  Stelle  von  Sonnen- 
schein werten  Verwendung  gefunden,  naturlich  im  umge- 


463 


kehrten  Sinne,  ausgehend  von  der  "Dberlegung,  dass  ein 
umgekehrt  proportionales  Verhalten  von  Bewfllkung  und 
Sonnenschein  a  priori  vorausgesetzt  werden  darf.  Es  w&re 
nicht  recht  einzusehen,  in  welchem  Sinne  diese  Proportionali- 
tat  gestort  werden  konnte  und  deswegen  sind  die  Werte 
ohne  Korrektur  hier  heriibergenommen  worden,  so  wie 
sie  im  Jahrbuch  vorliegen.  In  alien  iibrigen  Punkten  ist 
die  Berechnung  vollig  gleich  derjenigen  Ruhemanns  durch- 
gefiihrt,  so  dass  die  Analogie  der  beidseitigen  Berech- 
nungen,  wie  ich  hoffe,  eine  ungestorte  geblieben  ist.  Neben 
den  Bewolkungszahlen  sind  mitbenicksichtigt  die  relative 
Feuchtigkeit,  Temperatur  und  Barometerstand  und  zwar 
bedeutet  jede  Zahl  ein  Monatsmittel.  In  dieser  Weise  ist 
Ausschau  gehalten  liber  16  Jahre,  von  1885  bis  1900. 

Dezember 


1885 

Barometer 
706,7 

Temperatur 

-0,7 

Feuchtigkeit 
90 

Bewolk  i 
7,6 

1886 
1887 
1888 

697,6 
699,8 
705,3 

+  0,7 
-1,5 
-1,0 

84 
88 
90 

8,1 
8,1 
6,3 

1889 

1890 

707,0 

700,6 

—  3,6 

-4,7 

85 

93 

8,3 

9,0 

1891 

704,6 

—  0,3 

82 

6,6 

1892 

700,1 

-2,6 

88 

7,6 

1893 

703,7 

-  2,2 

89 

7,7 

1894 

702,2 

—  2,1 

87 

7,5 

1895 

697,5 

+  0,2 

87 

8,9 

1896 

698,4 

—  0,9 

91 

8.5 

1897 
1898 

703,1 
706,4 

-0,3 
-0,2 

84 
81 

6f4 
5,5 

1899 

698,9 

—  3,1 

84 

7,5 

1900 

703,6 

+  1,5 

79 

6,6 

454 


Wie  nimmt  sich  nun  in  dieser  Beleuchtung  der  De- 
zember  1889,  welcher  der  grossen  Influenzazeit  voranging, 
aus  im  Vergleich  mit  den  funfzehn  namlichen  Monaten 
des  von  uns  tiberblickten  Zeitraumes?  Es  war: 

der  Barometerstand :  der  hochste, 

die  Temperatur:  am  zweitniedrigsten, 

die  Feuchtigkeit :  eher  gering, 

die  Bewolkung:  entschieden  hoch,  also  geringe  Sonnen- 
scheindauer,  doch  nicht  minimal,  denn  drei  Jahre  (1890, 
1895,  1896)  hatten  noch  sonnenarmere  Dezember. 

Der  Dezember  1889  stellt  sich  demnach  wirklich  als 
in  meteorologischer  Hinsicht  etwas  abnorm  dar,  nicht  nur 
beziiglich  seines  sparlichen  Sonnenscheins,  sondern  auch 
mit  seiner  ungewohnlich  niedrigen  Temperatur  und  dem 
maximalen  Luftdruck.  Doch  wir  wollen  daraus  nicht  ver- 
friihte  Schlusse  ziehen,  sondern  die  zweite,  neuere  In- 
fluenza-Epidemie,  die  in  St.  Gallen  noch  in  lebhaftester 
Erinnerung  steht,  in  gleicher  Weise  nachuntersuchen. 
Sie  hat  uns  im  Februar  1900  iiberfallen  und  es  muss  also 
der  Januar  desselben  Jahres  beziiglich  seines  Witterungs- 
charakters  ins  Auge  gefasst,  d.  h.  mit  den  namlichen 
Monaten  frtiherer  Jahre  verglichen  werden.  (Unser  Autor 
hat  dies  in  einer  spatern  Veroffentlichung  [Berliner  Klin. 
Wochenschrift,  Nr.  9,  1900]  fur  Berlin  ebenfalls  nachge- 
pruft,  wieder  mit  dem  Ergebnis,  dass  sich  fur  den  Januar 
1900  oine   minimale  Sonnenbestrahlung  registriert  fand.) 

Januar 


Barometer 

Temperatur 

Feuchtigkeit 

Bewolkung 

1885 

701,1 

—  4,8 

90 

6,8 

1886 

696,6 

-1,6 

86 

7,2 

1887 

704,1 

-4,2 

89 

9,2 

1888 

707,8 

-2,9 

89 

7,7 

455 


Januajr 

Barometer 

Temperatur   Feuchtigkeit   Bewolkung 

1889 

705,4 

-3,4 

88 

8,0 

1890 

706,0 

+  0,7 

89 

6,8 

1891 

702,2 

—  6,0 

81 

6,4 

1892 

698,2 

-2,3 

85 

8,8 

1893 

700,0 

—  6,9 

90 

8,4 

1894 

701,2 

-3,4 

85 

7,3 

1895 

692,0 

-5,1 

80 

8,0 

1896 

707,1 

-2,9 

90 

7,4 

1897 

696,3 

-3,1 

91 

8,5 

1898 

709,2 

+  0,9 

86 

7,0 

1899 

700,1 

+  1,2 

80 

6,7 

1900 

699,4 

+  0,2 

85 

8,6 

Der  Januar  1900  zeigt  demnach  punkto: 
Barometer  den  funftniedrigsten, 
Thermometer  den  vierthochsten, 
Feuchtigkeit  eher  einen  niedrigen, 
Bewolkung  wieder  einen  hohen  (den  dritthochsten)  Wert. 

Zusammengefasst  erscheint  also  auch  dieser  Monat 
wieder  als  etwas  ungewohnlich,  doch  nicht  im  gleichen 
Sinne,  wie  der  Dezember  1889.  Wohl  ist,  wie  vor  der 
ersten  Epidemie,  die  Bewolkung  wieder  sehr  bedeutend; 
doch  verhalten  Temperatur  und  Luftdruck  sich  gerade 
umgekehrt  wie  im  Dezember  1889  und  deshalb  durfen 
wir  dieselben  ungesaumt  von  den  fur  die  Epidemie  mass- 
gebenden  Faktoren  ausschliessen ;  ebenso  ist  mit  der  Feuch- 
tigkeit, die  vom  Mittelwerte  nur  unbedeutend  abweicht, 
nicht  viel  fur  unsere  Sache  anzufangen,  und  es  bleiben 
uns  nur  noch  die  Bewolkungszahlen  zu  diskutieren  iibrig, 
welche  sich  in  der  Tat  auch  fur  St.  Gallen,  wie  in  Berlin, 
entschieden  an  die  obere  Grenze  halten.   Doch  hier  stosst 


456 


man  auf  einen  wunden  IJunkt.  Gewiss  sind,  verglichen 
mit  dem  Mittelwert  aller  sechzehn  Jahre,  die  beiden  vor- 
epidemischen  Monate  an  Sonnenschein  ungewohnlich  arm 
gewesen;  aber  in  dieser  Eigenschaft  wurden  sie  wieder- 
holt  von  noch  sonnenarmeren  Monaten  iibertrofFen.  Wahrend 
der  sechzehn  in  Betracht  gezogenen  Jahre  begegnet  man 
nicht  weniger  als  vierzehn  Monaten,  deren  Bewolkungs- 
mittel  demjenigen  des  Dezember  1889  (mit  8,3),  gleich  oder 
uberlegen  ist ;  sechs  davon  ubertreffen  sogar  den  Januar  1900 
(mit  8,6),  namlich  November  1885  (8,9),  Januar  1887  (9,2). 
Februar  1889  (8,9),  Dezember  1890  (9,0),  Januar  1892  (8,8) 
und  Dezember  1895  (8,9).  Warum  ist  denn  diesen,  an  Sonne 
noch  armeren  Monaten  keine  Epidemie  gefolgt  ?  Das  ist  eine 
Frage,  welche  sich  angesichts  solcher  Zahlen  aufdrangen 
muss.  Hat  der  Berliner  Arzt  nicht  ahnliches  auch  selbst 
beobachtet,  wie  wir  hier?  Wie  dem  auch  sei,  fur  unsere 
St.  Galler  Verhaltnisse  kann  von  Proportionality  zwischen 
Bewolkung  und  Influenza-Morbiditat  nicht  die  Rede  sein, 
wenn  wir  die  Berechnungsweise  nachahmen,  dieRuhemann 
zu  seiner  Lehre  fuhrte.  Ich  wollte  ubrigens,  der  Bemerkung 
unseres  Autors  folgend,  wonach  der  ersten  Influenzaepidemie 
nicht  nur  ein  Monat,  sondern  eine  bedeutend  langere  sonnen- 
arme  Zeit  voranging,  den  Versuch  machen,  ein  ganzes  Quartal 
in  Berechnung  zu  ziehen,  um  eine  maximale,  unubertroffene 
Bewolkungszahl  herauszubringen,  und  der  Versuch  gliickte 
tatsachlich:  die  letzten  drei  Monate  des  Jahres  1889  geben 
eine  in  unsern  sechzehn  Jahren  unerreichte  Hohe  der  Be- 
wolkung ;  und  wenn  das  ganze  der  Epidemie  vorangehende 
Jahr  uborblickt  wird,  so  stellt  auch  dieses  sich  als  das  sonnen- 
armste  dar  (siehe  Tabelle  pag.  457). 

Aber  auch  auf  diesem  Wege  lasst  sich  das  Sonnen- 
scheingesetz  nicht  retten ;  dem  scheinbaren  Triumph  folgt 


467 


die  Emuchterung  nach,  sobald  man  diese  Art  der  Berech- 
nung  auf  die  neueste  Epidemie  anwendet;  da  stellt  aich 
namlich  heraus,  dass  der  Epidemie  im  Februar  1900  ein 
Quartal  vorausging,  das  keineswegs  das  sonnenarmste  war, 
sondern  recht  reich  an  Sonne;  nur  viermal  war  das  ent- 
sprechende  Quartal  noch  sonniger;  zehnmal  hingegen 
wurde  es  von  starkerer  Bewolkung  fibertroffen  und  dies 
oft  in  recht  erheblichem  Masse;  und  vollends  steht  die 
Sache  schlimm,  wenn  wir  statt  eines  Quartals  das  ganze 
vorepidemische  Jahr  in  Betracht  ziehen:  wahrend  1889 
das  an  Bewolkung  reichste  ist,  erscheint  das  Jahr  1899 
das  anSonnenschein  reichste,  mit  einziger  Ausnahme 
von  1886. 

Bewolkungs-Mittelwerte 


Quartal 
Oil,  in,  Otz. 

lot.,  Dbz.,  Jan. 
des  folgeaden  Jikres 

Jahresmittel 

1885 

7,8 

7,9 

6,57 

1886 

7,4 

8,2 

6,36 

1887 

7,7 

7,7 

6,34 

1888 

6,6 

7,3 

6,81 

1889 

8,4 

7,9 

7,38 

1890 

7,7 

7,8 

6,68 

1891 

6,0 

7,3 

6,98 

1892 

7,7 

7,8 

6,55# 

1893 

7,0 

7,6 

5,92 

1894 

7,2 

7,5 

6,29 

1895 

7,6 

7,9 

6,14 

1896 

7,5 

8,3 

6,91 

1897 

6,7 

6,6 

6,66 

1898 

7,0 

6,8 

6,23 

1899 

6,4 

7,4 

5,89 

1900 

6,8 

— 

6,58 

/ 


468 


So  haben  unsere  St.  Galler  Beobachtungen  uns  also 
beim  Versuch,  mit  ihnen  die  Probe  auf  das  Ruhemann'sche 
Sonnenscheingesetz  zu  machen,  nicht  recht  befriedigt;  die 
einen  Zahlen  stimmen  mehr  oder  weniger  gut,  andere  er- 
weisen  sich  als  ganz  ungefugig.  Was  wir  ihnen  entnehmen 
konnen,  ist,  dass  unsern  letzten  beiden  Influenza-Epidemien 
eine  kurzere  oder  langere  sonnenarme  Zeit  vorausging, 
dass  aber  umgekehrt  durchaus  nicht  jede  sonnenarme  Zeit 
von  Influenza  oder  anderen  Epidemien  gefolgt  wird.  Von 
einem  proportionalen  Verhalten  der  Morbiditat  zur  Be- 
wolkung  kann  nicht  die  Rede  sein;  eine  sonnenarme 
Periode  gestattet  durchaus  keine  Voraussage  vermehrter 
epidemischer  Erkrankungen.  Ruhemann  hat  ausser  der 
Influenza  noch  eine,  nur  allzu  stattliche,  Reihe  anderer 
Infektionskrankheiten  angegeben,  die  dem  Sonnenschein- 
gesetz ebenfalls  unterstellt  sein  sollen,  namlich  Diphtherie, 
Scharlach,  Masern,  auch  Pneumonie,  Pleuritis,  Gelenk- 
rheumatismus,  Puerperalfieber  bis  zu  einem  gewissen  Grade. 
Ohne  einen  detaillierten  Nachweis  zu  erbringen,  mochte 
ich  summarisch  angeben,  dass  nach  hiesigen  Aufzeich- 
nungen  auch  diese  Krankheiten  die  angegebene  Verkntipfung 
mit  sonnenarmen  Perioden  nicht  recht  erkennen  lassen, 
und  wenn  andauernd  bedecktes  Wetter  gelegentlich  reich- 
lich  epidemische  Erkrankungen  nach  sich  ziehen  mag,  so 
wird  der  Sonnenmangel  in  andern  Fallen  durch  andere 
Faktoren  wieder  vollstandig  ausgeglichen  und  unschadlich 
gemacht,  und  es  ergibt  sich  die  Tatsache,  dass  der  Sonnen- 
mangel fur  die  Morbiditat  eben  durchaus  nicht  allein  aus- 
schlaggebend,  sondern  hochstens  neben  andern  Faktoren 
mitbestimmend  sein  kann. 

Unsere  mit  Hilfe  der  angefuhrten  Statistiken  ge- 
wonnenen  Schliisse  sollen  uns  aber  noch  nicht  veranlassen, 


459 


die  neue  Lehre  ganzlich  zu  diskreditieren;  denn  es  ist 
immerhin  noch  moglich,  dass  die  Zahlen  nicht  richtig  ge- 
handhabt  wurden,  dass  die  Methode,  die  wir  befolgten, 
mehr  oder  weniger  verfehlt  war.  Es  wiirde  zu  keinem 
Ende  fuhren,  diese  Methode  zu  kritisieren  und  vielleicht 
neue  Vorschlage  der  Berechnung  zu  bringen.  Wohl  aber 
steht  uns  zur  Beurteilung  der  neuen  Hypothese  noch  ein 
anderer  Weg  offen,  namlich  rein  theoretische  UberleguDgen 
und  Erwagungen  iiber  die  Haltbarkeit  der  Schlusskette, 
welche  Ruhemann  zu  seiner  Lehre  fiihrte.  Vielleicht 
konnen  diese  uns  dafur  oder  dawider  stimmen. 

Das  Sonnenscheingesetz  basiert  auf  der  Pramisse,  dass 
die  Infektionskeime  der  Influenza  (und  der  andern  unter 
das  Gesetz  fallenden  Ansteckungen)  irgend  eine  Brutstatte 
ausserhalb  des  menschlichen  Leibes  haben,  in  welcher  sie 
unter  gewohnlichen  Verhaltnissen  ein  mehr  oder  weniger 
kummerliches  Dasein  fristen,  so  jedenfalls,  dass  sie  nur 
wenig  Opfern  etwas  anhaben  konnen.  Unter  besonders 
giinstigen  Umstanden  aber,  dann  wenn  sie  fur  eine  langere 
Zeitdauer  vor  der  vernichtenden  Wirkung  der  Sonnen- 
strahlen  durch  Nebel  und  Wolken  beschirmt  worden  sind, 
ist  ihnen  Gelegenheit  zu  uppigerem  Wachstum  geboten; 
sie  entwickeln  sich  nunmehr  massenhaft  und  zu  grosster 
Lebenskraft  und  werden  sodann  auf  einmal  befahigt,  ihre 
grossen  Verheerungszuge  anzutreten,  epidemisch  ihre  Opfer 
niederzuwerfen.  Diese  Anschauung,  dass  der  Keim  der 
Influenza  ein  Miasma  sei,  d.  h.  ein  aus  dem  Boden,  aus 
der  Luft  an  den  Menschen  herantretender  Ansteckungs- 
stoff,  ist  nun  aber  keines wegs  die  herrschende ;  die  Schnellig- 
keit,  mit  welcher  die  Seuche  bei  ihrem  Aufbreten  urns 
Neujahr  1890  tiber  Europa  hinsturmte,  der  sprunghafte 
Charakter  ihrer  Weiterverbreitung,  das  plotzliche  Auflodern 


460 


von  Massenerkrankungen  an  ortlich  weit  von  einander  ab- 
liegenden  Punkten  liessen  ja  gewiss  anfanglich  daran 
denken,  dass  ein  solches  Miasma,  ein  mit  der  Schnellig- 
keit  des  Windes  iiber  weite  Landerstrecken  sich  verbreiten- 
der  Krankheitskeim  die  Seuche  weitertrage.  Wenn  aber 
etwas  in  den  vielen  und  sorgfaltigen  Unterauchungen, 
zu  welchen  die  grosse  Epidemie  Veranlassung  gab,  ein 
unanfeohtbares  Ergebnis  zutage  gefordert  wurde,  so  ist 
es  die  Sicherstellung  der  anfanglich  allerdings  bestrittenen 
Lehre  von  der  kontagiosen  Natur  der  Influenza,  von 
der  Ansteckung  von  Person  zu  Person,  der  Ver- 
breitung  durch  den  menschlichen  Verkehr.  In  der  an- 
scheinend  unberechenbaren  Sprunghaftigkeit  des  Auftretens 
der  Seuche  liegt  nichts  besonderes  —  sie  erklart  sich  ein- 
fach  aus  der  Sprunghaftigkeit  des  Weltverkehrs.  Es  sind 
denn  ja  auch  die  grossen  Verkehrszentren  Berlin,  Paris, 
London  viel  fruher  von  der  von  Russland  ausgehenden 
Seuche  erreicht  worden,  als  zahlreiche  Stadte  Deutsch- 
lands,  die  zwar  viel  n&her  an  der  russischen  Grenze,  aber 
abseits  von  den  Adern  des  Weltverkehrs  gelegen  sind 
(cit.  nach  Martius,  Pathogenese  innerer  Krankheiten,  z.  T. 
wortlich).  Mit  einer  Fiille  uberzeugender  Beispiele  hat 
Schmid  (Veroffentlichungen  des  schweizerischen  Gesund- 
heitsamtes  1895)  fur  die  Ausbreitung  der  grossen  Seuche 
in  der  Schweiz  nachgewiesen,  wie  einzig  und  allein  auf 
dem  Wege  des  menschlichen  Verkehrs  die  Influenza  um 
sich  griff,  in  den  Stadten  beginnend  und  Schritt  fiir  Schritt 
zu  den  abgelegeneren  Orten  weiter  wandernd,  bis  schliess- 
lich  die  obersten  Bergdorfer  auch  erreicht  wurden,  aller- 
dings erst  vieleWochen  spater  als  die  verkehrsreichen  Stadte. 
Vom  Momente  xab,  wo  man  diese  Art  der  ftbertragung 
durchschaut  hat,  wird  die  Annahme  eines  Miasma,  eines 


461 


durch  die  Luft  sich  ausbreitenden  Ansteckungsstoffes  ent- 
behrlich,  oder  richtiger  gesagt,  unhaltbar;  denn  zu  dieser 
Annahme  hatte  man  eben  zu  einer  Zeit  gegriffen,  da  die 
Ansteckung  von  Person  zu  Person  noch  unbewiesen  war. 
Wenn  aber  die  miasmatische  Natur  des  Influenzagiftes  in 
Zweifel  gerat,  so  verliert  gleichzeitig  auch  die  Annahme 
von  Brutetatten  jeden  Halt,  in  welchen  die  Keime  ausser- 
halb  des  menschlichen  Organismus  auswachsen,  und  damit 
ist  naturlich  die  Lehre  von  der  Einwirkung  der  Sonnen- 
strahlen  auf  die  hypothetischen  Brutstatten  gegenstands- 
lo8  geworden.  Es  muss  mimlich  die  Frage,  ob  die  Keime 
der  Influenza  denn  jemals  ausserhalb  des  Korpers,  im 
Boden  oder  Wasser,  wirklich  gefunden  und  gesehen  worden 
seien,  durchaus  verneint  werden.  Man  darf  daran  umso 
weniger  denken,  als  unsere  Kenntnisse  von  der  Natur 
dieser  Keime  noch  jung  und  in  manchen  Beziehungen 
nicht  gehorig  abgeklart  sind.  Anlasslich  der  Epidemie 
vom  Neujahr  1890  wurde  natiirlich  auf  das  Bakterium  der 
modernen  Krankheit  eifrig  Jagd  gemacht,  anfanglich  aber 
ohne  Erfolg.  Erst  1893  konnte  E,  Pfeiffer  in  der  Zeit- 
schrift  fiir  Hygiene  und  Infektionskrankheiten  liber  seine 
Entdeckung  des  wahrscheinlichen  Erregers  der  Influenza 
im  Sekret  der  Atmungsorgane  berichten,  die  Art  und  Weise 
angeben,  wie  man  ihn  im  Keagensglas  ziichten  kann  und 
zeigen,  dass  Affen,  welchen  man  den  kunstlich  geziichteten 
Parasiten  in  die  Nase  einblast,  ganz  iihnlich  erkranken, 
wie  der  Mensch.  Von  diesem  Bazill,  welchem  zwar  noch 
nicht  ganz  einstimmig,  aber  doch  von  der  grossen  Mehr- 
heit  der  Forscher  eine  ursachliche  Rolle  bei  der  Uber- 
tragung  der  Krankheit  und  damit  auch  der  Name  Influenza- 
bazill  zuerkannt  wird,  interessieren  uns  an  dieser  Stelle 
folgende,  von  Pfeiffer  experimentell  festgestellte  Tatsachen : 


462 


der  Bazill  kann  weder  im  Wasser  noch  in  trockenem  Staube 
weiter  existieren ;  unter  beiden  Umstanden  geht  er  sofort, 
d.  h.  innert  1—2  Tagen  zu  Grunde.  Einzig  im  feuchten, 
vor  Austrocknung  geschxitzten  Auswurf  l&sst  er  sich  etwa 
14  Tage  lang  lebendig  erhalten.  Zur  Weiterziichtung, 
zur  Kultivierung  im  Reagensglas  geniigen  ihm  nicht  die 
gewohnlichen  Nahrboden,  wie  Fleischbnihe,  Gelatine,  Milch, 
Kartoffeln,  auf  welohen  wir  andere  Bakterien  wachsen 
lassen ;  er  kommt  nur  auf  Medien  fort,  die  mit  Blutfarb- 
stoff  versehen  sind.*)  Schliesslich  ist  sein  Gedeihen  an 
ziemlich  hohe  Temperaturen  gebunden;  unterhalb  26  bis 
27°  C  erlischt-  jegliches  Wachstum.  Also  haben  wir  es 
hier  mit  einem  ungewdhnlich  heiklen  und  w&hlerischen 
Parasiten  zu  tun  und  wie  dieser  mit  alien  den  genannten 
Anspriichen  ein  miasmatisches  Dasein  ausserhalb  des 
Menschen  fuhren  kann,  ist  schwer  verstandlich.  Geradezu 
unvereinbar  mit  der  Pfeiffer'schen  Beobachtung,  wonach 
der  Parasit  erst  in  der  tropischen  Warme  von  26—27°  C 
zu  wachsen  anfangt,  ist  die  Annahme,  dass  jener  Dezember 
1889,  der  die  ungewohnlich  niedrige  Durchschnittstempe- 
ratur  von  — 3,6°  aufwies,  die  Influenzabazillen  ausser- 
halb des  menschlichen  Organismus  so  massenhaft  zur  Ent- 
wicklung  bringen  konnte.  Die  Sonnenscheintheorie  mani- 
puliert  hier  entschieden  mit  einem  Krankheitserreger,  den 
man  sich  nach  unseren  jetzigen  Kenntnissen  unhandlicher 
und  ungeeigneter  fiir  die  ihm  zugemutete  miasmatische  Rolle 
kaum  auswahlen  konnte.  Und  auch  die  andern  Infektionen, 
die  dem  Sonnenscheingesetz  unterworfen  sein  sollen,  ver- 

*)  Diese  Behauptung  ist  neuerdings  angefochten  worden.  Der 
Bazill  soil  sich  auch  auf  Nahrboden  ohne  Blutfarbstoff  entwickeln, 
sofern  gleichzeitig  neben  ihm  gewisse  andere  Bakterien  wachsen, 
welche  als  n  Am  men*  dem  Influenzabazill  sein  Nahrmaterial  vor- 
verdauen. 


463 


halten  sich  bei  naherer  Beleuchtung  recht  ahnlich;  auch 
fiir  den  Krankheitsstoff  von  Masern,  Scharlach,  Diphtherie, 
Tuberkulose  etc.  ist  nicht  die  geringste  Beobachtung  be- 
kannt,  welche  die  Annahme  einer  Fortentwicklung  ausser- 
halb  des  Korpers,  einer  Brutstatte  im  Boden  oder  Wasser 
erlaubte;  umso  auffalliger  kontrastiert  damit  die  Tatsache, 
dass  Typhus  und  Cholera,  bei  welchen  Pettenkofer  und 
seine  Schule  mit  gewichtigen  Argumenten  fur  eine  Aus- 
keimung  der  Bazillen  im  Boden  oder  Wasser  eingetreten 
sind,  sich  dem  Sonnenscheingesetz  entziehen  konnen ;  von 
ihnen  in  erster  Linie  ware  eine  strikte  Unterordnung  zu 
erwarten  gewesen,  und  dass  nicht  einmal  sie  sich  als  ge- 
fagig  erweisen  wollen,  ist  ein  fiir  die  neue  Lehre  wenig 
gunstiges  Omen. 

Dieser  Einwand,  dass  die  Ruhemann'sche  Sonnen- 
wirkung  sich  nam  untauglichen  Objekte"  abspiele,  ist 
nicht  der  einzige.  der  sich  vom  theoretischen  Standpunkt 
gegen  die  neue  Lehre  erhebt.  Abgesehen  davon,  dass 
den  Sonnenstrahlen  ein  Ziel  gesetzt  ist,  das  sie  am  an- 
gegebenen  Orte  gar  nicht  zu  finden  vermogen,  ist  ein  beim 
Zustandekommen  einer  Krankheit  unerlasslicher  Teil  wort- 
lo8  ubergangen  worden,  der  den  Einfliissen  der  Sonne  ganz 
zweifellos  in  hohem  Grade  ausgesetzt  sein  kann.  Wenn 
uns  die  neue  Hypothese  in  der  Form,  wie  sie  uns  vor- 
liegt,  nicht  zutreffend  erscheint,  soil  damit  keineswegs  be- 
hauptet  werden,  dass  die  Sonne  fur  Gesundheits-  und 
Krankenpflege  entbehrlich  geworden  sei.  Im  Gegenteil 
—  wir  ignorieren  keineswegs  die  Wirkung  der  Sonne  bei 
Winterkuren  im  Hochgebirge,  wo  manche  schwer  er- 
schutterte  Konstitution  sich  neue  Festigung  und  Belebung 
holt,  wir  ignorieren  ebensowenig  den  ganz  unmittelbaren 
Heilerfolg,  welchen  das  Sonnenlicht  auf  Erkrankungen  der 


464 


Haut,  speziell  tuberkuldser  Natur,  ausiibt,  wenn  man  es 
konzentriert  auf  die  kranke  Stelle  einwirken  lasst  u.  s.  f. 
So  gern  und  unumwunden  wir  also  dem  Sonnenlicht  als 
Heilfaktor  Anerkennung  zpllen,  so  wenig  braucht  damit 
em  Zugestandnis  an  die  Ruhemann'sche  Bakterientotung 
in  ihren  Brutstatten  gemacht  zu  werden;  denn  die  Ver- 
nichtung  der  pathogenen  Mikrobien  ist  keineswegs  die 
einzig  denkbare  Taktik  im  Kampfe  gegen  die  Infektions- 
krankheiten.  Es  hatte  allerdings  eine  zeitlang  beinahe 
so  scheinen  mogen.  Damals,  als  die  junge  Bakteriologie 
mit  unerhdrtem  Erfolge  einen  Infektionsstoff  nach  dem 
andern  dem  Auge  vorfuhren  und  damit  einen  Jahrhunderte 
alten  Traum  verwirklichen  konnte,  als  sie  diese  lebendigen 
Keime  kiinstlich  weiterziichten  und  bei  Tieren  neue  Er- 
krankungen  in  beliebiger  Starke  anzuregen  gelernt  hatte, 
damals  war  man  auf  dem  Punkte,  die  Parasiten  als  die 
verkorperten  Krankheiten  selbst  anzusehen,  die  Influenza 
mit  dem  Influenzabazill  zu  identifizieren  und  die  Be- 
kampfung  der  Krankheiten  in  der  Bekampfung  der  Bak- 
terien  aufgehen  zu  lassen.  Nun,  die  meisten  Forscher 
haben  den  Riickzug  von  diesem  extremen  Standpunkt 
langst  wieder  angetreten;  denn  Krankheit  ist  eben  nicht 
ein  neues  Etwas,  das  im  menschlichen  Korper  sein  Wesen 
treibt,  sondern  sie  ist  eine  veranderte,  abnorme  Lebens- 
form  des  Korpers  selbst,  und  der  Infektionskeim  ist  nichts 
mehr,  als  ein  agent  provocateur,  der  den  Organismus  frei- 
lich  zu  allerhand  ungewohnten  Lebensausserungen  an- 
regen,  aber  nichts  aus  ihm  herauslocken  kann,  wozu  der 
Korper  nicht  von  jeher  vorgebildet  und  eingerichtet  war. 
Dem  Grundgesetze  aller  Kraftausserungen  entsprechend 
muss  iiberall  die  Ursache  der  Wirkung  Equivalent  sein; 
so  konnen  niemals  die  Parasiten  den  alleinigen,  zureichen- 


466 


den  Grand  fur  alle  Krankheitserscheinungen  abgeben,  wie 
sich  ohne  weiteres  z.  B.  dann  zeigt,  wenn  man  sich  die 
gewaltigen  Kraftleistungen  vergegenwartigt,  welche  der 
Tetanuskranke  in  seinen  Krampfen  vollfiihrt  und  ihnen 
das  mikroskopische  Haufchen  von  Tetanusbazillen  gegen- 
uberstellt,  das  die  Schuld  am  ganzen  Vorgange  tragen  soil. 
Da  liegt  es  klar  vor  Augen,  dass  die  Bazillen  die  in  Aktion 
kommenden  Krafte  nicht  selbst  aufbringen,  dass  diese 
Krafte  vielmehr  zuvor  schon  im  Korper  schlummerten  und 
dann  entfesselt  wurden,  als  der  Parasit  den  Anstoss  gab. 
Der  Bazill  stellt  also  das  auslosende  Moment,  den  eigen- 
tumlichen  Reiz  dar,  weloher  das  Spiel  der  sich  umsetzen- 
den  Krafte  anregt,  der  Krafte,  die  der  angegriffene  Korper 
aber  selber  aufzubringen  hat. 

Wenn  wir  in  solcher  Weise  die  Rolle  der  krankheit- 
erregenden  Bakterien  beim  Zustandekommen  einer  in- 
fektiosen  Erkrankung  auf  das  ihncn  geblihrende  Mass 
zuruckfiihren,  so  ist  damit  zugleich  gesagt,  dass  mit- 
bestimmend  fur  den  Ablauf  der  Erkrankung  auch  der 
angegriffene  Korper  sein  muss.  Damit  zu  rechnen  sind 
wir  langst  gewohnt;  wir  kennen  es  als  eine  ganz  typische 
Encheinung  bei  jeder  Epidemie,  dass  die  Krankheit  eine 
gewisse  Auswahl  unter  ihren  Opfern  trifft,  dass  sie  manchen 
anbehelligt  lasst,  der  der  Ansteckung  augenscheinlich 
ebenso  sehr  ausgesetzt  war,  wie  alle  andern,  die  bei  ihrem 
Ansturm  stlirzten.  Dieser  Zustand  der  Unanfechtbarkeit, 
der  Immunitat,  wo  die  Bakterien  abprallen,  auch  wenn 
es  ihnen  durchaus  nicht  an  offensiver  Kraft  gefehlt  hatte, 
ist  aufzufassen  als  eine  Unempfindlichkeit  des  Organismus, 
als  ein  Mangel  an  Reizbarkeit  den  Bakterien  und  ihren 
Giften  gegeniiber.  Fiir  den  immunen  Korper  stellen  die 
Mikrobien   keinen   Stimulus,  keine  Plage  mehr  dar,   auf 

30 


welehe  (T  mit  Krankheitsiiusserungen  reagieren  muss:  auf 
eiuem  solehen  Wirt  wird  der  Parasit  zum  gleichgiiltigeu 
Saprophyten. 

Wenn  sich  demnaoh  ein  Organismus  einer  Ansteckung 
aussetzt,  so  wird  das  Zustandekommen  einer  Erkrankung 
nicht  allein  abhangig  sein  von  der  Quantitat  und  Quali- 
tat  der  infektiosen  Keime,  sondern  mehr  oder  weniger 
wird  es  auch  vom  Zustand  des  angegriffenen  Organismus, 
von  der  geringeren  oder  grosseren  Empfanglichkeit  fur 
die  Infektion  abhangen,  ob  diese  letztere  Boden  fassen 
kann.  Die  Entstehungsgeschichte  jeder  Infektionskrank- 
heit,  jeder  Seuche  wird  sich  iiber  das  Mass  der  Empfang- 
lichkeit der  betroffenen  Individuen  aussprechen  mtissen, 
wenn  sie  den  Ursachenkomplex  in  seiner  Totalitat  er- 
schopfen  will.  Uber  zahlreiche  Schwierigkeiten  in  der 
Deutung  der  Infektionen  wird  man  sonst  nicht  hinweg- 
kommen;  man  wird,  urn  mich  speziell  auf  unsere  Frage 
zu  beziehen,  seine  Rechnung  nicht  machen,  solange  man 
die  kausale  Verkniipfung  gewisser  ansteckender  Krank- 
heiten  mit  der  Witterung  ausschliesslich  in  der  begiinstigen- 
den  Wirkung  erblickt,  welche  die  Entwicklung  der  an- 
steckenden  Keime  von  bestimmten  Witterungsverhaltnissen 
erfahrt  und  ausser  acht  lasst,  dass  auch  der  der  Ansteckung 
ausgesetzte  Mensch  den  Wechsel  dieser  Verhaltnisse  sehr 
intensiv  mitempfindet.  Wo  eine  meteorologische  Erschei- 
nung  den  Gang  der  Epidemien  zu  beeinflussen  scheint, 
da  liegt  es  dem  naturlichen  Interesse  ebenso  nahe,  sich 
um  allfallige  Einwirkungen  am  menschlichen  Korper  zu 
bekummern,  wie  iiber  das  Los  der  Parasiten  nachzusinnen. 
Dass  Temperatur  und  Luftdruck,  Feuchtigkeit  und  Be- 
sonnung  sich  bald  giinstig,  bald  unvorteilhaft  in  unserem 
Befinden  bemerkbar  machen,  ist  denn  doch  eine  alltagliche 


467 


Erfahrung.  Wohl  gibt  es  genug  Falle,  wo  sich's  ganz 
8icher  zum  voraus  bestimmen  lasst,  ob  eine  gewisse  In- 
fektion  den  Korper  krank  machen  wird  oder  nicht,  und 
wo  aussere  Einfltisse,  wie  die  Witterung,  am  ganzen  Pro- 
zess  nichts  zu  andern  vermogen.  Hingegen  bilden  diese 
Zustande  von  absoluter  Immunitat  einerseits  und  hochster 
Empfanglichkeit  auf  der  andern  Seite  die  Minoritat.  Weit 
haufiger  ist  es,  dass  der  Mensch  zwischen  Immunitat  und 
Empfanglichkeit  drin  steht  und  sieh  bald  mehr  dem  einen, 
bald  dem  andern  Extreme  nahert.  Hier  lasst  sich's  nicht 
zum  voraus  sagen,  welches  das  Ende  sein  wird,  wenn  der 
Mensch  sich  einer  Ansteckung  aussetzt;  das  aber  leuchtet 
ein,  dass  die  Gefahr  des  Erliegens  dann  viel  drohender 
ist,  wenn  man  von  den  Ansteckungskeimen  in  einem 
schwachen  Stundlein  iiberrumpelt  wird,  zu  einer  Zeit,  wo 
der  Organismus  sich  nicht  im  Vollbesitze  seiner  Wider- 
standskrafte  befindet.  Das  klassische  Beispiel  hiefur  liefern 
uns  die  sogen.  Erkaltungskrankheiten;  extreme  Bakterio- 
logen  haben  sie  alle  als  Infektionskrankheiten  proklamiert; 
mit  einem  gewissen  Recht,  denn  wohl  fast  immer  sind 
infektiose  Keime  mit  im  Spiel.  Doch  darf  man  sich  iiber 
die  Tatsache  nicht  hinwegtauschen  lassen,  dass  diese  in- 
fektiosen  Keime,  welche  unsern  Korper  eben  bestandig 
belagern,  erst  dann  zur  Offensive  ubergehen  konnen,  wenn 
der  Kdrper  bereits  erkaltet,  d.  h.  durch  meteorologische  oder 
andere  Schadigungen  augegriffen  ist.  Der  ungeschwachte 
Organismus  verftigt  iiber  ausroichende  Schutzkrafte,  um 
sich  diese  allgegenwartigen  Mikrobien  vom  Leibe  zu 
halten;  doch  geht  diese  Immunitat  eben  gelegentlich  in 
die  Briiche,  sei  es  infolge  von  Entbehrung  und  Uber- 
anstrengung,  sei  es  durch  die  Ungunst  der  Witterung, 
durch  Kalte,  Feuchtigkeit  und  Sonnenmangel;  dann  aller- 


468 


dings  konnen  die  Bakterien  der  Erkaltungskrankheiten  die 
Oberhand  gewinnen. 

In  diesem  Sinne  diirfen  wir  die  Sonnenwirkung  weiter 
fassen,  als  es  in  der  neuen  Lehre  geschehen  ist,  und  wir 
kehren  damit  zu  Anschauungen  zuiiick,  welche  nichts 
weniger  als  neu  sind.  Es  darf  nicht  zugegeben  werden, 
dass  die  Sonnenwirkung  auf  den  beschrankten  Zweck  der 
Bakterientotung  in  deren  hypothetischen  Brutnestern  zu- 
geschnitten  werde;  wir  diirfen  ihr  ein  reicheres  Arbeits- 
feld  zumessen,  ihr,  wie  auch  den  andern  meteorologischen 
Einfliissen,  denen  ihre  alten  Rechte  streitig  gemacht  wer- 
den sollten.  Damit  nun,  dass  wir  dem  Sonnenschein,  der 
Temperatur,  der  Feuchtigkeit  u.  s.  f.  einen  doppelten  An- 
griffspunkt  zuerkennen,  namlich  die  Beeinflussung  der 
offensiven  Kraft  der  Parasiten  und  der  defensiven  F&hig- 
keiten  des  Mensohen,  damit  schwindet  allerdings  die  M6g- 
lichkeit,  eine  einfache  Formel  aufzustellen,  aus  welcher  wir 
Epidemien  zum  voraus  prophezeien  konnten.  Der  Verzicht 
auf  die  Ruhemann'sche  Formel  aber  wird  nicht  schwer  fallen, 
nachdem  wir  uns  klargelegt,  wie  sie  aufgebaut  worden. 

Kehren  wir  zur  Influenza  zunick,  um  diese  allgemein- 
pathologischen  Anschauungen  nun  noch  speziell  auf  unsere 
Epidemien  anzuwenden. 

Erreger  der  Krankheit  ist  ein  Mikro-Organismus,  wahr- 
scheinlich  der  Pfeiffer'sche  Bazill ;  ohne  ihn  entsteht  keine 
wirkliche  Influenza.  Er  taucht  nicht  von  ungefahr  da 
oder  dort  auf,  sondern  stammt  immer  aus  dem  Korper 
eines  influenzakranken  Menschen;  ein  andererEntstehungs- 
ort  ist  nicht  bekannt.  Wenn  also  Menschen  von  der  In- 
fluenza ergriffen  werden,  setzt  das  stets  voraus,  dass  be- 
reits  vorher  andere  Influenzakranke  vorhanden  waren,  von 
welchen  die  Ansteckung  ausging. 


469 


Empfanglichkeit  des  Korpers  fur  das  Haften  der  In- 
fektion  ist  die  andere  Bedingung  fur  das  Zustandekommen 
einer  Erkrankung.  Die  Empfanglichkeit  ist  ursprunglich 
eine  ziemlich  allgemeine,  wie  die  Epidemie  1889/90  zeigte, 
wo  nur  etwa  ein  Viertel  unserer  Bevolkerung  der  An- 
steckung  Widerstand  leistete.  Nack  Uberstehen  der  Krank- 
heit  macht  die  Empfanglichkeit  meist  einer  ausgesprochenen 
Immunitat  Platz,  ahnlich  wie  bei  Masern,  Pocken  etc., 
nur  von  kiirzerer  Dauer.  Wo  von  wiederholten  Erkran- 
kungen  derselben  Person  in  kurzen  Intervallen  berichtet 
wird,  ist  es  immer  fraglich,  ob  nicht  des  Wohlklanges  und 
der  Einfachheit  halber  der  Name  Influenza  fur  diesen  oder 
jenen  Katarrh  oder  Schmerz  gewahlt  wurde.  Natiirlich 
bleibt  es  jedem  unbenommen,  alles  das  Influenza  zu  nennen, 
was  ihm  beliebt;  damit  aber  wird  der  Ausdruck  Influenza 
selbstverstandlich  vollig  inhaltslos.  Solche  Missbrauche 
erschiittern  natiirlich  die  Regel  nicht,  dass  wirkliche  In- 
fluenza  eine   mehrjahrige  Unempfanglichkeit  hinterlasst. 

Der  Raum,  der  den  Witterungseinfliissen  im  Ursachen- 
komplex  einer  Influenzaepidemie  iibrig  bleibt,  erssheint 
nach  dem  Gesagten  nicht  mehr  sehr  breit,  so  dass  man 
sich  fragen  konnte.  ob  nicht  vielleicht  blosser  Zufall  unsere 
beiden  grossen  Epidemien  mit  sonnenarmen  Zeiten  ver- 
kniipft  habe.  So  bestimmt  wir  es  audi  ablehnen,  dass 
der  Sonnenmangel  das  Entstehen  der  Epidemien  begiinstige, 
indem  er  das  Gedeihen  der  Influenzakeime  befordert,  so 
sicher  steht  doch  die  Tatsache,  dass  die  grossen  Influenza- 
epidemien  in  den  Winter  und  nie  in  den  Sommer  fallen, 
also  an  bestimmte  meteorologische  Verhaltnisse  gebunden 
sind.  Diese  Abhangigkeit  der  Epidemien  von  den  meteoro- 
logischen  Einfliissen  lasst  sich  einzig  erklaron  durch  die 
Annahme,  dass  die  ungiinstigeren  Witterungsverhaltnisse 


470 


der  „schlechten  Jahreszeit"  den  menschlichen  Organismus 
in  seiner  Widerstandsfahigkeit  beeintrachtigen  and  damit 
die  Empfanglichkeit  fur  die  Infektion  vergrossern.  So 
war  im  Winter  1889/90  dank  der  vorausgegangenen  sonnen- 
armen  Zeit  die  Empfanglichkeit  in  alien  Schichten  auf 
den  hochsten  Punkt  gesteigert,  und  wo  immer  die  An- 
steckungskeime  hingelangten,  da  ziindeten  sie,  da  loderte 
die  Epidemie  heftig  auf.  Uberdies  war  der  Boden  fur 
die  Seuche  auch  dadurch  aufs  beste  vorbereitet,  dass  seit 
30  Jahren  keine  Epidemie  mehr  geherrscht  und  die  Im- 
munitat sich  langst  iiberall  erschopft  hatte.  Ware  die 
Krankheit  ein  paar  Jahre  friiher  oder  spater  eingeschleppt 
worden,  so  hatte  sie  sicher  auch  ohne  besondere  Ungunst 
der  Witterung  Boden  gefasst,  wenn  auch  nicht  in  so  uni- 
versellem  Masse.  Vereinzelte  Falle,  die  der  ersten  Epidemie 
entgangen  waren,  sorgten  seit  jener  Zeit  fur  die  Weiter- 
erhaltung  des  Ansteckungsstoffes.  Zu  epidemischer  Massen- 
haftigkeit  konnte  die  Zahl  der  Erkrankungen  erst  wieder 
anwachsen,  als  die  bei  der  ersten  Epidemie  erworbene 
Immunitat  ins  Schwinden  kam;  dies  muss  im  Jahre  1900 
der  Fall  gewesen  sein,  also  nach  einem  Dezennium;  da- 
mals  kam  es  zu  einem  erneuten  Ausbruch  der  Krankheit, 
wobei  ein  schlechter  Januar  jedenfalls  begunstigend  mit- 
wirkte. 

Hat  sich  in  diese  Erklarung  kein  Fehler  eingeschlichenr 
so  ist  mit  einer  gewissen  Wahrscheinlichkeit  zu  erwarten, 
dass  nicht  eher  als  wieder  nach  Ablauf  eines  Jahrzehnts, 
vielleicht  ein  weniges  friiher  oder  spater,  die  Immunitat 
wiederum  erschopft  und  jene  Kreise  der  Bevolkerung,  die 
im  Jahre  1900  krank  gewesen,  von  neuem  bereit  sein 
werden,  der  Influenza-Infektion  anheimzufallen.  Dass  in 
den  nachsten  paar  Jahren  bereits  eine  allgemeine  Epidemie 


471 


auftrete,  ist  also  nicht  anzunehmen,  mogen  sich  die  "Witte- 
rungsverh&ltnisse  nun  so  oder  anders  gestalten.  (Das  Neu- 
jahr  1903  hat  uns  allerdings  sehr  reichliche  katarrhalische 
Erkrankungen  gebracht,  doch  war  die  Hauptmasse  der 
F&lle  diesmal  nicht  Influenza.) 

Ehe  diese  vermutete  zehnjahrige  Periodizitat  der  In- 
fluenza-Epidemien  als  Hegel  gelten  darf,  miissen  natiirlich 
weitere  bestatigende  Erfahrungen  beigebracht  werden.  Als 
solche  mochte  ich  noch  Aufzeichnungen  aus  den  st.  gallischen 
Sanit&tsberichten  anfuhren. 

St.Gallen  hatte  im  Jahre  1837  die  erste  grosseEpidemie 
des  Jahrhunderts,  von  welcher  es  heisst,  dass  sie  nach 
Neujahr  begann,  binnen  kurzem  eine  erstaunliche  Menge 
von  Menschen  befiel  und  bis  in  den  Marz  und  April  hin- 
aus  wiitete.  Elf  Jahre  spater,  nach  Neujahr  1848,  erschien 
die  Influenza  wieder,  doch  in  massiger  Starke,  wahrend 
gleichzeitig  in  Deutschland  und  andern  europaischen  Staaten 
eine  gewaltige  Epidemie  herrschte  (Martius,  1.  c).  Wieder 
nach  einem  Dezennium,  im  Jahre  1868,  trat  sie  sehr  ver- 
breitet,  doch  in  gutartiger  Form  bei  uns  auf ;  auch  da- 
mate  ging  sie  iiber  ganz  Europa  (Schmid,  1.  c,  pag.  12). 
Nachher  wurden  wahrend  dreissig  Jahren  nur  noch  ein- 
zelne  Falle,  keine  epidemische  Summation  der  Erkrankungen 
mehr  beobachtet. 

Im  Rheintal  lagen  die  Verhaltnisse  etwas  anders.  Urns 
Neujahr  1833  hatte  man  von  jenseits  des  Rheins  her  Kunde 
von  massenhaftem  Erkranken  an  „Grippeu  vernommen  und 
noch  im  Spatherbst  desselben  Jahres  bekam  man  den  Gast 
imeigenen  Lande  sehr  reichlich  zu  Gesicht;  man  berichtet 
von  familienweisen  Erkrankungen  im  ganzen  Rheintal, 
auch  in  Wil  und  Neu-Toggenburg.  An  den  gleichen  Orten 
zeigte  sich  auch  zehn  Jahre  spater  (1843)   die  Influenza 


472 


„ungemein  haufig".  Wieder  ein  Jahrzehnt  spater  berichtete 
man  nichts  von  ihr;  einzig  der  Bezirk  St.  Gallen  meldete 
damals  das  Auftreten  einer  grippenartigen  Affektion;  hin- 
gegen  kam  sie  1864  noch  einmal  ins  Rheintal  und  Toggenburg. 

So  lauten  die  Sanitatsberichte  und  da  druckt  sich  der 
zehnjahrige  Typus  der  Epidemienfolge  doch  mehrfach  recht 
deutlich  aus.  Eigenartig  erscheint  das  Nebeneinanderlaufen 
der  beiden  Epidemienserien ;  die  eine  greift  jeweilen  aller- 
dings  ins  Gebiet  der  andern  iiber,  so  dass  z.  B.  an  der 
grossen  Seuche  des  Jahres  1837  fast  der  ganze  Kanton 
teilnahm.  So  wie  die  Aufzeichnungen  sind,  behalt  man 
aber  doch  den  Eindrack,  dass  sich  die  beiden  Epidemien- 
cyklen  unabhangig,  an  einem  verschiedenen  Menschen- 
material  abgewickelt  haben,  und  dass  es  sich  nicht  urn 
den  Fortgang  eines  einzigen  Cyklus  mit  funfjahrigen  Inter- 
vallen  gehandelt  habe.  Immerhin  ist  hiertiber  ein  sicherer 
Entscheid  nicht  moglich,  da  die  damaligen  Berichte  iiber 
die  Influenza  keineswegs  auf  ein  systematisches  epidemio- 
logisches  Studium  hinzielten,  sondern  mehr  beilaufig  an- 
deren  Angaben  beigefugt  sind.  Aus  dem  vorletzten  Jahr- 
hundert  liegen  Berichte  vor  von  grossen  Influenza-Epidemien 
in  den  Jahren  1743,  1777  und  1788. 

Die  auffallende  Periodizitat  in  der  Wiederkehr  der 
Epidemien  ist  wohl  das  starkste  Argument  wider  das 
liuhemann'sche  Sonnenscheingesetz;  es  ist  ausgeschlossen, 
dass  das  Verhalten  der  meteorologischen  Erscheinungen 
diesen  periodischen  Wechsel  je  mitgemacht  habe.  Dass 
Empfanglichkeit  und  Immunitat  gegeniiber  der  Influenza 
diesen  Wechsel  zeigen,  das  hingegen  liegt  durchaus  im 
Rahmen  der  Moglichkeit;  analoge  Erscheinungen  hiefiir 
sind  zur  Geniige  bekannt,  am  besten  wohl  von  der  Schutz- 
pockenimpfung  her. 


473 


Als  praktische  Konsequenz  ergibt  sioh  jedenfalis  das, 
dass  wir  uns  nicht  in  angstlicher  Einschuchterung  durch 
die  Sonnenscheinhypothese  einer  wehrlosen  Panik  und  Ver- 
zweiflung  in  die  Arme  zu  werfen  brauchen,  wenn  gelegent- 
Hch  wieder  einmal  die  Sonne  ihr  Antlitz  etwas  langer  als 
gewohnlich  verhiillt.  Denn  noch  ist  es  nicht  bewiesen, 
dass  dann  die  Parasiten  der  Influenza  und  aller  moglichen 
andern  Infektionen  dein  Boden  enteteigen  und  sich  in 
tiberwaltigender  Menge  und  Bosartigkeit  auf  die  Mensch- 
heit  8tiirzen  werden.  Auch  soil  dann  nicht  jene  Bazillen- 
furcht  uns  am  bewunderungswurdigsten  erscheinen,  die  in 
jedem  Windhauch  eine  Legion  gieriger  Mikrobien  wittert 
und  die  keine  andere  Bettung  kennt,  als  fliehen  und  sich 
verkriechen.  Gewiss  werden  fruher  oder  spater  wieder 
Epidemien  iiber  uns  hereinbrechen,  ob  die  Sonne  lachelt 
oder  nicht.  Mit  den  Schutzmitteln  personlicher  Hygiene, 
mit  Burste  und  Seife  sich  bewaffnen  und  im  iibrigen  mit 
seinen  Kraften  doppelt  haushalten,  das  ist  fur  Zeiten 
drohender  Krankheit  auch  eine  Taktik,  wohl  meist  ebenso 
weise,  sicherlich  immer  humaner. 


XI. 

Beitrage 

zur 

Geologie  der  Umgebung  St.  Gallens. 

Von  Ch.  Falkner  und  A.  Ludwig. 


Vorbemerkung. 

Die  geologischen  Verhaltnisse  der  Umgebung  von 
St.  Gallen  sind  bereits  von  etlichen  Forschern  mehr  oder 
weniger  ausfuhrlich  behandelt  worden.  Wir  gedenken  da 
der  Arbeiten  von  Prof.  Deicke  und  seiner  Vorganger,  ganz 
besonders  aber  der  systematischen  Untersuchungen  von 
Prof.  Dr.  Gutzwiller,  deren  wertvolle  Resultate  in  der  14. 
und  19.  Lieferung  der  „Beito*age  zur  geologischen  Karte 
der  Schweizu  veroffentlicht  wurden,  sowie  der  geistvollen 
Arbeiten  von  Prof.  Dr.  Fruh,  von  denen  mehrere  in  ein- 
zelnen  Partien  sich  auch  mit  unserem  Gebiet  beschaftigen. 
Dennoch  fehlte  bisher  eine  in  grosserem  Massstabe  aus- 
gefuhrte  geologische  Lokalkarte.  Zu  jener  Zeit,  als  Prof. 
Dr.  Gutzwiller  seine  umfassenden  Aufnahmen  machte, 
waren  die  Siegfried  blatter  noch  nicht  erschienen  und  Esch- 
mann  1  :  25,000  erwies  sich  fur  Detailaufnahmen  als  zu 
wenig  genau.  So  kamen  denn,  was  geologische  Kartierung 
unserer  Gegend  anbetrifft,  nur  die  Blatter  IV  und  IX  der 
im  Massstab  1  :  100,000  gehaltenen  geologischen  Karte  der 
Schweiz  und  die  im  gleichen  Massstab  gehaltene  Karte  liber 
das  Verbreitungsgebiet  des  Santisgletschers  von  Gutzwiller 
in  Betracht.  Wir  fassten  daher  schon  vor  mehreren  Jahren 
die  Erstellung  einer  geologischen  Spezialkarte  1 :  25,000  far 
die  Umgebung  von  St.  Gallen  ins  Auge  und  es  fragte  sich 
nur  noch,  auf  welchen  Rayon  wir  sie  ausdehnen  wollten. 


475 


Als  Heir  Forstverwalter  Wild  seine  Exkursionskarte 
erscheinen  liess  ^Siegfriedblatt  79  und  Telle  der  Blatter 
76, 219  and  222),  da  schien  uns  ihre  topographischeGrund- 
lage  auch  fur  unsere  projektierte  geologische  Karte  gut 
za  passen.  Herr  Wild  besorgte  tins  in  freundlichster  Weise 
sogleich  einige  der  fur  seine  Karte  verwendeten  Uber- 
dmcke,  so  wie  auch  etliche  Exkursionskarten  selbst  und  wir 
sagen  ihm  hiefiirj  wie  anch  fiir  das  Interesee,  das  er  stets 
an  unserer  Arbeit  nahm  und  fiir  die  willkomnienen  Mit- 
teilungen,  die  er  uns  namentlich  iiber  erratische  Blocke 
machen  konnte,  auch  an  dieser  S telle  unsern  verbindKchsten 
Dank.  Dasaelbe  tun  wir  gegeniiber  alien  denen,  die  uns 
durch  giitige  Winke,  Anregungen  und  freundlich  ge- 
wid  metes  Interesse  in  unserer  Arbeit  gelordert  haben,  so 
den  Herren  Prof.  Dr.  Fruh,  Prof.  Dr.  Gutzwiller  und  Prof. 
Dr.  Heim,  Ingenieur  Studer  und  Ingenieur  Konig  in 
St.  Gallen,  ferner  den  Herren  Dr.  Ambuhl,  Rehsteiner- 
Zollikofer,  Dr.  Rehsteiner  und  Prof.  Dr.  Steiger,  iiberhaupt 
der  ganzen  Kommission  der  st.  gallischen  naturwissen- 
schaftlichenGesellschafb,welchedieVeroffentlichungunserer 

I     Arbeit  durch  Aufnahme  ins  Jahrbuch  ermoglicht  hat. 

Karte  und  Text,  die  als  Produkt  mehrjahriger  Studien 
und  Untersuchungen  nun  vorliegen,  haben  einen  doppelten 

|  Zweck.  Einmal  sollen  dadurch  die  wertvollen,  aber  in  meist 
schwer  zuganglichen  Publikationen  mehr  begrabenen  als 
veroffentlichten  Resultate  fruherer  Forscher  auch  einem 
nicht  speziell  fachmannischen  Leserkreis  bekannt  gemacht 
werden.  Anderseits  hoifen  wir,  in  einigen  Punkten  durch 
ErweiterungundErganzung  des  bisher  Bekannten,  wie  auch 
durch  Konstatierung  mehrerer  neuer  Tatsachen  zur  genauern 
Kenntnis  der  Geologie  unserer  Gegend  etwas  beigetragen 
zu  haben. 


476 


A.  Die  Molasse. 

(Miocen,  Tertiar.) 

Mit  Molasse  werden  im  Waadtlande  die  Sandsteine 
bezeichnet.  Heute  ist  der  urspriinglich  petrographische 
(d.  h.  gesteinsbeschreibende  oder  gesteinsbezeichnende  • 
Name  zu  einem  stratigraphischen  (die  Schichtstufe,  bezw. 
das  Alter  bezeichnenden)  geworden.  Man  versteht  da- 
runter  jene  Ablagerungen,  welche  als  jungstes  Grlied  der 
Tertiarbildungen  auf  das  Eocen  (Flysch  und  Nummuliten) 
folgen  und,  wohl  1j&  des  Gesamtareals  der  Schweiz  urn- 
fassend,  den  Untergrund  des  schweizerischen  Mittellandes 
bilden,  in  Speer  und  Rigi  auch  noch  Gipfel  von  ansehn- 
licher  Hohe  zusammensetzen,  jedoch  nirgends  mehr  in 
das  eigentliche  Alpengebirge  eindringen.  Aus  dem  zuletzt 
genannten  Grunde  ist  es,  beilaufig  gesagt,  vollkommen 
zwecklos,  wenn  auf  geologischen  tJbersichtskarten  kleineren 
Massstabes  die  Molasse  mit  dem  noch  tief  in  die  Alpen 
bis  in  die  Nahe  der  krystallinischen  Zentralkamme  ein- 
dringenden  Eocen  stets  unter  derselben  Farbe  zusammen- 
gefasst  wird,  nur  deshalb,  weil  beide  dem  Tertiar  ange- 
horen.  Wohl  ist  die  Hauptfaltung  des  Alpengebirges  erst 
nach  Ablagerung  der  Molasse  erfolgt,  aber  doch  war  das 
Alpengebiet  schon  Festland,  als  die  Molasse  gebildet  wurde 
und  es  ware  darum  viel  lehrreicher  und  auch  auf  tJber- 
sichtskarten  kleinsten  Massstabes  gut  durchfuhrbar,  die 
Molasse  scharf  von  den  altern  Formationen  abzusondern. 

Nach  der  Zeitfolge  der  Ablagerung  sind  in  der  Mo- 
lasse unseres  Kartengebietes  und  in  der  Ostschweiz  uber- 
haupt  folgende  Stufen  zu  unterscheiden : 
Untere  Susswassermolasse, 


477 


Meeresmolasse  (Helvetian), 
obere  Meeresmolasse  (Oningerstufe). 
Beriicksichtigt  man  hingegen  auch  die  Verh&ltnisse 

in  der  Westschweiz,  so  waren  in  der  Molasse  nicht  nur 

drei,  sondern  funf  Abteilungen  (Stufen)  zu  unterscheiden. 

Darauf  ist  indessen  hier  nicht  einzutreten. 

Die  Felsarten  der  Molasse  sind  Sandstein,  Mergel  and 

Nagelfluh  und  zwar  gilt  dies  fiir  alle  drei  Molassestufen. 

In  vereinzelten,   wenig  machtigen   Schichten   tritt  Siiss- 

wasserkalk  auf.    Die  Kohlenvorkommnisse  sind  nicht  von 

Bedeutung. 

I.  Die  nntere  Sttsswassermolasse. 

Von  den  drei  Molassestufen  ist  die  untere  Siisswasser- 
molasse  diejenige,  welche  die  hochsten  Bergriicken  unseres 
Kartengebietes  bildet  und  zugleich  am  wenigsten  von 
Gletscherablagerungen  bedeckt  ist.  Sandstein  und  Mergel 
herrschen  vor,  w&hrend  die  Nagelfluh  erst  in  den  hohern, 
der  Meeresmolasse  benachbarten  Schichten  bedeutenderen 
Anteil  am  Aufbau  nimmt  und  auch  dies  nur  im  west- 
lichen,  bezw.  sudwestlichen  Teil. 

Die  Sandsteine  scheinen  an  Machtigkeit  gegeniiber 
den  Mergeln  entschieden  das  Ubergewicht  zu  haben.  Wir 
befinden  uns  hier  in  dem  nordlich  von  der  nordlichsten 
Antiklinalen  gelegenen  Teile  jener  Sandstein-  und  Mergel- 
zone,  welche  zwischen  der  dritten  (Gabris-Hundwilerhohe- 
Hochham)  und  vierten  Nagelfluhzone  (St.  Gallen-Hornli) 
in  WSW  Richtung  sich  erstreckt. 

Die  Sandsteine  der  untern  Susswassermolasse  unseres 
Gebietes  gehoren  zum  grossten  Teil  jenem  kaum  2  km 
breiten  Streifen  der  granitischen  Molasse  an,  welcher  von 
St.  Margrethen  im  Rheintal  bis  nach  Bollingen  am  Zurich- 


478 


see  sich  verfolgen  lasst  und  nur  nordlich  der  ndrdlichsten 
Antiklinale  am  Sudrande  der  grossen  Nagelfluhzone  Hornli- 
St.  Gallen  zu  finden  ist.  (Siehe  Gutzwiller,  14.  Lieferung 
der  Beitrage  zur  geologischen  Karte  der  Schweiz,  Seite 
34,  und  19.  Lieferung  der  Beitrage,  Seite  8.) 

Studer  betrachtete  die  granitische  Molasse  als  Ab- 
anderung  der  gemeinen  Molasse.  Gutzwiller  dagegen 
schlug  vor,  die  granitische  Molasse  wegen  ihrer  allge- 
meinen  Verwendung  als  Baustein  und  auch  um  der  grossen 
Verbreitung  willen  als  ebenburtig  neben  die  andern  Haupt- 
abanderungen  des  Sandsteins  hinzustellen  und  unterschied 
demgemass  folgende  Sandsteinarten : 

1.  Subalpine  Molasse. 

2.  Granitische  Molasse. 

3.  Gemeine  Molasse. 

4.  Mergelmolasse. 

5.  Knauermolasse. 

Die  erstgenannte  Hauptabanderung ,  der  subalpine 
Sandstein,  tritt  nur  am  aussersten  sudostlichen  Rande 
unseres  Kartengebietes  auf,  ohne  indessen  hier  in  er- 
wahnenswerten  Aufschliissen  sich  zu  zeigen.  Dagegen 
lasst  er  sich  in  unmittelbarer  Nahe,  auf  dem  Riicken  der 
„Hohen  Buche"  schon  beobachten.  Das  ausserlich  gelb- 
braune,  innen  blaugraue  Gestein  fallt  uns  schon  durch 
seine  Harte  auf.  Auf  den  zahlreichen  Kluftflachen  sitzt 
Kalkspat,  mitunter  sind  ziemlich  schone  Kristalle  vor- 
handen.  Das  Gestein  braust  in  Saure  sehr  stark,  das 
Bindemittel  ist  vorzugsweise  kohlensaurer  Kalk,  die  Korner 
bestehen  aus  Quarz,  Kieselkalk  und  kohlensaurem  Kalk. 
Der  subalpine  Sandstein  ist  meist  grobkornig.  Eine  fein- 
kornige  Abanderung,  welche  von  Fruh  untersucht  wurde, 
zeigte   einen   aus   Quarzsplittern ,    Glimmerblattcben   und 


479 


Horn8teinsplittern  bestehenden  unloslichen  Riickstand  von 
27  Vol.  °/0. 

Es  ist  eine  auffallige  Tatsache,  dass  der  subalpine 
Sandstein  im  allgemeinen  nicht  weiter  nordlich  reicht  als 
bis  zur  nordlichsten  Antiklinallinie. 

Gutzwiller  (14.  Lieferung,  Seite  88)  und  Fruh  (Neue 
Denkschriften  der  Schweizer.  Gesellschaft  fur  die  Natur- 
wissenschaften,  Band  XXX,  Seite  71  und  56)  betrachten 
ubereinstimmend  den  subalpinen  Sandstein  als  das  sandige 
Schlammprodukt  der  Kalknagelfluh. 

In  seiner  Abhandlung  uber  das  Verbreitungsgebiet 
des  Santisgletschers  zur  Eiszeit  (Jahresbericht  1871/72  der 
st.gallischennaturwissenschaftlichen  Gesellschaft)  hat  Gutz- 
willer die  subalpine  Molasse  als  Appenzeller-Sandstein  be- 
zeichnet.  Dieser  Name  ware  in  der  Tat  vorzuziehen,  denn 
der  Ausdruck  ^subalpine  Molasse  *  kann  deshalb  verwir- 
rend  wirken,  weil  seit  Studers  Zeiten  (Monographie  der 
Molasse  1825)  die  Bezeichnung  ^subalpine"  oft  in  Gegen- 
satz  gestellt  wird  zu  „subjurassischa  und  dann  natiirlich 
eine  weit  umfassendere  Bedeutung  erhalt. 

Der  granitische  Sandstein.  Diese  zweite  Hauptabande- 
rung  des  Sandsteins  ist  in  der  Zusammensetzung  und  im 
aussern  Habitus  ganzlich  verschieden  vom  subalpinen  Sand- 
stein. Die  granitische  Molasse  ist  frisch  gebrochen  blau- 
grau  und  ziemlich  weich,  wird  an  der  Lufb  hart  und  hell- 
blaulichgrau  bis  hellgrau.  Sie  ist  reich  an  roten  Feld- 
spatkornern,  haufig  sind  auch  weisse  Glimmerblattchen 
und  Quarzk6rnchen?  auch  dunkle  und  blassgriine  Kornchen 
(z.  T.  Hornblende?)  sind  zahlreich.  Das  Gestein  hat  keine 
scharf  sich  abhebende  Verwitterungsrinde,  ist  innen  und 
aussen  ziemlich  gleichfarbig.   Grobkornige,  weniger  feste, 


480 


leicht  verwitternde  Varietaten  sind  oft  mit  einer  Lage  von 
Sand  bedeckt. 

In  Saure  braust  der  granitische  Sandstein  ganz  wenig. 
Friih  erhielt  von  einer  bei  der  „Spinnereiu  in  Trogen  ge- 
sammelten  Gesteinsprobe  einen  unloslichen  Riiokstand  von 
82  Vol.  °/o  (gegenuber  27  Vol.  °/o  beim  subalpinen  Sand- 
stein !). 

Gutzwiller  hat  erkannt  (14.  Lieferung  der  Beitrage, 
Seite  88  und  19.  Lieferung,  Seite  8)  und  Fruh  hat  noch- 
mals  betont  (Neue  Denkschriften,  XXX.  Band,  Seite  70/71), 
dass  der  granitische  Sandstein  im  Nordflugel  der  nord- 
lichen  Antiklinale  als  das  ausgeschlammte  feinere  Material 
der  bunten  Nagelfluh  im  Sudflugel  der  nOrdlichen  und 
mittleren  Antiklinale,  namlich  der  Gabris-  und  Kronberg- 
zone  aufzufassen  sei.  Das  feinste  Schlammprodukt  stellen 
die  Mergel  dar. 

Ganz  kurz  kann  also  zusammenfassend  gesagt  wer- 
den :  der  granitische  Sandstein  verhalt  sich  zum  subalpinen 
wie  die  bunte  Nagelfluh  zur  Kalknagelfluh. 

Wie  schon  erwahnt,  herrscht  der  granitische  Sand- 
stein (auch  St.  Margrethener-  oder  Bollinger-Sandstein  ge- 
nannt)  in  der  untern  Siisswassermolasse  unseres  Karten- 
gebietes  vor.  Doch  ist  die  Sache  nicht  so  zu  verstehen, 
dass  innerhalb  des  genannten  engbegrenzten  Streifens  nur 
ausgepragt  granitische  Sandsteine  zu  finden  wSren.  Man 
triffl  in  der  genannten  Zone  vergesellschaftet  mit  der 
typischen  granitischen  Molasse  auch  eine  merklich  ver- 
schiedene  Sandsteinabanderung,  die  da  und  dort  gebrochen 
und  zur  Pflasterung  verwendet  wird.  Nach  seinem  aus- 
gezeichneten  Vorkommen  bei  Heiden  wird  er  auch  etwa 
als  Heidener  -  Pflasterstein  bezeichnet.  Dieser  Sandstein 
ist  sehr  hart,  stark  blaulichgrau  und  feinkornig.    Manche 


481 


Ab&nderungen  zeigen  so  feines  Korn,  dass  man  die  ein- 
zelnen  Bestandteile  mit  der  Lupe  nicht  mehr  sicher  unter- 
scheiden  kann.  Die  Verwitterungsrinde  ist  gelbbraun  bis 
rotlichgelb  und  hebt  sich  vom  blaulichgrauen  Kern  scharf 
ab.  Solche  Pflastersteine  werden  gewonnen  in  den  Stein- 
briichen  bei  Vorderhaus  und  Steinegg  nordostlich  von 
Teufen  und  fehlen  auch  nicht  dem  Steinbruch  im  Horst, 
der  schon  auf  Blatt  IX  der  geologischen  Karte  der  Schweiz 
verzeichnet  ist. 

Der  Heidener  Pflasterstein  zeigt  in  mancher  Beziehung? 
z.  B.  hinsichtlich  der  Harte  und  der  scharf  sich  abheben- 
den  Verwitterungsrinde,  grosse  Ahnlichkeit  mit  dem  sub- 
alpinen  oder  Appenzeller-Sand stein.  Dass  der  Pflasterstein 
in  der  Zone  der  granitischen  Molasse  vorkommt,  wahrend 
er  doch  weit  mehi  Ahnlichkeit  mit  dem  siidlich  der  Anti- 
klinale  vorherrschenden  subalpinen  Sandstein  aufweist, 
erscheint  zunachst  sehr  auffallig,  kann  aber  als  ein  Ana- 
logon  zu  der  Tatsache  betrachtet  werden,  dass  die  zweite 
(Kronberg-Petersalp-Hochalp)  und  dritte  Nagelfluhzone 
(Gabris  -  Hundwilerhohe  -  Hochham)  auch  nicht  in  ihrer 
ganzen  Machtigkeit  bunt  sind,  sondern  im  tieferen  Teile 
jeweilen  Kalknagelfluhbanke  aufweisen.  Ja,  auch  in  der 
vierten  Nagelfluhzone  (St.  Gallen-Hornli),  in  der  die  bunte 
Nagelfluh  absolut  dominiert,  finden  sich,  abgesehen  von 
der  Abtwiler-Degersheimer  Kalknagelfluh,  einzelne  Banke, 
welche  durch  ein  ganz  ungewohnliches  Zuriicktreten  der 
kristallinischen  Silikatgesteine  sich  auszeichnen. 

Abanderungen  der  granitischen  Molasse  und  des  Hei- 
dener Pflastersteins  sind  natlirlich  sehr  haufig.  So  findet 
8ich  im  Horststeinbruch  eine  etwas  feinkornigere  und  zu- 
gleich  dunklere  Varietat  des  granitischen  Sandsteins.  Auch 
die  bei  Teufen  gewonnen  en  Pflastersteine  sind  trotz  &usser- 

31 


482 


licher  Ahnlichkeit  von  recht  verschiedenem  Korn.  Neben 
ausserst  feinkornigen  gibt  es  auch  solche,  welche  dunkle 
und  rote  Korner  von  blossom  Auge  erkennen  lassen. 

Die  gemeine  Molasse  ist  ein  Sandstein  von  wenig 
ausgepr&gtem  Charakter,  zeigt  Ubergange  zum  subalpinen 
und  granitischen  wie  auch  zum  mergeligen  Sandstein  und 
weist  in  Beziehung  auf  die  Grosse  der  Korner,  auf  Farbe, 
Zusammensetzung  und  Festigkeit  solche  Unterschiede  auf, 
dass  eine  genaue  Beschreibung  kaum  moglich  ist. 

Die  Mergelmolasse  (mergeliger  Sandstein),  ein  ton- 
und  kalkreicher,  lockerer  Sandstein,  kommt  in  unserem 
Gebiet  ofters  vor,  besonders  zwischen  den  Nagelfluh- 
schichten  der  untern  Stisswassermolasse. 

Knauermolasse  kommt  in  der  untern  Stisswasser- 
molasse unseres  Kartengebietes  ebenfalls  vor,  dock  wenig 
ausgepragt  und  seltener,  als  in  der  obern  Stisswasser- 
molasse. Die  Knauermolasse  hat  ihren  Namen  von  eigen- 
tiimlichen  Verhartungen,  welche  als  abgerundete  Erhebungen 
aus  dem  umgebenden  weicheren  Gestein  hervortreten  und 
der  Schichtung  parallel  laufen.  Besonders  auffallig  sind 
aber  die  Knauer  da,  wo  der  massig  auftretende  Sandstein 
keine  Neigung  zu  Absonderungen  zeigt.  ^In  wunderbaren 
Formen  durchziehen  sie  dann  die  Molasse  nach  jeder  Rich- 
tung,  zuweilen  aufrecht  stehenden  Baumstammen  ahnlich 
mit  abgeschnittenen  Asten  und  Wurzeln,  oder  Riesenknochen 
mit  noch  deutlichen  Gelenken;  zuweilen  glaubt  man  die 
Trummer  eines  in  Sand  begrabenen  Saulenganges  zu  er- 
blicken.a   (Studer,  Monographie  der  Molasse,  Seite  97.) 

Ungleicher  Kalkgehalt  des  Bindemittels,  resp.  Kon- 
zentration  des  Kalkleims  auf  gewisse  Stellen  mag  wohl 
die  Hauptursache  der  Knauerbildung  sein. 

Die  Mergel  der  untern  Stisswassermolasse  unterscheiden 


483 


sich  schon  durch  ihre  gelbliche,  graugelbe  bis  braunliche 
violette  und  rote  Farbe  von  den  blauen  Mergeln  der 
Meeresmolasse.  Die  ausgesprochenen  Mergel  zeigen  oft 
Fettglanz,  zerfallen  in  unregelmassige  Bruchstiicke,  so 
dass  es  unmoglich  ist,  ein  grosseres  zusammenhangendes 
Stuck  herauszubringen  und  konnen  ihrer  Zusammensetzung 
nach  als  feiner  Ton  bezeichnet  werden. 

Daneben  aber  entstehen  durch  Hinzutreten  von  Sand- 
kornern  und  Kalk  so  mannigfache  Ubergange,  dass  eine 
Unterscheidung  zwischen  Mergeln  und  Sandstein  oft 
schwierig  wird. 

Schwarzliche  bituminose  Mergel,  deren  Bitumgehalt 
von  verwesten  organischen  Stoffen  hernihrt,  kommen  hie 
und  da  vor,  sind  aber  bei  weitem  nicht  so  haufig,  wie  in 
der  obern  Siisswassermolasse. 

Die  Kalkeinlagerungen  der  untern  Siisswassermolasse 
sind  nicht  von  Bedeutung.  Sie  finden  sich  teils  als  diinne, 
hochstens  1  m  machtige  Banke,  teils  nur  als  Knollen  in 
den  Mergeln. 

Diese  Siisswasserkalke  sind  oft  gelblich,  blaulich,  vio- 
lett  und  rotlich  gefleckt  und  sehen  aus  einiger  Entfernung 
oft  bunten  Mergeln  tauschend  ahnlich,  unterscheiden  sich 
jedoch  von  ihnen  durch  ihre  Harte,  wie  auch  dadurch, 
dass  sie,  im  Gegensatz  zu  den  Mergeln,  aus  dem  Abriss 
hervorragen. 

Das  bedeutendste  Vorkommnis  dieser  Art  findet  sich 
am  Wenigerweier  in  dem  bekannten  Aufschluss  unmittel- 
bar  nordlich  des  nach  St.  Georgen  fuhrenden  Strasschens. 
Die  Machtigkeit  des  gelblich  bis  violett  und  rotlich  ge- 
fleckten  Kalkes  betragt  hier  fast  1  m.  Wir  wurden  auf 
dieses  Vorkommnis  von  Herrn  Prof.  Friih  in  Zurich  auf- 
merksam  gemacht. 


484 


Eine  ca.  30  cm  m&chtige  Schicht  von  Susswasserkalk 
findet  sich  ferner  in  dem  Steinbruch  bei  Hauschen  ost- 
lich  von  Fr6hlichsegg. 

Susswasserkalk  in  Gestalt  von  meist  ellipsoidischenr 
den  Mergeln  eingelagerten  Knollen  trifft  man  nordlich 
der  Strasse  von  Speicher  nach  Teufen  zwischen  Schlatt 
und  Stelz.  Auch  auf  der  Westseite  des  von  der  Waldegg 
dem  Rande  des  Stuhleggwaldes  entlang  fiihrenden  Strass- 
chens  kommt  Susswasserkalk  vor,  der  indessen  ebenfalls 
nicbt  eine  eigentliche  Schicht  zu  bilden  scheint,  sondern 
knollen-  und  knauerartig  den  Mergeln  eingelagert  ist. 

Versteinerungen. 

Die  untere  Siisswassermolasse  ist  im  allgemeinen  sehr 
arm  an  Versteinerungen. 

Kohlenspuren  finden  sich  da  und  dort.  Kohlenstreifen 
von  iiberhaupt  erwahnenswerter  Machtigkeit  finden  sich 
indessen  nur  am  rechten  Ufer  der  Goldach,  unter  dem 
Wege,  der  nach  dem  Scheibenstand  fuhrt,  in  unmittel- 
barer  Nahe  des  Steges.  Hier  wurden  in  die  grauen  und 
blaugrauen,  Kohlen  fiihrenden  Mergel  funf  Stollen  ge- 
trieben,  die  sich  ca.  2 — 4  m  iiber  dem  Wasserspiegel  der 
Goldach  befinden.  Das  machtigste  der  Kohlenbander, 
deren  man  im  grossten  Stollen  drei  bemerkt,  hat  etwas 
iiber  5  cm  Dicke.  Im  Jahre  1892  hat  Herr  Huber,  Wirt 
zum  „Schaugenbadliu,  aus  diesen  Gruben  ca.  300  Zentner 
Kohle  gewonnen,  die,  obwohl  ziemlich  viel  Schlacken  iibrig 
lassend,  doch  gut  sich  verwerten  liess.  Vor  zirka  drei 
Jahren  wurde  das  Kohlenvorkommnis  durch  Herrn  Berg- 
werksinspektor  Rocco  einer  f achmannischen  Expertise  unter- 
worfen,  welche  ergab,  dass  an  eine  bergmannische  Aus- 
beutung  der  ungiinstigen  Schichtung  und  der  schwierigen 
Transportverhaltnisse  wegen  nicht  zu  denken  sei. 


485 


In  den  umgebenden  Mergeln  finden  sich  zahlreiche 
Pflanzenreste.  Ferner  hat  Prof.  Friih  dort  folgende  Ver- 
steinerungen  gefunden: 

Planorbis  cornu,  Brogn. 

Planorbis  laevis,  Klein. 

LimnaBus  dilatatus,  Noul. 

Melania  Escheri,  Brogn. 

Helix  sylvana,  Klein. 

Helix  subcostata,  Sandbg. 

Pupa,  sp.  (?). 

Ankniipfend  an  die  in  den  Kohlenmergeln  zahlreich 
vorkommenden,  wenn  auch  meist  undeutlichen  Pflanzen- 
reste mag  hier  noch  der  ratselhafben,  oft  genannten  pflan- 
zenfnhrenden  St.  Galler  Molasse-Findlinge  gedacht  werden. 
Beim  Bau  des  Biirgerspitals  St.  Gallen  (1840)  fand  man 
namlich  in  den  dortigen  Kies-  und  Sandablagerungen 
leioht  kenntliche  rotbraune  Mergel  von  ziemlicher  Harte 
und  muscheligem  bis  splitterigem  Bruch.  Diese  Mergel 
enthielten  Pflanzenabdriicke  von  einer  fur  unsere  Gegend 
ungewohnlichen  Schonheit.  Architekt  Kunkler  sammelte 
wahrend  drei  Jahren  diese  Geschiebe  und  brachte  so  eine 
hubsche  Sammlung  von  Pflanzenresten  zusammen.  Es  sind 
wohl  die  schonsten  fossilen  Pflanzen,  welche  die  st.  gallisch- 
appenzellische  Molasse  geliefert  hat.  Sie  wurden  von  Prof. 
Heer  bestimmt  und  das  Verzeichnis  ist  folgendes  (siehe 
Gutzwiller,  19.  Lieferung,  Seite  19): 

Sphaeria  Kunkleri,  Heer. 

Phacidium  Eugeniarum,  Heer. 
auf  Eugenia  hseringiana. 

Salvinia  reticulata,  Heer. 

Pinus  palceostrobus,  Heer. 

Phragmites  oeningensis,  A.  Braun. 


t 


486 


Myrica  Studeri,  Heer. 

Planera  Ungeri,  Ett. 

Cinnamomum  Scheuchzeri,  Heer. 

Cinnamomum  lanceolatum,  Ung.  sp. 

Cinnamomum  subrotundum,  Heer. 

Cinnamomum  polymorphum,  Heer. 

Dryandroides  arguta,  Heer. 

Andromeda  vaccinifolia,  Ung. 

Vaccinium  parvifolium,  Heer. 

Cornus  Deickei,  Heer. 

Eugenia  haaringiana,  Ung. 

Eugenia  aizoon,  Ung. 

Eucalyptes  oceanica,  Ung. 

Sapindus  falcifolius,  A.  Braun. 

Carya  Heerii,  Ett. 

Robinia  Regeli,  Heer. 

Robinia  constricta,  Heer. 

Caesalpinia  Falconeri,  Heer. 

Dahlbergia  Scheitlii,  Heer. 

Leguminosites  Tschudii,  Heer. 

Acacia  parschlugiana,  Ung. 

Acacia  cyclosperma,  Heer. 

Acacia  Sotzkiana,  Ung. 

Acacia  Gaudini,  Heer. 

Acacia  microphylla,  Ung. 

Mimosa  Wartmanni,  Heer. 

Hiezu  kommt  noch  (Jahresbericht  1894/95  und  1890/9L 
der  st.  gallischen  naturwissenschaftlichen  Gesellschaft): 

Zanthoxyllum  serratum,  Heer,  ebenfalls  von  Kunkler 
beim  Burgerspital  gesammelt. 

Palmacites  helveticus,  Heer. 

Rhus  Pyrrhae,  Ung. 


487 


Das  Kunkler'sche  Gestein  mit  Cinnamomum  lanceo- 
Utum  wurde  von  Mettler  auch  an  der  St.  Georgenstrasse 
I    gefunden. 

'  Ferner  haben  wir  selbst  diese  typischen  rotbraunen 

Mergel  mit  mehreren  der  oben  erw&hnten  Pflanzen  in  der 

gTossen  Kiesgrube  des  Herrn  Stadelmann  im  Neudorf  ge- 

-funden,  wenn  auch  nicht  allzu  haufig.    Es  ist  absolut  das 

Seiche  Gestein  wie  das  von  Kunkler  beim  Biirgerspital 

Sresammelte;  eine  Verwechslung  ist  unmoglich  und  hier 

'Wie  dort  enthalt  es  neben  den  Pflanzenabdriicken  auch 

Alelanien  und  Planorben. 

Kunkler  und  Deicke  haben  lange  nach  dem  Stamm- 

ort  dieser  eigentiimlichen,  sowohl  nach  den  Fossilien  als 

xiach  dem  Gesteinscharakter  der  Molasse  angehorigen  Find- 

Unge  gesucht,  aber  ohne  sichern  Erfolg.   Auch  uns  ist  es 

xxicht  gelungon,  den  Ort  des  Anstehens  dieser  Mergel  mit 

Sicherheit  zu  konstatieren.    Dagegen  darf  der  Yermutung 

Uaum  gegeben  werden,  dass  sie  jenen  Schichten  der  untern 

Stisswassermolasse  entstammen,  welche  am  rechten  Gold- 

achufer  die  oben  erwahnten  Kohlenmergel  fuhren.    Zwar 

finden  sich  dort  keine  so  schonen  Pflanzenabdrticke,  aber 

doch  zeigt  das  Gestein    entschiedene   Anklange    an  die 

Kunkler'schen  Findlinge,  enthalt  ebenfalls  Melanien  und 

Kanorben,  und  der  Ort  liegt,  wie  es  die  Gletscherbewegung 

erfordert,  ostlich  von  der  Ablagerungsstatte.     Da  zudem 

jene  Kohle  fuhrenden  Schichten  nur  auf  kurze  Strecke  ent- 

blosst  sind,  so  ist  die  Wahrscheinlichkeit  gross,  dass  man 

in  geringer  Entfernung  das  Kunkler'sche  Gestein  unter 

Schutt  begraben  anstehend  fande. 

Von  andern  Fundorten  innerhalb  der  untern  Suss- 
wassermolasse  fuhrt  Gutzwiller  folgende  fossile  Pflanzen 
an  (19.  Lieferung,  Seite  15/16): 


488 


Myrica  salicina,  Heer,  Teufen. 

Lauru8  princeps,  Heer,  Teufen. 

Rhamnus  Eridani,  Ung.,  Teufen. 

Juglans  bilinica,  Lortanne  bei  Teufen. 

Die  Bezeichnung  „Teufena  ist  naturlich  sehr  unbe 
stimmt.  Vermutlich  handelt  es  sich  um  den  grossen  Stein 
bruch  beim  Horst,  in  welchem  sehr  zahlreiche  Pflanzer 
reste  gefunden  werden,  jedoch  nur  ausnahmsweise  i 
ordentlichem  Erhaltungszustande.  Auch  im  Steinbruch  b( 
Vorderhaus  N  E  Teufen  findet  man  schlecht  erhalten 
fossile  Pflanzen,  sowie  Kohlenspuren. 

Obigem  Verzeichnis  ist  noch  beizufugen  („Beitrag 
zur  Terti&rflora  des  Kantons  St.  Gallena  von  Dr.  R.  Kelle: 
Jahresbericht  1890/91  der  st.  gallischen  naturwissenschafl 
lichen  Gesellschaft) : 

Populus  latior,  A.  Braun,  Niederteufen. 

Fundstellen  tierischer  Fossilien  sind  uns,  abgesehe 
von  den  Kohlenmergeln  am  rechten  Goldachufer,  in  de 
untern  Siisswassermolasse  nur  wenige  bekannt.  Im  Steii 
bruch  von  Hauschen  ostlich  von  Frohlichsegg  trifft  ma 
dunkle  Mergel,  unter  welchen  der  schon  erwahnte  zirk 
30  cm  machtige  Siisswasserkalk  liegt,  wahrend  noch  tiefe 
zuerst  diinnschieferiger  und  plattiger,  sodann  dickbankige 
Sandstein  folgt.  Die  Mergel  werden  iiberlagert  von  Sand 
stein  und  gelblichen  Mergeln.  Die  dunkeln  Mergel  sin 
einige  Meter  miichtig  und  enthalten  zahlreiche  Schale 
von  Land-  und  Susswasserschnecken. 

Fossile  Schnecken  wurden  ferner  gefunden  beim  Ba 
der  Wasserleitung  nordwestlich  vom  Harzig  (in  der  sue 
ostlichen  Ecke  unseres  Kartengebietes).  Es  gelang  uii 
aber  nicht,  die  Stelle  ausfindig  zu  machen. 

Im  Museum  sind  vorhanden: 


489 


Planorbis  declivis,  Dpd.,  Kubelmfthle. 

Planorbis  kevis,  Kubelmiihle. 

Columbella  Borsoni,  Bell.,  St.  Georgen. 

Melania  Escheri,  Brongn.,  Kubel. 

Poromya  quadrata,  Hinds.  (Corbula),  Philosophental. 

Unio  flabellatus,  Goldf.,  Kubel.1) 

Die  Nagelfluh. 

Konsequenterweise  mlisste  fur  jede  der  drei  Molasse- 
stufen  die  Nagelfluh  in  einem  besondern  Abschnitt  be- 
handelt  werden,  ahnlich  wie  Sandstein  und  Mergel.  Es 
empfiehlt  sich  hier  indessen,  von  der  tiblichen  Ordnung 
abzugehen  und  der  Nagelfluh  einen  zusammenfassenden 
Abschnitt  zu  widmen,  auf  welchen  spater,  wenn  von  der 
Nagelfluh  der  einzelnen  Stufen  die  Rede  ist,  einfach  ver- 
wiesen  werden  kann. 

Jedermann  kennt  die  Unterscheidung  der  Nagelfluh 
in  zwei  Hauptarten:  die  Kalknagelfluh  und  die  bunte 
Nagelfluh.  Die  letztere  enthalt  neben  immerhin  vorwiegen- 
den  Sedimentgerollen  (hauptsachlich  Kalke)  auch  eine 
namhafte  Zahl  von  kristallinischen  Silikatgesteinen.  Ohne 
dass  hier  eine  exakte  Prozentzahl  angegeben  wird,  mag 
ak  bunte  Nagelfluh  jede  Nagelfluh  bezeichnet  werden,  in 
welcher  man  auf  den  ersten  Blick,  ohne  zu  suchen, 
mehrere  kristallinische  Silikatgesteine  (Gneise,  Granite, 
Porphyre  etc.)  erkennen  kann. 

Wir  haben  es  in  unserem  Gebiete  hauptsachlich  mit 
der  bunten  Nagelfluh  zu  tun.  Unsere  St.  Galler  Nagelfluh 
gehort  der  sogenannten  vierten  Zone  (St.  Gallon -Hornli) 
an.  Gutzwiller  hat  namlich,  von  den  Alpen  aus  gerechnet, 

l)  Unio  flabellatus  kam  uns  in  einem  einzigen  Exemplar  auch 
vom  Steinbruch  am  Gstaldenbach  zu. 


490 


in  der  ostschweizerischen  Molasse  folgende  vier  Nagelfluh- 
zonen  unterschieden  (14.  Lieferung  der  Beitrage): 

1.  Zone:  Stockberg-Speer-Hirzli  (wahre  Kalknagelfluh) 

2.  Zone:  Kronberg - Petersalp - Hochalp    (im    tiefern  Tei 

Kalknagelfluh,  im  hohern  bunte  Nagelfluh). 

3.  Zone:  G&bris - Hundwilerhohe - Hochham    (vorwiegen* 

bunte  Nagelfluh,   die   tiefern  Schichten  jedocl 
auffallend  arm  an  kristallinischen  Gerollen). 

4.  Zone :  St.  Gallen-Hornli  (bunte  Nagelfluh). 

Indes  kommt  die  Kalknagelfluh  auch  in  der  viertei 
Zone  als  Degersheimer-  oder  Abtwiler-Nagelfluh  noch  ein 
mal  auffallig  zur  Geltung  und  soil  bei  Behandlung  de 
obern  Susswassermolasse  naher  erw&hnt  werden. 

An  der  Zusammensetzung  der  bunten  Nagelfluh,  di 
als  polygenes  Konglomerat  bezeichnet  werden  kann,  be 
teiligen  sich  hauptsachlich  folgende  Ge9teine: 

Mergelkalke,  Kieselkalke,  gelbliche,  graue  und  schwarz 
liche  Kalke,  Dolomit,  Kalkbreccien  und  Kalkkonglomerat* 
Hornsteine,  Quarzsandsteine,  Quarzite,  Porphyre,  Gabbrc 
Talkgneise,  Gneise,  Gneisgranite,  rote  und  griine  Granite 
Das  Bindemittel  (Zement,  Nagelfluhkitt)  ist  sandsteinartig 

Wenn  beim  Zerschlagen  der  Nagelfluh  die  Gerolle  oi 
eher  zerbrechen,  als  dass  man  sie  ganz  aus  dem  Zemen 
herausbringt,  so  ist  dies  nicht  immer  ein  Beweis  fur  di 
Festigkeit  des  Bindemittels.  Es  ist  zu  berucksichtigec 
dass  viele  Gerolle  weit  fortgeschrittene  Verwitterung  zeigen 
Gerade  aus  diesem  Grunde  ist  das  Nagelfluhkies,  wei 
weniger  widerstandsfahig,  fur  Strassenbeschotterung  etc 
lange  nicht  so  geschatzt  und  begehrt,  wie  das  Kies  de 
Gletscherablagerungen. 

Besonders  die  Feldspatgesteine  sind  oft  so  verwitteri 
dass  sie  beim  Herausfallen  zu  Sand  sich  auflosen  und  mai 


491 


leicht  zu  falschen  Schliissen  gelangen  kann,  wenn  man 
nor  die  am  Fusse  einer  Nagelfluhwand  liegenden  Gerolle 
betrachtet. 

Prof.  Friih  hat  iiber  das  numerische  Verh&ltnis  der 
Sedimentgesteine  zu  den  Silikatgesteinen  Erhebungen  ge- 
macht  in  der  Weise,  dass  er  in  einer  gut  erhaltenen  Nagel- 
fluhschicht  je  einen  Quadratmeter  genau  abgrenzte  und 
die  innerhalb  desselben  gelegenen  Gerolle  z&hlte  and  zu- 
gleich  qualitativ  notierte. 

So  erhielt  er  am  Wenigerweier  an  zwei  Lokalitaten 
folgende  Resultate  (Neue  Denkschriften,  XXX.  Band,  S.  76) : 

a)  462  Gerolle.    Sedimentgesteine.     .     .     .     430 ---96,1  °/o 

Kristallinische  Silikatgesteine  22=  4,9  °/o 
(darunter  rote  Granite  9  =  2  °/0). 

b)  690  Gerolle.    Sedimentgesteine  ....     557= 94,4  °/<> 

Kristallinische  Silikatgesteine  33=  6,6  °/o 
(darunter  rote  Granite  6-  l°/o). 

Hiebei  wurde  der  weissliche  Quarzit  zu  den  Silikat- 
gesteinen, das  verrucanoartige  Gestein  zu  den  Sediment- 
gesteinen  gez&hlt. 

Es  wird  behauptet  und  trifft  im  grossen  und  ganzen 
zu,  dass  die  Grosse  der  Gerolle  mit  der  Entfernung  von 
den  Alpen  abnimmt.  In  unserm  Spezialgebiet  zeigen  die 
grossten  Gerolle  eine  Langendimension  von  20—26  cm. 
Ein  merkbarer  Unterschied  in  der  Gerollgrosse  lasst  sich 
indennordwestlichsten  gegeniiber  densiidostlichstenBanken 
nicht  nachweisen.  So  finden  sich  z.  B.  in  der  Nagelfluh 
zwischen  Gruben  und  Buhl  bei  Joosruti  mindestens  ebenso 
viele,  wo  nicht  mehr  Gerolle  von  ansehnlicher  Grosse 
(20  cm  und  daruber),  als  in  der  Nagelfluh-Kiesgrube  bei 
Hinter-Horlen,  sudostlich  von  St.  Georgen. 

Auffallig  und  allbekannt  sind  die  Eindriicke,  Rutsch- 


492 


streifen  und  Quetschungen  der  Gerolle,  besonders  schdii 
zu  beobachten  am  Wenigerweier  und  in  der  Grenznagel- 
fluh  zwischen  Meeresmolasse  und  oberer  Susswassermolasse. 

Prof.  Friih  hat  diese  Erscheinungen  in  seiner  spater 
noch  zu  erwahnenden  gekronten  Preisschrift  „Beitrage  zur 
Eenntnis  der  Nagelfluh"  besonders  einlasslich  behandelt, 
mit  Verwertung  der  reichen  Literatur,  hauptsachlich  aber 
gestiitzt  auf  sehr  zahlreiche  exakte  eigene  Beobachtungen. 

Das  Gestein,  welches  die  Eindriicke  empfing,  ist 
meistens  ein  Kalk-  oder  Dolomitgestein.  Das  Gerdll,  das 
den  Eindruck  erzeugte,  ist  gewohnlich,  aber  nicht  immer, 
ein  harteres  Gestein,  z.  B.  Quarzit.  Als  Erfahrungssatz 
stellt  Friih  mit  andern  Forschern  auf:  Stossen  zwei  Ge- 
rolle aneinander,  so  wird  jenes  den  Eindruck  hervorbringen, 
welchem  an  der  Beriihrungsstelle  der  kleinere  Krummungs- 
radius  entspricht,  hingegen  nimmt  jenes  den  Eindruck  an, 
welches  den  grossern  Kriimmungsradius  hat. 

Die  Eindriicke  sind  eiformig  oder  elliptisch,  mehr  oder 
weniger  schalenformig,  mit  scharfem  Band,  von  wechseln- 
der  Tiefe.  Sehr  haufig  sind  polyedrische  Eindriicke,  her- 
riihrend  von  den  eckigen  Kornern  des  Bindemittels. 

Bei  der  Erklarung  der  Entstehung  der  glatten  Ein- 
driicke haben  alle  Forscher  bis  auf  Friih  ein  ganz  ent- 
scheidendes  Moment  iibersehen,  das  doch  schon  von  Deicke 
beobachtet  und  von  Sorby  beriicksichtigt  und  betont  worden 
war.  Es  findet  sich  naralich  in  der  Regel  zwischen  der 
Eindrucksoberflache  und  dem  eindriickenden  Gerolle  eine 
Zwischenschicht,  die  sich  von  beiden  unterscheidet  und 
oft  mit  einem  Calcithautchen  schleimartig  bedeckt  ist. 

Nach  langen  und  miihevollen  Untersuchungen,  wahrend 
welcher  Prof.  Friih  diese  Hautchen  als  Residuum  des  Ge- 
steins  bei  der  Auflosung   desselben   mittelst  Kohlensaure 


493 


betrachten  lernte,  gelangte  er  betreffend  Bildung  der  Ein- 
driicke  zu  folgenden  Resultaten: 

1.  Die  Carbonate  enthaltenden  Gesteine  mit  den 
typischen  Eindriicken  mit  ganzem,  scharfem  Band  lassen 
keine  mechanisch-plastischen  Umformungen  durch  Sprung- 
systeme  oder  Breccienbildung  erkennen. 

2.  Keine  Carbonate  ausgenommen,  zeigt  sich  zwischen 
den  beiden  Gerollen  eine  Zwischenschicht,  welche  in  jeder 
Beziehung  nur  aus  den  in  Sauren  unloslichen  Gemeng- 
teilen  des  den  Eindruck  empfangenden  Gesteins  besteht 
and  als  das  nicht  dislozierbare,  durch  Druck  zu  einem 
Granzen  geformte  Residuum  einer  durch  Kohlensaure  und 
hohen  Druck  erfolgten  chemischen  Aushohlung  zu  be- 
trachten ist. 

In  einem  weiteren  Kapitel  behandelt  Professor  Frtih 
weitergehende  Formveranderungen  an  Gerollen,  wobei 
schon  grSssere  Bewegungen  und  Dislokationen  aller  Art 
stattgef  iinden  haben  (einseitig  gebaute  Eindrucke  mit  einem 
scharfen  konkaven  Steilrand,  resp.  mit  mehreren  treppen- 
und  terrassenfbrmig  aufeinanderfolgenden  abgebrochenen 
Steilrandern,  Quetschungen  mit  Verwerfung  der  Gerolle, 
sternformige  Zerquetschung  der  Gerolle,  Torsionen  etc.). 
Die  Bruchstiicke  von  zerdriickten  Gerollen  sind  meist  durch 
Calcit  wieder  verbunden. 

In  einem  dritten  Kapitel  bespricht  Prof.  Fruh  die 
Ursachen,  welche  die  Eindrucke,  Rutschstreifen,  Quet- 
schungen etc.  bewirkt  haben.  Er  ist  der  Ansicht,  dass 
die  fur  die  Nageltluhgerolle  charakteristischen  Oberflachen- 
veranderungen  sich  zwanglos  ohne  Mithilfe  der  Gebirgs- 
dislokation  erklaren,  d.  h.  ohne  Mitwirkung  jener  Schub- 
kraft,  welche  das  Molassevorland  und  die  Alpen  faltete. 
Ohne  den   Einfluss   der  Gebirgsdislokation    abzuleugnen, 


494 


betrachtet  er  ihn  doch  mehr  als  einen  graduellen  und 
dafiir,  dass  ihr  von  andern  Forschern,  wie  Gutz wilier 
Eothpletz,  ein  zu  grosser  Anteil  an  der  Entstehung 
Eindriioke  etc.  zugeschrieben  worden  set  Naoh  der 
fassung  von  Prof.  Friih  w&ren  diese  Oberflachenvera 
rungen  durch  Losung  des  Gesteins  mit  Kohlensaure  i 
Druck  (d.  h.  unter  der  Last  der  Gerollmassen  selbst) 
standen. 

Die  grossten  Ver&nderungen  an  Geschieben  sind  3 
in  den  steilen  Schichten  der  Antiklinalzone,  sonder 
der  Zone  Wenigerweier  mit  ca.  26  °  NW  Fallen  gef a 
worden  und  zwar  sowohl  von  Gutzwiller  als  von  I 

Gegen  einen  bedeutsamen  Einfluss  der  Gebirg 
lokation  spricht  auch  der  Umstand,  dass  nach  Friih  su< 
von  Steckborn  und  am  NW-Ende  des  Zurichberges 
horizontal  oder  fast  horizontal  gelagerte  Nagelfluh  j 
zende  Eindriicke,  glanzende  Butschstreifen,  ausgezeicl 
Polituren,  in  Hautchen  zerriebene  Pyrite  und  Quetschu 
zeigt. 

Die  vielumstrittene  Frage  der  Herkunft  der  Nage 
muss  hier  ebenfalls  kurz  gestreift  werden.  In  seiner  „]M 
graphie  der  Molasse"  (Seite  159)  schrieb  Studer:  ,E 
ist  es  moglich,  der  Betrachtung  der  Nagelfluhgebirge  e: 
Aufmerksamkeit  zu  widmen,  ohne  seine  Gedanken  ii 
Gebiet  der  Hypothesen  iiber  die  Ursachen  und  den  Sta 
ort  dieser  ungeheuren  Geschiebeablagerung  hini 
schweifen  zu  lassen;  aber  die  Schwierigkeiten,  mit  d 
jeder  Versuch  zu  kampfen  hat,  zeigen  dann  auch  sogl 
dass  wir  noch  lange  nicht  genug  Materialien  besitzen 
ein  irgend  haltbares  Gebaude  begninden  zu  konnen 

Die  angedeuteten  Schwierigkeiten  betreffen  in  e 
Linie  die  kristallinischen  Silikatgesteine.  Wahrend  ein 


495 


der  Sedimentgerolle  unschwer  als  aus  den  der  Molasse  be- 
nachbarten  Alpenketten  stammend  erkannt  wurde,  gelang 
es  nicht,  den  Ort  des  Anstehens  der  fremdartigen  Granite, 
Porphyre,  Gneisgranite  u.  s.  w.  zu  finden.  Sie  erwiesen 
sich  als  so  verschieden  von  den  kristallinischen  Silikat- 
gesteinen  der  Alpen,  dass  man  zu  andern  Erklarungen 
griff.  Studer  dachte  an  eine  Abstammung  dieser  fremd- 
artigen Gerolle  aus  dem  Sohwarzwald,  kam  aber  spater 
davon  zuruck  und  stellte  die  bekannte  Theorie  von  einem 
abgetragenen  granitischen  Randgebirge  auf.  Heer  hat  die 
teilweise  tJbereinstimmung  der  Nagelfluhgerolle  mit  den 
Gesteinen  des  Schwarzwaldes  dadurch  zu  erklaren  ver- 
sucht,  dass  er  einen  Ausl&ufer  des  Sohwarzwaldgebirges 
bis  zum  Napf  sich  erstrecken  liess. 

Arnold  Escher  von  der  Linth  hielt  die  Nagelfluh- 
gerolle ebenfalls  fur  Flussgeschiebe  und  liess  sie,  soweit 
es  sich  um  Kalkgeschiebe  handelt,  aus  dem  Alpengebiete 
ostlich  und  sudostlich  unserer  Molasse  herstammen.  Schon 
frfih  hatte  er  erkannt,  dass  die  Kalkgerolle  der  Nagelfluh 
zum  Teil  durchaus  identisch  seien  mit  Gesteinen,  welche 
im  Trias-Liasgebirge  Vorarlbergs  und  den  nordlich  vor- 
gelagerten  Kreide-  und  Eocenketten  der  Schweiz  und  Vor- 
arlbergs anstehend  gefunden  worden. 

Gutzwiller  vertrat  ebenfalls  die  Ansicht  Eschers  und 
ausserte  den  Gedanken,  dass  eine  genaue  Vergleichung  der 
kristallinischen  Gesteine  des  ostlichen  Teiles  der  Schweizer- 
alpen,  sowie  der  Ostalpen  mit  den  kristallinischen  Gesteinen 
der  Nagelfluh  dasselbe  Resultat  liefern,  d.  h.  auf  stidost- 
liche  und  ostliche  Herkunft  der  Nagelfluh  hindeuten  werde. 

Anno  1884  schrieb  die  allgemeine  schweizerische  natur- 
forschende  Gesellschaft  auf  einen  zweijahrigen  Termin 
folgende  Preisfrage  aus: 


496 


Die  Gesellschaft  verlangt  eine  Zusammenstellung  der 
auf  die  miocene  Nagelfluh  beztiglichen  Erscheinangent 
welche  iiber  den  Ursprung  derselben,  iiber  die  sie  bilden- 
den  Stromungen  und  liber  die  Umstande,  welche  die 
letzteren  bestimmten,  Aufschluss  geben  k6nnen.a 

Als  Antwort  reichte  Herr  Prof.  Dr.  J.  J.  FrtLh  eine 
Arbeit  ein,  welche  preisgekront  unter  dem  Titel  erschien: 
Beitrage  zur  Kenntnis  der  Nagelfluh  der  Schweiz.  Mit 
17  in  den  Text  gedruckten  Figuren  und  4  Tafeln.  (Neue 
Denkschriften  der  allgemeinen  schweizerischen  Gesellschaft 
fur  die  gesamten  Naturwissenschaften.    Band  XXX.) 

Diese  ausfiihrlichste,  erschopfendste  und  lehrreichste 
Arbeit,  die  wir  iiber  die  Nagelfluh  besitzen,  fusst  auf  einem 
ungeheuren  Beobachtungsmaterial  und  ist  zugleich  von 
grossen  leitenden  Gesichtspunkten  aus  geschrieben.  Uber 
den  reichen  Inhalt  konnen  hier  selbstverstandlich  nur  kurze 
Andeutungen  gemacht  werden. 

Friih  hat  in  den  Sedimentgerollen  der  Nagelfluh  fol- 
gende  Stufen  und  Felsarten  nachgewiesen: 
Flysch:  Flyschsandkalk,   Flyschsandstein,    Flyschquarzit, 

Flyschmergel  und  Flyschmergelkalk. 
Nummulitenstufe:  Nummulitenkalk  und  Lithothamnienkalke. 
Kreide:  Seewenerkalk  (nicht  absolut  sicher). 
Gault  als  glaukonitischer  Sandstein. 
Schrattenkalk  (aufFalligerweise  wurde  niemals  Ca- 

protinenkalk  gefunden). 
Neocom  und  Valengien  als  Kieselkalke  und  Echino- 
dermenbreccien. 
Jura:  Malmkalke. 
Dogger  fehlt. 

Grauer  Fleckenliaskalk  und  Fleckenmergel  (Allgau- 
schichten  Giimbels). 


497 


Adnetherkalk  und  verschiedene  andere  Liaskalke. 
Trias:  Oberer  Dachsteinkalk,  Kflssenerschichten,  Platten- 
kalk,  Hauptdolomit,   alpiner  Muschelkalk  (letzterer 
nicht  ganz  sicher). 
Buntsandstein:  Bote  Sandsteine  und  gelbliche  bis  weisse 
Quarzite. 

Gerolle,  welche  mit  den  Melser  Konglomeraten  oder 
gar  mit  den  roten  Ackersteinen  (Sernifit)  aus  dem  Glarner- 
land  iiberein8timmen  wiirden,  hat  Herr  Friih  in  der  Nagel- 
flah  nie  gefunden. 

Erwahnenswert  ist,  dass  nach  Friih  kein  alpines  For- 
mationsglied  so  sehr  mit  einem  ausseralpinen  petrographisch 
ubereinstimmt,  als  der  nach  Versteinerungen  festgestellte 
alpine  Buntsandstein.  Die  typischen  Yogesensandsteine  der 
Nagelfluh  fand  Friih  nur  im  Vorarlberg,  nie  im  Anstehen- 
den  des  Verrucano  der  Schweiz. 

Sehr  haufig  sind  die  oben  erwahnten  Liasfleckenkalke 
and  Fleckenmergel  in  unserer  Nagelfluh.  Sie  stammen, 
wie  auch  die  Triasgerolle,  aus  den  Sedimentketten  Vorarl- 
bergs.  Westlich  vom  Bhein  ist  die  stufenreiche  alpine 
Trias  bekanntlich  nicht  mehr  entwickelt,  wird  vielmehr 
vertreten  durch  die  Botistufe. 

An  Petrefakten  wurden  nach  Friih  in  den  Sediment- 
gerollen  der  Nagelfluh  bisher  gefunden: 
Flysch:  Chondrites  intricatus  Brongn. 
Chondrites  Targionii  Brongn. 
Chondrites  patulus  Fischer. 
TaBnidium  Fischeri  Heer. 
Palseodictyon  singulare  Heer. 
Spongiennadeln,  Foraminiferen. 
Nummuliten-    Zahlreiche  Arten  Nummulina. 

Stllfe:  Lithothamnium  nummuliticum  Giimb. 

32 


498 


Reste  von  Echinusschalen. 

Echinodermenstachelri. 

Ostrea. 

Pecten. 

Serpula. 
Kreide:  Korallen,  Echinodermenstacheln,  Bryozoen. 
Jura:  Fucoiden. 
Belemniten. 

Pentacrinus  und  Ecrinnus. 
Aegoceras  capricornu  Schloth. 
Arietites  raricostatus  Ziet. 
Arietites  spiratissimus  Qu. 
"Weisse  Pentacriniten. 
Ammonites  spec? 

Trias:  Lithodendren. 

Avicula  contorta  Portl. 

Avicula  spec? 

Myophoria  spec? 

Mytilus  minutus  Jaks. 

Cerithium. 

Corbis  (Corbula). 

Terebrateln  (Rissoa). 

Fischzahn. 

Bissoa  alpina. 

Gyroporella  Giimb. 
Die  Untersuchung  der  Sedimentgerfllle  zwingt  zur  An- 
nahme  einer  Stromung  von  Siidosten  her.  Das  Material  haben 
die  damals  noch  nicht  oder  nur  schwach  gefalteten  schwei- 
zerisch-vorarlbergischen  Sedimentketten  (nordliche  Kalk- 
alpen)  geliefert  und  es  ist  namentlich  das  vorarlberg.  Trias- 
Liasgebirge,  das  dortin  eigenartiger,  vondengleichalterigen 
Bildungen  der  Schweiz  ganzlich  verschiedener  Facies  auf- 
tritt,  durch  charakteristische  Gerolle  sicher  nachgewiesen. 


499 


Bedeutend  schwieriger  war  das  Stadium  der  Silikat- 
gesteine,  ihrer  Beschaffenheit  und  mutmasslichen  Herkunft* 
Prof.  Fruh  bespricht  nacheinander  die  Gneise  (Augen- 
gneise,  flaserig-knotige  Gneise,  Stengelgneise,  diinnge- 
schichtete  und  diinnflaserige  Gneise  etc.),  sodann  die  Gra- 
nite mit  rotlichem  Feldspat,  mit  weissem  und  grauem 
Feldspat,  die  Granitporphyre  und  Porphyre  und  end- 
lich  die  massigen  Hornblende-  und  Augitgesteine  (Diorit, 
Dioritporphyr,  Aphanitporphyr,  Variolit,  Gabbro  etc.). 

Nie  hat  Herr  Fruh,  obwohl  er  ganze  Fuder  Nagelfluh 
untersucht  hat,  den  so  charakteristischen  Puntaiglasgranit 
aufgefunden.  Das  dortige  Gebirge  schlummerte  zur  Ablage- 
ningszeit  der  Nagelfluh  wohl  nochuntereinerSedimentdecke. 

Ferner  fand  er  in  der  Nagelfluh  niemals:  Serpentin, 
Amphibolit  und  Amphibolgneis. 

Die  miihsame  Untersuchung  der  wichtigsten  in  der 
Nagelfluh  vorkommenden  kristallinischen  Felsarten  brachte 
Prof.  Fruh  zu  der  Uberzeugung,  dass  fur  einen  grossen 
Teil  derselben  identische  und  fiir  scheinbar  exotische  zum 
mindesten  sehr  ahnliche  anstehend  gefunden  werden  in 
einem  siidostlich  vom  Ablagerungsgebiet  gelegenen  Areal, 
von  der  Silvrettagruppe  und  Innerbiinden  zu  den  Otztaler- 
bergen  und  dem  westlichen  Etschgebiet  iiber  Unterengadin, 
das  siidostliche  Graubiinden,  Oberengadin  und  Oberhalb- 
stein  sich  erstreckend. 

So  nennt  er  z.  B.  als  Stammgebiete  der  Nagelfluh  die 
Talgebiete  der  Etsch  und  des  Inn  fur  verschiedene  Gneise, 
Piz  Minschun  fiir  Gneis,  Berninagruppe  fur  Granite  mit 
rotlichem  Feldspat,  Piz  Julier  fiir  grobkornige  Granite 
vom  Wenigerweier,  Nordrand  des  Brixener  Granitmassivs 
fur  bunte  Granitporphyre,  Bernina-Heutal,  Val  Chiamuera 
fur  Felsitporphyr,  ostliches  und  siidostliches  Blinden  fiir 


500 


Diorit  und  Dioritporphyr,  Oberhalbstein  f&r  Gabbro  und 
Variolit,  inneres  Biinden  (Biindner  Schiefer)  f&r  Quarzite. 

Besondere  Bedenken  gegen  die  alpine  Abstammung 
der  kristallinischen  Nagelfluh-Silikatgesteine  verursachten 
von  jeher  die  auff&lligen  roten  Granite.  Teller  in  Wien 
hat  indessen  Prof.  Friih  mitgeteilt,  dass  die  roten  Granite 
den  Alpen  nicht  mehr  so  frenid  seien,  wie  man  anzu- 
nehmen  pflege  und  dass  im  Granitgebirge  von  Brixen 
wiederholtGesteinsabanderungen  beobachtet  warden,  welche 
den  von  Prof.  Friih  eingesandten  Proben  sehr  ahnlich 
seien. 

Ferner  erinnert  Prof.  Friih  an  gewisse  Berninagranite 
mit  r6tlichem  Feldspat  und  betont  im  librigen  naohdruck- 
lich,  dass  die  rote  Farbung  der  Nagelfluh- Granite  in  vielen 
Fallen  nicht  eine  ursprungliche  war,  sondern  durch  Ver- 
farbung  entstanden  sei. 

Endlich  darf  als  gewiss  angenommen  werden,  dass 
die  Wasserscheide  der  Alpen  in  der  vormiocenen  Zeit  und 
vor  erfolgter  Hauptfaltung  viel  weiter  nach  StLden  vor- 
geschoben  war  als  heute.  Nach  Friih  bestand  eine  aus 
eruptiven  Felsarten  (Granite,  Granitporphyre,  Porphyre) 
zusammengesetzte  Landmasse  von  Westtirol  fiber  das  stid- 
ostliche  Biinden,  die  lombardischen  Alpen,  Lugano,  Arona 
bis  Biella  und  er  halt  dafiir,  dass  die  roten  Granite  und 
Porphyre  mit  andern  massigen  Gesteinen  grosstenteils  von 
diesem  Eruptivgebiet  Westtirol,  Engadin,  Veltlin  bis  Lago 
Maggiore  abstammen  diirften.  Sie  k6nnen  nicht  von  einem 
verschwundenen  granitischen  Gebirge  am  Nordrande  der 
Schweizeralpen  herriihren  und  es  ist  eine  solche  Hypothe6e 
gar  nicht  notig,  denn  gerade  die  granitischen  Vorkomm- 
nisse  in  Westtirol  und  im  siidostlichen  Biinden  sind  noch 
so  wenig  untersucht,   dass  hier  noch  uberraschende  Auf- 


601 


8chlus8e  zu  erwarten  sind  und  man  vorlauflg  nicht  zur  Theorie 
von  ver8chwundenen  Vorbergen  oder  von  ausseralpiner 
Provenienz  der  bunten  Nagelfluhgerolle  zu  greifen  braucht. 
Bei  aller  Anerkennung  der  klassischen  and  hoch- 
wichtigen  Arbeit  von  Prof.  Fruh  darf  nicht  verschwiegen 
werden,  dass  gegen  seine  Auffassung  von  der  Herkunft 
der  kristallinischen  Silikatgesteine  lebhafter  Widerspruch 
laut  geworden  ist.  Prof.  Baltzer  (Bern)  verwahrte  sich 
gegen  die  Anwendung  der  Fnih'schen  Uesultate  auf  die 
Berner  Nagelfluh.  Dr.  Frey  („Zur  Heimatbestimmung  der 
Nagelfluh",  Beilage  zum  Jahresbericht  1892  tiber  das 
stadtische  Gymnasium  in  Bern)  kam  nach  genauer  Unter- 
suchung  der  kristallinischen  Gesteine  der  Guntenschlucht 
am  Thunersee  und  Vergleichung  der  dort  vorkommenden 
Gesteinstypen  mit  Gesteinen  anderer  Lokalitaten  und 
anderer  in  Betracht  fallender  Lander  zu  dem  Schlusse, 
dass  die  Gerolle  der  bunten  Nagelfluh  der  Guntenschlucht 
weder  mit  den  Gesteinen  der  Berner  Alpen,  noch  mit 
denen  der  auslandischen  Gebirge  ubereinstimmen  und  dass 
nur  wenige  kristallinische  Gesteine  von  Gunten  Affinitat 
mit  ostschweizerischen  Gerollen  aufweisen.  Die  fiir  die 
Ostschweiz  vielleicht  richtige  Annahme  des  Herrn  Dr.  Fruh 
konnte  also  fiir  die  Thunersee-Nagelfluh  keine  Anwendung 
finden.  Die  Nagelfluh  am  Thunersee  steht  aber  auch  der- 
jenigen  vom  Emmental  fast  fremd  gegenuber.  Deshalb 
schloss  Dr.  Schardt  auf  die  ganz  lokale  Ausbildung  der 
Nagelfluh  und  es  wurde  im  weitern  die  Studer'sche  Hypo- 
these  von  dem  verschwundenen  Randgebirge  wieder  ernst- 
lich  in  die  Diskussion  gestellt, 

Was  unsere  personliche  Anschauung  betriflft,  so  konnen 
wir  den  Friih'schen  Satz  von  der  slidostlichen  Herkunft 
der  Nagelfluh  nicht  rundweg  ablehnen,  obwohl  wir  von 


602 


seiner  Richtigkeit  nicht  vollkommen  uberzeugt  sind,  so- 
weit  die  kristallinischen  Gesteine  in  Frage  kommen. 

Es  gibt  uns  zu  denken,  dass  Dr.  Friih  in  derNagel- 
fluh  keinen  Hornblendegneis  fand,  ein  Gestein,  das  doch 
80  machtigen  Anteil  am  Aufbau  der  kristallinischen  Zentral- 
massive  der  Alpen  nimmt.     Damit  fiele  z.  B.  das  gauze 
gewaltige  Silvrettamassiv  fur  die  Herkunft  der  Nagelfluh 
ausser  Betracht.    Es  ist  dies  noch  viel  auffalliger,  als  das 
Fehlen  des  Puntaiglas-Granits.    Denn  im  Silvrettamassiv 
bilden  Hornblendegneise  geradezu  die  hochsten    Gipfel, 
wahrend  der  Puntaiglas-Granit  auch  heute  noch  grdssten- 
teils   unter  einer  Sedimentdecke    ruht  und  die   hochsten 
den  Puntaiglasgletscher  umgebenden  Gipfel  aus  Sediment- 
gesteinen  bestehen  (Bifertenstock  3426  m  aus  Nummuliten- 
bildungen  und  Kreide,  Piz  Urlaun  3371  m  und  Piz  Frisal 
3295  m  aus  Hochgebirgskalk,  Brigelserhorner  3217  m  und 
3251   m   aus  Rotidolomit    und  Verrucano),   wahrend  das 
kristallinische  Gestein  seine  grosste  Hohe  in  dem  mehrere 
hundert  Meter  niedrigern  Piz  Ner  (3070  m)  erreicht. 

Wenn  ferner  die  Wasserscheide  friiher  wesentlich  stid- 
licher  lag,  so  musste  wohl  auch  die  heutige  Presanella- 
und  Adamellogruppe  angeschnitten  werden.  Allein  von 
ihrem  charakteristischen  Gestein,  dem  prachtvollen  Tonalit, 
der  ebenso  schnell  und  leicht  kenntlich  ist,  wie  der  Pun- 
taiglas-Granit, findet  man  in   der  Nagelfluh  keine  Spur. 

Wollte  man  dagegen  einwenden,  Silvretta  und  alien- 
falls  auch  Adamello  haben  zur  Zeit  der  Nagelfluhbildung 
noch  unter  einer  Sedimentdecke  geruht,  so  musste  dies 
noch  viel  eher  fiir  alle  heutigen  kristallinischen  Gebirge 
Graubundens  angenommen  werden.  Diese  fielen  somit  fur 
die  Herkunft  der  Nagelfluh  zu  einem  grossen  Teil  eben- 
falls  ausser  Betracht,  es  sei  denn,  man  wollte  annehmen, 


603 


(rebirgsstocke  von  Eruptivgesteinen  hatten  inselartig  aus 
der  Sedimentdecke  emporgeragt,  was  zwar  nicht  undenk- 
bar  ware,  aber  doch  nur  in  beschranktem  Masse  statige- 
fanden  haben  kann,  weil  die  grobkornigen  roten  Granite 
der  bstschweizerischen  bunten  Nagelfluh  mindestens  vom 
Alter  der  Trias,  wahrscheinlich  alter  sind. 

Es  blieben  sodann  als  Heimat  der  bunten  Nagelfluh- 
gerolle  noch  die  Gebirge  Tirols  iibrig  und  zwar  auch 
solche,  welohe  heute  nach  Siiden  entwassert  werden. 

Wir  haben  die  Stubaier-  und  Otztaleralpen,  die  Ortler- 
gruppe,  die  Presanella-  und  Adamellogruppe  bereist  und 
haben  ferner  fast  s&mtliche  Gebirgsketten  des  Kantons 
Graubunden  besucbt.  Der  Totaleindruck  ist  der,  dass  die 
kristallinischen  Gesteine  aller  dieser  Gruppen  von  den 
Stubaieralpen  weg  bis  zur  Adulagruppe  den  kristallinischen 
Silikatgesteinen  der  Nagelfluh  ebenso  fremdartig  gegen- 
uberstehen,  wie  die  Gesteine  der  weiter  westlich  gelegenen 
schweizerischen  Zentralmassive. 

Allein  es  handelt  sich  eben  nur  urn  einen  Totalein- 
druck, denn  unsere  Reisen  in  diese  Gebirge  verfolgten 
touristische,  nicht  geologische  Zwecke.  Gang-  und  lager- 
artig  aufbretende  granitische  Gesteine  von  grosser  Harte, 
aber  geringer  Ausdehnung  werden  leicht  ubersehen.  Und 
doch  konnen  gerade  sie  in  dem  Geroll  miocaner  Fliisse 
verhaltnismassig  viel  zahlreicher  erhalten  geblieben  sein, 
als  weniger  widerstandsfahige,  die  Hauptmasse  des  ange- 
8chnittenen  G^ebirges  zusammensetzende  kristallinische 
8chiefer.  Prof.  Fruh  hat  in  dieser  Hinsicht  so  viele  Tat- 
sachen  vorgebracht,  dass  nicht  nach  einem  Totaleindruck 
aber  die  sudostliche  Herkunft  der  Silikatgesteine  ab- 
ftprechend  geurteilt  werden  darf. 

Das  Problem  ist  entschieden  losbar,   erfordert  aber 


504 


eine  muhevolle  und  zeitraubende  UntersuchungderEruptiv- 
gesteine  Graubundens  and  West-  and  Sadtirols  and  Ver- 
gleichang  mit  den  kristallinischen  Silikatgesteinen  der 
Nagelfluh. 

Nicbt  losbar  aber  ware  das  Problem,  wenn  bei  der 
Faltung  der  Alpen  eine  ganz  wesentliche  Metamorphose 
der  Gesteine  der  kristallinischen  Zentralmassive  stattge- 
funden  hatte. 

Zur  Herkanftsbestimmung  der  Nagelfluh  konnen  auch 
aus  der  Schuttkegelstruktor  innerhalb  der  Nagelfluhbanke 
Schldsse  gezogen  werden,  wenigstens  auf  die  Eichtung 
der  ablagernden  Stromung  and  unter  der  Voraussetzung, 
dass  eine  grossere  Anzahl  solcher  Stellen  naehgewiesen 
warden  kann.  In  unserm  Gebiet  findet  sich  ein  solcher 
deutlich  von  der  allgemeinen  Schichtung  sich  abhebender 
Gerollkegel  innerhalb  der  Nagelfluh  siidwestlich  von  Ober- 
Hofstettent  unweit  der  Menzlen.  Er  unterstiitzt  allerdings 
die  Theorie  des  Herrn  Friih,  indem  er  auf  von  Sudosten 
kommende  Stromung  schliessen  lasst. 

Die  Nagelfluh  ist  nicht  eine  unserm  Vaterlande  allein 
eigentiimliche  Bildung.  Sie  ist  nach  Friih  bekannt  in  den 
Westalpen  nordlich  von  Marseille  und  am  Lac  de  Bourget, 
ferner  in  Karnten  und  Steiermark,  wo  sie  sicher  von  den 
benachbarten  Gebirgen  stammt.  Ebenso  findet  sich  Mo- 
lasse  mit  Nagelfluh  am  Nordrande  der  Pyrenaen  and  selbst 
im  Molassevorland  des  hochsten  Kettengebirges,  am  Siid- 
fusse  des  Himalaya  fehlt  die  Nagelfluh  nicht. 

Die  untere  Siisswassermolasse  unseres  Kartengebietes 
zeigt  an  der  Goldach  nur  zwei  Nagelfluhbanke,  von  denen 
die  obere,  wenig  machtige  und  aus  auffallend  kleinen  G^e- 
rollen  bestehende  jene  schnurgerade  Kante  bildet,  welche 
vom  Heimwesen  ^Kasten"  in  WSW- Eichtung  nach  der 


605 


Qoldach  hinabzieht,  wahrend  die  tiefere,  sehr  machtige 
Bank  von  der  Ruine  Rappenstein  nach  dem  rechten  Steil- 
afer  der  Goldach  hinubersetzt  und  sich  iiber  Eggersriet 
noch  weit  nach  Osten  verfolgen  lasst. 

An  der  Sitter  dagegen  zahlt  die  untere  Susswasser- 
xnolasse  neon  Nagelfluhbanke,  ungerechnet  diejenigen  in 
den  Susswasserschichten  innerbalb  der  beiden  Abteilungen 
der  Meeresniolasse. 

Die  Gegend,  in  welcher  neue  Nagelfluhbanke  auf- 
tauchen,  liegt  NE,  N  und  NW  von  Teufen. 

Der  Zu8ammenhang  zwischen  Aufschlussen  derselben 
Bank  ist  oft  auf  weite  Strecken  ganzlich  durch  Vegetation 
und  Schutt  verdeokt  und  wurde  in  solchen  Fallen,  ob- 
wohl  der  mutmassliche  Verlauf  unschwer  zu  erraten  ist, 
in  der  Karte  nicht  eingetragen. 

Von  besonderem  Interesse  ist  die  Zone  der  Weniger- 
weier-Nagelfluh,  da  sie  annahernd  die  Grenze  zwischen 
unterer  Siisswassermolasse  und  Meeresmolasse  bildet  und 
aus  der  Gegend  von  Herisau  durch  unser  ganzes  Gebiet 
bis  iiber  die  Goldach  hinaus  fast  ununterbrochen  verfolgt 
werden  kann. 

Auskeilen  einer  Nagelfluhbank  lasst  sich  beobachten 
am  Wege  im  Brandtobel,  nicht  weit  oberhalb  der  Gaiser 
Bahnlinie. 

II.  Die  Meeresniolasse  von  St.  Gallon. 

(Helvetian.) 

Die  Meeresmolasse  oder  marine  Molasse  ist  es,  welche 
unsere  Dmgebung  stratigraphisch  interessanter  und  reicher 
gegliedert  erscheinen  lasst,  als  die  westlich  und  sudwestlich 
von  Herisau  gelegenen  Teile  des  st.  gallisch-appenzellischen 
Molassegebidtes.     Der   grosse   Reichtum   an   Petrefakten 


606 


musste  schon  fruhe  in  die  Augen  fallen  und  so  ist  denn 
erklarlich,  dass  die  alteste  unsere  Gegend  betreffende  geo- 
logische  Litteratur  sich  mit  der  marinen  Molasse  befasst. 
(Dr.  Schlapfer,  Neue  Alpina,  1821 :  tfber  die  bei  St.  Gallen 
befindlichen  Versteinerungen.) 

Gesteine  der  Meeresmolasse.  Die  Sandsteine  dieser  Zone 
gehoren  vorwiegend  der  sogenannten  gemeinen  Molasse  an. 
Als  Abandoning  derselben  bezeichnet  Studer  die  platten- 
tormige  Molasse.  Letztere  fallt  indessen  so  sehr  in  die 
Augen  und  ist  zudem,  weil  an  mehreren  Stellen  ausge- 
beutet,  so  wichtig,  dass  wir  sie  fur  diese  Stufe  als  be- 
sondere  Varietat  des  Sandsteins  aufstellen  mochten.  Als 
besonders  charakteristisches  Gestein  kommt  sodann  noch 
die  Seelaffe  (Muschelsandstein)  hinzu. 

Wir  hatten  also  fur  die  marine  Molasse  von  St.  Gallen 
zu  unterscheiden : 

1.  Gemeine  Molasse. 

2.  Plattensandstein. 

3.  Seelaffe. 

4.  Mergeliger  Sandstein. 

Die  gemeine  Molasse  ist  ein  Sandstein,  der  in  Korn- 
grosse,  Festigkeit  und  Zusammensetzung  sehr  variiert  und 
mannigfache  Ubergange  zum  granitischen  und  zum  sub- 
alpinen,  wie  auch  zum  mergeligen  Sandstein  zeigt.  Fur 
die  fragestehende  marine  Zone  mag  unter  gemeiner  Mo- 
lasse jeder  einigermassen  feste  Sandstein  verstanden  wer- 
den,  der  nicht  ausgesprochen  plattigen   Charakter  zeigt. 

Der  Plattensandstein  findet  sich  an  der  Goldach  im 
obern  Teil  des  obern  Helvetians  und  wurde  hier  fruher 
ausgebeutet.  Die  Steinbriiche  bei  P.  602  und  gegeniiber 
an  der  Strasse  nach  Untereggen  sind  jetzt  verlassen.  Aber 
auch  im  mittlern  Helvetian  findet  sich  an  der  Goldach  unter 


607 


der  Seelaffe  ein  machtiger  Komplex  nahezu  fossilleerer 
Platten.  In  diesen  Schichten  ist  Sstlich  von  P.  623  an  der 
Strasse  nach  Eggersriet  ein  Steinbruch  angelegt.  Platten- 
sandsteine gewinnt  man  ferner  in  den  Steinbriichen  bei 
Notkersegg  und  bei  Beckenhalden.  Die  Platten  in  der 
Umgebung  von  St.  Gallen  sind  freilich  nieht  von  ganz 
gleich  guter  Quaiitat  wie  diejenigen  von  Rorschach. 

Die  Plattensandsteine  der  marinen  Molasse  von  St.  Gallen 
sind  meistens  in  0,2—0,4  m  dicken  Schichten  abgelagert. 
Sie  zeigen  oft  den  Wellenschlag.  Innen  sind  sie  blaugrau. 
Uberhaupt  unterscheiden  sich  die  marinen  Gesteine  durch 
ihre  blaugraue  Farbe  —  es  gilt  dies  auch  fur  die  Mergel  — 
scharf  von  den  gelbgrauen,  gelblichen,  ja  oft  r5tlichen 
und  schwarzlichen  Felsarten  der  obern  und  untern  Siisa- 
wassermolasse.  Die  Anwitterung  der  Plattensandsteine  ist 
meist  gelblichgrau. 

Eigentliche  ausgepragte  Knauermolasse  kommt  in  der 
Meeresmolasse  von  St.  Gallen  nicht  vor.  Dagegen  beob- 
achtet  man  in  der  Zone  der  Platten  oft  eigentumliche 
Auswitterungsformen  in  Gestalt  von  Lochern,  dieimVertikal- 
schnitt  dreieckige  bis  elliptische  und  rechteckige  Form 
zeigen.  Besonders  schon  sind  diese  an  Wabenformen  er- 
innernden  Hdhlungen  an  einem  Felskopf  am  linken  Ufer 
der  Goldach  unmittelbar  S  der  Martinsbriicke  zu  beob- 
achten,  ferner  in  der  Plattenregion  der  obersten  Meeres- 
molasse am  linken  Goldachufer  bei  P.  602  und  auch  in 
der  tiefsten  Meeresmolasse  an  der  grossen  Felswand  S 
Unter-Ebne  am  rechten  Ufer  der  Goldach.  Diese  Fels- 
locher  werden  an  den  genannten  Lokalitaten  mitunter  von 
Raubvogeln  als  Niststatten  benutzt. 

Nach  dem  Reichtum  an  Muscheln  undMuscheltrummern 
kdnnte  man  in   der  marinen  Molasse  zwei  verschiedene 


508 


Horizdnte  von  Muschelsandstein  unterscheiden.  D< 
wfrre  in  der  oberaten,  versteinerungsreichen  Partie  de 
Meeresmolasse  zu  suchen.  Es  mag  indessen  hier  n 
demjenigen  Muschelsandstein  gesprochen  werden, 
der  Gk)ldach  in  dem  tiefern  Teil  der  Meeresmolas* 
tritt  und  sich  als  die  direkte  Fortsetzung  der  Seela 
Blatten  zwischen  Staad  und  Buchen  nachweisen  li 

Typische  Seelaffe :  Verwitterungsrinde  brau 
Inneres  blaugrau.  Grobkorniges  bis  nagelfluhahi 
sehr  hartes  und  zahes  Gestein,  mit  Geschiebe-Einscl 
(Kiesel,  Hornstein,  Granit,  Kalk).  Lost  in  Saure  si 
vollstandig  auf.  Zahlreiche  Muscheltriimmer,  vorw 
Cardien,  sodann  Ostrea  orasissima  und  Haifischzahnc 
halt  bei  der  Martinsbriicke  auch  etwas  Kohle. 

Die  Seelaffe  an  der  Goldach  tr&gt  indessen  schoi 
etwas  modifizierten  Charakter,  Der  Kalkgehalt  u 
Festigkeit  sind  bedeutend  geringer.  Haifischzahn 
hier  sehr  selten?  Cardien  und  Austern  aber  in  grossc 
vorhanden.  Nahert  die  typische  Seelaffe  von  Blatt 
sich  hinsichtlich  der  Zusammensetzung  mehr  einem 
stein,  so  zeigt  diejenige  an  der  Goldach  eher  den  Chi 
des  Sandsteins.  Es  ist  diese  Abandoning  um  so  bem< 
werter,  als  im  nachsten  ostlichen,  schon  ausserha 
Kartengebietes  gelegenen  Aufschluss  auf  Eggersri< 
E  des  Strasschens  von  Eggersriet  nach  Unteregg* 
Seelaffe  schon  weit  entschiedener  den  ostlichen 
reprasentiert.  Wir  haben  hier  eine  Faciesanderui 
kurze  Distanz. 

Uber  die  Verbreitung  der  Seelaffe  an  der  Gold 
1  bis  hochstens  6  m  machtige  Schicht  gibt  die  Karl 
schluss.  Uber  ihre  vermutliche  Erstreckung  nach  ^ 
ist  an  anderer  Stelle  geredet  worden  und  iiber  die  "W 


509 


keit  der  noch  in  kleinen  Geschieben  charakteristischen 
Seelaffe  als  Erratikum  findet  man  das  Notige  in  dem  Ab- 
schnitt  uber  die  Olazialbildungen  und  in  der  Karte. 

Mergelige  Molasse  (nach  Studer),  d.h.  mergeliger  Sand- 
stein,  ist  in  der  Meeresmolasse  ziemlich  haufig,  nament- 
lich  in  den  obem,vereteinerungsfuhrendenSchichten.  tJber- 
gange  zwischen  Sandstein  und  Mergel  finden  sich  nicht 
selten  und  kftnnen  zum  Teil  als  Scbiefermergel  bezeicbnet 
werden,  wie  z.  B.  diejenigen  am  rechten  Ufer  der  Gold- 
ach,  welche  das  Material  zum  dortigen  Bergsturz  geliefert 
haben. 

Die  eigentlichen  Mergel  der  Meeresmolasse  unter- 
scheiden  sich  durch  ihre  blaugraue  Farbe  leicht  von  den 
bunten  Mergeln  der  Siisswassermolasse. 

Kalkeinlagerungen  sind  selten.  Bei  St.  Georgen  findet 
sich  an  der  Nordseite  des  SW  von  Kamelenberg  gelegenen 
Weierchens  zwischen  diinnen  Kohlenbandern  eine  Schicht 
von  sehr  hartem  dunklem  Kalk.  Zerdnickte  Planorben 
beweisen  die  Siisswassernatur  dieser  Bildung.  In  den  dar- 
Gber  folgenden  Sandsteinen  sind  Cardien  sehr  haufig.  Ver- 
einzelt  finden  sich  solche  nach  Gutzwiller  auch  in  den 
unter  den  Kohlenstreifen  gelegenen  schiefrigen  Mergeln. 

Die  Nagelfluh  der  Meeresmolasse  ist,  abgesehen  von  der 
machtigen  obern  Grenzschicht,  an  der  Goldach  nur  noch 
in  einigen  schwachen  Gerollbandern  vorhanden.  Nach 
WSW  nehmen  Zahl  und  Machtigkeit  der  Nagelfluhbanke 
zu.  Die  Gegend,  in  welcher  neue  Riffe  auftauchen,  liegt 
zwischen  Notkersegg  und  dem  Oberlauf  der  Steinach  (Philo- 
Bophental).  Schon  in  der  Gegend  Bernegg-Ringelsberg 
zahlen  wir  in  der  Meeresmolasse  mindestens  acht  Nagelfluh- 
banke, die  sich,  zum  Teil  an  Machtigkeit  noch  zunehmend, 
bis  an  die  Sitter  und  Urnasch  und  gegen  Herisau  verfolgen 


510 


lassen.   Je  starker  die  Nagelfiuh  sich  geltend  macht, 
mehr  nimmt  die  Meeresmolasse  nach  Weston  hin  an  Mac 
keit  ab  und  es  muss  zwischen  diesen  zwei  Tatsaoheu 
ein  kausaler  Zusammenhang  vorhanden  sein. 

Gliederung.  Auf  unserer  Karte  stellt  die  Meeresm< 
sich  dar  als  ein  von  Ostnordost  nach  "Westsudwes 
mahlich  sich  verschmalernder  Streifen,  dessen  Abweic 
von  der  Ostrichtung  nach  Norden  (oder  von  der 
richtung  nach  Siiden)  zirka  30°  betr&gt.  Gegeniibe 
geologischen  Karte  1  :  100,000  zeigt  unsere  Spezia] 
an  der  Sitter  und  Urnasch  eine  Abweichung,  die  ii 
folgenden  Zeilen  begriindet  werden  mag. 

Bekanntlich  keilt  sich  die  Meeresmolasse  von  St.  G 
in  der  Gegend  von  Herisau  aus.  Erst  am  Zurichs< 
der  G-egend  von  Bach  bei  Wollerau  und  Freienbac 
scheinen  wieder  marine  Bildungen. 

Es  war  schon  seit  langer  Zeit  bekannt,  das 
Meeresmolasse  an  der  Sitter  nicht  mehr  die  Macht 
besitzt,  wie  an  der  Goldach.  Gutz wilier  nahm  als  G 
schicht  zwischen  den  marinen  Bildungen  und  der  u 
Siisswassermolasse  eine  Nagelfluhbank  an,  welche  de 
der  hohen  Eisenbahnbriicke  nach  der  Sitter  und 
Kubel  fiihrende  Weg  uberschreitet.  Es  ist,  von  der  B 
an  gerechnet,  die  dritte  Nagelfluhschicht.  So  ergal 
fur  die  marine  Molasse  an  der  Sitter  die  geringe  Ma< 
keit  von  140  m  (siehe  Gutzwiller,  Beitrage,  19.  Liefe 
Seite  34). 

In  der  Tat  andert  bei  der  erwahnten  Nagelflul 
das  Gestein  sein  en  Charakter;  rote  Mergel  treten  au 
wir  zweifelten  keineswegs  an  der  Susswassernatu 
tiefer  liegenden  Bildungen,  obwohl  wir  damals  im 
lichen  Schichtenkomplex  noch  keine  Fundstellen  von 


511 


wasserpetrefakten  kannten.  Eine  geringere  Machtigkeit 
der  marinen  Molasse  war  ja  an  der  Sitter  sowieso  zu  er- 
warten.  Urn  so  grosser  war  unser  Erstaunen,  als  wir  einst 
auf  einer  Exkursion  noch  bedeutend  weiter  siidlich,  zirka 
100  m  hinter  der  abgebrochenen  Kubelmiihle  am  rechten 
lifer  der  Urn&sch,  pl6tzlich  wieder  auf  unzweifelhafte 
Meeresmolasse  stiessen.  Es  fanden  sich  da  zahlreich  wohl- 
erhaltene  Cardien  (Herzmuscheln),  daneben  noch  in  be- 
deutend kleinerer  Individaenzahl  einige  andere  marine 
Spezies.  Jetzt  schauten  wir  die  Sache  allerdings  mit  andern 
Angen  an  und  waren  geneigt,  den  ganzen  Komplex  von 
der  Eisenbahnbriicke  bis  hinter  die  Kubelmiihle  als  Meeres- 
molasse einzutragen  und  die  Siisswasserbildungen  bei  den 
hdlzernen  Briicken  als  unbedeutende  Zwischenlagerungen 
einfach  darin  aufgehen  zu  lassen,  umsomehr,  als  ja  auch 
weiter  dstlich,  z.  B.  bei  St.  Georgen  und  Eiethausle,  in 
der  marinen  Molasse  Susswassereinlagerungen  sich  finden, 
allerdings  nur  solche  von  sehr  geringer  Machtigkeit.  Allein 
der  Umstand,  dass  wir  in  der  fraglichen  Zwischenlagerung 
von  der  Sitter,  resp.  der  erwahnten  Nagelfluhbank  bis  zum 
Kubelgebaude  drei  Stellen  mit  unzweifelhaften  Siisswasser- 
petrefakten  fanden,  und  die  Tatsache,  dass  dieser  Zwischen- 
komplex  bedeutend  machtiger  ist,  als  die  darunter  folgende 
tiefere  Etage  der  Meeresmolasse,  drangten  uns  die  tJber- 
zeogung  auf,  dass  die  Zwischenlagerung  als  Siisswasser- 
molasse  besonders  eingezeichnet  werden  miisse.  Es  bleibt 
also  die  interessante  Tatsache  bestehen,  dass  die  Meeres- 
molasse an  der  Sitter  und  Urnasch  in  zwei  durch  eine 
ziemlich  m&chtige  Siisswasserschicht  getrennten  Etagen 
aufkritt  und  uberhaupt  noch  viel  tiefer  sich  findet,  als 
bisher  allgemein  angenommen  wurde. 

Wir  haben  durch  eine  Fundstelle  von  Turritellen  die 


512 


tiefere  Abteilung  der  Meeresmolasse  auch  noch  hoch  oben 
am  linken  Ufer  der  Urnasch  nordostlich  von  Punkt  772 
konstatiert.  Uberhaupt  ware  vielleicht  die  ganze  Frage 
des  Auskeilens  der  marinen  Molasse  bei  Herisau  noch- 
maliger  Untersuchung  wert. 

Es  lag  nun  der  Gedanke  nahe,  die  Susswasserbildungen 
zwischen  den  beiden  Abteilungen  der  Meeresmolasse  auch 
weiter  ostlich  zu  konstatieren.  Sie  lassen  sich  in  der  hohen 
rechtsseitigen  Uferwand  der  Sitter  in  der  Bichtung  gegen 
die  Punkte  679   und  696  verfolgen,   aber  weiter  ostlich 
fehlen  im  Streichen  dieser  Schichten  grossere  Aufschlusse 
ganzlich  und  erst  an  der  Goldach  werden  die  Verh&ltnisse 
wieder  giinstiger.     Dass  dort  in  der  Meeresmolasse  zwei 
Abteilungen  zu  unterscheiden  sind,  war  schon  langst  be- 
kannt;   denn  bis  hieher,   bis  hoch  an  das  linke  Ufer  der 
Goldach  gegen  Schachenbiihl  hin  lasst  sich  die  Seelaffe 
nachweisen,  jener  eigentiimliche  Muschelsandstein,  der  von 
Prof.  Mayer-Eymar  zum  mittlern  Helvetian  gerechnet  wird 
und  weiter  ostlich,   auf  Eggersriethohe,   bei  Wienachten 
und   Staad,    weit  typischer    ausgebildet  ist,   als   an  der 
Goldach.    Im  Flussbett  der  Goldach  stiessen  wir  auf  eine 
Mergelschicht,  die  wir  fur  eine  Siisswasserbildung  hielten; 
doch  fehlten  uns  zu  volliger  Gewissheit  Petrefakten.  Solche 
fanden  sich  aber  spater  auf  der  rechten  Seite  der  von  der 
Martinsbrucke  nach  Untereggen  fiihrenden  Strasse,  fast 
siidlich  vom  i   im  Wort   Martinstobel  der  Karte,   etwas 
tiefer,  als  jenes  nur  noch  wenig  machtige  Gerollband,  zu 
welchem   die   weiter   westlich    so   machtige  Feudenberg- 
Nagelfluh    hier   zusammengeschrumpft   ist.     t)ber   einem 
schwarzlichen  Mergelband  liegen  mehrere  Meter  hSher  in 
dem  steilen  Aufriss  unmittelbar  unter  den  Wurzeln  der 
iiberragenden    Baume    und    Straucher   gelbliche    Mergel, 


613 


welche    unzweifelhafte   Siisswasserpetrefakten    enthalten. 
Ziemlich  wohlerhaltene  Schnecken  sind  dort  nicht  allzu 
aelten.    Die  Schicht  ist  ohne  Zweifel  die  im  Flussbett  der 
Goldach  gefundene,  denn  auch  hier  trifft  man  sie  strati- 
graphisch  tiefer  als  das  erwahnte  Nagelfluh-Gerollband. 
Man  konnte  nun  freilich   die  Siisswasserbildung  fiir  eine 
rein  lokale  halten  and  in  diesem  Falle  h&tte  eine  kurze 
Erwahnung   geniigt.     Allein   ihr  Vorkommen   unter  der 
Freudenberg-Nagelfluh,  zusammengehalten  mit  der  Tat- 
sache,  dass  an  der  Sitter  die  Siisswasserbildung  ebenfalls 
im  Liegenden  einer  Nagelfluhbank  sich  findet,  die  hochst 
wahrscheinlich  fiir  die  westliche  Fortsetzung  der  Freuden- 
berg-Nagelfluh zu  halten  ist,  lassen  vermuten,   dass  wir 
es  an  beiden  Flussen  mit  einer  und  derselben  Siisswasser- 
schicht  zu  tun  haben,  welche,  von  Westen  nach  Osten  an 
Machtigkeit  allerdings  bedeutend  abnehmend,  in  unserm 
ganzen  Kartengebiete  die  beiden  Abteilungen  der  Meeres- 
molasse  trennt.  Dementsprechend  haben  wir  auf  der  Karte 
unterschieden: 

Meeresmolasse,  hoherer  Teil  =  oberes  Helvetian. 
Meere8molas8e,  tieferer  Teil=mittleres  Helvetian  (mit 
Seelaffe  oder  Muschelsandstein). 

Bei  dieser  Unterscheidung  kam  allerdings  noch  eine 
andere  Frage  in  Betracht,  namlich  der  Verlauf  der  See- 
laffe im  Gebiet  westlich  der  Goldach.  Gutzwiller  (Bei- 
trage,  19.  Lieferung,  Seite  30/31)  lasst  sie  westlich  von 
der  Stelle  an,  wo  sie  oberhalb  der  Martinsbriicke  zu  beiden 
Seiten  des  Tobels  auftritt,  fiir  immer  verschwinden. 

Wir  fanden  aber  unter  der  Nagelfluh  siidlich  der 
Station  Rieth&usle  ein  petrefaktenfiihrendes  Gestein,  das 
entschieden  an  die  Seelaffe  erinnerte,  d.  h.  an  die  Seelaffe, 
wie  sie  an  der  Goldach  auftritt.   Denn  es  ist  noch m als  zu 

33 


514 


betonen,  dass  sie  an  der  Goldach  schon  merklich  verschieden 
ist  von  der  typischen  Seelaffe,  wie  sie  bei  Blatten,  Warten- 
see,  Schlipf,  Wienachten  an  der  Landegg,  Bilchen,  Boss-    I 
buhl  und  westlich  von  Wiesflecken  im  obersten  Teil  des 
Tobels  nach  Hiltenried   auftritt.     Auch  an  andern  Orten 
trafen  wir  Gesteine,  die  an  die  Goldach-Seelaffe  erinnerten, 
so  z.  B.  am  rechtseitigen  Steilhang  des  Wattbaches  (sud- 
westlich  von  der  Bezeiohnung  „In  der  Held"),   wo  sich 
sogar  ein  Haifischzahn  fand,  ferner  bei  der  schon  erwahnten 
Versteinerungsfundstelle  siidlich  vom  Kubel.   Es  fand  sicb 
zudem  Ostrea  crasissima  rechts  an  dem  von  „In  der  Held* 
nach  Wilen  fuhrenden  Wege  und  ebenso  unmittelbar  links 
an  dem  von  St.  Georgen  nach  Biserhof  fuhrenden  Strasschen. 
Die  genannten  Lokalitaten  liegen  ungefahr  im  Streichen 
der  Schichten,  welche  an  der  Goldach  die  Seelaffe  fuhren 
und  ihr  Gestein  zeigt  entschieden  grossere  Ahnlichkeit  mit 
der  Goldach-Seelaffe,  als  letztere  mit  der  wirklich  typischen 
Seelaffe  von  Blatten  etc.  Dass  aber  die  Seelaffe  im  Martins- 
tobel  die  unmittelbare  Fortsetzung  der  weiter  ostlich  typischer 
ausgebildeten  eigentlichen  Seelaffe  ist,  daran  ist  gar  kein 
Zweifel.    Gestiitzt  auf  diese  Griinde  sind  wir  anzunehmen 
berechtigt,  dass  die  Seelaffe  in  weniger  charakteristischer 
Ausbildung  bis  nach  der  Urnasch  sich  verfolgen  lasst,  petro- 
graphisch  weniger  auffallig  zwar,  als  im  ostlichen  Gebiet, 
aber  durch  Fossilien  (Ostrea  crasissima)  wohl  ausgewiesen. 
Qrenzen   der   Meeresniolasse.     Dringt    man   von   der 
Martinsbriicke  durch  das  Flussbett  der  Goldach  in  SSE- 
Richtung  vor,  so  befindet  man  sich  im  Gebiet  der  Meeres- 
molasse  bis   dahin,   wo   die   auf  kurze   Strecke   westliche 
Richtung  des  Flusses  zur  NNW-Richtung  umbiegt.     Die 
hohe  Sandsteinwand  S  Unter-Ebne  gehort  noch  der  Meeres- 
molasse  an.    Nicht  weit  nordlich  der  Stelle,  wo  die  Wand 


515 


iiber  den  Fluss  setzt,  treffen  wir  noch  Meeresversteine- 
rungen  und  in  den  tiefsten  dort  anstehenden  Schichten 
finden  sich  jene  auffalligen  zylindrischen  Korper  in  grosser 
Zahl.  Die  eigentliche  Kontaktstelle  mit  der  untern  Stiss- 
wassermolasse  ist  durch  Morane  und  Flussgeroll  verdeckt. 
Der  isolierte  Molassefetzen  NE  Riedtobel  gehort  wohl 
schon  der  untern  Siisswassermolasse  an. 

Im  weitern  Verlauf  bis  zum  Wenigerweier  lasst  sich 
die  Grenze  nur  annahernd  bestimmen.  Die  Nagelfluh  N 
vom  Weier  und  die  unmittelbar  liber  der  Nagelfluh  lagern- 
den  Bildungen  (Sandstein,  Siisswasserkalk  und  Mergel)  ge- 
horen  noch  der  untern  Siisswassermolasse  an.  Da  die 
Grenze  hoher  liegt,  als  die  Wenigerweier- Nagelfluh  und 
nicht  anzunehmen  ist,  dass  die  Meeresmolasse  nach  W  an 
Machtigkeit  zunehme,  so  rechnen  wir,  im  Gegensatz  zu 
Blatt  IX  der  geologischen  Karte  1  :  100,000,  den  Brand- 
wald  nicht  mehr  zur  Meeresmolasse. 

Der  Steinbruch  bei  Beckenhalden  an  der  Strasse  von 
St.  Georgen  nach  dem  Brand  gehort  ganz  der  Meeresmolasse 
an.  Rechts  am  Eingange  in  den  Steinbruch  finden  sich  in  den 
blaulichen  Mergeln  uber  der  Nagelfluh  sog.  Schraubensteine. 
Diese  merkwiirdigen  Gebilde  (s.  unter  „Versteinerungentt) 
treten  aber  auch  noch  in  den  Schichten  auf,  welche  strati- 
graphisch  tiefer  liegen  als  die  Plattensandsteine  des  Stein- 
bruches.  Leider  ist  die  Stelle  durch  Verbauung  eines  Rinn- 
sals  ostlich  der  Strasse  schon  vor  Jahren  zugedeckt  worden, 
doch  sieht  man  noch  Schraubensteine  unmittelbar  W  an 
der  nach  dem  Untern  Brand  fuhrenden  Strasse. 

Die  Plattensandsteine,  welche  im  Steinbruch  von  Becken- 
halden ausgebeutet  werden,  sind  fossilleer,  wie  schon  Gutz- 
willer  hervorhebt  (Beitrage,  19.  Lieferung,  Seite  25).  Im 
Friihjahr  1903  kam  indes  zwischen  den  Platten  und  der 


616 


tiberlagernden  Nagelfluh  eine  nur  1 — l1/*  m  m&chtige  und 
nur  auf  kurze  Distanz  sich  erstreckende  Mergeleinlagerang 
zum  Vorschein,  in  welcher  sich  neben  deutlichen  Cardien 
und  Turritellen  auch  noch  andere  marine  Spezies  fanden 
(Lutaria,  Mactra  etc.). 

Merklich  tiefer  als  die  Beckenhalden  -  Ringelsberg- 
Nagelfluh  findet  sich  SW  von  Ringelsberg  eine  Fundstelle 
mit  Cardien.  Sie  mag  der  Schicht  entsprechen,  von  welcher 
W  der  Gaiserbahnlinie  hoch  oben  am  Steilabhang  des 
Wattbaches  die  Fossilien  herabgerollt  sind,  welche  Gutz- 
willer  erw&hnt  (Beitr&ge,  Lieferung  19,  Seite  25).  Dass 
die  hier  iiberlagernde,  gegen  P.  826  hinaufziehende  Nagel- 
fluh die  Fortsetzung  der  den  Steinbruch  bei  Beckenhalden 
deckenden  Nagelfluh  ist,  daran  ist  gar  nicht  zu  zweifeln. 

Wir  fanden  weiter  westlich  eine  marine  Petre- 
fakten  fuhrende  Fundstelle,  welche  stratigraphisch  sogar 
noch  tiefer  liegt,  als  die  beiden  letztgenannten.  Auf  der 
Karte  ist  sie  nicht  ganz  1  cm  sudlich  vom  W  des  Wortes 
Wattwald  eingezeichnet.  Hier  fanden  sich  auf  der  Grenze 
zwischen  Sandstein  und  einem  nicht  besonders  einge- 
zeichneten  Gerollband  vereinzelte  Cardien.  Es  ist  dies  die 
tiefste  marine  Schicht,  welche  in  der  Umgebung  von 
St.  Gallen  bisher  bekannt  geworden  ist. 

E  an  dem  neuen  Wege,  der  ostlich  des  von  Rietgasse 
herunterziehenden  Tobels  steil  gegen  P.  837  hinauffuhrt, 
find  en  sich  unter  Nagelfluh,  welche  als  die  Fortsetzung 
derjenigen  von  Ringelsberg  und  Beckenhalden  zu  be- 
trachten  ist,  in  einem  blaulichen  tonigen  Mergel  Cardien, 
Solen  und  andere  marine  Versteinerungen,  daneben  aber 
auch  eingeschwemmte  Siisswasserschnecken. 

Uber  der  Nagelfluh  liegen  am  gleichen  Wege  murbe 
Sandsteine  mit  schlecht  erhaltenen  Pflanzenresten. 


517 


Nicht  selten,  obwohl  keine  Kabinetstiicke,  sind  marine 
Petrefakten  am  Strasschen  „In  der  Held u.  Ferner  ist  der 
beiden  Stellen  mit  dem  Haifischzahn  and  Ostrea  crasissima 
schon  gedacht  worden.  Erwahnung  verdient  auch  eine 
Fondstelle  unmittelbar  am  rechten  Ufer  der  Sitter  bei  Zwei- 
briicken,  SW  von  der  Hundwilerleiter.  An  der  Basis  einer 
ziemlich  m&chtigen  Nagelfluhschicht  (es  ist  die  westliche 
Fortsetzung  derjenigen  von  Ringelsberg  und  Beckenhalden) 
wechsellagern  kleinere  Nagelfluhbanke  mit  Sandstein  und 
in  diesen  wechsellagernden  Schichten  findet  man  zahl- 
reiche  Reste  mariner  Petrefakten,  ganz  vorwiegend  Car- 
dien,  sodann  auch  Kohlenspuren. 

Etwas  weiter  westlich  trifft  man  schone  Schrauben- 
steine.  Dieses  Niveau  liegt  allerdings  schon  etwas  hoher 
als  die  soeben  erwahnte  Stelle  bei  Zweibrxicken.  Die  Stelle 
mit  den  Schraubensteinen  liegt  schon  liber  der  erwahnten 
Nagelfluh,  ebenfalls  direkt  am  rechten  Sitterufer,  am  Fusse 
einer  andern  machtigen  Nagelfluhbank,  die  hoch  oben  in 
der  Wand  bis  gegen  den  Haggen  hin  verfolgt  werden  kann. 

Die  Fundstelle  mariner  Versteinerungen  S  vom  Kubel 

und  die  entsprechende  hoch  oben  am  linken  Ufer  der  Ur- 

nasch  sind  schon  erw&hnt  worden.    Alle  die  Fundorte  von 

Meeresversteinerungen  vom  Brand  weg  bis  zur  Urnasch 

kdnnen  nicht  als  reich  an  Spezies  bezeichnet  werden;  sie 

wurden  wohl  alle  miteinander  lange   nicht  so  viel  Aus- 

beute  liefern,  wie  eine  einzige  der  reichen  Fundstellen  in 

der  obersten  Meeresmolasse.    Aber  die  erwahnten  Lokali- 

taten  im  Wattwald,  an  der  Sitter  und  Urnasch  sind  des- 

halb  wichtig,   weil  sie  uns  iiber  die  untere  G-renze   der 

Meeresmolasse  sichern  Aufschluss  geben.     Es  ergibt  sich 

aus  ihnen,  dass  die  marine  Molasse  nach  Westen  nicht  so 

rasch  abnimmt,  als  man  bisher  annahm. 


i 


B18 


Es  ware  nun  interessant,  zu  wissen,  wie  es  bei  Herisau 
mit  dem  Auskeilen  steht,  bezw.  ob  an  der  Glatt  nur  noch 
die  obere  Meeresmolasse  vorhanden  ist  oder  ob  beide,  durch 
Siisswasserbildungen  getrennte  Abteilungen  der  Meeres- 
molasse ungefahr  gleich  weit  nach  Westen  sich  erstrecken. 

Obere  Orenze  der  Meeresmolasse.  Als  obere  Grenze 
der  marinen  Molasse  kann  im  allgemeinen  die  m&ohtige 
Nagelfluhschicht  betrachtet  werden,  welohe  von  der  Gold- 
ach  an  (W  von  Hinterhof)  bis  zur  Eisenbahnbriicke  an 
der  Sitter  sich  verfolgen  l&sst,  wenn  sie  auch  da  und  dort 
auf  grossere  Strecken  durch  Gletscherablagerungen  dem 
Auge  verdeckt  ist.  Die  grossen,  durch  Nagelfluhschicht- 
flachen  gebildeten  nordlichen  Abhange  des  Hiigels  beim 
Griitlisteinbruch  (mit  dem  Schiessstand),  des  Hagenbuch- 
waldes,  des  Harfenberges,  der  Berneck  und  Menzlen  bilden 
also  ungefahr  das  Dach  der  marinen  Molasse. 

Diese  Grenznagelfluh  ist  allerdings  nicht  eine  einheit- 
liche  Bank,  sondern  zeigt  an  ihrer  Basis  Wechsellagerung 
von  Sandstein  und  Mergel  mit  kleineren  Nagelfluhbanken. 
Doch  erwies  sich  eine  genauere  Einzeichnung  alsunmoglich. 

Es  ist  nun  freilich  nicht  iiberall  mit  Sicherheit  zu 
entscheiden,  ob  die  Grenznagelfluh  noch  der  Meeresmolasse 
oder  schon  der  obern  Susswassermolasse  zuzurechnen  sei. 
Gutzwiller  halt,  und  wohl  mit  Recht,  die  Nagelfluh,  auf 
welcher  die  Eisenbahnbriicke  an  der  Sitter  ruht,  schon  zur 
obern  Susswassermolasse.  Wenn  wir  dennoch  im  grossen 
und  ganzen  die  Grenznagelfluh  zur  Meeresmolasse  ziehen, 
so  bestimmten  uns  hiezu  folgende  Tatsachen. 

In  der  Nagelfluh,  welche  im  Griitlisteinbruch  (NE  Hoi 
Tablat)  zur  Kiesgewinnung  ausgebeutet  wird,  finden  sich 
marine  Petrefakten.  Zahlreich  sind  hier  in  der  Nagelfluh 
selbst  wohlerhaltene  Cardien.   Selten  sind  andere  Spezies 


619 


doch  fand  sich  auch  Pecten  scabrellus.  Urn  im  Steinbruch 
die  Stelle  za  finden,  suche  man  in  der  Nagelfluh  eine 
Schicht  mit  auffallend  kleinen  Gerollen,  unter  welcher 
eine  mit  merklich  grosseren  Gerollen  folgt.  Erst  unter 
der  letztern  liegt  die  Cardien-Nagelfluh.  Von  den  Gerollen 
und  ihrem  Zement  heben  sich  die  weisslichen  Herzmuschel- 
chen  sehr  schon  und  zierlich  ab.  Das  interessante  und 
eigenartige  Vorkommnis,  das  auch  von  Prof.  Friih  in  seiner 
Schrifb  iiber  die  Nagelfluh  erwahnt  wird,  wiederholt  sich 
im  Aufschluss  jenseits  der  Strasse,  W  von  P.  697.  Hier 
ist  also  die  Grenznagelfluh  unzweifelhaft  marin. 

Im  Bachbett  zwischen  Flurhof  und  Hagenbuch  trifft 
man  auf  der  Nordseite  des  Strasschens,  welches  die  ge- 
nannten  Ortlichkeiten  verbindet,  zahlreiche  Meeresversteine- 
rungen,  namentlich  Turritellen.  Die  versteinerungsfuhrende 
Schicht,  die  auf  der  Nordseite  des  Strasschens  im  Bach- 
bett nur  noch  auf  kurze  Strecke  ansteht,  nachher  aber 
durch  Gletscherschutt  verdeckt  wird,  liegt  stratigraphisch 
schon  hoher,  als  die  mehrmals  erwahnte  Nagelfluh.  Hier 
ist  also  nicht  nur  die  Nagelfluh  selbst  noch  marin,  sondern 
80gar  noch  ein  Teil  der  hoher  liegenden  Schichten.  Es  ist 
dies  die  hochste  Fundstelle  (stratigraphisch),  welche  man 
in  der  marinen  Molasse  von  St.  Gallen  kennt. 

An  der  gleichen  Lokalitat  kamen  anfangs  der  neunziger 
Jahre  bei  Erstellung  des  Goldbrunnens  auch  unmittelbar 
S  vom  Strasschen  zahlreiche  Petrefakten  zum  Vorschein, 
darunter8ehr8ch6nerhalteneSteckmuscheln(PinnaBrocchii) 
und  zahlreiche,  das  Gestein  fast  erfullende  Turritellen. 

Weniger  klar  sind  die  Grenzverhaltnisse  an  der  Gold- 
ach.  Die  fragliche  Nagelfluhbank  ist  dort  eigentlich  zwei- 
teilig,  denn  von  dem  obern,  weit  machtigern  Teil  ist  an 
der  Basis  eine  kleinere  Bank  durch  eine  2 — 4  m  machtige 


520 


Zwischenschicht  von  Sandstein  and  Mergel  getrennt.  Es 
ist  nicht  sicher,  ob  die  wohl  12  m  machtige  Nagelfluh  noch 
marinist.  NochmahgeNachsuche  indererw&hntenZwischen- 
sohicht  wird  hier  vielleicht  Gewissheit  bringen.  Wir  fanden 
dort  wohl  ganz  sparliche  Reste  von  Versteinerungen,  aber 
es  waren  durchaus  unbestimmbare  Trummer. 

Machtigkeit  der  Meeresmolasse.  Die  allzuhohen  Zahlen, 
welche  hiefur  angegeben  wurden,  hat  Gutzwiller  in  der 
19.  Lieferung  der  Beitrage  auf  das  richtige  Mass  zuriick- 
gefuhrt.  Fur  die  Machtigkeit  der  Meeresmolasse  an  der 
Goldach  gibt  er  430  m  an,  welche  Zahl  mit  Hilfe  der 
Profile  gewonnen  wurde. 

Auch  an  Hand  unserer  Karte  l&sst  sich  die  Machtig- 
keit ziemlich  genau  berechnen  und  zwar  nach  der  Formel 

m  =  d  sin  a  +  h  cos  a, 
wobei 

m  =  Machtigkeit  des  zu  messenden  Schichtenkomplexes. 
a  =  mittlerer  Fall-  oder  Neigungswinkel, 
h  =  Differenz   der  Meereshohen   zweier   Punkte,   von 
denen  der  eine  auf  der  obern,  der  andere  auf  der 
untern  Grenzschichtflache  des  fraglichen  Schichten- 
komplexes liegt, 
d   =  der  auf  einer  Horizontalebene  gemessene  kiirzeste 
Abstand  der  Projektionen  zweier  Geraden,  welche 
man  sioh  in  der  Streichrichtung  durch  die  genannten 
zwei  Punkte  gezogen  denkt.*) 
d  und  h  konnen  der  Karte  entnommen  werden,  a  ist 
natlirlich  direkt  zu  messen.   Da  an  der  Basis  der  Meeres- 
molasse die  Schichten  steiler  fallen,  als  im  Dach,  so  nimmt 

*)  In  obiger  Formel  erbalt  der  Ausdruck  h  cos  a  das  PIus- 
zeichen,  wonn  der  stratigraphisch  hohere  Punkt  zugleich  topo- 
graphisch  hoher  liegt. 


621 


,n  entweder  das  Mittel  aus  beiden  Fallwinkeln  oder 
sat  den  Fallwinkel  in  der  Mitte  der  Schichten.  Als 
ttlerer  Fallwinkel  darf  fiir  die  marinen  Schichten  an 
:  Goldach  mindestens  23  °  angenommen  werden. 

Auf  diese  Weise  erhalten  wir  fiir  die  marine  Molasse 
der  Goldach  eine  Machtigkeit  von  460  m,  welches  Er- 
trais  von  dem  Gutzwiller'schen  nur  wenig  abweicht. 

Bei  St.  Gallen  (Miihlenen  bis  Brand  wald)  mag  die 
tchtigkeit  noch  400  m  erreichen,  an  der  Sitter  von  der 
jenbahnbrucke  bis  hinter  die  Kubelmiihle  mit  Einschluss 
:  Siisswasserzwischenlagerung  ca.  320  m,  wovon  zirka 
3  m  auf  das  obere  Helvetian  entfallen  und  von  dem 
st  der  grdssere  Teil  dem  Susswasserkomplex  angehtirt, 
lcher  oberes  und  mittleres  Helvetian  trennt. 

Fossilien  der  marinen  Molasse. 
I.  Pflanzliche  Cberreste. 

Bekannt  ist  das  reizende  Bild,  welches  Oswald  Heer 
seiner  „Urwelt  der  Schweiz"  von  der  Gegend  sudlich  von 
Gallen  entwirft.  „Sie  war  mit  immergriinen  Kampher- 
d  Lorbeerbaumen  bewaldet,  aber  auch  Nussbaume,  Pap- 
In  und  Eobinien,  wie  feinblattrige  Akazien  fehlten  nicht. 
jhrere  Bietgrasarten  und   eine  Art  Rohrkolben   deuten 

>rastigen  Boden  an Die  Steingrube  in  der  un- 

ttelbaren  Nahe  von  St.  Gallen  (Steingrubli,  unter  der 
auerei  Bavaria)  weist  uns  die  Stelle,  wo  ein  Bach,  der 
q  Siiden  her  kam,  in  das  Meer  sich  ergoss.  Seine  Ufer 
,ren  von  Schilf-  und  Rohrkolben  umsaumt,  deren  Reste 
r  jetzt  in  den  Mergeln  finden;  aber  auch  der  dreilappige 
torn,  eine  Heidelbeerart.  eine  Stechpalme  und  einige 
rnel-  and  Kreuzdornarten,  deren  Blatter  uns  dort  be- 
jnen,   haben   wahrscheinlich   am  Ufer  gestanden,   wo- 


622 


gegen  ein  paar  steifblattrige  Banksien  (B  helvet 
Deickei)  und  Eichen  (Quercus  sclerophyllina  und 
wohl  auf  dem  weiter  entfernten  trockenen  Land 
gesiedelt  hatten."    Die  der  obersten  Meeresmolass 
horende  Fundstelle  pflanzlicher  Fossilien  im  Stei 
welche  zu  dieser  Schilderung  Anlass  gab,  ist  scl 
vielen  Jahren  zugedeckt.     Die  seinerzeit  gemach 
beute  hat  Heer  in  seiner  Flora  tertiaria  helvetica  bescl 
Das  folgende  Verzeichnis  der  Arten  ist  der  19.  Li 
der  Beitrage,  Seite  52  (Gutzwiller)  entnommen: 
Phragmites  oeningensis,  A.  Braun. 
Populus  salicina,  Heer. 
Quercus  elaena,  Unger. 

„         chlorophylla,  Unger. 
„         sclerophyllina,  Heer. 
Daphnogene  Ungeri,  Heer. 
Pimella  maritima,  Heer. 
Banksia  Deickeana,  Heer. 

,,         helvetica,  Heer. 
Dryandroides  lignitum,  Ung. 
Vaccinium  acheronticum,  Ung. 
Cornus  Deickei,  Heer. 

„        rhamnifolia,  0.  Weber. 
Acer  trilobatum,  Stb. 
Ilex  stenophylla,  Ung. 

„     sphenophylla,  Ung. 
Rhamnus  brevifolius,  A.  Braun. 
„  deletus,  Heer. 

„  Rossmassleri,  Ung. 

Aus  den  friiher  erwahnten  „Beitragen  zur  Terl 
des  Kantons  St.  Gallenu  von  Dr.  Robert  Keller  ergi 
dass  diesem  Verzeichnis  noch  beizufugen  sind: 


523 


Sapindu8  undulatus,  A.  Braun  (Jahresbericht  1890/91 
er  st.  gallischen  naturwissenschaftl.  Gesellschaft,  S.  107). 
Myrica  vindobonensis,  Heer  (Jahresbericht  1894/95  der 
t.  gallischen  naturwissenschaftl.  Gesellschaft,  S.  300). 

Von  andern  Fundorten  innerhalb  der  marinen  Molasse 
iind  bekannt  geworden: 

Lastrea  stiriaca  Ung.y*  Biethausle. 
Cyperite8  Deucalionis  Heer,  Menzlen. 
Poacites  csBspitosus  Heer,  Freudenberg. 
Carex  tertiaria  Heer,  Freudenberg. 
Sabal  major  Heer,  Wattbach. 
Myrica  lignitum  Saporta,  Riethausle. 
„       salicina,  Freudenberg. 
„       Studeri  Heer,  Wattbachtobel,  Menzlen. 
Quercus  chlorophylla  Unger,  Menzlen. 
",         Haidingeri  Ett.,  Herisau. 
„         elsena  Ung.,  Menzlen. 
Sassafras  Aesculapi  Heer,  St.  Gallen. 
Salix  varians  Gcepp.,  Menzlen. 
,,      macrophylla  Heer,  in  Geroll  bei  St.  Gallen. 
„      angusta  Braun,  Grutli. 
„      tenera  Braun,  Wattbach,  Freudenberg. 
,      integra,  Wattbach. 
Juglans  acuminata  Heer,  Herisau,  Menzlen. 
„         vetusta  Heer,  Freudenberg. 
„         bilinica  Unger,  Menzlen,  Herisau. 
Cinnamomum  Buchii  Heer,  Menzlen,  Riethausle. 
„  Rossmassleri,  Freudenberg,  Menzlen. 

„  Scheuchzeri,  Freudenberg,  Grutli,  Watt- 

bach. 
„  lanceolatum  Heer,  Wattbach,  Menzlen, 

Freudenberg,  Grutli,  Urnasch,  Herisau. 


524 


Cinnamomum  subrotundum    Heer,   Wattbach,    Riet- 
hausle. 
„  polymorpham  Heer,  Wattbach,  Menzlen, 

Riethausle,  Herisau. 
Daphnogene  Ungeri  Heer,  Wattbach. 
Elraagnus  acuminatus  0.  Weber,  Griitli. 
Styrax  stylosa  Heer,  Menzlen,  Freudenberg. 
Cornus  Studeri  Heer,  Wattbach. 

„       rhamnifolia  0.  Weber,  Menzlen. 
Sapindus  falcifolius  Heer,  Kubel  a.  d.  Urnasch. 
DodonaBa  helvetica  spec,  nova,  Fundort  nioht  angegeben.   J 
Rhamnus  Decheni  Weber,  Menzlen.  j 

„  Wartmanni  Keller,  Menzlen.  { 

„  Rossmassleri  Ung.,  Menzeln.  ] 

„  Gaudini,  siidlich  von  St.  Georgen.  j 

Rhus  Meriani  Heer,  Mtihlegg.  j 

Colutea  macrophylla  Heer,  Freudenberg. 
Personia  laurina  Heer,  Menzlen. 
Dryandroides  banksiaefolia,  Menzlen. 
Echitonium  SophiaB  Weber,  Riethausle. 
Das  vorstehende  Verzeichnis  staramt  zum  grossern  Teil 
aus  den  „Beitragen  zur  Tertiarflora  des  Kan  tons  St.  Gallenu 
von  Dr.  Keller  (Jahresberichte  1890/91  und  1894/95  der 
st.  gallischen   naturwissenschaftlichen   Gesellschaft),   zum 
kleinern  Teil  aus  dem  auf  Seite  15/ 16  der  19.  Lieferung  der 
„Beitrage  zur  geologischen  Karte  der  Schweiztf  von  Gate- 
wilier  veroffentlichten Vorzeichnis,  das  dem  bekanntenWerke 
von  Heer  „Flora  tertiaria  helvetica"  entnommen  wurde. 
Seit  dem  Erscheinen  von  Heers  klassischer  Arbeit  und 
seit  der  Publikation   des   speziell   die  st.  gallisch  -  appen- 
zellische  Molasse  betreflfenden  Verzeichnisses  durch  Gutz- 
willer  hatte  sich  ein  ziemlich  reiches  und  in  mehrfacher 


526 


ziehung  interessantes  Material  terti&rer  Pflanzenfossilien 
gallischen  Ursprunges  angesammelt.  Herr  Direktor 
Wartmann  iibergab  dasselbe  Herrn  Rektor  Dr.  R.  Keller 
Winterthur,  der  die  miihsame  und  schwierige  Aufgabe 
r  Bestimmung  auf  sich  nahm  und  die  Resultate  in  drei 
ahresberichten  der  st.  gallischen  naturwissenschafblichen 
Mellschaft"  (1890/91,  1893/94  und  1894/96)  unter  dem 
tel  ,Beitrage  zur  Tertiarflora  des  Kantons  St.  Gallentt 
>r6ffentlichte. 

Den  Publikationen  1890/91  und  1894/96  wurden  fur 
)iges  Verzeichnis  natiirlich  nur  diejenigen  Spezies  ent- 
)mmen,  welche  von  Fundorten  unseres  r&umlich  be- 
hrankten  Spezialgebietes  stammen. 

Die  von  Dr.  R.  Keller  bestimmten  Pflanzenfossilien 
aren  nach  und  nach  gesammelt  worden  von  den  Herren 
raminger,  Haltiner,  Singer,  Wehrli,  Kunkler,  Deicke, 
osch,  Tobler,  Mettler,  Brassel  und  den  Verfassern. 

Was  die  einzelnen  Fundstellen  anbetrifft,  so  sind  die 
ezeichnungen  Menzlen,  Riethausle  und  Wattbach  etwas 
lgenau  und  beziehen  sich  zum  Teil  auf  die  namliche 
^elle,  namlich  auf  die  rechtsseitige,  nach  unsern  Unter- 
chungen  sicher  noch  zur  Meeresmolasse  gehorige  obere 
eilwand  des  Wattbaches  unter  Hofstetten.  Doch  auch 
tlich  von  der  Gaiserbahn  finden  sich  am  rechtseitigen 
eilhang  dieses  Baches  hie  und  da  schlecht  erhaltene 
lanzenreste.  —  Die  Fundstelle  Freudenberg  bezieht  sich 
f  eine  grobkornige  Sandstein-Zwischenlagerung  in  der 
igelfluh  ostlich  vom  Freudenberg. 

Endlich  ist  hier  noch  eine  Fundstelle  zu  erwahnen, 
Jche  nicht  mehr  auf  unserem  Kartengebiete,  aber  doch 
unmittelbarer  Nahe  derselben  liegt.  Im  Sommer  1894 
lielt  namlich  Dr.  R.  Keller  von  Dr.  med.  Koller  in  Herisau 


/ 


526 


die  Mitteilung,  dass  bei  den  Grabungen  zum  neu< 
servoir  in  Herisau  eine  mit  Pflanzenresben  durcl 
Schicht  aufgedeckt  worden  sei.  Der  ziemlich  harte  '. 
enthielt  massenhaft  Blattereinschliisse,  nur  zu  rei 
so  dass  das  einzelne  Blatt  wegen  der  wirr  liber  unc 
ihm  liegenden  Blatter  sich  meist  nicht  in  der  wlinscl 
Weise  isolieren  liess.  Dennoch  gelang  es  sowohl 
Dr.  med.  Koller  als  auch  Herrn  Dr.  R.  Keller  selbs 
Anzahl  ziemlich  gut  erhaltener  Einschliisse  zu  sa: 
und  es  gaben  dieselben  Anlass  zu  der  im  „  Jahresl 
1893/94u  erschienenen  Publikation. 

Das  Verzeichnis,  das  eine  Reihe  fur  das  Vereins 
neuer  Spezies  aufwies,  ist  nach  der  Bestimmung  v< 
R.  Keller  folgendes  : 

Linosporoidea  populi  Keller. 
Myrica  salicina  Ung. 
Quercus  neriifolia  A.  Braun. 
„         mediterranea  Ung. 
Salix  varians  Gcepp. 
„      Lavateri  Heer. 
„      denticulata  Heer. 
„      angusta  A.  Braun. 
„      tenera  A.  Braun. 
Populus  latior  A.  Braun. 

„         balsamoides  Gcepp. 
Populus  mutabilis  Heer. 

a.  f.  repando-crenata. 

b.  f.  ovalis. 
Populus  Gaudini  Fischer. 
Juglans  bilinica  Unger. 
Carya  Heerii. 
Cinnamomum  Scheuchzeri  Heer. 


527 


Cinnamomum  lanceolatum  Heer. 
„  retusum  Heer. 

„  polymorphum  Heer. 

„  Buchii  Heer. 

Cornus  paucinervis  Heer. 
„        rhamnifolia  0.  Weber. 
„        Studeri  Heer. 
Terminalia  elegans  Heer. 
Sapindus  densifolius  Heer. 
Celastrus  Aeoli  Ett. 

„         cassifolius  Ung. 
j,         ElaBnus  Ung. 
Rhus  Meriani  Heer. 
Amygdalus  pereger  Ung. 
Cassia  Berenices  Heer. 
Anf  Grund  der  zahlreichen  miocenen  Pflanzenreste  hat 
Heer  durch  vergleichende  pflanzengeographische  Studien 
festgestellt,  dass  unser  Vaterland  zur  Miocenzeit  in  klima- 
tischer  Beziehung    den  heutigen   Siidstaaten    der  Union 
(Louisiana,  Florida,  Georgia  und  Carolina,  wie  auch  Cali- 
fornia) und   den   Mittelmeerlandern    glich.     Die   mittlere 
Jahrestemperatur  betrug  nach  Heer 

im  Untermiocen  20—21°  C, 
im  Obermiocen  18—19°  C. 
Die  Baume  mit  immergninem  Laub  iiberwogen  in  der 
Molasseflora  an  Zahl  merklich  diejenigen  mit  fallendem 
Laub.  Die  meisten  und  wichtigsten  Typen  der  Molasse- 
flora finden  wir  nach  Heer  in  dem  Erdgurtel,  welcher 
zwischen  des  Isothermen  von  16°  und  25°  C  liegt  und  in 
diesem  Gtirtel  ist  wieder  Araerika  als  die  Weltgegend  zu 
bezeichnen,  deren  Naturcharakter  am  meisten  demjenigen 
unseres  miocenen  Landes  entspricht. 


528 


Kohlenvorkommnisse  sind  in  der  Meeresmolasse  nicht 
selten.  Hiebei  ist  zu  unterscheiden  zwischen  blossen  Nestern, 
die  nirgends  von  Bedeutung  sind,  und  zusammenh&ngen- 
den  Schichtlagen  (Flotzen),  die  leider  in  unserm  Gebiet 
hochstens  einige  Centimeter  Machtigkeit  erreichen,  so  dass 
von  einem  bergmannischen  Betrieb  keine  Rede  sein  kann. 
Es  sind  folgende  Stellen  zu  nennen:  Seelaffe  an  der  Gold- 
ach  oberhalb  der  Martinsbriicke  und  in  ihrem  weiteren 
Verlauf,  Speicherstrasse  zwischen  Wiesen  und  Kurzegg, 
Weierchen  bei  St.  Georgen,  Wattbach  (rechtes  Ufer  in  der 
Gegend  von  Zweibriicken  und  Nordmuhle;  diese  Stelle 
wurde  im  Kleinen  ausgebeutet),  Sturzenegg  (in  der  Nahe 
der  Einmiindung  der  Urn&sch).  An  der  letztgenannten 
Stelle  wurde  fruher  ebenfalls  gegraben. 

Die  in  den  Molassebildungen  vorkommende  Kohle, 
eine  Braunkohle  mit  pechartigem  Glanz,  wird  gewohnlich 
als  Pechkohle  bezeichnet. 

Bei  nesterartigen  Kohleneinlagerungen,  die  von  ein- 
geschwemmten  Aaumstammen,  Asten  etc.  herriihren,  er- 
kennt  man  oft  noch  die  organische  Struktur. 

Die  in  diinnern  oder  dickern  Lagern  vorkommende 
Kohle  verdankt  nach  Gutzwiller  ihre  Entstehung  Torf- 
mooren,  die  nur  relativ  kurze  Zeit  bestanden.  An  der  Sohle 
liegt  oft  Stinkkalk  mit  Suss wasserconchy lien.  Schwan- 
kungen  des  Meeresniveaus  mogen  zu  solchen  kleinen  S(iss- 
wasserbildungen  Anlass  gegeben  haben. 

Tierische  Fossilien. 

An  solchen  ist  die  marine  Molasse  von  St.  Gallen 
ausserordentlich  reich.  Die  Sammlung  im  hiesigen  Museum 
wurde  bestimmt  von  dem  vorziiglichen  Kenner  der  Molasse- 
fauna,  Herrn  Professor  Dr.  Ch.  Mayer,  und  in  den  Jahren 


629 


1894/95  neu  geordnet  und  aufgestellt.  Als  Sammler  sind 
zu  nennen  die  Herren  Eietmann,  Wild,  Deicke,  Kunkler 
und  Miescher  fur  die  altera  Fundorte1),  die  Herren  Bezirks- 
forster  Fenk,  Prof.  Dr.  Steiger,  Dr.  C.  Mettler  und  Eicklin 
in  neuerer  Zeit. 

Weitaus  die  meisten  Fossilien  stammen  aus  den  obersten 
Schichten  der  Meeresmolasse.  Als  Fundstellen  aus  dieser 
Etage  sind  zu  nennen:  das  Strasschen  von  Untereggen  nach 
Eggersriet,  Goldachstollen,  Goldachtobel  an  der  Strasse  von 
der  Martinsbrticke  nach  Untereggen,  wie  auch  zur  Seite  des 
Flussbettes  selbst,  Griitli-Neudorf,  Hagenbuchwald,  Mu- 
schelnberg  im  Hagenbuch  (links  und  rechts  des  Bachleins), 
Speicherstrasse  unmittelbar  oberhalb  der  Einmundung  der 
von  Birnbaumen  herkommenden  Treppe,  Reservoir  an  der 
Speicherstrasse,  Felsenkeller  an  der  Speicherstrasse,  die 
Bachrunse  ostlich  neben  der  Brauerei  Bavaria,  Gold- 
brunnen  im  Hagenbuch,  Muhlegg  (Felswand  hinter  den 
Hausern  in  der  Nahe  der  Station),  Muhlegg-Tunnel,  Nest- 
Reservoir,  Menzlen,  Strasschen  von  Stocken  nach  dem 
Kubel,  Gubsenmoos  (ostlich  und  siidlich  vom  Weier). 

Wo  geniigend  grosse  Entblossungen  vorhanden,  be- 
obachtet  man  fast  immer  2  bis  4  durch  mehrere  Meter 
machtige  leere  Schichten  getrennte  petrefaktenfuhrende 
Schichten. 

Beim  Bau  des  Muhlegg-Tunnels  anfangs  der  neunziger 
Jahre  erhielt  das  Museum  nahezu  100  Spezies,  gesammelt 
und  geschenkt  teils  von  Herrn  Prof.  Dr.  Steiger,  teils  von 

l)  Noch  f riiher  hat  neben  Herrn  Dr.  Schlapfer  auch  Herr  Zyli 
von  St.  Gallen  im  Steingriibli  und  im  Hagenbuch  Petrefakten  ge- 
sammelt. Studer  redet  namlich  in  seiner  ^Monographic  der  Mo- 
las8ett  (Seite  381)  von  einer  Sammlung  von  St.  Galler  Petrefakten, 
die  das  Berner  Museum  Herrn  Zyli  verdanke. 

34 


630 


den  Herren  Mettler  und  Ricklin.  Ausser  einigen  Rari- 
t&ten  (Pleurotoma  taurinensis,  Cypr»a  amygdalum,  Fas- 
ciolaria  tarbelliana  etc.)  kamen  mehrere  neue  Spezies  zum 
Vor8chein,  die  von  Prof.  Ch.  Mayer  benannt  wurden  als 
Lutraria  fastidiosa,  Scalaria  paucilamella,  Euthria  striato- 
nodosa  und  Euspatangus  maximus. 

DieversteinerungsreicbenSchichtenimMuhlegg-Tonnel 
liegen  teils  fiber,  teils  unter  der  sog.  Miihlegg-Nagelfluh,  die 
sich  vomNordrande  der  Weier  auf  Dreilindenbis  zur  Station 
und  weiter  westlich  verfolgen  l&sst,  wahrend  sie  im  Osten, 
gegen  Birnbaumen  und  Hagenbuch  hin,  bald  verschwindet. 

Im  Friihjahr  1903  wurde  am  rechten  Ufer  des  Bach- 
leins  im  Hagenbuch  ein  Steinbruch  geoffnet,  der  Ver- 
steinerungen  in  reichster  Falle  liefert.  Fast  der  ganze  Fels 
ist  aus  Muscheln  zusammengesetzt;  Schnecken  sind  seltener. 
Cardien,  Lutrarien,  Yenusmuscheln  und  grosse  Panop&en, 
daneben  auch  Turritellen  wiegen  vor.  Die  Fundament- 
mauern  der  neuen  Hauser  im  Hagenbuch  sind  zum  Toil 
formlich  aus  Muscheln  aufgebaut  und  aus  dem  gleichen 
Material  besteht  der  Korper  der  dortigen  neuen  Strassenziige. 

Im  Sommer  des  gleichen  Jahres  wurden  durch  Spren- 
gungen  beim  Reservoir  an  der  Speicherstrasse,  da,  wo  der 
Weg  nach  Dreilinden  abzweigt,  wieder  die  petrefakten- 
reichen  Schichten  der  obern  Meeresmolasse  entblosst.  E» 
sind  zwei  durch  mehrere  Meter  fast  leeres  Gestein  ge- 
trennte,  mit  Petrefakten  geradezu  angefullte  Schichten  zu 
beobachten,  von  denen  die  obere  die  machtigere  ist.  Die 
grosse  Panopaa  Menardi  kommt  in  beiden  vor,  daneben 
sind  wieder  Cardien  und  namentlich  Lutrarien  besonders 
haufig.  Besonders  schon  aber  sind  grosse  Blocke  einer 
etwas  festeren  Schicht  mit  zierlichen  Turritellen.  Mehrere 
solcher  Blocke  wanderten  bei  diesem  Anlass  ins  Museum. 


I 


531 


An  beiden  Lokalitaten,  an  der  Speicherstrasse  wie  im 
Hagenbuch,  kann  das  Gestein  als  formliches  Muschel- 
konglomerat  bezeichnet  werden.  Hie  und  da  sind  die 
Schalen  noch  ordentlich  erhalten. 

In  der  obern  Meeresmolasse  finden  sich  Gerollbander, 

deren  Kalkgeschiebe  wie  wurmstichig  aussehen   und   im 

Innern  Bohrmuscheln  zeigen  (Sphenia  [Saxicava],  Litho- 

domus  etc.).     Zwei  solche  Gerollbander  liegen  zirka  vier 

Meter  von  einander  entfernt,  iiber  der  dritten  Nagelfluh- 

bank,  von  der  Eisenbahnbriicke  an  gerechnet,  am  Wege 

nach  dem  Kubel,  ein  anderes,  in  Heers  „Urwelt  der  Schweiz" 

erwahntes,  das  in  und  zwischen  den  Gerollen  zahlreiche 

Petrefakten  aufweist,   triffl  man  unmittelbar  neben  der 

Brauerei  Bavaria  am  westlichen  obern  Eande  der  dortigen 

Bacbrunse.    Ein  viertes,  weniger  gut  ausgepragtes  Geroll- 

band  mit  Bohrmuscheln  fuhrenden  Kaikgeschieben  ist  auf 

der  Westseite  der  Speicherstrasse,   zirka  BO  m  unter  der 

Abzweigung  des  Weges  nach  Kloster  Notkersegg  zu  kon- 

statieren. 

Im  ostlichen  Teil  des  Hagenbuchwaldes,  siidlich  vom 
Grutli,  finden  sich  Petrefakten  in  der  Nagelfluhschicht, 
die  den  Abhang  mit  dem  Scheibenstand  (nicht  Schiess- 
«tand!)  bildet  und  stratigraphisch  der  Miihlegg-Nagelfluh 
sntsprechen  diirfke.  Die  Nagelfluh  ist  hier  oft  ein  formliches 
Petrefakten -Konglomerat.  Das  Vorkommnis  ist  nicht  zu 
verwechseln  mit  dem  fruher  erwahnten  Auftreten  von 
Cardien  in  der  Grenznagelfluh  beim  Grtitli  -  Steinbruch. 
Auch  anderwarts  finden  sich  Petrefakten  im  Binde- 
mittel  der  Nagelfluh. 

Zapfenzieherartig  gewundene  Steine,  oft  drei  voll- 
standige  Umgange  aufweisend,  trifft  man  in  den  mergeligen 
Schichten   liber   und   unter   dem  Steinbruch   bei  Becken- 


balden  .St.  Georgern,  ferner  am  rechten  Sitterufer.  siid- 
westlich  von  P.  GOG  in  den  tiefsten  Schichten  der  Meeres- 
molasse.  Auch  an  der  Goldach  kommen  diese  merk- 
wiirdigen  Schraubensteine  vor,  welche  Heer  als  Muschel- 
gange  anzusehen  geneigt  war.  Eine  geniigende  Erklarung 
ist  bisher  noch  nicht  gegeben  worden.  Im  Martinstobel 
haben  wir  die  genaue  Stelle  des  Anstehens  dieser  inter- 
essanten  Gebilde  nicht  auffinden  konnen,  obwohl  das 
Museum  schone  von  dorther  stammende  Exemplare  besitzt. 

Verwandter  Natur  sind  jedenfalls  die  sowohl  in  der 
obern  als  in  der  tiefsten  Meeresmolasse  zahlreich  vorkom- 
menden  zylindrisohen  Korper.  Meist  stehen  sie  fast  senk- 
recht  zur  Schichtung,  aber  auch  schiefe  und  liegende  Stucke 
sind  nicht  selten.  Der  Durchmesser  betragt  1  bis  3  cm. 
Manche  Exemplare  sind  kreuzformig  verzweigt,  wobei  die 
Kreuzungsstelle  knotenartig  angeschwollen  erscheint. 

Die  Seelaffe  und  die  westwarts  in  ihrem  Streichen 
liegenden  Schichten,  sowie  die  noch  tiefer  liegenden 
Schichten  weisen  ebenfalls  ziemlich  zahlreiche  Fundstellen 
auf,  die  meist  im  Abschnitt  uber  die  untere  Grenze  der 
Meeresmolasse  schon  erwahnt  wurden  und  im  ubrigen  aus 
der  Karte  zu  ersehen  sind. 

Zirka  30  m  siidlich  (stratigraphisch  tiefer)  von  der 
Stelle,  wo  die  Seelaffe  im  Flussbett  der  Goldach  ansteht, 
findet  sich  eine  zweite  ahnliche  Bank.  Noch  viel  weiter 
siidlich  kommen  am  linken  Ufer  am  Fusse  einer  inter- 
essanten  Felswand  in  einem  durch  griinliche,  graugriin- 
liche  und  graue  Toneinlagerungen  ganz  gefleckterscheinen- 
den  mergeligen  Sandstein  vereinzelte  Cardien  vor.  Die 
Felswand  zeigt,  wenn  nicht  der  Schein  triigt,  einen  ganz 
auffallenden  Ubergang  von  massigem,  kompaktem  Sand- 
stein zu  einer  Wechsellagerung  von  dunnen  Mergelschichten 


533 


mit  5  bis  25  cm  m&chtigen  Sandsteinb&nken.  In  einem 
Winkel  von  26°  schneidet  die  Grenzlinie  gegen  den  massigen 
Sandstein  die  wechsellagernden,  in  grosser  Zahl  aufein- 
anderfolgenden  Sandstein-  und  Mergelbanke,  die  zusammen 
wohl  20  m  Machtigkeit  erreichen  mogen.  Wenn  es  sich 
hier  wirklich  um  einen  so  auffalligen  Ubergang  von  Sand- 
stein zu  Mergeln  handelte,  so  liessen  sich  Schlusse  auf  die 
ablagernde  miocene  Stromung  ziehen.  Die  Lokalitat  liegt 
ca.  350  m  sudlich  der  Martinsbriicke.  Noch  gegen  100  m 
weiter  sudlich  liegt  die  tiefste  Stelle,  von  welcher  aus  dem 
Goldachtobel  Meeresversteinerungen  bekannt  geworden 
sind,  wenn  wir  von  den  bis  zur  Grenze  der  untern 
Susswas8ermolasse  reichenden  zahlreichen  zylindrischen 
Kdrpern  absehen. 

Die  Fundstelle  der  im  Museum  in  wohlerhaltenen 
Exemplaren  vorhandenen  Avicula  Studeri  konnten  wir 
nicht  entdecken,  obwohl  Gutzwiller  den  ungefahr  im 
Streichen  der  SeelafFe  gelegenen  Steinbruch  im  Schaugen 
hiefur  angibt. 

In  dem  nachfolgenden  Verzeichnis  der  weitaus  zum 
grossten  Teil  aus  der  obern  Meeresmolasse  stammenden 
Petrefakten  haben  wir  fur  die  im  Museum  vorhandenen 
Spezies  die  Fundorte  beigefugt.  Im  iibrigen  folgten  wir 
dem  von  Gutzwiller  in  der  19.  Lieferung  der  „Beitrageu 
verdffentlichten  Verzeichnis,  welches  dem  von  Professor 
Dr.  Ch.  Mayer  in  der  11.  Lieferung  der  „Beitrage  zur 
geologischen  Karte  der  Schweiz"  publizierten  „  Verzeich- 
nis der  Versteinerungen  des  Helvetian  der  Schweiz  und 
Schwabens*  entnommen  ist.  Wir  fiigten  jedoch  auch  eine 
grossere  Anzahl  Spezies  bei,  die  im  Museum  vorhanden, 
aber  in  Gutzwillers  Verzeichnis  nicht  aufgefuhrt  sind.  Zum 
Teil  sind  es  neue  Arten,  zum  Teil  mogen  sie  sich  decken 


534 


mit  denjenigen  Spezies  im  erwahnten  Verzeichnis,  die  dem 
Museum  unter  diesem  Namen  fehlen.  Die  beigefugten 
Arten  sind  mit  *  bezeichnet. 

Abkttrzungen  der  Fundorte. 

U.E.  =  Strasschen  zwischen  Untereggen  und  Eggersriet. 


Ml. 

=  Martinstobel. 

Kl. 

=  Kleinberg. 

Mbr. 

=  Martinsbriicke. 

Tw. 

=  Totenweier. 

Scb. 

—  Schaugen. 

D. 

—  Dreilinden. 

Ph. 

=  Philosophental. 

M. 

=  Miihlegg. 

N. 

=  Notkersegg. 

Mt. 

=  Miihlegg-Tunnel. 

T. 

=  Tivoli. 

G*. 

=  St.  Georgen. 

Mb. 

=  MuschelnbergimHagen- 

Nr. 

=■  Nest-Reservoir. 

buch. 

R. 

-  Riethausle. 

H. 

=  Hagenbucb. 

K. 

=  Kubel. 

Hg. 

=  Goldbrunnen  im  Hagen- 

Sto. 

=  Stocken. 

buch. 

S 

Sitter. 

Fh. 

-  Felsenkeller  im  Hagen- 

Kr. 

=  Kratzern. 

buch. 

Hd. 

=  Heinricbsbad. 

Fs. 

=  Felsenkeller  an  der  Spei- 

L. 

^  Lutzenland  bei  Herisau 

cherstrasse. 

Sf. 

=  Seelaffe. 

St. 

--  Steingrube. 

Ort?  —  Im  Museum  vorhanden,  aber  ohne  Angabe  des  Fundort®** 
Es  ist  ohne  weiteres  ersichtlich,  dass  in  diesem  Verzeicb*1*8 
der  Fundorte  mitunter  mehrere  Namen  auf  dieselbe  oder  auf  ©i116 
ganz  naheliegende  Steile  sich  beziehen.  In  vereinzelten  Fallen  wurd«n 
auch  Fundorte  ausserhalb  unseres  Kartengebietes  berucksichtigt. 

Spongiarier. 

Cliona  Duvernoyi,  Nardo  (Vioa). 
„       Nardoi,  Mich.  (Vioa).    St. 

Phytozoen. 

Ceratotrochus  duodecimcostatus,  Goldf.  (Turbin).   D. 
Cyathina  clavus,  Scac.  (Caryophylla). 
Dendrophyllia  arnica,  Mich.  (Caryophylla).    H.  Fs. 
Phylloccenia  thyrsiformis,  Mich.  (Stylina). 
Porites  Collegnoi,  Mich. 


535 


Gyrochorte  Nsegelii,  May. 

„  minor,  May. 

Metrochorte  Bietmanni,  May. 
Borneria  frondiculata,  Lam.    St. 

Bryozoen. 

Escliara  reteporiformis,  Mich. 
Escharina  celleporacea,  Mich.    St. 
Membranipora  Andegavensis,  Mich. 
Myriapora  truncata,  Blaino. 
Alveolaria  semiovata,  Bask. 
SdaBandropora  cerebriformis,  Blaino. 
Eladiopora  tuberosa,  Mich. 
Dellepora  pumicosa,  Lam. 
Polytrema  lyncurium,  Lain.    St. 

„  simplex,  Mich. 

Lanulites  androsaces,  Mich.    St.  Mb.  Mbr.  Fa. 
Uapularia  Cuvieri,  Defr.  (Lunulites). 

„  umbellata,  Defr.  (Lunulites).    H.  Fs. 

Echinodermen. 

Psammechinus  mirabilis,  Nicol.  (Echinometra).    Sto. 
3chizaster  Scillai,  Ag. 
Echinocardium  Deickei,  Des.    K. 
Euspatangus  maximus,  May.    Kr. 

Brachiopoden. 
Lingula  ovalina,  May.    Fs. 

Pelecypoden. 

Anomia  ephippium,  L.  Hd.  St.  S.  Sto.  K.  St.  Gg.  M.  Ml. 

„        Provincialis,  May.    Sto. 
Ostrea  (GryphaBa)  cochlear,  Poli.    Ort? 

„       arenicola,  May.    Mbr.  Fh.  Ml. 

„       Boblayei,  Desh.    Mb. 


636 


♦Ostrea  caudata,  Munst.    Ort? 
„       crassicostata?  Sow. 
„       crasissima,  Lam.    Ml. 
„       cucullata,  Born.    Staad. 
„       edulis,  L. 
„       exasperata,  May. 

*  „       foveolata,  Eich.    Ml.  Mbr.  S. 
„       digitalina,  Dub. 

*  „       Gallensis,  May.    St. 

„       Gingensis,  Schl.  (Ostracites).    Ml. 
„       hyotis,  L.  (Mytilus). 
„       neglecta,  Mich. 
„       tegulata,  Munst.    K.  St.  M.  Mbr. 
Plicatula  mytilina,  Phil. 
„         ruperella,  Duj. 
*Pecten  benedictus,  Lam.    Mt. 

„       (Neithea)  Hermannseni,  Dunk.    K.  Sto.  TW. 
U.E.  Sf.  St.  Mb.  Fh.  Mt.  Nr. 

*  „       (Neithea)  Hermannseni,  var.  vindacinus.    Mt. 
„  „  solarium,  Lam. 

„       palmatus,  Lam.    Staad. 

r       pusio,  L.  (Ostrea). 

„       scabrellus,  Lam.    Mt.  St.  H.  Mbr.  Ml.  K.  Mt.  i 

S.  Mb. 
„       scabriusculus  ?  Math. 

*  r       ventilabrum,  Goldf.    Ml. 
Lima  hians,  Gm.  (Ostrea). 

„      inflata,  Chemn.  (Pecten).    Fs.  K. 
„      Loscombi?  Sow. 
„      squamosa,  Lam. 
Perna  Soldanii,  Desh. 
*Avicula  Gallensis,  May.    Sch. 


537 


"Avicula  Crossei,  May.    Mt. 

„         (Meleagrina)  Studeri,  May.    Sch.  K. 
„         phalanacea,  Lam.    Fh.  Sch.  St.  S.  Mt.  Sto. 
Pinna  Brochii,  Orb.    Mt.  St.  Fh.  Sto.  K.  U.E.  Hg. 

„       tetragona,  Broc.    T. 
Mytilus  Aqaitanicus,  May. 
„        oblitus,  Mich. 

„        (Modiola)  barbatus,  L.    Fs.  St.  K. 
„       (Modiola)  Dolfusi,  May.    K. 
„        (Modiola)  Escheri,  May.    S.  Nt.  K.  Sto. 
Lithodomus  candigerus,  Lain.  (Modiola)    St. 
„  cinnamomeus,  Chemn.  (Myt.).    St. 

„  lithophagus  L.    St. 

Gongeria  Basteroti,  Desh.  (Mytilus). 
Area  barbata,  L. 
„      diluvii,  Lam. 
„      Fichtelii,  Desh.    M.  Fs. 
„     Helvetica,  May.    N.  M.  Sto.  S. 
„      imbricata,  Brug. 
„     lactea,  L. 
„     polymorpha,  May. 
„     Turonica,  Duj.    M. 
„     variabilis,  May. 
I*ectunculii8  Gallicus,  May. 

„  glycineris,  L.    Mb.  H.  K.  St. 

„  inflatus,  Broc. 

„  obtusatus,  Partch.    Riethausle. 

„  stellatus,  Gm.    Ml. 

„  violacescens,  Lam.    Ml.  H. 

TrigonocoBlia  aurita,  Broc. 
„  minuta,  Phil. 

**da  clavata,  Calc. 


538 

Leda  fragilis,  Cheran. 
„     nitida,  Broc. 

n       Pella>  L- 
Nucula  CoboldflB?  Sow. 

,       Mayeri,  Hcern. 

„       nucleus,  L. 

*Cardita  affinis,  Duj.    Fs. 

„        antiquata,  L.    Ort? 

*  „        calyculata,  L.    St.  Sto. 
„        corbis,  Phil. 

„  crassicosta,  Lam.    St.  Sto. 

„  intermedia?  Broc.    Fs. 

„  Jouanneti,  Bast.    Mb.  Sto.  H.  Nr.  Ko. 

„  monilifera,  Duj. 

„  radians,  May.    St.  Mt. 

„  sabricosta,  Mich.    Sto.  St. 

„  trapezia,  L. 
Woodia  digitaria,  L. 
Solenomya  Doderleini?  May. 

Lucina  Agassizi,  Mich. 

„  borealis,  L.    Fs. 

„  columbella,  Lam.    Sto. 

„  dentata,  Bast.    Fs. 

,,  divaricata,  L. 

„  exigua,  Eichw. 

„  incrassata,  Dub. 

„  lactea?  L. 

„  mioccenica?  Mich. 

n  multilamellata?  Desh. 

„  spinifera,  Mont. 

„  transversa,  Bronn. 

*  „  Wildi,  May.    Fh. 


639 


Ungulina  unguiformis,  Bast. 
Diplodonta  rotundata,  Mont.    St. 

j,  trigonula,  Bronn. 

Chama  gryphina,  Lam.  St.  Mt.  Gg.  M.  S.  K.  Sto.  D.  Mb. 

*  n       gryphoides,  L.    St. 

Cardium  Burdigalirium,  Lam.  Mb.  St.  H.  Fs.  Mt.  Nr.  Sto. 

*  „         commune,  May.    St.  Sf. 

*  „         Clodiense,  Een.   St. 
^         costatum?  L. 

„         crassum,  Defr. 

„         Darwini,  May.    Fs.  Mt.  U.E.  T.  M.  Mb. 

„        discrepans,  Bast.  St.  Mb.  E.  Sto.  Fs.  M.  S.  Mt. 

„         echinatum,  L. 

„        edule,  L.    St.  Fs.  Sto.  H.  St.  M.  Nr. 

n         Gallense,  May.    Mt. 

B         Grateloupi,  May.    Ort? 

„         hians,  Broc.    St.  Sto. 

„        lapicidinum,  May.    St.  Mb.  Mt.  . 

„         multicostatum,  Broc.    St.  M.  Fs.  Fh.  Mb.  Mt. 
Nr.  Sto.  U.E.  Kr.  S. 

„         papillosum,  Poli.    Fs. 

„        pracellens,  May.    Mb.  St.  Fs.  K.  H.  Nr. 

„         tuberculatum,  L. 
Cypricardia  Deshayesi,  May. 
Isocardia  Burdigalensis,  Desh. 

„  cor,  L. 

Cyprina  Agassizi,  May. 
Circe  minima,  Mont.    St. 
Cytherea  crasissima,  May.    St. 

,  Helvetica,  May.    H.  St. 

„  rudis,  Poli.    St. 

Artemis  Adansoni,  Phil.    Fs. 


640 

♦Artemis  Africana,  Gray.    Fs.  H.  T.  MI. 

*  „         exoleta,  L.    St.     . 

„  lincta,  Penn.  Fs.  T.  St. 
Luciiiopsis  Lajonkairei,  Payr.  K. 
Venus  Brocchii.   Ml.  H.  U.E.  Mt.  Fs.  T.  Gg.  M.  SI 

*  „       Basteroti,  Desh.    H. 

*  „       crasissima,  May.    St. 

*  „       casina?  St.  Fs. 

*  „       clathrata,  Duj.    Fs. 

*  „       fasciculata,  Re.    St. 

*  „       islandicoides,  Lam.    Mt. 

„       multilamella,  Lam.    Gg.  St.  K.  H.  M.  Fs. 

*  „       nux,  Gm.    Mt.  St. 
„       ovata,  Paun. 

B       plicata,  Gm.    Fs.  St.  M.  Sto.  Mt. 

*  „       pedemontana,  Lam.    St.  H.  M. 
„       rusticula,  May. 

„       umbonaria,  Lam.    T.  H.  K.  Mb.  St.  Nr. 
„       verrucosa,  L. 
„       Vindobonensis,  May. 
♦Tapes  Gallensis,  May.    M.  K.  St. 

^       Helvetica,  May.   Kleinberg  St.  T.  Mt.  Gg.  K 

L.  Hd.  Fs.  Nr.  H. 
„       Helvetica  var.  crasissima  May.    Sto.  St. 
„       puella?  May. 

„       vetula,  Bast.    H.  Mb.  U.E.  Fs.  St.  Mt.  M.  N 
St.  T. 
Petricola  lithophaga,  Retz. 
Donax  lucidus,  Eichw. 

„       transversus,  Desh. 
Psammobia  incornata,  Penn.    H.  Fh.  M. 
n  Labordei,  Bast. 


541 

Psammobia  vespertina?  L. 
^trigilla  carnaria,  L. 
Tellina  crassa,  Penn. 

,,       compresa,  Broc. 

,,       distorta,  Broc.    E. 

n       donacina,  L.    Fs. 

„       elliptica,  Broc.    M.  St. 

„       exigua?  Poli. 

„       facilis,  May. 

r       (Fragilia)  fragilis.    Mb. 

„       incamata,  L.    H. 

Ti       lacunosa,  Chemn.    M.  Sto.  St. 

„       nitida,  Poli. 

„       planata,  L. 

„       strig08a,  Gm. 

.,       ventricosa,  Serr. 
Pastrana  fragilis,  L. 
Scrobicularia  plana,  Dacosta. 
Syndosmya  obovalis,  Wood.    Fs. 
Ervilia  pusilla,  Phil. 
Mactra  Adansoni,  Phil. 

n      antica,  May.    Gg.  H.  M.  Ph.  Sto.  St. 

,       Basteroti,  May. 

„       facilis,  May. 

„      Gallensis,  May.    H.  St. 

n      Helvetica,  May.    H.  Sto.  Ko. 

„      Bietmanni,  May.    H.  M. 

„       striatella,  Lam. 

«       subtruncata.    M. 

„       triangula,  Ren.    Sto. 

fl       Turonica,  May.    M. 
Ix)vellia  consobrina,  May. 


542 


Deickea  Gallensis,  May. 

„  Rietmanni,  May.    Fs. 
Eastonia  mitis,  May.    St.  Sto. 

„  rugosa,  Chemn.    St.  Ml. 

*  „  Turonica,  May.    Ort? 
Lutraria  ambigua,  May. 

„  arcuata,  Desh.    Ort? 

„  cuneata,  May.    S.  Ko.  T. 

„  Deickei,  May.    Mt.  Fh.  Sto. 

„  dissimilis,  Desh.    T. 

„  elliptica,  Boissy.    T.  H. 

*  „  fastidiosa,  May.    Mt. 
„  Graffei,  May. 

„  Hoernesi,  May.    Fh. 

„  latior,  May.    H.  Fh.  Mb.  St.  T. 

„  latissima,  Desh.    Sto.  T.  Fh.  H.  St.  Fs.  Id 

n  mutata,  May.    Mt.  Fs.  M.  Fh. 

„  oblonga,  Chemn.    H. 

„  ovalis,  May.    Mt.  Mb.  Sto.  H. 

*  „  partimsulcata.    H. 
„  Bietmanni,  May. 

„  sanna,  Bast.    St.  Fh.  H.  T.  H.  Mt.  Nr.  St 

*  „  turgid  a,  May.    H. 

„  scalpriiiii,  May.    Fh.  L.  Fs.  St. 

*  „  semimutata.    T. 

„  Sieboldti,  Desh.    M. 

„  Stockensis,  May.    T.  Sto.  K.  H. 

„  tellinaria,  May.    Sto. 

„  Wartmanni,  May.    St. 

*  „  (Metabola)  Wildi,  May.    Nr. 

„  (Metabola)  Gallensis,  May.    U.E.  St.  H.  Mb 
Nr.  Sto.  K.  Hd. 


543 


tfetabola  mixta,  May.    L.  K. 

Pholadomya  alpina,  Math.    T.  Fs.  Mbr.  Fh.  St.  Mt.  Sto. 

,  rectidorsata,  Hoarn.    Mbr. 

Hiracia  anceps,  May.    H. 

r        angusta,  May. 

„        convexa,  Wood.    Fs.  Mt.  H. 

„        corbuliformis,  Desh. 

j,        elliptica,  May. 

n        Gallensis,  May. 

„        inflata,  Sow. 

„        plicata,  Desh.    H. 

„        pubescens,  Pult.    St. 

„        rostralis,  May.    Fh. 

„        Wartmanni,  May. 

„        Wildi,  May. 
*andora  inaequivalvis,  L.    Fs.  K.  Sto.  Fs. 

„         oblonga,  Phil.    Mt.  Fs. 

B         pinna,  Mont.    Fs. 
'Crbula  Basteroti,  HoBrn. 

„        gibba,  Olivi.    Fh.  Fs.  K.  St.  S. 

„        revoluta,  Broc. 
'orbulomya  complanata,  Sow. 
►phenia  anatina,  Bast.  (Saxicava).    St.  Sto.  K. 
*anopaBa  abbreviata,  Valenc. 

„         Americana,  May.    St. 

„         australis,  Sow.    Fs. 

„  declivis,  May.    St. 

„         Eichwaldi,   May.    Fs. 

„         filiola,  May. 

„         glycimeris,  Born. 

n         Helvetica,  May. 

n         intermedia.    Mbr.  St,  Mb. 


544 


*Panopaea  latirugata?  May.    Oxt? 

„         Menardi,  Desh.  St.  H.  Fh.  U.E.  Gg.  Nr.  Sto.  M 
„         Norwegica,  Spengl. 
,,         notabilis.  May.    Mbr. 

*  „         reflexa,  May.    H.  Mb.  Fs.  St.  Mt. 
,,         Rietmanni,  May.    Fh.  Mt. 

*  „         Eudolphi,  Eichw.    Mt.  T. 
„  subalpina,  May. 

Saxicava  aretica,  L.    St. 
Cyrtodaria  Nysti,  May. 
Psammo8olen  coarctatus,  L. 
„  strigilatus,  L. 

Polia  legumen,  L.    St.  Fs.  M. 
Ensis  magnus,  Schum.    St. 

*  n      Hausmanni,  Phil.    St.  Sto. 
,,      Rollei,  HcBrn. 

Cultellus  pellucidus,  Perm. 
Solen  Deickei,  May.    St. 

„      siliqua,  L.    Fs.  Fh.  St.  Sturzenegg. 

„      vagina,  L.    Mb.  St.  H.  St.  K. 
Pholas  eylindriea,  Lam.    Ml.  Mbr.  U.E.  M. 

„        rugosa,  Broc.    Sto.  St. 

„        (Jouanetti)  semicaudata,  Desm.    St. 
Teredo  Norwegica,  Spengl.    St.  M. 
Gastrochoena  dubia,  Penn.    St. 

„  intermedia,  Hoern.    St. 

Clavagella  baccillum,  Broc.    H.  St.  Mb.  Fs.  K.  Mt. 
j,  Brocchii,  Lam.    St. 

Gastropoden. 

:i:Dentalium  Burdigalinum,  May.    St. 
.,  incrassatum,  Sow. 


546 

urn  mutabile,  Doderl.    K.  St.  Fs. 

sexangulare?  Gm. 
11a  graeca.    L.  Mt. 

Italica,  Defr.    Fs.  Mt.  M.  D. 
yx  sulcatus,  Bors.  (Patella), 
is  Hungaricus,  L.  (Patella). 
lla  unguiformis,  Lam.    D.  St. 
•sea  chinensis,   L.  (Patella).    Sto.  Mb.  St.  M.  Mt. 
K.  H.  Ml. 

deformis,  Lam.    Ml.  Mb.  H.  St.  Mt.  M.  Gg. 
K.  Fs.  S.  N. 

depressa,  Lam.    Mb.  N.  Fs.  K.  H.  St.  Mt.  Sto. 

intermedia,  May.    Mt.  Sto. 

ornata,  Bast. 
>rbis  arenarius,  L.  (Serpula).    D.  St.  Gg. 
;U8  intortus,  Lam.  (Serpula).    St. 
ria  anguina,  L.  (Serpula). 
lla  Archimedis,  Brongn.    Ml.  St.  Sto. 

bicarinata,  Eich.    M.  Fs.  St.  H.  St. 

cochlea.  Re.  St.  Sto. 

Desmaresti,  Bast.    Gg.  St.  K. 

Doublieri,  Math.    Ml.  H.  Gg.  L.  K.  St.  M.  Mt. 
Fs.  Sto. 

incrassata,  Sow. 

rediviva,  May.    N. 

Riepeli,  Partsch.    Mb. 

spiralis?  Broc.    Sto. 

strangulate,  Grat. 

subangulata,  Broc.    St.  Fs.  K. 

terebralis,  Lam.    Fs.  Gg.  M.  St.  K.  Sto. 

triplicate,  Broc.    St.  Gg.  H.  Sto.  Mt.  Nr.  Mb. 

turris,  Bast.    H.  Mb.  St.  Fs.  M.  N.  Sto.  K.  Mt. 

35 


546 


Turritella  varicosa,  Broc. 
*        „  vermicularis,  Broc.    St. 

Proto  cathedralis,  Brongn.    Mt. 
*Scalaria  paucilamella,  May.    Mt. 
„         pseudo-scalaris,  Broc. 
Mathilda  quadracarinata,  Broc.    Fs. 
Adeorbis  planorbillus,  Duj. 

„  sabcarinatus,  Brown. 

Melania  Escheri,  Brongn.    St. 
Melanopsis  impressa,  Krauss. 
Bithynia  acuta,  Drap.    St. 
Niso  eburnea,  Risso. 
Pyramidella  unisulcata,  Duj. 
Tornatella  papyracea?  Bast. 

„  semistriata,  Fer. 

Auriculina  buccinea,  Broc. 
Solarium  carocollatum.  Lam. 

„  simplex,  Bron.    Kr.  K.  Sto. 

Auricula  oblonga,  Desh.    K.  St. 
Cassidula  umbilicata,  Desh.    K.  St. 
Alexia  Gallensis,  May. 
Helix  deflexa,  Braun.    Mbr.  St. 
,,       maguntina,  Desh. 
*Clausilia  Helvetica.    Sitter-Bahnbriicke. 
„  maxima,  Grat. 

Cyclostoma  elegans?  Drap. 
Turbo  muricatus,  Duj.    St.  Gg.  D. 
Delphinula  Gallensis,  May.    St. 
„  Schlsepferi,  May. 

*Trochus  biangulatus,  Eichw.    St. 

„         cingulatus,  Broc.    N.  Mt.  Ml.  H.  Fs.  K.  St.  J 
cineriiformis  ? 


* 


547 

Trochus  conulus?  L.    Mbr.  St. 
r         lapicidinus,  May. 
„        miliaris,  Broc.    St.  Fs.  Mt. 
„        patulus,  Broc.    St.  Mb. 
Clanculus  cruciatus,  L. 
Xenophora  Helvetica,  May.    St.  Mt. 
Natica  Burdigalensis,  May.    Ml.  Gg.  Mt.  Mb.  H.  D.  St. 
K.  Sto. 
„       eburniformis  ?  Grat. 

r>       helicina,  Broc.    Mb.  Fs.  St.  Sto.  Mt.  K.  Gg.  M. 
Ti       JosephinaB,  Risso.    Mt.  Sto.  N.  Mb.  H.  St. 
T:       millepunctata.    Fs.  K.  Mb.  M.  St. 
„       neglecta,  May.    St.  K.  Gg. 
r       redempta?  Mich.    M.  St.  Gg. 
j,       Laucatsensis,  May.    H.  St.  M. 
r       sulcata,  Grat. 

„       tigrina,  Defr.    Mb.  St.  K.  Fs.  Gg.  M.  Mt.  Hd. 
Natica  Volhynica,  Orb.  St. 
Sigaretus  affinis,  Eichw.    Mt.  Kr. 

„  clathratus,  Recluz. 

'       „  Grayii.    H.  Sto.  Mb.  S.  St. 

„  haliotoideus,  L. 

*Cancellaria  Bellardii.    Mt. 
„  ampullacea,  Broc. 

„  cancellata,  L.    Fs. 

„  callosa,  Partsch.    St.  Mt. 

„  contorta,  Pusch.    M.  St. 

{        „  Geslini,  Bast.    Kr.  H.  M.  Fs. 

„  inermis,  Partsch.    Mt. 

„  mitraBformis,  Ag.    St. 

„  piscatoria,  Gm. 

„  scabra,  Desh.    Ml. 


548 


Cancellaria  umbilicaris,  Broc.    Mt. 

„  uniangulata,  Desh. 

„  varicosa,  Broc.    M. 

„  Weeti,  Bast.    Mt.  Sto.  H. 

„  Wildi,  May.    Ort? 

Cerithium  puctum,  Defr. 

„  salmo?  Bast. 

„  scabrum,  Olivi. 

,,  vulgatum,  Brug. 

Fusus  Burdigalensis,  Defr.  Fs.  H.  Mb.  M.  Sto.  K.  Mt.  ( 
„      glomus?  Gene\ 

*  „      inconstans,  Desm.    H. 

„       mitriformis,  Broc.    Fs.  St.  D. 

„       rostratus,  Olivi. 

„       Valenciennesi  ?  Grat.    Mt.  D. 

„       virginius,  Grat.    Mt.  Fs.  St.  Tw. 
Pirula  cornuta,  Ag.    H. 

„        rusticula,  Bast.    Mt.  S.  Kr.  Mbr. 
Triton  Tarbellianum,  Grat. 
Murex  angulosus?  Broc. 

„       Aquitanicus,  Grat.    St. 

„       brandaris,  L.    Ml. 

„       craticulatus,  Broc.    Gg.  Sto.  Mt.  Kr. 

„       cristatus,  Broc. 

„       imbricatus,  Broc. 

*  „       Partschi,  Hoern.    St. 

n       pyramidatus,  Desh.    St. 

*  „       Sedgwicky,  Hoern.    Ort? 

*  .,       striaformis,  Grat.    K.  S.  St. 

e      „       subasperriinus,  Grat.    K.  S.  St. 
„       sublavatus,  Bast.    St.  St. 
„       truncalus,  L. 


549 


irex  vaginatus,  Phil. 
,      ventricosus,  HcBrn. 
ura  inflata,  Broc.    Mt. 
mrotoma  asperulata,  Lam.    Fs. 

„  calcarata,  Grat.    N. 

«  Chinensis.    Fs. 

„  consimilis,  Bell.    Kr. 

Desmoulinsi,  Grat.    Ort? 

r  gradata,  Defr.    D.  Fs. 

r  granulato-cincta,  Mtinst.    Mt.  St. 

r  Helvetica,  May.    H.  Fs.  D.  Mt. 

r  intermedia,  Bronn.    St.  M.  Mt.  Fs. 

„  Jouanetti.    St.  Fs.  M.  K. 

interrupta,  Broc.     St.  Fs.  Gg.  Sto.  Mb.  K. 
Mbr.  N.  M. 

T  Mortilleti,  May.    Sto. 

Ti  obeliscus,  Dem.    M. 

„  pustulata,  Broc. 

,  ramosa,  Bast.    K.  D.  L.  Fs.  Mt.  St.  N. 

,.  Schreibersi,  HcBrn.    Mt.  H. 

r  semimarginata,  Lam.    D.  St.  Gg. 

,.  (Defrancia)  strombillus,  Duj.    Fs. 

«  striatula,  Lam.    Ort? 

r  Taurinensis,  May.    Mt. 

«  turricula,  Broc. 

„  terebra,  Bast, 

ithria  striato-nodosa,  May.    Bavaria, 
nus  Aldrovandii,  Broc.    Nr. 
7,       antiquus,  Lam. 
n       betuliniformis,  Lam. 
„       Bor8oni,  May.    K.  L. 
„       Brocchii,  Bronn.    D.  H. 


660 


Conus  canaliculars,  Broc.    D. 

„       clavatus,  Lam.    Nr.  D.  K.  Sto.  M.  Gg. 
,,       Escheri,  May.    Nr. 

*  „       Mercatii,  Broc.    M.  Sto.  St. 
„       Noae,  Broc.    Sto.  S.  Kr. 

„       pelagicus?  Broc.    Sto.  Gg. 
„       ponderosus,  Broc.    S.  Kr.  Gg. 
„       Puschi?  Mich. 
n       ventricosus,  Bronn. 
*Pereiraea  Bredai,  Mich.    M. 
Ficula  Agassizi,  May.    Gg.  M.  Fs.  Sto.  Mb.  H.  Mt. 
„       Burdigalensis,  Sow.   Mt.  K.  St.  Sto.  H.  M.  N 
n       condita,  Brongn.  Mt.  Mb.  St.  Nr.  S.  Sto.  K.  M. 
„       intermedia,  E.  Sism.    Mt.  Nr.  H.  Sto.  St.  Mb. 
N.  D. 
Oniscia  cithara,  Broc. 

Cassis  saburon,  Brug.    St.  Mt.  Sto.  H.  K.  N.  Mb.  Fs 
striatella,  Grat.    M.  D.  H. 
„       variabilis?  Bell.    Mich. 
Buccinum  baccatum,  Bast.    Sto.  Mt.  H.  N.  Sto.  St. 
Caronis,  Brongn.    S.  Mt.  Mb.  H.  K.  S.  S 
„  conglobatum,  Broc. 

costulatum,  Renieri. 

duplicatum.  Sow.    Sto.  Gg.  St.  S.  Mb.  Mt. 
Fs.  H.  Hd. 
n  Gallicultim,  May. 

*  .,  (Nassa)  instabilis,  Bell.    Mt. 

r  Helveticum,  May.    M.  N.  St.  Fs.  K.  Mt. 

v  limatuin,  Chemn.    K.  Fs.  Gg. 

*  r  miocenicum,  Mich.    St. 
.,           mutabile,  L. 

n  polygonum,  Broc.    M.  Mt. 


551 

Buccinum  serratum?  Broc. 
Vi  spectabile.    H. 

„  ventricosum,  Grat.    K.  Gg. 

Nassa  Rosthorni,  Partsch.    Mt. 
Terebra  Basteroti,  Nyst. 
,,        cinerea,  Born. 
*Columbella  Borsoni,  Bell.    Gg.  Fs.  St. 
,,  curta?  Duj.    St. 

„  nassoides,  Bell. 

„  Turonica,  May.    St.  Fs. 

Mitra  fusiformis,  Broc.    K.  Mb.  Sto.  Kr.  N.  St. 
,,      scrobieulata,  Broc.    St. 
„      striatula,  Broc.    Mb.  Sto.  Mt. 
Erato  laBvis,  Sow.    St.  Fs. 
Cypr®a  elongata,  Broc.    D. 
*        „        amygdalum,  Broc.    D.  Mt. 
Ancillaria  glandiformis,  Lam.    Sto. 

Cyrrhopoden. 

*Balanus  oblique-striatus,  Fisch.    St.  Mb. 
„         palmatus,  Lam. 
„         porcatus,  Bronn.    Ort? 
„         sulcatus,  Brug.    St.  Sto.  K.  S.  N.  Mb. 
„         tintinnabulum,  L.    Mt.  N.  K.  St.  Gg.  Mb. 
„         undulatus,  Fischer. 

Crustaceen. 

Cancer  Rietmanni,  May. 

Fische. 

Lamna  contortidens,  Ag.    St.  Mbr.  Sto. 

n        cuspidata,  Ag. 
Oxyrrhina  hastalis,  Ag. 


652 

Carcharodon  polygurus,  Ag.    Sturzenegg. 
Notidanus  primigenius,  Ag. 
Sparoides  Quenstedti,  May. 

Die  vereinzelten  Susswasser-Spezies  des  obigen  Ver- 
zeichuisses  beziehen  sich  auf  Exemplare,  die,  teils  vom 
Lande  her  eingeschwemmt,  in  wirklichen  Meeresbildungen 
(Strandbildungen)  neben  marinen  Spezies  gefunden  wur- 
den,  teils  aus  Susswasserbildungen  innerhalb  der  marinen 
Molasse  stammen.  Im  Nagelfluh-Bruch  ostlich  der  Gaiser- 
bahn  bei  Riethausle  findet  man  deutliche  Helices  in  einer 
ca.  3  m  machtigen,  aus  blaulichem,  briichigem  Kalkmergel 
bestehenden  Zwischenlagerung  innerhalb  der  Nagelfluh. 
Marine  Spezies  fehlen  hier  —  es  handelt  sich  um  eine 
lokale  Siisswasserbildung,  wahrend  z.  B.  im  Wattwald  und 
in  der  Steingrube  neben  durchaus  vorherrschenden  Meeres- 
versteinerungen  nur  ganz  vereinzelt  Susswasserschnecken 
gefunden  werden. 

III.  Die  obere  Siisswassermolasse. 

(Oningerstufe.) 
Von  der  Grenz-  Nagelfluh  gegen  die  Meeresmolasse 
bis  nach  Edliswil  in  der  NW-Ecke  unserer  Karte  mag 
die  obere  Siisswassermolasse  immerhin  noch  eine  Machtig- 
keit  von  zirka  1000  m  aufweisen.  Sie  ist  zum  weitaus 
grossten  Teile  von  Gletscherablagerungen  bedeckt;  doch 
sind  letztere  vielerorts  so  wenig  machtig,  dass  die  Mo- 
lasse, abgesehen  von  den  grossern  Entblossungen  an  der 
Sitter,  Steinach  und  Goldach,  Bruggwald-Peter  und  Paul, 
am  Tiefenbach  und  im  Bernhardzellerwald,  auch  sonst 
noch  an  zahlreichen  Stellen  sich  konstatieren  lasst.  Die 
Aufzahlung  dieser  Stellen  kann  hier  fuglich  unterbleiben, 
da  die  Karte  hieriiber  Aufschluss  gibt. 


663 


Die  Sandsteine  treten  gegeniiber  den  Mergeln  zuriick. 
Nur  wenige  kleinere  Briiche  auf  Sandstein  finden  sich  in 
diesem  Gebiete,  denn  das  Gestein  ist  im  allgemeinen  von 
?eringer  Festigkeit  und  als  Baustein  nicht  begehrt.  Die 
Sandsteine  der  obern  Siisswassermolasse  sind  grau  bis 
jelbgrau  und  brausen  in  S&ure  stark,  da  kohlensaurer 
£alk  das  Bindemittel  bildet  und  auch  in  Gestalt  von 
£ornchen  an  der  Zusammensetzung  beteiligt  ist.  Den 
iiickstand  bilden  „glasglanzende,  farblose  oder  schmutzig- 
jelbe,  durchsichtige  bis  durchscheinende  Quarzkorner,  rote 
iSrner  von  Feldspat  oder  Quarz,  wenig  dunkelgriine  Korn- 
then,  wie  sie  im  Sandstein  der  marinen  Molasse  haufig 
3eobachtet  werden,  einige  helle  Glimmerblattchen  und 
mehr  oder  weniger  graulicher  Schlamm,  wahrscheinlich  von 
beigemengter  Tonerde  herriihrend"  (Gutzwiller,  19.  Liefe- 
rung,  Seite  64). 

Ein  kleiner,  in  neuester  Zeit  erschlossener  Bruch  west- 
lich  der  Ziegelei  Bruggwald  unter  dem  Wildpark  liefert 
Steine  von  ziemlicher  Festigkeit. 

So  charakteristische  Sandsteinarten  wie  der  subalpine 
und  granitische  Sandstein  in  der  untern  Siisswassermolasse 
oder  der  Plattensandstein  in  der  Meeresmolasse  sind  in  der 
obern  Siisswassermolasse  nicht  mehr  anzutreffen.  Man  wird 
die  Sandsteine  dieser  Stufe  in  diejenige  Hauptabanderung 
einzureihen  haben,  welche  Studer  als  „gemeine  Molasse" 
bezeichnet.  Logischerweise  miisste  man  eigentlich  hin- 
sichtlich  der  Zusammensetzung  nur  zwei  oder  hochstens 
dreiHauptarten  des  Sandsteins  unterscheiden,  namlich  kalk- 
reichen  (Appenzeller-  oder  subalpinen  Sandstein,  Schlamm- 
produkt  der  Kalknagelfluh),  sodann  silikatreichen  (grani- 
tischen)  Sandstein  (Schlammprodukt  der  bunten  Nagelfluh) 
^d  endlich    tonreichen    (mergeligen)    Sandstein,    welch. 


It'tzterer  immentlirh  all  die  zahlroichou  UbergangslbrnieD 
zwisuhen  Sandstein  und  eigentliehen  Mergeln  uintasseu 
wiirde.  Solcho  Ubergange  sind  gerade  auch  in  der  obern 
Stisswassermolasse  sehr  hliufig. 

Knauersandstein  in  wenig  machtigen  Schichten  zeigt 
sich  hie  und  da,  z.  B.  im  Hatterenwald. 

Die  Mergel  der  obern  Stisswassermolasse  zeigen  etwaa 
mehr  Abwechslung,  namentlich  in  der  Farbe.   Wir  treflfofl 
rote  und  violette  Mergel  in  den  tiefsten,  an  die  Meere8- 
molasse  angrenzenden  Schichten  (sehr  schon  z.  B.  von  A&* 
Sitterbrucke  zwischen  Stocken  und  Krazern  an  den  Ufe*"" 
wanden  der  Sitter  zu  beobachten).  Gelbliche,  rotlichgelb^ 
graue,    gelblichgraue,    griinliche,    blauliche   Farbe   rech^" 
fertigen  den  Narnen  „bunte  Mergel".    Die  roten,  violette*"*1 
und  griinlichen  Mergel  erinnern  in  ihrer  Farbe  manchm^^1 
an  ein  viel  alteres  Gestein,  den  Verrucano. 

Recht   haufig   und    in  den   grossern  Aufrissen   mei^  * 
wiederholt    auftretend,    sind    Bander   von    schwarzlicher:^' 
bituminosen   Mergeln,   die  sich  von  der  gelbgrauen  Umu- 
gebung  scharf  abheben.     Sie  enthalten  meist  Schnecken- 
schalen,  seltener  auch  Pflanzenreste.     Farbe  und  Bitum 
gehalt  ruhren  wohl  von  den  organischen  Stoffen  her. 

Die  Mergel  zerbrockeln  leicht;  menials  bringt  mac^3 
ein  grosseres  zusaininenhangendes  Stuck  heraus.  Die  Ab  —" 
losungsflachen  glanzen  fettig. 

In  der  Zusammensetzung  zeigen  sich  bedeutend^^ 
Schwankungen,  je  nach  dem  Ton-  und  Kalkgehalt. 

Am  ostlichen  Rande  des  Bruggwaldes  werden  di^^ 
Mergel  fur  die  benachbarte  Ziegelei  in  grossern  Massstab^^ 
ausgebeutet. 

Siisswasserkalk  kommt  da  und  dort  vor,  aber  nirgend  * 
in  grosserer  Machtigkeit.     Eine  Schicht  von  */a  bis  1  E*3 


555 

Machtigkeit,  die  sich  zu  beideti  Seiten  des  Tiefenbach- 
tobels  verfolgen  lasst,  triflft  man  zwischen  Sitter briicke 
und  Ebnat  an  der  Strasse  nach  Engelburg. 

Die  Nagelfluh  der  obern  Siisswassermolasse  tritt  von 
Stocken  weg  bis  nach  Edliswil  in  mindestens  zw6lf  zum 
Teil  noch  ziemlich  machtigen  Banken  auf,  nimmt  also 
einen  bedeutendern  Anteil  am  Aufbau  dieser  Stufe,  als 
man  bisher  annahm.*) 

Den  B-ucken  des  Geissberges  (668  m)  bei  Krazeren 
mochte  man  bei  oberflachlichem  Anblick  fur  einen  Moranen- 
-wall  halten.    Allein  eine  Begehung  desselben  zeigte  uns, 
class  Sandsteine  und  Mergel  des  linken  Steilufers  der  Sitter 
bis  zur  Hohe  des  Biickens  reiohen  und  noch  mehr  wurden 
wir  iiberrascht,  als  der  Bewohner  des  am  Westhange  liegen- 
den  Hauschens  (siidlich  vom  „iu  im  Wort  Geissberg)  uns 
Arersicherte,  in  seinem  Keller  sei  Nagelfluh.    Es  war  tat- 
sachlich  so ;  es  fand  sich  da  richtige  tertiare  Nagelfluh  an- 
stehend,  nicht  etwa  nur  fest  verkitteter  glacialer  Schotter. 
Im  Gebiet  der  Siisswassermolasse  ostlich  von  Peter 
und  Paul  und  von  Wittenbach  tritt  dagegen   die  Nagel- 
fluh ganzlich  zuriick.  Hochstens  finden  sich  noch  schwache 
GerSllbander  und  Ubergange  zu  grobkornigem  Sandstein. 
Auskeilen  und  Wiederauftauchen  oiner  Nagelfluhbank 
beobachtet  man  an  der  Strasse  von  der  Sitterbrucke  nach 
Engelburg  neben  dem  Tiefenbach. 

Besondere  Erwahnung  verdient  die  Abtwiler  Nagel- 
fluh, die  im  Bruche  an  der  Strasse  ostlich  des  Dorfes  aus- 

*)  Hier  ist,  obwohl  nicht  speziell  die  Nagelfluh  dor  obern 
Siisswassermolasse  betreftend,  nachzutragen,  dass  Herr  Konser- 
vator  Bachler  in  der  Nagelfluh  der  Umgebung  von  St.Galien  eine 
Anzahi  Gerolle  gesamnielt  hat,  welche  die  bekannten  Quetschungen 
UQd  Rutschstreifen  in  ausgezeichneter  Weise  zeigen  und  von  Prof. 
■Heim  wabre  Prachtstucke  genannt  wurden.  dflHj 


556 


gebeutet  wird.    Gutz wilier  hat  den  Zusammenhang  dies?^r 
Kalknagelfluh  mit  der  als  Appenzeller-Granit  bezeichnet^*1 
eigentiimlichen  Nagelfluhschicht  festgestellt,  welche  lib^T 
Rosenburg  bei  Herisau,  Bistricht  bei  Degersheim,  St.  Lc^~ 
retten   bei  Lichtensteig,   Tweralp   und  Laupen  bei  Wate^ 
bis  nach  Feldbach  am  Ziirichsee  sich  verfolgen  lasst     E^~ 
konnte  sie  fur  diese  ganze  Erstreckung  ziemlich   genai^ 
in  die  geologische  Karte  (Blatt  IX,  1  :  100,000)  eintragen  — 
Seine    Beschreibung    des    eigentiimlichen  Vorkommnisse^ 
findet  sich  in  der  14.  Lieferung  der  „Beitrageu,  S.  29/31^ 

Auch  Frlih  hat  den  Appenzeller-Granit  naher  unter- 
sucht  und  ihm  in  seiner  schon  erwahnten  Schrift  iiber  die 
Nagelfluh  einen  eigenen  Abschnitt  gewidmet  (Neue  Denk- 
schriften,  Band  XXX,  Seite  78/79). 

Dem  irrefuhrenden  Namen  Appenzeller-Granit  ware 
die  auch  ubliche  Bezeichnung  „Degersheimer  Kalknagel- 
fluh" entschieden  vorzuziehen.  An  der  Zusammensetzung 
beteiligen  sich  schwarze  und  dunkelgraue  Kalke,  gelblich- 
graue  und  gelblich-verwitternde  Kalke  und  Dolomite,  so- 
dann  auch  Hornsteine ;  selten  sind  Glimmerquarzite,  Granite 
und  andere  kristallinische  Gesteine.  Die  Grosse  der  Ge- 
rolle  schwankt  im  tj'pischen  Gestein,  wie  es  im  Bistricht 
bei  Degershcum  auftritt,  von  Erbsen-  und  Bohnen-  bis 
Nussgrosse. 

Das  Zement,  hinsichtlich  seiner  Zusammensetzung 
(90°/o  Carbonate  und  10%  unlosliche  Substanz)  als  reiner 
Kalkstein  zu  bezeichnen,  verwittert  etwas  leichter  als  die 
Gerolle.  Friih  konstatierte  an  Grabdenkmalern  auf  dem 
Friedhofe  in  Gossau  (St.  Gallen)  eine  Erosion  des  Binde- 
mittels  von  1  mm  in  40 — 70  Jahren. 

An  verschiedenen  Orten  sind  im  Appenzeller-Granit 
echte  Karrenbildungen  beobachtet  worden,  &hnlich  denen 


657 


*xn  Schrattenkalk.  Das  Gestein  kann  auch  zu  fettem 
Kalk  gebrannt  werden  und  wird  im  iibrigen  zu  den  ver- 
schiedensten  Zwecken  gebrochen,  wofiir  Brunnentroge, 
Treppen-  und  Trottoirsteine  etc.  vielerorts,  auch  in  der 
Stadt  St.  Gallen,  Zeugnis  ablegen.  Auch  der  Sockel  des 
Schlachtdenkmals  bei  Vogelinsegg  besteht  aus  Appenzeller- 
Granit. 

Bei  Abtwil  ist  diese  Kalknagelfluh  schon  nicht  mehr 

so  typisch  ausgebildet.    Sie  ist  grobkorniger  und  enthalt 

etwas   mehr   kristallinische   Gesteine,    als   die  eigentliche 

Degersheimer    Kalknagelfluh.     Auch   ihre   Festigkeit    ist 

nicht  mehr  so  gross,    doch  immerhin  noch  so  bedeutend, 

dass  beim  Sprengen  die  Gerolle  eher  entzwei  gehen,   als 

dass   sie   sich   ganz    aus   dem    Zement    herauslosen.     Die 

Machtigkeit  der  Schicht  betragt  bei  Abtwil  zirka  10  m. 

Kliifte  und  machtige  Rutschflachen  mit  Calcit  durchziehen 

den  Fels. 

Die  vom  „bu  im  Wort  nHafnersberg"  siidwestlich 
streichende  Nagelfluhbank  erweist  sich  ebenfalls  als  Kalk- 
nagelfluh und  ist  reich  an  gelblichen  Kalkgerollen.  Auch 
ihre  weissgraue  bis  gelbgraue  Anwitterung  zeigt,  dass  wir 
es  hier  nicht  mehr  mit  der  sonst  in  der  obern  Susswasser- 
molasse  durchaus  vorherrschenden  bunten  Nagelfluh  zu 
tun  haben. 

Es  scheint  aber  diese  Bank  doch  nicht  die  direkte 
Fortsetzung  der  Abtwiler  Kalknagelfluh  zu  sein ;  beriick- 
8ichtigen  wir  vergleichend  Hohenlage,  Fallen  und  Streich- 
richtung  der  beiden  Schichten,  so  miisste  die  Abtwiler 
Nagelfluh  noch  etwas  weiter  siidlich  von  Hafnersberg 
durchziehen.  Es  sprechen  auch  noch  andere  Umstande 
dafur,  dass  iiberhaupt  in  dieser  Zone  Kalknagelfluhbanke 
auftreten.  Im  ungefahren  Streichen  dieser  Schichten  findet 


568 


man  namlich  viel  weiter  ostlich,  bei  Holz  (774  m^  zwischen 
Katzenstrebel  und  Rotmonten,  eine  Nagelfluhbank,  die  auf- 
fallend  arm  ist  an  kristallinisohen  Geschieben  und  sicb 
zugleich  durch  ihre  bedeatende  Festigkeit  auszeiohnet. 

Das  Auftreten  von  Kalknagelfluh  in  der  obern  Suss- 
wassermolasse,  wie  iibrigens  auch  dasjenige  in  der  zweiten 
und  dritten  Nagelfluhzone  und  selbst  in  der  untern  Suss- 
wassermolasse  unseres  Kartengebietes,  wo  zwischen  Lust- 
muhle  und  Teufen  eine  kleinkornige  Kalknagelfluh  zu  be- 
obachten  ist,  muss  entschieden  als  etwas  Eigenttimliches 
betrachtet  werden.  Wie  konnten  miocene  Fliisse  auf  ein- 
mal  fast  ausschliesslich  Kalkgerolle  fuhren,  wahrend  vor- 
und  nachher  in  langen  Zeitraumen  nur  bunte  Nagelfluh 
zur  Ablagerung  gelangte?  Wir  mussen  auf  Dislokationen 
im  Quellgebiet  schliessen.  Denn  ohne  die  Annahme  von 
successiven  Hebungen  des  Alpengebirges,  durch  welche 
kristallinische  Gesteine  bald  in  starkerem,  bald  in  schwa- 
cherem  Grade  zur  Abtragung  gelangten  und  durch  welche 
mitunter  auch  der  Lauf  der  Fliisse  verandert  wurde,  lassen 
sich  die  verschiedenen  Nagelfluhzonen  und  die  Abwechslung 
zwischen  bunter  und  Kalknagelfluh  nicht  erklaren.  Sen- 
kungen  im  Ablagerungsgebiet  mogen  hinzugekommen  sein 
und  konnenStosskraft  der  Gewasser,  Abtragung  des  Gebirges 
und  Geschiebetransport  vermehrt  und  beschleunigt  haben. 

Versteinerungen. 

Reste  von  Land-  und  Siisswasserschnecken  sind  in 
der  obern  Siisswassermolasse  haufiger,  als  in  der  untern, 
aber  der  Erhaltungszustand  lasst  meist  sehr  zu  wiinschen 
iibrig.  Die  schon  erwahnten,  zahlreich  vorkommenden 
bituminosen  Mergelbander  enthalten  fast  immer  Schnecken- 
schalen,  aber  die  Ausbeute  ist  punkto  Qualitat  eine  klag- 


liche.  Die  grossere  Zahl  der  auf  unserer  Karte  verzeich- 
neten  Fundstellon    bezioht    sit.-li  auf  solche  Mergel  bander. 

Die  besterhaltenen  Petrefakten,  schone  woissschalige 
Planorben  und  Helices  liefert  die  Fundstelle  bei  Holz 
(774  m),  rechts  oberhalb  des  von  Rotmonten  nach  dem 
Braggwald  fiihrenden  Strasschens.  Der  gleiche  Aufriss 
liefert  etwas  hoher  in  schw&rzlichen  Mergeln  nochmals 
zahlreiche,  aber  schlecht  erhaltene  Schneckenschalen. 

Siidwestlich  von  Buhl  bei  Joosriiti  findet  man  an 
einem  Nebenwaldwege  mittelm&ssig  erhaltene  Steinkerne 
mit  etwas  zu  rauher  Oberflache. 

Eine  Stelle  im  Bruggwald,  die  vor  zirka  10  Jahren 
zahlreiche,  oft  zerdriickte,  aber  immerhin  gut  bestimm- 
bare  Schalen  von  Unio,  Melania  etc.  aufwies,  ist  jetzt  zu- 
gedeckt  und  uberwachsen.  Wenigstens  konnten  wir  sie 
trotz  eifrigen  Suchens  nicht  mehr  auffinden. 

Ahnlich  ging  es  uns  mit  einer  Stelle  im  Galgentobel, 
am  linken  Ufer,  svidostlich  unter  Punkt  663.  Sie  lieferte 
einst  ziemlich  gute  Exemplare  von  Melania  Escheri,  liess 
rich  jedoch,  nachdem  wir  sie  fast  zehn  Jahre  lang  nicht 
mehr  besucht,  absolut  nicht  mehr  auffinden. 

Besonders  erwahnt  seien  noch  die  Stellen  siidlich  vom 
nhu  im  Wort  Bernhardzeller-Wald  und  nordlich  vom  „gu 
im  Wort  Bruggwald,  ferner  bei  Bild  NW  von  Heiligkreuz, 
westlich  vom  Uebergang  uber  das  kleine  Bachlein.  Qualitat 
und  Quantitat  sind  unter  mittelmassig,  aber  immerhin 
besser,  als  in  den  schwarzlichen  Mergelbandern. 

Die  Petrefakten  der  erwahnten  Stelle  im  Bernhard- 
zellerwald  liegen  in  einem  eigentumlichen,  interessanten 
(restein,  das  man  als  Uebergang  von  grobkornigem  Sand- 
stein  zu  ganz  feinkorniger  Nagelfluh  bezeichnen  kann. 
Es  ist  deutlich  geschichtet  und  ziemlich  gut  spaltbar;  die 


ziemlich  glatten  Ablosungsflachen  der  nur  wenig  (unter 
1  cm  bis  mehrere  cm)  machtigen  Schichten  zeigen  bedeutend 
feineres  Korn. 

Pflanzenreste  und  Kohlenspuren  sind  in  der  obern 
Susswassermolasse  der  Umgebung  von  St.  Gallen  seltener, 
als  in  der  untern  und  in  der  Meeresmolasse. 

Im  Museum  sind   folgende  Versteinerungen  aus  der 
obern  Susswassermolasse  vorhanden: 
Helix  depressa,  Katzenstrebel. 

„      sylvestrina,  Ziet.    Katzenstrebel,  Martinstobel. 

„       subverticilla.    Katzenstrebel. 

„      sylvana,  Kl.    Galgentobel,  Martinstobel. 

,,      Larteti,  Noulet.    Martinstobel. 
Clausilia  antiqua,  Schiibl.    Martinstobel. 
„        Helvetica.    Sitter-Bahnbriicke. 
Melania  Escheri,  Brongn.    Katzenstrebel,  Kubel. 
Unio  flabellatus,   Goldf.    Sitter  unter  Rotmonten,   Kubel. 

„     Lorioli,  Loc.    Katzenstrebel. 

„  Kunkleri,  Man.  Sitter. 
Die  Fundortangaben  Martinstobel  und  Sitter  sind  so 
unbestimmt,  dass  die  betreffenden  Petrefakten  ebenso  gut 
aus  der  untern,  als  aus  der  obern  Susswassermolasse  stammen 
konnen.  Ubrigens  fuhren  beide  Stufen  die  namlichen  Ver- 
steinerungen ;  man  sehe  z.  B.  die  Angaben  fur  Unio  flabel- 
latus  und  Melania  Escheri. 

Clausilien  wurden  von  K  ant  onsschtiler  Von  wilier  unter- 
halb  der  Kratzernbiiicke  in  den  Schichten  direkt  uber  dem 
Dach  der  marinen  Molasse  gesammelt. 

IV.  Schichtenstellung. 

Die  Tektonik  ist  eine  sehr  einfache.  Unser  Karten- 
gebiet  liegt,  mit  Ausnahme  eines  verschwindend  kleinen 


Stiickes,  auf  dem  nordlichen  Fliigel  der  ersten  oder  nord- 
lichen  Antiklinale.  J)amit  ist  fiber  die  Lagerungsverhalt- 
uisse  die  Hauptsache  mit  einem  Worte  gesagt. 

Man  bemerkt  in  der  siidostlichen  Ecke  der  Karte  eine 
nur  wenige  Centimeter  lange  gerade  rote  Linie.  Sie  soil 
die  erwahnte  erste  Antiklinallinie  andeuten,  d.  h.  die  Linie, 
jenseits  (siidlich)  welcher  die  Schichten,  statt  wie  bis  da- 
hin  nach  Norden,  nach  Siiden,  genauer  Stidsiidwesten, 
gegen  das  Appenzellerland  hin  fallen.  Statt  Antiklinale 
wird  auch  etwa  der  Ausdruck  Faltengewolbe  angewendet. 

Leider  sind  in  der  Gegend  der  Antiklinallinie  die  Ver- 
haltnisse  zur  Beobachtung  der  Schichtenstellung  geradezu 
raffiniert  ungiinstig,  indem  Morane,  Wald  und  Weide  alles 
Anstehende  verdecken,  ausgenommen  wenige,  zudem  un- 
deutliche  Stellen  in  Bachrunsen.  Sicher  ist,  dass  man  in 
der  Nahe  von  Neppenegg  SE  von  P.  102B  an  der  rechten 
Seite  eines  Bachbettes  nach  N  fallende  Schichten  triffib, 
wahrend  oben  auf  dem  aussichtsreichen  Kamm  „zur  hohen 
Buchea  sich  das  ziemlich  steile  S- Fallen  gut  verfolgen 
lasst.  Indessen  sind  ausserhalb  unseres  Kartengebietes  die 
Verhaltnisse  der  Antiklinalzone  in  etwas  giinstigerem  Ter- 
rain genligend  untersucht  worden  und  es  hat  sich  daraus 
ergeben,  „dass  nirgends  konstant  nordfallende  Schichten 
allmahlich  in  senkrecht  stehende  und  dann  in  konstant 
sudfallende  iibergehen;  vielmehr  zeigt  sich  immer,  dass 
nord-  und  sudfallende  Schichten  mit  senkrecht  stehenden 
ofter  wechseln"  (Gutzwiller,  14.  Lieferung  der  Beitrage, 
S.  45;  man  vergleiche  auch  die  Profile  auf  Tafel  II,  so- 
dann  auch  Profil  I  auf  Tafel  I). 

Nach  N  nimmt  der  Fallwinkel  bestandig  ab.    Er  be- 
tragt  z.  B. : 
Ostlich  von  Almenweg  (siidlich  von  Speicher)     .         46° 


B62 


Steinegg  bei  Speicher 36° 

Horst  unweit  Horlen 29 — 30 

Reservoir  an  der  Speicherstrasse*) 26° 

Martinsbriicke 23 — 24 

zwischen  Kapf  und  Lochmiihle  (Goldach)     .     .     18—19 
Hatterenwald 17° 

Die  Abnahme  des  Fallwinkels  ist  zunachst  nordlicl 
der  Antiklinallinie  eine  rasche,  wie  schon  aus  der  gegebenei 
kleinen  Zusammenstellung  hervorgeht.  Noch  augenfallige: 
tritt  die  zuerst  rasche,  dann  nur  sehr  allmahlich  vor  sic] 
gehende  Abnahme  des  Fallwinkels  bei  einem  Blick  au 
die  Karte  hervor.  Denn  von  den  senkrecht  stehendei 
Schichten  der  Antiklinalzone  beim  Harzig  unter  der  ;,hohei 
Buche"  bis  zu  den  nur  noch  45°  fallenden  bei  Almenwej 
und  den  nur  noch  30°  fallenden  beim  Horst  SW  von  Speiche 
ist  die  Horizontaldistanz  sehr  klein  im  Vergleiche  mit  jene 
von  Horst  und  Speicher  bis  in  die  Gegend  W  von  Bern 
hardzell  hinter  dem  Tannenberg,  wo  die  geneigte  Schicht 
stellung  in  die  horizontale  ubergeht,  der  Fallwinkel  als 
0°  wird. 

Aber  auch  noch  andere  auffallende  Ungleichheitei 
sind  zu  erwahnen.  In  einem  alten  Steinbruch  am  Kap 
E  vom  Freudenberg  fallen  namlich  die  Schichten  merk 
wiirdigerweise  mit  86°  Neigung  viel  steiler,  als  man  e 
hier  erwarten  sollte,  mit  einem  Winkel,  den  wir  sons 
erst  viel  weiter  S,  im  Tal  zwischen  Speicher  und  Teufei 
wieder  finden. 

Eine  ahnliche  Anomalie  treffen  wir  bei  Waldegg  au 

*)  Die  bei  der  Vergrosserung  des  Reservoirs  von  600  m*  an 
3000  in8  notig  gewordenen  Sprengungen  entblossten  giinstige  Stelle 
zum  Mcssen.  Das  Fallen  ist  mit  25°  etwas  starker  als  in  de 
obersten  marinen  Schichten  an  der  Goldach  und  Sitter.  DasStreiche 
weicht  von  der  Ostwestlinie  um  271/2 — 28°  ab. 


*** 


663 


dem  Kamm  z  wischen  Riiti  weier  und  der  Strasse  von  Speicher 
nachTeufen.  In  unmittelbarerNahe  der  Wirtschaft  Waldegg 
fallen  namlich  die  Schichten  45°  NNW,  wahrend  doch  in 
den  stratigraphisch  tiefern  Schichten  des  Steinbruches  von 
Horst  das  Fallen  nur  noch  30°  betragt. 

Um  diese  interessanten  Tatsachen  erklaren  zu  konnen, 
miisste  man  zuerst  untersuchen,  ob  im  Streichen  der  be- 
treffenden  Schichten  (von  Kapf  und  Waldegg)  weiter  ost- 
lich  oder  westlich  an  Punkten  gleicher  Meereshohe  eben- 
falls  unerwartet  hohe  Fallwinkel  sich  finden  und  wenn  ja, 
ob  im  Streichen  der  namlichen  Schichten  an  topographisch 
tiefer  gelegenen  Punkten  kleinere  Fallwinkel  herrschen. 
Der  letztere  Punkt  ist  zwar  an  verschiedenen  Stellen  schon 
in  bejahendem  Sinne  erledigt.  Man  hatte  also,  wenn  die 
Sache  im  angedeuteten  Sinne  sich  verhalt,  gleichsam  an 
eine  Aufbiegung  der  Schichten  zu  denken,  die  uns  nur 
noch  in  den  hochsten  Partien  erhalten  geblieben  —  Kapf 
und  Waldegg  gehoren  ja  den  beiden  ausgepragtesten 
Kammen  unseres  Gebietes  an;  eine  Analogie  findet  sich 
in  den  alpinen  Faltenbildungen  —  die  hoheren  Schichten 
wolben  sich,  weil  sie  leichter  ausweichen  konnten,  in 
kuhnerem,  weiter  ausholendem  Schwunge.  Sollte  die  oben 
angedeutete  Aufbiegung  oder  Aufwolbung  tatsachlich  vor- 
handen  sein,  so  konnte  im  allgemeinen  gleichwohl  die  fur 
unser  Gebiet  ubliche  Vorstellung  von  Schichtflachen  als 
schiefe  Ebenen  beibehalten  werden ;  nur  fur  die  Schichten, 
welche  in  den  hochsten  Kammen  unserer  Gegend  zutage 
treten,  hatte  man  sie  sich  nennenswert  im  Sinne  ge- 
krummter  Flachen  modifiziert  zu  denken. 

In  dem  Ubergangsgebiete  zwischen  gehobener  und 
horizontaler  Molasse,  ja  iiberhaupt  in  der  ganzen  nordwest- 
lichen  Halfte  des  Kartengebietes  ist  eine  direkte  Messung 


564 


des  Fallwinkels  durch  Anlegen  des  Bergkompasses  und 
Klinometers  an  eine  Schichtfl&che  sozusagen  unmoglich, 
da  die  hiebei  unvermeidlichen  Fehler  im  Verhaltnis  zu 
dem  zu  messenden  Winkel  viel  zu  gross  sind.  Genauere 
Resultate  liefert  eine  trigonometrische  Formel,  welche  die 
Beziehungen  feststellt  zwischen  dem  gesuchten  Fallwinkel, 
der  Streichrichtung  der  Schichten,  der  Projektion  und  der 
Neigung  einer  in  ganz  beliebiger  Richtung  verlaufenden 
Grenzlinie  zwischen  zwei  Schichten,  z.  B.  einer  Schicht- 
fuge  oder  eines  schwarzlichen  Mergelbandes  oder  einer 
vom  Mergel  gut  sich  abhebenden  Sandsteinbank.  Solche 
gtinstige  Linien  bietet  jeder  grossere  Aufriss  und  damit 
ist  der  Vorteil  verbunden,  dass  die  gewahlte  Gerade  (die 
natiirlich  einer  und  derselben  Schichtebene  angehort)  auf 
grossere  Strecke  leicht  zu  verfolgen  ist.  Es  konnen  also 
die  Richtung  ihrer  Projektion  auf  eine  gedachte  Horizontal- 
ebene  und  die  Neigung  der  gewahlten  Geraden  zur  Horizon- 
talebene  mit  Kompass  und  Klinometer  leicht  und  genau 
gemessen  werden.     Die  Formel  lautet: 

tg  cp  =  — : — ^ — =^.    Dabei  ist 

*  y        sm  (P  +  8) 

cp  —  der  gesuchte  Fallwinkel, 

a  —  die  Neigung  der  gewahlten  Geraden  zur  Horizontal- 

ebene, 
5  =■  Streichrichtung  der  Schichten,  resp.  ihre  Abweichung 

von  der  Ostwestlinie, 
p       Richtungsabweichung  der  Projektion  der  gewahlten 

Geraden  von  der  Ostwestlinie,  bezw.  Westostlinie. 

Winkel  5  ist  bekannt,  denn  in  unserm  ganzen  Karten- 
gebiet  ist  die  Streichrichtung*)  der  Schichten  WSW,  resp. 

*)   Fur  die    untore   Susswnssermolasse   und   fiir   die  Meeres- 
molasse  brtragt  die  Abweichung  der  Streichrichtung  von  der  Ost- 


665  _ 

ENE  und  zwar  betragt  die  Abweichung  von  der  Ostwest- 
linie  nach  Siiden  (oder  von  der  Westostlinie  nach  Norden) 
27—30°.  Die  Winkel  a  und  (3  werden  direkt  gemessen  und 
aus  diesen  drei  Grossen  kann  nun  Winkel  9,  d.  h.  der  ge- 
suchte  Fallwinkel  berechnet  werden. 

Nehmen  wir  ein  Beispiel.  Rechts  am  Wege  vom  Rosen- 
berg nach  dem  Hatterensteg,  naher  dem  letztern,  findet 
sich  eine  grossere  Entblossung,  in  welcher  eine  aus  den 
Mergeln  etwas  bervortretende  Sandsteinscbicbt  gtinstige 
Gelegenheit  zum  Messen  bietet.  Wir  konstatieren  ein  Fallen 
von  ll1. 30  gegen  die  Horizontal ebene  und  eine  Richtung 
der  gemessenen  Geraden,  genauer  ihrer  Projektion,  von 
N  78°  W,  wobei  die  Deklination  schon  beriicksichtigt  ist. 
Setzen  wir  diese  Werte  ein,  so  finden  wir  den  wirklichen 
Fallwinkel  durch  die  Gleichung 

_      tg_o_ tg  ll'/a0  _  _tg  lVh°_  _ 

tg  *  ~~  sin"  ip  +  8)  "~  sin([90-78°]+300)  ~~  sin  (i2°+30°)  ~~ 

tg  ll'/t0  0,20345 

• Tod~  ~~      TV^cqTq    =s=  0,30405 

sin  42°  0,66913 

Daraus  ergibt  sich  fur  den  gesuchten  Fallwinkel  (et- 
was aufgerundet) :  <p  =-  17°. 

In  unmittelbarer  Nahe  der  genannten  S telle  befindet 
sich  links  am  Wege  wieder  ein  Aufschluss,  der  ebenfalls 
eine  leicht  zu  messende  Schichtlinie  bietet.  Sie  kann  uns 
zur  Verifikation  obiger  Rechnung  dienen. 

Diese  Schichtlinie  fallt  151/*0  gegen  die  Horizontal- 
ebene  und  ihre  Projektion  verlauft  in  der  Richtung  N62  W, 
wobei  die  Deklination  schon  beriicksichtigt  ist.  Es  sind 
hier  also  a  =    15V  2  ° 


westlinie  im  allgemeinen  etwas  unter  30°;  fiir  die  obere  Siiss- 
wassennolasse  dagegen  scheint  diese  Abweichung  eher  etwas  zu- 
zu  neb  men,  weshalb  in  den  nachfolgenden  Keehnungen  der  Winkel 
8  zu  30°  angenommen  wurde. 


f)G<; 


tg<p  = 


3  ^  90°— 52°  =  38° 
8  =       30° 
tg  a tg  15\'8°  tg  15 »/i 


sin  ((3  +  8)         sin  (88°+ 30°)  sin  68° 

0,27732 


=  0,29910 


0,92718 

Der  Fallwinkel  cp  betragt  also  (unbedeutend  aufge- 
rundet)  16°  40',  was  dem  oben  gefundenen  von  17°  ordent- 
lich  entspricht.  Die  Differenz  von  20'  kann,  da  nicht  mit 
Prazisions-Instrumenten  gemessen  wurde,  nicht  befremden. 

Da  die  zur  Berechnung  des  Fallwinkels  dienende 
Gleichung  ziemlich  einfach  ist,  so  wurde  in  obigen  Rech- 
nungen  die  Einsetzung  der  natiirlichen  goniometrischen 
Funktionen  der  Anwendung  von  Logarithmen  vorgezogen. 

Fur  Stellen,  an  welchen,  wie  im  genannten  Beispiel 
am  Hatterenwege,  in  unmittelbarer  Nahe  zwei  in  ver- 
schiedener  Bichtung  laufende  Schichtlinien  gemessen  wer- 
den  konnen,  bote  die  Gleichung 

tg  a 

tor   m  -m — P- 

6  Y  sin  (P  +  8) 
zugleich  das  Mittel,  den  Winkel  8,  d.  h.  die  Streichrichtung 
absolut genau  zu  bestimmen .  Bezeichnen  wir  die  entsprechen- 
den  Winkel  beider  Messungen  mit  a'  und  a",  (3'  und  £", 
so  ergeben  sich,  da  fiir  benachbarte  Stellen  cp  sowohl  als  5 
(Fallwinkel  und  Streichrichtung)  keinen  irgendwie  nennens- 
werten  Unterschied  zeigen,  folgende  Gleichungen: 

tg  a' 


tg  cp  -. 
tg  9 


sin  (^  +  8) 
tg  a" 


sin  (£"  +  8) 

cp  konnte  nun  eliminiert  werden  und  es  bliebe  noch 
eine  Gleichung  mit  der  Unbekannten  8  iibrig.  Allein  die 
resultierende  Gleichung  gestaltet  sich  fur  die  Berechnung 


667 


von  8  so  kompliziert,  class  sie,  wenn  nicht  durch  Trans- 
formation zweckdienlicher  gemacht,  fur  den  praktischen 
Gebrauch  ausser  Betracht  fallt. 

Bei  den  sehr  einfachen  tektonischen  Verhaltnissen  ist 
es  femer  moglich,  eine  Gleichung  aufzustellen,  welche  zu 
berechnen  gestattet,  wo  eine  an  einem  gewissen  Punkte 
konstatierte  bestimmte  Schicht  (z.  B  eine  Nagelfluhbank) 
an  einem  zweiten  Punkte  mit  verschiedoner  Meereshohe 
wieder  gefunden  werden  kann.  Es  sei  cp  der  Fallwinkel, 
h  die  HohendiiFerenz  (Unterschied  der  Meereshohen)  der 
beiden  Punkte  und  d  der  auf  der  Horizontalebene  (bezw. 
Karte !)  gemessene  senkrechte  Abstand  des  zweiten  Punktes 
von  einer  in  der  Streichrichtung  durch  den  ersten  Punkt 
gezogenen  Geraden.     Dann  gilt  die  Gleichung 

d  •  =  h  cotg  cp 
und  es  bezeichnen  die  Schnittpunkte  der  in  der  Entfernung 
d  durch  den  zweiten  Punkt  gezogenen  Streichrichtungs- 
linie  mit  den  Hohenkurven  des  Gelandes  (resp.  der  Karte) 
den  Ortderfraglichen  Schicht  fur  eine  bestimmte  Meereshohe. 
In  Worte  ubersetzt,  sagt  uns  diese  Gleichung  unter 
anderem  folgendes: 

Je  geringer  der  Fallwinkel,  desto  weiter  ausholend 
wird  die  Spitzkurve,  welche  eine  bestimmte  Schicht  in 
einem  Bach-  oder  Flussbett,  iiberhaupt  in  einer  Gelande. 
nische  bildet. 

Alle  die  erwahnten  Gleichungen  konnen  natiirlich  nur 
da  angewendet  werden,  wo  der  Nordflugel  der  Antiklinale 
nicht  durch  Dislokationen  weiterer  Art  in  seinem  ein- 
seitigen  Aufbau,  bei  welchem  die  Schichtflachen  wenig. 
stens  fiir  nicht  allzu  grosse  Strecken  als  schiefe  Ebenen 
aufgefasst  werden  konnen,  gestort  worden  ist.  Und  solche 
Storungen  konnen,  wenn  auch  nicht  in  grossem  Massstabe, 


5<>* 


immerhin  da  und  dort  konstatiert  werden,  am  frappantesteix 
sudostlich  vom  ersten  e  im  Wort  wHatterenwalda,  sodann 
auch  im  Steinbruch  beim  Griitli  im  Neudorf.  An  beidert 
Orten  scheint  gewolbeartige  Auf  stauchung  der  Schichten 
zu  einem  Bruch  mit  nachfolgender  Verschiebung  gef&hrt 
zu  haben,  so  dass  die  entsprechenden  Bruchrander  der 
Schichten  langs  einer  fast  schnurgeraden  Linie  mehrere 
Meter  von  einander  entfernt  sind  und  die  Schichten  zu- 
gleich,  einen  stumpfen  Winkel  bildend,  nach  verschiedenen 
Seiten  fallen.  Das  Vorkommnis  im  Hatterenwald,  an  und 
fur  sich  geringfugig,  ist  die  grosste  uns  in  der  Umgebung 
von  St.  Gallen  bekannte  sekundare  Dislokation  und  er- 
scheint,  da  die  Schichten  dort  im  allgemeinen  nur  zirka 
17°  fallen,  merkwurdig  genug,  denn  a  priori  wurde  man 
die  grosseren  Storungen  in  der  Antiklinalzone  bei  sehr 
steil  oder  senkrecht  stehenden  Schichten  suchen. 

Im  Hatterenwald  beobachtet  man  auch,  ungefahr  siid- 
lich  vom  „wu,  feine  Faltelung  der  Schiefermergel.  Sie  er- 
innert  ganz  an  zierliche  Bildungen,  wie  man  sie  im  Innern 
der  Alpen,  z.  B.  im  Biindnerschiefer,  oft  trifft.  Ahnliche. 
etwas  grobere  Faltung  im  Kleinen  sieht  man  an  der  rechten 
Seite  der  Goldach,  an  der  Strasse  nach  Untereggen,  in  der 
Nahe  des  die  Freudenberg  -  Nagelfluh  reprasentierenden 
Gerollbandes. 

Bei  der  Hebung  des  Gebirges  entstandene  Rutschungen 
mit  Calcit,  Spiegel  oder  Harnische  findet  man  da  und  dort, 
z.  B.  in  der  linksseitigen  Felswand  unterhalb  der  Martins- 
brlicke,  wie  auch  im  Galgentobel  und  an  der  Sitter;  ferner 
bei  dem  1903  vergrosserten  Reservoir  an  der  Speicherstrasse 
und  im  Mergel  beim  Reservoir  an  der  Teufenerstrasse. 

Ausgezeichnete  Kliiftung  beobachtet  man  im  Stein- 
bruch beim  Horst,  wo  zwei  Kluftflachensysteme  die  zirka 


569 


30°  NNW  fallenden  Schichten  kreuzen,  n&mlich  ein  mit  eben- 
falls  ca.  30°  S  fallendes  und  ein  zweites,  fast  senkrecht  zur 
Streichrichtung  stehendes.  Ahnliche  Verh&ltnisse  zeigen  sich 
beim  Einschnitt  der  Bahn  unter  Vogelinsegg  bei  Speicher. 

Kliiftung  mit  Kalksinter-Ausfullung  zeigt  sich  sehr 
schon  im  Steinbrach  SLadern  anderStrasse  von  St.Georgen 
nach  dem  Wenigerweiher. 

Fixieren  wir  ganz  kurz  noch  die  tektonische  Stellung 
unserer  Gegend  im  Zusammenhang  mit  einem  grdssern 
Gebiet.  Denken  wir  uns  das  Alpengebirge  als  ein  System 
ungefahr  paralleler  Falten  oder  Wellen,  die  in  den  kri- 
stallinischen  zentralen  Alpenkammen  ihre  grosste  Hohe 
erreichen,  aber  auch  in  den  nordlichen  und  siidlichen  Kalk- 
alpen  noch  bedeutende  Hohe  und  Intensitat  der  Faltung 
aufweisen,  wahrend  im  Molassevorland  die  Falten  stets 
niedriger  und  einfacher  werden,  so  liegt  die  Umgebung 
von  St.  Gallon  auf  dem  Nordflugel  der  aussersten  oder 
letzten  Welle  dieser  machtigen  Faltenschar.  Mit  andern 
Worten:  es  beginnt  am  Nordabhange  des  Tannenberges 
mit  der  gehobenen  Molasse  jener  machtige  Zusammen- 
schub  der  Erdrinde,  welchem  das  Alpengebirge  seine  Ent- 
stehung  verdankt.  Oder  noch  kurzer:  die  Alpen  reichen 
im  tektonischen  Sinne  bis  nach  Bernhardzell  und  Wald- 
kirch.  Vergleichen  wir  den  vom  Tannenberg  bis  zur  „hohen 
Buche"  reichenden  Nordflugel  der  ersten  Antiklinale  in 
Gedanken  mit  einem  von  St.  Gallon  quer  durch  die  Alpen 
bis  zur  Poebene  gezogenen  Profil,  so  werden  wir  finden, 
dass  die  erste  Falte,  einfach  in  ihrem  Bau,  aber  gross 
angelegt  und  imponierend  in  der  Breite  und  namentlich 
in  ihrer  gewaltigen  Langserstreckung,  einen  nicht  un- 
wiirdigen  Anfang  darstellt. 


570 

B.  Das  Diluvium 
oder  die  Qletscherablagerungen. 


I.  Einlcitung. 

Zur  Eiszeit  war  unser  Qebiet  von  den  gewaltigen  Eis- 
massen  des  Rheingletschers  bedeckt;  bei  dem  durch  Ab- 
schmelzen  erfolgten  Riickzug  des  Gletschers  aus  unserer 
Gegend  in  seine  Alpenheimat  liess  er  die  betrachtlichen 
Schuttmassen  zuriick,  welche  er  auf  seinem  Grande  (Grund- 
morane) and  auf  seinem  Riicken  (Obermorane)  hieher  ge- 
tragen  hatte.  Sie  bilden  das  Diluvium  unseres  Gebietes; 
weitaus  vorherrschend  tritt  dasselbe  als  Grundmorane  auf; 
sie  wird  charakterisiert  durch  die  grosse  Zahl  von  in  einer 
bald  mehr  sandigen,  bald  mehr  lehmigen  Grundmasse  ein- 
geschlossenen  Geschieben,  deren  Kanten  mehr  oder  weniger 
stark  abgestumpft  bis  vollig  verschwunden  sind,  wahrend 
ihre  Oberflache  haung  deutliche  Schrammung,  oft  verbunden 
mit  Politur,  aufweist;  a  lie  diese  Erscheinungen  erkliiren 
sich  als  Folge  des  ungeheuren  Druckes  der  machtigen  Eis- 
massen,  welche  einem  Hobel  gleich  die  Geschiebe  auf  ihrem 
Grunde  erfassten  und  auf  demselben  liber-  und  nebenein- 
ander  dahinschoben.  Das  Obermoranenmaterial  tritt  in 
unserm  Gebiet  gegeniiber  der  Grundmorane  ganz  zuriick ; 
es  kennzeichnet  sich  als  verhaltnismassig  lockere  Schutt- 
ablagerung,  deren  Geschiebe  meist  noch  deutliche  Kanten 
und  Ecken,  dagegen  keine  Schrammen  und  Politur  auf- 
weisen;  nirgends  fanden  wir  es  als  deutlich  zusamruen- 
hangende  Decke,  sondern  mehr  nur  vermengt  mit  Grund- 
morane oder  als  einzelne  erratische  Blocke  aus  derselben 
hervorragend. 


571 

f  Der  Riickzug  des  Gletschers  ging  ebensowenig  wie 
scin  Vorriicken  in  gleichm&ssiger  Weise  vor  sich ;  er  war 
im  Gegenteil  haufigen  und  oft  starken  Schwankungen 
unter  worfen,  je  nachdem  der  Zuwachs  oder  das  Abschmelzen 
des  Eises  iiberwog ;  hielten  sich  diese  beiden  Faktoren  das 
Gleichgewicht,  so  blieb  der  Gletscher  stationar ;  in  diesem 
Falle  konnte  sich  der  Schutt  an  seinem  untern  Ende  als 
ein  das  Tal  durchziehender  Querwall  (Endmorane)  an- 
hftufen ;  ebenso  blieb  derselbe  beim  Rtickzug  an  den  Tal- 
flanken  als  Langswalle  (Seitenmoranen)  liegen.  Leider  sind 
uber  alien  Zweifel  erhabene  End-  und  Seitenmoranenwalle 
in  unserm  Gebiet  nicht  erhalten  geblieben ;  was  auf  unsrer 
Karte  als  solche  verzeichnet  ist,  kann  seine  Wallform  eben- 
sogut  nachtraglicher  Erosion  oder  einer  unterlagernden 
Molasse-Erhebung  verdanken,  wie  weiter  unten  ausfiihr- 
licher  gezeigt  werden  soil. 

Wo  dem  Gletscherrande  starke  Schmelzwasser  ent- 
stromten,  erfassten  sie  den  Gletscherschutt,  um  ihn  mehr 
oder  weniger  weit  davon  entfernt  wieder,  und  zwar 
schichtenweise,  abzusetzen :  fluvioglaziale  Ablagerungen 
(verschwemmte  Morane);  solche  sind  in  unserem  Gebiet 
auffallend  haufig  und  nehmen  zirka  zwei  Funftel  der  vom 
Gletscherschutt  iiberhaupt  bedeckten  Flache  ein ;  bald  sind 
sie  lokal  enger  begrenzt  und  erscheinen  z.  B.  als  delta- 
artige  Schuttkegel  oder  formliche  Ausfullungen  von  klei- 
neren  oder  grosseren  Stauseen,  oder  aber  sie  bilden,  wenn 
von  einem  grossen  Gletscherstrom  tiber  eine  grosse  Flache 
ausgebreitet,  weit  talab warts  zu  verfolgende  Schottermassen 
Niederterrassenschotter  unserer  Karte). 

Nach  den  mustergiltigen  Untersuchungen  Penks  und 
3ruckners  kann  kein  Zweifel  mehr  an  einer  viermal  hinter- 
jinander    erfolgten  Vergletscherung    des   Bodensee-   und 


672 


damit  auch  unseres  Gebietes  bestehen ;  die  aus  den  alten 
Eiszeiten  stammenden  Moranen,  deren  ursprungliche  Foro 
oft  schon  stark  verwischt  erscheint,  werden  als  Altmoranei 
bezeichnet,  wahrend  man  unter  Jungmoranen  nur  diejenige: 
der  letzten  Eiszeit  versteht.  Mit  den  Moranen  verkniipi 
treten  die  fluvioglazialen  Schotter  auf ;  der  Niederterrassei 
schotter  entspricbt  den  Jungmoranen  und  stammt  also  ai 
der  letzten  Eiszeit ;  den  Altmoranen  entsprechen  die  Schott* 
der  drei  vorhergehenden  Eiszeiten ;  mit  dem  jungsten  b( 
ginnend,  sind  dieselben  unter  der  Bezeichnung  Hoc) 
terrassenschotter,  j  lingerer  Deokenschotter  und  alter* 
Deokenschotter  jetzt  allgemein  bekannt.  Die  Hauptmasi 
unseres  Gletscherschuttes  entstammt  der  letzten  Eiszei 
eine  Niederterrassenschotterflache  findet  sioh  W  vom  BiL 
wo  sie  das  Breitfeld  bildet  und  sich  noch  weit  liber  una 
Gebiet  nach  W  verfolgen  lasst.  Altmoranen  und  alter* 
Deokenschotter  wurden  von  uns  auf  dem  Tannenberj 
plateau  festgestellt,  und  Dr.  Gutzwiller,  der  von  uns  ai 
den  interessanten  Fall  aufmerksam  gemacht  worden  wa 
konstatierte  bei  Gelegenbeit  einer  gemeinsamen  BegehuB 
des  Plateaus  hier  auch  eine  mutmasslich  als  Hochterrassei 
schotter  aufzufassende  Ablagerung. 

Die  zwischen  zwei  aufeinanderfolgenden  Eiszeitc 
liegende  Zeitperiode  wird  als  Interglazialzeit,  die  wahren 
einer  solchen  zur  Bildung  gelangten  Ablagerungen  a 
interglazial  bezeichnet;  handelt  es  sich  dagegen  nur  ui 
eine  voriibergehende  lokale  Schwankung  innerhalb  ein< 
und  derselben  Eiszeit,  d.  h.  hatte  sich  der  Gletscher,  ohi 
bis  zu  den  Alpen  zuruckzukehren,  von  einer  Gegend  zi 
riickgezogen,  um  bei  einem  neuen  Vorstoss  wieder  ub* 
dieselbe  hinwegzugehen,  so  wird  die  verhaltnismassig  kurs 
eisfreie  Zeit  jener  Gegend  als  Interstadium  bezeichnet  ur 


^73 

die  innerhalb  eines  solchen  stattgefundenen  Bildungen 
heissen  interstadiar.  Dieser  Unterschied  ist  sehr  wiohtig, 
da  fruher  die  interstadiaren  mit  den  interglazialen  Ab- 
lagerungen  zasammengeworfen  warden,  was  Veranlassung 
zu  falschen,  voreiligen  Schliissen  gab.  Als  interglaoialen 
Ureprungs  gelten  die  Schieferkohlen  von  Morschwil,  welche 
aber  nicht  mehr  auf  unser  Kartengebiet  fallen;  der  Ab- 
bau  derselben  ist  schon  seit  Jahren  eingestellt  worden. 
Wenn  nun  aber  Deicke  jede  zwischen  ungeschichtetem 
Gletscherschutt  eingelagerte  lokale  Schotterbildung,  wie  er 
sie  beispielsweise  unterhalb  des  „Nestesu  an  der  Teufener- 
strasse  fand,  als  interglacial  auffasste,  so  ging  das,  wie 
schon  Gutzwiller  ausdriicklich  hervorhebt,  entschieden  zu 
weit;  es  kann  sich  gerade  in  diesem  Falle  nur  um  un- 
bedeutende  Scbwankungen  interstadiaren  Charakters  han- 
deln.  Bei  der  Entscheidung  der  Frage,  ob  eine  Ablage- 
rung  interstadiaren  oder  interglazialen  Ursprungs  sei,  ist 
oft  grosste  Vorsicht  geboten;  selbst  fur  die  Morschwiler 
Schieferkohle  ist  ein  eventueller  interstadiarer  Ursprung 
nicht  total  ausgeschlossen. 

In  unserm  Gebiete  ruht  der  Gletscherschutt  begreif- 
licherweise  tiberall  auf  der  anstehenden  Molasse ;  der  Kon- 
takt  ist  haufig,  allerdings  nicht  immer  mit  der  wiinschens- 
werten  Deutlichkeit,  direkt  wahrzunehmen,  z.  B.  an  den 
febigen  Steilwanden  unserer  tiefen  Erosionstobel,  wo  er 
rich  vor  allem  an  der  Goldach,  Steinach,  Sitter  und  Ur- 
nftsch  gelegentlich  auf  eine  ziemliche  Strecke  zusammen- 
hangendverfolgenlasst;  durchdiezahlreichen  Rutschungen 
wird  er  allerdings  haufig  verwischt,  wie  umgekehrt  durch 
eine  solche  auch  gelegentlich  eine  neue  Kontaktstelle  sicht- 
bar  werden  kann;  in  vielen  Fallen  verhindert  eben  die 
Vegetation  die  direkte  Wahrnehmung  des  Kontaktes. 


574 


Abgesehen  von  den  zahlreichen  Kontaktstellen  am 
Steilhang  unserer  grossern  und  kleinern  Wasserl&ufe  (z.  B. 
Urnasch,  rechtes  Ufer,  uber  Nagelfluhriff  S  Farnbuhl; 
Morane  ca.  2  m  machtig;  Sitter,  linkes  Ufer,  gegenuber 
Bleiche;  Steilhang  S  Ebnat;  ober-  und  unterhalb  R&dlisau; 
rechtes  Ufer:  W  Wilen  (durchRutschungverwischt);  stellen- 
weise  uber  dem  Elektrizitatswerk;  Steinach:  linkes  Ufer 
0  Kronbuhl;  Goldach:  linkes  Ufer,  Panzenrain,  vonBiber- 
hund  abw&rts  [besonders  schon  am  Rande  des  Kartengebietes]) 
sei  besonders  auf  folgende  Lokalitaten  hingewiesen,  wo 
ein  deutlicher  Kontakt  sichtbar  ist: 

Steinbruch  von  Notkersegg :  iiber  plattenartigen  Sand- 
stein  mit  ripple-marks  (Wellenfurchen)  und  zylindrischen 
Wurmsteinen  liegt  Grundmorane,  zirka  4  m  machtig. 

Der  Steinbruch  von  Beckenhalden  oberhalb  St.  Greorgen 
weist  den  obigen  analoge  Kontaktverhaltnisse  auf;  die 
Morane  ist  besonders  im  westlichen  Teil  nur  noch  wenig 
machtig;  ostlich  der  Strasse  ist  der  Kontakt  infolge  Ver- 
schuttung  zurzeit  nicht  gut  sichtbar. 

Sturzenegg  (Giibsenmoos) :  beim  Strasseneinschnitt 
direkt  unterhalb  des  Wirtshauses,  neuer  pr&chtiger  Auf- 
schluss  eines  Kontaktes:  Morane,  marinen  Sandstein 
(Zwischenschicht  eines  Nagelfluhriftes )  iiberlagernd. 

Auch  die  Mergelgrube  am  Ostabhange  des  Brugg- 
waldes  (bei  Riiti)  lasst  an  ihrem  Eingang  einen  Kontakt 
erkennen,  wie  ein  solcher  auch  bei  Gelegenheit  von  an 
entsprechender  Hohe  erstellten)  Neubauten  auf  dem  Rosen- 
berg vorubergehend  zu  konstatieren  war. 

Wo  ein  Gletscher  talwarts  vorriickt,  vermag  derselbe 
haufig  den  Talboden  oder  die  Talflanken  mittelst  der  an 
seinem  Grunde  und  zwischen  Eis  und  Talwand  unter  ge- 
waltigem  Druck  vorwarts  bewegten  Geschiebezuschrammen 


f   unci  zi 


ML' 


:**: 


zti  polieren.  Unsen?  Bemuhungon,  auch  in  unserem 
iot  duj.se  Spuren  tVulnTer  (Jlrtschrrtati^keit  an  an- 
stehendem  Fels  nachzuweisen,  sind  leider  bis  jetzt  erfolg- 
los  geblieben,  obwohl  wir  mehrere  Kontaktstellen  direkt 
darauf  hin  untersucht  haben ;  einer  giitigen  Mitteilung  von 
>s^  Herrn  Erziehungsrat  Schlatter  zufolge,  die  wir  hiemit 
bestens  verdanken,  erwies  sich  dagegen  die  anlasslich  der 
Anlegung  des  Reservoirs  an  der  Teufenerstrasse  vom  uber- 
lagernden  Gletscherschutt  befreite  Nagelfluh  typisch  ge- 
es. ^  schliffen.  Uns  scheint,  dass  die  in  unserm  Gebiet  zutage 
tretenden  Gesteinsarten  im  allgemeinen  wenig  geeignet 
waren,  allfallige  Schrammung  und  Politur  bis  auf  den 
ni*ou  heutigen  Tag  zu  konservieren.  Gliicklicher  als  wir  war 
Dr.  Friih*),  welchera  es  vergonnt  war  (allerdings  ausser- 
Ar-  halb  unseres  Kartengebietes),  bei  Oberdorf  auf  Kalknagel- 
fiuh  und  bei  Miinchwilen  auf  Wetterkalk  prachtige  Schliff- 
flachen  aufzudecken;  erstere  Lokalitat  liegt  direkt  west- 
lich  unseres  Kartengebietes,  nur  1  km  weit  davon  ent- 
fernt;  beide  aber  liegen  innerhalb  des  friihern  Bereiches 
*n;r  des  St. Galler  Rheingletscherarmes,  weshalb  wir  glaubten, 
i":.'-l    tier  davon  Notiz  nehmen  zu  mlissen. 

II.  Die  erratisehen  Blffckc  oder  Findlingc. 

Von  jeher  hat  unsere  Gesellschaft  den  in  unserem 
Kanton  so  iiberaus  haufig  anzutreftenden  Findlingen  ihr 
besonderes  Interesse  zugewendet  —  Beweis  die  von  der 
Gesellschaft  durch  Kauf  oder  Schenkung  erworbenen  zahl- 
reichen  Blocke,  von  welchen  die  meisten  (mit  einer  Marke 
versehen)  heute  noch   an  Ort   und  S telle   zu  sehen   sind, 


*)  Zur  Geologie  von  St.  Gallen  und  Thurgau,   von  Dr.  Friih. 
Jabrbuch  1884/85,  pag.  109:  Zur  Konntnis  des  Rheingletschers. 


676 


sowie  die  interessante  Kollektion  von  Findlingen  aus  der 
Umgebung  der  Stadt,  welche  nun  einen  besondem  An- 
ziehungspunkt  unseres  schonen  Stadtparkes  bildet. 

Friiher  verband  man  mit  dem  Begriff  des  Findlings 
eine  gewisse  (Block-)  Grosse;  im  Grunde  genommen  ist 
dieselbe  aber  durchaus  irrelevant  und  im  weiteren  Sinne 
genommen  kann  iiberhaupt  jedes  Gletschergeschiebe,  ob 
klein  oder  gross,  ob  auf,  im  oder  unter  dem  Eise  ver-  j. 
frachtet,  als  Findling  angesprochen  werden;  selbstver- 
standlich  sind  jedoch  von  uns  nur  solche  Findlinge  ein- 
getragen  worden,  deren  rauraliche  Ausdehnung  sie  nicht 
leicht  iibersehen  lasst,  wobei  wir  uns  allerdings  nicht  an 
eine  bestimmte  Grenze  gehalten  haben,  da  je  nach  Urn- 
standen  ein  verhaltnismassig  kleines  Geschiebe  das  grossere 
Interesse  beanspruchen  kann,  als  ein  grosser,  mehrere  m8 
messender  Block. 

Von  grosster  Wichtigkeit  ist  dagegen  die  Natur  des 
betreffenden  Gesteins,  aus  welchem  der  Findling  besteht : 
weiss  man,  wo  dasselbe  als  fester  Fels  ansteht,  so  lassen 
sich  oft  daraus  zwingende  Schliisse  auf  den  vom  Gletscher 
zuriickgelegten  Weg  ziehen,  denn  nur  solche  Gesteine  wird 
der  Gletscher  in  irgend  einer  Gegend  als  Findlinge  zuriick- 
lasaen  konnen,  welche  er  auf  seinem  Wege  anstehend  ge- 
troften  hat;  je  mehr  wir  uns  von  den  Alpen  entfernen, 
umso  mannigfaltiger  werden  dahor  auch  die  Findlinge  in 
Bezug  auf  den  petrographischen  und  stratigraphischen 
Charakter  des  Gesteins  sein.  Die  Gesteinsnatur  der  Find- 
linge setzt  uns  auch  in  den  Stand,  gelegentlich  die  Ab- 
lagerungen  ernes  bestimmten  Gletschers  von  denjenigen 
eines  andern  abzugrenzen  ^siehe  Santisgletscher).  tJberaus 
wichtig  ist  auch  die  raumliche  Verteilung  der  Findlinge 
in  horizontaler  und  vertikaler  Richtung:  iiber  alle  Hohen, 


677 


seiche  von  Findlingen  gekront  werden,  muss  seinerzeit 
ie  machtige  Eiszunge  dahingeglitten  soin. 

Die  Findlinge  sind  in  unserer  Gegend  iiberaus  zahl- 
iich;  selbstverstandlich  konnte  keine  Rede  davon  sein, 
e  auch  nur  annahemd  vollzahlig  in  der  Karte  einzu- 
agen.  Die  grossern  Blocke,  welche  an  leichter  zug&ng- 
?hen  Stellen  liegen,  verschwinden  immer  mehr,  da  sie 
h  Bauten  usw.  zweckmassige  Verwendung  finden  und 
;funden  haben;  es  ist  daher  begreiflich,  wenn  die  grossern 
locke  je  l&nger  je  mehr  in  den  zahlreichen,  oft  schwer 
iganglichen  grossern  und  kleinern  Tobeln  unseres  Ge- 
Letes  gesucht  werden  mttssen;  bei  Terrainbewegungen 
a  Gletscherschutt  kommen  sie  selbstverstandlich  eben- 
dls  haufig  zum  Vorschein. 

Die  Grosse  der  Blocke  schwankt  ganz  bedeutend; 
)lche  von  iiber  1  m3  sind  (wohl  aus  oben  erwahnten 
friinden)  nicht  mehr  haufig;  bei  den  Bahnhofumbauten 
uf  der  Geltenwilerbleiche,  sowie  bei  verschiedenen  Aus- 
rabungen  im  Stadtgebiet,  kamen  jedoch  eine  ziemliche 
Lnzahl  solcher  verhaltnismassig  grosser  Blocke  zum  Vor- 
jhein.  Von  den  in  der  Karte  verzeichneten  Blocken  von 
ber  1  m3  Grosse  seien  beispielsweise  die  folgenden  her- 
orgehoben:  Kalk,  zwischen  Au  und  Wiesbuhl  im  0  der 
[arte,  gesprengt  und  teilweise  verwendet;  Rest  immer 
och  zirka  4  m3.  Nagelfluh  im  Katzenstrebel,  im  kleinen 
obel  ostlich  von  Ebnat  (unter  z ) ;  zirka  6,30  m3.  Sand- 
ein  der  untern  Siisswassermolasse,  Joosniti,  im  Bachlein 
sim  Ubergang ;  iiber  2  m3.  Nagelfluh,  oberhalb  Loch  ostlich 
fenigerweier,  seither  in  zwei  Stticke  gesprengt ;  iiber  2  m8. 

NurausnahmsweisefindensicheinzelneerratischeBlocke 
rekt  auf  anstehendem  Molassefels  ruhend;  meist  ragen 
3  aus  einer  (manchmal  allerdings  sehr  wenigmachtigen  und 

37 


578 


unzusammenhangenden)  Moranendecke  heraus  pder  wurden 
bei  Grabungen  aus  einer  solchen  zutage  gefordert.   See- 
laffe  und  Puntaiglasgranit  sind  fur  die  Ablagerungen  des 
Rheingletschers  ganz  besonders  charakteristisch  und  iiber- 
dies  leicht  erkennbar;  sie  finden  sich  darum  so  ziemlich 
liberall  eingetragen,  wo  wir  ihnen  als  Findlingen  begegnet 
sind.    Die  facherformige  Ausbreitung  des  Rheingletschers 
liber  unsere   Hochebene,   nachdem   er  das  Tor  zwischen 
Bregenz   und  Rheineck  -  Staad   mit  der  dort  anstehenden 
schmalen  SeelaiFenzone  passiert,   wird   gerade   durch  die 
Verbreitung  der  Seelaffenblocke  in  ausgezeichneter  Weise 
illustriert  (siehe  Karte  der  Drumlins  im  alpinen  Vorland 
von  Dr.  Friih,  Jahrbuch  1894  95);  das  Erratikum  unserer 
Gegend  verdankt  seine  Ablagerung  einem  Gletscherann. 
welchen  der  Rheingletscher  als  seine  linke  Flanke  aus  der 
Bodenseegegend  liber  St.  Gallen-Flawil  und  Wil  hinaus 
westwarts  vorgeschoben  hatte.     Es  ist  uns  gelungen,  so- 
gar  noch  in  dem  westlich  der  Goldach  gegen  Speicher- 
schwendi  ausgebreiteten  Erratikum  bisher  unbekannte  See- 
laffenblocke  nachzuweisen.  Der  Block  imBachtobel  zwischen 
Au  und  Wiesblihl  bietet  besonderes  Interesse  dar  durch  den 
Umstand,   dass  er  von  alien  der  Seelaffenzone  zunachst 
gelegenen  der  am  weitesten  nach  S  vorgedrungene   ist; 
ihm  reiht  sich  der  Seelaffenblock  im  verschwemmten  Mo- 
ranenschutt  ostlich  vom  Barenwald  unterhalb  der  Land- 
strasse   nach  Speicher  (Rank)  wlirdig  an,   liegt  er  doch 
mit  ihm  in  einer  und  derselbon  SW  Bewegungsrichtung  des 
vorriickenden    Gletschereises.     Der   Rheingletscher    muss 
also  hier  an  seiner  aussersten  linken  Flanke,  dem  natlir- 
lichen  Bestreben  nach  facherformiger  Ausbreitung  folgend, 
von  der  allgemeinen  Westrichtung  abweichend,  sogar  nach 
SW  abgebogen  haben. 


679 


Mit  der  Bestimmung  der  Hohe,  bis  zu  welcher  hin- 
f  Findlinge  reichen,  lasst  sich  auch  die  friihere  Aus- 
hnung  der  Eismassen  in  vertikaler  Richtung  ann&hernd 
itstellen.  Nun  fanden  wir  im  SO  unseres  Kartengebietes 
i  Neppenegg  noch  Blocke  in  einer  Hohe  von  1020  m 
d  auf  der  entgegengesetzten  NW  Seite  ist  die  hochste 
hebung  von  911  m  (Steinegg  ostlich  Thai)  noch  von 
etscherschutt  bedeckt.  Ferner  reicht  die  Moranendecke 
susagen  auf  die  Hohe  des  Kapfes  840  m  ostlich  der 
idt  hinauf;  am  Nordabhang  des  Hohenzuges  der  Egg 
jigt  sie  (im  Osten  gegen  Birt  und  Vogelinsegg)  sicher 
$  zu  960  m,  wenn  nicht  noch  hoher  aufwarts.  Wir  sind 
her  zu  der  Uberzeugung  gelangt,  dass  zur  Eiszeit  unser 
,nzes  Gebiet  vom  Rheingletscher  langere  Zeit  hindurch 
•llig  iiberdeckt  gewesen  sein  muss,  eventuell  mit  Ausnahme 
sjenigen  (ostlichen)  Teiles  der  Egg,  welcher  die  Hohe 
m  zirka  1020  m  iiberschreitet,  welcher  also  moglicher- 
eise  als  Nunatak  aus  dem  Eismeer  riffartig  emporzu- 
igen  vermochte. 

In  Bezug  auf  die  Herkunft  der  erratischen  Gesteine 
sst  sich  folgendes  angeben :  Die  unserm  Gebiet  zunachst 
slegene  Molasse  lieferte  Sandsteine  verschiedener  Art 
larunter  granitischen  Sand  stein)  und  Nagelfluh,  selten 
it  harten  Mergel*);  ihr  entstamnit  auch  die  bereits  ein- 
ahend  bevsprochone  SeelalFe;  aus  dem  den  Alpen  vorge- 
gerten  und  tief  in  dieselben  eindringenden  Eocan  stammt 
jispielsweise  der  Nummulitenkalk   und  der  Taviglianaz- 


*)  Dor  Mergol,  sowie  auch  die  weichcrn  Sandsteine  konnten 
>en  den  langen  Transport  nicht  anshalten,  ohne  zu  Ton  und 
knd  zerrieben  zu  werden ;  aus  ahnlichern  Grunde  triiVt  man  nur 
lten  ganze  Blocke  von  hunter  Nagelfluh,  wohl  aber  haufig  die 
nzelnen  Gerolle  derselben. 


680 

sandstein ;  die  Kalke  der  Rreide  und  des  Jura  (Kieselkalk, 

Schrattenkalk,  Gault,  Seewerkalk,  Hochgebirgskalk)  wur- 

den  von  der  Siidflanke  der  Todi-  und  Ringelspitzkette,  vom 

Calanda,  Alviergruppe  und  der  Santis-Alpsteinkette  hieher 

getragen;  aus  demeigentlichen  Ursprungsgebiet  desRhein- 

gletschers,  dem  Biindner  Oberland,  von  der  Oberalp  bis 

zur  Medelser-  und  Adula-Gruppe  und  von  der  T6dikette 

bis   zur  Ringelspitze,    stammt  schliesslich   das  Gros  der 

kristallinischen  Gesteine  (Silikatblocke). 

In  der  nachfolgenden  Liste  wurde  versucht,  dieselben, 

soweit  es  uns  moglich  war,  mit  Angabe  ihres  Ursprungs- 

ortes*)   aufzuzeichnen ;   wir  haben  dabei  die  im  ganzen 

Kanton  herum  zerstreut  liegenden  Silikatblocke  mitberuck- 

sichtigt,  da  sie  ja  begreiflicherweise,  soweit  sie  iiberhaupt 

nicht  schon  aus  der  Umgebung  von  St.  Gallen  bekannt 

sind  (was  bei  den  meisten  der  Fall  ist)  doch  ebensogut 

auch  hier  liegen  konnen. 

Granite  in  verschiedenen  Varietaten,  z.  B.  Puntaiglas  von 

der  Siidseite  der  Todikette,  Val  Puntaiglas,  oberhatt) 

Truns. 

Syenitische  Varietat,  mit  Glimmer,  Hornblende   und 

Titanit ;  vom  Piz  Ner  zwischen  Val  Puntaiglas  und 

Val  Gliems. 

Protogyn  von  der  Nordseite  des  Tavetsch. 

Gneisgranit  in  grobkorniger  Varietat,   u.  a.  im  Val 

Medels  ob  Acla  anstehend ;  eine  andere  Varietat  mit 

bliiulichem  Feldspat  (selten)  aus  dem  Val  Somvix. 

Julier-Albula-Granit  aus  dem  Julier-  und  Albulagebiet. 

*)  Noben.  ei^onfn  Kunden  waren  fur  uns  massgebend  die  im 
Museum  aufbewahrten  Handstiicke;  die  genaue  Bestimmung  ist  in 
alien  Fallen  Prof.  Dr.  Heitn  zu  verdankon.  Siehe  letzte  Liste  der 
erratisehen  Blocke  von  C.  Rebsteiner  iin  Jahrbuch  1900/01,  welche 
bier  beniitzt  worden  ist. 


581 


36  in  verschiedenen  Varietaten,  z.  B.  Granitgneis :  a) 
aus  dem  linken  Vorderrheintal  (Piz  Ner  und  Piz 
Gliems) ;  b)  linke  Seite  desTavetsch,  zum  Teil  Gipfel- 
gestein ;  c)  Zentralgranitgneis,  wahrscheinlich  vom 
Piz  Alpetta,  Oberalpstock  oder  Krispalt. 

Talkgneise,  darunter  das  echte  IlanzergesteinEschers: 
Verrucanogebiet  des  Vorderrheintals  (Oberalpstock 
bis  zum  Calanda  und  den  Grauen  Hornern). 

Chloritgneis,  in  Verrucano  iibergehend :  bekannt  vom 
Limmernboden,  vom  Val  Puntaiglas  und  vom  Val 
Rusein. 

Phyllitischer  Verrucanogneis  aus  dem  Vorderrheintal 
von  Brigels  bis  Felsberg. 

ifit  (roter  Verrucano):  anstehend  vom  Siidufer  des 
Walensees  bis  ins  Vorderrheintal  und  von  den  Grauen 
Hornern  bis  zur  Sandalp.  Besonders  haufig  im 
Erratikum  des  Linthgletschers. 

Iner  Sohiefer,  eine  Varietat  von  Vals ;  ein  glimmerarmer 
Quarzit  stammt  nach  Dr.  Friih  wahrscheinlich  aus 
liasischem  Btindnerschiefer  (Zone  Bernhardin-Vals 
N  Piz  Aul  und  Piz  Terri). 

sartiger  Verrucano  in  sehr  verschiedenen  Varietaten, 
z.  B.  eine  Varietat  von  den  Brigelser  Hornern,  eine 
andere  von  den  beidseitigen  Abhangen  des  Tales 
zwischen  Trons  und  Ilanz,  zugleich  Gipfelgestein 
auf  Sardona,  Ringelkopf,  am  Tumbif  usw. 

Aporphyr  (Rofnagneis)  vom  Hinterrhein:  Schamsertal, 
zwischen  Andeer  und  Splugen;  ebendaher  stammt 
der  seltene  Rofnaporphyrit. 

te  in  sehr  verschiedenen  Varietaten,  samtlich  von  der 
Sudseite  der  Todigruppe,  z.  B.  am  Piz  Ner,  Piz 
Gliems  usw. 


582 


Syenit  von  ebendaher;  eine  Varietat  Glimmersyenit  vom 

Piz  Ner,  Piz  Alpetta  und  Oberalpstock. 
Quarzite  aus  dem  Quellengebiet  des  Vorderrheintals. 
Eklogit  in  verschiedenen  Varietaten:  Ursprung  nicht  gam 

sicher,  nach  gdtiger  Mitteilung  von  Dr.  Fruh  kommt 

Vals  und  Piz  Fanella  in  Betracht. 
Gabbro  (seiten!);  eine  ahnliche  Varietat  bei  MarmeU  (Ober- 

halbatein)  anstehend. 
Serpentin,  ebenfalls  in  verschiedenen  Varietaten;  besonders 

interessant  eine  Varietat*) :  rot  und  dunkelgnin  g&- 

fleckt  mit  Kalkspatadern,  anstehend  im  Val  Nandro, 

ostlich  Savognin  (seiten). 
Als  Erganzung  sei  schliesslich  auch  noch  eines  Vertretew 
der  alpinen  Trias  gedacht,  welchen  wir  neu  als  erratischen 
Block  auf  der  Geltenwilenbleiche  getroffen  haben:  weisser, 
beim  Verwittern  rotlich  werdendor  Dolomitkalk,  anstehend 
innerhalb  der  Dolomitzone  Davos- Arosa;  der  ebenfalls  neue 
Eklogit  wurde  ebendaselbst  und  bei  Ruti,  oberhalb  St.  Jo~ 
sephen  gefunden. 

III.  Das  Hoehtal  von  St.  Gallon, 
a)  Das  Gebiet  von  Winkeln. 

Vom  Bild  zum  Gnindenwald  erstreckt  sich  der  schmaJ* ' 
Uberrest  eines  urspriinglich  jedenfalls  viel  ansehnlichere^ 
Moranenwalles ;  westlich  vom  Bild  ist  derselbe  durcL^ 
Schtitzengraben  trefftich  aufgeschlossen ;  hier  zeigt  sick* 
lehmige  Grundmorane  mit  zahlreichen,  haufig  geschrammteii- 
und  polierten  Geschieben,  vermischt  mit  ziemlich  viel  Ober- 
moranenmaterial.  Gefunden  wurden  Granite,  Diorit,  Verru- 


*)  Von  Bildhauer  Conti  in  der  Nahe  der  Krazernbriicke  auf- 
gefunden  und  in  vordankenswerter  Weise  dem  Museum  geschenkt. 
Ein  kleint's  Gt*rull  desselben  GesU'ins  ist  uns  seither  von  St.  Fiden 
zii"t*koii)ni<'n. 


J 


583 


cano.    Ilanzergestoin,   Kofnaporphyr,   Gneis,   Talkschiefer, 

Sandsteine,  alpine  Kalke,  Seelaffe  —  alles  Gesteine,   wie 

sie  iiberall  in  den  aus  der  letzten  Eiszeit  stammenden  Ab- 

lagerungen  des  Rheingletschers  eingebettet  liegen.    Mehr 

sis  irgend  ein  anderer  ahnlicher  Wall  auf  unserm  Karten- 

gebiet  macht  uns  dieser  den  Eindruck   einer  wirklichen 

Endmorane;   gestiitzt  wird  unsere  Auffassung  durch  die 

Tatsache,  dass  sich  im  W  eine  typische  Schotterflaehe  an 

ihn  anlehnt,  welche  sich  nach  Dr.  Gutzwiller  (Karte  des 

Santisgletschers,   Jahrbuch    1871  72),    den   Talboden    be- 

deckend,  weit  iiber  unser  Gebiet  hinaus   bis  nach  Flawil 

verfolgen  lasst.     Auf  unsere  Karte  fallt  nur  der  Beginn 

dieses   Schotters,    das   ostliche  Ende    des  Breitfeldes,    in 

welchem  es  zurzeit  an  Aufschliissen  vollig  mangelt;  eine 

friiher  ausgebeutete  und  auf  der  Karte  bemerkte  Kiesgrube 

an  der  Landstrasse  nach  Gossau  ist  namlich  seither  vollig 

tiberwachsen  und  lasst  nichts  mehr  erkennen;   doch  gibt 

Gutzwiller  fur  die  Gegend  von  Winkeln  eine  horizontale 

Schichtung  der  Kiesflache  an.    Eine  solche  konstatierten 

"wir  in  den  schonen,  westlich  unseres  Kartengebietes  ge- 

legenen  Kiesgruben  von  Mettendorf  und  Gossau;  stellen- 

>veise  (z.  B.  Kressbrunn  W  Gossau)  sind  die  Gerolle  zu 

^iner  ziemlich  festen  Nagelfluh  verkittet.  Zweifellos  haben 

vrir  es  mit  einer  dem  Niederterrassenschotter  ent- 

sprechenden  Kiesablagerung  zu  tun;   moglicherweise  er- 

streckte  sich  zur  Zeit,  da  sich  der  Gletscher  etwa  bis  nach 

Bruggen  zunickgezogen  hatte,  ein  schmaler  Stausee  vom 

Bild  bis  nach  Flawil,  welcher  durch  den  Kies  aufgefullt 

worden  ist.   In  der  Tat  hat  Gutzwiller  bei  Flawil  Moranen- 

walle  verzeichnet,  welche  allenfalls  eine  stauende  Wirkung 

ausuben  konnten:   erst  durch   ein  eingehenderes  Studium 

der  Flawiler  Gegend  wird  sich  jedoch  in  dieser  Beziehung 


584 


Sicheres  feststellen  lassen.  Jedenfalls  aber  muss  diewr 
Schotter  beim  Ruckzug  des  GUetschers  durch  einen  dem 
letztem  entstromenden,  naoh  Westen  abfliessenden  Fluw 
abgelagert  worden  sein,  wahrend  heutzutage  die  haupt- 
sachlich  in  Betracht  kommende  Flussrinne,  namlioh  die 
Sitter  (mit  der  Urnasch  vereinigt),  wenig  ostlich  vom  Bild 
in  einem  starken  Bogen  aus  der  westliohen  in  eine  nord- 
nordostliche  Richtung  umbiegt;  wahrscheinlicherweiseliegt 
hier  einer  der  so  zahlreichen  Palle  von  einer  durch  Mo- 
ranen  bewirkten  Flussablenkung  vor. 

Erganzend   sei  noch  darauf  hingewiesen,   dass  mog- 
licherweise  der  Kieshugel  668  0  vom  Bildweiher  die  ost- 
liche  Fortsetzung  des  Endmoranenwalles  bildet ;  der  TJm- 
stand,  dass  derselbe  aus  geschichtetem  Material,  en  tsprechend 
den  librigen  Kiesgruben  um  den  Bildweiher,  besteht,  beweist 
durchaus  nichts  dagegen.  da  nach  Penk*)  iiberall  da,  wo 
viel  Schmelzwasser  dem  Gletscher  entstromte,   die  End- 
morane  auch  als  Schottermorane  zur  Ablagerung  gelangen 
konnte,  sofern  die  Stosskraft  nicht  geniigend  war,  um  das 
Material  weiter  fortzutragen. 

Um  den  Bildweiher  herum  bieten  eine  grossere  Zahl 
von  Kiesgruben  prachtige  Aufschliisse  dar;  es  zeigen  die- 
selben  im  allgemeinen  eine  durchaus  unregelmftssige  Schich- 
tung,  und  das  Bild,  welches  dieselben  im  Verlaufe  ihres 
Abbaues  darbieten,  wechselt  so  stark,  dass  man  sich  vor 
voreiligen  Schliissen  wohl  huten  muss.  Schichtenvonfeinem 
und  grobem  Sand,  feinem  und  grobem  Kies,  Lehm  und 
Ton  (lutztere  in  sehr  diinnen  Schichten)  wechseln  in  bunter 
Reihe  miteinander  ab;  die  Neigung  der  Schichten  kann 
von  unten  nach  oben  stark  wechseln,  ja  geradezu  eine 
entgegongesetzte  werden ;  stellonweise  ist  eine  ausgepragte 

*)  Ponk  und  Briickner:  Die  Alpen  im  Eiszeitalter,  pag.  17. 


r 


diskordante  Parallelstruktur  (Deltastruktur)  nicht  zu  ver- 
kfiineii ;  d'w  zwci  diivkt  X  d<T  Stmsse  von  Bild  imrh 
Winkeln  gelegenen  Gruben  scheinen  eine  horizontale  Uber- 
gussschicht  aufzuweisen,  die  zwischen  Bildweiher  und 
Gubsenmoos  in  der  Mulde  gelegene  Grube  erwies  sich  bei 
einem  Besuche  durchwegs  horizontal  geschichtet;  auch 
stark  verbogene  Schichten  waren  in  einigen  dieser  Gruben 
zu  konstatieren.  Die  Gerolle  (einzelne  grossere  Blocke 
kommen  noch  vor)  sind  gelegentlich  noch  deutlich  gekritzt 
und  lassen  hie  und  da  sogar  noch  Politur  erkennen.  Aus 
alien  diesen  Tatsachen  ergibt  sich,  dass  wir  es  mit  einer 
fluvioglazialen  Ablagerung  zu  tun  haben,  welche  in  nachster 
Kahe  des  Gletscherrandes  infolge  der  abschwemmenden 
Wirkung  der  Schmelzwasser  zur  Ablagerung  gelangt  ist. 

b)  Bruggen-Stadtgebiet-Krontal. 

Tiber  die  Krazernbrticke,  wo  wir  im  Tobel  zu  beiden 
Seiten  der  Sitter  die  Molasse  entblosst  sehen,  gelangen 
wir  nach  Bruggen;  bei  Gelegenheit  der  in  der  letzten 
Zeit  dort  erstellten  Neubauten  wurde  typische  Grundmorane 
mit  gut  gekritzten  und  polierten  Geschieben,  worunter  solche 
von  Blockgrosse,  aufgeschlossen ;  Puntaiglasgranit  und  See- 
laflfe  fehlten  selbstverstandlich  nicht.  Wo  sich  Spuren  einer 
schwachenVerschwemmung  zeigten  (zwischen  Bruggen  und 
Moos,  N  der  Bahnlinie),  liegt  wahrscheinlicherweise  eine  un- 
bedeutende  jiingere  Alluvion  vor,  welche  auf  Rechnung  des 
von  Boppartshof  herunterkommenden  Baches  zu  setzen  ist. 

Den  kleinen  Wall,  Rosenbuhl  genannt,  welcher  sich  dem 
Abhang  der  Solitude  anschmiegt,  fassen  wir  mit  Gutzwiller 
als  einen  Moranenwall  und  zwar  als  das  tJberbleibsel  einer 
Seitenmor&ne  auf;  wahrscheinlich  erstreckte  sich  dieselbe 
urspriinglich  noch  weiter  nach  W,   wo   sie  seither  wohl 


586 


durch  Erosion  zerstort  worden  ist ;  vielleicht  bilden  die  in 
der  Tiefe  zwischen  Hinterberg  und  Haggen  lagernden, 
horizontal  geschichteten  Schotter  ihr  Aquivalent. 

Bei  Moos  (Eisweiher)  treffen  wir,   worauf  schon  der 
Name  hinweist,  auf  torfigen  Boden.    Torfboden  setzt  stets 
als  Grundbedingung  seiner  Entstehung  eine  undurchlassige, 
also  lehmige  Unterlage  voraus.     Es  ist  daher  leicht  ver- 
standlich,  wenn  sich  hier  eine,  allerdings  seit  einigen  Jahren 
ausser   Betrieb   gesetzte,   Ziegelhiitte   befindet;  jedenfalls 
muss  aber  das  Rohmaterial,  soweit  es  sich  wenigstens  ge- 
eignet  erwies,   an  Ort  und  Stelle   bald   erschopft  worden 
sein,  denn  nach  einer  miindlichen  Mitteilung  des  letzten 
Besitzers  ist  der  zur  Ziegelfabrikation  notige  Lehm  aus 
eigens  zu  diesem  Zwecke  eroffneten  Gruben  bei  Moosgarten 
im  Abtwiler  Moos  hieher  gefuhrt  worden ;  es  mag  gerade 
diese  Transportnotwendigkeit  mit  zur  Einstellung  des  Be- 
triebes  gefuhrt  haben.    Sehr  wahrscheinlich  befinden  wir 
uns  hier  bereits  wieder  auf  fluvioglazialem  Terrain ;  dar- 
auf  deutet  die  schone,  grosse  Kiesgrube  westlich  Schonen- 
wegen,  welche  in  demselben  kleinen,  am  Rande  des  Sitter- 
ufers  gelegenen  Hiigels  angelegt  ist,  auf  welchem  sich  i*1    i 
friihern  Zeiten  die  Richtstatte  befand;  ein  grosser  Teil  dea 
Hiigels  ist  seither  infolge  der  Kiesausbeute  bereits  abg6* 
tragen  worden.  Dieser  prachtige  Aufschluss  weist  Schichtea 
von  Lehm,  Sand,  feinem  und  grobem  Kies  auf,  welche  lU 
bunter   Reihe   miteinander   wechseln,    wobei   sie  sich   ^ 
schmitzartig  auskeilen ;  von  einer  einheitlichen  Schichtu*^ 
kann  keine  Rede  sein ;  die  Schichten  sind  oft  in  der  met* * 
wiirdigsten  Weise  verborgen,  bilden   Mulden   und  Satt>* 
und  weisen  oft  eine  geradezu  verbliiffende,  den  natiirlich^^ 
Boschungswinkel  stark  ubersteigende  Neigung  auf.     ^- 
einer  Stelle,  links  am  Eingang  zur  Grube,  waren  nach  ^ 


r 


587 


tallende  Schichten  von  solchen  direkt  entgegengesetzter 
Neigung  diskordant  iiberlagert;  kurz  und  gut:  uberall  das 
Bild  der  Regellosigkeit  und  des  Wirrwarrs.  Im  Verlaufe 
des  Abbaues  kamen  eine  ziemliche  Zahl  grosserer  Blocke, 
auch  solche  iiber  Kubikmetergrosse,  zum  Vorschein.  Jeden- 
falls  handelt  es  sich  auch  hier  am  eine  Ablagerung,  welche 
in  nachster  Nahe  des  Gletscherrandes  durch  Schmelzwasser 
von  geringer  Stosskraft  angehauft  worden  ist. 

Von  Schonenwegen  nach  Lachen  steigt  das  Gelande 
plotzlich  ziemlich  stark  an,  eine  auffallende  Niveauschwelle 
bildend,  uberall  liegt  hier  echte  Grundmorane,  als  Block- 
lehm  entwickelt.  Von  den  Hausern  der  Lachen  zur  Burg 
zieht  sich  ein  topographisch  gut  ausgepragter  Wall,  wo- 
von  das  N  der  Strasse  gelegene  kleinere  Stuck  in  den 
letzten  Jahren  behufs  Erstellung  von  Neubauten  vollig 
abgetragen  worden  ist;  bei  dieser  Gelegenheit  ergaben 
sich  prachtige  Aufschllisse  in  ungeschichteter  lehmiger 
ftrundmorane  mit  zahlreichen  oft  polierten  und  geschramm- 
ten  Bl5cken;  an  einer  Stelle  ragte  in  geringer 
Tiefeanstehender  Leber fe Is  alsMolassezeuge 
in  den  Gletscherschutt  empor.  Die  wallartige  Er- 
hebung  etwas  weiter  NO  (Lindenhof,  resp.  Stahl-Vonwiler- 
strasse)  erwies  sich  (ebenfalls  anlasslich  einiger  Neubauten) 
als  ein  stellenweise  gar  nicht,  stellenweise  von  nur  wenig 
machtiger  Gletscherschuttdecke  bedecktesMolasseriif,  allem 
Anschein  nach  ein  Auslaufer  des  Rosenberges;  bei  Neu- 
bauten in  Lachen  (z.  B.  Engler'sche  Seifenfabrik,  Neubau 
Starkle)  kam  ferner  in  geringer  Tiefe  schon  der  anstehende 
Molassefels  zum  Vorschein,  so  dass  gesprengt  werden 
musste.*)     Wir  gelangten   deshalb   zu  der  Uberzeugung, 

*)  Nach  einer  niiindlichen  Mitteilung  soil  man  auch  hei  der 
im  Jahre  1874  erfolgten  Anla^e  des  Fussweges  Lachen -Schonen- 
wegen in  einer  Tiefe  von  2  m  auf  Leberfels  gestossen  sein. 


688 


class  68  sich  hier  keineswegs  um  wirkliche  Moranenwalle 
handeln  kann,  sondern  dass  die  W aliform  lediglich  durch 
unterlagernde  Molasse  und  vor  allem  durch  die  Erosion 
hervorgerufen  worden  ist.**)  Noch  jetzt  sind  Wasserrinnen 
sichtbar,  welche  die  jetzige  Konfiguration  des  Terrains 
Lachen-Stahl  als  Erosionsproduktleicht  verst&ndlich  machen; 
auch  werden  wir  in  unserer  Uberzeugung  bestarkt  durch 
den  Umstand,  dass  die  das  Tal  von  St.  Gallen  bedeckende 
Gletscherschuttdecke  sonst  durchgangig  (wie  es  auch  natiir- 
licherweise  kaum  anders  zu  erwarten  ist)  eine  recht  be- 
trachtliche  Machtigkeit  aufweist. 

Anlasslich  der  Bahnhofumbauten  auf  der  Geltenwilen- 
bleiche  zeigte  sich  (abgesehen  von  verschiedenen  kleinen 
lokalen  Variationen)  im  allgemeinen  folgendes  Bild  von  unten 
nach  oben :  verschwemmte  Morane  (Sand,  Kies  und  Lehm  in 
ihren  verschiedenen  tJbergangen),  Torf  und  daruber  eine 
selten  1  m  Machtigkeit  iibersteigende,  alluviale  lehmige 
Kiesdecke.  Leider  waren  die  Aufschliisse  nicht  tief  genug, 
—  im  besten  Fall  ca.  8m  —  um  zu  konstatieren,  ob  die  ver- 
schwemmte Morane  liberall  von  Grundmorane  unterlagert 
wird;  stellenweise  ist  dies  der  Fall,  stellenweise  zeigten  sich 
Ubergange  von  Grundmorane  in  Fluvioglazial.  Typische 
Grundmorane  erreicht  ca.  200  m  westlich  der  Vonwilerbriicke 
die  Oberflache  als  ungemein  zaher,  toniger  Blocklehm, 
welcher  beim  Aushub  ganz  besondere  Schwierigkeiten  dar 
bot ;  er  zeichnete  sich  durch  eine  Unmenge  geradezu  ideal 
geschrammter  und  polierter  Blocke  aus,  von  welchen  einer 
der  schonsten,  ein  Kalknagelfluhblock,  durch  Uberfuhrung 

**)  Scbon  Dr.  Gutzwillor  weist  wiodorholt  darauf  hin,  dass 
blosse  Erosionsformen  echten  Wallmoranen  oft  tauschend  ahnlich 
sehen  konnen,  welcher  ausdriickliche  Vorbebalt  wobl  auch  fur  die 
von  ihm  in  die9er  Gegend  kartierte  Endmorane  Geltung  hat. 


589 


in  den  Stadtpark  erhalten  geblieben  ist;  selbst  kristalli- 
ni8che  Gesteine,  z.  B.  Diorit,  Eklogit,  wiesen  gelegentlich 
Politur  and  Schrammung  auf,  wenn  sie  auch  selbstverstand- 
lich  an  Vollkommenheit  in  dieser  Beziehung  hinter  den 
kalkigenGeschieben  weit  zuriickbleiben  mtissen.  Erw&hnens- 
wert  aus  dem  ungemein  reichhaltigen  Findlingsmaterial 
der  Geltenwilenbleiche  ist  auch  ein  Kreidekalk  mit  Ino- 
ceramu8,  Sandsteine  der  untern  Susswassermolasse  mit 
zahlreichen  Blattabdriicken,  sowie  ein  der  marinen  Molasse 
entstammender  Kalknagelfluhblock  mit  zum  Teil  ausser- 
ordentlich  wohl  erhaltenen  Petrefakten*)  (z.  B.  Turritella, 
Cardium  usw.).  Von  der  siidostlichen  Ecke  (Schlatter'sches 
Gut)  der  Geltenwilenbleiche  quer  durch  dieselbe  zu  den 
ersten  Hausern  beim  Paradies  zieht  sich  ein  Streifen  un- 
verschwemmten  Moranenschuttes  in  Form  eines  Walles, 
der  sich  aber  topographisch  nur  ganz  schwach  und  un- 
deutlich  hervorhob;  ostlich  und  westlich  lehnt  sich  der 
verschwemmte  Gletscherschutt  an  ihn  an;  allem  Anschein 
nach  liegen  hier  die  Uberreste  eines  friihern  Endmoranen- 
walles  vor,  welcher  durch  Verschwemmung  teilweise  ab- 
getragen  und  durch  Auffiillung  im  0  und  W  begraben 
worden  ist.  Jetzt  lasst  sich  von  diesem  Walle  infolge  der 
kunstlichen  Aplanation  des  Terrains  gar  nichts  mehr  wahr- 
nehmen ;  wir  haben  ihn  deshalb  auf  der  Karte  nur  durch 
einen  kleinen,  den  Torf  durchqueronden  Grundmor&nen- 
streifen  markiert.  Die  Hiigel  des  Paradieses  und  von  St.  Leon- 
hard  N  der  Bahnlinie  bestehen  aus  geschichtetem  Fluvio- 
glazial ;  an  ersterer  Lokalitat  war  an  mehreren  Stellen  oben 
deutlich  horizontale  Schichtung  wahrzunehmen,  an  letzterer 
sind  jedenfalls  die  untern  Schichten  ziemlich  stark  geneigt. 

*)  Inzwischen  sind  uns  solche  Geschiebe  auch  aus  der  Kies- 
grube   Neudorf  bekannt   pn worden. 


590 


Das  Gebiet  ostwarts  von  St.  Leonhard  bis  ins  Neudorf 
stellte  beim  Riickzug  des  Gletschers  wohl  einen  kleinen 
Stausee  dar,  begrenzt  im  S  und  N  durch  die  beiden  Tal- 
flanken,  im  W  durch  die  oben  erwahnte  Endmorane  und 
im  0  durch  die  langsam  zuriickweichende  Eiszunge;  an  der 
NW-Talflanke  reichte  derselbe  nur  bis  zum  Espenmoos 
(Ziegelei),  auf  der  SO-Seite  dagegen  uber  Neudorf- Hof- 
weg  -  Ober-  und  Unterschachen  bis  an  die  Goldach  bei 
Martinsbruck;  in  ihrem  preisgekronten  Werk  (Die  Alpen 
im  Eiszeitalter)  haben  auch  Penk  und  Bruckner  auf  einer 
mustergultigen  Karte  des  Rheingletschers  diesen  Eissee 
aufgenommen.  Im  0  erfolgte  die  Ausfullung  derselben  von 
den  beidseitigen  Berghangen,  also  von  NW  und  SO  und  zwar 
in  der  Form  von  Deltabildungen  mit  horizontalem  Uber- 
guss.  Uberall  finden  wir  als  Ausfullung  des  Beckens  fluvio- 
glazialen  Sand,  Kies  und  Lehm,  welche  gelegentlich  ein- 
zelne  grossere  Blocke  einschliessen.  Einen  kurzen  Wasser- 
transport  bezeugen  die  zahlreichen  (oft  nur  wenig  ge- 
rollten)  Geschiebe  mit  noch  verhaltnismassig  gut  wahrzu- 
nehmenden  Schrammen;  selbst  Politur  ist  noch  von  uns 
beobachtet  worden  (Kiesgrube  Neudorf).  In  den  Jahren 
1872/73  wurde  in  der  Stadt  (Zollikofer'sche  Buchdruckerei ) 
ein  interessanter  Versuch  zur  Erbohrung  eines  artesischen 
Brunnens*)  gemacht,  woriiber  Dr.  Gutzwiller  im  Jahrbucli 
1873/74  ausfuhrlich  berichtet;  es  ergab  sich  dabei  fur  die 
iluvioglaziale  Kiesdecke  eine  Machtigkeit  von  mindestens 
22,5  m:  die  nachsten  9  m  werden  von  Gutzwiller  bereits 
fur  die  obere  Susswassermolasso  in  Anspruch  genommen, 
in  welcher  man  bis  zur  hochst  erreichten  Tiefe  von  60  m 
verblieb,  worauf  das  Bohren  als  erfolglos  eingestellt  wurde. 

*)  Ein  soldier  erfolgte  auch  in  der  Niihe  der  Strafanstalt  und 
verliof,  wie  iibrigens  zu  erwarten  war,  ebenfalls  resultatlos. 


691 


Die  Aufschliisse  inmitten  des  Stadtgebietes  (an  der  Vadian- 
strasse  zeigte  sich  horizontale  Schichtung,  einer  Mitteilung 
zufolge  auch  am  Bruhl)  sind  selbstverstandlich  stets  nur 
voriibergehender  und  ihrer  sohr  geringen  Tiefe  wegen  meist 
sehr  problematischer  Natur;  das  eigentliche  Erratikuin  ist 
namlich  gewiss  manchenorts  von  (in  der  Karte  nicht  ein- 
getragenen)  Alluvionen  bedeckt,  welche  auf  Rechnung  der 
von  den  beidseitigen  Talwanden  in  die  Ebene  sich  ergiessen- 
don  Bachlaufe  -  ganz  besonders  komuion  hiebei  die  Stein- 
ach  und  der  Irabach  in  Betracht  —  zu  setzen  sind. 

Ein  schoner  Aufschluss  ergab  sich  anlasslich  der  Erbau- 
ung  der  neuen  Linsebiihlkirche:  fluvioglazialer  Kies  und 
Sand  in  Form  eines  Deltas  von  der  anstossenden  Talflanke 
abgeschwemmt ;  geborstene**),  tonige  Gerolle  fanden  sich 
nicht  selten ;  durch  Herrn  Prof.  Dr.  Steiger  ist  dieser  nur 
voriibergehende  Aufschluss  gliicklicherweisephotographisch 
festgehalten  word  en.  Interessanterweise  land  sich  etwas 
SW  und  holier  da  von  gelegen  (Neubauten  direkt  unter- 
halb  des  Axensteins)  wieder  typische  Grundmorane  mit 
sehr  vielen  grossem  Blocken  vor;  nach  der  uns  von  Seiten 
eines  Hausbesitzers  gewordenen  Mitteilung  soil  auch  der 
dem  Gehange  folgende  Wall,  iiber  welchen  die  Kleinberg- 
strasse  fiihrt,  aus  lehmigem  Gletscherschutt  mit  Blocken 
bestehen ;  jedenfalls  konnte  das  nur  fur  dessen  obern  Teil 
gelten,  da  die  an  seinem  Fusse  erstellten  Neubauten  iiber- 
all  fluvioglaziale  Aufschliisse  ergaben.  Als  Moglichkeit 
moge  immerhin  notiert  werden,  dass  sich  urspriinglich 
vielleicht  eine  Seitenmorane  der  siidostlichen  Talflanke  ent- 


**)  Durch  Wasseraiifnahmo  schwellen  die  tonigon  Gerollo  an. 
uni  dann  beim  Wi«tleraustrocknen  sicli  zusauimcnziiziehen,  wodurch 
zahlreiche  Kisse  entstehen;  vergleiche  don  in  dor  Sommerhitze  aus- 
trocknenden  Lelunbodoii  mit  seinen  zahlreichen  Spalten  und  Rissen. 


592 


lang  gezogen,  nachtraglich  aber  bis  auf  kleine  Spuren 
ver8chwemmt  worden  ist.  —  Eine  besondere  Erwahnung' 
verdient  das  nach  seinem  Finder  sogen.  Kunkler'sche  Ge- 
stein:  Molassegeschiebe  aus  einem  (abgetragenen)  fluvio- 
glazialen  Kieshiigel  vom  Terrain  des  jetzigen  Kantons- 
spitals,  welche  besonders  nach  eingetretener  Verwitterung 
ausserordentlichguterhalteneSusswasserpetrefakten(8peziell 
Blattabdrticke)  aufweisen.  Prachtige  Handstticke  dieses 
Gesteins  sind  im  Museum  aufgestellt.  Vergeblich  hat  man 
langere  Zeit  nach  dem  Ort  des  Anstehens  dieses  merk- 
wiirdigen  Gesteins  gefahndet,  welches,  wie  Dr.  Gutzwiller 
mit  Recht  hervorhebt*),  nur  durch  das  Gletschereis,  also 
von  0  her,  hieher  gelangt  sein  kann ;  wir  glauben,  in  dem 
die  untere  Susswassermolasse  behandelnden  Abschnitt  et- 
was  dariiber  mitteilen  zu  konnen. 

Auf  beiden  Seiten  des  Tales  sind  die  fluvioglazialen 
Ablagerungen,  im  Fallen  dem  Gehange  entsprechend, 
gegen  die  Steinach  zu  geneigt ;  doch  findet  sich  am  links- 
seitigen  Gehange,  von  der  Langgasse  ansteigend,  noch 
reichlich  ungeschichtetes  Erratikum,  wahrend  es  auf  der  SO 
Seite  bereits  vollig  abgeschwemmt  wurde;  wo  das  Terrain 
flach  ist  (Rorschacherstrasse) ,  scheint  auch  die  Schich- 
tung  eine  horizontale  zu  sein.  Besonders  in  der  Gegend 
von  St.  Fiden  tritt  im  Fluvioglacial  in  seinem  topographisch 
am  tiefsten  gelegenen  Teil  ein  in  diinnen  Schichten  ab- 
hebbarer  plastischer  Banderton  auf;  die  feine  „Banderungu 
wird  durch  ausserordentlich  feine  Sandschichten  hervor- 
gerufen,  wodurch  die  Schichtflachen  sich  etwas  rauh  an- 
fiihlen  lassen.  Banderton  deutet  stets  auf  eine  Ablage- 
rung  in  ein  ruhiges  Wasserbecken  hin;   wir  finden  den- 

*)  Prof.  Deicke  glaubte  namlich  iiTtiiralicherweise,  es  an  der 
Urnasch  anstebend  getroffen  zu  haben. 


selben,  von  feinsandigen  und  lehmigen  Schichten  iiber- 
lagert,  besonders  schon  entwickelt  am  linken  Ufer  der 
Steinach  N  der  Spinnerei  Buchental,  wo  er  eine  horizon- 
tale  Schichtung  aufweist.  Er  liefert  das  Material  fiir  die 
hier  erstellte  Ziegelei  des  Herrn  Schmidheini.  tlbrigens 
erstreckt  sich  die  Ablagerung  auf  dem  linken  Steinach- 
ufer,  immer  in  der  Tiefe  bleibend,  westwarts  bis  in  die 
Gegend  des  neuen  Schlachthauses ;  die  Schichten  scheinen 
aber  hier  gegen  die  Steinach  zu,  also  nach  SO,  zu  fallen; 
sie  ist  hier  stellenweise  von  deltaartigen  Kiesschichten 
iiberlagert,  welche  wahrscheinlich  als  eine  Alluvion  der 
von  der  linken  Talflanke  herunterkommenden  Bache  zu 
deuten  sind.  Auf  dem  rechten  Steinachufer*),  an  dem 
kleinen  Weg  ostlich  der  Bahnlinie,  etwa  von  der  Bahn- 
hofstrasse  bis  zur  Sagemiihle,  fanden  wir  in  ahnlicher 
Weise  den  Banderton  in  wechselnder  Machtigkeit  und 
zwar  als  Decke  iiber  Grundmorane  mit  grossen  Blocken; 
auch  bei  der  Ziegelei  soil  eine  solche  in  wechselnder  Tiefe 
das  Liegende  bilden ;  sie  bietet  am  Weg  von  der  Ziegelei 
zur  Sagemiihle,  am  Ufer  der  Steinach,  sich  wie  aus  einer 
Mulde  erhebend,  einen  guten  Aufschluss  dar.  Durch  bei- 
gemengten  Sand  bildet  der  Banderton  stellenweise  alle 
moglichen  Ubergange  zu  Lett  en  und  Lehm.  Dr.  Friih  und 
wir  nach  ihm  fanden  in  ihm  eigentiimliche  tonige  Kalk- 
konkretionen,  welche  sich  um  Wurzelwerk  herum  gebildet 
haben  miissen;  eine  reichhaltige  Kollektion  der  merk- 
wiirdigsten  Formen :  gerade  und  verbogene  Rohren,  Spindeln, 
Kugeln,  Knauel  uswt.  sammelten  wir  aus  dem  den  Torf  unter- 
lagernden  tonigen  Lehm  dor  Geltenwilenbleiche;  wir  haben 
sie  zusammen  mit  andern  Funden  dem  Museum  ubergeben. 

*)Die  Gronze  nach  S  ist  ungefiihr  beim  untern  Sennhof  (friiher 
Fuhrhalterei  WieiU»rki»lir-Gotti). 


594 


c)  Neudorf-Mtfrschwil. 

Von  Neudorf  an  tritt  im  Tale  an  Stelle  des  geschich- 
teten  Erratikums  wieder  typische  Grundmorane  auf ;  die 
fluvioglaziale  Kies-  und  Sandablagerung,  vermischt  mit 
Lehmschichten,  zieht  sich  nur  noch  als  ein  verhaltnis- 
massig  schmaler  Streifen  langs  der  sudostlichen  Talflanke 
bis  nach  Unterschachen  oberhalb  der  Martin sbrttcke,  von 
wo  sie  sich,  nach  S  umbiegend  und  dem  linken  Ufer  der 
Goldach  folgend,  bis  zum  Ried  zusammenhangend  ver- 
folgen  lasst ;  wahrscheinlich  stehen  .auch  einige  Schotter- 
vorkommnisse  auf  dem  rechten  Ufer  der  Goldach  (Unter- 
Ebene,  Steingrub)  mit  dieser  Ablagerung  in  organischer 
Verbindung. 

Von  Neudorf  bis  Unterschachen  weisen  die  zahlreichen 
Kies-  und  Sandgruben  im  allgemeinen  eine  dem  natur- 
lichen  Gehange  entsprechende  NW-Neigung  der  Schichten 
auf.  Die  nordwestliche,  vom  Gehange  herunter  erfolgte 
Abschwemmung,  gelangt  auch  in  der  Lagerungsweise  der 
Gerolle  zum  deutlichen  Ausdruck;  im  allgemeinen  lasst 
sich  namlich  eine  dachziegelartige  Ubereinanderschiebung 
derselben  trefflich  erkennen,  wobei  die  Schichtkopfe  der 
Gerolle  nach  NW  weisen,  wahrend  ihre  Flachseite  in  den 
Berghang  einschiesst.  Bei  jeder  rezenten  Kiesbank  in 
einem  Flussbett  tritt  uns  die  dachziegelartige  Anordnung 
der  Gerolle  deutlich  entgegen  und  Dr.  Gutzwiller,  der  uns 
speziell  darauf  aufmerksam  gemacht,  beniitzte  dieses  Mittel 
in  manchen  Fallen  mit  Erfolg  zur  Bestimmung  der  Stro- 
mungsrichtung  ftir  glaziale  Schotter.*) 

Alle  grosseren  Aufschliisse  zeigen  eine  ausgepragte 

*.i  Vgl.  Dr.  A.  Gutzwiller:  Die  Diluvialbildung  der  Umgebung 
von  Basel.  Verliandlungen  dor  Naturforschenden  Gesellschaft  in 
Basel.    10.  Band,  pag.  586. 


595 

diskordante  Parallelstruktur*  (Deltastruktur)  mit  einer 
mehr  oder  weniger  gut  zu  konstatierenden  horizontalen 
Ubergussschicht ;  besonders  schon  und  deutlich  hebt  sich 
letztere,  ca.  4—5  m  machtig,  in  der  Kies-  und  Sandgrube 
direkt  0  Oberschachen  von  den  geneigten  Schichten  dis- 
kordant  ab;  die  letztern,  bis  jetzt  zirka  4  m  tief  aufge- 
schlossen,  bestehen  aus  reinem  Sand  mit  sich  auskeilenden 
Lagen  feinen  Kieses,  wahrend  der  Uberguss  lehmigen  Sand 
and  an  seiner  Basis  zwei  (allerdings  wenig  m&chtige) 
Schichten  plastischen  Lehmes  aufweist.  In  der  S  davon 
gelegenen  Kiesgrube  bei  Ried  soil  nach  einer  Mitteilung 
des  Besitzers  schon  in  einer  Tiefe  von  ca.  5  m  der  Leber- 
fels  anstehen;  im  allgemeinen  muss  jedoch  die  Mftchtig- 
keit  dieser  Ablagerung  sicher  tiber  10  m  betragen,  wobei 
nattirlich  lokal  grosse  Verschiedenheit  herrschen  wird.  Aus 
der  Grube  bei  Ried  ist  erwahnenswert  ein  grosser  kantiger 
Block  marinen  Sandsteins  mit  zylindrischem  ^Wurmstein"; 
in  der  prachtigen  Kies-  und  Sandgrube  beim  Griitli  (Neu- 
dorf)  fanden  wir  unter  anderm  ein  Nagelfluhgeroll  mit 
zahlreichen  Petrefakten  (z.  B.  Ostrea)  im  Bindemittel;  die 
entsprechende  Nagelfluh  steht  im  Hagenbuchwald  (vom 
Dach  an  gerechnet  zweites  Nagelfluhriff  der  marinen  Mo- 
lasse),  also  in  allernachster  Nahe  an.  Dagegen  muss  der 
friiher  von  der  Geltenwilenbleiche  erwahnte  Kalknagelfluh- 
block  mit  marinen  Petrefakten,  weil  nicht  identisch  da- 
mit,  von  einer  andern  Lokalitat  stammen. 

Das  feine  Lehm-  und  Thonmaterial  liegt  besonders  in 
dem  (topographisch  gesprochen)  tiefsten  Teil  unserer  Ab- 
lagerung; so  besteht  z.  B.  die  Ebene  Schuppis-Lerchental 
aus  horizontal  geschichtetem,  plastischem  Lehm.  Bander- 

*  d.  h.  die  Neigung  dor  Schichten  nimuit  von  unten  nach 
oben  stetig  ab. 


I 


696 


thon  zeigte  sich  von  der  Krone  Neudorf  abw&rts  zur  Stein- 
ach  (Espen).  Interessantist der  durcheineKiesgrubeeroffnete 
Aufschluss  nahe  der  Buine  Falkenstein  (615  m) ;  die  Schich-  5 
tung  ist  hier  ausgepragt  horizontal,  derKies  stark  sandig,  \ 
wechselnd  mit  eigentlichen  dunnen  Sandlagern ;  die  Gerolle  ;' 
sind  nach  ihrer  Grosse  gut  sortiert ;  in  den  Sand  ebenfalls  -j 
horizontal  eingelagert  lassen  sich  stellenweise  konkretionen-  :! 
artige  Fetzen  plastischen  Lehmes  beobachten,  welche schnur-  ; 
artig  aneinandergereiht  sind,  ohne  eine  zusammenhangende 
Schicht  mit  ebenen  Flachen  zu  bilden ;  der  Kies  ist  stellen-  : 
weise  stark  verkittet,  eine  Erscheinung,  die  z.  B.  auch  im  , 
Aufschluss  Steingrub  • 'im  Herrenholz  ostlich  der  Goldach)  " 
deutlich  wahrzunehmen  ist. 

Die  gemachten  Beobachtungen  zusammenfassend,  muss  ; 
die  Kiesablagerung  Neudorf-Schachen  als  die  Fort6etztig  ; 
der  Deltabildung  bezeichnet  werden,  welche  in  einen,  j 
beim  Riickzug  des  Eises  aus  dieser  Gegend  bestehenden,  '* 
vom  westlichen  Stadtgebiet  (St.  Leonhard)  bis  zur  Martins-  ■■ 
brucke  hinaus  reichenden  Gletscherstausee  abgelagert  * 
worden  ist. 

Von  dem  fluvioglazialen  Randstreifen  abgesehen,  wird  .; 
der  Talboden   von  Neudorf  bis  Riedern   durchwegs    von    ( 


ungeschichtetem  Grundmoranenschutt  bedeckt.  Die  auf- 
fallende  Erhebung  des  Hochsterwaldes,  deren  geologische 
Natur  bisher  zweifelhaft  war,  erwies  sich  als  ein  Molasse- 
riff,  das  uberall  von  einer  betrachtlichen  Gletscherschutt- 
decke  iiberlagert  wird;  die  Schichtenkopfe  der  Molasse 
treten  in  dem  einzig  noch  vorhandenen  Aufschluss  nord- 
lich  Ober-Straussenhaus  infolge  Erosion  deutlich  zutage: 
nach  einer  von  einem  Hofbesitzer  der  Gegend  uns  ge- 
machten Mitteilung  bezeichnet  eine  noch  jetzt  sichtbare, 
am  Waldrand   nach   SO   vom  erwahnten  Aufschluss    ge- 


597 

[kgene  Nische,  den  Ort,  wo  friiher  fur  Morschwil  Sand- 
tteine  gebrochen  wurden ;  allem  nach  muss  der  betreffende 
Steinbruch  seinerzeit  der  geologischen  Beobachtung  ent- 
gangen  sein. 

Der  bei  der  Waid  auftretende  deutliche  Niveausturz 
dee  Gelandes,  welcher  sich  in  ziemlich  genau  W-Richtung 
auf  die  linke  Seite  der  Steinach  zum  Bruggwald  verfolgen 
lasst,  wird  wohl  sicher  in  erster  Linie  durch  die  sich  hier 
absenkende  Molassegrundlage  bedingt;  nordlich  vom  Hoch- 
8terwald  liegt  die  Molasse  tief  unter  einer  wohl  bis  40  m 
machtigen  Gletscherschuttdecke  begraben.  Der  Hochster- 
wald  ist  mdglicherweise  als  ein  Rundhocker  mit  Gletscher- 
schuttdecke aufzufassen. 

Von  der  Waid  abwarts  treten  wallartige,  aus  Grund- 
morane  bestehende  Hiigelformen  auf,  welche  (wenigstens 
zum  Teil)   ausgesprochene  Drumlinsnatur  aufweisen   und 

3  daher  am  besten  in  Verbindung  mit  der  Drumlinsland- 
2  schaft  von  Wittenbach  besprochen  werden  mogen.  Nur 
J  \  so  viel  sei  der  tlbersichtlichkeit  wegen  schon  hier  er- 
}  J  wahnt,  dass  dieselben  in  ihrer  Gesamtheit  als  ein  oder  mehrere 
i  J  ursprungliche  Endmoranenwalle  aufgefasst  werden  konnen, 
Jl ;  welche  infolge  eines  bloss  interstadiaren  Wiedervorriickens 
% »  des  Gletschers  vom  Eise  wieder  erfasst  und  dabei  in  ihrer 
rj  ^  Form  entsprechend  modifiziert  wurden;  an  der  Heraus- 
\  L  modellierung  der  Formen,   wie  sie  jetzt   vorliegen,    wird 

4  wohl    auch   nachtragliche   Erosion    einen   entsprechenden 
Anteil  genommen  haben. 

Im  Zu8ammenhang  damit  sei  auch  auf  die  drei  Strassen- 
einschnitte  zwischen  Neudorf  und  der  Waid  (bei  Broger- 
halden,  Stef&shorn  und  Remishub)  hingewiesen,  welche 
Gutzwiller  veranlassten,  hier  drei  entsprechende  End- 
morftnenwalle  zu  kartieren;  wir  haben  von  denselben  nur 


den  mitt lon_* n  als  dun  hoehsten  unci  verhaltnismassii;  \ViiH?-[ 
sclieinlichsten  in  unsere  Karte  hiniibergenomnien,   beUmffl  - 


i 


aber  ausdriicklich,  dass  auch  er  moglicherweise  als  ei 
blosses  Erosionsprodukt  aufzufassen  ist;  der  westlich  cler 
Strasse  gelegene  Teil  (697  m)  ruht  moglicherweise  anf 
einem  dem  Hochsterwald  entsprechenden  Molasseriff:  jeden- 
falls  aber  hat  hier  die  Erosion  auf  die  urspriinglichen 
Formen  stark  modifizierend  gewirkt.  Immerhin  muss  aber 
auch  betont  werden,  dass  Drumlinsbecken  in  der  Tat  fa8* 
immer  von  einem  Endmoranenkranz  umwallt  werden. 

Das  tiefergelegene  Gebiet  N  Riedern  ist  durch  eine 
grosse  Zahl  von  Kiesgruben,  von  welchen  einige  neu  g©' 
offnet  worden,   trefflich   aufgeschlossen ;   wir  treffen  hie^" 
fluvioglaziale  Sande  und  Kiese,  welche  allem  nach  wieder 
als  Ausfiillung  eines  friihern  Gletscherstausees  aufzufassen  1& 
sind.  Die  Kiesgrube  bei  Thaa  0  der  Strasse  weist  Schichten 
von  Sand,  feinem  und  grobem  Kies  in  buntem  Wechsel 
und  alien  moglichen  Ubergangen  auf;  die  Schichten  keilen 
sich  meist  bald  wieder  schmitzartig  aus ;  Deltastruktur  ist 
nicht  zu  verkennen ;  dariiber  ausgebreitet  ist  eine  ca.  1  m 
machtige  horizontale  Ubergussschicht,  welche  zurzeit  be- 
sonders   beim  Eingang  zur  Grube  sich  deutlich   abhebt; 
sie  ist  als  grobe  Gerollschicht  auch  in  der  W  der  Strasse 
gelegenen  benachbarten  Grube  gut  sichtbar,  nur  ist  hier 
der  grosste  Teil  derselben  bereits  abgeraumt  worden.    In 
den  andern  Gruben  liessen  sich  dagegen  deutliche  horizon- 
tale  Ubergussschichten  nicht  mehr  erkennen;  im  ubrigen 
weisen  sie  alle  den  hier  angegebenen  entsprechende  Ver- 
haltnisse  auf;  die  untern  Lagen  werden  meist  von  einem 
feinen  Sand  gebildet,  nur  die  Verwitterungsdecke  ist  von 
lehmiger  Beschaffenheit:  eigentliche  Lehmschichten  inner- 
halb  der  Kiesmassen  sind  nirgends  zu  sehen,   doch  kann 


599 

der  Sand  stellenweise  etwas  lehmiger  Natur  sein;  grossere 
Blocke  (100  dm3  und  dariiber)  kommen  besonders  in  der 
Grube  Biberhund  haufig  zum  Vorschein;  wir  konstatierten 
unter  andem  mehrere  Seelaffen ;  die  Gerolle  sind  gelegent- 
lich  noch  etwas  geglattet  und  weisen  auch  hie  und  da 
zwar  verwaschene,  aber  doch  noch  deutlich  wahrnehm- 
bare  Schrammen  auf.  Wie  weit  diese  fluvioglaziale  Ab- 
lagerung  im  NW  reicht,  Hess  sich  selbstverstandlich  nur 
annahernd  bestimmen.  Morschwil  und  das  nordlich  da- 
von  sich  ausdehnende  Gebiet  ist  nirgends  aufgeschlossen; 
doch  lasst  das  stark  -  lehmige,  flachwellige  und  iiberaus 
fruchtbare  Gel&nde  mit  seinem  prachtigen  Obstbaumwald 
sicher  auf  Grundmorane  schliessen;  darauf  deuten  auch 
die  erratischen  Blocke  hin,  welche  sich  haufig  bei  den 
H&usern  aufgestellt  finden. 

IV.  Die  Drumlinslandstfiaft  von  Wittenbach. 

Mit  dem  keltischen  Namen  Drums  (Diminutiv  Drum- 
lin)  bezeichnet  man  jene  schwarmformig  angehauften, 
langgestreckten  (selten  isodiametrischen),  durchaus  flach- 
ruckigen,  aus  Gletscherschutt  bestehenden  Hiigel,  welche 
nur  in  Gebieten  friiherer  Vergletscherung  und  zwar  stets 
nur  in  einem  sehr  wenig  fallenden  bis  ebenen  oder  gar 
schwach  ansteigenden  Gelande  angetroffen  werden ;  gerade 
im  Bodenseegebiet  sind  die  Drumlinslandschaften  in  iippiger 
Weise  zur  Entwicklung  gelangt;  sie  bilden  uberall  ein 
ausgezeichnetes  „geographisches  Individuum".  Charakte- 
ristisch  ist  die  Orientierung  der  Drumlins  in  dem  Sinne, 
dass  die  Langsachse  jeweilen  der  Richtung  des  vorriicken- 
den  Gletschereises  entspricht  und  ihre  facherartige  Grup- 
pierung  stimmt  in  trefflicher  Weise  mit  der  facherartigen 
Ausbreitung  des  Gletschereises  im  sich  offnenden  Gelande 
aberein. 


600 


Die  Entstehung  der  Dramlins  ist  zurzeit  noch  nicht 
aufgeklart;  Kinahan  und  Close  haben  zuerst  die  Bildung 
der  Dramlins  mit  derjenigen  von  Sandbanken  in  Flussen 
verglichen ;  in  der  Tat  ist  das  Eis  eine  nicht  bloss  gleitende, 
sondern  auch  trag  fliessende  Masse  und  es  kann  deshalb 
fiberall  da,  wo  fur  irgend  eine  Stelle  eine  Abnahme  der 
Stosskraft  eintritt,  zur  Ablagerung  des  im  oder  unter  dem 
Eise  eingeschlossenen  Geschiebes  kommen.  Abnahme  des 
Gefalles,  Verbreiterung  des  Gletscherbettes,  Lockerung  des 
Zusammenhangs  bei  schwachem  Gefalle  bewirken  eine  Ab- 
nahme der  Stosskraft  des  Eisstromes,  und  gerade  diese  Fak- 
toren  mussten  in  dem  schwach  geneigten  oder  gar  an- 
steigenden,  sich  beckenartig  erweiternden  Gelande  der 
Drumlinslandschaft  zur  Geltung  kommen.  Fur  unser  Ge- 
biet  failt  wohl  auch  die  stauende  Wirkung  des  Hohen- 
tannenplateaus  mit  in  Betracht.  Dr.  Fruh  halt  diese  An- 
sicht  von  der  Entstehung  der  Drumlins  fur  den  natur- 
lichsten  und  sich  genau  an  Tatsachen  haltenden  Erkla- 
rungsversuch. 

Von  den  iibrigen  Erklarungsversuchen  sei  der  folgende 
als  durchaus  annehmbar  ebenfalls  erwahnt.  Darnach  waren 
die  Drumlins  nichts  anderes  als  der  vom  Gletscher  ge- 
legentlich  eines  voriibergehenden  Vorstosses  wieder  iiber- 
schrittene  Endmoranengurtel,  der  dabei  vom  Eise  in  der 
Bewegungsrichtung  ausgezogen  und  zu  Rundhockerformen 
umgestaltet  wurde.  Diese  Ansicht  wird  besonders  von  Penk 
und  Bruckner  vertreten  und  auch  Dr.  Fruh  gesteht  ihr  eine 
beschrankte  Geltung  zu.  Wo  an  den  beiden  Seiten  einer 
Drumlinslandschaft  das  anstehende  Gestein  Rundhocker- 
formen auf weist,  stimmen  dieselben  nach  Form  und  Streichen 
mit  den  Drumlins  uberein  und  auch  Ubergangsformen  von 
Rundhockern   zu   Drumlins    (Rundhocker   mit   Gletscher- 


601 


schattdecke)  sind  bereits  konstatiert  worden.  Nach  dieser 
Ansicht  sind  also  die  Drumlins  nichts  anderes  als  Rund- 
hdcker,  die  aber  im  Gegensatz  zu  den  bisher  so  genannten 
Formen  nicht  aus  anstehendem  Fels,  sondern  aus  Erratikum 
bestehen,  das  gelegentlich  auch  einen  Molassekern  ein- 
schliessen  kann. 

Einer  typischen  Drumlinslandschaft  begegnen  wir  in 
dera  Grelande  zwischen  Steinach  und  Sitter,  innerhalb  der 
GemeindenWittenbach  und  Haggenswil.*)  Das  Dorf  Witten- 
bach  steht  auf  einem  solchen  Drumlin.  Das  Terrain  stellt 
hier  eine  plateauartige  Flache  dar ;  die  Drumlins  erheben 
sich  im  allgemeinen  aus  einem  Niveau  von  oa.  600  m,  um 
eine  Hohe  von  nur  wenigen  bis  gegen  25  m  zu  erreichen 
(Hiisli,  stidlich  von  Wittenbach);  die  Langsachsen  verlaufen 
siemlich  parallel  in  der  Richtung  WS  W.  Die  topographische 
Grundlage  1  :  25,000  erweist  sich  gelegentlich  noch  als 
ungeniigend  zur  genauen  Abgrenzung  der  zarteren,  im 
Gelande  oftformlich  ^verfliessenden"  Formen.  Durch  einen 
Vergleich  des  Niveaus,  welchem  die  Drumlins  aufgesetzt 
sind  i ea.  600  m»  mit  demjenigen  des  Sitter-  und  Steinach- 
bettes  in  dieser  Gegend  (ca.  520  bis  630  m)  ergibt  sich  als 
Mass  der  postglazialen  Erosion  dieser  Wasserlaufe  ein  Be- 
trag  von  70  bis  80  m. 

Im  Bereiche  der  Drumlins  reicht  die  Molasse,  durch 
Erosion  entblosst,  beider  Altmiihle  (hier  fast  in  horizontaler 
Lagerung)  bis  zur  Hohe  von  575  m  hinauf ;  im  Bach- 
lein,  das  W  vom  Elektrizitatswerk  im  Erlenholz  sich  in 
die  Sitter  ergiesst,  greift  sie  allerdings  bis  iiber  600  m 
biuauf;  wenig  SO  davon  zeigt  sich  jedoch  ein  ziemlich 
deutlicher  Kontakt  mit  Grundmorane  wieder  in  der  Hohe 


*)  Dr.  Friih  :  Die  Drumlinslandschaft  unter  spezieller  Beriick- 
*ichtigung  des  alpinen  Vorlanden.    Jahrbuch  1894/95. 


i 


602 


zwischen  570  bis  580  m ;  ungefahr  in  der  gleichen  Hohe 
verlauft  auch  das  Kontaktniveau  am  linken  Ufer  der  Stein- 
ach  in  der  Gegend  von  KronbuhL    Es  lasst  sich  also  die 
Machtigkeit  des  Erratikums  bis  zum  Plateauniveau  auf 
20 — 30  m  schatzen;  wo  Drumlins  liegen,  kann  es  somit> 
je  nach  der  Hohe  derselben,  40  m,  eventuell  sogar  60  m 
iiberschreiten,  so  dass  wir  hier  zu  einer  Gesamtmachtig- 
keit  von  40 — 60  m  gelangen.   Natiirlich  ist  dabei  voraus- 
gesetzt,  dass  die  Molasse  nicht  in  die  Drumlins  hineinragt, 
aber  wie  Dr.  Friih  haben  auch  wir  nirgends  einen  Molasse- 
kern  beobachten  konnen;  moglicherweise  mag  ein  solcher 
bei  spatern  tiefen  Aufschliissen  im  Drumlin  Hiisli  630  m 
und  in  dem  sowieso  etwas  problematischen,  auf  ca.  630  m 
erst  sich  erhebenden  Drumlin  bei  Studerswilen  festgestellt 
werden. 

Im  Osten  gegen  die  Steinach  und  im  Westen  gegen 
die  Sitter  hat  die  Erosion  ziemlich  stark  in  die  Drumlins- 
landschaft  hinaufgegriffen ;  besonders  stark  machte  sie  sich 
beispielsweise  in  der  Gegend  von  Kraien  geltend,  wodurch 
das  Bestimmen  der  urspriinglichen  Drumlinsumrisse  etwas 
erschwert  wird;  so  liessen  wir  z.  B.  das  Drumlin  Kraien 
zuerst   bis   zu   den   Hausern   reichen,   um   es,   den   topo- 
graphischen  Verhaltnissen  entsprechend,  von  dort  in  einer 
starken  Biegung  um  das  Lindenmoos  wieder  nach  W  zu* 
riickkehren  zu  lassen;  wir  glauben  jedoch,  dass  diese  merk- 
wiirdige  Hufeisenform  lediglich  infolge  der  Erosion  zu* 
stande  gekommen,  welcher  iiberhaupt  jede  Vertiefung  de^ 
Gelandes  unter  ca.  600  m  zuzuschreiben  ist;  bei  der  Kar^ 
tierung   haben  wir,    um  die   urspriinglichen  Formen   zur 
Darstellung  bringen  zu  konnen,  die  durch  Erosion  bedingte 
Vertiefung  nach  Moglichkeit  unberiicksichtigt  gelassen. 

Unsere  Drumlins  erscheinen  im  allgemeinen  als  lang- 


603 


gestreckte  Hiigel  mit  flachem  Rticken;  annahernd  iso- 
diametri8chen  Bau  zeigen  nur  die  beiden  Drumlins  west- 
lich  vom  Odenhof  (629  m)  und  ostlich  von  Buttingen;  es 
lasst  sich  aber  gerade  hier  in  beiden  Fallen  mit  Recht 
vermuten,  dass  das  westliche  Ende  infolge  Erosion  v6llig 
verschwunden  ist;  iramerhin  sei  betont,  dass  ursprtinglich 
isodiametrische  Drumlinsformen,  allerdings  stets  nur  aus- 
nahmsweise,  andernorts  zur  Beobachtung  gelangt  sind. 
Die  Boschung  der  Hiigel  ist  an  den  beiden  Flanken  ver- 
haltnismassig  steil,  an  den  Enden  der  Langsachse  sanfb; 
dabei  ist  meist  wieder  eine  Asymmetrie  in  der  Weise  zu 
erkennen,  dass  das  in  Bezug  auf  die  Bewegungsrichtung 
des  vorriickenden  Gletschereises  als  Stirnseite  zu  bezeich- 
nende  ostliche  Ende  steiler  abfallt  als  die  entsprechende 
Leeseite.  Eine  entgegengesetzte  Asymmetrie  zeigt  sich 
zwar  deutlich  ausgepragt  bei  den  beiden  Drumlins  But- 
tingen und  Husli,  wo  sie  aber  hochst  wahrscheinlich  erst 
infolge  nachtraglicher  Erosion  sich  gebiidet  hat;  meist  ist 
der  Boschungsunterschied  stark  auffallend.  Haufig  erscheint 
die  Stirnseite  breiter  und  stets  deutlich  abgesetzt,  w&hrend 
das  sich  verschmalernde  Lee-Ende  langsam  in  das  Plateau- 
niveau   verfliesst. 

Zu  der  Besprechung  der  Aufschliisse  tibergehend,  mag 
zunachst  konstatiert  werden,  dass  dieselben  in  den  Drum- 
lins selbst  iiberaus  sparlich  und  meist  nur  vorubergehender 
Natur  sind ;  stellonweise  sieht  man  aus  der  iiberwachsenen 
Seitenboschung  (besonders  bei  den  Strasseneinschnitten) 
erratische  Blocke  herausragen;  solche  iinden  sich  auch 
gelegentlich  in  der  Nahe  der  Hauser  wohl  zu  allfallig 
spaterm  Gebrauche  in  Haufen  aufgestapelt ;  der  bei  Eigen 
an  das  Haus  angelehnte  Kalkblock,  welcher  dem  betreffen- 
den  Drumlin  entstammt,   fallt  auf  durch  seine  prachtige 


604 


Schrammung  und  Politur.  Zweifellos  bestehen  die  meistea 
Drumlins  aus  lehmiger  Grundmorane  mit  reichlichem  Block- 
und  Geschiebematerial  und  es  ist  auch  dementsprechend 
h&ufig  der  breite,  flache  Riicken  mit  Reihen  wohl  ge- 
deihender  Obstb&ume  bepflanzt. 

AufFallend  verh&lt  sich  das  Drumlin  Halden  612, 
welches  zurzeit  den  einzigen  deutlichen  Drumlinsaufschluss 
in  Form  einer  auf  einem  Riicken  angeiegten  Kiesgrube 
aufweist;  wir  erblicken  hier,  bedeckt  von  einer  sandigen 
Lehmschicht,  einen  mittelfeinen  Kies,  dessen  Schichten 
deutlich  nach  SW  fallen ;  die  Gerolle  zeigen  haufig  noch 
eine  glatte  Oberfl&che  mit  deutlichen,  langen  Schrammen. 
Zweifellos  liegt  hier  eine  fluvioglaziale  Ablagerung  vor, 
wobei  unentschieden  bleibt,  ob  das  ganze  Drumlin  aus 
einer  solchen  besteht,  oder  ob  der  tiefere  (eventuell  auch 
der  ostliche)  Teil  nicht  doch  auch  aus  ungeschichtetem 
Erratikum  sich  aufbaut.  Der  Besitzer  der  Kiesgrube  ge- 
denkt  in  nachster  Zeit  auch  an  der  seitlichen  Basis  auf 
Kies  zu  schiirfen;  dann  erst  wird  es  moglich  sein,  diese 
Frage  zu  entscheiden.  Es  ist  fiir  die  sandig-kiesige  Be- 
schatfenheit  des  Hugels  bezeichnend,  dass  nicht  ein  ein- 
ziger  Obstbaum  darauf  zu  erblicken  ist. 

Weisen  die  eigentlichen  Drumlins  fast  gar  keine 
richtigen  Aufschlusse  auf,  so  finden  wir  deren  umsomehr 
in  den  zahlreichen  Kiesgruben  des  Plateaus,  auf  welchem 
die  Drumlins  aufgesetzt  sind.  Es  erweist  sich  dasselbe 
fast  durchwegs  als  eine  fluvioglaziale  Ablagerung*),  die 
mancherorts    von    einer    oft   nur    wenige   dm   machtigen 


*)  Auf  der  Karte  wurdo  dieselbo  nur  dort  zur  Darstellun^r 
gebracht,  wo  wir  sie  direkt  auf^eschlussen  fandon  oder  doch  mit 
annahenider  Gewissheit  vermuton  durfton :  nioglicherweiso  orstreckt 
sicli  dieselbe  durch  das  ganze  DrumliriBgebiet. 


605 


orfschicht  bedeckt  ist.  Die  Schichtung  ist  bald  horizon- 
1,  bald  mehr  oder  weniger  stark  geneigt;  da  inmitten 
>rherrschend  kleinerer  Gerolle  grossere  Blocke  doch  durch- 
is  nicht  selten  sind  und  haufig  noch  deutliche  Schrammen 
ihrgenommen  werden  kdnnen,  kann  der  Wassertrans- 
>rt  nur  auf  eine  ganz  kurze  Strecke  stattgefundan  haben; 
inches  deutet  darauf  hin,  dass  das  Material,  wenigstens 
m  Teil,  von  den  Druralins  selbst  seinerzeit  abgeschwemmt 
)rden  ist.  Ob  nun  darunter  eine  fluvioglaziale  Kiesdecke 
:eren  Datums  oder  aber  Grundmorane  als  Sockel  der 
•umlins  liegt,  kann  mangels  geniigend  tiefer  Aufschlusse 
cht  festgestellt  werden. 

Der  uns  zur  Verfugung  stehende  Raum  gestattet  uns 
cht,  jeden  einzelnen  Aufschluss  in  gebiihrender  Weise 
wiirdigen;  wir  beschranken  uns  daher  auf  folgende 
irze  Notizen: 

Kiesgrube  bei  Ladhub  erscheint  als  direkte  Fort- 
bzung  des  Kiesriickens  vom  Drumlin  Halden  und  zeigt 
it  ihm  dasselbe  SW  Fallen  der  Schichten.  Meist  Sand, 
rin  Lagen  von  feinem  Kies,  unten  Lettsand;  die  ge- 
igten  Schichten  bedeckt  von  einer  horizontalen  Uber- 
issschicht,  was  auf  die  Ausfullung  eines  Staubeckens 
nweist. 

Kiesgrube  am  Bachufer  ostlich  Gommenswil:  deutlich 
►rizontal  geschichtet,  stellenweise  (wohl  durch  Kalksinter) 
festen,  nagelfluhartigen  Banken  verkittet;  Politur  ver- 
ischt,  Schrammen  oft  noch  gut  erhalten. 

Zwei  Kiesgruben  NO  Lachenmoos:  in  der  sudlich  ge- 
genen  fallen  die  Schichten  gegen  NW,  in  der  nordlichen 
tgegen  direkt  entgegengesetzt  nach  SO  (deutliche  Ab- 
hwemmung  der  entsprechenden  Drumlins  in  die  zwischen- 
>gende  Mulde!). 


606 


Auf  dem  rechten  Ufer  der  Steinach,  in  der  Gegend 
zwischen  Mdrschwil  und  Hochsterwald,  begegnen  wir  einem 
Landschaftsbild ,  das  besonders  im  westlichen  Teil  mit 
demjenigen  von  Wittenbach  vollig  iibereinstimmt ;  auch 
hier  erheben  sich  auf  einein  Plateau  in  zirka  600  m  (bis 
610  m)  eine  ganze  Zahl  langgestreckter,  flachruckiger 
Hiigelformen,  zwischen  welchen  Torf-*)  und  Moorboden 
sich  ausbreitet;  ein  Aufschluss  bei  Engwil  (hinter  den 
H&usern  N  von  Alte  Gerbe)  liess  deutlich  ungeschichtete. 
blockreiche  Grundmorane  erkennen;  mangels  anderer  Auf- 
schlusse  lasst  sich  nur  vermuten,  dass  wohl  auch  die  ubrigen 
Hugel  aus  demselben  Material  aufgebaut  sind.  Nach  mehr- 
facher  Begehung  des  Gelandes  sind  wir  zu  der  Uberzeu- 
gung  gelangt,  dass  auch  hier  Drumlinsformen  vorliegen; 
sicher  scheint  uns  das  besonders  von  den  vier  Hugeln  S 
Lenermoos,  sowie  von  den  zwei  direkt  iiber  der  Stein- 
ach  sich  erhebenden  Formen  W  Engwil  zu  gel  ten;  es  ist 
leicht  ersichtlich,  dass  das  Westende  der  letztern  infolge 
Erosion  der  Steinach  abgetragen  worden  ist.  Starken 
Zweifel  hegen  wir  in  Bezug  auf  die  W  von  Lee  ge- 
legenen  Formen,  von  welchen  wir  daher  nur  eine  (mit 
ausdnicklichem  Vorbehalt!)  zur  Darstellung  bringen,  nam- 
lich  den  Hugel  Botzenberg  602.  Der  Hugel  Watt  (in  einem 
Bogen  das  Lenermoos  umfassend),  sowie  die  "Walle  von 
Alberenberg  zur  Waid,  welche  auf  der  topographischen 
Grundlage  schon  geniigend  hervortreten,  machen  den  Ein- 
druck  von  blossen  Erosionsformon  und  fanden  daher  keine 
Aufnahme  in  die  Karte.  Da  diese  W  von  Lee  gelegenen 
Hiigel  so  ziomlich  im  Streichen  des  Hochsterwald  es  liegen 
und  sich  teilweise  noch  zu  der  relativ  bedeutenden  Hohe 


*)  Der  Torf  bei  Schiniishaus  ist  infolge  Abstichs  zurn  grossten 
Teil  verjjchwuuden   und  fehlt  daher  auf  der  topogr.  Grundlage. 


607 


Ton  liber  630  m  zu  erheben  vermSgen,  so  darf  wohl  an- 
genommen  werden,  dass  die  unterlagernde  Molasse  hier 
noch  einigermassen  zur  Geltung  kommt.  Das  schliesst 
ubrigens  nicht  aus,  dass  auch  diese  Hiigel  aus  einer  (in- 
folge  inters  tad  iaren  Yornickens  des  Eises)  umgewandelten 
Endmorane  zunachst  hervorgegangen  sein  kftnnen;  in 
jedem  Falle  aber  muss  nachtragliche  Erosion  fur  die 
jetzige,  typischen  Drumlins  wenig  entsprechende  Form 
and  Orientierung  verantwortlich  gemacht  werden.  Erst 
wenn  einmal  von  einer  grossern  Zahl  von  Drumlinsland- 
schaften  spezielle  geologische  Aufnahmen  vorliegen  wer- 
den, wird  man  sich  ein  genaueres  Bild  liber  die  bei  einem 
Versuch  zur  Drumlinsbildung  entstehenden  Moglichkeiten, 
aowie  iiber  die  Erosionswirkungen  in  der  Drumlinsland- 
schaft  machen  konnen;  wir  denken  dabei  auch  an  die 
interessante  Zusammenhangung  zweier  Drumlins  zu  Drum- 
linszwillingen,  wie  sie  auch  von  uns  bei  Wittenbach  in 
zwei  Fallen  beobachtet  und  kartiert  worden  sind.*) 

Es  mag  nicht  unerwahnt  bleiben,  dass  selbst  der  Mass- 
stab  1 :  25,000  als  zu  grob  erscheint,  um  einige  der  feineren, 
aber  gerade  typischen  Formen  bei  Morschwil  von  sich  aus 
zum  Ausdruck  zu  bringen;  eine  genaue  Angabe  des  Gipfei 
punktes  in  alien  Fallen  wiirde  sich  fur  die  Arbeit  des  Geo- 
logen  als  sehr  niitzlich  erweisen. 

Schliesslich  sei  auch  der  Wallformen  am  linken  Ufer 
der  Sitter  bei  Schrattenwil  kurz  gedacht ;  es  ist  nicht  un- 
moglich,  dass  auch  sie  noch  der  Drumlinslandschaft  von 
Wittenbach  angehoren  (besonders  derjenige  bei  Rutzenwil 

*)  Um  Irrtumcr  zu  vennoidon.  sei  hier  ausdruck lich  darauf 
Ungewiesen,  dass  die  beiden  Drumlins  l>ei  Linden  N  AVittenbach 
nicht  zusammenhangen ;  Erkundigungen  ergaben,  dass  bei  der 
Strassenanlage  die  zwischenliegende  Senkung  aufgefiillt  worden  ist. 


608 


621  m),  da  die  Terrain  verhaltnisse  durchaus  entsprechende 
sind;  es  wlirde  sich  in  diesem  Falle  zumeist  um  Drum- 
lins  handeln,  welche  im  0  durch  die  Erosion  der  Sitter 
abgetragen  worden  sind;  der  Gletscherschutt  hat  an  den 
abgebrochenen  Enden  starke  Rutschungen  nach  der  Sitter 
zu  veranlasst.  Da  wir  uns  aber  bis  jetzt  eine  bestimmte 
tJberzeugung  (Erosionsformen?)  nicht  haben  bilden  konnen, 
wurde  auch,  unserm  Prinzip  getreu,  in  sehr  zweifelhaften 
Fallen  eher  zu  wenig  als  zu  viel  einzutragen,  von  einer 
Kartierung  der  betreffenden  Formen  Abstand  genommen. 
Nordlich  Edliswil  beginnt  ein  neuer  Drumlinsschwarm 
(zwischen  Sitter  und  Thur  SO  Bischofszell  im  Gottshaus), 
wovon  aber  nur  ein  einziges  und  auch  dieses  nur  noch 
teilweise  in  der  NW  Ecke  auf  unsere  Karte  fallt;  seine 
Siidseite  lasst  deutliche  Terrassierung  erkennen,  wie  sie 
auch  in  der  Wittenbacher  Gegend  gelegentlich  beobachtet 
werden  konnte;  wahrscheinlich  bilden  die  Drumlins  von 
Gottshaus  die  Fortsetzung  derjenigen  von  Wittenbach. 

V.  Das  Tanneiiberg-Plateau. 

Wir  verstehen  darunter  die  ganze,  im  NW  der  Stadt 
gelegene  plateauartige  Masse,  auf  welcher  die  Gipfel  der 
Steinegg   (911   m),    des   Tannenberges   (866  m)    und  des 
Tannerwaldes  (904  m)  aufgesetzt  sind.    Das  Plateau  wird 
gebildet   von  den   Sandsteinen,   Mergeln   und   Nagelfluh- 
banken    der    obern   Susswassermolasse,   welche    hier  nur 
noch  schwach  nach  NW  geneigt  sind  und  im  nordlichen 
Teil  in  die  horizontale  Lage  ubergehen.    Uberall  ist  daB 
Plateau  mit  Erratikum  bedeckt;  auch  die  drei  erwahnten 
Gipfel  sind  aus  solchem  zusammengesetzt.    Die  anstehende 
Molasse  ist  an  den  Randern  des  Plateaus  an  mehreren 
Stellen  (siehe  Karte)  gut  wahrzunehmen,  so  bei  Obertonis- 


609 


g  (Steinbruch  auf  ca.  860  m)  und  im  Tannerwald  (inter- 
mte  Aufschlusse  durch  Anlage  neuer  Waldwege);  hier 
let  sich  die  Molasse  noch  in  einer  Hohe  zwischen  870 
880  m  und  es  ist  das  zugleich  die  hochste  Stelle  ihres 
jtehens  in  diesem  Gebiet;  es  wird  von  dem  betreffenden 
ischluss  spaternoch  ausfuhrlicher  die  Rede  sein  miissen. 

Steigt  man  von  Abtwil  den  Siidabhang  des  Plateaus 
h  Giessen  und  Halden  empor,  so  trifffc  man  alliiberall 
zweifellose  Ablagerungen  des  Rheingletschers  aus  der 
ten  Eiszeit,  gekennzeichnet  durch  zahlreiches  Vorkom- 
l  kristallinischen  Erratikums  (Diorite,  Puntaiglasgranit 
r.);  in  der  Nahe  der  Hauser  (Abtwilermiihle)  finden  sich 
die  im  Felde  ausgegrabenen  und  fur  allf&lligen  Be- 
f  gesammelten  Geschiebe  (Findlinge)  in  Haufen  auf- 
lirmt  und  gestatten  auf  diese  Weise  ein  bequemes 
dium;  selbstverstandlich  fehlt  auch  die  Seelaffe  nicht; 
k  vertreten  sind  die  Sandsteine  der  marinen  und  der 
ern  Susswassermolasse. 

Wendet  man  sich  nun,  dem  sudlichen  Plateauabsturz 
;end,  nach  Tellen,  so  stosst  man  hier  auf  einen  ganz- 

„vertufflentt  Schuttkegel,  der  bei  Besprechung  der 
avialgebilde  gebuhrende  Beriicksichtigung  erfahren  soil. 
r  benutzen  ihn  als  Aufstieg  zum  Burgstock,  wo  wir 
sa.  8B0  m  auf  eine  deutliche,  steil  abfallende  Kante 
isen,  die  ostlich  und  westlich  des  Bachleins,  welches 
;enannten  Tuffkegel  abgelagert  hat,  gut  aufgeschlossen 

Das  die  Terrassenkante  bildende  Gestein  erweist  sich 
ein  echter  fluvioglazialer,  durch  ein  grobsandig-kalkiges 
demittel  zu  einer  festen  Nagolfluh  verkitteter  Schotter, 
cher  nach  der  Lagerung  der  im  allgemeinen  gut  ge- 
deten  Geschiebe  einer  von  SO  nach  NW  gerichteten 
omung  seine  Entstehung  verdankt.    Was  uns  vor  allem 


auffallt.  ist  die  durchschnittlich  bedeutende  Gross**  der 
Geschiebe  (faust-  bis  kopfgross)  und  die  von  der  tertiaren 
Nagelfluh  durchaus  abweichende  Art  der  Verkittung,  indem 
das  Bindemittel  zwischen  den  einzelnen  Gerollen  grossere 
und  kleinere  Lucken  aufweist.  Die  auffallende  Erscheinung 
der  Aushohlung  zeigt  sich  bei  einzelnen  Gerollen  und  die 
(durch  Auslaugung)  entstandenen  Hohlraume  erscheinen 
dann  haufig  gefachert;  die  stehen  gebliebenen  Wande  sind 
oft  ausserordentlich  diinn,  einem  feinen  Hautchen  vergleich- 
bar.  Auffallen  muss  auch  das  fast  ganzliche  Fehlen  kristalli- 
nischer  Gerolle;  die  gesamte  Ablagerung  setzt  sich  nam- 
lich  aus  Sandsteinen  (der  untern  Susswassermolasse)  und 
alpinen  Kalken  zusammen,  denen  sich  wohl  auch  das  Eocen 
beigesellt  hat.  Deutliche  Eindrucke  und  Rutschstreifen, 
wie  sie  in  der  miocenen  Nagelfluh  so  uberaus  haufig  sind, 
konnten  wir  nirgends  wahrnehmen;  Gerolle  mit  verwa- 
schenen  Eindrticken  dagegen  triffb  man  ziemlich  haufig  — 
sie  stammen  eben  aus  der  miocenen  Nagelfluh;  dasselbe 
gilt  sicher  von  den  meisten  der  so  uberaus  seltenen  kri- 
stallinischen  Gerolle.  Es  entspricht  diese  nagelfluh- 
artigverkitteteKiesdecke  demaltern  Decken- 
schotter  und  ist  somit  ein  der  ersten  Eiszeit 
entstammendes  Ablagerungsprodukt. 

tJber  diesem  altern  Deckenschotter  liegt  im  Schiffli- 
macherwald  in  der  Hohe  von  ca.  880  m  eine  zurzeit  ver- 
lassene  Kiesgrube,  durch  welche  ungeschichtetes  Erratikum 
aufgeschlossen  wird;  eine  etwas  hoher  (auf  ca.  890  m)*  g©" 
legene  Grube  am  Waldrand  0  Unter-Ettisberg  besteht 


*  Da  das  fiir  den  Druck  der  Karte  verwendete  revidierte 
topographische  Blatt  bei  der  Aufnahnie  noch  nicht  zur  Verfflgung 
stand,  konnten  die  Eintragungen  in  diesem  Gebiet  nicht  imnier 
mit  der  wiinschenswerten  Genauigkeit  vorgenommen  werden. 


611 


dagegen  wieder  aus  ann&hernd  horizontal  geschichtetem 
Schotter;  der  Aufschluss  mag  zirka  10  m  hoch  sein  und 
zeigt  an  der  Basis  feinen,  reinen  Sand,  daruber  lehmigen 
Sand  mit  diinnen  Lagon  eines  plastischen  und  Konkretionen 
einschliessenden  Tones ;  der  oberste  Teil  besteht  aus  Kies- 
schichten,  wobei  die  Gerolle,  nach  oben  grober  werdend, 
bis  Kopfgrosse  erreichen.  In  beiden  Gruben  fanden  wir 
nur  ca.  4 — 5  kristallinische  Gerolle,  welche  ausserordent- 
lich  kleinen  Umfang  aufweisen  und  wahrscheinlich,  wenig- 
stens  teilweise,  der  miocenen  Nagelfluh  entstammen.  Ausser- 
ordentlich  wichtig  ist  nun  die  Tatsache,  dass  sich  in  beiden 
Gruben  unverkennbare  Stucke  des  Deckenschotters  selbst 
als  Geschiebe  in  grosserer  Zahl  nachweisen  lassen.  Es 
handelt  sich  durchaus  nicht  etwa  um  einzelne  fester  ver- 
kittete  Partien  innerhalb.  einer  lockeren  Ablagerung,  denn 
Bpeziell  in  der  geschichteten  Grube  erweisen  sich  die  Decken- 
schottereinschlusse  fast  stets  als  wohl  gerundete  Gerolle. 
Die  Ablagerungen,  in  welcher  die  beiden  Kiesgruben  an- 
gelegt  sind  und  welche  vermutlich  auch  den  Gipfel  der 
8teinegg  bedecken,  sind  somit  junger  als  der  altere  Decken- 
schotter,  da  sie  denselben  tiberlagern  und  Bruchstucke 
desselben  als  Geschiebe  und  Gerolle  einschliessen ;  andrer- 
seits  zwingt  die  liber  1  m  starke  Verwitterungsdecke  (auch 
die  Geschiebe  sind  oft  stark  zersetzt),  sowie  das  Fehlen 
der  in  den  jtingsten  Ablagerungen  des  Rheingletschers  so 
haufigen  kristallinischen  Geschiebe  zur  Annahme,  dass  die 
bezugliche  Ablagerung  (Morane  mit  fluvioglazialer  Decke) 
hinwiederum  alter  sein  muss  als  die  Jungmoranen.  Es 
ist  das  Verdienst  Dr.  Gutzwillers  *,  zuerst  diese  Verhalt- 
nisse  gewurdigt  und  uns  bei  Gelegenheit  einer  gemeinsamen 

*  Dr.  A.  Gutzwiller :  Altere  diluviale  Schotter  in  der  Nahe  von 
8t  Gall  en  und  von  Bischofszell.   Eel  ogee  geol.  Helv.  Vol.  VI,  Nr.  4. 


612 


Exkursion  behufs  Demonstration  des  ursprunglich  von  i 
im  Herbst  1897  aufgefundenen  Deckenschotters  darauf  a 
merksam  gemacht  zu  haben.  Nach  Dr.  Gutzwiller  hanc 
es  sioh  um  Altmorane  und  Schotter  der  vorletzten  Eisz 
also  um  Hochterrassenschotter;  wir  lassen  es  unentschied 
ob  nicht  am  Ende  hier  die  jtingere  Decke  (zweite  der  \ 
Eiszeiten)  vorliegt  und  mochten  deshalb  dieselben  eir 
weilen  als  Ablagerung  aus  einer  mittlern  Eiszi 
bezeichnen. 

Auch  am  Plateau  des  Tannerwaldes  ist  die  Terrass 
kante  des  Deckenschotters  deutlich  sichtbar  und  vom  Ot 
wilerhSlzli  durch  das  Bergholz  bis  N  vom  Wirtshaus  Hoh 
tannen  ununterbrochen  zu  verfolgen ;  seine  Sohle  li 
hier  um  ca.  15  m  tiefer  als  an  der  Steinegg,  namlich  i 
ca.  830  m,  wodurch  die  von  Dr.  .Gutzwiller  aus  der  Lt 
der  Gerolle  bestimmte  NW-Stromung  vollkommen  bestat 
wird;  selbstverstandlich  sind  namlich  die  beiden  jetzt  du: 
das  Tal  von  Hohfirst  voneinander  getrennten  Deckenschot 
seinerzeit  als  zusammenhangende  Decke  abgelagert  word* 
das  trennende  Erosionstal  ist  bedeckt  von  Schutt  der  letz 
Eiszeit  (viele  kristallinische  Geschiebe!)  und  muss  a 
nach  der  ersten  und  vor  der  letzten  Eiszeit  entstanc 
sein. 

Den  schonsten  Aufschluss  im  Deckenschotter  fine 
wir  an  der  Westseite  wenige  Schritte  nordlich  des  Haus 
welches  zwischen  der  Hohentannenwirtschaft  und  c 
Hausern  von  Grimm  liegt;  an  seiner  Sohle  (jedenfalls  i 
dem  nicht  sichtbaren  Kontakt  mit  Molasse  —  letztere 
NW  davon  durch  ein  Bachlein  entblosst)  liegen  die  pra< 
tigen,  gefassten  Quellen  der  Waldkircher  Wasserversorgur 
iiberhaupt  bildet  die  Sohle  des  Deckenschotters  iiber 
einen  ausgesprochenen  Quellenhorizont ;  im  Schotter  sa 


613 


melt  sich  das  Wasser  an,  um  auf  der  unterlagernden  un- 
durchlassigen  Molasseschicht  als  Quelle  auszufliessen;  das 
Niveau  der  obern  Reservoirs  und  Brunnstuben  (fast  samt- 
liche  Quellen  an  der  Steinegg  und  bei  Hohentannen  sind 
nun  gefasst)  ist  also  zugleich  das  Kontaktniveau  zwischen 
Deckenschotter  und  Molasse. 

Der  obere  Teil  des  ca.  15  m  machtigen  Aufschlusses 
ist  zu  einer  typischen  lochrigen  Nagelfluh  verkittet;  es 
ist  verhaltnismassig  leicht,  Handstucke  zu  gewinnen,  in 
welchen  uber  die  Halfte  aller  Gerolle  mehr  oder  weniger 
stark  ausgehohlt  sind;  manche  Gerolle  zeigen  mehrere 
durch  stehen  gebliebene  Wande  voneinander  geschiedene 
Hohlraume  (Facherung);  auffallenderweise  sind  die  oftnur 
ein  bis  wenige  Millimeter  dicken  Rinden  und  Scheidewande 
(besonders  in  einer  bestimmten  Bank)  fast  durchweg  von 
kleinen  Kalkspatkristallen  iiberzogen  (Kristalldrusen).  Das 
Bindemittel  dieser  Bank  ist  kalkiger  Natur  und  die  Ver- 
kittung  so  fest,  dass  beim  Bearbeiten  mit  dem  Hammer 
die  Gerolle  nicht  herausspringen,  sondernmitdurchschlagen 
werden. 

Die  untere  Halfte  der  aufgeschlossenen  Kieswand  ist 
dagegen  auffallend  locker;  nur  stellenweise  (niemals  in 
durchgehender  Bank)  finden  sich  fester  verkittete  Partien. 
Der  ganze  Aufschluss  (besonders  der  untere  Teil)  zeigt  Ein- 
lagerungen  von  ziemlich  unregelmassigen  Sandschmitzen, 
gelegentlich  ebenfalls,  jedoch  meist  weniger  fest  verkittet. 
Die  Grosse  der  Gerolle  ist  durchaus  nicht  einheitlich;  sie 
8chwankt  von  Bohnen-  bis  zu  Kopfgrosse  und  auch  noch 
grossere  kommen,  allerdings  selten,  zum  Vorschein.  Ab- 
gesehen  von  wenigen  der  miocenen  bunten  Nagelfluh  ent- 
tommenden  Gerollen  (es  fand  sich  z.  B.  der  fur  erstere 
*o  charakteristische  rote  Granitporphyr),  liessen  sich  keine 


614 


kristallinischen  Gesteine  nachweisen.  Von  hier  steigt  die 
unterlagernde  Molasse  nach  0  stark  an,  urn  an  dem  neu 
erstellten  Waldweg  nach  Bernhardzell  bis  zu  einer  Hohe 
von  880  m  emporzureichen.  Sie  bildet  hier  wieder  die 
Sohle  eines  Schotters,  welcher  sich  wieder  in  Form  einer 
Kante  deutlich  abhebt,  partien-  und  bankweise  stark  ver- 
kittet  ist  und  iiberhaupt  in  jeder  Beziehung  der  alteren 
Decke  zu  entsprechen  scheint.  Es  fragt  sich  nur,  wie  die 
auffallende  Niveaudifferenz  der  Sohle  von  830  m  auf  880  m 
(also  ca.  60  m  auf  bloss  800—900  m  Horizontaldistanz) 
in  diesem  Fall  erklart  werden  soil.  Etwas  wenig  W  vom 
Aufschluss  durchbricht  die  Molasse  sogar  die  Schottersohle, 
um  einige  Meter  in  denselben  hineinzuragen.  Penk,  welcher 
den  Deckenschotter  spater,  aber  unabhangig  von  uns  eben- 
falls  aufgefunden  hat,  spricht  ganz  kurz  von  einer  Ver- 
knupfung  mit  Moranen  und  in  der  Tat  erblickt  man  einen 
schonen  Aufschluss  in  Altmoriine  etwas  iiber  der  Decken- 
schotterkante  in  885  m  bei  dem  Bauernhof  N  der  Wirt- 
schaft  Hohentannen.  Die  Ahnlichkeit  der  Lagerungsver- 
haltnisse  mit  denjenigen  auf  der  Steinegg  (alterer  Decken- 
schotter, dariiber  ungeschichtete  Altmorane,  ihrerseits  von 
Schotter  bedeckt)  muss  auffallen  und  es  drangt  sich  die 
Oberzeugung  auf,  dass  der  auf  880  m  lagernde  Schotter 
von  Hohentannen  demjenigen  entspricht,  welcher  ungefahr 
in  derselben  Hohe  (890  m)  auf  der  Steinegg  als  eine  einer 
mittleren  Eiszeit  entstammende  Ablagerung  beobachtet 
worden  ist.  Ein  Ausbiss  der  Molasse  direkt  zwischen  den 
beiden  Schottern  lasst  sich  nirgends  wahrnehmen;  allenx 
nach  miissen  sie  auf  der  Leeseite  der  Molasseerhebung, 
nur  durch  die  ungeschichtete  Grundmorane  getrennt,  direkt 
iibereinander  lagern.  Allordings  entspricht  der  Aufschluss 
im  Tannerwald  nicht  vollig  demjenigen  auf  der  Steinegg. 


Die  Hohe  des  erstern  betritgt  ungofakr  20  m ;  unten  Kon- 
takt  init  der  jinstolu'iiden  Molasse  gorade  noch  zu  erkrnnen 
(seither  verdeekt,  aber  wenig  W  davon  am  Wege  gute 
Molasseaufschliisse) ;  die  untern  10  m,  nur  stellenweise 
and  meist  locker  verkittet,  erscheinen  grob  und  undeutlich 
flach  geschichtet.  Das  Material  besteht  aus  Sand,  oft 
Schmitzen  eines  wenig  festen  Sandsteins  bildend,  und 
Kies,  dessen  Gerolle  haufig  Kopfgr6sse  und  dariiber  er- 
reichen;  eine  ausgepragte  Sonderung  derselben  nach  der 
Grosse  ist  nicht  vorhanden,  doch  findet  sich  die  Mehrzahl 
der  grossern  Geschiebe  mehr  an  der  Sohle;  durchwegs 
erscheint  das  Material  stark  angewittert  und  zersetzt.  Die 
obern  10  m  zeigen  dagegen  deutliche  horizontale  Schich- 
tung;  das  Material  ist  durchschnittlich  feiner  und  teilweise 
zu  festen,  durchgehenden  Banken  diluvialer  Nagelfluh  ver- 
kittet;  sie  bildet  auch  den  Gipfel  von  Hohentannen  604  m 
(moglicherweise  von  unbedeutendem  Erratikum  der  letzten 
Eiszeit  bedeckt;  siehe  weiter  unten),  wie  sich  an  Hand 
eines  kleinen,  im  Walde  ganz  versteckten  Aufschlusses 
konstatieren  Hess ;  hohle  Gerolle  kommen  moglicherweise 
vor,  sind  aber  von  uns  nicht  beobachtet  worden;  kristal- 
linische  Geschiebe  fehlen  auch  hier  sozusagen  vollig.  Es 
ergibt  sich  daraus,  dass  dieser  Schotter  viel  mehr  der 
altern  Decke  entspricht  als  das  bei  demjenigen 
aufder  Steinegg  der  Fall  ist,  welcher  (soweit  er 
wenigstens  aufgeschlossen  erscheint)  nirgends  Nagelfluh- 
banke  aufweist.  Zweifellose.  gerollte  Einschliisse  von 
Deckenschotter,  welche  besonders  in  den  untern  Partien 
zu  vermuten  waren,  sind  auf  Hohentannen  nicht  von  uns 
konstatiert  worden;  trotzdem  konnen  wir  uns  des  Eindrucks 
nicht  erwehren,  dass  es  sich  auch  hier  um  eine  Ablagerung 
aus  einer  mittleren  Eiszeit  handelt,   die  dem  Alter  nach 


616 


derjenigen  von  der  Steinegg  entsprechen  mag,  petro- 
graphisch  aber  mit  der  altern  Decke  mehr  Ubereinstim- 
mung  zeigt.  Ob  es  sich  in  diesem  Falle  um  die  jiingere 
Decke  oder  um  Hochterrassenschotter  handelt,  muss  einst- 
weilen  unentschieden  bleiben;  Hohentannen  wurde  mehr 
fur  ersteres  sprechen,  wahrend  die  Steinegg  letzteres  ver- 
muten  lasst.  Infolge  der  noch  nicht  ganz  abgeklarten 
Verhaltnisse  wurde  von  einer  durch  eine  besondere  Farbe 
hervorgehobenen  Ausscheidung  auf  der  Karte  Umgang 
genommen;  es  ist  jedoch  leicht  ersichtlich,  dass  die  auf 
der  Steinegg  sicher,  auf  der  Hohe  von  Hohentannen  ver- 
mutlich  einer  mittleren  Eiszeit  entstammenden  Ablage- 
rungen  den  hochsten  iiber  der  deutlich  markierten  Kante 
des  alteren  Deckenschotters  sich  erhebenden  Teil  des 
Plateaus  bedecken. 

Wahrscheinlich  diirfte  auch  auf  demTannenberg  (866  m) 
die  altere  Decke  bei  Gelegenheit  spaterer  Aufschliisse  kon- 
statiert  werden ;  da  letztere  bis  jetzt  vollig  fehlen,  musste 
derselbe  einstweilen  unberiicksichtigt  bleiben. 

Das  Erratikum  der  letzten  Eiszeit  *)  zieht  sich  am  Ge- 
hange  des  Plateaus  bis  einige  Meter  liber  die  Kante  des 
altern  Deckenschotters  hinauf ;  ob  der  Gletscher  bei  seinem 
letzten  Vorrucken  die  Hohe  des  Plateaus  iiberschritten 
hat,  lasst  sich  mit  Sicherheit  kaum  mehr  feststellen,  wird 
aber  durch  einen  von  uns  auf  dem  hochsten  Gipfel- 
punkt  des  Plateaus  (Steinegg  911  m)  nachge- 
wiesenen  Puntaiglas  wahrscheinlich  gemacht;  auch 
im  Tannerwald  kam  auf  ca.  880  m  Hohe  noch  ein  solcher 


*)  Um  die  Lagerung  unrl  Ausbreitung  di»r  altern  Gletscher- 
ablagcrungen  deutlich  horvortroten  zu  lassen,  musste  es  auf  der 
Karte  von  der  Sohle  des  altern  Deckenschotters  an  unberiicksichtigt 
bleiben,  was  wir  hier  ausdriicklich  bemerken. 


617 


bei  Anlage  des  neuen  Waldweges  zum  Vorschein;  seine 
Triimmer  sind  von  Porstverwalter  Wild  in  vorsorglicher 
Weise  unter  einer  Bank  mit  andern  Geschieben  aufge- 
Btapelt  worden;  der  Findigkeit  dieses  Freundes  der  er- 
ratischen  Blocke  ist  auch  der  ebenfalls  auf  zirka  880  m 
lagernde  Puntaiglas  im  Schifflimacherwald  zu  verdanken 
und  Gutz wilier*)  erwahnt  selbst  (Santisgletscher,  Jahr- 
buch  1871/72,  pag.  143)  „auf  Hohentannen  (900  m)  Kalk- 
blocke  und  kristallinische  Gesteine".  DerUmstand, 
dass  die  Deckenschotterkante  im  0  nirgends  mehr  zutage 
tritt,  beruht  auf  einer  Abschiirfung  derselben  durch  das 
vorruckende  Gletschereis ;  Erratikum  der  letzten  Eiszeit 
steigt  hier  wohl  infolge  der  Stauung  in  bedeutender  Machtig- 
keit  und  zusammenhangender  Decke  weit  hinauf ;  einen 
8chonen  Aufschluss  bot  friiher  die  Kiesgrube  bei  Hinter- 
loch  850 — 860  m,  wo  sich  fiber  flachgeschichtetem  Kies 
ungeschichteter  Moranenschutt  mit  vielen  kristallinischen 
Geschieben  beobachten  Hess. 

Schliesslich  sei  noch  darauf  hinge  wiesen,  dass  der 
alter e  Deckensc hotter  des  Tannenbergs,  von  der 
Decke  des  Utlibergs  (873  m)  abgesehen,  der  hochst- 
und  zugleich  der  den  Alpen  am  nachsten  ge- 
legene  des  alpinen  Vorlandes  ist. 

Die  Gipfel  der  Steinegg  und  des  Tannerwaldes  (Hohen- 
tannen), sowie  der  isolierte  Hugel  810  m  S  Answiler  Wald 
sind  als  erratische  Bundhockerformen  aufzufassen;  der 
letztere  enthalt  zweifellos  einen  Molassekern. 


*)  Nach  Dr.  Gutz  wilier  reicht  das  jiingste  Erratikum  hier  nur 
bis  zu  einer  Hohe  von  ca.  860  m;  es  trifft  das  zu  fur  die  mehr 
°der  weniger  zusammonhangende  Moranendecke ;  einzelne 
Bl5cke  reichen,  wie  nachge wiesen,  bis  zu  911  in. 


618 


VI.  Das  Oebiet  des  SSntisgletsehers. 

Im  Jahrbuch  1871/72  hat  Dr.  Gutzwiller  den  fruhern 
Santisgletscher  und  seine  Ablagerungen  einer  eingeheDden 
Forschung  unterzogen.  so  dass  uns  selbst,  die  wir  iiberall 
auf  unserm  Kartengebiet  die  vollkommene  Richtigkeit  der 
Angaben  dieses  trefflichen  Forschers  konstatieren  konnten, 
nichts  anderes  tibrig  bleibt,  als  der  Hauptsache  nach  seine 
eigenen  Resultate  wiederzugeben,  soweit  unser  Gebiet  da- 
bei  in  Betracht  kommt. 

Zur  Eiszeit  bewegte  sich  vom  Santis  her  eine  Eis- 
masse  sitterabwarts,  um  nach  einiger  Zeit,  die  Wasser- 
scheide  tiberschreitend,  auch  das  Tal  der  Urnasch  zu  iiber- 
fluten  und  in  demselben  sich  abwarts  zu  bewegen.  Dieser 
Gletscher  brachte  selbstverstandlich  nur  die  im  Santis- 
und  Voralpengebiet  anstehenden  Gesteine  (vor  allem  die 
verschiedenen  Kreidekalke,  festen  Sandstein  und  Nagelfluh) 
in  unsere  Gegend;  kristallinische  Geschiebe  konnte  nur 
der  Rheingletscher  bringen;  wenn  wir  nun  trotzdein  solche 
in  den  betreffenden  Ablagerungen  im  Sitter-Urnaschgebiet 
finden,  so  erklart  sich  das  aus  dem  Umstande,  dass  ein 
kleiner  Arm  des  Rheingletschers  uber  den  Stoss  und  liber 
Eggerstanden  ins  Sittertal  gelangte  und  von  da  mit  dem 
Sittergletscher  vereinigt  sich  talabwarts  bewegt  hat,  bis 
es  zur  Verschmelzung  mit  dem  Gros  des  Rheingletschers 
kam,  welche  wenig  S  Bruggen  (Gtibsenmoos-Haggen-SoH- 
tiide  bilden  etwa  die  Nordgrenze  fiir  den  Santisgletscb^ 
zurzeit  seiner  grossten  Ausdehnung)  eintreten  musste.  Von 
der  Solitude  zieht  sich  die  Grenzlinie  gegen  den  Brand 
und  Teufen  zur  Wasserscheide  zwischen  Goldach  un^ 
Sitter.  Wir  haben  von  einer  diesbeziiglichen  Abgrenzuag 
auf  der  Karte  Abstand  genommen,  da  dieselbe  doch  nicb^ 
auf  eine  dem  Massstab  der  Karte  entsprechende  Genauig^ 


619 


keit  Anspruch  erheben  kdnnte  und  vor  allem,  weil  die 
Gutzwiller'sche  Santisgletscherkarte  alien  Anspriichen  Ge- 
ntige  leistet. 

Dagegen  sei  aus  dem  Gebiete  des  Santisgletschers  die 
von  Dr.  Gutzwiller  nicht  erwahnte  prachtige  Kiesterrasse 
auf  dem  rechten  Ufer  der  Sitter  von  Schwantlen  nach 
Sommerhaus  ihrer  jetzigen  schonen  Aufschlusse  wegen 
gauz  besonders  hervorgehoben.  Die  Kiesgrtibe  bei  Ktihnis- 
haus  ist  an  einer  Stelle  bis  auf  18  m  aufgeschlossen. 
Schichtung  ungleichmassig,  Deltastruktur;  zu  unterst  Sand 
mit  dunnen,  jeweilen  sich  bald  auskeilenden  Schichten 
feinen  Kieses,  der  Sand  stellenweise  von  ziemlich  lehmiger 
Beschaffenheit;  eigentliche  Lehmschichten  fehlen;  nach 
oben  grober  Kies  und  als  Decke  eine  ca.  2  m  machtige 
horizontale  Ubergussschicht  mit  grossen  Gerollen,  welche 
bis  Kopfgrosse  und  dariiber  erreichen:  im  Verlaufe  des 
Abbaues  kommen  auch  ansehnliche  Blocke  zum  Vorschein. 
Die  kristallinischen  Gesteine  (darunter  ein  Gabbro)  treten 
hinter  den  Kalk-  und  Molassegeschieben  (Sandstein  und 
Nagelfluh)  ganz  bedeutend  zuriick,  ohne  aber  selten  zu 
sein ;  Schrammen  haufig  noch  verhaltnismassig  gut  wahr- 
nehmbar,  sehr  selten  dagegen  Anzeichen  von  Politur.  Die 
Kiesgrube  bei  Schwantlen  weist  durchaus  Iibereinstimmende 
Verhaltnisse  auf;  die  horizontale  tJbergussschicht  besteht 
hier  aber  in  ihrem  westlichen,  der  Sitter  zunachst  gelegenen 
Teil  aus  Sand  und  feinem  Kies.  Die  auf  dem  andern  Ufer 
der  Sitter  (S  Schmitten)  gelegene  kleine  Kies-  und  Sand- 
grube  ist  leider  zurzeit  schlecht  aufgeschlossen,  scheint 
aber  den  beiden  erwahnten  zu  entsprechen. 

Topographisch  stellt  sich  das  Gebiet  dieser  Schotter- 
ablagerung  als  eine  deutliche,  nach  S  sich  etwas  erweiternde 
Mulde   dar,   welche  im  0   und  W  von  der   anstehenden 


Molasse  begrenzt  wird;  geologisch  ist  der  Schottei 
aufzufassen  als  die  Auffiillung  eines  Stausees,  der  si 
dem  nach  S  und  0  zuriickweichenden  Gletscher  en 
haben  muss.  Die  Ausfullung  scheint  vorzugsweise 
her  erfolgt  zu  sein. 

Schliesslich  sei  ausdrucklich  hervorgehoben,  das 
der  Rheingletscher  neben  andern  dieselben  Gesteii 
der  S&ntisgletscher  in  unsere  Gegend  getragen  ha 
Kriterium  ist  ein  mehr  negatives,  indem  den  rein* 
lagerungen  des  letztern  die  kristallinischen  Geschie 
die  Seelaffe  ganzlich  fehlen  mussen:  in  unserer  G 
kommen  aber  solche  reinen  Ablagerungen  wegen  de 
erwahnten  Verschmelzung  mit  einem  Arm  des 
gletschers  gar  nicht  vor  und  somit  charakter 
sich  hier  das  friihere  Ausdehnungsgebie 
S&ntisgletschers  lediglich  durch  ein  Errat 
in  welchem  die  kristallinischen  Geschieb* 
stark  gegenuber  den  alpinen  Kalken  der  K 
der  Nagelfluh  und  dem  Sandstein  der  Mc 
zurucktreten. 


Anmerkung.  Der  Schluss  unserer  Arbeit,  welche: 
Abschnitt  iiber  die  Alluvionen,  ein  Kapitel  iiber  d 
logisch-topographischen  Wechselbeziehungen,  sowie 
ein  solches  iiber  die  technische  Verwendung  der  G 
unseres  Gebietes  bringen  soil,  wird  im  nachsten  Jal 
erscheinen.  Wenn  immer  moglich,  wird  derselbe 
eine  Anzahl  geologisch  interessanter  oder  typischer 
schaftsbilder  und  Profile  ausgestattet  werden. 


XII. 


Meteorologische  Beobachtungen. 

Jahr  1902. 

A. 

Station  Altstfttten  (450  M.  tt.  M. ). 

Beobachter:  J.  Haltner. 


1 

Lu 

ftdruck 

1902 

'        Mittel 

1 

|                Minimum 
|                                Tag 

i 

Maximum 

Tag 

Januar 

!      727,7 

!      707.0 

25. 

i 

740,8      1 

15. 

Februar 

I      718,4 

709,1 

8. 

1 

725,4      1 

21. 

Marz 

i      721,1 

1      710,6 

23. 

1 

729,7 

17. 

April 

720,5 

,      715,0 

1. 

729,1 

21. 

Mai 

,      721,9 

,      713,0 

17.  18 

i 

733,1      . 

24. 

Juni 

!      721,9 

I      714,9 

9. 

1 

729,6      ' 

23. 

Juli 

1      724,4 

i      71H.7 

10. 

i 

730,8      i 

28. 

August 

i      723,4 

1      716,8 

29. 

. 

728,2 

22. 

September 

1      724,7 

l      715,2 

30. 

730,9      I 

20. 

Oktober 

728,1 

,      715,0 

11. 

! 

734,4      j 

24. 

November 

722,2 

709,4 

26. 

1 

729,7      ' 

14. 

Dezember 

724.9 

"  722,8 

'      705,6 
|      706,6 

30. 
XII. 

1- 
1 

736,0      i 
740,8 

23. 
I. 

Jahr 

i 

Luftt 

emperatur 

1902         I 

1 

7h       | 

lh      j     9h      j 

Red.    1 
Mittel  : 

Minimum          Maximum 
Tag                   Tag 

Januar            1 

—  0,9| 

3,4        0,8 

1,0  '- 

7,7 

9. 

10,3 

2. 

Februar          ! 

1-  0.9  1 

3,5  i       0,4 

0,8  - 

-  9,5 

2. 

13,4 

7. 

Marz 

2,3 

8,2  ,      3,8 

4,5  i  — 

-  2,8 

11. 

16,8 

20. 

April 

8'2, 

15,4 1     10,0 

10,9 

2,0 

9. '  22,0 

20. 

Mai 

8,H 

12,6  1      8,2  i 

9,3 

2,2 

7.  ,  26.0 

81. 

Juni 

14,2 

18,9 '     13,9 

15.2  ' 

8,1 

16.18.    28,2 

3. 

Juli 

16,6  1 

22,2  1     16,5  ' 

18,0 

11,0 

12. '  30,3 

15. 

August 

14,9  , 

20,6      15,6 

16,7  i 

8,1 

12.13.    26,8 

19. 

September 

11,9  ' 

17.7  ,"     12,6  ' 

13,7  , 

6,4 

20.28. 1  25,3 

4. 

Oktobe. 

6,8  ! 

11.3        7,9 

8,5  !- 

.  0,3 

25. ,  17.4 

9.  21. 

November 

1,0  ' 

5,4'       1.6 

2,4  - 

6,1 

19.    14,0 

7. 

jezeuiber 
Jahr 

-  1,91 

6,7  I 

i 

0,6  -  1,7  |- 

-  1,2  - 

9,1 

14. 
II. 

10,9 

17. 
VII. 

11,6       7,6  1 

i           1 

8,3   - 

i 

-9,5 

903 

622 


Station  Altstatten, 

Rel 

ative  Feuchtigkeit            Bewftlkung 

1902 

_ 

7*  ' 

lb    j     »*    Will,    *inl™   1      7*    '     1- 

9h      Mittll 

Januar 

1  86 

76 

85       82 

1      :j 

49   1  13,     6,6     6.7 

5,5    6,& 

Februar 

90  1 

76 

86   1   84 

36 

7,.  7,9  1  7,9 

7,0 

t,« 

M;iiv 

82  1 

63 

76  i   73 

20 

20,  i:  5,7  1  5,7 

4,0 

M 

April 

84 

60 

75   |   78 

40   ;     2,,  6,9     6,8 

5,8 

6.5 

Mai 

78 

59 

77    i    71 

28 

30 .»  7.6     8,4 

7,5 

7.8 

Juni 

7-1 

61   i   76       71 

30 

L    5,4  .  6,7 

6,4 

6,3 

Jnli 

77  [ 

60 

74 

70 

41 

18, 1!  4.8      5,4 

5,6 

5.5 

August 

85 

65 

83 

78 

43 

22,  ij  6,1      6,4 

6.0 

6.2 

September 

90  ! 

68 

87 

82 

48 

5.     5,5  !  5.1 

4,6 

5.1 

October 

'  ;l- 

75 

90       86 

57 

21.  '1  7,6  ;  7,5 

7,9 

7.7 

November 

i  93  ; 

82 

93       89 

54  j     7.  1  8,3  '  6,9 

5,5 

6,9 

Drawn  ber 

,  90 

84 

90   !   88 

41   ;  29,    8,3     7,4 

7,2 

7,6 

Jahr 

1 

1 

m 

83      79 

! 

20     HI.  J  6,7     0,7 

;  ;  < 

6,1 

U 

Niederschlap                Zabl  der  Tiige  mil 

1902 

Summe 

T*«  '!   itlilig   |  ***    Hj»l1    *Mt  |  "rtl1 

Hill  ir     Trtt 

1 

!>■  *■'       ' 

Janaar 

52 

12 

27.    11-   Si    7   1    0 

1 

5 

6 

15 

Februar 

36 

7 

4.    18.11 :  10  !    0 

0 

7 

1 

16 

M&rz 

1     113 

15 

28.  I1 15.141    5   |    0 

2 

1 

11 

11 

April 

i      39 

9  ,  25-IHL  8[    0  j    0 

2 

0 

2 

13 

Mai 

134 

28   1   17,1,25,22     1    '    0 

0 

2 

2 

10 

Iniii 

i    126 

23   '   18.    19, lb 

0  ;  0 

0 

0 

8 

a 

J  all 

107 

25   '     2.    16,12 

0  I    0 

5 

1 

4 

6 

August 

:    176 

34   |     2.'1 19.17 

0  «    0 

8 

1 

4 

10 

September 

!    ill 

34   |     S.  i'  10*  10 

0      0       2 

3 

8 

7 

Oktober 

105 

23  1  11, 1,18.15 

0      0 

0 

2 

1 

I* 

November 

8 

4   1  25.  |,   4.   3 

0      0 

0 

8 

4 

13 

December 

1    111 

27   1  21.  |j  14.13 

10      0 

1 

6 

4 

20 

Jahr 

1118 

! 

34  IviiiJ'ltmsi 
1 

~33     -" 

21 

36 

56 

161 

In  d*r  R 

ubrtk  fl2 

*hl  dtr  Tkga  rait  Nicd#r»chl*au  gvbea  die  ZU 

tern  tmur  « 

Jia  AaK*hl  d*r 

Tugs  *a 

,  *n  trelchsp  die  Niad*ricbUgmiengti  mind«it 

torn  0,3  mm, 

diajtaigea  natai 

C  b  Jod* 

1U    V 

tiohflu 

d  1*1*11 

H- 

mlai 

l«t«U 

1,0  mi 

n  ■iTl 

teht  h 

bt. 

623 


Station  Altstatten. 


Wind  v  erteilung 

902 

Zahl  der  Beobachtungen : 

N 

NE 

E      |     SE 

8      |    BW 

w 

NW 

CihMi 

ar 

2 

15 

8 

0 

0     !      4 

8 

4 

52 

uar 

1 

8 

7 

1 

3     13         1 

6 

54 

11 

4 

11        3 

1     1      6 

5 

6 

46 

i 

6 

10 

17 

4 

1     i      2 

3 

2 

45 

8 

5 

1 

1 

2     1    15 

7 

5 

49 

6 

5 

3        3 

2     !      5 

6 

5 

55 

7 

4 

3 

3 

1 

3 

11 

6 

55 

18t 

6 

10 

0 

2 

1 

3 

6 

5 

60 

>mber 

9 

6 

3 

1 

1 

2 

3 

4 

61 

ber 

6 

3 

1 

5 

3     j     3 

2 

5 

65 

jmber 

3 

7 

3        0 

3     j      2 

3 

7 

62 

mber     | 

1 

0 

17 

0    |    0 
57   |  23 

0     I    11 
18    1   59 

7 
62 

8 
68 

6ft 
670 

T           1 

66 

B. 

Station  Ebnat  (649  M.  Q.  M.). 
Beobachter :  J.  J.  Kuratle. 


902 

i_ 

Mittel 

Luftdruck 

Minimum 

Tag 

Maximum 

Tag 

ar 
aar 

I 

ist 

imber 
ber 
imber 
mber 

1     1     1     1     1     1     1     i     I     1     1     1 

— 

1  1  i  1  l  1  I  1  1  1  1  1 

— 

r 

— 

— 

— 

— 

— 

624 


Station  Ebnat. 


1902 


Lu  fttemperatur 


7h 


lh 


9h 


!    Red. 
I  Mittol 


Minimum      '       M^<M" 
Tag  j  Tag 


Januar 

Februar 

Mara 

April 

Mai 

Juni 

Juli 

August 

September 

Oktober 

November 

Dezember 

Jahr 


3-u 

'I-  3,1 1 

!  5,0  ' 

5,6 
.«     11,4 
'.     14,4 ' 
ii     12,8  • 
i    10.0 1 
il      5,5 ' 

—  0.7 

-  3.5 


3.0 

1,5 

6,2 

13.0 

10,1 

17,4 

21,4 

19,3 

16,2 

10.1 

4,7 

0,8 


0,9  0,0 
1,9  —  1,3 
1,6        2.3 


8,7, 
-10,8, 


7,7 

6,2 

12,1 

15.1 

14,6 

11,2 
6,5' 
0,4 


8.5  - 
7.0  - 

13,3  , 

16,5 

15,3  | 

12,1 
7,2, 
1,2  - 


3.0  —  2,3 


-  6,8 

-  3.8 

-  1.0 
5,4 
8,8 
6,4 
1,4 
0,2 

-  6,8 
15,0 


15.' 

2.! 

11.1 

8.. 

7. 

17.' 
24." 
12., 
20., 
27. 
18.22.  i 
12. 


7,0 
8,1 
13,4 
19,4 
24,8 
26,6 
30.6 
27,6 
25.0 
16,6 
13,0 
9,4 


I 


4. 

7. 

21 

*.& 

21.11. 

1. 

15. 

19. 

5.10. 

14. 

3. 

18. 


4,7 ,'   10.3        5,8       6,6  —15,0   XII.  |   80,6  ,  TIL 


1902 


Relative  Feuchtigkeit 


Bew6lkun 


7h     j    lh    j    9h    Initial!    Mlnln5JJ:|   7h     |    ih    I 


Januar 

Februar 

Marz 

April 

Mai 

Juni 

Juli 

August 

September 

Oktober 

November 

Dezember 

Jahr 


1    -       —      —  "'  7. 


626 


Station  Ebuat. 


-^— — 

Niederscblajy 

i 

Sfthl  dei 

Ta^e  mit 

1902 

flu  mm  » 

Maximum 

Kirtir- 
ith  lis 

SthDII 

Higtl 

it- 

ftlHlr 

■•hit 

HlltlF 

TrQD 

'  a.    b. 

lar 

101 

31 

2. 

11.    9 

10 

0 

0 

0 

9 

11 

ruar 

61 

11 

9, 

12.12 

9 

0 

0 

0 

0 

12 

■ 

202 

41 

9. 

15.15 

8 

0 

0 

0 

10 

10 

il 

100 

37 

20. 

14.14 

0 

0 

0 

0 

1 

10 

353 

67 

17, 

24.23 

9 

0 

0 

0 

8 

15 

1 

167 

B2 

4. 

17.16 

0 

0 

0 

1 

8 

10 

162 

27 

I, 

14.14 

0 

0 

1 

0 

7 

5 

not 

178 

42 

20.  | 

18. 18 

0 

a 

4 

0 

5 

10 

member 

225 

47 

1. 

10.10 

0 

a 

2 

4 

8 

9 

>ber 

161 

37 

il.  ia.14 

0 

0 

0 

4 

0 

17 

ember 

13 

4 

26, 

4.    4 

1 

0 

0 

7 

e 

9 

ember 

197 

30 
67 

13.13 

7 

0 

o 

1 

5 

15 
133 

hr 

1920 

no.  itf 

u 

0 

7? 

17? 

a 

c. 

Station  Heiden  (797  M.  a.  M.). 

Beobachter:  J.  J.  Niederer. 


Luftdruck 

1902 

Mittel 

Minimum 

Tag 

Maximum 

Tag 

i 

1 

lar          i 

697,0 

1 

678,3      1       25. 

708,9 

15. 

ruar        i 

688,0 

679,9      !         9. 

694,7 

20. 21. 

z               i 

691,0 

680,5      |       23. 

698,9 

17. 

11        ! 

691,0 

685,8      i          1. 

699,5 

21. 

i 

692,0 

683,5      i        19. 

702,4 

24.  25. 

i         i 

692,9 

685,7      .          8. 

700,2 

23. 

i 

695,6 

688,2      1        10. 

701,4 

28. 

rust       i 

694,5 

689,0      I        29. 

699,5 

22. 

tember    ! 

695,6 

686,3      j       30. 

701,0 

19. 

ober        ' 

693,5 

686,7              11. 

703,5 

24. 

'ember 

692,0 

679,8      1       26. 

698,9 

14. 

ember 

694,1 
693.1 

676,3 

30. 

704,0 
708>~ 

23. 

hr 

676,3 

XII. 

1. 

» 


626 


Station  H 

aide] 

1. 

Lufttetnperatur                           I 

1902 

7* 

l» 

pi 

fled. 

Mittfil 

Minimum 

Maximum    I 

Januar 

-  0,8 

2,9 

-0,4 

0,3 

—  9,6 

15. 

11,8 

!-l 

Febniar 

-  2,4 

1,3 

-  1,8 

-  1,2 

-i2Pe 

1. 

11,0 

28-1 

M&rz 

0,5 

4,9 

1,7 

2,2 

-  5,4 

12, 

13t0      20- 1 

April 

6,8 

12,2 

6,9 

8,2 

-  0.6 

7, 

18,4  |  20- 

Mai 

5,8 

9,0 

5,5 

6,5 

-  0,6 

id- 

22,6     31-1 

Juni 

12,1 

16,5 

11,1 

12,7 

5,4 

le, 

26,4 

1- 

Juli 

153 

19,4 

14,2 

15,8 

6,6 

12. 

27,2 

;>£- 

August 

13,9 

18,1 

13,7 

14,9 

5,4 

12, 

26,0 

IS.30- 

September 

10,4 

14,9 

9,9 

11,3 

3,1 

28. 

24,0 

4- 

October 

5.4 

9,0 

5,9 

6,5 

—  1,0 

24. 

17,8 

9- 

November 

0,2 

3,7 

oj 

M 

-  8,4 

18. 

18,4 

r  - 

December 

-  2,9 

0,0 

—  2.4 

-  1,9 

—114 

11. 

9,0 

\T- 

Jahr 

5,4 

9,3 

5.4 

6,4 

-12,6 

IL 

27,2 

¥11- 

Relative  Feucfatigkeit 

ttewtf Ikung 

1902 

7h 

n 

y1-    ' 

MitUl 

Minimum 
T.g 

7* 

it 

9b 

Mitt*^ 

Januar 

75 

65 

76 

72 

22 

8. 

5,6 

6,0 

5,2 

5,6 

Februar 

80 

67 

81 

76 

41 

6.31. 

6t7 

6,7 

7,1 

6.8 

M;ii'7. 

78 

65 

76 

73 

40 

20. 

5,1 

5,1 

4.2 

4.8 

April 

78 

60 

78 

72 

40 

10. 

6,1 

5,7 

4,8 

5,5 

Mai 

77 

67 

80 

75 

38 

18,  ;  7,2 

7,6 

7,5 

7,4 

Juni 

71 

59 

78 

69 

23 

20 

4T9 

5,6 

5,5 

5,3 

Juli 

71 

60 

75 

69 

45 

M.  it- 

4,0 

4,1 

5,1 

4,4 

August 

74 

63 

77 

71 

42 

SB  J 

4,9 

4,8 

5,2 

5t0 

September 

83 

65      82 

77 

50 

4+ 

4,9 

4,3 

3,9 

M 

Oktober 

83 

70 

83 

79 

49 

11  u 

6,5 

7,5 

8,1 

7,4  1 

November 

84 

75 

m 

80 

36 

7, 

6,8 

6,8 

5,1 

6,2    | 

Dezember 

81 

75 

79 

78 

06 

29, 

7,6 

5,9 

6,4 

6,6 

Jahr 

78 

! 

66 

7 

» 

74 

22 

1. 

5, 

(* 

5,1 

< 

57 

wT 

Station  Heiden. 


\ 


1902 

m 

Niedernchlag    i 

£ahl 

der  Tage  mit 

i-lllTHU- 

i    Maximum 

mtdtr- 

Scttiul  tfliir 

'3m\m 

ttiUtr 

Trill 

fc     b. 

J&noar 

60 

1     ]:; 

27. 

IS.  11 

10 

0 

1 

1 

8 

12 

Februar        i 

63 

12 

9. 

14.12 

13 

0 

0 

3 

2 

13 

M&rz 

122 

14 

28. 

18,13 

12 

1 

2 

1 

11 

10 

April 

42 

12 

3, 

U.   9 

1 

0 

3 

1 

6 

9 

Mai 

206 

28 

17- 

25.24 

12 

0 

0 

2 

3 

19 

Jtmi 

134 

25 

18. 

20.16 

0 

0 

1 

0 

9 

10 

Jnli 

161 

37 

2. 

17.14 

0 

0 

8 

0 

9 

6 

August 

184 

30 

20. 

21,19 

0 

0 

7 

0 

6 

5 

September    ■ 

145 

38 

5. 

11.10 

0 

0 

3 

4 

8 

6 

Oktober 

118 

32 

11. 

19.17 

0 

0 

0 

6 

1 

16 

^November 

14 

6 

9. 

5.   3 

2 

0 

0 

10 

5 

13 

December 

125 

28 

21. 

16.14 

13 

0 

1 

7 

4 

17 

Johr 

1374 

"W 

IX. 

IW.H52. 

63 

1 

96 

36 

n 

136 

"LI          J 

Windverteilung 

1902 

Zal 

il  der 

^eobacbtungen; 

IT 

NB 

1 

BE 

a 

BW 

w 

KW   | 

Cilmti 

Jannar 

1 

0 

0 

1 

5 

14 

15 

■ 

i 

6   1 

51 

Februar 

6 

0 

5 

1 

6 

2 

16 

4 

44 

Mara 

3 

0 

5 

2 

6 

8 

23 

6 

40 

April 

17 

3 

4 

1 

4 

2 

13 

7  ' 

39 

Mai 

12 

1 

0 

0 

10 

3 

42 

3  1 

22 

J  u  r  i  r      . 

8 

0 

1 

4 

6 

1 

27 

12 

31 

J  Till 

13 

1 

1 

2 

5 

0 

20 

10 

41 

August 

16 

0 

2 

1     3 

8 

4 

10 

11 

39 

September 

8 

0 

2 

0 

3 

1 

11 

15 

50 

Oktober 

2 

0 

1 

1 

4 

4 

33 

4 

44 

November 

5 

1 

2 

0 

8 

1 

3 

4 

66 

Dez  ember 

7 

0 

1 

1 

* 

9 

25 

4 

42 

Jahr 

98 

6 

24 

16 

69 

49 

238 

86 

509 

628 


D. 

Station  St  Qalleu  (703  M.  fl.  M.). 

Beobachter:  J.  6.  K  easier. 


1 

L 

u  ft  d  ruck 

1902 

1 

Mittel 

Minimum 

Tag 

Maximum 

Tag 

1 

! 

Januar 

705,3 

685,8 

i                ! 

,      25.      1      717,4 

„ 

Februar        1 

696,4 

688,2 

1        9.            703,1 

20.  21. 

Murz 

699,1 

688,9 

;      23.      |      707,2 

17. 

April             ! 

699,1 

693,8 

1.            707,4 

21. 

Mai               , 

700,2 

691,5 

'      17.      1      710,7 

24. 

Juni               ! 

701,0 

693,9 

8.      :      708,2 

23. 

Juli               j 

703,6 

696,5 

1      21.            709,5 

28. 

August         . 

702,4 

695,7 

29.            707,1 

22. 

September    ; 

703,5 

694,0 

1      30.      ,      709,4 

19. 

Oktober        | 

701,5 

694,1 

!      11.      1      711,9 

24. 

November 

700,2 

687.9 

26.            707,3 

14. 

Dezember     1 

702,5 

684,4 

i      30.      '      712,8 

28. 

Jahr 

j 

i 

~~ 701,2~ 

|     684,4 

1 

1 

1     111.           717,4 

i 

I 

L 

i 
i 

Lufttemperatur 

1902       ! 

7h 

1»       |      9b       1 

Bed.    I      Minimum 
Mittel  1                   Tag 

Maximum 
Tag 

1 
Januar 

1 

-  0,3 

3.1 

0,2 

! 

0,8  -  8.6 

15. 

11,6    ;      1.  | 

Februar        ! 

-  2,51 

0,9 

-  1,7  1 

-  1.2  l-  9,4 

1. 

9,0        8. 

Marz 

1.2: 

6.1 

2,4, 

3.0  1-  5.0 

11. 

14,9   1  20. 

April 

7'1i 

12,3 

7,7' 

8,7  !—  0,8 

8. 

18,0  1  20. 

Mai               : 

6,6' 

9,9  .       6,1  1 

7,2  !      0,2  8. 15. 

24,6   1  81. 

Juni 

12,8 

17,4 '     11,7  1 

13,4 !      6,7 

15. 

26,3 

2. 

Juli 

16,0 

20,0  1     14,9  1 

16,5 1      9,2 

21. 

27,5 

8. 

August 

14.5 

18,7  !      14.1  ; 

15,3        6,2 

12. 

26,0 

19. 

September 

11,1 

15,7  1     11,0 

12,2 1      4,2 

28. 

24,5 

4. 

Oktober 

6.2 

9,6  1       6,7  i 

7,3        0,8 

25. 

18,7 

9. 

November 

0,7 

3,6  1      1,1  j 

1,6  '—  7,2 

19. 

12,9 

7. 

Dezember     ; 

—  2,6  - 
~5,9~ 

0,4  j—  2,5  i- 
9,7  |      6,0 : 

i 

-  2,0 
~" 6,9 

-10,7 .     6. 
— 107  j  HI." 

1 

1 

9,1   :  18. 
275  '  HI. 

i 

i 

Jahr          i 

i 

Station  St.  Gallen. 


1902 


Relative  FeuchtigkeLt  HewOlkung 


7  !■         1  h  y  i.        M .  it •■  L 


Minimum 
Tag 


7t         1*         »*>    ■  Mltt*l 
1  I 


Januar 

Februar 

Marz 

April 

Mai 

J  tin  i 

■TuH 

August 

September 

Oktober 

November 

December 


79 
85 
7< 
84 
81 
76 
77 
85 
92 
93 
92 
86 


Jfthr 


84 


71 

73 
65 
65 

68 
61 

62 
67 
73 
77 
SO 
80 

70 


76 

88 
74 
82 
83 
83 
78 
87 
91 
91 
92 
87 

84 


75 

80 

n 

77 

77 
73 
72 
BO 
85 
87 
88 
84 


82   1. 

45  I  8. 
33  I  20. 

46  i  29. 
27  \   80. 

1. 
r>. 

1U, 
9. 
7, 

29 


88 
36 
41 
56 
38 
38 
36 


79  ,  27 


6,7  i  6,8 

8.3  i  8,4 

6.4  |  5,7 
7,7  6,5 
7,7  i  8,3 

5.7  5,9 

4.8  4,8 
6,4  6,3 
7,2  5,0 
8,4  8,1 
9,0  7.5 
7,7  12 


V. 


7,2  !  6,7 


6.6  6,7 

7.4  '  8.0 

4.1  5,4 

5.7  '  6,6 

7.5  '  7,8 
5.9  5,8 

5.8  5,1 

6.2  6,3 
5,5  :  5,9 

8.3  8,3 

7.9  .  8,1 

7.4  ,  7,4 


U     6,8 


1902 


Niedgrschlag 


■  Sum nia 


Maximum 


Zahl  der  Tage  mit 


Niltflr- 

uhlig 


Gl- 


Schaii  Ni|iF    w"t"|r .  Miftii  |  HiiUr    Trlt 


Januar 
Februar 

Marx 
April 
Mai 

Juni 

Jnli 

August 

September 

Oktober 

November 

December 

Jahr 


40 

58  12 

84  11 

49'  13 

216  |  34 


i 


1 


,11.10 
14.11 


128 
154 
173 

184 

122 

10 


23 

27 
28 
43 
39 
3 


27 
9 

22.  i  15. 13 
3.  1 12. 10 
9,  ! 25, 23 

13,  i20.18 
2.115.  14 

20.  i|  20. 19 
5.    11.11 

11.1,20.18 


94  1    18 


9. 
21. 


1312 1  43  '  II 

I 


6.   3 

15.15 


M.  IM. 


0 

n 
B 
o 

9 

0 
0 
0 
0 
0 

I 
11 


49  I   0 


i  i 

0  i 

1 

1 

0 

"1 

7 
6 

4  ! 
0  ' 
0  i 


2 
5 
2 
4 
1 
0 
0 

1 

7 

5 
14  ' 


15 
16 
12 

10 


3      20 
8  .  12 


7 

10 
11 

21 
21 
17 


24 


9  '     3 
~60     43   T72 


i 


630 


Station  St.  Gallen. 

Windverteilung 

1902 

N 

NE 

Zahl  der  Beobachtung 

en: 

S      !    SE           S          8W 

w 

NW 

tlW 

Januar 

0 

7 

'              '              1 

2  11,      1        21 

3 

0 

58 

Februar 

0 

10 

4       10          5 

2 

0 

62l 

Marz             , 

1 

4 

7:1;     3   1    19 

5 

1 

521 

April 

1 

17 

9  10.1.5 

3 

3 

5M 

Mai               1 

2 

10 

4  !     6     !      6    !     19 

3 

3 

*M 

Juni              . 

3 

9 

12  ;     1     j     6    1      6 

5 

2 

*r 

Juli               | 

3 

3 

15  !     1          5    ,       1 

9 

3 

5» 

August 

1 

4 

14  i     1     1     3    1      6 

7 

0 

hi 

September    i 

1 

4 

18       0    ;     0   i      3 

3 

2 

54» 

Oktober 

1 

6 

4  11,4'      7 

11 

2 

5V 

November    1 

0 

14 

11  :     1     1     2    1       1 

0 

1 

60 

Dezember     . 

3 

7 

0  I    0          1        19 

* 

0 

5& 

Jahr          ; 

-»- 

95 

100  I   14      32   ,  112 

59 

17" 

669 

E. 

Station  Santis  (2500  M.  ii.  M.)- 
Beobachter :  J.  Bommer. 


;; 

Luf tdruck 

1902        l| 

i 

Mittel 

Minimum 

Tag 

Maximum 

1                                Tag 

Januar          n 

562,6 

1 

545,9      '      25. 

1 

571,8 

8. 

Februar         ' 

555,0 

548,8      1         9. 

561,2 

20. 

Mftrz             !| 

557,8 

548,4     1      23. 

564,4 

14. 

April             „ 

560.4 

554,7      1      29. 

567,4 

21. 

Mai 

559,7 

551,8     ;      19. 

569,5 

^•a 

Juni               | 

563,5 

553,7              8. 

570,7 

27.  28. 

Juli                j 

567,4 

559.2            21. 

572,5 

8. 

August          J 

566,0 

561,8 

11. 

569,4 

6. 

September    ' 

566,1 

557,2 

30. 

570,5 

20. 

Oktober        ,; 

562,2 

555,6 

17. 

570,1 

13. 

November     ' 

560,0 

550,1            26. 

566,6 

14. 

Dezember     || 

559,9 
561,7 

544,0     1      30. 

544,0     "ii. 

1 

569,3 

24. 

Jahr          !| 

'1 

572,5 

vn. 

631 


Station  S&ntte. 


902 


Lu  f  ttemperatur 


7* 


lh 


9h 


B«d. 
MitUl    I 


Minimum 
Tag 


Maximum 
Tag 


iar 
uar 
& 
1 


list 

ember 

>ber 

*mber 

mber 


-  6,6  i- 

,—  8,7  l-  6.7  - 


|L_ 


6,2 
0,3' 
3,8 ! 

2.8  i 
6.9! 

5.9  | 
4,8. 
1,3, 
2,5' 
7,3  J 


7,7 
8,7  1 
7,6  i 
2,3  | 

'»   i,i 

■■!  4,5 

I!  3,6 1 

i-  2.5  i 

|!-  2,3  i 

'       7,9  -  7,3  ;_ 


7,5- 

8,0 

7,7 

2,4 

5,3 

1,3 

4,8 

3,8 

2.4 

2,2 

3,7 

8,2 


2,9 1-  1,2  -  2,7  -  2,4 


7,3 
7,9 

-  7,3 

-  1,8 

-  5,0 
1,6 
5,2 
4,3! 
3,0' 

-  2,0' 

-  3,4  | 

-  7.9 


-18,2 
-16,4 
-16,1 
-11,0 
-10,9 

-  5,9 

-  2,8 

-  5,1 

-  7,0 

-  8,6 
-11,3 
-15,4 


I 


I 


I 


-18,2     I 


26. 

1. 
10. 

7. 

8. 
14. 
11. 
12. 
28. 
18. 
18. 
31. 


-  0,5 

-  0,8 

-  1,4 
3,5 
6,1 

11,8 
15,0 
13,4 
13,1 
6,1 
3.1 

I1,0 
15~0 


1. 
27, 

6. 
28. 
31. 
30. 
15. 
19. 

4. 

9. 

4. 
17. 


VII. 


902 


Relative  Feuchtigkeit  BewSlkung 


I"  — , 

il    Tb    I 


1  h    !    9  h     Mittel 


Miuimum 
Tag  ' 


7h 


lb 


«A 


MitUl 


ar 
uar 


J8t 

ember 
•ber 
?mber 
mber 

ip 


77 
86 
80 
88 
96 
88 
86 
91 
82 
87 
69 
82 


76  I  75 

84  |  87 

83  '  80 
89  '  93 
96  I  97 
92  ,  89 

84  I  92 
89  '  93 

85  I  85 
87  I  89 
68  |  70 
82  ;  82 


J 


76 
86 
81 
90 
96 
90 
87 
91 
84 
88 
69 
82 


84  I  85 


20  i 
42  , 

33  ' 
72  ! 

37  ■ 
32 
29  ; 
21 
49  ' 
17  I 

38  i 


8.  i|  5,9 
5.  |  6,3 


13. 
8. 


6,5 
7,1 


30.31. !  8,6 
6,8 
6,7 
7.1 
4,5 
6,6 
4,2 
6,5 


86  i  17 


I 


1. 
13. 
23., 
21. 
24. 

1. 

12. 

.[_ ... 

II.  ;|  64 


6,3  i 

7.3  i 

6.6  , 

7.7  . 
9,2  ! 

8.4  i 

7.2  , 
8,0  , 
5,4  ; 
7,4  > 

4.3  ! 
6,2  i 


5,5 
6,8 
5,4 
6,4 
8,9 
7,1 
6,9 
7,8 
5,0 
7,1 
3,3 
5,5 


5,9 
6,8 
6,2 
7,1 
8,9 
7,4 
6,9 
7,6 
5,0 
7,0 
3,9 
6,1 


7,0  6,3  6,6 

I    I 


632 

Station  Santis. 


1902 


Januar 

Februar 

Marz 

April 

Mai 

Jnli 

August 

September 

Oktober 

November 

December 


Jahr 


1902 


Niederaeblag 


Smumf 


Maximum 
Tig 


194 

63 

S40 

155 
348 
239 
216 
254 
184 
266 
50 
352 


2661 


i 


Zahl  der  Tage  mil 


IChllg 


Schmt 


85  2.  1 16. 

10  7.  |,15. 

59  28. ,  18, 

50  3.    18. 

54  17,  u  26- 

50  21  .('20. 

30  21.  '15. 

42  11. 
1. 


14  16 

15  15 


17 

is 


■!l. 

12.. 

IV. 

6. 

78     17.1.17. 


17.  16 

14      6 
19 '     6 


31 

45     14. 

20     26. 


10  5 

181  19 

1  6 

15  17 


85      L  'IflS-ffi    167 


El- 

wittv 


Windverteilung 
Zahl  der  Beobachtungen 


NE 


.1  Tiu.ir 

i      1 

Februar 

1 

Marz 

8 

April 

2 

Mai 

5 

Joui 

7 

Jnli 

0 

August 

0 

September 

0 

Oktober 

2 

November 

1 

Dezember 

3 

7 

5  i 

7  , 

2  i 

2  , 

ii 

0    I 
2 
5 

V    ! 
10    ' 


0 
7 
'A 
2 
0 
2 

0 
0 

1    I 
1    I 

?! 


flw 


1 

16 
2 

10 
4 

2 


5  I     61 
11       35 


8  • 
15  I 

6  i 

7 
10 


4    I     22 


8 
14 
10 

5 


14 
11 

15 
13 


51 
35 
43 
24 

64 
58 
39 
41 
24 
19 


Jahr 


25       58     33      86   >  137     494 


I 


9 
3 

9  : 

5 

19  ' 
14  , 
15 

9  I 
3 

8   " 

7   i 
18  , 


119     40     104 


633 


Station  Sargans  (507  M.  a.  M.). 

Beobachter :  J.  A.  Albrecht. 


] 

902 

Lu 

ftdruck 

Bad. 

Minimum                            Maximum 

i 

Mittel 

i 

Tag                                      Tag 

l 

ar            | 

722,4 

i 

j      702,5 

25. 

i 

735,5      |      15. 

uar          | 

713,0 

703,9 

8. 

720,3      1     21. 

715,8 

705,2 

22. 

724,1      1      17. 

1    i 

i 

715,1 

709,8 

26. 

723,5           21. 

716,5 

707,3 

18. 

727,6 

25. 

716,8 

709,6 

9. 

724,1 

23. 

j 

719,3 

711,8 

10. 

725,4 

29. 

ISt 

718,3 

712,8 

29. 

723,0 

22. 

jmber 

719,5 

710,1 

30. 

725,5 

20. 

ber          ' 

717,8 

709,6 

1. 

728,4 

24. 

tmber 

716,7 

703,8 

26. 

724,2 

14. 

mber       ' 

719,6 

700,7 

30. 

730,4 

23. 

P             1 
i 

! 

i 

™  717,6 

""700.7 

Xfl. 

735,5 

1. 

1 
902         i 

i 
1 

Luftt 

emperatur 

~i\~r 

lh       1       9h 

1                    1 

Bed. 
Mittel 

Minimum          Maximum 
Tag  j                 Tag 

1 

ar            i 

i 

—  0,4  1 

1 

1                    1 

3,5  i      0,7 

1.1 

1           1 

—  5,0  !  31.  I    9.1 

3. 

uar          , 

-  0,6  i 

3,7  ,       0,9  - 

1,2 

—  9,6  1    2.  ;  12,1 

28. 

2,2  | 

8,0 

3,71 

4,4 

—  2.7  1  11.     16,1 

21. 

I 

8,4, 

16,0 

10,7 

11,4 

2,0  i    8.  !  23,2   i  20. 

7  1  ' 

12,3 

8,0 

8,8 

1,0  |  7.8.  |  25,4    j  31. 

i 

12,8  ' 

20,0  l     14,0  i 

15,2 

7,4 ,  16.  1  30,4        2. 

! 

15,3! 

23,6  i     16,7  j 

18,1 

10,7    12.  1  31,9    i  15. 

tst           i 

14,3  | 

21,1  1     16,0, 

16,8 

7,6    12.  |  29,8   1  19. 

juiber      , 

11,5  | 

18,9       13.2 ' 

14,2 

5,1  ■  30.  |  28,1 

3. 

ber          , 

7,0, 

11,5  '       8,3  i 

8,7 

1,5  1  25. 

20,1 

9. 

imber 

2,0  1 

6,9  i       3,4  ' 

3,9 

—  6,0  i  22. 

21,1        7. 

mber       ' 

-W| 

0?4,  -  1,6  i- 

_  .  .   _  _  1 

-  1,2  —  8,6  |  10. 

10,0    j  18. 

1 

6,5  j 

12.2!      7,8, 

~~8,6 

-9,6|  II. 

~3t9_|  m 

1 

■ 

i 
. 

| 

i  I 

634 


Station  Sargans. 

He 

jlative  Feuchtiffkeit            Bewfilknng 

1902 

7* 

Ift  | 

»*.     Mmel     MiDllD™ 

7H    |    ii 

fk 

M.inl 

Januar 

1   87 

77   ' 

85      83      48      Sfcl  fcl 

4,5 

4j|tf 

Februar 

i  90 

77 

85      84   ■   48     t»=!  6,3 

6,9 

<W    *J> 

Mara 

1  82 

68   l 

81    .   77   .   38   1  21.;,  5,6 
77    ,    74    '   40  ;ll.*3.!i  B,3 

5,7 

4,8  |  5t4 

April 

'  82 

62   , 

5.4 

e,s ,  W 

Mai 

88 

68  ; 

83   !   78    i   26 

31. :  6,8 
3.  P  5,2 

7,5 

7,9  !  7.4 

Juni 

8*2 

67   ! 

84    .   78       41 

5,9 

5,9    5,7 

Juli 

S3 

64 

84   '   77   '   33 

6. "  4,8 

4.1 

5,3  |  4,fl 

August 

97 

69 

86   '   81    ■   50 

19.H  5,1 

5.4 

6,6    5,7 

September 

90   ' 

72 

91       84   |   49 

3,1'  4,8 

4.1 

5,3  !  4.7 

Oktober 

91 

80 

BO      87       56 

9.. 

6,8 

6,6 

8,2  '  V! 

November    ; 

89   1 

72   , 

84    ,   82  j   33 

7.  ! 

6,7 

M 

5,6  r  5.S 

December 

»l 

79 

i 

85    1   83   J   40 

29. 

6,9 

6,4 

6T3 

IS 

Jahr 

86  | 

! 
1 

i 
| 

85    ~81 

i 

i 

36 

V, 

! 

1 

63 

M 

•J 

U 

Niederacblag*                Zahl  tier  Tags  mit 

1902 

^nmai 

.     u  "• 

imum       Niltfir-    ,..       '  „       .  |    (l- 

fttftti 

NiilJ  TrU 

ft.     b, 

Januar 

78 

■   23 

,  27.  !  13- 12 

9 

0 

0 

0 

8 

8 

Februar 

31 

■     6 

4.    11.    9 

9 

0 

0 

2 

3 

13 

Mura 

184 

22 

29.    la  15     10 

0 

0 

0 

10 

W 

April 
Mai 

32 

9 

28.     10-    ti       0<   0 

0 

0 

3      11 

188 

25 

1.    21.19       5 

0 

0 

0 

S 

18 

Juni 

112 

i   26 

13.     18.  14       0 

0 

0 

0 

8 

10 

Juli 

117 

19 

87.    17.  13  '     0 

0        4 

1 

7 

6 

August 

129 

'   49 

i    2.     19.  15  !     0 

0    ,     5 

0 

6 

10 

September 

106 

,   32 

5.  ,   9.    8  !    0 

0        8 

8 

8 

4 

Oktober 

84 

i    18 

6.    17, 12  :     0 

o  !  o 

1 

2 

15 

November 

10 

1     6 

26,      5.   2'     2 

0    '     0 

6 

5 

4 

Dezember 

201 

1   48 

19.    15.14     10 

0   i    0       5 

1          1 

4 

16 

Jahr 

1217 

1  «f 

1 

i 

1          ,             1 

0      IS  1  S3 

1       1 

1 

67 

jffl 

i 

i 

1 

685 


Station 

SarganB 

Windverteilung 

)02 

!l 
H 

r.- 

~ra~ 

Zahl  der 

Beobachtungen: 

8 

sw 

w 

NW 

Citato 

\r 

:!» 

0 

13 

4          9 

i 
0    '    24 

0 

43 

lar 

0 

0 

13 

1    <     15 

0    '     11 

0 

44 

0 

0 

.    14 

3          9 

0    '    30 

0 

87 

° 

0 

1    12 

4 

22 

0    :    19 

1 

82 

!  o 

0 

1      5 

2 

11 

0    j    43 

0 

32 

il  ° 

0 

,      7 

4 

13 

0    !    30 

0 

86 

0 

0 

3 

5 

10 

0         27 

0 

48 

Ht 

° 

0 

7 

1    1     15 

1         21 

0 

48 

•niber 

0 

0 

19         3          6 

0         12 

0 

50 

:>er 

° 

0 

12         2          9 

0    i     16 

0 

54 

mber 

il    0 

0 

;    21     1      4    |      16 

0    '      9 

0 

40 

nber 

i!    0 

o 

1    16    '     7    1      8  !    0         19 

i                    '          i 

2 

41 

r 

!° 

0 

1142 

40 

143 

1 

261 

3 

605 

G. 

Station  Vattis  (951  M.  tl.  M.) 

Beobachter:  J.  Graf. 


636 


Station  Vftttia. 


Lufttemperatur 

1902 

7h      1      lh 

9b 

Bed. 

Mlttol 

Minimum      1 

Max  imam 
Tig 

Januar 

—  2,9 

1,2 

-  2,3 

1 
-   l,6i-10,3 

15. 

1 

7,3  I    1. 

Februar 

-2,7 

2,1 

-  1,2 

-  0,8  —10,0 

1. 

10.2 

28. 

Marz 

—  0,8 

4,8 

0.4 

1,2  -  9,5 

11. 

11 A 

20. 

April 

6,0 

12,4 

7.3 

8,3  —  1,2 

8. 

18.8 

15. 

Mai 

!      5,1 

8,9 

5,4! 

6.2  -  1,0 

8.  , 

21,2 

31. 

Juni 

I    11,8 

15,8 

11,1  1 

12,4        3,9 

16. 

26,0 

SO. 

Juli 

i    14,9 

19,6 

13,3  1 

15,3        8,2 

41.41  tt. 

27,9 

15. 

August 

.     11,7 

18,0 

13.41 

14,1  ,      4,8 

12.  , 

25,6 

19. 

September 

■      8,8 

15,8 

10.2 

11,3        3,3 

14.  ! 

26,0 

4. 

Oktober 

J      4,9 

9,6 

5,6, 

6.4   -  0,7 

30.  1 

17.2 

9. 

November 

0,7 

5,4 

1,9  | 

2,5  —  8,8 

22.  , 

13,8 

6. 

Dezember 

-  2,3 

0,3 

-  2,5 

1 

—  1,7  —13,0 
6T-18,0 

8. 

8,8 

12. 

Jahr 

;  4,6 

XII. 

1 

27.9 

Til. 

1902 

Relative  Feucht 

igkeit     | 

Bewtilkung 

7h    ,    lh    |    9h 

Mittol 

Miuimam  ! 
T»gl 

7h 

lh 

9h    JMittel 
1 

i 
Januar 

•    1    i    ' 

81   '   65   '   80      75 

35 

ii 
9. 12."  4,4 

5,0 

1 
4,4  1  4,6 

■  Februar        ' 

81    '   63   '   81   ,   75 

29 

23.  i|  6,0 

6,8 

6,0  ,  6,8 

Marz             | 

79   i   59   |   82      73 

25 

6.  i|  5,8 

5,7 

4,4  1  5.8 

April 
Mai 

71    ;   47   ;   67      62 

21 

9.,!  5,8 

5,8 

5,4  I  5,7 

73      57       75   !   68 

31 

28. JO.1  6,7 

8,4 

7,0     7,4 

Juni               ' 

69      50   '   73      64 

12 

29. !'  5,6 

6,5 

6,1 

6.1 

Juli 

68   j   51       79      66 

25 

4."  4,4 

5,0 

5,2 

4,9 

August         , 

81       51       77   ,   70 

33 

19.  ■:  6,2     6,5 

6,7 

6,5 

September 

85       56   '   87      76 

30 

4.  i  3.6     3,8 

5,3 

4.1 

Oktober 

84  i   62      83      76 

28 

4."  7.0     6,4 

6,7 

6'1 

November 

71    ,   55   i   68   '   65 

32 

30.1!  5,5  1  4,1 

4,3 

4,6 

Dezember 

75      70  ,   It 

r 

74 

9 

12.  i 

XIL! 

1 

! 

6,0  1  5,8 

5,4 

5,7 

Jahr 

i 

76 

i 

57     Vt 

i 

70 

9 

5,C 

5,8 

5,6 

5.7 

687 


Station  V&ttis. 


Niederochlag    [ 

Zahl  der  Tage  mit 

1902 

Sununi 

1     Jtfftxlrntim 

Niidv- 

Sthm 

Hagil 

*iit*r 

Nihil 

Klrltf 

Trflh 

a.  b. 

' 

1 

uar 

71 

!    22 

2.1 

IL    6. 

10  f 

0 

0   j   2 

12 

9 

mar 

15 

3 

14. 

9.    6. 

8  i 

0 

0   ]   1 

3 

10 

n 

170 

|    27 

29  J 

16. 13. 

15  I 

0 

0    ,    0 

11 

12 

il 

80 

,    «• 

28.| 

5.    4. 

1 

0 

0       0 

6 

11 

i 

103 

.    25 

17  J 

22. 17. 

12 

0 

0       0 

3 

17 

i 

99 

!   35 

lS.i 

13,11. 

0 

0 

1       0 

8 

11 

93 

.    17 

20J 

14.12. 

0 

0 

6       0 

8 

6 

put 

113 

i    43 

2,' 

19. 17. 

0 

0 

6    i    0 

7 

16 

t  ember 

120 

<    34 

s-; 

12, 10. 

0 

0 

4    i    1 

12 

6 

■ober 

83 

19 

6< 

14.11. 

1 

0 

0       3 

3 

11 

member 

6 

I      4 

26. 1 

3.    1. 

2 

0 

0       2 

10 

8 

.ember 

113 

1    20 

20.; 
mi 

15. 12. 

133,  12, 

14 

68 

0 
0 

0 

if 

0 

8 

13 

Jur 

1006 

1   43 

91 

138 

Wind 

rerte  iluug 

1902 

Zal 

til  der 

Beobachtungen : 

N 

XE 

E 

|     SE 

fi        sw   [    w 

NW 

Cilmin 

nar 

o 

20 

0 

0 

1 
0        13        0         0 

60 

ruar 

0 

28 

0 

0 

0    1    26    i     0         0 

30 

*z 

0 

25 

0 

0 

0 

14    '    0         0 

54 

il 

o 

27 

0 

0 

0 

27    '     0         0 

36 

i 

0 

40 

0 

0 

0 

16    |     0         0 

37 

o 

39 

0 

0 

0 

13    '     0         0 

38 

0 

32 

0 

0 

0 

8    11         0 

52 

juet 

o 

31 

o 

0 

0 

23    1     0         0 

39 

tember 

0 

28 

o 

0 

0 

12    1     0         0 

50 

lober 

1    0 

26 

o 

1     0 

0 

22    1     1         0 

44 

re  tuber 

\    0 

14 

0 

'     0 

0 

33    1     1         0 

42 

.ember 

I    0 

18 

0 

0 

0 

17 

0          1 

57 

ihr 

1 

1 

328 

o 

0 

1 
1 

0 

22 

4 

3 

1 

539 

638 


Station  Wildhaus  (1115  M.Q.M.). 
Beobachter:  J.  >*>f. 


Luftdi 

ruck 

1902 

Jfittal                                       ,£ 

Muimm 

Tug 

Jiiiiuav 

Februar 

— 

— 

— 

Mars 

i 

— , 

' 

April 

— 

— 

Mai 

— 

— 

— 

Juni 

— 

-^ 

— 

Juli 

— 

— 

— 

Augiut 

— 

— 

— 

September 

— 

— 

— 

Gktober 

- — 

— 

— 

November 

— 

— 

— 

December 

—  — 

— 

— 

— 

Jahr 

Lufttemp 

eratur 

1902        i 

j 

7* 

lh            *b      i  MlEl 

Minimum 
Tafl 

T4 

Januar 

-  1,6 

1,3 

—  1,8 

—  1,0 

—10,6 

15, 

9.2 

4, 

Februar 

-  2,9 

0,8  —  2,0 

-  1,5 

-  9,8 

17. 

8.2 

N- 

Mars 

-  0,2 

3,4  \       0,4 

1,0 

-  6,4 

tl. 

10,2 

tiS 

April 

5,9 

10,5  1       6  J 

7,2 

-  1,5 

7, 

16.4 

tfl, 

Mai 

4,1 

6,7  '       3,7 

4,6 

—  1,8 

6. 

22,0 

29. 

Juni 

11,0 

13,8 

9,5 

11,0 

3,8 

4. 

23,4 

3. 

Juli 

14,7 

18,1 

13,3 

14,8 

6,7 

11. 

26,3 

7. 

August 

12,9 

16,2 

12,1 

13,3 

2,4 

12. 

25,1 

19- 

September 

9.9 

13.9 

9.7 

10.8 

M 

28. 

22,7 

3- 

Oktober 

4,3 

7,5 

4,8 

5,4 

-  1,5 

25. 

1,71 

9- 

Nov  ember 

—  1,0 

4,3 

13 

2,2 

-  7,4 

22, 

13,9 

7. 

Dezember 

-  1,7 

0,1 

~  81 

-  1.7 
~47 

-  1,2 

-12,5 

4. 

9,0 

17, 

Jahr 

4,8 

5,6 

-IS 

,5 

VL 

a 

6,3 

va 

639 


Station  Wildhaus. 


Relative  Feuchtigkeit  BewClkung 


7* 


lb    i    »h    .Mithill  Mmi™  i 


7  b    |    1  t 


MitUl 


ef 


-  8.0 

-  6,5 

—  [!  6,9 

-  Ii  8,3 

-  6,4 

—  "  5,2 
.  6,4 
;  5,0 

7'5 

;6,9 


w 


I 


6,0 

7,6 
6,6 
7.2 

8,7 

7'2 
5,6 


5,1 
6,8 
4,7 
6,9 
8.1 
6,3 
5,7 


7.0  I  6,4 

5,8  I  5,1 

8.1  8,1 
5,6  3,8 
6,8  [  6,7 


6,8     6,1 


I  5,7 

7,4 
1  5,9 

;  7,0 

8,4 
6,6 
I  5,5 
6,6 
5,3 
7,9 
5,0 
6,5 


<i,5 


Niederschlag- 


Zahl  der  Tftge  mit 


a,.mnt.'    Maximum  |J    Aitdir-     t  .        „      ,      Gi- 
Siinaift  Tfcg       |(Ml|       Scfciti    Hiat|     ^ 


NlbK     Hliltr     frW 


er 


116  | 

41 
212  | 

56  | 
244  , 
166  j 
120  I 
191 
155 
135 

15 
206 

1767 


36   2. 

5  ,1.14. 
35  !  29. : 
16  '  3. 
42  j  I. 
80  |  21t ' 
28   2., 
35  I  2, 
44   5. 


22 
6 

45 

15 


11 

26. 
2L 


14.13 

14.14 
I«,  16 
14.10 
24.21 
17.17 
15.13 
19.17 
11.10 
18.  17 
4.  3 
13.13 


XII.    ISL  1*4 

I 


13  0 

13  0 

16  !  0    , 

2  I  0 

18  i  0    ' 

0  '  0    , 

0  I  0    , 

0  0 

0  I  ft 

6  I  0    : 

2  ,  0 

10  j  0 


0 

0  ' 
0  , 

Si 

»l 

6  ' 

2 

0 

0 

0 

1b 


42    55 


4 

7 

0 

2 

1 

9 

5 

1 

0 

2 

0 

8 

0 

4 

I 

3 

r> 

7 

7 

0 

6 

7 

B 

5 

II 

13 
14 
14 
23 
15 

6 
16 
11 
13 

9 
14 

164 


640 


Station  Wildhaus. 


1 

Wind 

verteilung 

1902        1 

Zahl  der 

Beobachtungen : 

; 

N 

NE 

E          SE 

1      8     1   8W    '     W 

NW 

! 
Januar          , 

o 

1 

15 

7 

1 

0   I     19 

45 

o 

Febraar 

0 

0 

28 

5 

0   ;     10 

32 

0    , 

Marz 

0 

4 

11 

2 

0   !      9 

60 

0    ' 

April 

0 

4 

10 

23 

0   1      9 

35 

o 

Mai 

0 

3 

8 

6 

1        14       59 

0 

Jnni 

0 

3 

9 

21 

0   !     16  !    33 

0 

Jnli 

6 

0 

7        17 

0   1    27  1    27 

o 

August 

0 

I 

2 

27 

0        26  i     32 

0 

September 

0 

1 

21 

19 

0   !     17  '    26 

0 

Oktober 

0 

2 

20 

14 

0   1    13       38 

0  1 

November 

0 

4 

32 

16 

0   !      7  !    28 

0    ' 

December 

o 
o 

7 
30 

35 
196 

3 
160" 

0 
1 

9 

34 

0 

Jahr 

1 

176 

449 

0 

JAHRBUCH 

do- 
St.  Gallischen 

Naturwisseoschaftlichen  Gesellschaft 

fur  das  Vereinyahr 
1903 

(1902— 1903). 


Redaktion:  Dr.  G.  Ambfihl. 


^% 


StGallen. 

Zollikofer'sche  Buchdruckerei. 

1904. 

(In  Koxnmission  bei  dcr  Fehr'schen  Buchhandlung.) 


1 

> , ^?>-  Inhaltsverzeichnis. 

Seite 

I.  Jahresbericht  Uber  das  Vereinsjahr  rom  1.  Juli  1902 
bis  31.  Oktober  1903,  erstattet  an  der  Hauptversamm- 
lung  vom  21.  November  1903,  von  Dr.  G.  Ambuhl    .        1 

II.  Xj  bersicht  iiber  die  im  Jahre  1902/1903  gehaltenen  Vor- 
trage.  Nach  den  Pro  toko  11  en  zusammengefasst  vom 
Aktuar  Dr.  H.  Rehsteiner 23 

III.  Verzeichnis  der  zirkullerenden  Zeitschriften   ....    103 

IV.  Bericht  uber  den  Schriftenaustausch  and  die  Mappen- 
zirkulation  1903.  Vom  Bibliothekar  der  Gesellschaft, 
Konservator  E.  Bach ler 107 

V.  Akademien  und  Vereine,  mit  welcben  die  St.  Gallische 
Naturwissenschaftl.  Gesellschaft  in  Tauschyerbindung 

steht 112 

VI.  Verzeichnis  der  im  Jahre  1903  eingegangenen  Druek- 

sehriften 118 

VII.  Bericht  iiber  das  naturhistorische  Museum,  die  bota- 
nischen  Anlagen,  die  Toliere  und  den  Parkwelher.  Von 

Konservator  E;  Bach  ler 129 

VITL  Beitrage  zur  Okologie  der  Feisflora.   Untersuchungen 

aus  dem  Curfirsten-  und  Sentisgebiet  von  Max  Oettli     182 
IX.  Das  Relief.  Vortrag,  gehalten  bei  Gelegenheit  der  tJber- 
gabe  des  Santisreliefs  an  das  Naturhistorische  Museum 
am  8.  Januar  1904  in  St.  Gallen,  von  Dr.  Albert  Heim, 

Professor 353 

X.  Beitr&ge  zur  Geologie  der  Umgebung  St.  Gallens 
(Scliluss).    Von  Ch.  Falkner  und  A.  Ludwig.    (Mit 

15  Tafeln) 374 

XI.  Die  Elbe  (Taxus  baccata  L.)  in  der  Schweiz.  Von  Prof. 
Dr.  Paul  Vogler.     (Mit  einer  Verbreitungskarte  am 

Schiuss  des  Bandes  und  2  Tafeln) 436 

Xll.  Xotizen  zur  Naturgeschichte  des  Kan  tons  St.  (fallen. 

Von  J.  Friih,  Zurich 492 

XIII.  Meteorologische  Beobachtungen  (Jahr  1903): 

A.  In  Altstiitten,  Beobachter:  J.  Haltner      .     .     .     .    499 

B.  „    Ebnat,  Beobachter:  J.  J.  Kuratle 501 

C.  ,,    Heiden,  Beobachter:  J.  J.  N iederer    .     .     .     .     503 

D.  ,,    St.  Gallen,  Beobachter:  J.  G.  Kessler     ...    506 

E.  Aut'  dem  Santis,  Beobachter:  J.  Bommer     .     .     .    508 

F.  In  Sargans.  Beobachter:  J.  A.  Albrecht.     .     .     .    511 

G.  „    Vattis,  Beobachter:  Graf 513 

H.    ..    Wildhaus.  Beobachter:  J.  Naf 516 


J 


I. 
Jahresbericht 

liber  das  Vereinsjahr  vom  i.  Juli  1902  bis  31.  Oktober  1903 

erstattet  an  der 

Hauptversammlung  vom  21.  November  1903 

von 

Dr.  G.  AmbQhl. 

Unsere  Gesellschaft  kennt  bis  zar  Zeit  kein  Vereins- 
jahr von  bestimmten,  unverriickbaren  Terminen;  es  fallt 
nicht  mit  dem  Kalenderjahr  zusammen,  sondern  erstreckt 
sich  ungefUhr  halftig  iiber  zwei  Jahre.  Entgegen  dem 
Wortlaut  der  Statuten  wird  aber  die  Jahresrechnung  schon 
langst  auf  31.  Oktober  abgeschlossen.  In  der  bestimmten 
Erwartung,  dass  es  der  Gesellschaft  im  Laufe  des  nachsten 
Fruhjahrs  belieben  werde,  diesbeziiglich  auf  dem  Wege 
der  Statutenrevision  eine  Anderung  eintreten  und  das 
Vereinsjahr  allmalig  mit  dem  Kalenderjahr  zusammen- 
fallen  zu  lassen,  dehnt  sich  der  vorliegende  Prasidial- 
bericht  auf  ein  Ubergangsjahr  von  16  Monaten  aus,  be- 
ginnend  mit  dem  1.  Juli  1902  und  wie  die  Jahresrechnung 
endigend  mit  dem  31.  Oktober  1903.  Das  nachste  Berichts- 
jahr  wiirde  dann  14  Monate  umfassen  und  vom  1.  Januar 
1905  an  wiirde  unser  Vereinsjahr  genau  dem  biirgerlichen 
oder  Kalenderjahr  entsprechen,  welche  natiirliche  Be- 
grenzung  uns  mancher  Schwierigkeit  in  der  Datierung 
des  Jahrbuches,  Missverstandnissen  und  Misshelligkeiten 
bei  der  Bemessung  und  beim  Einzug  des  Jahresbeitrages 


2 


entheben  und  das  Gesellschaftsleben  in  einer  bestimmten 
Hinsicht  auf  eine  neue  Grundlage  stellen  wird. 

Der  Berichterstatter  glaubte  diesen  Hinweis  auf  ein 
in  Ihrer  Kommission  bereits  vorgebrachtes  Projekt  einer 
Stat uten-Re vision  der  Hauptversammlung  schuldig  zu  seinT 
urn  die  Ausdehnung  des  heutigen  Jahresberichtes  liber 
einen  grosseren  iZeitabschnitt  zu  begriinden  und  zu  recht- 
fertigen. 

Wenn  wir  in  altgewohnter  Art  zur  Beantwortung  der 
Frage  ubergehen,  was  unter  der  neuen  Prasidialleitung 
zur  Erfullung  unserer  Vereinszwecke  gearbeitet  worden 
und  geschehen  ist,  so  beschleicht  den  Sprechenden  ein 
leises  Gefuhl  der  Beschamung,  mit  tausend  Masten  und 
voller  Hoffnung  hinausgesegelt,  und  mit  weit  weniger 
Masten  und  viel  stillern  Herzens  zuriickgekehrt  zu  sein. 
Ich  wusste  es,  dass  es  ein  Wagnis  bedeuten  wiirde,  an 
der  Spitze  einer  grossen  Gesellschaft  Nachfolger  eines 
Mannes  zu  werden,  der  ein  ausgedehntes  Wissen,  eine 
machtige,  zielbewusste  Energie,  eine  hervorragendeStellung 
als  Lehrer  und  ein  bedeutendes  Mass  an  freier  Zeit  in 
ihren  Dienst  stellen  konnte,  Vorziige,  wie  sie  selten  in 
einem  Manne  vereinigt  sind,  was  aber  der  Nachfolger 
eines  so  seltenen  Mannes,  wie  es  unser  Wartmann  ge- 
wesen  ist,  um  so  tiefer  und  schmerzlicher  empfinden  muss. 
Manches,  was  wir  im  Berichtsjahre  anzuregen  und  aus- 
zufuhren  beabsichtigten,  ist  unterblieben.  Der  launische 
Wettergott  hat  uns  den  Sommer  fiber  einen  bosen  Streich 
nach  dem  andern  gespielt  und  die  geplanten  Ausfluge 
jammerlich  vernichtet.  Statt  zu  wachsen,  ist  die  Mit- 
gliederzahl  zuriickgegangen ;  der  Mann  am  Steuer  kennt 
das  Rezept  und  das  Geheimnis  nicht,  wie  weitere  Be- 
volkerungskreise  und  wie  namentlich  die  Jugend  herbei- 


gezogen  werden  konnen,  um  die  durch  den  unerbittlichen 
Tod  in  unsere  Reihen  gerissenen  Liicken  auszufiillen. 
Wenn  aber  auch  das  erste  Jahr  nicht  gehalten  hat,  was 
wir  von  ihm  erhofften,  und  seine  Ernte  weit  hinter  unseren 
Erwartungen  zuriickblieb,  so  wollen  wir  den  Mut  doch 
nicht  sinken  lassen  und  getrost  an  die  Arbeit  eines  neuen 
Vereinsjahres  herantreten,  in  der  festen  Zuversicht,  dass 
zu  den  bisherigen  getreuen  Mitarbeitern  auch  wieder  junge, 
frische  Krafte  sich  gesellen  werden. 

Zur  Entgegennahrae  von  Vortragen  aus  alien  Ge- 
bieten  der  Naturerkenntnis  versammelte  sich  unsere  Ge- 
sellschaft  im  Zeitraum  dieses  Berichtes  an  19  Abenden.  Hie- 
von  waren  drei  Sitzungen  geraeinsam  mit  der  Geographisch- 
kommerziellen  Gesellschaft  arrangiert,  um  in  zwei  Ab- 
teilungen  dem  Vortrag  von  Herrn  Prof.  Heim  aus  Zurich 
uber  Neuseeland,  dessen  Geschichte  und  dessen  Natur  zu 
lauschen,  und  am  dritten  Abend  die  Reiseschilderungen 
des  jungen  Naturforschers  Dr.  Max  Miihlberg  von  Aarau 
aus  dem  malayischen  Inselreiche  anzuhoren.  AVahrend  die 
Mehrzahl  unserer  Zusanimenkunfte  in  geschlossenen  Lo- 
kalen,  im  ^Bierhof",  ,,St.  Gallerhof*4,  in  den  Salen  zum 
^SchifP  und  „Schutzengartenu  sich  abwickeln,  tagten  wir7 
oder  richtiger  gesagt,  ^nachtigten^  wir  auch  viermal 
wahrend  der  schonen  Jahreszeit  ganz  oder  teilweise  im 
Freien,  auf  der  luftigen  Hohe  des  Rosenbergs,  unter  den 
lauschigen  Baumen  beim  sangeskundigen  Mitglied  Hof- 
mann  auf  Mtihleck,  am  6.  September  1902  im  gastlichen 
Innern  und  am  6.  August  1903  frierend  und  schlotternd 
im  Garten  des  „Flurhofsu. 

Die  Zahl  der  Teilnehmer  an  unsern  Gesellschafts- 
abenden  schwankte  auch  dieses  Jahr  wie  friiher  innert 
weiten  Grenzen.    Die  Natur  des  Themas,  die  Person  d^% 


4 


Lektors,  das  Wetter,  das  Lokal,  der  Zeittermin,  Kolli- 
sionen  mit  andern  Anlassen  beeinflussen  den  Besuch.  Am 
kalten  Augustabend  brachten  wir  mit  Miihe  und  Not 
25  Mitglieder  im  „Flurhof-Garten"  zusammen;  an  der 
Hauptversammlung  erschienen  dagegen  150  Mann,  an  der 
Stiftungsfeier  liber  200,  und  die  mit  der  Geographischen 
Gesellschafb  gemeinschaftlich  arrangierten  Yortragsabende 
waren  von  200,  250  und  300  Damen  und  Herren  besucht. 
Die  mittlere  Teilnehmerzahl  an  unseren  eigenen  Veran- 
staltungen  betrug  72  gegen  75  im  Vorjahr. 

Die  Neuerung,  auf  jeden  Gesellschaftsabend  stets  nur 
e  i  n  e  n  Vortrag  anzusetzen,  entweder  ganz  allein  oder  in 
Verbindung  mit  kurzeren  Demonstrationen,  bringt  es  mit 
sich,  dass  jetzt  auf  ein  Jahresprogramm  weit  weniger 
Vortrage  fallen  als  friiher. 

So  ist  denn  die  nachfolgende  Aufz&hlung  dessen,  was 
im  Berichtsjahre  vorgetragen  und  diskutiert  worden  ist, 
nach  Disziplinen  geordnet,  eine  recht  diirftige  Summe 
gegeniiber  fruheren,  stattlichen  Traktandenlisten,  und  ein 
Gebiet,  merkwiirdigerweise  gerade  dasjenige  des  neuen 
Prasidenten,  die  Chemie,  ist  ganz  leer  ausgegangen,  wenn 
wir  einen  Hauptvortrag,  der  in  zwei  Grenzgebiete  gehort, 
bescheidenerweise  in  die  Rubrik  „Physiku  einstellen. 

1.  Physik. 

Dr.  J.  Werder:  Uber  die  flussige  Luft. 

Prof.  Dr.  Renfer:  Neue  Bestrebungen  auf  dem  Gebiete 

der  Leuchttechnik,  inbesondere  die  Nernst-Lampen. 
Prof.  Dr.  J.  Mooser:  Uber  das  Blau  des  Himmels. 

2.  Oeographie. 

Prof.  Dr.  A.  H e i m   aus  Zurich:  Uber  Neuseeland,   seine 
Geschichte  und  seine  Natur. 


Dr.  Max  Miihlberg  aus  Aarau:  Yon  meinen  Reisen  im 
malayi8chen  Inselreiche. 

3.  Zoologie. 

E.  B&chler,    Konservator:    Demonstrationen    aus    dem 

Museum,  betreffend  Mimikry,  Polymorphisms,  Saison- 

Dimorphi8mu8,  Symbiose. 
Dr.  A.  Gir tanner:    a)   Die   Kolonie   des   Alpenseglers 

(Apas  melba   L.)   am  Berner  Miinsterturme  und   ihre 

Vernichtung ; 

b)  Demonstration  der  neuen  Ausgabe  des  Pracht- 
werkes:  Naumann,  Naturgeschichte  der  Vogel  Mittel- 
europas  von  C.  Hennicke; 

c)  Uber  den  Haussperling  (Passer  domesticus  L.). 
R.  Henne  am  Rhyn  jun.:  Uber  die  Tierwelt  Sumatras, 

im  besonderen  Jagd  und  Fang  des  Tigers. 
A.  Inhelder,  Seminarlehrer :  Uber  die  Urtiere  und  das 
Problem  des  Lebens. 

4.  Botanik. 

Dr.  Gr.  Baumgartner:  Zauber-,  Heil-  und  Zierpflanzen 

unserer  einheimischen  Alpentiora. 
Dr.  M.  Rickli  aus  Zurich:   Die  Pilanzenwelt   im  hohen 

Norden  in   ihren  Beziehungen   zu   Klima   und   Boden- 

beschafFenheit.    (Im  Jahrbuch  erschienen.) 
Theodor  Schlatter:  Vorweisung  von  neu  aufgenom- 

menen  Photographien  alter  Baume. 
Prof.  Dr.  PaulVogler:  Uber einige neuere Untersuchungen 

betreffend  Entstehung  der  Arten. 
Dr. H.Rehsteiner:  Uber  die  Wassernuss  (Trapa  natans), 

mit  Demonstration  lebender  Exemplare  aus  dem  Muzzano- 

See  im  Tea  sin. 


5.  Minoralogie. 

E.  Bachler,  Konservator:  Demonstration  neuerworbener 
seltener  Mineralien  aus  dem  Museum  (u.  a.  weisser 
Natrolith  vom  Hohentwiel). 

6.  Cteologle. 

Prof.  G.  Allenspach:  Die  Wirkungen  des  fliessenden 

Wassers  in  den  Alpen. 
Ch.  Falkner,   Reallehrer:    Die   Eiszeit   und    ihre   Ab- 

lagerungen  in  unserer  Gegend. 
A.  L  u  d  w  i  g ,  Lehrer :   Topographisch-geologische  Skizze 

unserer  Gegend   mit  besonderer  Beriicksichtigung   der 

Molasse. 

(Die  beiden  Vortr&ge  sind  in  weiterer  Ausarbeitung 

als  „Beitrage  zur  Geologic  der  Umgebung  von  St.  Gallen" 

teilweise  im  Jahrbuch  1901/1902  erschienen;  das  Schluss- 

kapitel  wird  im  Jahrbuch  1903  Aufnahme  finden.) 

7.  Hygiene  mid  Medizin. 

Dr.  Richard  Zollikofer:  Die  Ergebnisse  der  neuern 
Malaria-Forschung. 

Veterinar  G.  Baumgartner:  Mitteilungen  und  Demon- 
strationen  aus  dem  Schlachthause  (Kalbsfinnen,  Schweins- 
finnen,  Leberegel,  Melanismus  von  Schweinsknochen, 
Actinomykose  des  Unterkiefers  einer  Kuh). 

Ausser  den  im  Jahrbuch  aufgenommenen  Arbeiten 
sind  einige  andere,  namlich  die  Vortr&ge  von  Dr.  Werder , 
Prof.  Allenspach,  Dr.  Richard  Zollikofer  und 
Prof.  Vogler  durch  den  Abdruck  in  Tageszeitungen  in 
weitern  Kreisen  verbreitet  worden,  und  der  hiibschen 
Studie  Dr.  Baumgartners   uber  alpine  Zauber-,   Heil- 


und  Zierpflanzen  hoffen  wir  in  erweiterter  Form  in  einem 
der  nachsten  Jahrbucher  zu  begegnen. 

Unsorn  auswartigen  Mitgliedern,  die  weniger  im  Palle 
sind,  die  Vortrage  zu  besuchen,  haben  wir  im  Sommer 
1903  je  einen  Separatabdrack  der  Arbeit  Dr.  Zollikofers 
iiber  die  Malaria  gewidmet. 

In  gedrangter,  iibersichtlicher  Form  wird  unser  Aktuar 
Dr.  H.  Rehsteiner  einen  Bericht  uber  die  una  in  diesen 
*  Vortragen  gebotenen  wissenschaftlichen  Materien  fiir  das 
Jahrbuch  1903  ausarbeiten. 

Allen  unsern  Mitgliedern  und  Freunden,  die  sich  als 
Vortragende  und  Referenten  um  unsere  Gesellschaft  ver- 
dient  gemacht  haben,  entbieten  wir  hiemit  unsern  w&rmsten 
Dank  und  verbinden  damit  den  Ausdruck  der  Hoffnung, 
dass  sich  jeder  von  ihnen  zu  einem  gegebenen  Zeitpunkt 
wieder  zur  Mithulfe  bereit  erklaren  moge!  Mehr  als  je 
ist  ein  eintrachtiges  Zusammenwirken  aller  unserer  Krafte 
notwendig,  wenn  wir  unsere  Vereinigung  auf  der  Hohe 
erhalten  wollen. 

Wenn  auch  die  projektierten  Hauptexkursionen  des 
Sommers  1903,  an  den  Fahlensee  im  Alpstein  und  in  das 
Gebiet  der  Wildbach-Verheerungen  im  Rheintal,  infolge 
der  Witterungsungunst  vereitelt  worden  sind,  so  gelangen 
uns  einige  kleinere  Ausfluge  doch  recht  gut. 

Am  Nachmittag  des  23.  September  1902  unternahm 
«ine  zahlreiche  Schar  unter  der  altbewahrten  Fuhrung  des 
Herrn  Forstverwalter  Wild  eine  Wald-Exkursion  durch 
den  Sitterwald  gegen  Peter  und  Paul,  unter  gemutlichem 
Abschluss  auf  jener  aussichtsreichen  Hohe. 

Angeregt  durch  den  Vortrag  der  Herren  Falkner 
und  Ludwig  tiber  die  geologischen  Verhaltnisse  der  Um- 
gebung  St.  Gallens  vertrauten  wir  uns  am  Sonntag-Nach- 


8 


mittag  des  24.  Mai  1903  ihrer  ortskundigen  Leitung  anT 
urn  das  Gebiet  zwischen  Sitter  und  Hohentannen  kennen 
zu  lernen,  und  liessen  uns  von  ihnen  im  Schweisse  unseres 
Angesichts  an  alle  interessanten  Aufschlussstellen  ftihrenr 
bis  uns  schliesslich  ein  kuhler  Trunk  unter  schattigen 
Baumen  fur  alle  Mlihsal  entschadigte. 

Ein  getreues  Fahnlein  von  35  Mitgliedern  leistete 
am  22.  September  1903  dem  ergangenen  Aufgebot  Folge, 
gemeinsam  die  schweizerische  landwirtschaft- 
liche  Ausstellung  in  Frauenfeld  zu  besichtigen. 
Unser  Mitglied,  Herr  Prof.  Wegelin,  Lehrer  der  Natur- 
ge8chichte  am  Ausstellungsort,  unterzog  sich  in  liebens- 
wiirdigster  Art  der  schwierigen  Aufgabe,  uns  durch  die 
weit  ausgedehnten  Ausstellungsraume  zu  fuhren;  aber 
weder  ihm,  noch  seinen  dienstbereiten  Kollegen  gelang  esr 
in  dem  Menschengedrange  das  HaufleinNaturwissenschafter 
beisammen  zu  balten.  In  kleinen  Gruppen  verteilte  es 
sich  nach  alien  Richtungen,  bis  uns  das  Mittagsmahl  in 
der  Festhutte  wieder  vereinigte.  Wir  haben  von  dieser 
Generalmusterung  der  schweizerischen  Landwirtschaft  den 
besten  Eindruck  gewonnen  und  mit  nach  Hause  gebracht: 
vorab  war  es  eine  Freude  zu  sehen,  wie  die  Wissenschaft 
mehr  und  mehr  befruchtend  auf  die  Kultur  von  Grund 
und  Boden  einwirkt. 

Nicht  vergessen  wollen  wir  schliesslich  den  Besuch 
des  Scholl'schen  Beliefs  der  Kantone  St.Gallen 
und  Appenzell  im  Regierungsgebaude,  in  der  Mittags- 
stunde  des  16.  Februar  1903.  Der  Einladung  zu  dieser 
Besichtigung  waren  60  Mitglieder  gefolgt,  von  denen  die 
Mehrzahl  kaum  eine  Ahnung  hatte,  dass  ein  sehenswertes. 
Kunstwerk  dieser  Art  existiert.  Herr  Bezirksforster  Fenk 
gab  uns  in  freundlichster  Weise  Aufschluss  iiber  die  Ge- 


schichte  und  die  Konstruktion  des  Reliefs.  Hoffentlich 
gelingt  es  einer  spatern  Zeit,  das  jetzt  in  einem  abge- 
legenen  Eckzimmer  aufgestellte,  sehr  instruktive  Werk 
des  einheimischen  Geoplastikers  in  einem  neuen,  gut  be- 
lichteten  und  freigelegenen  Museumsraum  allgemein  zu- 
ganglich  zu  machen. 

Die  beiden  geselligen  Winter- Anlasse,  die 
Hauptver8ammlung  vom  15.  November  1902  und  die 
84.  Stiftungsfeier  vom  27.  Januar  1903  waren  zahlreich 
besucht  und  sehr  belebt.  Wir  gedenken  mit  lebhafter 
Anerkennung  unserer  stets  dienstbereiten  Sanger  und 
Musiker,  die  auch  an  diesen  Abenden  die  Weihe  der  Kunst 
iiber  die  frohe  Versammlung  ausgossen,  wie  auch  unseres 
liebenswiirdigen  Humoristen,  der  Feder  und  Stift  mit 
gleicher  Gewandtheit  handhabt,  oder  der  einen  befreunde- 
ten  Stift  in  seinen  Ideenkreis  einfuhrt  und  dessen  Produkte 
geistig  erganzt,  um  nach  dem  ernsten  wissenschaftlichen 
Akt  die  Gesellschaft  mit  spriihenden  Funken  von  Laune 
und  Witz  zu  beleben  und  zu  erheitern. 

Ausser  den  Rahmen  der  bisherigen  Tatigkeit  unserer 
Gesellschaft  fiihrte  uns  eine  Anregung  unseres  Mitgliedes, 
Herrn  Klingler-Scherrer,  wir  mochten  uns  zustandigen  Orts 
dafiir  verwenden,  dass  fiir  ein  letztes  Steinadler-Paar, 
das  laut  eingegangenen  Berichten  im  Sommer  1902  auf 
der  Alp  Laui  im  Bezirk  Werdenberg  einen  Horst  be- 
wohnte,  in  den  abgelegenen,  steilen  Felsen  der  Kreuzberge 
ein  Refugium  oder  ein  Freiberg  geschaffen  werde.  Ge- 
meinsam  mit  dem  Prasidenten  des  Schweizerischen  Alpen- 
klubs,  Sektion  St.  Gallen,  richteten  wir  eine  Eingabe  an 
die  Departements-Abteilung  fiir  Jagd  und  Fischerei,  es 
mochte  vorl^ufig  fiir  den  Abschuss  des  erwahnten  Adler- 
paares  keine  Extra-Bewilligung  erteilt  werden,  indem  wir 


10 


beabsichtigen ,  in  unsern  Gesellschaften  im  Laufe  des 
nachsten  Winters  die  Frage  zu  diskutieren,  in  welcher 
Art  und  Weise  einigen  wenigen  Vertretern  einer  stolzen 
und  schonen  koniglichen  Spezies  ein  letzter  Zufluchtsort 
vor  ihrer  ganzlichen  Ausrottung  geschaffen  werden  k6nnte. 
Die  Anregung  ist  dann  aber  gegenstandslos  geworden, 
indem  wahrend  des  Herbstes  1902  und  auch  seither  nichts 
mehr  von  Steinadlern  in  jenen  Bergen  verlautet  hat. 

Noch  zu  Lobzeiten  unseres  verstorbenen  Prasidenten 
ist  von  dritter  Seite  aus  an  unsere  Gesellschaft  das  An- 
suchen  gestellt  worden,  wir  sollten  der  interessanten  Frage 
derAbflussverhaltnisse  unsererAlpenseenim 
Alpsteingebiete  und  im  Oberland  naher  treten, 
von  denen  einige.  wie  der  Siimbtisersee,  der  Fahlensee 
und  der  Wildsee,  bekanntlich  keinen  sichtbaren  Ablauf 
besitzen.  Da  andernorts  derartige  Studien  auf  dem  Wege 
des  Experimentes  schon  langst  mit  bestem  Erfolg  durch- 
gefuhrt  worden  sind,  und  Klarhoit  in  bisher  ratselhafte 
Abflussverhaltnisse  gebracht  haben,  so  machten  wir  uns 
im  Vorwinter  1902  an  einen  ersten  Farbungsversuch.  um 
den  Ablauf  des  Sambtisersees  festzustellen. 

Wir  fanden  fur  unser  Vorhaben  Verstandnis  und  leb- 
hafte  Teilnahme  bei  unseren  eigenen  Mitgliedern  im  Rhein- 
tal  und  im  Werdenberg,  und  bei  der  Standeskommission 
und  der  Bevolkerung  von  Appenzell  I.-Rh.  Nachdem  die 
Beobachtung  fur  die  Gebiete  und  Wasseradern  des  mog- 
liclien  Ablaufs  sowohl  in  Briillisau  als  im  Rheintal  und 
Werdenberg  organisiert  worden  war,  nahm  am  5.  Dezember 
1902,  an  einem  schneidig  kalten,  aber  im  Grebirge  pracht- 
voll  hellen  Wintertage,  eine  Kolonne  von  5  Mitgliedern 
unserer  Gesellschaft  die  Farbung  des  beim  herrschenden 
Niederwasserstand  deutlich  sichtbaren  Einlaufs  des  Samb- 


11 


tisersees  in  die  Felsen  seines  Sudostufers  vor,  indem  sie 
30  Liter  einer  10-prozentigen  Fluorescein-Losung  in  das 
der  Felsspalte  zueilende  Bachlein  goss.  Tag  um  Tag 
verging ;  die  gewaltige  Menge  des  griinen  Farbstoffes  war 
und  blieb  verschwunden.  Endlich  kam  am  11.  Dezomber, 
genau  nach  sechsmal  24  Stunden,  gleichzeitig  telephonisch 
und  telegraphisch  von  zwei  Beobachtern  die  Nachricht, 
dass  griingefarbtes  Wasser  im  Miihlebach  zu  Sennwald 
fliesse,  und  viele  Tage,  ja  Wochen  lang  dauerte  es,  bis 
alles  griingefarbte  Wasser  aus  den  Felsenkluften  des 
Sambtisersees  sich  rheintalauswarts  ergossen  hatte.  Da 
in  keinem  andern  Wasserlauf,  weder  in  Innerrhoden  noch 
im  Rheintal,  Spuren  von  griinem  Wasser  zu  analoger  Zeit 
aufgetreten  sind,  durfen  wir  mit  Sicherheit  schliessen, 
dass  der  Hauptabfluss  des  Sambtisersees  in  den  Miihle- 
bach bei  Sennwald,  also  gegen  Sudosten  in  das  Rheintal 
und  nicht  gegen  Norden  in  das  Brullisauer-Tobel  und 
das  Sittertal  erfolgt.  Das  Experiment  gab  der  Volks- 
meinung  Recht  und  denjenigen  Geologen  Unrecht,  welche 
es  fur  zweifellos  erachteten,  dass  die  Quellen  im  Briill- 
tobel  der  Abfluss  des  Sambtisersees  seien. 

In  ansprechender  und  ausfiihrlicher  Form  hat  unser 
Bibliothekar,  Herr  Konservator  Bachler,  der  mit  bei  dieser 
Farbungs-Expedition  war  und  nach  einigen  Tagen  noch- 
mals  das  einsame  Hochtal  bis  zum  Fahlensee  hinauf 
besuchte,  im  Feuilleton  des  „St.  Galler  Tagblattesu  ein 
hiibsches  Bild  unserer  schonen,  frohen,  und  in  ihren 
Resultaten  gedeihlichen  Winterfahrt  entworfen.  und  auf  alle 
tektonischen  und  geologischen  Fragen  hingewiesen,  welche 
bei  diesem  ersten  Farbungs- Experiment  in  Diskussion 
gekommen  waren.  Wenn  es  uns  in  den  nachsten  Jahren 
vergonnt    sein    wird,    dem    ersten    gelungenen  Versuche 


12 


weitere  folgen  zu  lassen,  und  auf  diese  Weise  mit  an  der 
Losung  so  uberaus  interessanter  Naturratsel  in  unserem 
Vereinsgebiete  mitzuarbeiten,  so  wird  sich  wohl  in  unseren 
Reihen  auch  der  Mann  finden,  der  nach  Abschluss  der 
Einzelversuche  deren  Endergebnis  in  wissenschaftlicher 
Art  fur  unser  Jahrbuch  bearbeiten  kann.  Sollte  es  uns 
noch  diesen  Winter  moglich  sein,  einen  zweiten  Versuch 
am  Fahlensee  auszufiihren,  so  mochten  wir  jetzt  schon 
unsere  marschtuchtigen  Mitglieder  einladen,  die  Winter- 
pracht  im  Gebirge  mitanzusehen.  Im  andern  Fall  wollen 
wir  im  Fruhsommer  rechtzeitig  einen  schonen  Tag  be- 
stellen  und  dann  aber  auch  wagemutig  festhalten,  an  dem 
wir  in  starker  Kolonne  und  freudigen  Herzens  iiber  die 
Alpen  im  ersten  Blumenflor  binaufsteigen  zu  dem  dunkel- 
griinen  Seeauge,  das  die  kiihnen  Hange  des  Hundsteins, 
des  Schafbergs  und  des  Altmanns  wiederspiegelt. 

In  der  geselligen  Zusammenkunfl  vom  5.  August  1902 
machte  unser  Aktuar  Dr.  H.  Rehsteiner  zum  ersten  Mai 
eingehende  Mitteilung  iiber  ein  S&ntis-Relief,  an  dem 
damals  Prof.  Albert  Heim  in  Zurich  arbeitete,  das  nicht 
bloss  die  tektonischen  und  orographischen,  sondern  auch 
die  geologischen  Verhaltnisse  des  Gebirges  zur  Darstellung 
bringen  sollte. 

Schon  damals  regte  sich  der  Wunsch  in  alien  an- 
wesenden  Mitgliedern,  es  mSchte,  wenn  nicht  das  Original, 
so  doch  ein  kunstgerechter  Abguss  dieses  Reliefs  fur  unser 
stadtisches  Museum  gewonnen  werden.  Nachdem  auch  ein 
zweites  Kommissionsmitglied,  Herr  Bibliothekar  Bachler, 
der  Konservator  des  Museums,  von  dem  fortschreitenden 
Werk  EinSicht  erhalten  und  mit  dem  Ersteller  Unter- 
handlungen  iiber  die  Erwerbung  angebahnt  hatte,  und 
ausser  diesen  beiden  Herren  alle  Mitglieder,   welche  das 


13 


Original-Belief  zu  Gesicht  erhielten,  sich  iiber  diese  kanst- 
volle  und  doch  so  naturgetreue  Arbeit  in  ungeteilter  und 
einhelliger  Bewunderung  aussprachen,  hielt  es  im  Sommer 
1903  die  Kommission  unserer  Gesellschaft  fur  geboten, 
ihrerseits  die  Initiative  zur  Erwerbung  einer  Reproduktion 
des  Heim'schen  Santis-Reliefs  fiir  unser  Museum  zu  er- 
greifen.  Der  Appell  an  Behorden,  Vereine  und  einen  als 
opferwilliger  Kunstfreund  bekannten  Burger  der  Stadt 
blieb  nicht  ungehort.  An  die  von  Prof.  Heim  fur  seine 
Vaterstadt  besonders  niedrig  gestellte  Ankaufssumme  von 
6000  Fr.  sicherten  uns  Beitrage  zu,  die  wir  auch  an  dieser 
Stelle  nochmals  warmstens  verdanken: 

Tit.  Regierungsrat  des  Kantons  St.  Gallen      600  Fr. 

„     Gemeinderat  der  St.  Gallen    ....      500    „ 

„     Verwaltungsrat  der  Stadt  St.  Gallen  .    3000    „ 

,,     Schweiz.  Alpenklub,  Sektion  St.  Gallen      600    r 

Herr  Oberst  Paul  Kirchhofer-Gruber     .     .      600    „ 

und  in  ihrer  Sitzung  vom  2.  Oktober  1.  J.  beschloss  unsere 

Gesellschaft  einmiitig,  den  verbleibenden  Rest  von  1000  Fr. 

aus  ihrer  eigenen  Kasse  zu  decken,  so  dass  Ihr  President 

in   dite  gliickliche  Lage  versetzt  war,   am  3.  Oktober  bei 

Herrn  Prof.  Heim  eine  Reproduktion  seines  Santis-Reliefs 

zur  beforderlichen  Ablieferung  an  unser  stadtisches  Museum 

definitiv   bestellen   zu   konnen.     Der  Drehtisch   zur  Auf- 

nahme  des  Reliefs,  das  auf  Mitte  Dezember  fertig  gestellt 

wird,  ist  nach  den  Angaben  und  der  Planskizze  des  Autors 

an  zwei  tiichtige  Handwerker  zur  Ausfuhrung  iibergeben, 

und  nach  Neujahr  wird  uns  Prof.  Heim  durch  einen  Vor- 

trag  iiber  Relief-Darstellung  iiberhaupt  in  den  Genuss  und 

das  Verst&ndnis  seines  Spezial-Kunstwerks  einfuhren  und 

ans  an  dessen  Hand  den  Auf  bau  unseres  imposanten  Alp- 

steinmassivs  erl&utern.    Wir  freuen  uns  herzlich,  dass  es 


14 


uns  gelungen  ist,  mit  vereinten  Kraften  fur  unsere  Stadt 
ein  so  bedeutendes  Werk  zu  erwerben,  an  dem  spater 
alle  Museumsbesucher  Belehrung  und  reinen  Naturgenuss 
finden  werden. 

An  den  Schluss  dessen,  was  unsere  Gesellschaft  im 
Laufe  des  Berichtsjahres  getan  und  geleistet  hat,  stellen 
wir  das  Jahrbuch.  In  einem  neuen  Gewande,  das  auf 
Veranlassung  des  Druckers  der  modernen  Kunstrichtung 
Rechnung  tragt,  prasentiert  sich  heute  ein  folgender  Band 
der  tbrtlaufenden  Serie  unserer  Publikationen,  zum  ersten 
Mai  unter  dem  kurzen,  zutreffenden  Titel  „Jahrbuch", 
welcher  Name  im  Verkehr  und  im  Text  ubrigens  frtiher 
schon  gebraucht  worden  ist.  Der  neueste  Band  ubertritft 
an  Umfang  alle  seine  Vorganger  bedeutend ;  im  Verlaufe 
ihres  Entstehens  und  Werdens  sind  drei  der  Einzelbeitrage 
stets  gewachsen,  und  die  letzte  Arbeit  konnten  wir  un- 
moglich  mehr  in  toto  authehmen,  wenn  das  Opus  noch 
rechtzeitig  fertig  und  nicht  allzu  umfangreich  werden 
sollte.  Hoften  wir,  dass  auch  dessen  Inhalt  das  Buch  nicht 
unwiirdig  seiner  Vorganger  erscheinen  l&sst! 

An  erster  Stelle  bringt  das  Jahrbuch  das  von  Herrn 
Konservator  Emil  Bachler  seinem  ehemaligen  Chef  und 
Mentor  im  Museum  geweihte  Lebens-  und  Charakterbild 
des  verstorbenen  Prasidenten  Dr.  B.  Wartmann,  das  mit 
grossem  Aufwand  an  Arbeit,  eingehend,  getreu  und  liebe- 
voll  gezeichnet  ist.  Noch  einmal  erweckt  das  beigegebene 
Bild  uns  die  Erinnerung  an  den  unersetzlichen  Mann  mit 
den  energischen  und  doch  wohlwollenden  Zugen.  Er  hat 
es  gewiss  verdient,  dass  wir  seiner  in  diesem  Buche  an 
erster  Stelle  nochmals  gedenken. 

Auf  die  ublichen  geschaftlichen  Berichte  folgen  im 
Jahrbuch  vier  grossere  Original-Arbeiten.    Die  Reihe  er- 


16 


offnet  die  Dissertation  eines  jungen  Appenzeller  Gelehrten, 
Dr.  Konrad  Diem  von  Schwellbrunn,  der  mit  dieser  Arbeit : 
^Unter8uchung  iiber  die  Bodenfauna  in  den  Alpen",  den 
Doktorhut  an  der  Universitat  Zurich  erworben  hat.  Die 
der  Abhandlung  zu  Grunde  liegenden  zoologischen  Studien, 
ausgefuhrt  unter  der  Leitung  unseres  Mitgliedes  Prof. 
Dr.  C.  Keller,  betreffen  zum  Teil  unser  Vereinsgebiet,  den 
Alpstein  und  das  Kalfeis:  das  ist  der  Grund;  warum  diese 
streng  wissenschaftliche  Arbeit  Aufnahme  in  unsere  sonst 
mehr  volkstumliche  Publikation  gefunden  hat. 

Der  zweite  Beitrag:  „Die  Pflanzenwelt  des  hohen 
Nordens  in  ihren  Beziehungen  zu  Klima  und  Boden- 
beschaffenheit"  von  Dozent  Dr.  M.  Rickli  in  Zurich  gibt 
einen  in  unserer  Gesellschaft  beifallig  aufgenommenen 
Vortrag  wieder.  Als  willkominene  Erganzung  des  Textes 
erscheinen  zwei  reizende  Chromobilder :  ^Arktische  Matten- 
formation"  und  „Arktische  Zwergstrauchheideu,  welche 
Zeugnis  ablegen  von  der  Leistungsfahigkeit  unsers  ein- 
heimischen  Kunstinstitutes,  das  auf  dem  Wege  des  Bueh- 
drucks  Zeichnung  und  Farbentone  der  grossen  Originale 
mit  wunderbarer  Treue  in  der  Verkleinerung  reproduziert. 

Die  in  unserer  Sitzung  vom  15.  Marz  1902  vorgetragene 
Arbeit  unseres  Mitgliedes  Dr.  Richard  Zollikofer  „Uber 
Meteorologie  und  Influenzau  unternimmt  es,  an  eine  neuere 
Hypothese  iiber  die  Ursache  des  plotzlichen  Aufloderns 
und  der  rapiden  Ausbreitung  der  Seuche,  wonach  meteoro- 
logische  Verhaltnisse  wesentlich  mitspielen  sollen,  Kritik 
und  Nachprufung  auf  Grund  unserer  st.  gallischen  Auf- 
zeichnungen  anzulegen.  Wir  empfehlen  diese  lichtvolle 
Darlegung  dem  nachtraglichen  Studium  bestens. 

Die  letzte  Abhandlung,  betitelt  „Beitrage  zur  Geo- 
logic der  Umgebung  St.  Gallensa,  aus  der  Feder  unserer 


16 


Mitglieder  Chs.  Falkner  und  A.  Lad  wig,  umfasst  das 
Resultat  ihrer  mehrjahrigen  geologischen  Studies  und  Ex- 
kursionen  und  bildet  fur  alle  Naturfreunde,  die  sich  urn 
die  Bodengestaltung  unserer  engern  Heimat  interessieren. 
eine  hochst  willkommene  Gabe.  Der  Schluss  dieser  Arbeit 
folgt  im  nachsten  Jahrbuch,  und  es  ist  dafur  gesorgt. 
dass  nach  deren  Vollendung  die  „Beitragefi  auch  als  ein- 
heitliches  Ganzes  erhaltlich  sein  werden. 

Mit  Befriedigung  verweisen  wir  auf  die  dem  Jahr- 
buch beigegebene,  wohlgelungene  „Geologische  Karte  der 
Umgebung  St.  Gallons",  in  deren  farbigen  Angaben  und 
Nachweisen  eine  grosse  Summe  von  miihsam  zusammen- 
gebrachten  Detail  -  Beobachtungen  seitens  der  Autoren 
Falkner  und  Ludwig  niederlegt  ist. 

Allen  Mitarbeitern  an  unserm  neuen  stattlichen  Jahr- 
buche  entbietet  der  Berichterstatter,  dem  fur  das  abge- 
laufene  und  zwei  folgende  Jahre  mit  der  Prasidialleitung 
auch  das  Amt  der  Redaktion  oder  wenigstens  die  Auf- 
gabe  der  Beitragssammlung  zugefallen  ist,  herzlichen 
Dank;  er  gilt  auch  der  meteorologischen  Zentralstation 
in  Zurich,  die  uns  jedes  Jahr  die  Beobachtungen  der 
gleichen  neun  st.  gallischen  und  appenzellischen  Stationen 
freundlichst  zur  Verfugung  stellt. 

Kaum  ist  der  eine  Band  erschienen,  und  leider  Gottes, 
noch  nicht  einmal  bezahlt,  so  beginnt  schon  wieder  die 
Sorge  um  deii  folgenden.  Wir  haben  fur  das  neue  Jahr- 
buch mit  seiner  Leibesfulle  und  den  mehreren  artistischen 
Beilagen  die  Geldmittel  unserer  Gesellschaft  stark,  viel- 
leicht  liber  Gebiihr  in  Anspruch  genommen,  und  mussen 
im  nachsten  Jahr  zweifelsohne  uns  einen  Generalpardon 
ausbitten;  aber  wir  leben  der  sichern  Hoffnung,  dass  die 
Einsicht  der  Mitglieder  auch  in  Zukunft  gern  die  Mittel 


17 


v&hren  wird,  um  das,  was  im  Kreise  der  Gesellschaft 
raenschaftlich  gearbeitet  worden  ist,  in  wtLrdiger  Form 
i  Aus8tattung  in  den  Jahrbiichern  niederlegen  und  der 
t-  und  Nachwelt  erhalten  zu  kdnnen. 

Wir  wollen  noch  in  kurzen  Worten  die  internen 
lgelegenheiten  unserer  Gesellschaft  bertihren. 

Die  Mappen-Zirkulation  nimmt  ihren  gewohnten 
ng;  tiber  ihren  Verlauf  im  speziellen  und  seine  per- 
ilichen  Erfahrungen,  die  nicht  immer  angenehm  sein 
►gen,  lassen  wir  den  Herrn  Bibliothekar  in  einem  Separat- 
richt  sich  aussprechen.  Die  wissenschaftlichen  Mappen 
d  um  zwei  periodisch  erscheinende  Werke,  das  „Bio- 
;ische  Zentralblatt  von  Rosenthal"  und  die  „  Acta  mathe- 
.tica  von  Mittag-Leffler",  bereichert  worden;  zu  den 
herigen  Zeitschriften  der  popularen  Lesekreise  sind 
hrere  abgeschlossene,  illustrierte  Werke  getreten. 

Leider  kdnnen  wir  vom  Mitgliederbestande  Er- 
uliches  nicht  melden.  Wahrend  wir  am  30.  Juni  1902 
unserm  Personal-Register  731  Mitglieder  verzeichnet 
iden,  sind  es  deren  heute  nur  noch  707;  wir  mlissen 
o  am  ersten  Jahresschlusse  unter  der  neuen  Prasidial- 
:ung  einen  Riickgang  um  24  Mitglieder  beklagen.  Da 
,  es  wohl  not,  dass  die  andern  Vorstandsmitglieder,  die 
a  MenBchenfang  vielleicht  besser  verstehen,  als  der 
enbar  zu  gutmiitige  und  zu  wenig  energische  President, 
dessen  Stelle  das  Amt  des  „Einpeitschersu  iibernehmen, 
d  alien  Mitgliedern  mochte  ich  es  warm  ans  Herz  legen, 
5S  sie  in  ihren  Bekanntenkreisen  zum  Eintritt  in  unsere 
sellschaft  aufmuntern,  die  im  Laufe  des  Jahres  doch 
*iss  manche  Anregung,  Belehrung  und  Unterhaltung 
sten  Sinnes  bietet. 


18 


Durch  den  Tod  sind  aus  unsern  Reihen  abberufen 
worden  folgende  15  Mitglieder: 

Barlocher,  Albert,  Kantonsgerichtsprasident, 
Beutter,  Albert,  Kaufmann, 
Bischoff,  Emil,  Schuhhandler, 
Bogler,  Bernhard,  Musikdirektor, 
Erhardt,  Direktor  der  Taubstummenanstalt, 
Fehr  Eugen,  Buchhandler, 
Glinz,  Leonhard,  zum  „Schiffa, 
Holderlin,  Julius,  Kaufmann, 
Hosli,  August,  Adjunkt  der  Postdirektion, 
Kleb-Diirler,  Wilhelm,  Zahnarzt, 
Kttnzli,  Theodor,  Med.  Dr., 
Salzmann-Heim,  J.,  Kaufmann, 
v.  Susskind,  Gottfried,  Fabrikbesitzer, 
Schartler-Lumpert,  Jakob,  Kaufmann, 
Todtli,  Wilhelm,  Kantonsforster,  Teufen. 
Wir  weihen  alien  Dahingeschiedenen  ein  Wort  ehren- 
den  Gedenkens. 

Weitere  44  Mitglieder  haben  sich  aus  verschiedenen 
Griinden  von  der  Gesellschaft  abgelost.  Es  liegt  uns  fern, 
im  einzelnen  Falle  priifen  und  beurteilen  zu  wollen,  ob 
der  Austritt  innerlich  begriindet  war.  Wir  miissten  es 
nur  hochlichst  bedauern,  wenn  immer  mehr  Mitglieder  keine 
Befriedigung  in  unserm  gemeinschaftlichen  Streben,  und 
in  dem,  was  wir  dem  Einzelnen  bieten  konnen,  finden 
sollten. 

Glticklicherweise  hat  sich  durch  den  Eintritt  von  35 
neuen  Mitgliedern  ein  teilweiser  Ersatz  gefunden,  der  den 
Rtickgang  auf  oben  erwahnte  Ziffer  24  reduziert, 

Zum  ersten  Mai  seit  vielen  Jahren  stellt  sich  unsere 
Jahresrechnung  der  Gesellschaft  mit  einem  Defizit 


19 


vor.  So  geringfugig  das  Minus  von  Fr.  41. 20  erscheint, 
ein  Minus  ist  es  doch,  das'  uns  recht  zu  denken  gibt. 
Wir  tragen  uns  fur  die  nachsten  Jahre  mit  hochfliegenden 
Planen,  was  wir  alles  anregen  und  durchfuhren  mochten, 
und  stehen  jetzt  schon,  das  schone,  unbezahlte  Jahrbuch 
in  der  Hand,  vor  einem  Rechnungsausfall.  Trosten  kann 
uns  einzig  der  Gedanke,  dass  alle  unsere  wohlbelegten 
Ausgabenim  Interesse  naturwissenschaftlicherBestrebungen 
gescbehen  sind,  und  die  Hoffnung,  dass  sich  spater  fur 
neue  Aufgaben  gewiss  auch  neue  Mittel  finden,  wenn  wir 
unsere  Mitglieder  liberzougen  konnen,  dass  wir  Willens 
sind,  zu  arbeiten  und  zur  Arbeit  anzuregen. 

Da  die  Absicht  besteht,  die  Jahresrechnung  in  Zu- 
kunft  vollinhaltlich  dem  gedruckien  Geschaftsbericht  an- 
zugliedern,  damit  alle  Mitglieder  Aufschluss  liber  die  uns 
zufliessenden  Geldmittel  und  die  Art  ihrer  Verwendung 
erbalten,  sehen  wir  da  von  ab,  hier  schon  Details  der 
Bechnung  zu  beriihren. 

Gestatten  Sie  Ihrem  Prasidenten  nocb  einen  Blick 
in  die  Zukunft  und  auf  die  ihm  vorschwebenden  nachsten 
Aufgaben  der  Gesellschafb.  Wie  eingangs  erwahnt,  halt 
die  Kommission  eine  Revision  unserer  Yerfassung,  der 
Statuten,  fur  geboten  und  dringlich,  um  in  Wesenheit 
eine  Anderung  in  der  Zeitrechnung,  der  Uberfiihrung  des 
Vereinsjahres  in  das  Kalenderjahr,  zu  veranlassen.  Da- 
mit wiirde  eine  andere  Neuerung  zusammenh&ngen :  die 
Ersetzung  der  bisherigen  zwei  Festanlasse  zur  Winters- 
zeit,  Hauptversammlung  und  Stiftungsfeier,  die  sich  etwas 
allzurasch  folgen,  durch  einen  einzigen  Anlass  im  Monat 
Januar,  nach  Schluss  des  Yereinsjahrs,  zur  Zeit  des  Stif- 
tungstages,  ein  Anlass,  in  dem  sich  Wissenschaft  und 
Oeselligkeit  konzentrieren  konnten.     Als  Auftg\e\c\i  %x 


20 


den  Verzicht  auf  die  H&lfte  der  bisherigen  Geselligkeit, 
schwebt  uns  vor  die  Verlegung  unserer  sommerlichen 
T&tigkeit  auf  kleinere  Ausfliige  und  grossere  Exkursionen, 
auf  Belehrung  und  Erfrischung  in  der  lebendigen  Natur 
unseres  Vaterlandes,  kombiniert  mit  wissenschaftlichen 
Sitzungen  in  den  einzelnen  Landesgegenden,  wie  es  unsere 
„Kollegin  von  der  Geschichteu  schon  langst  mit  bestem 
Erfolg  praktiziert. 

Revidierte  Statuten  bilden  bloss  eine  neue  Form,  die 
wir  auch  mit  neuem  Inhalt  fiillen  mochten.  Der  Aufgaben 
zur  Erforschung  der  Natur  unseres  Yereinsgebietes  sind 
noch  reichlich  vorhanden.  Neben  der  Fortsetzung  der 
geologischen,  floristischen  und  zoologischen  Bearbeitung 
einzelner  Landesteile  und  abgelegenen  Gebirgstaler,  wie 
des  Kalfei8}  des  Weisstannen-  und  des  Schilzbachtales, 
erinnere  ich  Sie  beispielsweise  an  die  Ausdehnung  der 
von  Asper  und  Heuscher  begonnenen  Untersuchung  zahl- 
reicher  Gebirgsseen  in  limnologischer  und  biologischer 
Richtung,  an  die  Untersuchung  der  Tor f moor e  in 
bezug  auf  die  darin  vokommenden  Pflanzen  und  Holz- 
arten,  an  die  Untersuchung  der  vorhistorischen,  post- 
glacialen  Bewegungen  auf  der  Erdoberflache,  alte 
Wasserlaufe,  alte  Seebecken  und  alte  Bergsturze.  Grossere 
Arbeiten  dieser  Art  sind  begonnen :  Herr  Dr.  Hugo  Reh- 
steiner  bemiiht  sich  um  das  Plankton  des  Bodensees  und 
traumt  schon  langst  von  einem  zusammeniegbaren  Schiff- 
chen,  das  solche  Studien  auch  in  den  Alpenseen  erm6glicht ; 
Herr  Konservator  Bachler  belauscht  die  Naturgeheimnisse 
des  Kalfeisentals ;  andere  Aufgaben  harren  aber  noch  der 
jungen  frischen  Krafte,  die  mit  Unterstiitzung  der  Gesell- 
schaft  mutig  und  beharrlich  sich  zur  Arbeit  melden. 

Im  Jahre  1906  wird  die  schweizerische  naturforschende 


21 


Gesellschaft  sich  zu  Gaste  laden  bei  ihrer  Tochter  in 
St.  Gallen,  die  sie,  die  Mutter,  zum  ersten  Mai  im  Grundungs- 
jahr  1819,  dann  wieder  1830  und  1864,  und  zuletzt  im 
Jahr  1879  besucht  hat.  Es  leben  noch  manche  unter 
uns,  die  sich  jener  Tage  hohen,  geistigen  Genusses  und 
edler  Geselligkeit  im  Kreise  benihmter  Yertreter  der 
Naturforschung  gerne  erinnern.  Unsere  heutige  Generation 
wird  es  sich  wiederum  zur  Ehre  anrechnen,  nach  so  langem 
Zeitraume  die  schweizerischen  Naturforscher  empfangen, 
einfach  aber  herzlich  bewirten  und  beherbergen  zu  diirfen. 
Wir  wissen,  dass  die  alten  Herren,  die  schon  anno  1879 
bei  uns  gewesen  sind,  sich  freuen,  wiederum  in  St.  Gallen 
Einkehr  zu  halten,  in  dessen  Mauern  ja,  wie  unsere  Jahr- 
biicher  ihnen  kiinden,  die  Naturwissenschaften  eifriger 
und  sorglicher  Pflege  gewohnt  sind.  Beniitzen  wir  die 
kurze  Spanne  Zeit,  die  uns  vom  kommenden  Feste  trennt, 
um  unsern  Gasten  beweisen  zu  konnen,  dass  die  alte 
Tradition  eifriger  Pflege  der  Naturwissenschaft  in  unserer 
Stadt  sich  erhalten  hat  und  erhalten  wird  fur  alle  Zeiten. 
Wir  leben  im  Centenarjahr,  das  bald  zur  Neige  geht. 
In  der  Denkschrift,  welche  die  hohe  Regierung  zur  Feier 
des  hundertjahrigen  Bestandes  des  Kantons  St.  Gallen 
ihrem  Volke  gewidmet  hat,  behandelt  ein  Abschnitt  iiber 
die  Wissenschaften  auch  die  Geschichte  der  Naturwissen- 
schaften in  unserem  Heimatkantoo,  die  zum  grossen  Teil 
die  Geschichte  unserer  Gesellschaft  ist.  Wir  danken 
dem  Historiker,  den  wir  mit  Stolz  auch  unser  Mitglied 
nennen,  fur  die  verstandnisvolle  Darstellung  des  vielseitigen 
Strebens  und  Wirkens  der  einzelnen  st.  gallischen  Natur- 
forscher und  ihrer  Vereinigung  in  unserer  Gesellschaft.  An 
uns  ist  es  nun,  furzusorgen,  dass  die  frohe  Hoffnung  nicht  zu 
Schanden  werde,  d ie  Prof.  Dierauer ausspricht  in  den  Worten: 


22 


„E8  besteht  kein  Zweifel,  dass  Wartmanns  impulsiver 
Geist  in  den  naturwissenschaftlichen  Kreisen  St.  Gallons 
fortwirken,  und  dass  die  Erinnerung  an  seine  Arbeits- 
energie  den  Ansporn  zur  unausgesetzten  weiteren  Er- 
forscbung  jener  R&tsel  bilden  werde,  die  sicb  mit  den 
wunderbaren,  ewig  wecbselnden  Erscbeinungen  im  Reiche 
der  Natur  verknxipfen." 


II. 
Obersicht 

fiber  die  im  Jahre  1902/03  gehaltenen  Vortr&ge. 

Nach  den  Protokollen  zusammengefasst 
vom 

Aktuar  Dr.  H.  Rehsteiner. 


Einen  Experimentalvortrag,  der  das  Interesse  weitester 
Kreise  in  hohem  Masse  zu  fesseln  wusste,  hielt  Heir  Dr. 
Werder,  Adjunkt  des  Kantonschemikers.  Er  sprach  in 
eingehender,  auch  fur  den  Laien  in  der  chemischen  Wissen- 
schaft  verstandlicher  Weise  iiber  das  neueste  Nass  der 
Gegenwart,  die  flussige  Luft. 

Die  BeschafFung  fliissiger  Luft  zu  Demonstrations- 
zwecken  war  in  St.  Gallen,  wo  keine  Luftverfltissigungs- 
apparate  sich  befinden,  keine  sehr  einfache  Sache  trotz 
des  billigen  Preises  von  einer  Mark  fur  einen  Liter  der 
merkwiirdigen  Fltissigkeit.  Bis  jetzt  existieren  keine 
Transportgefasse,  wetehe  das  Versenden  auf  grosse  Ent- 
fernungen  gestatteten ;  der  Vortragende  musste  daher  den 
gefahrlichen  Stoff  personlich  in  der  Versuchsstation  der 
Aktiengesellschaft  fiir  Lindes  Eismaschinen  in  Hollriegels- 
greuth-Grunwald  bei  Munchen  abholen.  In  gewaltigen 
Kompressoren  wird  dort  Luft  auf  200  Atmospharen  kom- 
primiert  und  kann  nach  dem  Passieren  von  Kiihlanlagen 
aus  sinnreich  konstruierten  Gegenstromapparaten  literweise 
abgelassen  werden.  Zur  Auf  bewahrung  dienen  versilberte 
doppelwandige  Glasballons,  deren  Offnung  eine  so  inten- 
sive Kalte  entstromt,  dass  sich  die  atmospharische  Feuchtig- 


24 


keit  als  hartgefrorener  Schnee  auf  dem  Flaschenhals  nieder- 
schlagt.  Der  Flascheninhalt  ist  eine  wasserhelle  Flussig- 
keit,  die  beim  Ausgiessen  auf  den  Boden  gewaltig  kocht, 
in  Tropfen  versprtikt  und  sich  unter  starker  Dampf- 
entwicklung  verfliiohtigt,  ohne  eine  Spur  von  Nasse  zu 
hinterlassen.  Ungefahr  acht  Tage  halt  sich  die  fliissige 
Luft  in  diesen  offenen,  ca.  zwei  Liter  haltenden  Glas- 
ballons  bei  gewohnlicher  Temperatur. 

Der  Vortragende  verbreitet  sich  zuerst  liber  die  all- 
geineinen  theoretischen  Grundlagen  der  Gasverfliissigung. 
Jede  Anderung  des  Aggregatzustandes  ist  als  eine  Wirkung 
der  Warme  aufzufassen.  Im  allgemeinen  geniigt  hin- 
reichende  Abkiihlung,  um  alle  Korper  fest,  hinreichende 
Erwarmung,  um  alle  gasformig  zu  machen.  Dass  dies 
in  praxi  noch  nicht  durchwegs  gelungen  ist,  beruht  nur 
auf  der  Unzulanglichkeit  unserer  Warme-  und  Kalte- 
erzeugungsmittel,  die  Temperaturen  zwischen  ca.  2500° 
Warme  und  —  230°  Kalte  hervorbringen  konnen.  Die 
Gase  Wasserstoff  und  Helium  widerstanden  bisher  der 
Verflussigung,  die  festen  Korper  Kohlenstoff  und  Molyb- 
dan  der  Vergasung.  Schon  zu  Anfang  des  vorigen  Jahr- 
hunderts  war  es  Davy  und  Faraday  gelungen,  eine  Beihe 
sogen.  permanenter,  d.  h.  nicht  kondensierbarer  Gase  zu 
verfliissigen  durch  gleichzeitige  Anwendung  von  erhohtem 
Druck  und  Abkiihlung.  Andrews  wies  in  den  Sechziger- 
jahren  an  klassischen  Versuchen  mittels  Kohlensaure  nach, 
dass  es  fiir  jeden  Korper  eine  bestimmte  Temperatur  gibt, 
oberhalb  welcher  er  nuf  in  gasformigem  Zustand  existieren 
und  durch  keinen  noch  so  ungeheuren  Druck  verfliissigt 
werden  kann.  Um  ein  Gas  in  den  tropfbar  flussigen 
Zustand  iiberzufiihren,  ist  es  also  notig,  unter  gleichzeitiger 
Druckerhohung  diese  Temperatur  zu  unterschreiten.  Diesen 


Druck  nennt  man  den  kritischen,  die  Temperatur  die 
kritische.  Bei  — 140  °,  der  kritischen  Temperatur  der  Luft, 
bedarf  es  nur  noch  des  kritischen  Druckes  von  39  Atmo- 
spharen,  um  ihre  Verflussigung  herbeizufuhren.  Bei  ge- 
wdhnlichem  atmospharischem  Druck  muss  man  auf  — 191° 
heruntersteigen,  um  die  Luft  in  fliissigem  Zustand  zu  er- 
halten.  1877  gelang  die  Verflussigung  von  Sauerstoff 
gleichzeitig  den  beiden  Forschern  Cailletet  und  Pictet, 
vorerst  zwar  nur  in  minimen  und  voriibergehenden  Mengen. 
Erst  1883  stellten  Wroblewsky  und  Olzewsky  grossere 
Mengen  von  Sauerstoff,  Stickstoff,  Kohlenoxyd  und  Luft 
in  statischem  Zustande  dar  und  erreichten  mittelst  sieden- 
dem  Athylengas  Temperaturen  von  — 150°.  Nach  Wro- 
blewskys  tragischem  Tod  —  nicht  etwa  verursacht  durch 
eine  Explosion  bei  seinen  in  hohem  Grade  gefahrlichen 
Experimenten,  sondern  die  Folge  starker  Brandwunden, 
verursacht  durch  eine  umgesttirzte,  brennende  Petroleum- 
lampe  —  ging  sein  geistiges  Erbe  auf  seinen  bisherigen 
Mitarbeiter  Olzewsky  iiber,  dem  es  gelang,  bei  einer  kri- 
tischen Temperatur  von  — 234,6°  und  20  Atmosph&ren 
Druck  den  Wasserstoff  zu  verfltissigen  und  dessen  Siede- 
punkt  von  243,6°  Celsius  zu  ermitteln.  Die  tiefste  von 
ihm  und  iiberhaupt  bis  jetzt  erreichte  Temperatur  betragt 
—  263,9°  Celsius. 

Zuerst  betrieb  Pictet  in  seinen  K&ltelaboratorien  zu 
Berlin  und  Paris  die  Fabrikation  fliissiger  Gase  im  grossen, 
auch  die  Herstellung  fliissiger  Luft.  So  reihte  sich  auf 
dem  Gebiete  der  Gasverfliissigung  Erfolg  an  Erfolg  in 
stufenmassiger  Entwicklung.  Ein  wichtiges  Problem  harrte 
noch  der  Losung  und  das  war  die  Herstellung  billiger, 
fliissiger  Gase  fur  die  Industrie  und  Technik.  Den  vorhin 
beschriebenen  Methoden  ist  mit  wenigen  Ausnahmen  ein 


26 


Prinzip  gemeinsam:  Erzeugung  niedriger  Temperaturen 
durch  Entziehen  latenter  W&rme. 

Da  trat  im  Jahre  1895  eine  entscheidende  Wendung 
ein.  Es  war  im  Mai,  als  Professor  Linde  in  Mimchen 
einer  Versammlung  von  Physikern,  Chemikern  und  Tech- 
nikern  eine  Masohine  im  Betrieb  vorfiihrte,  verbiiiffend 
einfach  in  der  Konstruktion,  verbliiffend  gross  aber  in  ihren 
Leistungen.  Die  Maschine,  aus  einem  Luftkompressor 
and  zwei  Warmeaustauschapparaten  bestehend,  lieferte 
in  der  Stunde  mehrere  Liter  fliissige  Luft  auf  billigem 
Wege  und  gab  zugleich  die  Moglichkeit,  die-  tiefsten 
Temperaturen  zu  erreichen,  die  (iberhaupt  zu  erreichen 
sind.  Lindes  Methode  beruht  lediglich  auf  der  Nutzbar- 
machung  der  Abkuhlung,  welche  ein  Gas  erfahrt,  wenn 
es  sich  arbeitend  ausdehnt.  Lasst  man  Luft  aus  einem 
Gefasse,  in  welchem  sie  z.  B.  bei  0  Grad  auf  26  Atmo- 
spharen komprimiert  ist,  durch  einen  Hahn  mit  regulier- 
barer  Ofihung  in  ein  zweites  Gefass  ausstromen,  in  dem 
der  Druck  auf  6  Atmospharen  erhalten  bleibt,  so  kiihlt 
sie  sich  um  ca.  6  °  ab.  Diese  Luft  benutzt  man  zur  Vor- 
abkuhlung  neu  zustromender,  auf  25  Atmospharen  kom- 
primierter  Luft,  welche  dann  bei  ihrer  Entspannung  auf 
5  Atmospharen  auf  ungefahr  —  10  °  kommt.  Diese  Luft 
dient  wieder  zur  Vorkuhlung  und  liefert  so  die  Luft  von 
—  15°  usw.  Die  Luft  zirkuliert  dabei  in  einem  ge- 
schlossenen  Apparate  in  der  Weise,  dass  die  bereits  expan- 
dierte,  abgekiihlte  Luft  in  einer  weiteren  Umhiillungs- 
rohre  der  in  einem  inneren  Rohre  nachstromenden  hoch- 
gespannten  Luft  entgegengefiihrt  wird. 

Linde  lasst  die  Luft  in  seinem  Apparate  von  200 
auf  60  Atmospharen  abfallen,  wobei  er  eine  Abkuhlung 
derselben  um  ca.  37  °  Celsius  erreicht.     Neben  der  Luft- 


27 


verflttesigung  gestattet  Lindes  Verfahren  auch  eine  ele- 
gante Trennung  der  beiden  Hauptbestandteile  der  Luft, 
des  Sauerstoffs  und  des  Stickstoffs.  Die  anf&nglich  er- 
haltene  fliissige  Luft  ist  eine  durch  feste  Kohlens&ure 
milchig  getriibte  Fllissigkeit.  In  rein  em  Zustand  erscheint 
sie  schwach  blaulich  und  wird  um  so  blauer,  je  mehr  sie 
sich  an  Sauerstoff  bereichert.  Will  man  Luft  bei  gew6hn- 
licher  Temperatur  fliissig  auf  bewahren,  so  miissen  beson- 
dere  Vorsichtsraassregeln  getroffen  werden,  um  die  Aussen- 
warme  Borgfaltig  von  ihr  abzuhalten.  Zu  diesem  Zwecke 
fiillt  man  sie  in  besonders  konstruierte,  doppelwandige 
Glasflaschen  ab,  bei  welchen  der  Baum  zwischen  den 
doppelten  W&nden  moglichst  vollkommen  luftleer  gepumpt 
ist.  Da  der  luftleere  Raum  die  Warme  nicht  leitet,  so  ist 
ein  Eindringen  ausserer  Warme  sozusagen  ausgeschlossen. 
Um  aber  auch  weitere  Verluste  durch  W&rmestrahlung 
zu  vermeiden,  sind  die  Innenseiten  der  W&nde  versilbert. 
Sie  wirken  so  wie  Spiegel  und  werfen  die  andringenden 
Wftrmestrahlen  zuriick. 

Die  iiber  alle  Begriflfe  niedrige  Temperatur  der  fliissigen 
Luft  gestattet  die  Anstellung  einer  Reihe  von  geradezu 
verbliiffend  wirkenden  Experimenten.  Eis,  das  man  sonst 
ja  als  Inbegriff  aller  Kalte  zu  betrachten  pflegt,  bringt 
beim  Einwerfen  in  fliissige  Luft  diese  ins  lebhafteste 
Kochen.  Die  Wirkung  ist  ganz  ahnlich  derjenigen,  die 
die  ein  Stuck  gluhendes  Eisen  beim  Eintauchen  in  Wasser 
hervorruft.  Das  fliissige  Metall  Quecksilber  wird,  da  sein 
Erstarrungspunkt  schon  bei  — 39°  liegt,  beim  Begiessen 
mit  fltissiger  Luft  augenblicklich  fest.  So  gelingt  es, 
Quecksilber  in  Form  eines  Binges  langere  Zeit  an  einer 
Schnur  aufzuhangen  und  mit  einem  Hammer  aus  ge- 
frorenem  Quecksilber  sogar  Nagel  in  eine  Wand  einzu- 


schlagen.  Ein  Kautschukschlauch,  in  fliissige  Luft  ein- 
getaucht,  ist  nach  kurzem  Liegenlassen  in  derselben  glas- 
hart  geworden  und  zerspringt,  mit  einem  Hammer  ge- 
schlagen,  in  Scherben,  deren  Kanten  so  scharf  sind,  dass 
man  sich  an  denselben  scbneiden  kann.  Taucht  man 
einen  Gummiball  in  fliissige  Luft,  so  verliert  er  seine 
Elastizitat  vollstandig  und  springt  beim  Aufwerfen  auf 
den  Boden  in  hundert  Stucke,  die  erst  allmahlich  wieder 
weich  und  elastisch  werden.  Ebenso  wird  ein  Blumen- 
strauss  beim  Begiessen  mit  flussiger  Luft  hart  wie  Olas 
und  l&sst  sich  mit  Leichtigkeit  zu  einem  feinen  Pulver 
zerreiben.  Ein  Pokal  aus  Blei  gibt,  mit  flussiger  Luft 
abgekiihlt,  beim  Anschlagen  mit  einem  Holzkloppel  einen 
hellen,  weithin  nachklingenden  Ton.  Giesst  man  Alkohol, 
dessen  Erstarrungspunkt  bei  —  130°  Celsius  liegt,  in 
fliissige  Luft,  so  erstarrt  er  zu  festen  Tropfen,  die  beim 
Anstossen  mit  einem  Glasstab  klirren.  Ein  glimmender 
Holzspan,  in  den  liber  der  flussigen  Luft  stehenden  Dampf 
eingehalten,  f  angt  lebhaft  zu  brennen  an  und  brennt  mit 
intensiver  Flamme  weiter,  wenn  man  ihn  in  die  Fliissig- 
keit  eintaucht.  Das  ist  eine  Folge  des  hohen  Sauerstoff- 
gehaltes  der  flussigen  Luft,  der  schon  beim  Austreten 
derselben  aus  dem  Gegenstromapparat  50  Prozent  betragt 
und  sich,  wie  erwahnt,  bei  langerem  Stehenlassen  infolge 
der  leichteren  Verdampfungsfahigkeit  des  Stickstoffes  noch 
mehr  erhoht.  Mischt  man  lose  zerzupfte  Baumwolle  mit 
etwas  pulverisierter  Holzkohle  und  begiesst  das  Ganze 
mit  flussiger  Luft,  so  verbrennt  der  Wattebausch,  mit 
einem  glimmenden  Span  beriihrt,  unter  puffendem  Ge- 
rausch  mit  intensiv  leuchtender  Flamme.  In  geeigneter 
Weise  mit  einem  Zundhiitchen  zur  Verbrennung  gebracht, 
iibt  eine  solche   Watte-Holzkohle-Patrone  eine   ahnliche 


Sprengwirkung  aus  wie  Dynamit.  —  Zahlreiche  Versuche, 
welche  die  Verwendung  der  fliissigen  Luft  bezw.  des  bei 
dem  Linde'schen  Luftverfliissigungsverfahren  gewonnenen 
konzentrierten  Sauerstoffs  und  Stickstoffs  betreffen,  wurden 
in  der  Folge  gemacht. 

Auf  rein  wissenschaftlichem  Gebiete  erwarben  nament- 
lich  die  Arbeiten  Dewars  besonderes  Interesse.  Es  gelang 
ihm,  durch  wiederholte  starke  Abkiihlung  den  Magne- 
tismus  eines  permanenten  Magneten  uni  30  bis  50°/o  zu 
erhohen.  Zum  Messen  tiefer  Temperaturen,  sowie  zu 
ausserst  genauen  Ermittelungen  der  Schmelz-  bezw.  Er- 
starrung8punkte  verschiedener  bisher  nur  schwer  zum  Er- 
starren  zu  bringender  cbemischer  Substanzen  wurde  fliissige 
Luft  verwendet. 

Aber  auch  die  Technik  ist  bestrebt,  sich  diesen  wert- 
vollen  Stoff  in  verschiedenster  Weise  nutzbar  zu  machen 
und  der  Linde'sche  Verfliissigungsapparat  wird  voraus- 
sichtlich  zur  Ausbildung  eines  neuen  Zweiges  der  Chemie, 
der  Kryochemie,  fiihren.  Sprengstoffe  aus  flussiger  Luft, 
in  Verbindung  mit  leicht  oxydierbaren  Substanzen,  Oxy- 
liquite  genannt,  zeichnen  sich  durch  relative  Ungefithr- 
lichkeit  aus;  in  Steinkohlenbergwerken  kann  die  die  Spreng- 
fltissigkeit  liefernde  Maschine  gleichzeitig  eine  sehr  sauer- 
stofFreiche  Luft  in  die  tiefen  Schachte  hinabfuhren. 

Mit  Vorteil  soil  sich  fliissige  Luft  als  Treibmittel  fur 
Motoren  und  Maschinen  verwenden  lassen,  namentlich  in 
Krafterzeugungswerken  mit  schwankendem  Bedarf,  elek- 
trischen  Zentralen.  In  der  Chlor-  und  Schwefels&ure- 
industrie  wird  der  Linde'sche  Apparat  voraussichtlich  er- 
staunlichen  Umwalzungen  rufen,  fur  technische  Ktihl-  und 
Gefrierzwecke  steht  fliissige  Luft  bereits  in  Verwendung. 
Auf  hygienischem  Gebiet  wurde  sie  zur  Erzeugung  sauer- 


30 


stoffreicher,  angenehm  kiihler  Zimmerluft  vorgeschlagen; 
auch  zu  Desinfektionszwecken  erhoffit  man  von  ihr  gute 
Dienste. 

Linde  selbst  tragt  sich  nicht  mit  ubertriebenen  Hoff- 
nungen  auf  die  Erfolge  seiner  Erfindung,  aber  sicher  ist, 
dass  sie  sich  ein  grosses  und  weites  Feld  in  Industrie 
und  Technik  erobern  wird. 

Mit  pbysikalischen  Eigenschaften  der  Luft,  dem  Blau 
des  Himmels,  machte  uns  Herr  Prof.  Dr.  Mooser  ver- 
traut,  der,  obwohl  ein  allzu  herbes  Geschick  ihm  das 
leibliche  Sehen  versagte,  doch  ein  lebendiges  inneres  Licht- 
leben  fuhrt,  das  ihm  gestattet,  hie  und  da  von  seiner 
Fiille  in  Form  von  wohldurchdachten  Vortragen  auf 
unsere  Qesellschaft  ausstrahlen  zu  lassen. 

Das  jedermann  bekannte  sogenannte  Blau  des  Himmels 
ist  eine  meteorologisch-optische  Erscheinung,  welche  an 
alien  Orten  der  Erde,  wo  der  Himmel  klar  und  wolken- 
frei  ist,  beobachtet  wird.  Am  starksten  ist  die  blaue 
Farbe  des  Himmels  senkrecht  uber  dem  Beobachtungsort, 
in  den  Tropen  ist  es  gesattigter  als  in  hohern  geographischen 
Breiten  und  auf  den  Bergen  dunkler  als  in  der  Ebene. 

Im  Altertum  war  man  der  Meinung,  das  Blau  des 
Himmels  sei  die  Farbe  der  kristallenen  Hohlkugel,  an  der 
die  Fixsterne  befestigt  sein  soil  ten.  Als  man  spater  die 
Rolle,  welche  die  Erde  unter  den  andern  Himmelskorpern 
spielt,  kennen  lernte  und  auch  zur  Erkenntnis  kam,  dass 
der  leere  Himmelsraum  absolut  dunkel,  also  schwarz  sein 
mus8e,  da  verlegte  man  die  Entstehungsursache  der  blauen 
Farbe  des  Himmels  in  die  Lufthulle  der  Erde.  Von  dieser 
Zeit  an  bis  in  die  Neuzeit  bildete  die  Erklarung  der  Ent- 
stehung  des  Blau  des  Himmels  ein  schwieriges  physika- 


31 


lisches  Problem.  Den  verschiedenen  diesbeziiglichen  Er- 
klarungsversuchen  lag  folgende  Idee  zu  Grunde :  die  reine 
Lufb  wurde  als  absolut  farblos  angenommen,  die  unsicht- 
baren  Teilchen  anderer  Stoffe,  namentlich  des  Wasser- 
dampfes,  welche  in  ihr  suspendiert  sind,  sollten  aus  den 
auf  sie  fallenden  weissen  Lichtstrahlen  haupts&chlich  die 
blauen  Strahlen  an  ihrer  Oberflache  reflektieren.  Diese 
Strahlen  sollten  der  Atmosphare  ihre  Farbe  geben.  Es 
gibt  aber  keinen  einwandfreien  Beweis  fur  die  Richtig- 
keit  der  Annahme,  dass  die  der  Luft  beigemengten  Parti- 
kelchen  anderer  Stoffe  hauptsachlich  nur  blaue  Strahlen 
reflektieren. 

Einleuchtender  und  zugleich  ausserordentlich  einfach 
ist  die  neue  Anschauung  iiber  die  Entstehung  des  Blau 
des  Himmels,  wonach  namlich  die  Farbe  des  Himmels 
nichts  anderes  ist,  als  die  Farbe  der  Luft.  Es  ist  experi- 
mentell  festgestellt  worden,  dass  die  Dampfe  von  Fliissig- 
keiten,  welche  keine  chcmischen  Veranderungen  erleiden, 
die  gleiche  Farbe  besitzen  wie  die  Flussigkeiten.  Es 
zeigte  sich  nun,  dass  der  fliissige  Sauerstoff,  der  fast  Vs 
der  Atmosphare  ausmacht,  blau,  der  fliissige  Stickstoff 
(ca.  4/s)  gelblich  und  die  fliissige  Lufb  blaulich  ist,  also 
auch  atmospharische  Luft  eine  blaue  Farbe  haben  muss. 

In  den  letzten  Jahren  sind  in  der  atmospharischen 
Luft  ausser  Sauerstoff  und  Stickstoff  noch  sieben  andere 
Gase,  nftmlich  Xenon,  Argon,  Kohlensaure,  Wasserstoff, 
Neon,  Helium  und  Kripton  aufgefunden  worden,  die  alle, 
mit  Ausnahme  des  Xenons,  leichter  sind  als  Sauerstoff  und 
Stickstoff,  deshalb  in  grosseren  Quantitaten  nur  in  den 
oberen  Partien  der  Atmosphare  vorkommen,  was  durch 
die  spektroskopischen  Beobachtungen  an  Feuerkugeln, 
Sternschnuppen  und  an  Polarlichtern  bewiesen  wird.   Die 


32 


Farben  dieser  Gase  andern  aber  die  Mischfarbe  der  haupt- 
sachlich  aus  Sauerstoff  und  Stickstoff  bestehenden  Luft 
der  untern  Schichten  der  Atmosphere  nicht  so  sehr,  dass 
die  Annahme,  es  sei  die  Mischfarbe  aller  Gase  der  Atmo- 
sphare  blau,  unrichtig  ware. 

Die  Gestirne,  die  wir  durch  das  blaue  Medium  hin- 
durch  betrachten,  mtissten  alle  blau  erscheinen,  wenn  nicht 
das  menschliche  Auge  die  Fahigkeit  hatte,  infolge  der 
Empfindung  einer  Kontrastfarbe  das  physikalisch  erzeugte 
Blau  durch  Ansehung  des  komplementaren  Gelbs  wieder 
auszugleichen. 

Bei  Fohnwetter  erscheinen  die  fernen  Gebirge  blau 
gefarbt,  weil  die  Fohnluft  Ozon  enthalt.  Dieses  Gas,  das 
von  blauer  Farbe  ist,  vermehrt  die  Intensitat  der  Farbe 
der  Luft,  weshalb  man  an  solchen  Fohntagen  die  fern- 
gelegenen  Gegenstande  durch  ein  starker  blau  gefarbtes 
Medium  hindurch  schauen  muss,  als  dies  bei  gewfthnlicher 
Luft  der  Fall  ist. 

Kehren  wir  wieder  zur  Erde  zuriick  und  lassen  wir 
uns  von  Herrn  Professor  Allenspach  iiber  die  Wir- 
kungen  des  fliessenden  Wassers  in  den  Alpen  be- 
richten. 

Als  Einleitung  machen  wir  unter  der  Ftihrung  des  Vor- 
tragenden  eine  Reise  von  St.  Gallen  nach  der  obern  Sand- 
alp  im  Kanton  Glarus,  wobei  wir  auf  die  Spuren,  die  das 
flie8sende  Wasser  iiberall  in  der  Landschaft  zurticklasst,  auf- 
merksam  gemacht  werden.  Da  sind  zuerst  die  steilen,  losen 
Hange  des  Galgentobels,  dann  die  weite,  flache  Rheinebene 
mit  ihren  in  den  See  hinausragenden  Landzungen,  die 
Schuttkegel  an  den  Mundungen  der  Seitentaler  und  Bache 
im  Gebiet  der  Seez  und  des  Walensees,  der  kurze  Escher- 


33 

kanal  mit  ziemlich  starkem  Gefalle,  der  lange  aber  flachere 
Linthkanal,  das  enge,  tief  eingeschnittene  Tal  oberhalb 
Glarus  und  das  von  hohen  steilen  Wanden  abgeschlossene 
scheinbare  Ende  desselben  hinter  Tierfehd.  Doch  auch 
da  geht  es  weiter,  die  Linth  zeigt  uns  den  Weg  und  in 
ihrer  engen,  schmalen  Schlucht  geht  es  aufwarts  zur 
untern  Sandalp.  Hier  fliesst  der  Sandbach  als  stilles,  klares 
Wasserlein  und  seinem  Laufe  folgend  kommen  wir  wieder 
zu  einer  Stelle,  wo  hohe  Felswande  das  Tal  kesselartig 
abschliessen.  In  diesen  Felsen  hat  das  Wasser  sich  noch 
keinen  schluchtartigen  Weg  eingefressen,  es  stiirzt  in  losen 
Wasserfallen  an  ihnen  herunter.  Doch  ein  Weg  fiihrt  auch 
an  diesen  Wanden  hinauf  und  endlich  ist  unser  Ziel,  die 
obere  Sandalp,  erreicht. 

Wir  wenden  uns  nun  zuriick  und  fragen  uns:  Wo 
sind  wir  den  Wirkungen  des  iliessenden  Wassers  auf 
unserer  Beise  begegnet  und  wie  haben  wir  uns  dieselben 
zu  erklaren? 

Vom  Begen,  der  in  der  Ebene  fallt,  wird  ca.  J/s  vom 
Humusboden  aufgesogen,  der  zweite  Drittel  verdunstet 
und  der  dritte  Teil  fliesst  ab.  Anders  ist  es  in  den  Bergen. 
Da  schiitzt  keine  Humusdecke  das  Gestein  vor  den  Ein- 
flxissen  der  Witterung  und  des  Wassers,  letzteres  dringt 
in  alle  Spalten  ein,  gefriert  oft,  sprengt  dadurch  die 
Felsen  und  bewirkt  so  im  Verein  mit  Lufb  und  Pflanzen 
eine  langsame  Verwitterung  des  Gesteins.  Bei  der  Steil- 
heit  der  Hange  ist  die  Menge  des  abfliessenden  Wassers 
eine  viel  grossere  als  in  der  Ebene,  es  besitzt  darum  auch 
mehr  Energie  und  fuhrt  die  Verwitterungsprodukte,  kleine 
Steine,  Geroll  und  Sand,  mit  sich  zu  Tal.  Dieses  Schutt- 
material  wirkt  besonders  weiter  unten,  wo  es  von  einer 
grosseren  Wassermenge  geschoben  wird,   stets  vertiefeud 


34 


und  ausfeilend  auf  das  Bachbett.  Selbst  in  die  hartesteo 
Felsen  schneidet  sich  der  Bach  mit  Hilfe  seines  GerSlls 
im  Laufe  der  Jahrtausende  einen  tiefen  Weg. 

Diese  Wirkung  des  fliessenden  Wassers  nennt  man 
Erosion;  vereint  mit  der  Verwitterung  bewirkt  sie  die 
Denudation,  Abtragung.  Der  Bach  und  sein  Geschiebe 
formen  die  Sohle,  den  Talgrund,  die  Verwitterung  die 
Talw&nde.  Bei  der  Bildung  der  letzteren  ist  die  jeweilige 
Beschaffenheit  und  Harte  des  Gesteins  massgebend,  daher 
die  verschiedenen  Bergformen. 

Oft  begegnet  man  in  den  Alpen  machtigen  Schutt- 
haufen.  Und  doch  ist  in  der  Nahe  kein  grosserer  Bach, 
sondern  nur  ein  kleines  Wasserlein  zu  sehen,  so  dass  es 
fast  unmoglich  erscheint,  dass  all  das  Geschiebe  von  diesem 
zu  Tal  gefordert  worden  sei.  Sahe  man  aber  dieses  so 
unschuldig  scheinende  Bachlein  bei  einem  Hochgewitter 
als  machtig  tosende,  dickschlammige  Wassermasse  den 
Berg  hinunterstiirzen,  so  glaubte  man  gerne  an  ihre  Macht. 
Das  sind  die  Wildbache.  Jeder  Wildbach  besteht  aus  drei 
Teilen:  dem  Sammelgebiet,  dem  Sammelkanal  und  dem 
Ablagerungsgebiet.  Das  Sammelgebiet  ist  meist  eine 
kesselartige  Erweiterung  des  hinteren  Talgrundes,  in 
welcher  eine  grosse  Anzahl  kleiner  Rinnen  einem  Punkte 
zustreben.  Hier  liegt  das  durch  die  Verwitterung  trans- 
portfahige  Material,  das  erste  kommende  Hochwasser 
schwemmt  alle  Triimmer  talwarts.  Ist  das  Ufer  nicht 
harter  Fels,  sondern  erdig,  schiefrig,  so  rutschen  die  Ge- 
hange  nach;  das  nachste  Mai  wird  auch  dieses  Material 
wieder  fortgeschwemmt  und  so  entsteht  nach  und  nach  eine 
tiefe  Schlucht.  Nimmt  die  Boschung  talwarts  dann  all- 
mahlich  ab,  so  wird  die  Energie  des  Baches  hinreichen, 
das  Schuttmaterial  weiter  zu  transportieren,  aber  es  wird 


35 


nicht  mehr  ausfeilend,  vertiefend  auf  das  Bachbett  wirken. 
Nach  and  nach  lagert  sich  das  Geschiebe  doch  ab  und 
je  nachdem  es  grossere  oder  kleinere  Massen  sind,  mass 
der  Bach  seinen  Lauf  andern  und  es  bilden  sich  die 
Serpentdnen.  In  diesem  Stadium  wirkt  der  Wildbach 
durch  Unterwaschen  der  Talwande  und  Nachsturzen  der- 
selben  mehr  talverbreiternd  als  talvertiefend  und  es  ent- 
stehen  jene  Landschaftsbilder,  die  von  den  Alplern  „Bodena 
genannt  werden.  Hort  die  Boschung  aber  plotzlich  auf, 
so  wird  der  Wildbach  all  sein  Geschiebe  an  dieser  Stelle 
ablagern  und  zu  einem  Schuttkegel  anhaufen.  Dieser  muss 
im  Laufe  der  Zeit  an  Grosse  zunehmen  und  das  Bett  des 
Baches  auf  demselben  wird  durch  seine  eigenen  Ab- 
lagerungen  stets  erhoht,  so  dass  er  es  von  Zeit  zu  Zeit 
wechseln  muss.  Nicht  immer  mundet  der  Wildbach  in 
in  ein  Tal;  oft  findet  er  seinen  Abfluss  in  einem  See. 
Statt  des  Schuttkegels  bildet  sich  hier  ein  Delta,  das 
immer  weiter  in  den  See  hinauswachst.  Brienzer-  und 
Thunersee  waren  friiher  zusammenhangend ;  das  sie  heute 
trennende  sogenannte  Bodeli  bildete  sich  aus  den  Deltas 
der  Ltitschine  und  des  Lambachs.  Ebenso  waren  Boden- 
see,  Wallensee  und  Ziirichersee  friiher  zusammenh&ngend, 
sie  wurden  durch  Delta  und  Schuttkegel  von  Linth  und 
Bhein  getrennt.  Wildbache  bilden  eine  stete  Gefahr  fur 
das  unten  liegende  Gelande;  schon  manche  friedliche 
Hutte,  viele  prachtige  Alpen  wurden  unter  ihren  plotzlich 
dahertosenden  Schlamm-  und  Schuttmassen  begraben.  Seit 
langer  Zeit  bemiiht  sich  der  Mensch,  solche  Verheerungen 
zu  verhiiten,  aber  erst  im  letzten  Jahrhundert  fing  man 
an,  das  tJbel  an  der  Wurzel  zu  fassen  und  seither  hat 
man  auch  mehr  Erfolg  in  den  Schutzmassregeln.  Zur 
Befestigung   des  Sammelgebietes   dienen   in   erster  L\n\* 


36 


die  Talsperren.  Da  die  oberen  Partien  des  Schattes  erst 
nach  dem  Wegfuhren  der  untern  zum  Nachrutschen  ge- 
langen,  ist  es  notig,  zuerst  die  untere  Partie  des  Wild- 
baches  zu  befestigen.  Kurz  oberhalb  des  Schuttkegels 
muss  daher  die  erste  Talsperre  aus  guten  Steinen  oder 
starkem  ungeschaltem  Holz  erbaut  werden.  Am  Fusse  der 
Talsperre  muss  nochmals  gut  gepflastert  werden,  urn  das 
Auswaschen  durch  das  herabsturzende  Wasser  zu  ver- 
hindern.  Hinter  der  Talsperre  bildet  sich  zuerst  ein  kleiner 
See,  welcher  nach  und  nach  durch  den  sich  ablagernden 
Schutt  ausgefullt  wird.  1st  die  erste  Talsperre  ausgefullt, 
baut  man  dahinter  eine  zweite  und  dritte,  bis  ringsum 
die  Gehange  zur  Ruhe  gebracht  und  befestigt  sind.  Jetzt 
konnen  sie  auch  mit  Wald  bepflanzt  werden,  der  ihnen 
noch  festeren  Halt  verleiht.  Es  gibt  Wildbache,  die  mit 
60—70  Talsperren  befestigt  wurden.  Wenn  ganze  Ab- 
hange  unsicher  sind  und  zu  rutschen  beginnen,  bedient 
man  sich  mit  Erfolg  der  Faschinen  oder  Flechtz&une, 
welche  dem  Wasser,  nicht  aber  den  Erdmassen  Durch- 
lass  gewahren. 

Kann  das  Ubel  nicht  an  seiner  Wurzel  gefasst  und 
der  Geschiebetransport  verhindert  werden,  so  sieht  man 
sich  nach  unschadlichen  Ablagerungsorten  fur  den  Schutt 
um.  Am  besten  eignen  sich  hiefur  unsere  Alpenseen. 
Durch  gerade  Kanale  wird  das  Gefalle  des  Flusses  und 
seine  Stosskrafb  moglichst  erhoht,  so  dass  er  sein  Geschiebe 
bis  in  den  See  befordern  kann.  Zuweilen  vermag  dann 
der  Fluss  sein  eigenes  Bett  noch  tiefer  einzusagen,  wie 
z.  B.  Rhein  und  Reuss  bei  ihren  Korrektionen. 

Die  Linth  floss  frtiher  in  vielen  Kriimmungen  in  den 
Ziirichersee.  Durch  Geschiebeablagerung  wurde  der  Schutt- 
kegel  zwischen  Netstal  und  Schanis  so  sehr  erhoht,  dass 


37 


der  Abfluss  des  Walensees  gestaut  und  das  Gel&nde  be- 
8t&ndig  iiberschwemmt  wurde.  Der  alte  Linth-Escher 
leitete  sie  nan  durch  den  Escherkanal  in  den  Walensee, 
and  am  ihr  Gef  alle  moglichst  zu  erhdhen,  gelang  es,  den 
Seespiegel  um  3,6  m  zu  senken.  Nun  konnte  die  Linth 
all  ihr  Geschiebe  in  dem  See  ablagern  und  denselben 
nachher  als  klares,  ruhiges  Wasser  verlassen,  um  durch 
den  Linthkanal  den  Zurichersee  zu  erreichen. 

Weitere  Beispiele  von  Wildbachableitungen  bilden 
die  Lutschine  und  Kander  im  Berner  Oberland.  Letztere 
floss  bis  zu  Anfang  des  18.  Jahrhunderts  hinter  der  Mo- 
r&ne,  die  sich  von  Spiez  bis  Allmendingen  hinzieht,  und 
ergoss  sich  erst  4  km  unterhalb  Thun  in  die  Aare.  Durch 
starke  Schuttablagerung  wurde  aber  hier  die  Aare  ge- 
staut, so  dass  sie  das  ganze  Gebiet  bis  nach  Thun  hinauf 
iiberschwemmte.  Nun  grub  man  einen  Stollen  von  900  m 
Lange  und  40  m  Tiefe  durch  die  Morane,  um  die  Kander 
direkt  in  den  Thunersee  abzuleiten.  Durch  das  erzielte 
starke  Gef&lle  erweiterte  und  vertiefte  sie  den  Stollen 
aber  derart,  dass  derselbe  einsturzte  und  jetzt  fliesst  der 
Bach  im  offenen  Einschnitt  in  den  See. 

Durch  genaue  Messungen  und  Untersuchungen  der 
Herren  Prof.  Heim,  Ingenieur  Becker  und  Oberst  Siegfried 
wurde  festgestellt,  dass  die  Reuss  an  ihrer  Miindung  in 
den  Vierwaldstattersee  jahrlich  160  m8  Ger6ll  ablagert  und 
weitere  40,000  m3  Felsmasse  als  Schlamm  in  den  See 
befbrdert.  Was  unten  im  See  zur  Ablagerung  kommt, 
wird  oben  als  Verwitterung  und  Erosion  den  Bergen  ent- 
nommen  und  Prof.  Heim  berechnete,  dass  in  4  Jahren 
und  4  Monaten  das  Gebirge  um  einen  Millimeter  oder 
in  4350  Jahren  um  einen  Meter  abgetragen  wird. 

So  hat  das  fliessende  Wasser  auf  die  Gestaltung  dec 


38 


Erdoberfl&che  einen  machtigen  Einfluss  ausgeiibt;  die 
jetzige  Gestalt  der  Alpen  ist  ein  Produkt  der  Wasser- 
wirkung  in  Verbindung  mit  der  Verwitterung.  Das  Material 
der  Alpen  liegt  in  den  Niederungen,  in  der  Mittelschweiz, 
in  der  Po-Ebene,  in  den  Niederlanden. 

So  lange  Gegens&tze  von  Bergen  und  Niederungen 
bestehen,  so  lange  wird  auch  das  Wasser  dahin  wirkeD, 
diese  Gegensatze  auszugleichen.  Wo  Gegensatze,  da  ist 
Leben.  Tod,  Ruhe  wird  erst  dann  eintreten,  wenn  alle 
Zust&nde  ausgeglichen,  alle  Gegensatze  uberwunden  sind. 

Herr  Professor  Dr.  Heim  aus  Zurich,  der  ge* 
schatzteGelehrte  und  begeisternde  Lehrer  der  akademischen 
Jugend,  erfreute  uns  mit  zwei  Vortragen  iiber  Neu- 
seeland. 

Im  Dezember  1901  weilte  Herr  Professor  Heim  an 
Neuseelands  Gestaden  und  es  war  ein  hoher  Genuss,  einen* 
so  grundlichen  Kenner  jenes  eigenartigen  Eilandes  z\x 
folgen,  unsere  Antipoden  in  ihren  Licht-  und  Schatten- 
seiten  unter  einer  Fulle  neuer  Gesichtspunkte  beleuchtetr 
zu  sehen. 

Neuseelands  Geschichte.  Jahrtausende  lang  lebte 
Neuseeland  in  einem  stillen,  weltabgeschlosseuen  Frieden. 
Seine  Abtrennung  vom  Festlande  muss  schon  sehr  fruh, 
vor  der  Entstehung  der  Saugetiere,  stattgefunden  haben, 
diese  fehlen  daher  durchweg  im  Urwald  jener  Inseln. 
Das  Hauptkontingent  der  Tierwelt  liefert  das  leichtbeweg- 
liche  Volk  der  Vogel.  Aber  auch  diese  machten  eine 
eigentumliche  Entwicklung  durch  und  verlernten,  weil 
vor  Verfolgung  sicher,  zum  Teil  das  Fliegen.  Noch  jetzt 
leben  neben  grossen  straussenartigen  Vogeln  kleinere 
Formen  mit  verkummerten  Flugeln.  Die  erste  Besiedelung 


39 


durch  Menschen  erfolgte  vor  ca.  600  Jahren  durch  etwa 
800  eines  Krieges  wegen  aus  ihrer  Heimat  Hawaiki  ver- 
triebene  Polynesier.  Diese  Maori,  d.  h.  Einheimische,  wie 
sie  sich  kiinftig  nannten,  brachten  Bataten,  den  ozeanischen 
Hand  und  die  ozeanische  Ratte  mit.  Ersterer  blieb  Haus- 
tder,  letztere  verbreitete  sich  rasch  iiber  die  Inseln.  Die 
Hauptnahrung  der  Maori  bestand  in  Bataten,  Farnwurzeln 
und  dem  Fleisch  der  grossen  flugellosen  Vogel,  den  Moas, 
von  denen  es  etwa  20  Arten  gab.  Der  viel  kleinere 
Kiwi,  ein  scheuer  Nachtvogel,  ist  der  einzige  heute  noch 
lebende  Reprasentant  jener  eigenartigen  flugellosen  Vogel- 
gruppe. 

Die  Maori,  ein  intelligentes,  hochbegabtes,  etwas  zur 
Tragheit  geneigtes  Volk,  machten  auf  Neuseeland  eine 
eigentumliche  Entwicklung  durch,  die  diejenige  ihrer 
Stammesgenossen  weit  iibertraf.  Sie  verzierten  ihre  zu 
Dorfern  zusammengebauten  Hiitten  mit  Schnitzereien, 
meist  Darstellungen  ihrer  Hauptlinge.  Die  Lust  an  Ver- 
zierungen  iibertrugen  sie  auch  auf  den  menschlichen 
Korper:  sie  tatowierten  sich  vom  Kopf  bis  zum  Fuss. 
Aus  den  Blattern  des  bis  6  m  hohen  neuseelandischen 
Flachses  (Phormium  tenax)  flochten  sie  Matten  und  Mantel. 
Ihre  Sprache  hat  Ahnlichkeit  mit  der  samoanischen.  Trotz- 
dem  sie  nur  15  Buchstaben  zahlt,  sind  Rede-  und  Dicht- 
kunst,  letztere  namentlich  bei  den  Hauptlingsfrauen,  sehr 
im  Schwange.  Bei  der  fortschreitenden  Dezimierung  der 
Moas  gebrach  es  allmalig  an  Fleisch.  Bataten  und  Farn- 
wurzeln boten  nicht  genugende  Nahrung.  Als  Ersatz 
kamen  vorerst  Hunde  und  Ratten  an  die  Reihe,  hernach 
alles  iiberhaupt  geniessbare  Getier,  Kafer  und  Raupen, 
and  wahrscheinlich  anf  anglich  aus  Wut,  dann  aus  Hunger, 
wurde  Menschenfleisch  gegessen.    Schliesslich  kam  es  zu 


40 


Kriegserkl&rungen  zwischen  den  St&mmen,  nur  um  Fleisch 
zu  gewinnen. 

Ak  vor  nunmehr  260  Jahren  vier  Matrosen  des  Hol- 
landers Tasman  als  erste  Europ&er  den  neuseel&ndischen 
Boden  betraten,  wurden  sie  sofort  getotet  und  aufgefressen. 
Ohne  weitere  Landungsversuche  zu  machen,  verliess  Tas- 
man die  unheimliche  Kiiste,  ihm  aber  verdankt  Neuseeland 
seinen  heutigen  Namen.  Erst  1769  brachte  der  beriihmte 
englische  Seefahrer  Cook  dem  stark  dezimierten  Yolke 
Rettung.  Er  fuhrte  Kartoffeln,  Gemiise  und  eine  kleine 
schwarze  Schweinerasse  ein.  Mit  Hiilfe  der  Schweine, 
die  den  Maoris  als  Haus-  und  Jagdtiere  dienten,  lehrte 
er  sie  Menschenfleisch  entbehren.  Spater  kam  zwar  noch 
inehrfach  Ermordung  von  Europ&ern  vor,  meist  infolge 
eigenen  Verschuldens.  Unsaubere,  lichtscheue  Elemente 
wanderten  nach  den  fernen  Inseln  aus  und  die  erste  euro- 
paische  Ansiedelung  war  eine  wahre  Mordergrube.  Als 
erster  Missionar  fasste  Samuel  Marsden  1814  festen  Fuss 
auf  Neuseeland,  ihm  folgten  die  Wesleyaner,  spater  die 
Romisch-Katholischen.  Mit  der  Zivilisation  kamen  die 
angeborenen  guten  Eigenschaften  der  Maoris  zur  Geltung. 
Wahrend  die  Mission  bei  tiefstehenden  Volkern  vielfach 
den  raschern  Untergang  befordert,  war  bei  den  Maoris 
das  Umgekehrte  der  Fall,  sie  nahmen  an  Zahl  zu.  1820 
bis  1827  aber  entfachte  Hongi,  ein  intelligenter  Haupt- 
ling,  der  England  besucht  und  auf  Neuseeland  Napoleon 
nachahmen  wollte,  mit  einem  Heere  von  3000  Streitern 
einen  langen  blutigen  Krieg,  bei  welchem  wieder  massen- 
haft  Menschenfleisch  gegessen  wurde.  Nach  seinem  Fall 
setzten  die  Missionen  aufs  neue  wieder  ein  und  seit  1843 
ist  kein  Fall  von  Kannibalismus  mehr  vorgekommen.  1840 
entschloss   sich  England,   das  verrufene  Kannibalenland 


41 


unter  seine  Fittiche  zu  nehmen,  durch  einen  von  52  H&upt- 
lingen  unterschriebenen  Vertrag.  Land  durfte  nicht  ge- 
nommen,  nur  gekaufb  werden :  so  hoch  achtete  das  stolze 
England  diese  Eingeborenen.  Streitigkeiten  und  Kriege 
verhinderten  die  Entwicklung  der  neuen  Kolonie,  bis  der 
Gouverneur  Grey  1847 — 63  mit  der  Einfiihrung  der  ersten 
Konstitution  einen  glanzenden  Aufschwung  herbeifdhrte. 
1854  bewirkten  Goldfunde  und  Goldfieber  eine  starke 
Bevolkerungszunahme,  Stadtegriindungen  folgten  rasch 
nacheinander.  Noch  einmal,  von  1860—66,  entbrannte 
ein  Krieg,  in  welchem  erst  die  englischen  Waffen  unter- 
lagen,  urn  dann  endgiiltig  zu  siegen.  Jetzt  war  der  Boden 
fur  friedliche  Kulturarbeit  vorbereitet.  1870  kreierte  Neu- 
seeland  13  Millionen  Schulden  zum  Eisenbahnbau. 

Inzwischen  hatten  wunderbare  stillere  K&mpfe  in 
der  Natur  stattgefunden.  Je  altmodischer  die  Natur  eines 
Landes  ist,  desto  rascher  konnen  sich  neue  Formen  ver- 
breiten,  z.  B.  verdrangte  die  harmlose  europ&ische  Haus- 
fliege  die  unangenehme  neuseel&ndische  Stechfliege.  Klee 
gedieh  wunderbar,  brachte  aber  keine  Samen  bis  zur  Ein- 
fiihrung der  Hummeln,  welche  die  Befruchtung  der  Klee- 
blxiten  bewirken.  Heute  jubiliert  unsere  Feldlerche  in  den 
Liiften.  Amseln,  Finken,  Stare,  letztere  als  Standvogel 
entgegen  ihren  europftischen  Gewohnheiten,  beleben  Busch 
und  Baum.  Die  Wanderratte,  der  gefurchtetste  Kosmopolit, 
hat  die  ozeanische  Ratte  vollig  ausgerottet.  Noch  vor 
20  Jahren  begegnete  der  Reisende  ganzen  Herden  von 
verwilderten  Eindern,  Pferden  und  Schweinen.  Die  von 
englischen  Sportsleuten  ausgesetzten  Kaninchen  sind,  wie 
in  Australien,  zu  einer  wahren  Landplage  geworden,  ob- 
schon  j&hrlich  eine  Million  dieser  Tiere  als  gefrornes 
Fleisch  nach  London  geschickt  wird.    Wenn  in  der  alien 


42 


Welt  eine  Tierart  auf  wenige  100  Stuck  dezimiert  wurde, 
stirbt  sie  an  den  Folgen  der  Inzucht  rasch  a\is.  Hier  ist 
das  gerade  Gegenteil  der  Fall.  Unter  dem  Einfluss  des 
neuen  Landes,  das  noch  keine  fthnlichen  Konkurrenzformen 
aufweist,  ist  eine  rasche  Entwickelung  die  Folge  der  Aus- 
setzung  weniger  Exemplare.  Auch  die  alt-eingebornen 
Tiere  anderten  ihre  Lebensweise.  Ein  Papagei  wird  zum 
Fleischfresser,  schlechte  Flieger  unter  den  Vogeln  lernen 
durch  die  Verfolgung  fliegen.  Trotzdem  die  Jagd  auf  die 
Uberreste  der  urspriinglichen  Fauna  streng  verboten  ist, 
nehmen  ihre  Reprasentanten  rasch  ab.  In  der  Pflanzen- 
welt  treffen  wir  ganz  ahnliche  Erscheinungen.  tJberall 
da,  wo  die  wilden  Schweine  den  Boden  durchwuhlen,  ge- 
deihen  spater  nur  noch  europaische  Pflanzen.  Die  euro- 
p&ische  Heckenrose  ist  neben  Brombeeren  und  Himbeeren 
weit  verbreitet.  Im  neuseelandischen  Klima  gedeihen  euro- 
paische und  amerikanische  Baume  viel  schoner  als  in  ihrer 
Heimat,  offenbar,  weil  der  Boden  durch  diese  Arten 
noch  nicht  ausgesogen  ist.  Kirschen  und  Apfel  reifen 
prachtig,  denn  ihre  Feinde,  die  Raupen  und  Rostpilze, 
sind  nicht  mit  ihnen  herlibergewandert.  Dagegen  gehen 
die  Urw&lder  zuriick  und  die  gewaltige  Kaurifichte,  der 
bedeutendste  Nutzbaum  Neuseelands,  wird  bald  ganz  ver- 
schwinden.  Eine  ungeheure  Reproduktionsfahigkeit  und 
eine  enorme  Anpassung  aller  neuen  Pflanzen  und  Tiere 
kennzeichnet  Neuseeland.  Das  Gleichgewicht  in  dem  alt- 
modischen  Lande  ist  durch weg  gestort,  alles  in  Bewegung 
und  Fluss  und  noch  lange  wird  keine  Ruhe  eintreten. 

Auch  die  Menschen  sind  diesen  Veranderungen  unter- 
worfen.  Die  Eingebornen  waren  vor  der  Ankunft  der  Euro- 
paer  auf  etwa  2—3000  Seelen  zusammengeschmolzen, 
jetzt  leben  ca.  600,000  Menschen  dort,   worunter  44,000 


43 


is.  Es  gibt  keine  Armut  auf  Neuseeland  und  das  Land 
£  20  mal  mehr  Menschen  ern&hren,  wenn  aller  Boden 

gemacht  ware.     Die  Menschen  sehen  gesund  and 

aus,  am  kraftigsten  sind  die  Mischiinge  von  Euro- 
.  und  Maoris.  Einen  Hauptausfuhrartikel  bilden  die 
ie,  wovon  j&hrlich  ca.  3  Millionen  in  gefrornem  Zu- 
e  nach  London  versandt  werden.  Die  Erde  birgt 
Eisen,  aber  hinreichend  Kohle  und  ziemlich  viel  Gold. 
Jonntag  herrscht  vollstandige  Ruhe  wie  in  England. 
i  seit  12  Jahren  haben  die  Prauen  das  voile  Stimm- 

und  sind  in  jede  Behorde  wahlbar.  Schiedsgerichte 
aen,  auf  welche  Arbeitgeber  und  Arbeitnehmer  ver- 
tet  sind.  Kein  Land  hat  so  viele  Zeitungen,  nirgends 
die  Reklame  solche  Bliiten.  In  politischer  und 
5ser  Hinsicht  herrscht  unbedingte  Toleranz  und  das 
je  Volk  betrachtet  sich  als  das  fortgeschrittenste  der 
Leider  fehlen  aber  ideale  Bestrebungen  ganzlich. 
jeland  zeichnet  sich  aus  durch  vollstandige  Sicherheit 
^rson  und  des  Eigentums.  Es  gibt  weder  Bettler, 
Diebe  und  Rauber.  Nachts  bleiben  alle  Tiiren  oflFen 
ler  Postdienst  in  entlegenen  Gegenden  vollzieht  sich 
iderma8sen:  an  der  Hauptstrasse  sind  offene  Kisten 
«tellt,  der  vorbeifahrende  Beamte  wirft  Pakete, 
3  und  Wertsachen  dort  hinein  und  die  verschiedenen 
;saten  suchen  sich  bei  Gelegenheit  die  fur  sie  be- 
lten    Stiicke    heraus.     Kein    Mensch    tragt   Waffen, 

die  Polizei  ist  unbewaffnet.  Sehr  ansprechend  ist 
atiirliche  demokratische  Ton  im  Verkehr,  der  keine 
lesunterschiede  kennt.  Uberall  herrscht  das  Gefuhl 
rleichberechtigung^  die  Hoflichkeitsformen  sind  all- 
in  sehr  einfach.  Weder  Abendwirtshaus  noch  Bier- 
n  gibt  es,   dagegen   spielt  das  Picknick  eine  grosse 


44 


Rolle.  Trotz  dem  lebhaften  Verkehr  ist  Neaseeland  ein 
merkwiirdig  stilles  Land,  man  hort  weder  schimpfen  noch 
singen  und  jauchzen ;  die  Hunde  bellen  nicht,  die  Sohafe 
bldken  nicht,  die  Binder  briillen  nicht.  TTngeheure  Kultur- 
fl&chen  sind  noch  unberiihrt,  und  dennoch  ist  die  Be- 
volkerung  in  der  Abnahme  begriffen.  Ein  grosser  Segen, 
der  unser  Land  erhalt,  ist  Neaseeland  abhanden  gekommen, 
nicht  durch  Zufall,  sondern  absichtlich  auf  dem  Wege 
des  Gesetzes.  Die  jetzigen  Machthaber,  welche  die  freie 
Entwickelung  knechten,  nennen  sich  Sozialisten.  Die 
gesetzliche  Arbeitszeit  betragt  wochentlich  40  Stunden, 
bei  einem  achtstiindigen  Arbeitstag  noch  zwei  freie  Nach- 
mittage  in  der  Woche.  Strenge  Strafen  stehen  auf  der 
Uberschreitung  dieser  Normalarbeitszeit.  Dabei  sind  die 
Lohne  so  hoch  geschraubt,  dass  die  Weiterentwickelung 
der  einst  bliihenden  Industrien  verunm6glicht  wird.  Das 
Land  erzeugt  viel  Leder,  aber  alle  Schuhwaren,  einst 
von  der  einheimischen  Industrie  geliefert,  werden  jetzt 
aus  Amerika  importiert  und  die  betreffenden  Arbeiter 
liessen  sich  als  Soldner  im  siidafrikanischen  Kjrieg  an- 
werben.  Eine  weitere  Urbarisierung  des  Urwaldes  lohnt 
sich  mit  so  teuren  Arbeitskr&ften  nicht  mehr.  Der  Bau 
einer  angefangenen  Verbindungsbahn  der  Kiisten  musste 
aus  Geldmangel  sistiert  werden,  denn  die  Staatsschuld 
betragt  schon  1600  Fr.  per  Kopf  der  Bevolkerung.  In 
der  Meinung,  der  Industrie  aufzuhelfen,  wurden  hohe  Zolle, 
bis  26  °/o  des  Wertes,  geschaffen.  Sport  aller  Art  muss  die 
viele  freie  Zeit  totschlagen  helfen,  besonders  Pferderennen 
werden  eifrig  gepflegt,  fur  Wetten  Unsummen  ausgegeben. 
Noch  vor  20  Jahren  betrug  der  durchschnittliche  Kinder- 
reichtum  einer  Familie  8,  jetzt  noch  2  infolge  der  enormen 
Verteuerung  der  ganzen  Lebenshaltung  und  des  gesetz- 


46 


lichen  Nichtstuns.  In  Neuseeland  wird  von  einer  politischen 
Farteirichtung  ein  kuhnes  Experiment  gemacht,  auf  dessen 
Ausgang  alle  Welt  gespannt  sein  darf.  Die  soziale  Frage 
ist  auch  dort  nicht  gelost,  sie  hat  sich  nor  umgekehrt. 

Anschliessend  an  die  fesselnde,  mit  jugendlicher  Leb- 
haftigkeit  vorgetragene  Darstellung  der  Entwicklung  Neu- 
seelands,  bot  uns  Herr  Prof.  Heim  in  einer  Beihe  von 
Skioptikonbildern  einen  Einblick  in  die  heutige,  hochst 
eigenartige  Natur  der  fernen  Inseln.  Erst  fiihrte  er  uns 
auf  die  vulkanische  Nordinsel  mit  ihren  Schlammkratern 
und  Geysiren,  in  deren  Umgebung  alles  einen  blendend 
weissen  "Oberzug  von  Kieselsaure  tr&gt.  Dann  l&sst  er 
uns  auf  einem  der  urwaldums&umten  Flusse  der  Siidinsel 
eine  Reise  zu  den  machtigen  Seen  und  Bergen  im  Innern 
derselben  antreten.  Und  zu  allem  bot  er  seine  so  an- 
ziehenden,  auf  eigenem  Schauen  gegriindeten  Schilderungen, 
denen  das  Auditorium  mit  atemloser  Spannung  lauschte. 

In  seinem  zweiten  Vortrage  iiber  Neuseelands 
Natur  bertihrte  Herr  Prof.  Heim  zuerst  die  klimatischen 
Verhaltnisse.  Neuseeland  liegt  unter  der  gleichen  geo- 
graphischen  Breite  auf  der  Sudhalbkugel  wie  Italien, 
dessen  ganze  Gestalt  und  Grosse  es  nachahmt,  auf  der 
Nordhalfbe.  Auf  der  siidlichen  Insel  ubersteigt  die  mittlere 
Jahrestemperatur  die  unserige  nur  um  ein  geringes,  auf 
der  ndrdlichen  ist  sie  gleich  derjenigen  Italiens.  Die  Neu- 
seeland umgebenden  machtigen  Ozeane  bedingen  aber 
gegeniiber  unserm  kontinentalen  Klima  eine  viel  gleich- 
m&ssigere  Temperatur.  Fast  stets  wehen  mit  feuchter 
Luft  gesattigte  Nordwestwinde,  die  an  den  Bergen  auf- 
steigend  Wolken  und  Nebelbildung  verursachen,  so  dass 
die  Spitzen  der  Gebirge  nur  selten  sichtbar  sind.     Die 


46 


enormen  Regenmengen  betragen  an  der  Siidspitze  der 
Insel  9  m  pro  Jahr,  wahrend  die  Canterbury  Plain  an 
der  Ostabdachung  des  Gebirges  mit  1  m  unseren  Gegenden 
nahe  kommt.  Auch  auf  der  Nordinsel  ist  die  Westseite 
die  regenreiche,  urwaldbedeckte,  obschon  die  Unterschiede 
geringer  sind,  weil  hier  kein  grosses  Gebirge  die  Insel 
durchstreicht. 

Die  beide  Inseln  trennende  Cook-Strasse  verdankt 
ihre  Entstehung  einem  Bruch  der  Erdrinde  mit  einer  Ver- 
schiebung  von  90  km  gegen  Osten,  geologisch  gesprochen 
einer  horizontalen  Transversalschiebung,  wie  wir  solche 
in  viel  kleinerem  Masstabe  auch  im  Santisgebirge  treffen. 
Diese  Verschiebung  geht  heute  noch  ruckweise  vor  sich, 
und  daher  riihren  die  zahlreichen  Erdbeben  in  der  Urn- 
gebung  der  Cook-Strasse,  deren  eines  im  Jahre  1848  die 
Stadt  Wellington  beinahe  ganzlich  zerstorte. 

Ubergehend  zur  Pflanzenwelt,  schildert  Herr  Prof. 
Heim  die  Neuseeland  eigentumlichen  Vegetationstypen. 
In  den  trockenen  Regionen  am  Ostabfall  des  Gebirges 
trifft  man  an  Stelle  unserer  saftig  griinen  Wiesen  die 
eintonigen,  braungelben  Tussock -Grasflach en,  aus  einer 
buschelformigen  Schilfart  zusammengesetzt.  —  Auf  den 
ausgedehnten  vulkanischen  Tuffebenen  bedeckt  ein  Adler- 
farn  weite  Strecken  als  sogen.  Farnsteppe.  Jeder  Bach 
oder  Sumpf  ist  lauchgriin  umsaumt  von  dem  3 — 4  Meter 
hohen  neuseelandischen  Flachs  (Phormium  tenax).  Auf 
der  Nordinsel  reicht  die  Manuka-Steppe  Tagereisen  weit. 
Zur  Bliitezeit,  im  Dezember,  ist  der  Manuka-Strauch  mit 
kleinen,  weissen  Bliiten  so  dicht  besetzt,  dass  die  Steppe 
wie  mit  frisch  gefallenem  Schee  bedeckt  aussieht.  Die 
neuseelandische  Alpenflora  produziert  neben  wenigen 
gelben  fast  ausschliesslich  weisse  Bliiten.  An  Stelle  unserer 


47 


Alpenrose  tritt  ein  weissbliihender,  strauchiger  Ehrenpreis 
(Veronica).  Hahnenfuss,  Alpenaster,  Enzianen  sind  weiss. 
Hoher  hinauf  nehmen  die  polsterformigen  Pflanzen  zu; 
um  den  scharfen  Winden  zu  trotzen,  schmiegen  sie  sich 
dicht  an  den  Boden  an.  Beiiihmt  ist  das  vegetabilische 
Schaf,  Polster  von  schmutzig  gelber  Farbe  bildend,  die 
aus  der  Feme  liegenden  Schafen  tauschend  ahnlich  sehen. 
Die  Alpenvegetation  kennt  den  herrlichen,  belebenden 
Farbenwechsel  unserer  Alpenflora  nicht ;  sie  ist  eher  einem 
Friedhof  vergleichbar,  mit  den  ausschliesslich  dunkelgrunen 
und  weissen  Farben.  Die  Erklarung  fur  diese  auffallende 
Erscheinung  ist  in  den  klimatischen  Verh&ltnissen  zu 
finden.  Bei  fast  alien  unseren  farbigen  Blumen  wird  die 
Befruchtung  durch  Insekten,  meist  Schmetterlinge  und 
Netzfliigler,  vollzogen,  die  sich  durch  die  lebhaffcen  Farben 
anziehen  lassen.  Die  heftigen,  konstanten  Winde  lassen 
auf  Neuseeland  solche  Insekten  nicht  aufkommen;  Kafer 
und  Fliegen  lieben  aber  weiss  und  gelb;  auch  sind  sehr 
viele  Pflanzen  Windbliitler. 

Alle  die  regenreichen  Gebiete  von  Neuseeland,  die 
ganze  Westseite  des  grossen  Gebirges  und  der  sudliche 
Teil  der  Siidinsel  sind  mit  Urwald  bedeckt.  Zur  Aus- 
rodung  desselben  werden  vielerorts  die  Baume  durch  einen 
tiefen,  rings  um  den  Stamm  gehenden  Schnitt  ins  Cambium 
getotet  und  nach  dem  Verdorren  angeztindet. 

Wenn  Neuseeland  ein  industriefahiges  Land  ware, 
wtirde  es  wohl  eine  bessere  Verwendung  fur  seinen  Holz- 
reichtum  finden  konnen.  Von  der  weihevollen  Stimmung, 
die  einen  im  Urwald  ergreift,  entwirft  der  Vortragende 
eine  lebendige  Schilderung.  Unter  dem  diistern  Blatter- 
dach  der  Baume  ist  es  ganz  stille  und  doch  herrscht  ein 
wunderbares  Leben  und  D  ran  gen,  ein  Kampf  urns  Dasein, 


48 


wo  das  Auge  hinblickt.  Ein  Gewachs  h&ngt  sich  ans 
andere  und  schlingt  sich  urn  das  andere.  Wo  ein  alter 
Stamm  zusammenbricht,  spriesst  sofort  wieder  junges 
Griin  heraus.  Der  wichtigste  Baum  ist  die  kleinbl&ttrige 
Buche,  auch  die  Rimafohre  kommt  haufig  vor.  Fame 
and  Moose  bilden  an  den  Stammen  fussdicke  Polster.  Die 
schflnsten  Formen  sind  die  Baumfarne,  deren  wunderbare, 
facherformige  Kronen  sich  in  leuchtendem  Hellgriin  vom 
dunkeln  Laube  der  iibrigen  Gewachse  abheben.  Die  einzigen 
von  Grtin  ab  weichenden  Farben  vertreten  die  roten  Fuchsien- 
stamme  und  die  hellroten  kugelformigen  Blutenstande  des 
Ratabaumes  (Metrosideros). 

An  der  Westkiiste  steigt  der  Urwald  bis  2000  Meter, 
der  Grenze  des  ewigen  Schnees,  hinan.  Hinwiederum 
gehen  die  Gletscher  zwischen  Gew&chsen,  die  bei  uns  nur 
im  Warmhaus  iiberwintern,  bis  auf  200  Meter  hinab,  dank 
der  massenhafben  Niederschlage  und  dem  Fehlen  von 
tiefen  Temperaturen. 

Im  Bau  des  Untergrundes  sind  die  beiden  Inseln 
vollig  verschieden ;  die  Nordinsel  ist  ein  ganz  vulkanisches 
Gebiet,  wahrend  die  Siidinsel  den  Charakter  eines  Alpen- 
landes  hat.  Auf  der  Nordinsel  erheben  sich  eine  Menge 
vulkanischer  Krater ;  die  Stadt  Auckland  ist  beispielsweise 
von  dreissig  Vulkankesseln  umgeben.  Die  grossten  V ulkane 
finden  sich  im  Innern  der  Insel.  Dort  erheben  sich  siid- 
lich  des  Tauposees  drei  machtige  Vulkanriesen,  in  ihrem 
Auf  bau  dem  Atna  ahnlich :  nordlich  der  Tangariro  (1969  m) 
mit  neun  verschiedenen  Kratern  und  einigen  heissen  Seen, 
sudlich  anschliessend  der  scharf  kegelformige  Ngauruheu 
(2283  m),  noch  weiter  sudlich  das  schneebedeckte  Massiv 
des  Ruapehu  (2707  m),  dessen  Gipfel  aus  einer  ganzen 
Kette  von  Kratern  gebildet  ist.    Zwischen  den  Gletschern, 


49 


3  an  seinen  H&ngen  herabgehen,  liegt  ein  siedender  See. 
1  der  We8tkiiste  steigt  der  Mount  Egmont  direkt  vom 
sere  als  regelmassige  Pyramide  bis  zu  Santishdhe  an. 
■  hatte  noch  1886  eine  sehr  schwere  Eruption.  Die  meisten 
llkane  jedoch  sind  nicht  mehr  als  solche  t&tig,  sondern 

das  Solfatarenstadium  oingetreten.  Tausende  und  aber- 
asende  von  heissen  Quellen  und  Dampfsprudeln,  teils 

den  Kratern,  teils  aus  Erdspalten  zu  Tage  tretend, 
id  fiber  das  Land  zerstreut.  Oft  liegen  100  bis  200 
isammen.  Stellen,  denen  standig  Wasserdampf  ent- 
'dmt,  heissen  „Blasera.  Oft  reissen  solche  Dampfstrahlen 
hlammfetzen  mit  und  haufen  sie  zu  Kegeln  von  3  bis 

m  Hdhe,  Schlammvulkane  genannt,  auf,  in  deren  Mitte 
l  Schlammsee  in  bestandig  brodelnder  Bewegung  ist. 
Baku  und  Sizilien  sind  es  Kohlenwasserstoffgase,  welche 
n  Schlamm  in  Bewegung  versetzen,  hier  ist  es  reiner 
asserdampf.  Recht  unheimlich  sind  Schwefelseen,  grosse 
>cher,  in  deren  Grunde  schwarzes,  saures  Wasser  brodelt 
id  deren  Ufer  mit  Schwefel  und  Kieselsinter  ums&umt 
.  Bei  den  sogen.  „Siedernu  wallt  siedendes  Wasser  mit 
impf  vermischt  hoch  auf,  den  Maoris  zum  Kochen  von 
irtoffeln  und  Fleisch  dienend.  Quellbecken  mit  klarem 
asser,  bei  denen  nur  in  der  Mitte  heisses  Wasser  auf- 
jigt,  benutzen  sie  als  Badeplatze.  Die  schonsten  heissen 
lellen  sind  aber  die  Geysire,  Quellen,  wo  periodisch  in 
wissen  Zeitintervallen  siedend  heisses  Wasser  in  die 
lft  spritzt.   Das  massenhaft  fallende  Regen wasser  sickert 

den  por6sen  vulkanischen  Tuffen  leicht  in  grossere 
efen  ein  und  sammelt  sich  zu  unterirdischen  Becken 
i,  welche  fthnlich  wie  ein  Vulkan  durch  einen  mit  Kiesel- 
mre  ausgepanzerten  Schlot  mit  der  Erdoberflache  in 
erbindung  stehen.    Sobald  das  Wasser  im  Schlot  \ibet- 

4 


60 


hitzt  ist,  verwandelt  sich  beim  geringsten  Anstoss  die 
gesamte  Wassersaule  plotzlich  in  Dampf  und  schiesst  in 
machtigem  Strahl  empor,  die  ganze  Umgebung  mit  blendend 
weissen  Kieselabsatzen  iiberziehend.  Bei  manchen  dieser 
Springquellen  lasst  sich  ein  Ausbruch  durch  Hineinwerfen 
von  Seife  kunstlich  hervorrufen.  Der  Seifenschaum  ver- 
hindert  die  Abkiihlung  von  oben  her  und  die  von  unten 
zustromende  Warme  bewirkt  rasch  die  tJberhitzung,  welche 
zum  Ausbruch  fiihrt. 

Wir  kommen  nun  zur  Siidinsel,  den  neusee- 
landischen  Alpen.  Bei  einer  Durchquerung  derselben 
von  Osten  nach  Westen  kommt  man  zuerst  auf  die  vom 
Meere  sanft  ansteigende  Canterbury  Plain.  Weiter  hinein 
haben  sich  die  Strome  tief  eingeschnitten  und  hohe,  breite 
Terrassen  gebildet.  Westlich  vorriickend,  tiberschreitet 
man  ungeheure  Trummermassen,  nirgends  findet  sich  an- 
stehendes  Gestein.  Die  Vorgebirge  sind  total  eingehiillt 
in  einen  Mantel  ihres  eigenen  Schuttes.  Gehen  wir  durch 
diese  Schuttaler  hinauf,  so  trifft  man  auf  die  alten  End- 
moranen,  die,  wio  bei  uns,  Seen  abschliessen.  Aber  wahrend 
bei  uns  bliihende  Stadte  (Zurich,  Luzern)  auf  den  End- 
moranen  entstanden,  sind  dieselben  in  Neuseeland  mit 
einformig  braunem  Tussockgras  bedeckt.  Weiter  aufwarts, 
die  Deltas  passierend,  steht  man  schon  bei  7 — 800  Meter 
vor  dem  Eise  der  Gletscher,  die  bis  auf  die  Kiestalbodeu 
hinabgehen.  DieZwischenstufe,  dieromantischenSchluchten 
unserer  Gegend,  sind  tief  unter  Schutt  begraben.  In  der 
Gletscherregion  andert  sich  das  Bild :  Die  Gletscher  tragen 
die  Geschiebe  zu  Tale  und  legen  wilde,  kiihne  Felsformen 
bloss,  die  sich  mit  den  Riesen  unserer  Alpen  messen 
konnen.  In  der  Mitte  der  neuseelandischen  Alpenkette 
erhebt  sich  die  herrliche  Form  des  Mount  Cook  zu  3764  m, 


51 


dem  Walliser  Weisshorn  vergleichbar,  der  Mount  Hi- 
dinger  hat  sein  Pendant  im  Breithorn,  der  Mount  Sefton 
mit  steil  ansteigenden  Schichten  im  Finsteraarhorn  oder 
Schreckhorn.  Die  innern  Ketten  sind  unsern  Hochalpen 
ahnlich,  die  auss6rn  von  unsern  Voralpen  ganzlich  ver- 
schieden.  Wir  finden  keinen  Pilatus,  keinen  Rigi,  noch 
viel  weniger  einen  S&ntis.  Die  diesen  entsprechenden 
Berge  sind  zu  Schutthaufen  geworden,  weil  alles  in  der 
Verwitterung  viel  weiter  fortgeschritten  ist ;  denn  die  neu- 
seelandischen  Alpen  haben  sich  viel  friiher  gebildet  als 
unser  Gebirge,  zu  einer  Zeit  schon,  da  die  Kreideformation, 
aus  der  z.  B.  unser  Santismassiv  besteht,  noch  nicht  ent- 
standen  war.     Kreideschichten  gibt  es  dort  also  nicht. 

Die  an  der  Ostkiiste  der  Siidinsel  vorhandenen  Vul- 
kane  waren  ungefahr  zu  gleicher  Zeit  tatig  wie  der 
Hohentwiel  und  seine  Genossen.  Sie  bilden  die  vor- 
geschobenen  Bollwerke  gegen  den  Ansturm  der  branden- 
den  Meereswogen  und  die  durch  sie  gebildeten  Buchten 
sind  die  einzigen  guten  Hafen  an  der  Ostkiiste.  Bevor 
die  neuseelandischen  Alpen  die  Siidspitze  der  Insel  er- 
reichen,  biegen  sie  in  scharfem  Bogen  gegen  Osten  ab. 

Der  siidlichste  und  sudwestliche  Teil  Neu- 
seelands  besteht  aus  einem  Massengebirge  aus  ganz  anderem 
Gestein,  meist  Diorit.  Die  Bergformen  sind  breite,  wellige 
Hochflachen,  dazwischen  eingeschnitten  schmale,  enge 
Taler.  Das  in  das  Meer  eingesunkene  Gebirge  hat  Fjorde 
gebildet,  die  sich  40—60  km  weit  landein warts  erstrecken, 
Im  Gegensatz  zu  Norwegen,  wo  die  Ufer  der  Fjorde  durch 
die  Gletscher  glatt  geschliffen  erscheinen,  ist  hier  der  harte 
Fels  noch  bei  70  °  Boschung  mit  Urwald  bedeckt.  Werden 
die  Baume  zu  gross  und  ihr  Gewicht  zu  schwer,  so  sturzt 
eiu  Teil  des  Urwaldes   in  den  Fjord,  dort  tixc  ^toS&^jb 


52 


Jahrmillionen  Kohle  bildend.  Am  kahlen  Fels  siedeln 
rich  aber  wieder  Flechten  an,  ihnen  folgen  Farrenkr&uter 
und  Baume  und  in  kurzer  Zeit  sind  alle  Spuren  eines 
solchen  Urwald-Bergsturzes  wieder  verschwunden. 

Eine  herrliehe  Erganzung  des  fesselnden  Yortrages 
bildete  wieder  eine  Reihe  farbenprachtiger  Skioptikon- 
bilder.  Dieses  Mai  waren  es  vornehmlich  die  hehre,  wilde 
Natur  der  Fjorde  mit  ihren  machtigen  Wasserfallen  und 
wildgezackten  Bergen  und  die  stolze  Pracht  und  Ftille 
des  Urwaldes,  die  uns  der  Lektor  vor  Augen  filhrte  und 
so  lebendig  schilderte,  dass  man  sich  im  Geiste  fast  selbst 
nach  Neuseeland  versetzt  ffihlte. 

Als  Geologe  im  Dienste  der  koniglich  niederlandischen 
Petroleumgesellschaft  bereiste  der  junge  Forscher  Herr 
Dr.  MaxMuhlberg  aus  Aarau  wahrend  21/*  Jahren  den 
grossten  Teil  des  malayischen  Archipels  und  be- 
richtete  in  einem  sehr  anziehenden  Vortrage  fiber  seine 
Beobachtungen  und  Erfahrungen. 

Herr  Miihlberg  erzahlt  insbesondere  von  den  Inseln, 
auf  welchen  er  petroleum-geologische  Untersuchungen  aus- 
gefiihrt  hat :  von  Sumatra,  Borneo,  Celebes  und  Seran  in 
den  Molukken.  In  Wort  und  Bild  schildert  er  jeweilen 
einige  Eigentumlichkeiten  der  besuchten  Gegenden,  ins- 
besondere die  menschliche  Bevolkerung.  Von  langster 
Dauer  war  sein  Aufenthalt  im  siidostlichen  Sumatra,  in 
dem  von  geschlossenen  Waldern  bewachsenen  Tieflande 
von  Palembang  im  Grenzgebiete  gegen  das  Sultanat 
Djambi.  Als  charakteristische  Erscheinungen  des  Waldes 
sind  zu  nennen:  das  Unterholz,  welches  die  Zwischen- 
raume  zwischen  den  Stammen  erfiillt,  griines  Blatterwerk, 
wenig  Blumen,  kein  Analogon  unserer  Erd-  und  Heidel- 


53 


beeren,  kein  Moosteppich,  dagegen  Lianen  und  die  schlanken 
Stamme  des  Rotang  (Meerrohr),  endlich  Riesenbaume, 
die  liber  den  mittelhohen  Wald  hinausragen.  Die  Stiitz- 
flache  der  letzteren  ist  auf  dem  Untergrunde  vielfach 
bedeutend  vergrossert  durch  basale,  radial  angesetzte 
Planken  oder  seltener  durch  starke  bogenf&rmige  Sttitzen. 

Unter  der  Tierwelt  fallen  zunachst  die  Cikaden  auf, 
von  den  Eingeborenen  Tongaret  oder  Liang-Liang  ge- 
nannt.  Ihr  lautes  Zirpen  erschallt  fast  den  ganzen  Tag 
durch  den  Wald,  gewisse  Tone  und  Rhythmen  setzen  zu 
be8timmter  Stunde  ein.  Am  charakteristischsten  sind  die 
Konzerte  bei  Sonnen-Auf-  und  -Untergang.  Bei  Sonnen- 
untergang  ertont  ein  gellendes  Trompeten,  als  ob  ins  Feuer- 
horn  gestossen  wtirde.  Zur  Nachtzeit  beleuchten  Leucht- 
kafer  die  Ufergebiische.  Elefanten,  Tiger  und  Schlangen 
sind  selten.  Begriisst  der  dortige  AfFe  den  Tag,  so  glaubt 
man,  Buben  zu  horen. 

In  diesen  Waldern  hausen,  allerdings  in  geringer 
Anzahl,  die  kulturlosesten  Menschen  ganz  Sumatras,  die 
sogenannten  Kustu.  Sie  gehoren  zur  malayischen  Rasse. 
Im  typischen  Falle  sind  sie  Sammelnomaden,  ohne  feste 
Wohnsitze,  die  sich  hauptsachlich  von  wilden  Tieren 
nahren.  Zu  diesen  zahlen  Hirsche,  Wildschweine,  Affen, 
Argusfasane,  Tauben,  Schlangen,  Fische,  Cikaden  etc. 
Pflanzliche  Nahrungsmittel  liefert  der  Wald  nur  wenige. 
Die  Bekleidung  besteht  in  einem  Lendenschurz  aus  Baum- 
rinde.  Es  sind  scheue  Leute,  die  den  Tauschhandel  nicht 
offen  treiben.  Palembanger  Handler  tauschen  Kapmesser, 
Lanzenspitzen  etc.  gegen  Harze,  Wachs,  Guttapercha  ein. 
Der  Vortragende  ist  mit  etwas  Kultivierteren  zusammen- 
gekommen.  Diese  bauen  fur  langere  Zeit  bleibende 
Wohnungen,  pflanzen  Reis,  Pisang  u.  a.    Wo  sie  k&x&^st 


64 


mit  Malayen  in  Beruhrung  sind,  haben  sie  den  Islam 
angenommen.  Sie  sind  von  sanfter  Gemutsart,  natiirlich, 
still  und  besonnen.  Ehen  werden  leicht  geschlossen  und 
leicht  gelost.  Kultivierter  sind  die  Bataks  von  Mittel- 
Sumatra. 

Palembang,  die  Hauptstadt  der  gleichnamigen  Re- 
sidenz,  welche  uns  in  Bildern  vorgefuhrt  wurde,  ist  zu 
beiden  Seiten  des  Musi-Stromes  angelegt.  Die  Hauser 
liegen  entweder  auf  Flossen,  welche  den  Bewegungen  der 
Ebbe  und  Flut  folgen,  oder  sie  stehen  auf  Pfahlen.  Die 
50,000  Einwohner  zahlende  Stadt  ist  ein  bedeutender 
Handelsplatz.  Malayen,  Chinesen,  Araber  und  Europaer 
teilen  sich  in  den  Ein-  und  Ausfuhrhandel,  welcher  Meer- 
rohr,  Kautschuk,  Guttapercha,  Pfeffer,  Baumwolle,  Harze  etc. 
umfasst. 

Im  August  1901  besuchte  der  Vortragende  das  auf 
der  Ostseite  der  Insel  Borneo  gelegene  Sultanat  Kutei. 
Auch  hier  ist  das  Land  von  ungemein  iippigem,  ununter- 
brochenem  Walde  bewachsen.  Die  urspriinglichen  Be- 
wohner  sind  die  durch  die  Sitte  der  Kopfrauberei  be- 
ruchtigten  Dajaks.  Bei  festlichen  Anlassen,  z.  B.  bei  Be- 
grabnissen  hochstehender  Personlichkeiten,  gehoren  frisch 
geraubte  Menschenkopfe  zu  den  Requisiten.  Sie  werden 
bei  benachbarten  Stammen  geholt.  Die  Rauber  erlegen 
ihre  Opfer  aus  einem  Hinterhalte  mit  Blasrohr  und  ver- 
giftetem  Pfeil.  Die  Dajaks  im  Kustenlande  von  Kutei 
scheinen  diese  Gebrauche  wenig  oder  gar  nicht  mehr  zu 
iiben,  wohl  aber  haben  sie  sich  etwa  der  Angriffe  schlimmer 
Nachbaren  zu  erwehren.  Heute  sind  die  Dajaks  nicht 
mehr  die  Herren  des  Landes.  Am  Unterlaufe  des  grossen 
Mahakam  haben  typische  Malayen  die  Gewalt  an  sich 
gerissen.    Der  Sultan  ist  ein  mit  javanischem  Blute  ver- 


56 


mischter  Malaye.  —  In  grosser  Zahl  sind  die  Buginesen 
von  der  gegenuberliegenden  Kliste  von  Celebes  heruber- 
gekommen  und  haben  die  Dajaks  stromaufw&rts  und  in 
die  Walder  abseits  von  den  grossen  Fltissen  gedrangt. 
In  Sumarinda,  der  Hauptstadt  des  Sultanats,  das  jetzt 
ein  holl&ndischer  Vasallenstaat  mit  ziemlich  geordneten 
Verhaltnissen  ist,  haben  die  gleichen  Volker  wie  in  Pa- 
lembang  den  Handel  iibernommen. 

Merkwtirdig  ist  die  grosse  Tiefe  des  Mahakam.  Die- 
selbe  geht  bis  180  Meter  unter  das  Meeresniveau  und  ist 
eine  Folge  des  Einsinkens  des  Landes  nach  der  Erosion  der 
Taler.  Aus  diesem  und  aus  anderen  Griinden  muss  auf  eine 
grossere  Ausdehnung  des  Landes  nach  der  Seite  von  Celebes 
hin  in  geologisch  vergangener  Zeit  geschlossen  werden. 

Die  Westkuste  von  Celebes  ist  in  eine  Reihe  kleiner 
Furstentiimer  aufgeteilt.  Der  Charakter  der  Bevolkerung 
fallt  unangenehm  auf.  Sie  ist  keineswegs  unintelligent, 
aber  roh  und  unhof  lich.  Speziell  die  Anwohner  des  Meeres 
zeichnen  sich  durch  Verwegenheit,  oft  auch  durch  eine 
gewisse  Dummfeigheit  aus.  Kleine  Kriege  unter  den 
Furstentumern  sind  nicht  selten,  wobei  es  hauptsachlich 
auf  das  Sklavenmachen  abgesehen  ist.  Die  friiher  haufig 
vorgekommenen  Seeraubereien  haben  unter  dem  Einfluss 
der  Regierung  stark  abgenommen.  Wahrend  die  Handels- 
leute  stattliehe  Bretterhauser  besitzen,  wohnt  die  lediglich 
reisbauende  Bevolkerung  in  armseligen  Hiitten. 

Von  Celebes  ging  die  Beise  ostwarts  nach  den  Mo- 
lukken.  Die  Insel  Amboina,  friiher  reich  und  beriihmt 
als  das  Zentrum  des  Gewiirznelkenhandels,  iibt  auf  den 
Naturbeobachter  eine  lebhafte  Anziehungskraft  aus  durch 
die  Korallen  in  der  schonen  Bucht,  an  welcher  die  gleich- 
namige  Stadt  liegt.    Ein  Korallenriff  sieht  sich  an  w\a  fcva. 


66 


unter8eei8cher  Garten.  Zwischen  den  Stooken  and  den 
Strauckern  gleiten  bunte  Fische  datiin,  welche  sozusagen 
die  Vogel  und  Schmetterlinge  des  Landes  vertreten.  Ein 
grosser  Reiz  liegt  in  der  lautlosen  Stille  dieser  Welt. 

Die  Insel  ist  auch  bemerkenswert  durch  abgestorbene 
Riffe.  Bis  zu  480  m  iiber  Meer  liegt  eine  Binde  von 
Korallenkalk  iiber  den  eigentlichen  Gebirgsmassen.  Dieser 
Uberzug  lasst  erkennen,  dass  die  Insel  einst  480  Meter 
tiefer  (also  unter  Wasser)  lag  als  heute.  Man  hat  daraus 
auf  eine  Hebung  gescklossen,  doch  ist  die  Ursache  mit 
grosserer  Wahrscheinlichkeit  mindestens  teilweise  in  einer 
Vertiefung  von  Meeresbecken  und  daraus  folgendem  Sinken 
des  Meeresniveau  zu  suchen. 

Im  Nordosten  der  Insel  Seran  werden  wir  mit  den 
Papua  bekannt,  die  vom  nahen  Neu-Guinea  teils  frei- 
willig,  teils  als  Sklaven  herubergekommen  sind  und  sich 
mit  malayischen  Elementen  vermischt  haben.  Die  Papua, 
auffallend  durch  den  machtigen,  krausen  Haarwuchs.  die 
dunkle  Hautfarbe  und  die  grobe  Gesichtsbildung,  unter- 
scheiden  sich  von  den  verschlossenen,  apathisch  reservierten 
Malayen  durch  ihr  lebhafteres,  offenes  und  heiteres  Naturell. 
Die  Leute  leben  von  der  Sagopalme,  ferner  von  Pischen 
an  der  Kiiste,  von  getrocknetem  Hirschfleisch  im  Innern 
des  Landes  und  wohnen  in  Pfahlbauten.  Die  binnen- 
landische  Bevolkerung  ist  schwachlicher  als  die  an  der  Kiiste, 
aber  von  friediichem,  ausserst  sanftem  Charakter.  Energie 
und  Unternehmungslust  fehlen  ihnen.  Diese  Menschen 
sind  offenbar  in  Degeneration,  im  Aussterben  begriffen. 
Die  Zahl  der  Frauen  kommt  derjenigen  der  Manner  kaum 
oder  zur  Not  gleich,  und  manche  Ehen  sind  kinderlos. 
Bei  den  vorgeschrittenen  Volkern  ist  als  Kleidung  der 
Sarong  allgemein  verbreitet.    Dazu  tragen  sie  einen  Gurt 


57 


mit  Metallschiialle.  Hohe  Personen  kleiden  sich  nach  euro- 
paischem  Yorbilde.  Ubrigens  ist  die  Mannigfaltigkeit  der 
Typen  und  des  Gesichtsausdruckes  so  gross  wie  bei  uns 
Europaern. 

DieTierwelt  Sumatras,  insbesondere  Jagd 
und  Fang  des  Tigers,  behandelte  in  lebensvoller 
Schilderung  Herr  R.  Henne-am  Rhyn  jun.,  fussend 
auf  eigenen,  wahrend  eines  funfzehnjahrigen  Aufenthaltes 
in  Sumatra  gemachten  Erlebnissen. 

Aus  der  allgeraeinen  Ubersicht  iiber  die  gesamte 
Fauna  Sumatras  seien  nur  die  Haupttypen  und  die  iiber- 
haupt  nur  dort  vorkommenden  Arten  erwahnt.  Das  grosste 
Rau b tier  nachst  dem  Tiger  ist  der  Sundapanther  (in 
Europa  meist  nur  in  der  schwarzen  Varietat  bekannt), 
dessen  Fell  aber  normal  eine  gelbrotliche  Farbe  mit  braunen 
Flecken  hat.  Er  sowohl  als  der  luchsahnliche  Nebel- 
parder  fuhren  ein  fast  ausschliessliches  Baumleben  und 
sind  durch  ihre  Farbung,  welche  durchaus  mit  der  Urn- 
gebung  ubereinstimmt,  im  Stande,  sich  ungeiibten  Augen 
durch  geschicktes  Anschmiegen  unsichtbar  zu  machen. 
Neben  kleinen  Katzenarten  bedrohen  verschiedene  Man- 
gusten,  die  Zibethkatze  und  der  Mussang  (Palmen- 
roller)  die  Gefliigelhofe  der  Einwohner.  Als  Hauskatze 
wird  die  Stummelschwanzkatze  gehalten.  Der 
zahmbare  Untarong  verbindet  mit  dem  ausseren  Habitus 
der  Katzen  den  Sohlengangertritt  des  Baren.  Als  possier- 
licher  Geselle  prasentiert  sich  der  malayische  Bar  von 
der  Grosse  eines  starken  Hundes.  Der  Adschag,  ein 
schakalahnlicher  Windhund,  stellt  in  grossen  Meuten  be- 
sonders  dem  Rotwild  nach,  wahrend  sein  ihm  ahnlicher 
zahmer  Vetter,  der  malayische  Pariahund,  als  wachsauvfe? 


Haushund  Verwendung  findet.  Seines  abscheulichen  Ge- 
raches  wegen  wird  der  Stinkdaohs  von  jeglichem  Ge- 
schopf,  selbst  dem  Tiger,  gemieden  Rudel  ungezahlter 
Wildschweine,  Stachelschwein,  Mahnenhirsch  und 
Muntschak,  eine  antilopenartige,  unserm  Reh  ent- 
sprechende  zierliche  Rotwildart,  teilen  sich  in  die  Ver- 
wtistung  der  Ernte  der  Eingeborenen  und  werden  dabei 
nur  von  den  grosseren  katzenartigen  Raubtieren,  Tiger 
und  Panther,  einigermassen  in  Schach  gehalten.  Die 
personifizierte  Angstlichkeit  ist  das  oft  auch  zahm  ge- 
haltene  niedliche  Zwerg-Moschustier.  Im  indischen 
zahmen  Buff  el,  sowie  dem  bengalischen,  dort  impor- 
tierten  Buckeiochsen  treten  uns  die  wichtigsten  Haus- 
tiere  der  Javanen  und  Malayen  entgegen.  Ersterer  zeigt 
gegen  Europaer  eine  starke  Abneigung  und  wird  von  den 
Javanen  bei  ihren  Tierkampfen  mit  Erfolg  dem  Tiger 
gegenubergestellt,  um  damit  den  Kampf  der  tieferstehen- 
den  Rasse  als  der  eigentlich  starkeren  mit  der  hdher 
stehenden  intelligentern,  aber  in  Wahrheit  schwachern  zu 
versinnbildlichen.  Das  Wildrind  Sumatras,  der  Banteng, 
ist  sehr  selten  geworden  und  wie  der  indische  Elefant  in 
die  unwirtlichen  Teile  des  Landes  zuruckgedrangt.  Das- 
selbe  Schicksal  teilen  das  jahzornige  N  as  horn  und  der 
noch  scheuere  Tapir.  In  dem  Batak-  oder  Deli- 
Pony  fuhrte  uns  der  Referent  ein  ausserordentlich  sym- 
pathisches  und  leistungsfahiges  Nutztier  vor,  ohne  welches 
der  Verkehr  in  grossen  Teilen  jener  Insel  fast  unmoglich 
ware. 

Zu  der  grossen  Familie  der  Aifen  iibergehend,  horten 
wir  von  den  Konzerten  der  Briillaffen  (Gibbons),  von 
den  wiisten  Streitereien  und  den  frechen  Beuteziigen  der 
Makaken    und    Schweinsaffen,    von    der    schamlosen 


69 


versckamtkeit  der  Paviane.  Ein  wurdevolles  Gegen- 
ck  zu  diesem  Pobel  unter  den  Affen  bildet  der  Orang- 
ang.  Der  Vortragende  besass  selbst  einen  solchen  und 
ilderte  ihn  als  ankanglickes  und  zutrauliches  Tier.  Von 
1  Halbaffen  ist  besonders  zu  erwaknen  der  gespenstische 
>boldmaki,  der  von  den  Malay  en  direkt  als  Gespenst 
jeseken  wird  und  um  den  der  Aberglaube  eine  ganze 
gende  hat  entstehen  lassen.  Neben  den  Fledermausen 
t  dem  „Fliegenden  Hund"  als  grosstem  Vertreter  be- 
st Sumatra  die  eigenartigen  Fiugkorncken,  die  eine 
ischen  Vorder-  und  Hintergliedmassen  ausgespannte 
lghaut  bei  ihren  Spriingen  von  Baum  zu  Baum  als 
llschirm  benutzen  konnen.  Unser  Eichhorn  ist  ver- 
ten  durch  den  Tupei,  ein  niedliches  lebhaftes  Spitz- 
mcken  in  zwei  der  Form  nach  gleicken,  der  Farbe 
3h  aber  g&nzlicli  verschiedenen  Arten. 

Von  den  sehr  zahlreichen  Reptilien  seien  erwahnt: 
3  grosseLeistenkrokodil,  der  gefiirchtetste  Menschen- 
iber  der  Sundainseln ;  der  Bindenwaran,  eine  riesige 
lechsenart,  zugleich  berucktigter  Gefltigeldieb;  der  die 
.user  bewobnende  insektenkaschende  Gekko;  der  farben- 
limmernde  Flugdracbe  und  der  Flugfrosck  rait 
jserordentlich  entwickelten  Zeken  und  Schwimmkauten, 
i  er  als  Fallsckirm  gebraucbt.  Unter  den  Scklangen 
jen  besonders  kervor  die  Ular  Sawak,  die  Riesen- 
ilange  Sumatras,  ein  Tier,  das  die  respektable  Lange 
q  10  m  erreickt,  und  unter  den  Giftscklangen  die 
•illenscklange,  bei  deren  Biss  der  Alkokol  als  wirk- 
cnstes  Gegengift  Verwendung  findet.  Aus  der  Gruppe 
r  Gliedertiere  ist  neben  Skorpionen  und  Tausend- 
Lsslern  der  Pkospkorwurm  kervorzukeben,  der  in  die 
&user  dringt   und    dem  Menscken   in  Okren   und  "N*»s> 


60 

kriechen  soil.  tJber  die  reichhaltige  Vogelwelt  Sumatra* 
hat  sich  der  Vortragende  schon  an  anderer  Stelle  ver- 
breitet;  er  erwahnt  als  typischen  Vertreter  die  Nashorn- 
vogel,  den  Argusfasan  und  den  unserer  Elster  nahe- 
stehenden  sprachgewandten  indisohen  Spottvogel.  Von 
Insekten  interessieren  besonders  die  durch  Farbenpracht 
ausgezeichneten  Schmetterlinge  Atlas  und  Ailanthus- 
Spinner,  der  Herkuleskafer  und  die  Gespenst- 
heuschrecke  und  als  Vertreter  der  Schutzfarben  (Mi- 
mikry)  das  „lebende  Blattu. 

Im  zweiten  Teil  des  Vortrages  behandelte  Herr  Henne- 
am  Rhyn  den  Tiger  im  speziellen.  Die  grossen  wild- 
lebenden  Pflanzenfresser  haben  sich  gewdhnt,  bei  der 
Nahrungssuche  den  Pflanzungen  der  Eingeborenen  nach- 
zugehen  und  diese  zu  brandschatzen.  Naturgemass  ziehen 
sie  auch  ihren  Verfolger,  den  Tiger,  nach  sich,  welcher 
deshalb  im  Urwald  sozusagen  nicht  mehr  gefunden  wird. 
Fehlt  das  Wild  in  seinem  Reviere,  so  wird  er  zum  Vieh- 
rauber.  Der  Vortragende  wendet  sich  gegen  die  land- 
laufige  Ansicht,  dass  dem  Tiger  der  Menschenraub  an- 
geboren  sei,  vielmehr  werde  dieser  zum  Menschenfresser 
infolge  von  Mangel  an  Wild,  durch  Zufall  in  vermeint- 
licher  Notwehr,  aas  Schreck  bei  plotzlicher  Begegnung, 
durch  Alter  und  Invaliditat,  welche  ihn  zur  Jagd  auf 
wehrhaftes  und  leichtfiissiges  Wild  unfahig  machen.  Zum 
forfcgesetzten  Menschenrauber  wird  der  Tiger  erst  durch 
die  Erfahrung,  dass  der  Mensch  die  am  leichtesten  zu 
bewaltigende  Beute  sei.  Die  Hindu-Religion  leistete  der 
Vermehrung  der  Tiger  bedeutenden  Vorschub,  da  sie  das 
Schlachten  der  Rinder  verbietet ;  umgekehrt  wurde  durch 
die  einwandernden,  Fleisch  geniessenden  Mohammedaner 
(Malayen)  den  Tigern  die  gewohnliche  Nahrung  entzogen 


61 


diese  gezwungen,  sich  an  Menschen  zu  vergreifen. 
gehend  schildert  der  Referent  die  Gefahren  und  Mtih- 

der  Tigerjagd  an  selbsterlebten  Beispielen ;  die  Treib- 
len  der  Eingeborenen,  die  sich  auch  diesem  gefahr- 
en Feinde  gegeniiber  lieber  der  gewohnten  Lanze  statt 

fremdlandischen  Btichse  bedienen.  Sehr  haufig  an- 
randt  ist  der  Fang  mit  Fallen,  sei  es  mit  in  Europa 
efertigten  eisernen  Kafigen,  die  auch  zum  Versand 
utzt  werden  konnen,  sei  es  durch  von  den  Malayen 
Orte  des  letzten  tJberfalles  errichtete  Holzfallen  aus 
lisaden.     Nur  wenn   ein   dem  Tiger   abgejagter  oder 

ihm  verlassener  Ktfder  zur  Verfugung  steht,  ist  Aus- 
t  vorhanden,  den  Ubeltater  zu  erwischen.  Aufweitere 
gweisen  des  Tigers,  die  Feinde  desselben  im  Tierreich 

die  Tierkampfe  der  Javanen  konnte  der  vorgeriickten 
.  wegen  nicht  mehr  eingetreten  werden. 

Unser  Ehrenmitglied,  Heir  Dr.  med.  A.  Girtanner, 
nte  anlasslich  seiner  Studie  uber  eine  zerstSrteKo- 
ie  des  Alpenseglers  (Apus  melba)  auf  einen  ahn- 
3n  Vortrag  zuriickblicken,  den  er  im  Jahre  1868  ge- 
en  hatte.  Wir  dtirfen  bei  dieser  Gelegenheit  wohl 
in  erinnern,  wie  viel  wissenschaftliche  Belehrung  und 
raftige  Forderung  unserem  Gesellschaftsleben  w&hrend 
er  nahezu  vierzigjahrigen  Mitglie'dschaft  durch  ihn 
jbH  wurde. 

Der  jetzige  Vortrag  gait  der  „Munsterspyrena-Kolonie 
dem  Turme  des  Berner  Miinsters.  Vor  1893  konnte 
i  jedes  Jahr  zwischen  Anfang  April  und  Oktober  bald 
l  in  den  Luften,  bald  durch  die  Gassen  der  Stadt  und 
Aare  entlang  die  dem  Insektenfang  obliegenden  flinken 
ger  beobachten,  deren  Brutstatten  sich  in  dem  Balken- 


62 


werk  des  Turmes  befanden.  Da  brach  iiber  diese  traute 
Vogelsiedelung  ein  dunkles  Verhangnis  herein.  Mit  dem 
Auf-  und  Ausbau  des  Munsterturmes  erschwerten  sich 
wahrend  der  Bauzeit  die  Ansiedelungsverhaltnisse  UDd 
als  das  Balkenwerk  des  Daches  in  Tnimmer  ging,  ent- 
flohen  die  letzten  Kolonisten.  Wohl  zahlte  man  im  Jahre 
1901  noch  zwanzig  bleibende,  aber  nicht  am  Turme 
nistende  Paare,  allein  im  folgenden  Jahre  erschienen  nur 
noch  sechs  und  diese  werden  wohl  bald  auch  noch  aus- 
bleiben,  wenn  am  Miinsterturme  nicht  fur  Brutstatten 
gesorgt  wird. 

Uber  das  Leben  dieses  interessanten  Alpenbewohners, 
der  sonst  hoch  an  den  Felsen  oben  sein  Nest  anlegt,  hat 
Dr.  L.  Zehnter  an  Hand  der  Berner  Kolonie  eingehende 
Beobachtungen  gemacht.  Die  Ankunft  des  Vogels  fallt 
auf  Ende  Marz  oder  Anfang  April  und  zwar  erscheinen 
zuerst  nur  einige  Vorposten,  um  die  alte  Heimat  zu  in- 
spizieren.  Bald  ziehen  sie  wieder  ab,  um  nach  einigen 
Tagen  in  grosserer  Zahl  wieder  zuriickzukehren.  Von 
Tag  zu  Tag  vergrossert  sich  die  Gesellschaft.  So  zahlte 
man  1889  zu  Anfang  April  200  Stuck.  Die  Alpensegler 
langen  wohlgenahrt  an,  was  ihnen  sehr  zu  statten  kommt, 
da  ihnen  bei  uns  der  Tisch  im  oft  kalten  April  nur 
sparlich  mit  Insekten  gedeckt  ist.  Bei  schonem  Wetter 
verlassen  sie  mit  dem  Morgengrauen  ihre  Ruhestatte,  um 
nun  bis  zum  Mittag  ununterbrochen  nach  Insekten  zu 
jagen.  Dann  tritt  bis  5  oder  6  Uhr  eine  Pause  ein, 
worauf  der  Flug  von  neuem  beginnt  und  bis  zum  Ein- 
bruch  der  Nacht  dauert. 

Nie  lasst  sich  der  Alpensegler  auf  die  Erde  nieder.  Ge- 
schieht  dies  einmal  unfreiwillig,  so  kann  er  sich  nicht  mehr 
erheben.     Was  er  zu  seinem  Nestbau  braucht,  muss  er? 


63 


abgesehen  von  seinen  eigenen  Federn,  in  der  Luft  suchen. 
Fliegend  erhascht  er,  was  der  Wind  an  Strohhalmen, 
Haaren,  Federn,  Laub  etc.  von  der  Erde  aufwirbelt.  Alle 
diese  Materialien  werden  durch  einen  gummiartigen  Speichel 
miteinander  verklebt.  Die  Ne9ter  verraten  wenig  Kunst- 
sinn.  Sie  sind,  wenn  Raum  genug  vorhanden  ist,  in 
runder  Form  angelegt  und  zeigen  bei  einer  Breite  von 
12  cm  nur  3  cm  Tiefe.  Vor  dem  Herausfallen  schiitzen 
sich  die  Jungen  dadurch,  dass  sie  sich  fest  ans  Nest  an- 
klammern. 

Mitte  Mai  beginnt  die  Paarungszeit,  die  von  Zank 
und  wiistem  Geschrei  begleitet  ist.  Das  Gelege  weist 
zwei,  nur  in  seltenen  Fallen  drei  spitzovale  Eier  auf. 
Nach  18 — 21  Tagen  schlupfen  die  Jungen  aus,  welche 
anfangs  nackt  und  blind  sind.  Infolge  des  reichlichen 
Futters  wachsen  sie  rasch.  Bei  schonem  Wetter  bringen 
die  Alten  einen  kaum  nussgrossen  Ballen  von  zusammen- 
geklebten  Insekten,  die  sie  ihren  zehn-  und  vierzehntagigen 
Jungen  ganz  in  den  Rachen  entleeren.  In  einem  solchen 
Knauel  fand  Dr.  Zehnter  einmal  156,  ein  andermal  sogar 
200  Stuck  Insekten  der  verschiedensten  Arten.  Im  Sep- 
tember, wenn  die  Brut  flugge  geworden,  unternehmen 
die  Alten  grosse  Ausfluge  mit  ihr,  um  sie  fiir  den  bevor- 
stehenden  Flug  nach  dem  Siiden,  der  gewohnlich  in  der 
ersten  Oktoberwoche  stattiindet,  zu  trainieren. 

Herr  Dr.  Girtanner  glaubt,  es  liesse  sich  ein  Teil  der 
alten  Kolonie  nach  Bern  zuriickgewinnen,  wenn  im  Innern 
des  Helms  Balkenkopfe,  Bretterunterlagen,  Starenkastchen 
und  dergl.  angebracht  wiirden,  da  dem  Alpensegler  nun 
einmal  Lage,  Luft,  Kiima  und  Nahrung  in  jener  Gegend 
zu  behagen  scheinen.  Auch  an  anderen,  ahnlich  gelegenen 
Orten,    wo   der  Mauersegler   nistet,    konnten  durch   An- 


64 


bringung  von  Starenkasten  mit  grossem  Flugloch  und 
Austausch  der  Mauersegler-  gegen  Alpenseglergelege  An- 
siedlungsversuche  gemacht  werden.  Diese  miissten  aber 
in  der  gleichen  Gegend  gleichzeitig  in  mehreren  Kasten 
oder  sonstigen  Niststatten  vorgenommen  werden.  Da  wir 
heute  in  verschiedenen  Ortschaften  der  Schweiz  kleinere 
Alpenseglerkolonien  antreffen,  so  liessen  sich  die  zum 
Umtau8ch  notigen  Eier  wohl  besohaffen. 

Je  mehr  die  freie  Vogelwelt  den  Sonderinteressen 
des  Bauers,  Forsters,  Fischers,  Jagers,  Handlers  etc.  zum 
Opfer  fallt,  je  mehr  die  Landbevolkerung  ihre  kulturellen 
Bestrebungen  ausdehnt  und  der  Vogelwelt  ihre  Existenz- 
bedingungen  gefahrdet  oder  vernichtet,  desto  mehr  muss 
es  dem  Vogelfreund  daran  liegen,  durch  kunstliche  An- 
siedelungen  das  ganzliche  Verschwinden  mancher  Tier- 
arten  aus  der  Fauna  der  Gegenwart  wenigstens  hinaus- 
zuschieben. 

Eine  Chronik  der  Munsterturm-Kolonie  schloss  den 
interessanten  Vortrag  ab. 

Vom  gleichen  Autor,  dem  vortreff lichen  Kenner  und 
feinen  Beobachter  unserer  einheimischen  Vogelwelt,  sei 
hier  eine  anziehende  Plauderei  iiber  den  Haussperling 
angeschlossen. 

Wenn  auch  im  allgemeinen  derjenige,  welcher  fur 
den  Haussperling  plaid iert,  wenig  Dank  zu  gewartigen 
hat,  so  sind  doch  die  Ansichten,  ob  Nutzen  oder  Schaden 
uberwiegt,  sehr  geteilt  und  gerade  der  aufmerksame  Be- 
obachter schatzt  im  verachteten  Spatzen,  dem  geachteten 
Strassenrauber  unter  den  Vogeln,  die  treue  Anhanglich- 
keit  an  den  Menschen  und  seine  Behausungen.  Weder 
Schonheit  noch  Bescheidenheit  noch  Gesang  eignen  ihn 


65 


immervogel ,  Sch&digungen  an  Nutz-  und  Zier- 
n  und  deren  Friichten,  sowie  eine  mdglichst  aus- 
i  Vermehrung  seiner  Art  bilden  recht  fatale  und 
Achtung  erwerbende  Charaktereigenschaften.  In 
nerika,  wo  der  Haussperling  1861  von  England  her 
ihrt  wurde,  hat  er  dank  reichlicher  Ernahrung  und 
anzung  unter  den  vorteilhaften  Verhaltnissen  jener 
len  Ansiedelungsgebiete  sich  seither  fast  tiber  den 

Kontinent  in  Hunderten  von  Millionen  und  des- 
i  verderblichster  Weise  ausgebreitet.  Heute  werden 
orme  Summen  als  Pramien  fiir  Sperlingsvertilgung 
fchlt,  aber  ohne  bemerkbare  Verminderung  des  Schad- 

Ahnlich  verhalt  es  sich  mit  seinem  Pendant  in 
lien,  dem  Kaninchen,  doch  resultiert  dort  aus  dem 
1  Schaden  wenigstens  ein  kleiner  Nutzen  durch  den 
•  von  Kaninchenfellen,  wahrend  der  Sperlingsfang 
terika  zu  kulinarischen  Zwecken  von  keiner  Be- 
g  ist. 
inwiederum  tritt  der  Vortragende  der  Ansicht  ent- 

dass  der  Haussperling  bei  uns  eine  auf  seine 
tung  abzielende  Verfolgung  verdiene.  In  der  Schweiz 
nirgends  zu  einem  grossen  Volke  erstarkt  und  wird 
>dessen  audi  nicht  zu  einem  so  bedeutenden  Schad- 
Wir  besitzen  weder  die  grossen  Stadte  noch  die 
ehnten  und  deshalb  nicht  zu  uberwachenden  land- 
laftlichen  Betriebe  wie  Amerika,  die  der  Verbreitung 
>erlings  forderlich  waren.  Von  vornherein  ist  ihm 
Thaltnismassig  grosses  Verbreitungsgebiet  in  der 
iz,  der  grosste  Teil  der  alpinen  Zone,  entzogen, 
er  siedelt  sich  nur  bei  menschlichen  Wohnstatten 
e  das  ganze  Jahr  hindurch  bewohnt  sind.  Uber 
chaden,   den  der  Sperling  an   Obst-  und  Beeren- 


66 


kulturen  anrichtet,  ist  man  geteilter  Meinung;  manche 
Ziichter  sind  der  festen  ftberzeugung,  dass  der  Schaden 
w&hrend  der  zwei-  bis  dreimaligen  Brutzeit  durch  Insekten- 
fang  reichlich  aufgewogen  werde.  Bei  uns  l&sst  sich  der 
Rauber  durch  Reduzierung  seiner  Anzahl  unschwer  im 
Zaume  halten  und  wenn  der  Spatz  sich  das  alleinige 
Recht  auf  Haus  und  Garten  und  Futterbrett  anmasst,  so 
ist  er  des  Todes  schuldig  so  gut  wie  die  Hauskatze,  die, 
anstatt  Mause  zu  fangen,  unsere  Anlagen  und  die  freie 
Natur  rund  herum  in  erster  Linie  von  Vogeln  aller  Art 
und  aller  Altersstufen  radikal  zu  befreien  bemiiht  ist. 

Herr  Dr.  Girtanner  erortert  eingehend  die  Mittel,  um 
der  bald  ganzlichen  Ausrottung  unserer  kleinen  Vogel- 
arten  durch  die  Katzen  Einhalt  zu  tun  und  findet  die 
einzige  Rettung  in  einer  nicht  allzu  kleinen  Katzensteuer. 
Je  oder  Feld  und  Wald  und  Garten  an  Vogelleben  zu 
werden  droht,  um  so  weniger  sollte  der  Haussperling  ohne 
triftigen  Grund  verfolgt  und  vertilgt  werden.  Trotz 
mancher  iiblen  Gewohnheiten  bildet  er  durch  seinen  treuen 
Anschluss  an  den  Menschen,  sein  munteres  Wesen,  seine 
Wehrhaftigkeit  ein  freundlich-belebendes  Element  mitten 
im  geschaftlichen  Gewtihle  der  Stadt  und  verdient  wegen 
seiner  nutzlichen  Eigenschaften  auch  Schutz  von  Seite 
des  Menschen. 

Herr  Dr.  med.  Richard  Zollikofer  besprach  die 
Ergebnisse  der  neuern  Malariaforschung,  in  ge- 
drangter  tJbersicht  das  weitschichtige  Material  zu  einem 
klaren,  allgemein  verstand lichen  Bilde  zusammenfassend. 

Die  Erforschung  der  Malaria,  dieser  fur  viele  Gegenden 
hochwichtigen  Volkskrankhoit,  ist  in  letzter  Zeit  in  ein 
neues  Stadium  getreten,  indem  bedeutsame  Entdeckungen 


67 


)tzlich  unerwartete,  aussichtsvolle  Wege  zur  Verhiitung 
r  Krankheit  eroffneten.  Den  Entwicklungsgang  dieser 
►rschungen  und  deren  praktische  Anwendung  fur  die 
ilariaprophylaxe  schilderte  der  Vortragende. 

Die  Malaria,  bei  uns  Wechsel-  oder  Sumpffieber  ge- 
nnt,  ist  in  ihrem  Beginne  durch  kurze,  intensive  Fieber- 
fftlle  charakterisiert,  die  sich  alltaglich  wiederholen 
uotidiana)  oder  alle  zwei  Tage  (Tertiana)  oder  alle  drei 
ge  (Quartana).  Zunehmende  Blutarmut  und  Milz- 
lwellung  begleiten  stets  das  Fieber.  Dieses  letztere 
ht  nach  einiger  Zeit  zuriick  und  der  Zustand  geht  in 
ie  langsam  zehrende  Krankheit  liber,  die  sich  in  un- 
gelmassigen  Erscheinungen  aussert,  besorders  von 
iten  des  Nervensystems,  und  manchem  einen  friihen  Tod 
ingt. 

Die  Krankheit  kann  alle  Menschen  ohne  Auswahl 
jffen ;  eines  gewissen  Schutzes  erfreuen  sich  bloss  solche 
&mme,  die  seit  langen  Zeiten  in  schlimmen  Malaria- 
genden  gewohnt  und  sich  an  die  Krankheit  angepasst 
ben.  Sie  erledigen  das  Fieber  in  ihrer  ersten  Kindheit, 
e  wir  hierzulande  die  Masern,  leicht  und  ungefahrdet; 
is  ihr  nicht  Stand  zu  halt  en  verinag,  geht  beizeiten 
Grunde;  der  iibrig  bleibende  Teil  ist  ein  Geschlecht, 
s  seine  Existenz  der  Malaria  gegeniiber  dann  leicht 
frecht  erhalten  kann.  —  Die  meisten  und  schwersten 
Jle  kommen  in  warmen  Liindern  vor;  immerhin  reicht 
3  Krankheit  nordwarts  bis  an  die  Kiistengebiete  der 
>rd-  und  Ostsee.  C^harakteristisch  ist  ihre  strikte  geo- 
aphische  Verbreitung,  derart,  dass  die  Krankheit  ihre 
t  langem  bekannten  Sitze  hat,  an  welchen  sie  alljahr- 
h  mit  grosser  Regelmassigkeit  wiederkehrt,  wahrend 
dere  Gebiete  ebenso  sicher  vor  ihr  verschont  bleiben. 


Ausser  den  Kustenstrichen  sind  namentlich  die  Wasser- 
laufe  grosser  Fltisse  als  Malariagegenden  im  Verruf. 

In  Deutschland  ist  gegenw&rtig  nur  noch  die  Um- 
gebung  von  Wilhelmshaven  eigentlich  verseucht.  Vor 
30  Jahren  aber  stand  es  viel  schlimmer;  so  hatte  man 
im  Jahre  1869  im  Heere  allein  iiber  13,000  Falle  von 
Wechselfieber.  —  Fur  Italien  ist  das  Fieber  heute  noch 
eine  wahre  Geissel;  es  fordert  alljahrlich  an  die  16,000 
Menschenleben  und  die  Zahl  der  Erkrankungen  erreicht 
die  Hohe  von  zwei  Millionen  im  Jahr. 

In  der  Schweiz  sind  heutzutage  nur  noch  wenig 
Piatze  im  sudlichen  Tessin  und  Wallis  verdachtig.  In  der 
ersten  Halfle  des  vergangenen  Jahrhunderts  wurde  aber 
auch  unser  Kanton  noch  empfindlich  vom  Fieber  ge- 
schadigt;  Rheintal  und  Linthgebiet  waren  schwer  ver- 
seucht und  man  berichtet  von  einer  epidemischen  Haufung 
der  Krankheitsf  alle  zu  Anfang  der  Zehnerjahre,  dann  in 
der  Mitte  der  Zwanziger-  und  zu  Ende  der  Dreissiger- 
jahre.  Dann  gingen  die  Fieber  zuriick  und  bis  1880 
waren  sie  im  Gebiete  des  Kantons  verschwunden. 

Wahrend  die  Malariakrankheiten  sich  mit  Z&higkeit 
an  bestimmte  Ortiichkeiten  halten  und  an  diesen  Orten 
jeden  ergreifen  konnen,  auch  wenn  er  nicht  den  ent- 
ferntesten  Verkehr  mit  kranken  Einwohnern  hatte,  sehen 
wir,  dass  bei  andern  Infektionskrankheiten  der  kranke 
Mensch  die  Quelle  der  Ansteckungen  bildet  und  der 
Kontakt  mit  Kranken  die  gewohnlichste  Art  der  Ver- 
breitung  der  Infektion  darstellt.  Einen  nicht  von  Kranken, 
sondern  von  der  Ortlichkeit  ausgehenden  Ansteckungsstoff 
pflegt  man  als  Miasma  zu  bezeichnen,  und  bei  der 
Malaria,  welche  sich  stets  an  Gegenden  halt,  die  reich 
an   Siimpfen  sind,  glaubte   man,   dass  dieses   Miasma  in 


69 


giftigen  Ausdunstungen  dieser  Siimpfe  bestehe.  —  Im 
Jahre  1880  gelang  es  Laveran,  dieses  unbestimmte 
Miasma  genauer  zu  prazisieren ;  er  fand  namlich  im  Blut 
der  Malariakranken  einen  kleinen,  tierischen  Parasiten, 
das  sogen.  Malaria-Plasmodium ;  es  schmarotzt  auf  den 
roten  Blutkorperchen  und  richtet  sie  zagrunde,  was  dann 
allmalig  zur  Blutarmut  ffihrt. 

1886  zeigte  Golgi,  dass  die  Plasmodien  sioh  im  Blute 
derart  vermehren,  dass  jeder  Parasit  nach  einigen  Tagen 
sich  in  etwa  ein  Dutzend  Teilstiicke  spaltet,  von  welchen 
jedes  wieder  zum  selbstandigen  Parasiten  wird  und  sich 
aufs  neue  teilen  kann ;  zugleich  machte  er  die  Entdeckung, 
dass  stets  ein  Fieberanfall  beim  Kranken  auftritt,  wenn 
seine  Plasmodien  ihre  Teilung  vollziehen,  dass  also  der 
regelmassige  Wechsel  von  Anf  &llen  und  fieberfreien  Tagen 
harmoniert  mit  der  Entwicklung  der  Parasiten.  Da  man 
diese  Parasiten  nun  weder  bei  Tieren  noch  Pflanzen  wieder- 
finden  konnte,  blieb  es  lange  ein  Ratsel,  wie  sie  in  den 
menschlichen  Korper  hineingelangen. 

Es  existierte  in  Italien  ein  alter  Volksglaube,  dass 
der  Stich  der  Mosquitos  dem  Menschen  das  Keber 
bringe.  Im  Jahre  1898  konnte  der  Englander  Ross  den 
Beweis  hiefiir  erbringen.  Er  beobachtete,  wie  die  beim 
Blutsaugen  in  den  Magen  der  Mosquitos  gelangten  Para- 
siten sich  allmalig  umbildeten  zu  einer  grossen  Zahl  feiner 
Stabchen,  welche  sich  in  der  Giftspeicheldruse  der  Miicke 
ansammeln  und  beim  nachsten  Stich  dem  Opfer  wieder 
ins  Blut  geimpft  werden.  Es  gelang  ihm  auch,  vorder- 
hand  mit  einem  Malariaparasiten  der  Vogel,  die  tJber- 
tragung  durch  Mosquitos  tatsachlich  auszufuhren,  indem 
er  Mosquitos  erst  an  kranken  Spatzen  Blut  saugen  Hess 
und  einige  Zeit  nachher  an  gesunden;  die  Folge  davon 


70 


war,  dass  sofort  auch  die  gesunden  Spatzen  malariakrank 
wurden.  Die  Plasmodien  machen  also  einen  sogen.  Wirts- 
wechsel  durch;  einen  Teil  ihres  Daseins  schmarotzen  sie 
auf  dem  Warmbliiter,  den  andern  auf  der  Miicke. 

So  wurden  die  Stechmiicken  plotzlich  in  den  Kreis 
der  Malariaforschung  einbezogen  und  zunachst  festgestellt. 
dass  nicht  alle  Mosquitos  befahigt  sind,  die  Malaria  zu 
iibertragen,  sondern  nur  die  Arten  der  Oattung  Ano- 
pheles, von  welchen  sich  nachweisen  Hess,  dass  sie 
nirgends  fehlen,  wo  Malaria  vorkommt;  die  Gattung 
Culex,  die  auch  bei  uns  iiberall  vorkommt,  hat  mit  der 
Ausbreitung  der  Malaria  nichts  zu  tun.  Damit  die  Para- 
siten  sich  in  den  Miicken  fortentwickeln  konnen,  bedarf 
es  ziemlich  hoher  Temperaturen ;  in  Italien  vollzieht  diese 
Entwicklung  sich  daher  nur  in  den  Sommermonaten ;  in 
unsern  Breiten  im  ersten  Friihjahr,  wobei  die  Miicken 
sich  an  Ofen  und  Kaminen  aufhalten,  um  die  notige 
Warme  zu  geniessen.  Deshalb  fallen  auch  die  Neu- 
erkrankungen  an  Wechselfieber  in  Italien  in  die  Sommer- 
monate,  in  Deutschland  in  den  April  und  Mai. 

Durch  mehrere  Experimente  wurde  nun  noch  der  Beweis 
erbracht,  dass  der  beschuldigte  Mosquito  wirklich  der  In- 
fektionsvermittler  sei.  Eine  englische  Expedition  z.  B.  ver- 
brachte  einen  ganzen  Sommer  in  den  gef  ahrlichen  Sumpfen 
von  Ostia  und  schutzte  sich  vor  Muckenstichen,  indem  sich 
die  Teilnehmer  bei  Sonnenuntergang  stets  in  ein  Hauschen 
zuriickzogen,  dessen  Fenster  durch  feine  Drahtsiebe  fur 
die  Mosquitos  versperrt  und  dessen  Inneres  vollig  weiss 
ausgestattet  war,  damit  jede  Miicke  leicht  entdeckt  und 
beseitigt  werden  konnte;  keiner  von  ihnen  wurde  durch 
diesen  Aufenthalt  in  der  gefurchteten  Fiebergegend  krank. 

Andere   englische  Arzte   liessen    sich   Miicken   nach 


71 


ndon  kommen,  welche  in  Italian  Malariablut  getranken 
bten  und  setzten  sich  den  Stichen  dieser  Mlicken  aus, 
s  zur  Folge  hatte,  dass  sie  alle  an  typischer  Malaria 
crankten.  Durch  solche  Versuche  war  die  Mosquito- 
>orie  bald  glanzend  gerechtfertigt. 

Man  hatte  dainit  bestimmte  Anhaltspunkte  gewonnen, 
i  in  die  Entwicklung  der  Parasiten  und  damit  auch 
t  Krankheit  einzugreifen.  Koch  schlug  vor,  alle 
inschen  eines  Malariaortes  von  den  Parasiten  zu  be- 
ien,  was  durch  Chinin  moglich  ist,  so  dass  die  Miicken 
ine  Plasmodien  mehr  vorfinden,  die  sie  weitertragen 
nnten.  Ein  Versuch  mit  dieser  Methode  in  Neu-Guinea 
tte  gute  Wirkung.  Die  Italiener  erwarteten  uiehr  Er- 
g  von  der  Ausrottung  der  Miicken  durch  Aufgiessen 
q  Petrol  in  alle  Sumpfe  und  Tiimpel ;  dabei  gehen  die 
ickenlarven  zugrunde ;  man  konnte  tatsachlich  auf  diese 
eise  einzelne  Platze  fast  miickenfrei  machen,  wodurch 
p  Weiterverbreitung  der  Malariaansteckungen  sofort  Ein- 
lt  getan  wurde.  Mit  grossem  Erfolg  ftihrten  sie  die 
ankheitsverhutung  auch  an  mehreren  Eisenbahnstrecken 
verrufenen  Fiebergegenden  in  der  Weise  durch,  dass 
muckensichere  Warterhauschen  mit  vergitterten  Fenstern 
igs  der  Linien  errichteten,  zur  nachtlichen  Unterkunft 
sr  Angestellten,  und  dass  sie  diejenigen,  welche  genotigt 
ren,  im  Freien  zu  bleiben,  mit  Kapuzen  und  Hand- 
mhen  aus  Drahtgetleehteii  und  Leder  vor  den  Miicken 
Liitzten.  —  Bei  den  Europaern  in  den  Kolonien  ist  es 
gemein  iiblich,  durch  regelmassiges  Einnehmen  von 
inin  das  Fieber  zu  unterdriicken. 

Alle  diese  Methoden  sind  brauchbar  und  haben,  den 
astanden  richtig  angepasst  und  kombiniert,  jetzt  schon 
be  Friichte  gezeitigt. 


72 


Da  die  Stechmiicken,  speziell  der  Anopheles,  auch 
jetzt  noch  in  unserer  Gegend  existieren,  sind  wir  gegen 
ein  neues  Ausbrechen  der  Malaria  nicht  gesichert;  ein 
einziger  eingeschleppter  Fall  kann  zum  Mittelpunkt  einer 
neuen  Epidemie  werden.  Die  fortschreitende  Kanalisation 
im  Linthgebiet  und  Rheintal  hat  aber  bereits  ungezahlte 
Brutstatten  der  Miicken  zerstort,  und  je  vollstandiger  diese 
Trockenlegung  der  Sumpfe  durchgefiihrt  wird,  desto  zu- 
verlassiger  wird  die  Assanierung  der  ehemaligen  Fieber- 
gegenden  sein,  desto  geringer  die  Gefahr,  dass  die  Malaria 
bei  uns  wieder  einmal  Boden  zu  fassen  vermoge. 

Uber  neue  Bestrebungen  auf  dem  Gebiete 
der  Leuchttechnik,  insbesondere  die  Nernst- 
lam pen,  verbreitete  sich  in  ausfuhrlicher  Stndie  Herr 
Prof   Dr.  Renfer. 

Dem  Dornroschen  gleich  lag  die  elektrische  Kraft, 
heute  als  machtvolle  Herrscherin  (iber  alien  Naturkraften 
tronend,  welche  der  Mensch  sich  dienstbar  gemacht  hat, 
gleichsam  in  tausendjahrigem  Schlaf,  bis  die  moderne 
Wissenschaft  sie  zum  Leben  erweckte.  Obwohl  dieElektro- 
technik  bereits  gewaltige  Umwalzungen  auf  dem  Gebiete 
der  Industrie  und  des  Verkehrs  zu  verzeichnen  hat,  stehen 
wir  heute  doch  erst  an  der  Schwelle  des  Zeitalters  der 
Elektrizitat.  Zwar  hat  uns  das  vergangene  Jahrhundert 
bereits  die  elektrische  Beleuchtung,  die  elektrische  Kraft- 
iibertragung,  die  Telegraphie  mit  und  ohne  Draht,  das 
Telephon  usw.  gebracht,  allein  sicher  wird  die  Technik  im 
Verein  mit  der  Wissenschaft  im  neuen  S&kulum  unge- 
ahnte  Erfolge  zeitigen,  welche  sich  auch  auf  das  Gebiet 
des  Beleuchtungswesens  erstrecken  durften. 

Dem  Bediirfnisse  des  Menschen,  auch  die  Nachtstunden 


73 


seiner  Arbeit  dienstbar  zu  machen,  entsprachen  Jahr- 
tausende  hindurch  Holz,  Pech,  Talg  und  andere  Fette 
oder  Ole.  Mitte  des  verflossenen  Jahrhunderts  traten  die 
Mineralole  (Petroleum  etc.)  als  Beleuchtungsmittel  auf  und 
riefen  einer  Verbesserung  in  der  Konstruktion  der  Lampen. 
Schon  1792  legte  der  Schotte  William  Murdorb  den  Grund 
zur  Steinkohlengasbeleuchtung,  deren  Zukunft  durch  die 
Erfindung  Dr.  Auers  (Auerlicht)  definitiv  gefestigt  wurde, 
so  dass  diese  Beleuchtungsart  wohl  kaum  durch  die  Elek- 
trizitat  verdrangt  werden  wird. 

Die  praktische  Verwertung  der  letzteren  als  Beleuch- 
tungsmittel ist  auf  die  im  Jahre  1878  von  Edison  er- 
fundene  Gluhlampe  zuruckzufuhren,  welche  heute  noch 
in  ihrer  urspriinglichen  Form  gebraucht  wird.  Neben  ihr 
findet  das  Bogenlicht  vielfach  Verwendung.  Als  neueste 
Beleuohtungsmittel  sind  das  Acetylen-  und  das  Luftgas 
zu  nennen. 

Heute  kampfen  um  die  Herrschaft  das  Gasgliihlicht 
und  das  Elektrogliihlicht,  und  es  ist  schwer  zu  entscheiden, 
welchem  der  Sieg  zufallen  wird,  da  jede  der  beiden  Be- 
leuchtungsarten  ihre  Vorteile  aufweist.  Was  speziell  die 
elektrische  Beleuchtung  anbetrifft,  so  wird  gegenwartig 
unablassig  an  deren  Vervollkommnung  gearbeitet.  Be- 
weise  dafur  liefern  die  Nernst-Lampe,  die  Osmium-Lampe, 
das  elektrische  Bogenlicht,  das  Teslalicht  und  die  Effekt- 
bogenlampe. 

Der  Erklarung  der  Nernst-  und  Osmium-Lampe  vor- 
ansgehend,  entwickelt  der  Vortragende  an  der  Hand  von 
Versuchen  und  Tabellen  in  sehr  klarer  Weise  die  Theorie 
des  Leuchtens.  Nach  dieser  ist  Licht  und  W&rme  eine 
Folge  von  Schwingungen  des  alles  einhlillenden  und  durch- 
dringenden   Weltathers.     Bei   unsern   gewohnlichen   Be- 


74 


leuchtungsarten  werden  die  Atherschwingungen  dadurch 
erzeugt,  dass  die  Molekule,  das  sind  die  denkbar  kleinsten, 
mit  dem  Ganzen  noch  gleichartigen  Teile  eines  Korpers, 
durch  Warme  in  Schwingungen  versetzt  werden,  welche 
sich  dem  Ather  des  Raumes  mitteilen,  nach  alien  Rich- 
tungen  sich  mit  einer  Geschwindigkeit  von  300,000  km 
in  der  Sekunde  ausbreiten  und  schliesslich  in  unserm 
Auge  als  Licht  empfunden  werden.  Der  Abstand  zwischen 
zwei  in  gleichen  Schwingungszustanden  befindlichen  Ather- 
teilchen  heisst  die  Wellenlange. 

Im  weissen  Licht  sowohl  als  auch  in  jeder  gemischt 
gefarbten  Lichtquelle  finden  sich  Lichtwellen  von  ver- 
schiedenen  Wellenlangen.  So  hat  eine  Welle  roten  Lichtes 
eine  Lange  von  693,  violettes  von  393  Millionstelmillimeter, 
wahrend  die  Schwingungszahl  des  ersteren  430,  des  letzteren 
800  Billionen  pro  Sekunde  betragt.  Die  Schwingungs- 
zahlen  von  oraDge,  gelb,  griin,  blau  und  violett  liegen 
zwischen  den  angefuhrten  Werten.  Der  Energiebetrag, 
welchen  die  Gesamtstrahlung  einer  leuchtenden  Flamme 
ausmacht,  ist  indessen  bedeutend  grosser.  Es  gibt  Wellen- 
arten,  die  einerseits  iiber  das  Violett  (ultraviolett«e  Wellen), 
anderseits  iiber  das  Rot  hinausgehen  (ultrarote  Wellen). 
Erstere  aussern  sich  durch  krafbige  chemische,  letztere 
durch  Warmewirkung.  Diese  beiden  Wellenarten  machen 
den  weitaus  grossten  Teil  des  Eaergiebetrages  einer  Licht- 
quelle aus,  so  dass  deren  Nutzeffekt  als  Leuchtapparat 
ein  sehr  geringer  ist.  Es  besteht  also  zwischen  Aufwand 
und  Effekt  ein  Missverhaltnis :  wir  wollen  Licht  und  be- 
kommen  zur  Hauptsache  Warme,  wahrend  als  Ideal  einer 
Lichtquelle  eine  solche  bezeichnet  werden  muss,  die  nur 
Lichtstrahlen  und  keine  Warmestrahlen  aussendet.  Wie 
weit   wir   noch   von   diesem   Ideal  entfernt  sind,   zeigen 


1 


76 


unsere  gebr&uchlichsten  Lichtquellen,  das  Petroleum  und 
das  Leuchtgas,  deren  Lichteffekt  nur  0,6,  deren  W&rme- 
effekt  dagegen  99,6  °;'o  betragt.  Besser  stent's  mit  dem 
elektrischen  Gluhlicht,  das  6,6  °/o  Licht-  und  94,6  °/o  Warme- 
effekt  aufweist ;  bei  der  Nemstlampe  stellt  sich  das  Ver- 
haltnis  auf  12,6:87,4,  bei  der  elektrischen  Bogenlampe 
auf  13:87.  Das  Ideal  erreicht  das  Tesla-Licht  und  das 
Johanniswurmchen  mit  100  °o  Licht  und  0°/o  Warme- 
effekt. 

In  der  Erhohung  der  Temperatur  eines  leuchtenden 
Korpers  besitzen  wir  ein  Mittel,  um  die  wirtschaftliche 
Ausbeute  desselben  zu  erhohen.  Aus  den  Untersuchungen 
von  Draper,  Weber  und  Emden  geht  hervor,  dass  ein 
strahlender  Korper  bei  ungef ahr  600  Grad  Celsius  zu 
leuchten  beginnt,  und  zwar  besteht  das  anfanglich  aus- 
gestrahlte  Licht  aus  den  langsamen  Schwingungen  der 
roten  Wellen.  Bei  Erhohung  der  Temperatur  gesellen 
sich  nach  und  nach  auch  die  rascheren  Schwingungen  der 
gelben,  grunen,  blauen  und  violetten  Wellen  dazu,  so  dass 
sich  schliesslich  der  Gesamteindruck  dem  Weiss  des  Sonnen- 
lichtes  nahert.  Aber  auch  jetzt  noch  machen  die  Warme- 
strahlen  den  Lowenanteil  aus.  Bei  steigender  Erhitzung 
wird  das  Licht  immer  heller,  wobei  die  Lichtfulle  viel 
schneller  zunimmt  als  die  Temperatur.  Laut  einem  Ge- 
setz  steigt  die  ausgesandte  Lichtmenge  mit  der  vierten 
oder  funften  Potenz  der  absoluten  Temperatur.  Demnach 
ist  also  die  Flamme  um  so  okonomischer,  je  heisser  sie 
ist,  woraus  sich  ergibt,  dass  sich  die  Leuchttecknik  als 
Hauptaufgabe  die  Erzielung  moglichst  hoher  Tem- 
peraturen  zu  stelien  hat. 

Es  eignet  sich  diesfalls  der  Kohlenfaden  der  Edison- 
Lampe  nicht  als  Lichtquelle,  da  seine  Hitze  beim  Gllihen 


76 


2000  Grad  kaum  iibersteigt,  und  wir  uns  dabei  schon  der 
Verfliichtigungstemperatur  der  Kohle  nahern.  Man  hat  nun 
in  neuester  Zeit  versucht,  die  Kohlenfaden  dadurch  hitze- 
bestandiger  zu  machen,  dass  man  sie  mit  Bor,  Silicium  etc. 
impr&gnierte,  allein  die  Resultate  waren  keine  glinstigen. 
Mehr  Erfolg  verspricht  die  Anwendung  der  Elemente  der 
Platin-Gruppe.  Es  sind  dies  Ruthenium,  Rhodium,  Pal- 
ladium, Osmium,  Iridium  und  Platin,  alles  seltene  Metalle, 
welche  meist  gemeinsam  in  der  Natur  vorkommen,  schwer 
von  einander  zu  trennen  und  noch  schwerer  zu  verarbeiten 
sind.  Alle  sind  ferner  sehr  hitzebestandig.  So  schmelzen 
Osmium-Korner  selbst  unter  Luftabschluss  bei  3500  Grad 
Celsius  noch  nicht.  In  der  Osmium-Lampe  des  Dr.  Auer 
von  Welsbach  ist  nun  doch  die  Verarbeitung  des  Osmiums 
gelungen,  allein  die  Lampe  kommt  vorlaufig  nicht  in  den 
Handel. 

Weitere  hitzebestandige  Stoffe,  die  nach  dem  Vor- 
schlage  von  Dr.  Nernst  in  Frage  kommen  konnen,  sind  Mag- 
nesia, Kalk  und  Silicium  und  verschiedene  seltene  Erden. 
wie  Zirkon,  Tonerde,  Ceroxyd  und  die  Oxyde  der  Ytterit- 
gruppe.  Doch  gehort  die  Trennung  der  einzelnen  Erden 
der  letzteren  zu  den  schwierigsten  Aufgaben  der  Chemie. 

Gibt  uns  die  Praxis  den  Rat,  fur  den  strahlenden 
Korper  ein  moglichst  hitzebestandiges  Material  zu  ver- 
wenden,  um  es  ohne  Gefahr  der  Zerstorung  auf  eine 
moglichst  hohe  Temperatur  bringen  zu  konnen,  so  haben 
die  in  der  deutschen  physikalisch-technischen  Reichsanstalt 
angestellten  Untersuchungen  uber  die  Energiestrahlung 
einerseits  die  voile  wis3enschaftliche  Erklarung  hiefiir  ge- 
geben,  anderseits  uns  auch  den  Weg  gezeigt,  auf  welchem 
man  zu  einer  wirklich  rationellen  Lichtquelle  gelangen 
kann.    Der  Klarlegung  dieses  hochst  interessanten  Weges 


77 


>n  die  anschliessenden  Ausfuhrungen  des  Vortragenden, 
wir  hier  iibergehen. 

Nach  Dr.  Witt  ist  bei  der  Lichterzeugung  im  weitern 
Atomgewicht  des  strahlenden  Korpers  zu  beruck- 
igen,  denn  nach  seiner  Ansicht  soil  das  Gas-  wie  das 
trogliihlicht  erst  gut  geworden  sein,  als  man  dem 
ikorper  Thoroxyd  beigemischt  hatte.  Diese  gute  Wir- 
r  betrachtet  er  als  eine  Folge  des  zweithochsten  Atom- 
chtes  des  Thors,  dessen  Oxyd  daher  auch  ein  ausser- 
ntlich  hohes  Molekulargewicht  haben  muss.  Korper 
grossem  Molekulargewicht  bedtirfen  aber  nach  einem 
»tze  von  Dulong  und  Petit  einer  sehr  geringen  Warme- 
ge,  um  auf  eine  gegebene  Temperatur  gebracht  zu 
len.  Wir  werden  also  eine  gewisse  Menge  Thoroxyd 
h  eine  bestimmte  Warmemenge,  rtihre  sie  von  der 
>rennung  eines  Gases  oder  vom  elektrischen  Strome 
auf  hohere  Glut  erhitzen  konnen,  als  eine  Verbindung 
niedrigerem  Molekulargewicht.  Es  ist  uns  dies  ein 
;erzeig  zur  Aufsuchung  geeigneter  Gliihkorper.  Als 
ter  kommt  die  Kohle  am  schlechtesten  weg,  denn  sie 
;  ein  niedriges  Atomgewicht  (12).  Allerdings  hat  sie 
r  eine  abnorme,  fast  um  die  Halfte  zu  niedrige  spe- 
jhe  Warme,  allein  diese  ist  immer  noch  das  sechs- 
3  derjenigen  des  Thoroxydes  und  das  funfzehnfache 
metallischen  Thors. 

Vorteilhafter  ist  schon  die  Anwendung  von  Magnesium 
Magnesiumoxyd  (Atomgewicht  24).  Noch  besser  ware 
:  (Calcium  40).  Dann  folgen  Yttrium  89,  Zirkon  90, 
am  92,  Ruthenium  und  Rhodium  104,  Palladium  106, 
,han  138,  Erbium  166,  Ytterbium  173,  Platin  197, 
um  198,  Osmium  199,  Thorium  231.  Die  zweite  Be- 
ung,   welche   die   Leuchttechnik   an   den  Gliihkorper 


78 


8tellt,  heisst  sonach:  Der  strahlende  Korper  muss  ein 
hohes  Atomgewicht  und  eine  geringe  spezifische 
W&rme  haben. 

Zur  Steigerung  des  optischen  Nutzeffektes  einer  Licht- 
quelle  fallt  noch  eine  dritte  Bedingung  in  Betracht.  Das 
oberste  aller  Strahlungsgesetze,  das  schon  von  Kirchhoff 
aufgefunden  wurde,  lautet,  dass  ein  Korper  bei  jeder 
Temperatur  vorzugsweise  diejenigen  Wellensorten  ver- 
sendet  oder  emittiert,  welche  er  bei  der  gleichen  Tem- 
peratur verschluckt  (absorbiert),  d.  h.  gute  Absorbenten 
eind  gute  Emittenten. 

Nach  diesem  Gesetze  sendet  der  vollkommen  schwarze 
Korper,  z.  B.  Kohle,  die  ja  das  Licht  jedweder  Parbe  ver- 
schluckt, auch  alle  ihrer  jeweiligen  Temperatur  entsprechen- 
den  Strahlengattungen  aus,  wenn  man  sie  zum  Gliihen 
bringt.  Da  aber  in  einer  solchen  Lichtquelle  die  dunkeln 
W&rmestrahlen  nie  fehlen,  kann  ein  solcher  Korper  nie 
eine  okonomische  Lichtquelle  sein.  Wie  die  Kohle,  so 
verhalten  sich  im  allgemeinen  auch  die  Metalle.  Hin- 
sichtlich  der  Energieverteilung  im  Spektrum  des  schwarzen 
Korpers  fand  Kirchhoff,  dass  letzterer  die  Maximalwerte 
der  Strahlung  erreiche,  dass  man  daher  mit  keiner  auf 
reiner  Temperaturstrahlung  beruhenden  Lichtquelle  eine 
grossere  Helligkeit  erzielen  kann,  als  mit  dem  schwarzen 
Korper.  Dessenungeachtet  ist  dieser  Korper  aber  der 
unokonomischste,  denn  er  sendet  auch  die  maximale  Energie 
im  unsichtbaren  Gebiete  des  Spektrums  aus,  und  diese  ist 
fur  das  Auge  nur  wertloser  Ballast. 

Bei  andern  Korpern  findet  dagegen  eine  aus- 
wahlende,  selektive  Absorbtion  statt.  Es  ist  dies 
bei  all  den  Korpern  der  Fall,  welche  nur  bei  Tageslicht 
gefarbt   erscheinen.     Sollte   bei  diesen  eine   selbstandige 


79 


Lichtemi8sion  zu  stande  kommen,  so  muss  auch  diese 
selektiver  Natur  sein.  Konnte  z.  B.  eine  rote  Scheibe. 
welch e  nur  rote  Strahleu  durchlasst,  durcb  irgend  eine 
Vorrichtung  zum  Gliihen  gebracht  warden,  so  hatte  das 
ausgestrablte  Licht  wieder  eine  rote  Farbe.  Es  erscheint 
nicht  ausgeschlossen,  dass  wir  einst  einen  Leuchtkorper 
herstellen  konnen,  welcher  sehr  wenig  Warmestrahlen  aus- 
sendet,  dagegen  die  zugefuhrte  Energie,  sei  sie  chemischer 
oder  elektrischer  Art,  der  Hauptsache  nach  in  Form  von 
Licht  wieder  ausstrahlt.  Ein  solcher  „idealer  Tem- 
peraturstr abler"  musste  die  Warmewellen  im  Vergleich 
zum  schwarzen  Korper  gleicher  Temperatur,  der  alles 
absorbiert,  besser  reflektieren  als  die  Lichtwellen.  Als 
dkonomischen  Lichtk5rper  miissten  wir  somit  denjenigen 
bezeichnen,  welcher  die  Strahleu  von  rot  bis  violett  voll- 
kommen  verschluckt,  dagegen  alle  andern  Wellen  ent- 
weder  vollkommen  reflektiert  oder  hindurchlasst.  Als 
dritten  Grundsatz  ergibt  sich  also:  Anwendung  eines 
Gliihkorpers  mit  selektiver  Emission,  der  nur  Licht- 
strahlen  und  keine  Warmestrahlen  aussendet,  der  also 
alle  Lichtstrahlen  absorbiert  und  alle  Warmestrahlen  voll- 
standig  spiegelt  oder  durchlasst. 

Nach  diesen  theoretischen  Erorterungen,  welche  von 
Experimenten  und  Tabellen  unterstiitzt  waren.  und  nach 
der  Entwicklung  des  Joule'schen  Gesetzes,  welches  die 
Warmemenge,  die  in  einem  vom  elektrischen  Strom  durch- 
flo8senen  Leiter  entsteht,  in  Grammkalorien  ausdruckt, 
behandelte  Herr  Dr.  Renfer  die  Nernst'sche  Gluh- 
lampe. 

Angeregt  durch  die  Ertindung  des  Auer'schen  Gas- 
gliihlichtes  kam  Nernst  anf  den  Gedanken,  die  dort  an- 
gewandten   Grundprinzipien    auf  das   elektrische   Gebiet 


80 


zu  ubertragen.  Der  Auer'sche  Gliihstrumpf  besteht  aus 
einem  Baumwollgewebe  bester  Sorte.  Dieses  wird  mit 
sogenanntem  Lightingfluid,  d.  i.  eine  Losung  von  Salzen 
seltener  Erden,  impragniert.  Heute  verwendet  man  fast 
allgemein  Losungen  von  Thoriumnitrat,  welchem  eine  be- 
8timmte  Menge  Cernitrat  beigemischt  ist.  Nachher  wird  das 
organische  Gewebe,  das  nur  als  Trager  der  eigentlichen 
Gliihmasse  diente,  verbrannt.  Die  gunstige  Leuchtkraft 
des  Strumpfes  riihrt  daher,  dass  das  Strahlungsvermogen 
der  gelben,  griinen  und  blauen  Strahlen  weit  intensiver 
ist  als  dasjenige  der  roten  und  ultraroten.  Die  sichtbaren 
Strahlen  machen  also  einen  sehr  grossen  Bruchteil  der 
gesamten  ausgestrahlten  Energie  aus,  w&hrend  verhaltnis- 
massig  weniger  unsichtbare  Strahlen  ausgesandt  werden. 

Nernst  verfertigte  nun  aus  denselben  Oxydgemischen, 
die  er  pulverisierte  und  dann  zu  St&ben  presste,  seine 
Gliihkorper,  deren  Enden  er  mit  Platindraht  umwickelte. 
Von  der  Ansicht  ausgehend,  dass  bei  der  Anwendung 
von  Gleichstrom  der  elektrolytische  Leiter  in  seine  Jonen 
zerlegt  werde,  verwendete  Nernst  anf  anglich  nur  Wechsel- 
strome,  welche  infolge  der  entgegengesetzt  gerichteten 
Stromstosse  keine  Zersetzung  der  Oxyde  bewirken.  Spatere 
Versuche  zeigten,  dass  die  Gemische  von  Oxyden  hunderte 
von  Stunden  durch  Gleichstrom  im  Gluhen  erhalten  werden 
konnten,  ohne  dass  eine  zerstorende  Zersetzung  durch  den 
elektrischen  Strom  eintrat. 

Die  Hauptschwierigkeit  bei  der  Verwendung  der 
Nernst-Lampe  bestand  in  der  Vorerwarmung  des  Gluh- 
korpers,  was  anfangs  mit  Hilfe  von  Streichholzern  oder 
mittelst  Spiritusflamme  geschah.  Erst  bei  etwa  700  Grad 
Celsius  ist  die  Leitungsfahigkeit  des  Stabchens  so,  dass 
der  Strom  durchgeht. 


81 


Lang8am  und  stetig  wurde  an  der  Verbesserung  der 
npe  gearbeitet.  Die  Vorwarmeeinrichtung  bestand  zu- 
Jist  aus  einem  Porzellanrollchen,  auf  welches  feiner 
•tindraht  gewickelt  wurde,  und  dicht  daneben  wurde 
i  Magnesiastabchen  angebracht,  das  nach  und  nach  die 
n  Leuchten  notwendige  Temperatur  erhielt.  Eine  sinn- 
die  elektromagnetische  Vorrichtung  schaltet  dann  zu- 
ich  den  Strom  aus  der  Heizspirale  aus. 

Erfolgreiche  praktische  Verwendung  haben  aber  erst 
Nernst-Lampen  Modell  1902  gefunden.  Auf  Anraten 
1  Dr.  Ochs  wird  der  diinne,  schraubenformigaufgewickelte 
;zdraht  mit  einem  feinen  Porzellanmantel  umhiillt.  Der 
ihende  Platindraht  versetzt  nun  ziemlich  rasch  die 
ane  Porzellanhulle  ebenfalls  in  Glut,  und  in  wenigen 
nuten  kommt  das  Gliihstabchen  zum  Leuchten. 

Bei  der  probeweisen  Einfuhrung  zeigte  sich  bald  ein 
iterer  tJbelstand.  Sobald  die  Spannung  des  Leitungs- 
;zes  um  funf  Volt  uber  das  zulassige  Maximum  der 
;reffenden  Nernst-Lampe  steigt,  wird  der  Gliihkorper 
rch  die  zu  grosse  Stromstarke  zerstort.  Um  der  Zu- 
bme  der  Stromstarke  durch  kleine  Schwankungen  in 
•  Spannung,  die  durchaus  nicht  zu  vermeiden  sind,  zu 
gegnen,  wurde  ein  aus  diinnem  Eisendraht  bestehender 
Lderstand  vorgeschaltet. 

Die  Vorteile  der  Nernst-Lampe  bestehen  erstens  in 
em  schonen,  weissen  Licht  (Gliihlampen  leuchten  gelb- 
h,  Auerbrennergriinlich,  Bogenlampen  blaulich),  zweitens 
dem  geringen  Stromverbrauch  und  daherigen  geringern 
>sten,  drittens  eignen  sie  sich  fur  Spannungen  von  100 
\  zu  250  Volt,  und  endlich  kann  jeder  Teil  fur  sich 
ein  leicht  ersetzt  werden,  was  z.  B.  bei  der  Gliihlampe 
;ht  der  Fall  ist. 


82 


Diesen  Vorteilen  gegenuber  stehen  folgende  Nach- 
teile :  die  langweilige  Vorw&rmevorrichtung,  die  allerdings 
in  vielen  Fallen  kaum  in  Betracht  fallt;  die  hoheren 
Anschaffungskosten  und  die  kurzere  Lebensdauer  als  bei 
der  GUiihlampe.  Auch  kann  die  Nernst-Lampe  dort  nicht 
verwendet  werden,  wo  Explosivstoffe  vorhanden  sind, 
z.  B.  in  Kellern,  Bergwerken  etc. 

Alles  in  allem  bedeutet  sie  aber  doch  einen  wesent- 
lichen  Fortschritt  in  der  Beleuchtungstechnik,  and  es 
kommt  auch  sie  dem  Bedurfnis  dee  Menschen  nach  „mehr 
Lichta  in  sch6ner  Weise  entgegen. 

Mannigfache  Anregung  bot  die  auf  den  Orenzgebieten 
von  Naturwissenschaft  und  Philosophie  sich  bewegende 
Studie:  Die  Urtiere  und  das  Problem  des  Lebens 
von  Herrn  Seminarlehrer  A.  I nh elder. 

Nachdem  der  Vortragende  einleitend  an  Hand  vor- 
ziiglicher  Abbildungen  iiber  den  Bau  der  einfachsten  Tiere 
(Urtiere)  und  die  in  ihrem  Korper  sich  abspielenden  Lebens- 
vorgange,  als  Ernahrung,  Bewegung,  Fortpfl  anzung,  Schutz- 
vorrichtungen  gesprochen,  unterzieht  er  die  verschiedenen 
Standpunkte,  von  denen  aus  die  Naturforscher  das  Pro- 
blem der  Entstehung  des  Lebens  auf  unserer  Erde  zu 
losen  suchen,  einer  objektiven  Kritik. 

Dem  Altertum  erschien  die  ganze  Natur  belebt;  so 
darf  uns  die  Ansicht  des  Aristoteles,  dass  FrSsche  und 
Schlangen  aus  Schlamm  entstehen,  nicht  sonderlich  be- 
fremden.  Aber  noch  tief  in  der  Neuzeit  war  man  sich 
der  Kluft  zwischen  belebter  und  unbelebter  Materie  wenig 
bewusst.  Im  18.  Jahrhundert  tritt  Bonnet  in  seinen  „Be- 
trachtungen  der  Natur"  der  Annahme  entgegen,  dass  aus 
toter  Substanz  lebende  hervorgehen  k6nne.     Er  leugnet 


83 


somit  die  Moglichkeit  einer  Urzeugung,  einer  Generatio 
spontanea.  Dem  Problem  der  Entstehung  des  Lebens 
wurde  in  der  Folge  das  lebhafteste  Interesse  zugewendet. 
Eine  Reihe  von  Forschern  glaubte  auf  Grund  angestellter 
Versuche  Urzeugung  nachgewiesen  zu  haben,  doch  konnte 
ihnen  von  gegnerischer  Seite  mit  Recht  der  Vorwurf  ge- 
macht  werden,  dass  sie  bei  ihren  Experimenten  nicht  mit 
der  notigen  Kritik  vorgegangen  seien.  In  der  Tat  ist  es 
noch  bei  keinem  einwandfreien  Versuche  gelungen,  aus 
lebloser  Substanz  lebende  zu  erhalten.  Aus  dem  negativen 
Ergebnis  der  bis  jetzt  in  unseren  Laboratorien  angestellten 
Experimente  darf  aber  nicht  geschlossen  werden,  dass  auf 
der  Erde  niemals  Urzeugung  stattgefunden  habe.  Dieser 
Schluss  diirfte  selbst  dann  nicht  gezogen  werden,  wenn 
es  auch  kiinftighin  nie  gelingen  sollte,  unter  SchafFung 
aller  moglichen  Bedingungen,  aus  lebloser  Substanz  ein 
lebendes  Wesen  entstehen  zu  lassen.  Das  Leben  auf 
unserem  Planeten  ist  uralt.  Einst  muss  es  aber  in  der 
Entwicklungsgeschichte  der  Erde  eine  Zeit  gegeben  haben, 
wo  Lebewesen  noch  nicht  existieren  konnten.  So  drangt 
sich  uns  die  Frage  auf,  wie  das  erste  Leben  auf  unserem 
Planeten  entstanden  sei.  Hierauf  sind  nur  zwei  Antworten 
zu  geben.  Entweder  ist  das  Leben  irdischen  Ursprungs, 
dann  konnen  die  ersten  Lebewesen  aber  nur  auf  dem 
Wege  der  Urzeugung  entstanden  sein :  im  andern  Falle 
entstammt  es  einem  fremden  Himmelskorper,  der  in  jener 
Zeit  Lebensbedingungen  geboten  haben  muss.  Mit  den 
Trummern  eines  solchen  Gestirns,  auf  oder  in  Meteoriten, 
mtissten  alsdann  die  ersten  Lebenskeime  auf  unsere  Erde 
gelangt  sein.  Es  ist  aber  einleuchtend,  dass  durch  diese 
jjMeteorhypothese",  die  ihre  Verfechter  gefunden  hat,  das 
Problem  der  Entstehung  des  ersten  Lebens  nicht  geloat 


84 


wird.  Die  Frage  wird  nur  von  einer  tellurischen  zu  einer 
kosmischen  gemacht. 

1st  aber  das  Leben  iiberhaupt  je  entstanden,  ist  es 
nicht  vielleicht  so  alt  wie  die  Welt  iiberhaupt?  Dadurch 
wurde  das  Problem  zu  einer  transzendentalen  Frage  er- 
hoben  und  damit  der  Sphare  der  naturwissenschaftlichen 
Forschung  entriickt.  So  wenig  sich  gegen  diese  Auffassung 
als  Standpunkt  einwenden  lasst,  so  muss  doch  anderseits 
zugegeben  werden,  dass  es  der  Wissenschaft  doch  einmal. 
wenn  auch  vielleicht  erst  in  sehr  ferner  Zukunft  gelingen 
kann,  die  Entstehung  des  ersten  Lebens  auf  unserer  Erde 
in  befriedigender  Weise  zu  erklaren. 

Wenn  auch  mit  grosster  Wahrscheinlichkeit  auf  unserem 
Planeten  keine  Urzeugung  mehr  stattfindet,  mussen  wir 
doch  die  Moglichkeit  offen  lassen,  dass  in  friiheren  Zeiten 
eine  solche  Generatio  spontanea  stattgefunden  habe,  als 
die  Erde  andere  chemisch-physikalische  Bedingungen  fur 
die  Entstehung  von  Lebewesen  bot. 

Die  Lebensvorgange  sind  Bewegungsvorg&nge.  Die 
Ursachen  der  Bewegungen  sind  Krafte.  Bei  der  Unter- 
suchung  der  Lebenserscheinungen  geht  das  Streben  der 
Physiologen  dahin,  die  Vorgange  so  viel  als  moglich  auf 
chemisch-physikalische  Gesetze  zuriickzufuhren  und  damit 
als  Wirkungen  von  Kraften  aufzufassen,  welche  in  der 
unbelebten  Natur  herrschen.  In  manchen  Fallen  ist  dies 
schon  gelungen,  in  anderen  nicht,  vielleicht  deshalb  nichtr 
weil  die  Bedingungen,  unter  denen  sich  die  Erscheinungen 
vollziehen,  zu  verwickelt  sind,  als  dass  man  sie  ganz  in 
ihre  einfachen  Komponenten  zerlegen  kfainte. 

Freilich  muss  zugegeben  werden,  dass  in  der  belebten 
Natur  moglicherweise  noch  andere  Faktoren  tatig  sind 
als  in  der  unbelebten.    Wenn  eine  besondere  Lebenskraft 


85 


istiert,  wie  die  Vitalisten  behaupten,  so  werden  ihr  die 
tiven  Vorgange  in  den  lebenden  Organismen,  wie  die 
>ntraktion  der  Muskelfasern,  das  Wandern  der  weissen 
utkorperchen  etc.  zuzuschreiben  sein.  Der  Begriff  der 
ctivitat  wurde  aus  der  Selbstbeobachtung  geschopft. 
ctivitat,  Leben,  Wille  besagen  vielleicht  im  Grunde 
sselbe.  tJbertr&gt  man  das  aus  dem  untriiglichsten 
lell  der  Erkenntnis,  dem  eigenen  Bewusstsein,  Geschopfte 
f  die  Organe  unseres  Korpers,  auf  jede  einzelne  Zelle, 

ist  der  Versuch  einer  psychologischen  Erklarung  des 
ibens  gemacht.  Danach  ware  das,  was  den  ausseren 
anen  als  Lebensvorgange  erscheint,  jene  zur  Zeit  noch 
3ht  in  ihrer  gegenseitigen  Bedingtheit  erklarbaren  Be- 
jgungsvorgange,  mit  dem  identifiziert,  was  dem  so- 
nannten  inneren  Sinne,  mit  dem  wir  die  Vorgange  und 
istande  in  unserem  Bewusstsein  beobachten,  als  Wille 
jcheint.  Diese  AufFassung  ermoglicht,  ein  Ph  an  omen 
r  ausseren  Sinne  und  eine  Tatsache  des  Bewusstseins 
sichsam  als  zwei  Seiten  eines  und  desselben  Dinges  an- 
sehen.  Wenn  eine  besondere  Lebenskraft  existiert,  liegt 
in  zwingender  Grund  zur  Annahme  vor,  dass  sie  nicht 
ch  wie  die  anorganischen  Krafte  mit  Notwendigkeit 
d  nach  bestimmten  Gesetzen  wirke,  die  von  der  Natur- 
rschung  entdeckt  werden  konnen. 

Wer  aber  mit  der  Mehrheit  der  modernen  Physiologen 
rzieht,  auf  die  Annahme  einer  besonderen  Lebenskraft 

verzichten  und  die  Lebensausserungen  aus  dem  eigen- 
mlichen  Zusammenwirken  der  anorganischen  Krafte  er- 
iren   will,   darf  ebenfalls  mit  der  Moglichkeit  rechnen, 

einem  einigermassen  befriedigenden  Resultat  zu  ge- 
igen,  wenn  audi  vielleicht  erst  durch  Aufstellung  neuer 
lysikalischer  Hypotliesen.    So  stellt  Fechner  die  Hypo- 


86 


these  auf,  dass  sich  in  den  organischen  Molekiilen  die 
Teilchen  in  einem  anderen  Bewegungszustand  befinden 
als  in  den  unorganischen.  Danach  bestande  ein  tief- 
gehender  Unterschied  zwischen  den  Vorgangen  in  der 
belebten  und  unbelebten  Natur,  der  aber  doch  nicht  so 
prinzipiell  ware,  dass  man  die  Lebensvorgange  auf  eine 
ganz  andere  Art  der  Kausalitat  zuriickfuhren  musste  als 
die  Vorgange  in  der  unbelebten  Natur.  Beide  Arten  von 
Vorgangen  erscheinen  hier  doch  einer  und  derselben 
mechanischen  Weltordnung  angehorig. 

Die  Aufgabe  der  naturwissenschaftlichen  Forschung 
bestande  demnach  in  der  Entdeckung  eines  Mechanismus, 
aus  welchem  die  Bewegungsvorgange,  in  denen  sich  das 
Leben  aussert,  erklart  werden  konnen.  Bis  jetzt  ist  es 
aber  noch  nicht  gelungen,  auch  nur  einen  aktiven  Vor- 
gang  in  der  lebenden  Zelle  mechanistisch  zu  erklaren. 
Die  Vererbungstheoretiker  sehen  sich  genotigt,  hypo- 
thetischen  Organismen,  die  alle  in  der  Zelle  enthalten 
sein  sollen,  die  aber  noch  kein  mit  dem  besten  Mikroskop 
ausgertistetes  Forscherauge  entdecken  konnte,  alle  Eigen- 
schaften  des  Lebens  zuzusprechen.  —  Aus  all  dem  geht 
hervor,  dass  man  die  Hoffnung  verlieren  konnte,  eine 
befriedigende  naturvvissenschaftliche  Losung  des  Lebens- 
problems  zu  finden,  wenn  die  Wissenschaft  nicht  einer 
ganz  ausserordentlichen  Vervollkommnung  fahig  ware; 
darf  doch  nicht  vergessen  werden,  dass  das  Menschen- 
geschlecht  wahrend  der  ungeheuer  langen  Zeit  des  Erden- 
daseins,  das  ihm  wahrscheinlich  noch  beschieden  ist,  wohl 
auch  einer  ungeahnten  intellektuellen  Entwicklung  fahig 
sein  wird.  Fur  denjenigen  wenigstens,  der  an  eine  Des- 
cendenz  glaubt,  ist  der  Gedanke  unmoglich,  dass  die  auf* 
steigende  Entwicklung  und  Vervollkommnung  der  Orga- 


87 


smenwelt  unseres  Planeten  mit  dem  gegenwartigen  Typus 
3nsch  ihren  definitiven  Abschluss  gefunden  hat.  Aber 
i  ailer  Vervollkommnung  wird  das  menschliche  Erkennen 
ch  stets  nur  ein  Erkennen  innert  gewissen  Schranken 
in,  welche  in  der  inonschlichen  Organisation  begriindet 
id.  Wir  mussen  eben  stets  bedenken,  dass  das  unserer 
kenntnis  unmittelbar  Zugangliche  die  Tatsachen  unseres 
rwusstseins  sind,  wahrend  die  Aussenwelt,  die  durch 
s  Medium  der  Sinne  auf  das  Bewusstsein  einwirkt, 
3ht  in  ihrem  wahren  Wesen  je  vollig  erkannt  werden 
nn.  Wir  wissen  nicht,  inwiefern  unsere  Vorstellungen 
d  die  aus  diesen  abgeleiteten  wissenschaftlichen  Theorien 
r  Eealitat  der  Aussenwelt  entsprechen.     (Autoreferat.) 

Mit  „einigen  Resultaten  neuerer  Untersuchun- 
n  tiber  Entstehung  der  Artenu  beleuchtete  Herr 
•of.  Dr.  Vogler  ein  in  jiingster  Zeit  wieder  in  den 
>rdergrund  des  Interesses  geriicktes  naturwissenschaft- 
hes  Problem. 

Die  letzten  zehn  Jahre  haben  unsere  Ansichten  be- 
>ffend  die  „Entstehung  neuer  Artenu  in  manchen  Be- 
>hungen  verandert.  Wahrend  friiher  der  Auslese  im 
impf  urns  Dasein  die  Hauptbedeutung  flir  die  Fort- 
twicklung  zugeschrieben  wurde,  sehen  wir  fast  plotz- 
h  die  kritische  Wissenschaft  das  eine  zeitlang  so  ein- 
jh  und  beinahe  gelost  scheinende  Problem  aufs  neue 
fnehmen.  Wahrend  die  friihere  Zeit  mehr  auf  deduktiv- 
akulativem  Weg  vorging,  hat  sich  die  jungste  Periode 
eder  auf  den  einzig  richtigen  Weg  naturwissenschaft- 
her  Forschung  besonnen,  auf  die  Induktion ;  also  exakte 
nzelbeobachtung  und  Experiment  stehen  wieder  im 
►rdergrund   auch   fur  das  Problem  der  Artentstehung. 


88 


Diese  Untersuchungen  mussten  nattirlich  von  einer  Kritik 
der  bisherigen  Theorie  begleitet  sein,  urn  ^freie  Bahn" 
zu  schaffen.  Als  Hauptresultat  ergab  sich:  Wir  stehen 
heute  auf  dem  sichern  Boden  der  Entwicklungs- 
theorie;  aber  tiber  die  Art  und  Weise,  sowie  fiber  die 
TJrsache  der  Entwicklung  wissen  wir  noch  wenig  Sicheres. 
Es  steht  nur  fest,  dass  es  iiberhaupt  nicht  moglich 
ist,  alle  Vorgange  der  Formenneubildung  anfdie- 
selbe  Art  zu  erklaren. 

Im  folgenden  seien  nur  einige  der  wichtigsten  neueren 
Untersuchungen  und  deren  Ergebnisse  kurz  aufgefuhrt. 
Als  wichtigster  Weg  der  Artentstehung  wurde  seit  Darwin 
die  Auslese  durch  natiirliche  Zuchtwahl  im  Kampf  urns 
Dasein  angenommen.  Die  Theorie  fusste  auf  der  ge- 
wohn  lichen  sogen.  fluktuierenden  Variabilit&t  aller  Lebe- 
wesen;  durch  langsame  Steigerung  der  Merkmale  (unter 
dem  zuchtenden  Einflusse  des  Kampfes  urns  Dasein)  sollten 
die  neuen  Arten,  Gattungen  etc.  sich  ganz  allmalig  heraus- 
differenziert  haben.  Hugo  de  Vries  (Holland)  hat  durch 
Experimente,  Wettstein  (Wien),  Korschinsky  (Peters- 
burg) u.  a.  haben  durch  exakte  Beobachtung  in  der  Natur 
nachgewiesen.  dass  bis  jetzt  durch  keine  Tatsachen  die 
Artentstehung  auf  diesem  Wege  gesttitzt  wird. 

Die  gleichen  Forscher,  namentlich  aber  de  Vries 
und  Korschinsky,  haben  andererseits  gezeigt,  dass  die 
neuen  Arten  plotzlich  fix  und  fertig  und  erblich  kon- 
stant  entstehen,  ohne  durch  "Qbergftnge  miteinander  ver- 
bunden  zu  sein.  De  Vries  experimentierte  mehr  als 
zw6lf  Jahre  mit  der  „Grossblumigen  Nachtkerzea,  aus 
der  er  in  dieser  Zeit  eine  ganze  Reihe  absolut  neuer 
Arten  erhielt.  tJber  die  TJrsache  dieser  Entstehung  kann 
er  aber  auch  nichts  Sicheres  aussagen.     Er  nannte  den 


89 


Vorgang  MutatioD.  Durch  Mutation  wtirden  also  neue 
Arten  entstehen,  der  Kampf  urns  Dasein  hatte  nun  zu 
entscheiden,  welche  schliesslich  erhalten  bleiben,  indem 
er  die  unzweckmassig  konstruierten  ausmerzt.  Diese  An- 
nahmen  werden  auch  durch  palaontologische  Beobach- 
tungen  z.  B.  von  Koken  gestutzt. 

Ein  zweiter  Weg  der  Artentstehung  liegt  in  der 
direkten  Einwirkung  aussorer  Faktoren,  auf  der  lange 
vor  Darwin  Lamarck  seine  Entwicklungstheorie  auf- 
baute.  Unter  dem  Namen  Neo-Lamarckismus  treten 
derartige  Anschauungen  wieder  mehr  in  den  Vordergrund. 
Dass  Pflanzen  und  Tiere  ihre  Gestalt  unter  dem  Einflusse 
ftusserer  Verhaltnisse  an  der n,  ist  eine  altbekannte  Tat- 
sache.  Die  wichtige  Frage  war  nur,  ob  sich  solche  im 
Individualleben  erworbene  neue  Eigenschaften  auf  die 
Nachkommen  vererben.  Heute  diirfte  diese  Tatsache  als 
erwiesen  gelten.  Fur  das  Pflanzenreich  verdanken  wir 
das  neueste  beweisende  Material  dariiber  Wettstein,  fur 
das  Tierreich  das  klarste  und  iiberzeugendste  den  Ento- 
mologen,  und  zwar  speziell  den  beiden  Forschern  in 
Zurich,  Fischer  und  Standfuss.  Diesen  beiden  ist  es 
gelungen,  die  durch  Einwirkung  von  Temperaturextremen 
auf  Schmetterlingspuppen  erhaltenen  Aberrationen  der 
Flugelzeichnungen  zur  Vererbung  zu  bringen. 

Endlich  durfen  wir.  wenn  auch  in  nur  seltenen  Fallen 
direkt  nachgewiesen,  der  Bastardierung  eine  gewisse  art- 
bildende  Kraft  zuschreiben. 

Im  Grunde  genommen  sind  also  unsere  positiven 
Kenntnisse  von  Tatsachen  iiber  die  Entstehung  der  Arten 
sehr  gering;  dass  aber  trotzdem  das  Entwicklungsprinzip 
bestehen  bleiben  wird,  ist  sicher,  da  es  seine  Hauptstlitzen 
in  Palaontologie,  Embryologie  und  vergleichender  Anatomia 


90 


hat.  Es  wird  aber  wohl  nie  moglich  sein,  seine  allgemeine 
Giiltigkeit  durch  das  Experiment  zu  beweisen,  das  liegt 
in  seinem  Charakter  eines  historischen  Prinzips.  Die  Ent- 
wicklungstheorie  wird  also  Theorie  bleiben,  freilich  eine 
bei  weiterem  Ausbau  der  Wahrheit  immer  naher  kommende. 
Wir  diirfen  den  zu  ihrer  Unterstutzung  eben  vorher  kurz 
skizzierten  neuen  Untersuchungen  keine  zu  grosse  Be- 
deutung  zumessen,  da  sie  eigentlich  nur  die  Neubildung 
sogenannter  elenientarer  Arten  nachwiesen,  also  nicht 
einmal  den  Ubergang  von  einer  Linn^'schen  Art  in  eine 
andere,  geschweige  denn  gar  die  Entstehung  neuer  Gat- 
tungen.  Aber  wir  diirfen  doch  hoffen,  dass  die  ein- 
geschlagenen  neuen  Wege  der  Forschung  noch  manches 
aufklarende  Resultat  bringen  werden. 

Anders  freilich  steht  es  heutzutage  mit  der  Selek- 
tionstheorie,  dera  Darwinismus  im  engeren  Sinne. 
Die  neueren  Untersuchungen  haben  gar  keine  Besultate 
zu  ihrer  Unterstutzung  ergeben;  uberall  sehen  wir  sie 
zuruckgedrangt.  Wir  stehen  wohl  heute  am  „Sterbelager 
des  Darwinismus" ;  aber  wohlverstanden  nur  des  Dar- 
winismus, d.  h.  der  Kampf-urns-Dasein-Theorie.  Die 
Entwicklungstheorie  steht  heute,  vielleicht  gerade 
wegen  ihrer  Emanzipation  von  der  Selektionstheorie,  an- 
erkannter  da  als  je.  Darwins  Verdienst  urn  die  bio- 
logisclien  Wissenschaften  geschieht  durch  diese  Konsta- 
tierung  kein  Abbruch,  so  weuig  als  das  des  Ptolemaus 
urn  das  Verstandnis  der  Stellung  der  Erde  zu  den  xibrigen 
Himmelskorpern  verkleinert  wird  dadurch,  dass  sein  nWelt- 
systeniu  langst  durch  ein  neues  ersetzt  ist.  Darwin  hat 
den  biologischen  Wissenschaften  neue  Bahnen  gewiesen 
und  auf  diesen  neuen  Bahnen  ist  man  uber  ihn  hinaus 
gekommen. 


91 


Mit  dem  Darwinismus  hat  die  mechanistische  Er- 
klarung  der  organisierten  Welt  einen  starken  Verlust  er- 
litten,  und  es  ist  auch  bereits  schon  der  Zusammenbruch 
der  mechanistischen  Naturwissenschaft  verkiindet  worden. 
Dagegen  muss  aber  doch  festgehalten  werden:  t)ber  die 
ersten  Anfange  und  Ursachen  konnen  wir  gar  nichts 
Positives  erfahren,  sie  gehoren  also  gar  nicht  ins  Gebiet 
der  Naturforschung,  sondern  in  das  der  Philosophic.  Die 
exakte  Wissenschaft  muss  sich  beschranken  auf  das  sinn- 
lich  Wahrnehmbare,  und  dass  in  diesem  Gebiet  die  mecha- 
nistische Auffassung  nicht  zulassig  sei,  ist  noch  durch 
keine  Tatsache  bewiesen,  wenn  wir  auch  freilich  noch 
weit  entfernt  da  von  sind,  in  der  Tat  fur  das  Entwicklungs- 
problem  z  B.  den  direkten  mechanistischen  Beweis  zu  fdhren. 

Es  ist  leider  das  grosse  Verhangnis  solcher  natur- 
wissenschaftlicher  Theorien,  wie  die  Descend  enztheorie, 
dass  sie  oft  nahe  Beziehungen  haben  zu  transcendenten 
Problemen,  zu  Pragen  der  Weltanschauung  im  allgemeinen. 
Wohl  beeinflussen  naturwissenschaftliche  Theorien  die 
Weltanschauung ;  aber  vom  Standpunkt  irgend  einer  Welt- 
anschauung aus  eine  Theorie  schiitzen  oder  widerlegen 
zu  wollen,  ist  von  vornherein  verfehlt.  Ein  naturwissen- 
schaftliches  Problem  kann  nur  durch  exakte  Beobachtung 
gelost  werden ;  vorgefasste  theoretische  Anschauungen 
haben  dabei  nicht  mitzureden.     (Autoreferat.) 

Im  Anschluss  an  die  Demonstration  von  frischen  in 
St.  Gailen  aus  Keimlingen  gezogenen  Pflanzen  sprach 
Dr.  H.  Rehsteiner  tiber  die  Wassernuss  (Trapa  na- 
tans),  eineSpezies,  welche  ihrer  morphologischen,  pflanzen- 
geographischen  und  kulturhistorischen  Besonderheiten 
wegen  manches  Interesse  bietet. 


92 


Wohl  jedem  Besucher  der  oberitalienischen  Seen  sind 
die  aus  den  zackigen,  getrockneten  Friichten  der  Wasser- 
nuss  gereihten  Rosenkranze  aufgefallen,  die  dort  liberall 
zum  Verkaufe  ausgeboten  werden.  Eine  auffallend  grosse 
und  stark  ausgepragte  Form  der  Wassernuss  birgt  der 
Lago  di  Muzzano,  ein  idyllisches  kleines  Wasserbecken 
unweit  Lugano,  zu  Fussen  des  gleichnamigen  Dorfchens 
gelegen.  Nicht  ohne  Muhe  gelang  es,  den  nur  den  Be- 
wohnern  des  kleinen  Fischerhauschens  am  Westufer  des 
Sees  bekannten  Standort  der  seltenen,  im  Tessinerdialekt 
„giandu  (a)  genannten  Wasserpflanze  ausfindig  zu  machen. 
Noch  war  von  entwickelten  Pflanzen  nichts  zu  sehen ;  die 
letztjahrigen  Nlisse  hatten  sich  mit  ibren  mit  starken 
Borsten  versehenen  Zacken  im  Schlamme  des  Seegrundes 
in  einer  Tiefe  von  2  bis  3  m  festgehackt;  Ende  Mai  hatten 
sie  aber  schon  20  bis  30  cm  lange  Keimlinge  getrieben. 
Solche  Keimlinge  waren  den  Sommer  xiber  in  St.  Gallen 
im  Freien  zu  kraftigen  Pflanzen  ausgewachsen,  jedoch 
ohne  Bliiten  und  Friichte  zu  zeitigen.  Die  rautenformigen 
Blatter  bilden,  in  kreisformiger  Ebene  sich  auf  dem  Wasser 
ausbreitend,  hiibsche  Rosetten.  Sehr  auffallig  sind  die  zu 
keulenformigen  Schwimmblasen  angeschwollenen  Blatt- 
stiele;  sie  helfen  die  allmalig  schwerer  werdende  Pflanze 
tragen.  Die  kleinen  kurzgestielten,  weissen  Bliiten  sind 
nach  der  Vierzahl  gebaut  und  stehen  in  den  Blattachseln 
der  schwimmenden  Blatter.  Indem  bei  der  Reifung  die 
vier  Kelchblatter  in  ihrer  untern  Partie  mit  dem  Frucht- 
knoten  verwachsen,  entwickeln  sie  sich  mit  letzterem  zu 
einem  mit  vier  Dornen  oder  Hornern  versehenen  Ge- 
hause.  Die  Frucht  ist  anfangs  von  einer  weichen  kraut- 
artigen  Schale  umgeben,  ist  also  eine  Steinfrucht,  verliert 
aber    erstere    unter   Wasser    bald    und    zeigt    dann   den 


93 


glanzend  braunschwarzen  Steinkern.  Dieser  Steinkern, 
Wassernuss,  Weiherhornchen,  Seenuss,  Stachelnuss,  Spitz- 
nuss,  Jesuitermiitze  genannt,  weist  solche  Verschieden- 
heiten  auf,  dass  Professor  Dr.  C.  Schroter  in  Zurich 
in  einer  im  Jahre  1899  erschienenen  Schrift,  basiert  auf 
vergleichenden  Studien  von  2300  Exemplaren  und  auf 
die  genauen  Untersuchungen  des  schwedischen  Forschers 
Nathorst,  der  seine  Aufmerksamkeit  insbesondere  den 
subfos8ilen  Fruchten  schenkte,  10  Varietaten  unterschied. 
Dass  die  Wassernuss  auch  diesseits  der  Alpen  einst 
in  der  Schweiz  verbreitet  war,  beweisen  die  haufigen 
Funde  dieser  Frucht  im  Pfahlbautenrevier  von  Roben- 
hausen  im  Kanton  Zurich  und  in  demjenigen  des  Moos- 
seedorfsees  im  Bernerbiet,  unweit  der  Station  Zollikofen. 
Am  langsten  wurde  sie  in  diesem  Jahrhundert  in  kleinen 
Weihern  bei  Roggwil  (Kant.  Bern)  beobachtet.  Dr.  Georg 
Krauer,  der  Dichter  des  Riitliliedes,  machte  im  Jahre  1824 
zuerst  darauf  aufmerksam.  Sie  fiel  im  Winter  1870/71 
einer  Reinigung  jener  Weiher  zum  Opfer.  Bei  Elgg  und 
Rheinfelden  ist  sie  schon  viel  langer  verschwunden.  Auch 
im  obern  Ziirichsee  soil  sie  nach  Konrad  Gessner  bei 
Tuggen  vorgekommen  sein.  Heute  liegt  Tuggen  2  km 
vom  See  entfernt,  getrennt  von  diesem  durch  den  untern 
Buchberg.  Dass  jener  Flecken  aber  einst  vom  Wasser 
bespiilt  wurde,  ist  alien  St.  Gallern  wohlbekannt;  war  es 
doch  Tuggen,  wo  Sanct  Gallus  die  Gotzenbilder  in  den 
See  warf.  Auch  unser  bescheidene  Nestweiher  erfreut 
sich  in  der  Trapa-Literatur  einer  gewissen  Beruhmtheit, 
indem  nach  Prof.  Dr.  B.  Wartmann  daselbst  eine  wohl- 
erhaltene  Nuss  gefunden  wurde.  Dass  aber  die  Pflanze 
dort  gewachsen  sei,  daniber  fehlen  alle  Nachrichten.  Das 
fragliche  Exemplar  scheint  auch  verloren  gegangen  zu  sein. 


94 


Die  Wassernuss  kann  auf  eine  inhaltsreiche  Ge- 
schichte  zurlickblicken.  Aus  den  Pfahlbauten  hat  sie 
sich  selbst  uns  iiberliefert.  Theophrastus,  der  Schuler 
des  Aristoteles,  ein  fur  seine  Zeit  ausserordentlich  feiner 
Naturbeobachter,  gab  schon  300  Jahre  vor  Christus  in 
seiner  Pflanzengeschichte  eine  so  gute  Beschreibung,  dass 
iiber  die  Identit&t  seiner  Pflanze  mit  unserer  Wassernuss 
kein  Zweifel  besteht.  Schon  im  Altertum  und  durch  das 
ganze  Mittelalter  hindurch  wurden  ihr  bedeutende  Heil- 
krafte  zugeschrieben.  Bereits  Hippokrates  empfahl  sie 
um  430  vor  Christus  als  ktihlendes  Getrank  bei  Ent- 
ziindungen.  Durch  Dioskorides  und  Plinius,  jene 
Orakel  der  mittelalterlichen  Naturgeschichte  und  Heil- 
kunde,  blieb  ihr  Prestige  erhalten. 

Den  Anwohnern  des  Nils  diente  der  haselnussgrosse 
weisse  Kern  seines  Starkemehlgehaltes  wegen  als  Speise 
Matthiolus  berichtet,  dass  im  16.  Jahrhundert  die  Nusse 
in  Venedig  unter  dem  Namen  Wasserkastanien  auf  den 
Markt  kamen.  Bei  Missernten  wurde  an  manchen  Orten 
Brot  aus  ihnen  gebacken.  Auch  fuhrt  Matthiolus  an, 
dass  die  Wallfahrer  aus  diesen  Nussen  Paternoster  kranze 
machen,  an  denen  sie  ihre  Gebete  abzahlen  und  die  sie 
am  Halse  tragen,  um  desto  mehr  Religion  zur  Schau  zu 
stellen.  Noch  heute  ist  die  Kapellenstrasse  zum  beriihmten 
Wallfahrtsort  Monte  Sacro  bei  Varese  mit  Schaubuden 
besetzt,  an  denen  diese  Rosenkranze  feilgeboten  werden. 
Ausser  in  Italien  kommen  die  Wasserniisse  in  Siidfrank- 
reich,  Karnten  und  Ungarn  auf  den  Markt.  In  der  Moldau, 
wo  sie  haufig  sind,  dienen  sie  allgemein  als  Nahrungs- 
mittel  bei  den  Landleuten.  Die  Anwohner  des  kaspischen 
Meeres  sammeln  sie  fleissig  im  Herbst  auf  Kahnen.  In 
Indien  und  China  werden  andere  Arten,  wie  Trapa  bicornis 


(die  zweihdrnige)  und  Trapa  bispinosa  (die  zweidornige), 
ak  essbar  sehr  geschatzt,  sogar  kultiviert  und  bilden  einen 
Handelsartikel.  In  der  Schweiz,  nordlich  der  Alpen,  iiber 
haupt  in  Nordeuropa  war  die  Wassernuss  wohl  immer 
zu  selten,  als  dass  sie  in  historischer  Zeit  ein  Nahrungs- 
mittel  von  Bedeutung  hatte  sein  konnen.  Sehr  wahr- 
scheinlich  diente  sie  aber  den  Bewohnern  der  Pfahlbauten 
als  Nahrung,  denn  der  bewahrte  Forscher  Messikomer 
fand  an  einer  Stelle  bei  Robenhausen  einen  Vorrat  von 
iiber  300  Stuck  beisammenliegen. 

Verschiedene  Ursachen  werden  fur  das  ZurOckgehen 
der  Wassernuss  angefuhrt.  Purs  erste  ist  sie  einjahrig 
und  bringt  nur  wenig  Samen  hervor.  Dann  haben  die 
Friichte  ein  geringes  Verbreitungsvermogen  und  geringe 
Verbreitungsmittel.  Die  Niisse  reifen  unter  Wasser  und 
fallen  hernach  auf  den  Grund  in  den  Schlamm,  wo  sie 
sich  vermittelst  ihrer  Dornen  festankern.  In  der  Nord- 
schweiz  und  iiberhaupt  im  nordlichen  Europa  ist  die 
Wassernuss  offenbar  ausserhalb  ihres  natiirlichen  Ver- 
breitungsgebietes,  das  weiter  siidlich  liegt.  Das  Wasser 
unserer  Seen  und  Teiche  ist  zu  kalt ;  auch  von  auswarts 
verpflanzte  Keimlinge  bliihen  und  fruktifizieren  nur  in 
sehr  warmen  Sommern.  In  den  Teichen  der  Nordschweiz, 
die  alle  kunstliche  Anlagen  sind,  konnte  die  Wassernuss 
nicht  ursprunglich  einheimisch  gewesen  sein;  am  wahr- 
scheinlichsten  ist  sie  durch  die  Kloster  hineingelangt,  so 
in  Roggwil  durch  das  nahe  gelegene  Kloster  St.  Urban. 
•Als  Nahrungsmittel  mag  sie  in  fruheren  Zeiten  angepflanzt 
worden  sein,  wahrscheinlich  schon  von  den  Pfahlbau- 
kolonisten ;  denn  alle  ihre  Kulturpflanzen  weisen  auf  eine 
Verbindung  mit  den  Mittelmeerlandern  und  Agypten  hin. 

Ein    weiteres    Kennzeichen    daflir,    dass    Trapa    ein 


96 


warmeres  Klima  verlangt,  als  heutzutage  diesseits  der 
Alpen  herrscht,  sind  die  fossilen  Funde  von  Wasserniissen 
in  tertiaren  Schichten,  in  dem  warmen,  der  Eiszeit  vor- 
gangigen  geologischen  Zeitalter  mit  subtropischem  Klima. 
Die  heutigen  Standorte  in  Zentral-  und  Nordeuropa  konnen 
wir  nicht  mit  dem  tertiaren  in  Verbindung  bringen,  denn 
zur  Eiszeit  konnte  die  Trapa  sich  daselbst  nicht  halten; 
wohl  aber  ist  dies  moglich  bei  der  eingangs  beschriebenen 
Form  der  Wassernuss,  der  Trapa  muzzanensis,  die  sich 
lebend  einzig  im  Muzzanersee  und  subfossil  in  einem  ost- 
preussischen  Torfmoor  bei  Konigsberg  findet.  Nach  Prof. 
Schroter  hat  diese  Trapa  am  meisten  Ahnlichkeit  mit 
der  tertiaren  Trapa  bituberculata  Heer  (der  zweiknotigen) 
von  Mealhada  in  Portugal  und  der  Trapa  Heerii  aus  dem 
Pliocan  von  Thtiringen.  Die  Muzzaner  Wassernuss  scheint 
diesen  Tatsaehen  zufolge  ein  Uberrest  der  tertiaren  Flora 
zu  sein,  welcher  sich  in  dem  von  der  Natur  privilegierten 
Insubrien  bis  auf  den  heutigen  Tag  erhalten  konnte. 

Der  Vortrag  des  Herrn  Dr.  Baumgartner  uber 
Zauber-,  Heil-  und  Zierpflanzen  unserer  ein- 
heimischen  Alpenflora  bildet  einen  weitern  hubschen 
Beitrag  zu  seiner  Monographie  des  Curfirstengebietes. 

Zu  alien  Zeiten  hat  das  Volk  den  Erzeugnissen  der 
Natur  seine  Liebe  entgegengebracht.  Kein  Wunder,  dass 
darum  unsere  altheidnischen  Vorfahren  die  heilbringenden 
Krafte  der  einen  und  die  todbringenden  Wirkungen  der 
andern  Pflanzen  mit  ihren  Got  tern  in  Beziehung  brachten. 
Nur  sie  konnten  den  Pflanzen  die  geheimnisvollen  Krafte 
verliehen  haben.  Und  dieser  Glaube,  heute  Aberglaube 
genannt,  hat  sich,  trotz  aller  Auf  klarung,  in  unserm  Volke 
erhalten  bis  auf  die  jetzige  Zeit. 


97 


In  engster  Beziehung  zu  diesem  Aberglauben  steht 
3  sogen.  Volksmedizin,  der  in  den  Berggegenden  unseres 
iimatlandes  auch  heute  noch  grosse  Bedeutung  zukommt. 
ich  in  unseren  Gegenden  war  die  Frau  der  Arzt  im 
luse  und  sie  verstand  sich  sehr  wohl  auf  die  Kraft  der 
-auter.  Selbst  die  wissenschaftliche  Medizin  hat  lange 
•e  Heilmittel  hauptsachlich  aus  der  Pflanze  gezogen. 

Heute  stehen  bei  den  Alplern  des  obern  Toggenburgs 
ch  manche  Alpenpflanzen  in  Gebrauch,  so  das  gelb- 
ihende  „Bergziegerchrutu,  dessen  stark  aromatische 
atter  als  Ziegerwurze  dienen  und  ein  probates  Mittel 
gen  Magenkatarrh  sein  sollen.  Es  hat  in  Wildhaus 
der  Sage  Anlass  gegeben,  dass  eine  weisse  Zieger- 
siutblume  die  Burggeister  bezwinge.  Dieser  Volksglaube 
bspringt  einer  feinen  Naturbeobachtung  und  griindet 
h  auf  die  Tatsache,  dass  blaue  und  rote  Blumen  nicht 
ten  in  weissen  Abarten  vorkommen,  gelbe  dagegen 
mo  als. 

Auch  die  Bedingungen  zu  der  „Wunschelrutea  werden 
ri  der  Natur  niemals  erfiillt.  Sie  sollte  namlich  am 
ixfreitag  aus  einem  mindestens  fingerdicken  dies- 
hrigen  Gabelzweig  geschnitten  werden  und  zwar 
ttelst  eines  Feuersteins  und  unter  Hersagen  einer  Zauber- 
mel. 

Beliebt  bei  den  Alplern  sincl  auch  die  „Goldworzau 
irkenbund-Lilie).  Ein  Wasserabsud  ihrer  Zwiebeln  ist 
i  vielgebrauchtes,  harntreibendes  Mittel  furs  Vieh.  Mit 
b  vermischt,  geben  die  Zwiebeln  dem  Kase  eine  schone 
ibliche  Farbe.  Die  rHauswurzu,  eine  dem  Donnergotte 
r  alien  geheiligte  Pflanze,  sollte  vor  Blitzschlag  schutzen. 

•  Bluhen   bedeutete   ausserdem   ein   freudiges  Ereignis 

•  das  Haus.    Gegen  Blitz  schiitzte  ferner  ein  am  Giebel 

1 


98 


angebrachtes  Kreuzchen  von  zwei  Hollunderstabchen.  Der 
Hollunder  war  der  erhabenen  Gottin  Holla  geweiht  und 
darum  waren  alle  Teile  der  Pflanze  wertvoll  und  heil- 
kraftig.  Das  „Heidnisch  Wundkraut"  gilt  heute  noch 
als  das  beste  Mittel  zur  Heilung  aller  Wunden  und  machte 
fruher  stich-  und  kugelfest.  Die  Wurzeln  des  gelben 
Enzians  („Strenzeu)  wurden  als  Magenmittel  bei  Mensch 
und  Vieh  gebraucht.  Ihres  grossen  Zuckergehaltes  wegen 
lassen  sie  sich  zu  dem  kraftig  aromatischen  „Enzian- 
schnaps"  brennen.  Sie  machten,  stets  bei  sich  getragen, 
den  Besitzer  beliebt  und  galten,  wie  auch  Bibernell  und 
Baldrian,  als  Schutz  gegen  ansteckende  Krankheiten.  Drei 
ausgewachsene  Exemplare  des  Hirtentaschchens  heilten, 
als  ^Bundteli"  am  Hals  getragen,  die  „Schwinia  beim 
Vieh.  „Augenbiindtelichruta  von  der  vielblutigen  Mai- 
lilie  oder  der  gemeinen  Nelkenwurz  halfen  gegen  Augen- 
leiden.  Mit  der  Herbstzeitlose  ausgestattet,  konnte  man 
einem  andern  ungestraft  „leidwerchenu.  Die  Wurzel  des 
„Allermannsharnischu  loste  Hexerei  und  Zauberei;  um 
den  Leib  gebunden,  machte  sie  hieb-  und  stichfest  und 
schutzte  vor  Krampfen.  Als  blutstillendes  Mittel  ist  sie 
heute  noch  geschatzt.  Die  Bergschliisselblume,  im  rechten 
Zeichen  gepfliickt,  sollte  dem  Trager  die  in  den  Bergen 
schlummernden  Schatze  erschliessen.  Die  Wurzel  der  weissen 
Seerose,  unter  die  Bettstatt  gelegt  oder  ein  Schlafapfel 
unter  dem  Kopfkissen  dienten  als  Schlafmittel. 

Neben  diesen  durch  den  Aberglauben  eine  Bolle 
spielenden  Zauberpflanzen  gibt  es  auch  eine  Reihe  von 
Gewachsen,  die  als  Hausmittel  gute  Dienste  leisten,  so 
vor  allem  die  Enzianen,  von  denen  der  gelbe  seiner  grossen 
Wurzel  wegen  der  geschatz teste  ist,  ferner  Arnica,  deutsch 
Wohlverleih,  Wermut,  Chaslichrut  (Malva  vulgaris),Tausend- 


99 


Idenkraut,  Wachholderbeeren  usw.  Ein  sehr  h&ufiges 
•usmittel  im  Obertoggenburg  ist  endlich  die  „  Brand* 
rzea  (Spirsea  Aruncus),  angeblich  probat  gegen  alle 
tzundungen. 

Zum  Schlusse  beriihrt  der  Vortragende  noch  die 
hetische  Seite  der  obertoggenburgischen  Alpenflora, 
bei  vor  allem  das  Edelweiss  erw&hnend,  das  zwar  ur- 
•finglich  eine  Steppenpflanze  war,  sich  aber  in  unsern 
rgen  vollkommen  akklimatisiert  hat.  Friiher  eine  haufige 
penpflanze,  kann  es  heute  nur  noch  an  unzuganglichen 
illen,  wo  es  vor  der  menschlichen  Sammelwut  geschutzt 
,  sein  Leben  fristen.  Zum  Hutschmuck  des  Alpen- 
undes  gehoren  endlich  auch  Alpenrosen,  M&nnertreu 
A  die  himmelblauen  Enzianen.  Eine  Ausrottung  der 
penrosen  ist  nicht  zu  befurchteu,  dagegen  wird  Manner- 
u  immer  seltener! 

"Ober  die  Fortschritte  des  im  Auftrage  der  Gresellschaft 
rausgegebenen  st.  gallischen  Baumalbums  referierte 
jit  Erziehungsrat  Th.  Schlatter.  Leider  kann  man 
mchen  schonen  Baum,  der  es  wert  ware,  im  Bilde  fest- 
tialten  zu  werden,  nicht  photographieren,  weil  sich  andere 
,ume  zu  nahe  an  ihn  herandrangen. 

Aus  der  neuen  Kollektion  vom  vergangenen  Sommer 
d  besonders  hervorzuheben :  eine  Weisstanne  am 
ege  zur  Naturbrxicke  beim  Bad  Pfafers;  eine  Rot- 
nne  auf  der  Alp  Arin  oberhalb  Sevelen;  ferner  ein 
irkwiirdiger,  150  bis  200  Jahre  alter  sog.  Stockaus- 
hlag  aus  dem  einsamen  Alpentale  Valeis  bei  Vilters; 
n  Ragaz  eine  sehr  charakteristische  Schwarzpappel, 
Volksmunde  „Alberenu,  d.  h.  schlechthin  ^Bauma,  ge- 
nnt;    prachtvolle   Birnbaume   aus   der   Gegend   von 


100 


Heiligkreuz  bei  Mels.  Das  Werk  wird  dereinst  sich  wiirdig 
an  die  Seite  des  schweizerischen  Baumalbums  stellen  kdnnen 

Demonstrationsmaterial  aus  dem  Schlacht- 
hause  erlauterte  Herr  Schlachthausverwalter  G.  Bauin- 
gartner. 

Als  wichtigste  in  unsern  Haustieren  vorkommende 
Parasiten  sind  die  Rinderfinne,  die  Schweinefinne  und 
die  Trichine  zu  nennen.  Die  Schweinefinne  ist  bei  uns 
verschwunden  und  auch  die  Trichine  ist  bei  uns  unbekannt; 
dagegen  kommt  die  Kinder-  oder  Kalbsfinne  sebr 
h&ufig  vor.  Letztere  ist  das  Jugendstadium  des  Band- 
wurmes,  besitzt  eine  blaschenformige  Gestalt  und  ist 
mit  einer  wasserklaren  Fliissigkeit  gefullt.  An  der  Wand 
des  Blaschens  entsteht  durch  Knospung  ein  in  das  Innere 
der  Blase  eingestiilptes  Bandwurmkopfchen,  welches  sich 
spater  nach  aussen  vorstiilpt  und  dann  am  Hinterende 
die  Schwanzblase  tragt.  Gelangt  eine  solche  Finne  un- 
versehrt  in  den  Magen,  so  lost  der  Magensaft  die  Blase  auf 
und  der  Embryo  saugt  sich  an  der  Darmwand  fest,  wo  er 
auf  endosmotischem  Wege  ern&hrt  wird.  Durch  Knospung 
entstehen  sodann  die  Proglottiden  oder  die  Geschlechts- 
tiere  (Bandwurmglieder).  Es  stellt  der  6 — 8  Meter  lange 
Bandwurm  eine  Tierkolonie  dar,  deren  Kopf  die  Amine 
ist.  Die  reifen,  mit  mannlichen  und  weiblichen  Geschlechts- 
organen  ausgestatteten  Endglieder  gehen  ab.  Durch  den 
Diinger  etc.  gelangen  die  Eier  auf  die  Wiese,  von  wo 
sie  in  die  Eingeweide  des  Viehes  gelangen,  um  sich  dort 
wieder  zur  Finne  zu  entwickeln,  welche  von  der  Blut- 
bahn  in  die  Herz-,  Kopf-,  Bauchmuskulatur  oder  in  die 
Lunge  gefiihrt  wird.  Beim  Kalb  findet  die  Ansteckung 
meistens  von  den  Viehziichtern  aus  statt,  die  se"hr  haufig 


101 


andwurmem  behaftet  sind.  Aus  dem  Appenzeller 
rland  mussten  letztes  Jahr  von  unserm  Schlachthaus 
icht  weniger  als  71  Kalber  der  Freibank  ubergeben 
n. 

losartiger  ist  die  Schweinefinne,  aus  welcher  der 
nbandwurm  (Taenia  solium)  entsteht.  Dieselbe  kann 
Selbstinfektion  audi  im  Menschen  entstehen,  indem 
ait  einem  Bandwurm  behaftete  Person  von  den  ab- 
den  Proglottiden  Eier  aufnimmt,  welche  an  Kleidern, 
sn  usw.  haften.  Als  Ort  des  Vorkommens  beim 
then  ist  das  Muskelfieisch,  das  Gehirn  und  das  Auge 
nt. 

ds  sehr  gefahrlich  muss  die  Finne  (Echinoooccus 
is)  desHundebandwurms  bezeichnet  werden.  Sie 
)  an  einem  Stuck  Lunge  und  an  einer  Schweins- 
vorgewiesen.  Ihre  Grosse  schwankt  zwischen  1  mm 
it  Grosse  eines  menschlichen  Kopfes.    An  der  Innen- 

der  Blase  entwickeln  sich  eine  grosse  Anzahl  von 
apseln,  an  welchen  die  etwa  0,3  mm  grossen  Kopf- 
der  zukiinftigen  Bandwiirmer  knospen.  Vorsichts- 
egel:  Vermeide  alien  intimen  Verkehr  mit  Hunden! 
Jin  recht  reger  Schmarotzer  ist  der  Leberegel,  der 
ast  in  jeder  Leber  des  weidenden  Viehes,  namentlich 
in  derjenigen  des  Schafes,  vorfindet.  So  verloren 
die  Schafziichter  in  der  Gegend  von  Aries  300,000 
e,  1830  gingen  in  England  l1,^  Millionen  an  Disto- 
hepaticum  zugrunde,  und  1873  vernichtete  die  Egel- 
3  im  Elsass  den  dritten  Teil  aller  Schafe  im  Werte 
.ber  1  Million  Franken.  Als  Zwischentrager  werden 
se  Schneckenarten  angesehen.    Die  Wiirmer  sind  in 

Vorkommen    auf  die   Gallenwege  beschrankt,   die 
wweiten  und  zur  Verkalkung  bringen. 


102 


Endlich  weist  der  Yortragende  einen  durch  StrahL 
pilzerkrankung  zerstorten  Kiefer  eines  Rindes,  sowie  durch 
Blutzersetzung  schwarzrot  verfarbte  Rippen  und  Rucken- 
wirbel  eines  Schweines  vor. 


Ak  getreuer  Nachfolger  Direktor  Wartmanns  waltet 
Herr  Konservator  Bachler  seines  Amtes  im  natur- 
historischen  Museum,  nicht  nur  als  tatiger  und  besorgter 
Aufner  der  Sammlungen,  sondern  auch  wenn  es  gilt, 
interessante  Neuerwerbungen  vor  der  Einreihung  in 
die  Schaukasten  im  Kreise  unsererGesellschaft  vor- 
zuweisen  und  zu  besprechen. 

Namentlich  fur  die  Darstellung  biologischer  Ver- 
h&ltnisse  hat  die  jiingste  Zeit  reichen  Zuwachs  gebracht. 
Naheres  liber  die  Ausfiihrungen  des  Herrn  Bachler  findet 
sich  in  den  Berichten  liber  das  naturhistorische 
Museum  und  die  botanischen  Anlagen,  die  unserm 
Jahrbuch  beigedruckt  sind. 


III. 

Verzeichnis 
der  zirkulierenden  Zeitschriften. 

A.  Fur  den  wissenschaftlichen  Lesekreis 

bestimmte  (je  1  Exemplar). 

(23  wissenschaftliche  Zeitschriften.) 

1.  Richet,  Revue  scientifique. 

2.  Sklarek,  Naturwissenschaftliche  Rundschau.  Wochent- 
liche  Berichte  fiber  die  Fortschritte  auf  dem  Gesamt- 
gebiete  der  Naturwissenschaften. 

3.  Milne  Edwards  et  Van  Tieghem,  Annales  des  sciences 
naturelles:  Zoologie  et  Botanique. 

4.  Archives  des  sciences  physiques  et  naturelles  (Biblio- 
theque  universelle). 

5.  Bastian,  Virchow  und  Voss,  Zeitschrift  fur  Ethnologie. 

6.  Kiihne  und  Voit,  Zeitschrift  fur  Biologie. 

7.  Rosental,  Biologisches  Zentralblatt. 

8.  Kolliker  und  Ehlers,  Zeitschrift  fur  wissenschaftliche 
Zoologie. 

9.  Wettstein,  Osterreichische  botanische  Zeitschrift. 

10.  Uhlworm  und  Kohl,  Botanisches  Zentralblatt. 

11.  Berichte  der  Deutschen  Botanischen  Gesellschaft. 

12.  Bauer,  Koken  und  Liebisch,  Neues  Jahrbuch  fur 
Mineralogie,  Geologie  und  Palaontologie. 

13.  Zentralblatt  f.  Mineralogie,  Geologie  und  Palaontologie. 

14.  Krahmann,  Zeitschrift  fiir  praktische  Geologie. 


104 


16.  Wiedemann,  Annalen  der  Physik. 

16. Beiblatter  zu  den  Annalen  der  Physik. 

17.  Arendt,  Chemisches  Zentralblatt. 

18.  Meyer,  Journal  fur  praktische  Chemie. 

19.  Hann  und  Hellmann,  Meteorologische  Zeitschrift. 
'20.  Virchow,  Nachrichten  iiber  deutsche  Altertumsfunde. 

21.  Revue  Suisse  de  Zoologie. 

22.  Petermanns  Erganzungshefte. 

23.  Mittag-Leffler,  Acta  Mathematica. 

B.  Fur  den  popularen  Lesekreis  bestimmte. 
(29  populiire  Zeitschriften.) 

1.  Hesdorffer,  Natur  und  Haus.  Iilustrierte  Zeitschrift 
fiir  alle  Naturfreunde.     (4  Exemplare.) 

2.  Klein,  Gaa.  Natur  und  Leben.  Zentralorgan  zur  Ver- 
breitung  naturwissenschaftlicher  und  geographischer 
Kenntnisse.    (3  Ex.) 

3.  Koller,  Neueste  Erfindungen  und  Erfahrungen  auf  den 
Gebieten  der  praktischen  Technik,  Elektrotechnik,  der 
Gewerbe,  Industrie,  Chemie,  der  Land-  und  Hauswirt- 
schaft.    (2  Ex.) 

4.  Schwahn,  Himmel  und  Erde.  Iilustrierte  naturwissen- 
schaftliche  Monatsschrift,  herausgegeben  von  der  Ge- 
sellschaft  Urania  in  Berlin.    (2  Ex.) 

6.  Schweiger-Lerchenfeld,  Der  Stein  der  Weisen.  Iilu- 
strierte Halbmonatsschrift  fiir  Haus  und  Familie.  (3  Ex.) 

6.  Witt,  Prometheus.  Iilustrierte  Wochenschrift  iiber  die 
Fortschritte  in  Gewerbe,  Industrie  und  Wissenschaft. 
(3  Ex.) 

7.  Figuier,  La  science  illustree.  Journal  hebdomadaire. 
(1  Ex.) 

8.  Formentin,  Le  Magasin  pittoresque.    (3  Ex.) 


105 


9.  Bibliotheque  universelle  et  Revue  Suisse.    (2  Ex.) 

0.  Potonid,  Naturwissenschaftliche  Wochenschrift.  (4  Ex.) 

1.  Westermanns  illustrierte  deutsche  Monatshefte  fiir  das 
gesamte  geistige  Leben  der  Gegenwart.    (4  Ex.) 

2.  Andree,  Globus.  Illustrierte  Zeitschrift  fur  L&nder- 
und  Valkerkunde.    (3  Ex.) 

3.  Petermanns  Mitteilungen  aus  Justus  Perthes'  geogra- 
pliischer  Anstalt.    Herausgegeben  von  Supan.  (2  Ex.) 

4.  Brix,  Gesundheit.  Hygieinische  und  gesundheits- 
technische  Zeitschrift.    (2  Ex.) 

E>.  Custer,  Schweizerische  Blatter  fiir  Gesundheitspflege. 
Dem  Schweizervolke  gewidmet  von  der  Gesellschaft 
der  Arzte  des  Kantons  Zurich.    (8  Ex.) 

5.  Sandoz,  Feuilles  d'Hygiene  et  de  medecine  populaires. 
(4  Ex.) 

7.  Bottger,  Der  zoologische  Garten.  Zeitschrift  fiir  Be- 
obachtung,  Pflege  und  Zucht  der  Tiere.  Organ  der 
zoologischen  Garten  Deutschlands.    (2  Ex.) 

3.  Stahlecker,  Wild  und  Hund.    (3  Ex.) 

9.  Beck-Corrodi,  Schweizerische  Blatter  fiir  Ornithologie 
und  Kaninchenzucht.    (4  Ex.) 

3.  Brodmann,  Die  Tierwelt.  Zeitung  fiir  Ornithologie, 
Gefliigel-  und  Kaninchenzucht.    (3  Ex.) 

1.  Hennicke,  Frenzel  und  Taschenberg,  Monatsschrifb  des 
deutschen  Vereins  zum  Schutze  der  Vogelwelt.  (2  Ex.) 

2.  Russ,  Die  gefiederte  Welt.  Wochenschrift  fiir  Vogel- 
liebhaber,  -Ziichter  und  -Handler.    (2  Ex.) 

3.  Miiller-Thurgau  und  Lobner,  Der  schweizerische  Garten- 
bau.  Ein  praktischer  Fiihrer  fiir  Gartner,  Garten-  und 
Blumenfreunde.    (4  Ex.) 

4.  Wittmack,  Gartenflora.  Zeitschrift  fiir  Garten-  und 
Blumenkunde.    (2  Ex.) 


106 


26.  Bourguignon,  Revue  hortioole.    (2  Ex.) 

26.  Stebler,  Schweizerische  landwirtschaftliche  Zeitschrift. 
Herausgegeben  vom  schweizerischen  landwirtschaft- 
lichen  Verein.    (3  Ex.) 

27.  Landwirtschaftliches  Jahrbuch  der  Schweiz. 

28.  Miiller-Thurgau  und  Zschokke,  Schweizerische  Zeit- 
schrift  fur  Obst-  und  Weinbau.  Organ  des  schweize- 
rischen Obst-  und  Weinbauvereins,  sowie  der  Ver- 
suchsstation  und  Schule  fiir  Obst-,  Woin-  und  Garten- 
bau  in  Wadenswil.    (4  Ex.) 

29.  Fankhauser,  Schweizerische  Zeitschrift  fiir  das  Forst- 
wesen.  Organ  des  schweizerischen  Forstvereins.  (3  Ex.) 


IV. 

Bericht 

fiber  den  Schriften-Austausch  und  die  Mappenzirkulation 

(1.  Januar  bis  81.  Dezember  1908). 
Vom  Bibliothekar  der  Gesellschaft:  Konservator  E.  Bachler. 

Im  verflossenen  Berichtsjahre  ist  die  Zahl  der  wissen- 
8chaftlichen  Gesellschaften  und  Vereine,  mit  denen  wir 
im  Tauschverkehr  stehen,  wiederum  um  deren  funf  ver- 
mehrt  worden. 

Es  sind  dies: 
Brooklyn,  Museum  of  Arts  and  Sciences. 
Budapest,  Entomologische  Gesellschaft  (Rovartani  La 

Pok). 
Hof  (Bayern),   Nordoberfrankischer  Verein    fur  Natur-, 

Geschichts-  und  Landeskunde. 
Lima  (Peru),  Societad  Geografica  de  Lima. 
Madison   (Wisconsin),   Geological   and   Natural  History 
Survey. 

Von  den  212  Vereinigungen  haben  133  ein  schatzens- 
wertes  Material  von  Berichten  und  Abhandlungen  (248 
Nummern)  mit  unserm  Jahrbuche  ausgetauscht. 

Sehr  wertvolle  Publikationen  sind  als  Geschenk  von 
Preunden  und  Gonnern  unserer  Gesellschaft  eingegangen 
(23  Nummern).  Unser  verbindlichster  Dank  fur  diese 
giitigen  Zuwenduugen  gebiihrt  den  Herren:  Dr.  med. 
E.  Fischer  (Zurich),  Dr.  Fischer-Siegwart  (Zofingen), 
Prof.  Dr.  E.  Gold i  (Para,  Brasilien),  President  W.  Gsell 


108 


(St.Gallen),  Naturforscher  A.  Kaiser  (Berlin),  Prof.  Dr. 
Mayer-Eymar  (Zurich),  Prof.  Dr.  J.  Moo ser  (St.  Gallon), 
Prof.  Dr.  C.  Schroter  und  H.  Spoerri  (Zurich)  und  Dr. 
G.  Stierlin  (Schaffhausen). 

Der  letztjahrige  Bericht  hat  eine  Vermehrung  der  Zeit- 
schriften  fiir  die  wissenschaftliche  Sektion  der  Mappen- 
zirkulation  in  Aussicht  gestellt.    Zu  den  19  bisher  ge- 
haltenen  Schriften  sind  neu  hinzugekommen : 
Rosental,  Biologisches  Zentralblatt, 
Berichte  der  Deutschen  Botanischen  Gesellschaft, 
Mittag-Leffler,  Acta  Mathematica. 

A  lie  drei  haben  sich  bereits  einer  sehr  freundlichen 
Aufnahme  von  Seiten  unserer  Leser  zu  erfreuen  gehabt, 
da  sie  tatsachlich  eine  gewisse  Lticke  in  unserem  Zeit- 
schrif ten  material  ausfiillen. 

Mit  den  im  popularen  Lesekreis  zirkulierenden  Mit- 
teilungen  von  Petermann  sind  schon  in  frliheren  Jahren 
jeweilen  die  separat  erscheinenden  Erganzungshefte 
von  Petermann,  die  einen  spezifisch  wissenschaftlichen 
Charakter  tragen  (grossere  Einzelpublikationen)  angekauft 
worden,  weshalb  wir  dieselben  von  nun  an  in  der  Liste 
der  Zeitschriften  fiir  den  wissenschaftlichen  Lesezirkel 
auffiihren.  —  Jahr  fur  Jahr  ist  auch  das  Landwirt- 
schaftliche  Jahrbuch  der  Schweiz  den  popularen 
Happen  einverleibt  worden. 

Von  verschiedenen  Seiten  wurde  der  Kommission 
unserer  Gesellschaft  nahegelegt,  sie  mochte  mit  der  Zeit 
noch  mehr  als  dies  bisher  geschehen,  darauf  trachten, 
speziell  fur  Studienzwecke  absolut  erforderliche 
wissenschaftliche  Werke  von  grundlegender  Bedeu- 
tung  anschaffen  und  dieselben  jeweils  sofort  der  Stadt- 
bibliothek    „Vadianaa    iibergeben,    da    sie   durch   die 


109 


Mappenzirkulation  leicht  verdorben  werden  konnten.  Die 
Kommis8ion  ist  den  gemachten  Vorschl&gen  von  Anfang 
an  sympathisch  gesinnt  gewesen  und  sind  so  fiir  einmal 
nachfolgende  Werke  zur  Anschaffung  gelangt: 

Rein  eke:  Einleitung  in  die  theoretische  Biologie. 
Fleischmann:  Die  Deszendenztheorie. 

—  Die  Darwinische  Theorie. 

Ho  ernes:  Der  diluviale  Mensch  in  Europa. 
Jerosch:  Geschichte  und  Herkunftder  schweizerischen 

Alpenflora. 
Penk:  Vereisung  der  osterreichischen  Alpenseen. 
Radl:   Untersuchungen  iiber  den  Phototropismus  der 

Tiere. 
Konigsberger:  Hermann  v.  Helmholtz.   3  B&nde. 
Fortschritte  der  praktischen  Geologie.  I.  Bd. 

1893—1902. 
Diiggeli:   Pflanzengeographische  und  wirtschaftliche 
Monographie  des  Sihltales. 
Wiederholt   sind    von   Mitgliedern    der   Gesellschaft, 
welche  sich  mit  naturwissenschaftlichen  Studien  in  unserem 
Vereinsgebiete   beschaftigen,    die   neuen   Handbiicher  fur 
Zoologie,  Botanik,  Mineralogie  und  Geologie  zur  Benutzung 
verlangt   worden    (Boas,    Claus,   Wiedersheim,    Hertwig, 
Verworn;  Strassburger,  Schimper,  Warming,  Drude;Klock- 
mann,  Tschermak,  Credner,  Giimbel,  Giinther  etc.). 

Wenn  es  zwar  nicht  moglich  ist,  alien  Wunschen 
sofort  gerecht  werden  zu  konnen,  so  steht  der  Realisierung 
derselben  absolut  kein  Hindernis  entgegen;  doch  ist  eine 
Verteilung  der  Anschaffungen  auf  mehrere  Jahre  geboten. 
Einen  namhaften  Zuwachs  an  Literatur  hat  die 
populare  Lesemappe  erfahren,  da  die  Klagen  iiber  f  alten 
Lesestoff"   noch   nicht   vollig   verschwunden   sind.     Dasa 


110 


naturgemass  „&ltereru  Stoff  in  Zirkulation  kommt,  l&sst 
sich  nan  ein-  fur  allemal  nicht  &ndern ;  bei  acht  popularen 
Kreisen  kann  eben  nicht  jede  Zeitschrift  in  acht  Exem- 
plaren  gehalten  werden.  Ein  solches  Vorgehen  wurde 
die  Finanzen  der  Gesellschaft  viel  zu  stark  in  Anspruch 
nehmen.  Wir  glauben  aber,  dass  die  Vielseitigkeit 
des  Stoffes  einen  gewissen  Mangel  an  durchwegs  neuester 
Literatur  einigermassen  zu  ersetzen  imstande  ist.  —  Von 
den  teils  einzeln,  teils  in  Lieferungen  erscheinenden 
Schriften,  die  im  Berichtsjahre  fur  die  popularen  Mappen 
auserlesen  wurden,  nennen  wir  hier  die  wichtigsten: 

Kramer:  Weltall  und  Menschheit,  Band  II — IV. 

Meyer:  Die  Naturkrafte.    16  Lief. 

Herzog  Amadeus:  Die  „Stella  Polarea  im  Eismeer. 
12  Lieferungen. 

Cook:  Sudpolarnacht.    12  Lief. 

Sverdrup:  Neues  Land.    32  Lief. 

Marshall:  Tiere  der  Erde.    36.  Lief. 

Brachs:  Das  heimische  Tierleben. 

Sieve rs:  Sud-  und  Mittelamerika.    14  Lief. 

Nansen:  Eskimoleben. 

Weber:  Der  indoaustralische  Archipel  und  die  Ge- 
schichte  seiner  Tierwelt. 

Brenner:  Neue  Spaziergange  durch  das  Himmelszelt. 

Rickli:  Botanische  Reisestudien  auf  Korsika. 

Boltsche:  Von  Sonnen  und  Sonnenstaubchen. 

Klimpert:  Entstehung  und  Entladung  der  Gewitter. 

Illustriertes  Jahrbuch  der  Naturkunde. 

Jahrbuch  der  Weltreisen. 

Wildermann:  Jahrbuch  der  Naturwissenschaften. 

Gautier:  L'annee  scientifique. 

Land  und  Leute.     Monographien :  Am  Rhein. 


Ill 


Kohut:  Justus  Liebig.     Sein  Leben  und  Wirken. 
Haas:  Der  Vulkan. 

Trotz  verschiedener  Anderungen  in  den  Leserlisten, 
vie  solche  jedes  Jahr  vorkommen,  ist  sich  die  Zahl 
ler  Leser  unserer  Mappen  beinahe  gleich  geblieben. 
}ie  betragt  282  (4-  2).  Zur  wissenschafblichen  Sektion 
;ehoren  38  (+  1),  zur  popularen  244  ( -f  1).  In  der  Stadt 
rohnen  175  (+  4),  auf  dem  Lande  107  (—  2). 

Was  den  Gang  der  Zirkulation  anbetrifft,  so  mtissten 
vir  ein  altes  Klagelied  anstimmen :  Mappenanhaufungen, 
ferwechslung  von  Speditionsnummern,  unrichtige  Datum- 
iintragungen,  nachlassige  Spedition,  derobierte  Hefte  und 
liappen.  Dem  erstgenannten  Ubelstande  konnten  wir 
tbermals  nur  dadurch  einigermassen  abhelfen,  dass  wir, 
vie  im  Vorjahre,  sofern  es  durchaus  notig  war,  nur  je 
ille  14  Tage  (statt  alle  7  Tage)  eine  Mappe  in  den  betr. 
liesekreis  versandten.  —  Da  sich  das  griine  Papier  der 
CFmschlage  fur  die  popularen  Zeitschriften  als  sehr  empfind- 
iich  fiir  transpirierende  Hande  und  Finger  erwies,  wurde 
versuchsweise  ein  weniger  heikles  Kolorit  und  ein  etwas 
zaheres  Papier  als  Umschlag  verwendet. 

Im  kommenden  Jahre  soil  auch  die  langst  notwendig 
gewordene  Revision  der  Leserlisten  mit  gleichzeitiger  teil- 
weiser  Anderung  der  Reihenfolge  der  Leser  und  eventuell 
eine  Vermehrung  der  Leserkreise  stattfinden. 


V. 

Akademien  und  Vereine 

mit  welchen 

die  St.  Gallische  Naturwissenschaftliche  Gesellschaft 
in  Tauschverbindung  steht. 


Aarau.     Aargauische  Naturforschende  Gesellschaft. 

Altenburg.    Naturforschende  Gesellschaft  des  Osterlandes. 

Augsburg.    Naturhistorischer  Verein  fur  Schwaben  und  Neuburg. 

Baltimore,    Johns  Hopkins  University. 

Bamberg.    Naturforschende  Gesellschaft. 

Basel.    Naturforschende  Gesellschaft. 

Bautzen.    Naturwissenschaftliche  Gesellschaft  Isis. 

Bergen.     Museum. 

Berlin.     Botanischer  Verein  fur  die  Provinz  Brandenburg. 

—  Deutsche  geologische  Gesellschaft. 

—  Kgl.  preussisches  meteorologisches  Institut. 
Bern.     Naturforschende  Gesellschaft. 

—  Schweizerische  naturforschende  Gesellschaft. 
Bbhmisch-Leipa.     Nordbohmischer  Exkursionsklub. 

Benin.  Naturhistorischer  Verein  der  preussischen  Rheinlande,  West- 

falens  und  des  Regierungsbezirks  Osnabrtick. 
Boston.    American  Academy  of  Arts  and  Sciences. 

—  Society  of  Natural  History. 

—  John  Hopkins  University. 

Braunsberg  (Ostpreussen).   Botanisches  Institut  des  konigl.  Lyceum 

Hosianuni. 
Braunschweig.     Verein   fiir  Naturwissenschaft. 
Bremen.     Meteorologisches  Observatorium. 

—  Naturwissenschaftlicher  Verein. 

Brefilau.     Schlesisrhe  Gesellschaft  fiir  vaterlandische  Kultur. 
Brooklyn.     Institute  of  Arts  and  Sciences. 

—  Museum  of  Arts  and  Sciences. 

Brunn.     K.  k.  mahrische  Landwirtschaftsgesellschaft. 

—  Museum  Francisceum. 


113 


tn.    Naturforschender  Verein. 

Klub  flip  Naturkande. 
wet.  Academic  royale  des  sciences,  des  lettres  et  des  beaux-arts. 

Society  entomologique  de  Belgique. 

Societe  raalacologique  de  Belgique. 

Soci6t6  royale  de  Botanique  de  Belgique. 
%pest.    Regia  Societas  Scientiarum  Naturalium  Hungarica. 

Ungarisches  Nationalmuseum. 

Ungarisclie  ornithologische  Zentrale. 

Rovartani  La  Pok.    Entomologische  Gesellschaft. 
%08-Ai/res.    Museo  nacional. 

Academia  national  de  Sciencias. 

Deutsche  akademische  Vereinigung. 
Wo.    Society  of  Natural  Sciences. 
bridge  (Mass.).    Museum  of  Comparative  Zoology. 
idl  Hill  (North-Carolina).    Elisha  Mitchell  Scientific  Society. 
nnitz.    Naturwissenschaftliche  Gesellschaft. 
bourg.  Societe  nationale  des  sciences  naturelles  et  mathematiques. 
ago.    Academy  of  Sciences. 
\     Naturforschende  Gesellschaft  Graubiindens. 
innati  (Ohio).    Lloyd  Library. 
var.    Naturhistorische  Gesellschaft. 
rado  Springs.    Colorado  College. 
mbtis  (Ohio).     Ohio  State  University. 
loba  (Rep.  Argentina).     Academia  nacional  de  Ciencias. 
zig.    Naturforschende  Gesellschaft. 
mstadt.     Mittelrheinischer  geologischer  Verein. 
enport.    Academy  of  Natural  Sciences. 
ver  (Colo.).    Colorado  Scientific  Society. 
Moines  (Iowa).    Geological  Survey. 

aneschingen.  Verein  fur  Geschichte  und  Naturgeschichte  der  Baar. 
irfew.     Gesellschaft  fiir  Natur-  und  Heilkunde. 
•    Naturwissenschaftliche  Gesellschaft  ,,Isis". 
iin.    Observatory  of  Trinity  College 
kheim  a.  d.  Hardt.  Pollichia,  Naturwissenschaftlicher  Verein  der 

Rheinpfalz. 
irfeld.    Naturwissenschaftlicher  Verein. 
ien.    Naturtbrscliende  Gesellschaft. 
ingtn.     Physikalisch-niedizinische  Societiit. 
renz.     Quarto  Castello,  Osservatorio. 
•nkfurt  a.  M.     Physikalischer  Verein. 


114 


Frankfurt  a.  M.    Senekenbergische  Naturforschende  Gesellschaft. 
Frankfurt  a.  d.  0.   Naturwissenschaftlicher  Verein  des  Regierungs- 

bezirkes  Frankfurt. 
Frauenfeld.    Thurgauisehe  naturforschende  Gesellschaft. 
Freiburg  i.  B.    Naturforschende  Gesellschaft. 
Freiburg  (Schweiz).     Societe  des  sciences  naturelles. 
Fulda.    Verein  fiir  Naturkunde. 
Genf.    Institut  national  genevois. 

—  Societe  botanique. 

—  Societe  de  Physique  et  d'Histoire  naturelle. 

—  Conservatoire  et  Jardin  botanique. 

Gera.     Gesellschaft  von  Freunden  der  Naturwissenschaf  ten. 

Giessen.    Oberhessische  Gesellschaft  fiir  Natur-  und  Heiikunde. 

Giants,     Naturforschende  Gesellschaft. 

Gorlits.     Naturforschende  Gesellschaft. 

Graz.    Naturwissenschaftlicher  Verein  fiir  Steiermark. 

—  Verein  der  Arzte  in  Steiermark. 
Greifswald.     Geographische  Gesellschaft. 

—  Naturwissenschal'tiicher  Verein   von  Neu - Vorpommern  und 

Riigen. 
Gii8trow.    Verein  der  Freunde  der  Naturgeschichte  in  Mecklenburg. 
Haarlem.     Musee  Tayler. 

Halifax  (Nova  Scotia,  Can.).  Nova  Scotia  Institute  of  Natural  Science. 
Halle  a.  tl.  S.   K.  Leop  -Carol.  Deutsche  Akademie  der  Naturforscher. 

—  Naturwissenschaftlicher  Verein  fiir  Sachsen  und  Thuringen. 

—  Verein  fiir  Krdkumle. 

Hamburg.     Naturwissenschaftlicher  Verein. 

—  Verein  fiir  naturwissensehaftliche  Unterhaltung. 

Hanau.     Wetterauische  Gesellschaft  fiir  die  gesamte  Naturkunde. 

Hannover.     Naturliistorische  Gesellschaft. 

Heidelberg.    Naturhistorisch-medizinischer  Verein. 

Helsingfors.     Societas  pro  Fauna  et  Flora  Fennica. 

Hermannstadt.     Siebcnbiirgischer  Verein   fiir  Naturwissenschaften. 

Ho  f  (Bay  om).    Nordoberfriinkischer  Verein  fiir  Natur-,  Geschichts- 

und  Laruleskunde. 
Igla.     Ungarischer  Karpathen -Verein. 
Innsbruck.     Ferdinandeum  fiir  Tirol  und  Vorarlberg. 
Karlsruhe.     Naturwissenschaftlicher  Verein. 
Kassel.     Verein  fiir  Naturkunde. 

Kiel.     Naturwissenschaftlicher  Verein  fiir  Schleswig-Holstein. 
Khigenfurt.     Naturhistorisches  Landesmuseum  von  K  am  ten. 


115 


Kolozvdr  (Klausenburg).     Siebenburgischer  Museum  sverein  (arzt- 

liche  und  naturwissenschaftliche  Abteilung). 
Konigsberg.    Physikalisch-okonomische  Gesellschaft. 
Krefeld.    Verein  fiir  Naturk untie. 
Landshut.    Botanischer  Verein. 
La  Plata  (Rep.  Argentina).    Museo  de  la  Plata. 
Lausanne.    Societe  vaudoise  des  sciences  naturelles. 
Leiden.    Chef-Redaktion  des  botanischen  Zentralblattes,  E.  J.  Brill. 
Leipzig.    Naturforschende  Gesellschaft. 
Liestal.    Naturforschende  Gesellschaft  Baselland. 
Lima.    Societad  Geografica  de  Lima. 
Linz.    Museum  Francisco-Carolinum. 

—  Verein  fiir  Naturkunde  in  Osterreich  ob  der  Enns. 
Liineburg.    Naturwissenschaftlicher  Verein. 

Luxemburg.    Institut  grand-ducal,  section  des  sciences  naturelles 
et  mathematiques. 

—  Verein  Luxemburger  Naturfreunde. 

—  Societe  botanique. 

Luzern.    Naturforschende  Gesellschaft. 

Lyon.    Societe  Linneenne. 

Madison  (Wisconsin).    Academy  of  Sciences,  Arts  and  Letters. 

—  Geological  and  Natural  History  Survey. 
Magdeburg.    Naturwissenschaftlicher  Verein. 

Marburg.    Gesellschaft  zur  Beforderung  der  Naturwissenschaften. 
Meriden  (Conn.).    Scientific  Association. 
Afexiko.    Instituto  geologico  de  Mexico. 
Milwaukee.    Public  Museum. 

—  Wisconsin  Natural  History  Society. 
Minneapolis  (Minnesota).    Academy  of  Natural  Sciences. 
Montana.    University  of  Montana.     Missoula  (Mont.). 
Montevideo.    Museo  Nacionul. 

Moskau.    Societe  Imperiale  des  Naturalistes. 

Miinchen.    Kgl.  bayrische  Akadeinie  der  Wissenschaften. 

—  Ornithologische  Gesellschaft. 

Minister,     West  falise  her    Provin/.ial verein    fiir  Wissenschaft   und 

Kunst. 
Xancg.    Societe  des  sciences. 

Xante*.     Societe  des  sciences  naturelles  de  TOuest  de  la  France. 
Xeittse.     Wissenschaftliche  Gesellschaft  Philomathie. 
Xeuvhatcl.    Societe  des  sciences  naturelles. 

—  Societe  de  Geographie. 


Neu8tadt  a.  d.  H.     Pollichia,  naturwissenschaftlicher  Verein  der 

Rheinpfalz. 
New-Haven  (Connecticut).    Academy  of  Arts  and  Sciences. 
New-York.    Academic  of  Sciences. 

—  American  Museum  of  Natural  History. 

—  American  Mathematical  Society. 
Niirnberg.    Naturhistorische  Gesellschaft. 

Odessa.    Neu-russische  Gesellschaft  der  Naturforscher. 

Offenbach.    Verein  fur  Naturkunde. 

08nabriick.    Naturwissenschaftlicher  Verein. 

Pard  (Brasilien).     Museu  Paraense  de  Historia  natural  e  Ethno- 

graphia. 
Paris.    Jeunes  Naturalistes. 
Passau.    Naturhistorischer  Verein. 
Petersburg.    Hortus  Petropolitanus. 
Philadelphia.    Academy  of  Natural  Sciences. 

—  American  Philosophical  Society. 

—  Wagner  Free  Institute  of  Science. 
Pisa.    Societa  toscana  di  Scienze  Naturali. 

Prog.    Kgl.  bohmische  Gesellschaft  der  Wissenschaften. 

—  „  Lotos",  deutscher  naturwissenschaftlich-medizinischer  Ver- 

ein fur  Boh  men. 
Pressburg.    Verein  fur  Natur-  und  Heilkunde. 
Regensbnrg.    Kgl.  Botanische  Gesellschaft. 

—  Naturwissenschaftlicher  Verein. 
Re.ichenberg  (Bohmen).     Verein  der  Naturfreunde. 
Rio  de  Janeiro.     Museu  nacional. 

Rock  Island  (111).    Augustana  College. 
Rochester  (N.  Y.).     Academy  of  Science. 
Rom.     Accademia  dei  Lincei. 

—  Specola  Vaticana. 

Salem  (Mass.).  American  Association  for  the  Advancement  of  Science. 

—  Essex  Institute. 

Santiago  (Chili).     Societe  scientitique  du  Chili. 
St.  Louis  (Missouri).     Academy  of  Science. 

—  Botanical  Garden. 

Sitten.    Murithienne.  Societe  valaisanne  des  sciences  naturelles. 

Solothurn.     Naturforschende  Gesellschaft. 

Springfield  (111.).     Illinois  State  Laboratory  of  Natural  History. 

Stavanger  (Norwegen).     Museum. 

Stockholm.     Entomologiska  Foreningen. 


117 


Stuttgart.  Verein  fur  vaterlandische  Naturkunde  in  Wiirttemberg. 

Topeka  (Kansas).    Kansas  Academy  of  Science. 

Trencsin  (Ungarn).   Naturwissenschaftlicher  Verein  des  Trencsiner 

Comitates. 
Triest.    Societa  Adriatica  di  Scienze  Naturali. 

—  Museo  civico  di  storia  naturale. 
Tromso.    Museum. 

Tufts  College  (Mass.). 

Vim.    Verein  fur  Mathematik  und  Naturwissenschaften. 

Vpsala.    Kgl.  Universitatsbibliothek. 

Urbana  (111.).    State  Laboratory  of  Natural  History. 

Valparaiso.    Deutscher  wissenschaftlicher  Verein  zu  Santiago  de 

Chile. 
Washington.    Department  of  Agriculture. 

—  Smithsonian  Institution. 

—  U.  S.  Geological  Survey. 

—  U.  S.  National  Museum. 

Wcrnigerode.    Naturwissenschaftlicher  Verein  des  Harzes. 

Wien.    K.  k.  Zentralanstalt  fur  Meteorologie  und  Erdmagnetismus. 

—  Entomologischer  Verein. 

—  K.  k.  geologische  Reichsanstalt. 

—  K.  k.  naturhistorisches  Hofmuseum. 

—  Verein  zur  Verbreitung  naturwissenschaftlicher  Kenntnisse. 

—  Zoologisch-botanische  Gesellschaft. 
Wiesbaden.    Nassauischer  Verein  fur  Naturkunde. 
Winterthur.    Naturwissenschaftliche  Gesellschaft. 
Wiirzburg.    Physikalisch-medizinische  Gesellschaft. 

Zagreb  (Agrain,  Kroatien).    Societas  Historico- Natural  is  Croatica. 
Zurich.    Naturforschende  Gesellschaft. 

—  Schweizerische  botanische  Gesellschaft. 

—  Physikalische  Gesellschaft. 
Zwickau.     Verein  fur  Naturkunde. 


VI. 

Verzeichnis 

der 

vom  i.  Januar  bis  31.  Dezember  1903  eingegangenen 
Druckschriften. 

Zusammengestellt  vom  Bibliothekar  der  Gesellschaf t : 
E.  Bachler. 


A.  Vo n  Gesellschaf  ten  u n d  Behorden. 

Baltimor e.    Johns  Hopkins  University. 

Circulars.     Vol.  XXII,  Nr.  160—164. 
Basel.     Naturforschende  Gesellschaf t. 

Verhandlungen.     Band  XV,  1.  Heft.    Band  XVI. 
Bautzen.     Xaturwissenschaftliche  Gesellschaft  „Isisu . 

Mitteilungen.     1902-1903. 
Bergen.    Museum. 

»S:irs.    An  account  of  the  Crustacea  of  Norway.    Vol.  IV.  Cope- 
poda,  parts  XI-- XIV.     Vol.  V,  parts  I— II. 

Aarbog.     1902.    1903,  1.  und  2. 

Aarsberetning  for  1902. 
Berlin.    Botanischer  Ve rein  fiir  die  Provinz  Brandenburg. 

Verhandlungen.     44.  Jahrgang. 
Berlin.     Deutsche  yeologische  Gesellschaft. 

Zeitschrift.     Band  LIV,  3  und  4.     Band  LV,  1  und  2. 
Berlin.     Kgl.  preussisches  meteor  ologisdies  InstiM. 

Berieht  iiber  die  Tittigkeit  ini  Jahre  1902. 

Ergebnisse  der  Beobachtungen  an  den  Stationen  2.  und  3.  Ord- 
nung  im  Jahre  1898.     Heft  3. 

Ergebnisse  der  Gewitterbeobachtungen  von  1898 — 1900. 

Ergebnisse  der  Niederschlagsbeobachtungen  in  den  Jahren  1899 
und  1900. 

"Regenkarte  der  Provinz  AVestfalen.     1903. 

Regenkarte  der  Provinzen  Hessen-Nassau  und  Rheinlande. 

Jahrbuch  fiir  1902,  Heft  lu.  2;  Preussen  und  benachbarte  Staaten. 


119 


Bern.    Naturforschende  Gesellschaft. 

Mitteilungen  aus  dem  Jahre  1902. 
Bern.    Schweizerische  naturforschende  Gesellschaft. 

Verhandlungen.  85  Jahresversammlung  vom  7.— 10.  September 
in  Genf. 

Compte-rendu  des  travaux  presents  a  la  85roe  session  reunie 
a  Geneve  (7.— 10.  Sept.  1902). 

Materiaux  pour  la  flore  crvptogamique  Suisse.    Vol.  II,  fasc.  1. 
Bbhmisch-Leipa.    Nordbohmischer  Exkursionsklub. 

Mitteilungen.    26.  Jahrgang.  1.— 4.  Heft. 
Bonn.    Naturhistorischer  Verein  der  preussischen  Rheinlandet  Westfalens 
und  des  Begierungsbezirkes  OsnabrUck. 

Verhandlungen.     59.  Jahrgang,  2.  Hiilfte.    60.  Jahrgang  (1903), 
1.  Halfte. 

Sitzungsberichte  der  Niederrhein.  Gesellschaft  fur  Natur-  und 
Heilkunde.    1902,  II  A.  (Bogen  10  und  11),  B  (Bogen  3-5). 
1903,  1.  Halfte,  A.  Bogen  1-3.     B.  Bogen  1-3. 
Boston.    American  Academy  of  Arts  and  Sciences. 

Proceedings.    Vol.  37,  nos.  23;  Vol.  38,  nos.   1-26;  Vol.  39, 
nos.  1-4  (1903). 
Boston.     Society  of  Natural  History. 

Proceedings.    Vol.  30,  nos.  3-7;  Vol.  31.  nos.  1. 

Memoirs.     Vol.  5,  number  8  and  9. 
Braunschweig.    Verein  fUr  Naturwissenschaft. 

9.  Jahresbericht  (1893—1895). 

13.  Jahresbericht  (1901-1903). 
Bremen.    Meteorologisches  Observatorium. 

Jahrbuch,  XIII.  (1902). 
Bremen.     Naiuncissenschaftlich er  Verein . 

Abhandlungen.     Band  XVII,  Heft  2  und  3  :  1903). 
Brooklyn.    Museum  of  Arts  and  Sciences. 

Bulletin,  Nr.  3. 
Brooklyn.     Institute  of  Arts  and  Sciences. 

Cold  spring  harbor  Monographs.  I.  II.  (1903). 
Briinn.    Naturforschender  Verein. 

Verhandlungen.     Band  XL  (1901). 

XX.  Bericht  der  meteorologischen  Kommission. 

Ergebnisse  der  meteorologischen  Beobachtungen  im  Jahre  1900. 
Briinn.    Klub  f&r  Naturkutide. 

Berichte  und  Abhandlungen.     V.  Jahrgang  (1902/03). 


120 


Briissel.    Academic  royale  des  sciences,  des  lettres  et  des  beaux-arts. 

Annuaire.    1903.  (69.  Jahrg.). 

Bulletins.    1902,  6  -12;  1903,  1-8 
Briissel.    Sociiti  entomologique  de  Belgique. 

Memoires.    IX. 

A rm ales.    46.  Jahrgang.    Tome  XLVI. 
Briissel.     SocUte  malacologique  de  Belgique. 

Annales.    XXXVI.  (1901). 
Budapest    Rovartani  La  Pok. 

Entomologische  Monatsschrift.  1902,  1-10;  1903,  1—10. 
Budapest.     TJngarisches  Nationalmuseum. 

Zeitschrift  (Annales).    Vol.  I,  1903,  l&re  et  seconde  partie. 
Budapest.     Ungarische  ornithologische  Zentrale. 

Aquila.      Journal    fiir    Ornithologie.      1902.     Supplementum 
X.  Jahrgang.     (1903.) 
Buenos-  Ay  res.    Museo  national. 

Annales.    Tome  VII,  Serie  2  at,  IV.  Tome  VIII,  1,  entrega  1. 
Buenos- Ayres.    Academia  national  de  Stiencias  en  Cordoba. 

Boletin.    XVII,  entr.  3  a. 
Buenos- Ayres.    Deutsclte  akademische  Vereinigung. 

Verbffentlichungen.     Band  1,  Heft  6  und  7. 
Buffalo.    Society  of  Natural  Sciences. 

Bulletin.    Vol.  VIII.    Nr.  1-3  (1903). 
Cambridge  (Mass.).    Museum  of  Comparative  Zoology. 

Bulletin.    Vol.  XXXVIII.    Vol.  XXXIX,  nos.  5—8.    Vol.  XL, 
nos.  4 — 7.     Vol.  XLII,  nos.  1 — 4. 

Annual  Keport  for  1901—1902. 
Chap  ell  Hill  (Noi-th-Carolina).     Elisha  Mitchell  Scientific  Society. 

Journal.    Vol.  XIX.  Part.  I  und  II.  Vol.  XVIII.  nos.  15  und  16, 
Cherbourg.  Societe  nationale  des  sciences  natureUcs  et  mathematique*. 

Memoires.     Tome  XXXIII.     1902/03,  fasc.  1. 
C  i  n  c  i  n  n  a  t  i  (Oh io) .    Lloyd  Library. 

Bulletin,  Nr.  6  (1903). 
Colorado  Springs.     Colorado  College. 

Studies.    Vol.  X. 
Cordoba  (Rep.  Argentina).    Academia  national  de  Ciencias. 

Boletin.     Tomo  XVII,  entr.  2  a.  (1902). 
Danzig.    Naturforschende  GesellscJiaft. 

Sehriften.     10.  Band,  4.  Heft. 
Darmstadt.    Mittelrheinischer  geologischer  Verein. 

Notizblatt.    IV.  Folge,  28.  Heft  (1902;. 


121 


Denver  (Colo.).    Colorado  Scientific  Society. 

Proceedings.    Vol.  VII,  pag.  55-138  (1903). 
Des  Mo  in  es  (Iowa).     Geological  Survey. 

Annual  Report.     1900,  Vol.  XII. 
Dresden.    Naturwissenschaftliche  Gesellschaft  „Isis". 

Sitzungsberichte  und  Abhandlungen.  1902,  II.  Heft.  1903, 1.  Heft. 
Elberfeld.    Naturwissenschaftlicher  Verein. 

X.  Jahresbericht. 
Km  den.    Naiurforschende  Gesellschaft. 

87.  Jahresbericht.  (1901/02.) 
Erlangen.    Physikalisch-medizinische  Societat. 

Sitzungsberichte.    34.  Heft.    (1902.) 
Frankfurt  a.  M.    Physikalischer  Verein. 

Jahresbericht.    (1901  - 1902.) 
Frankfurt  a.  M.    Senckenbergische  Naiurforschende  Gesellschaft. 

Bericht  fur  1903. 
Frankfurt  a.  d.  0.    NaturwissensihaftlicJier  Verein  des  Regierungs- 
bezirkes  Frankfurt. 

Helios.    20.  Band  (1903;. 
Freiburg  i.  B.    Naturforschende  Gesellschaft. 

Berichte.    XIH.  Band  (1903). 
Freiburg  (Schweiz).     Society  des  sciences  naturelles. 

Memo  ires.     Botanique.     Band  I,  Heft  4  und  5. 

Geologie  und  Geographic.     Band  H,  Heft  3. 
Genf.    Sociite  botanique. 

Extrait  du   bulletin    de   Therbier  Boissier.      Tome  II,  1  -  6 ; 
Tome  HI,  1—6. 

Bulletin.    (1899—1903.)    Nr.  10. 
Genf.     Societe  de  Physique  et  oVHistoire  nalurelle. 

Memoires.    Tome  XXXIV,  fasc.  3. 
Genf.     Conservatoire  et  Jardin  botanique. 

Annuaire.     66m«  annee.  (1902). 
Gera.    Gesellschaft  von  Freunden  der  Naturwissenschaften. 

43.-45.  Jahresbericht  (1900—1902). 
Graz.    NatunoissenschaftlicJier  Verein  fur  Steiermark. 

Mitteiiungen.    Jahrgang  1902. 
Greifsvoald.     Naturwissemcliaftlicher  Verein  von  Neu-Vorponwtern 
und  Biigen. 

Mitteiiungen.     34.  Jahrgang  (1902). 
Gitst  row.    Verein  der  Freunde  der  Naturgeschichte  in  Mecklenburg. 

Archiv.    56.  Jahrg.,  2.  Halfte.    57.  Jahrg.,  1.  Halfte. 


122 


Haarlem.    Musee  Tayler. 

Archives.    Serie  II,  Vol.  VIII,  II -IV—  partie  (1903) 
Halifax  (Nova  Scotia.  Can.).  Nova  Scotia  Institute  of  Natural  Science. 

Proceedings  and  Transactions,  Vol.  X  (1900-1901),  part.  4. 
Halle  a.  d.  S.    K.  Leop. -Carol.  Deutsche  Akademie  der  Naturforscher. 

Leopoldina.    Heft  XXXVIII,  11—12.    Heft  XXXIX,  1-12. 
Halle  a.  d.  S.    Naturunssenschaftl.  Verein  fiir  Sachsen  und  Thuringen. 

Zeitschrift.     75.  Band,  Heft  1—6.     76.  Band,  Heft  1—5. 
Ha mbu rg.    NalurwissenscJiaftlicher  Verein. 

Verhandlungen.     Dritte  Folge.     X  (1902). 

Abhandlungen.     Band  XVII.  XVIII. 
Hanau.    Wetterauische  Gesellschaft  fQr  die  gesamte  Naturkunde. 

Erster  Nachtrag  zum  Katalog  der  Bibliothek.     1902. 
Hermannstadt.    Siebenbiirgischer  Verein  fiir  Naturwissenschaften. 

Verhandlungen  und  Mitteilungen.  I.  und  II.  Band.  Jahrg.  1902. 
Hof  (Bayerri).   Nordoberfrankiseher  Verein  fiir  Natur-,  Geschichts-  und 
Landeskunde. 

Jahrgang  1903. 
Ig  I  o.     Ungarischer  Karpathen  -  Verein . 

Jahrbuch.     30.  Jahrgang  (1903). 
1  n nsbr u c k.     Ferdinandeum  fiir  Tirol  und  Vorarlberg. 

Zeitschrift.     3.  Folge.    47.  Heft  (1903). 
Karlsruhe.    Naturwissenschaftlichcr  Veiein . 

Verhandlungen.     16.  Band  (1902  - 1903). 
Kassel.    Verein  fiir  Naturkunde. 

Abhandlungen  und  Bericht.     XLVI1I  (1902—1903). 
Kiel.     NaturwissenscliaftUcher  Verein  fiir  Sehleswig-Holstein. 

Schriften.     XII.     2.  Heft. 
Klagenfurt.     Naturhistorisches  Landesmusenm  von  Karntcn. 

Carinthia  II.     93.  Jahresbericht.     1903. 
Kolozsvdr  (Klausenburg).     Siebenbiirgischer  Museumsverein  (arztlic** 
und  naturunsscnschaftlii'he  Abteilung). 

Sitzungsberichte.     Naturwissenschaftliche   Abteilung.     Jab^" 
XXVI   (1901).      Jahrg.  iXXVn  (190'%- 
Arztliche  Abteilung.     Jahrg.  XXIV. 
A' o nigsberg.     Physikalisch-bkonom isch c  Gesellschaft. 

Schriften.     43.  Jahrgang.     (1902.) 
Lausanne.    Societc  vaudoise  des  sciences  naturcUes. 

Bulletin.     Nr.  145,  146,  147. 
Lima.     Societad  Geografica  de  Lima. 

Summario.     Tome  XII,  trimester  secundo. 


123 


Linz.    Museum  Francisco-Carol  inum. 

61.  Jahresbericht. 
Linz.    Verein  fiir  Naturkunde  in  Osterreich  oh  der  Knns. 

32.  Jahresbericht  (1903). 
Luxemburg.     Yerein  Luxemburger  Naturfreunde. 

Fauna.     12.  Jahrgang.     (1902.) 
Luxemburg.     Society  botanique. 

Recueil  des  memoires  et  des  travaux.    XV.    (1900 — 1901). 
Madison  (Wisconsin).     Geological  and  Natural  History  Surrey. 

Bulletin.     Nr.  VIII. 
Marburg.     Gesellschaft  zur  Beforderung  der  Natnrwissenschaften. 

Sitzungsberichte.    Jahrgang  1902. 
Mexiko.    Instituto  geologico  de  Mexico. 

Boletin.    Nr.  16  (1902). 
Milwaukee.     Public  Museum. 

Annual  Report.     1902.    (Nineteenth  unci  Twenthieth  A.  R.) 
1903/03  (Twenty-First  A.  R.) 
Milwaukee.    Wisconsin  Natural  History  Society. 

Bulletin.     Vol.  II,  nos  4:  Vol.  Ill,  nos.  1-3. 
Montana.     University  of  Montana.    Missoula  (Mont.). 

Bulletin  Nr.  10. 

Biological  Serie  Nr.  3. 

Studies  Nr.  1—3. 

Quarto  Centennial  Celebration.     (1902.) 
Montevideo.    Museo  nacional. 

Annales.     Tomo  IV,  lay;  2  A  partie  (1902)  I,  1903. 

Tomo  V.  Flora  Uruguay  a;  pag.  I — XL  VIII  (Tomo  II). 
Moskau.     Societe  Imperiale  des  Naturalistes. 

Bulletin.     Annee  1902,  3  und  4.     1903,  1  -3. 
Munch  en.     Kgl.  bayrischc  Akademk  der  Wissenschaften. 

Sitzungsberichte.     1902.  Heft  3-4.     1903,  Hefr  1—3. 
M it nchen.    Ornithologische  Gesellschaft. 

3.  Jahresbericht,     .  1901—1902.) 
Nancy.    Societe  des  sciences. 

Bulletin.     Serie  III,  Tome  III,  fasc.  II— IV. 
Serie  III,  Tome  IV.  fasc  I— II. 
Nantes.     Societe  des  sciences  naturelles  de  VOnest  de  la  France. 

Bulletin.     Deuxieme  Serie.     Tomo  II,  2 — 4,uc  trimestre  (1902). 
New-Haven  (Connecticut \     Academy  of  Arts  and  Sciences. 

Transactions,  Vol.  XI  (Centennial  Volume)  part.  I  — II. 


124 


New-York.    Academy  of  Sciences. 

Annals.    Vol.  XV,  part.  I. 
New-York.    American  Museum  of  Natural  History. 

Bulletin.     Vol.  XVI  (1902). 

Annual  Report.     (1902.) 
Niirnberg.     Naturhistorische  GeseUschaft. 

Abhandlungen.     Band  XV,  Heft  1. 

Jahresbericht.     1901.  1902. 
Osnabriick.    Naiurwissenschaftlichcr  Verein. 

15.  Jahresbericht  (1901  und  1902). 
Para  (Brasilien).  Museu  Paraense  de  Historia  natural  e  Ethnographia. 

Boletim.     Vol.  Ill,  nos.  3  und  4. 
Par  is.    Jeunes  Naturalistes. 

Feuilles.    IV.  serie  Nr.  386—398. 
Par  is.    Societe  gtologujue  de  la  Frame. 

Catalogue  des  publications. 
Petersburg.    Hortus  Petropolitanus. 

Acta.     Tome  XXI,  fasc.  I— II  (1903). 
Philadelphia.    Academy  of  Natural  Sciences. 

Proceedings.     Vol.  LIV  (1902),  part.  1 1 -in. 
Vol.  LV,  part.  I. 
Philadelphia.    American  Philosophical  Society. 

Proceedings.     Vol.  XLH,  nos.  170—173. 
Pisa.     Societa  toscana  di  Scienze  Naturali. 

Processi  verbali.     Vol.  XIII,  pag.  41  -  138. 

Memorie.     Vol.  XIX.     1903. 
Pray.     Kyi.  bohmische  GeseUschaft  der  Wisscmchaften. 

Jahresbericht  fur  1902. 

Sitzungsberichte    inathein.-naturw.  Klasse)  1902. 

Studnicka:  ./Cber  das  farbige  Licht  der  Doppelsterne". 
Prtssbu  rg.     Verein  fiir  Xatur-  und  Heilkunde. 

Verhandlungen.     Jahrgang  1902. 
R e y en sb u r //.     Na t urwissenseh aftlicher  Verein. 

IX.  Heft  fiir  1901  und  1902. 
H  e  i  r  h  e.  nbery  v  Bohme-n }.     Verein  fiir  Xatur freunde. 

Mitteilungeu.     33.  und  34.  Jahrgang. 
Rochester  YY.-IYi.     Academy  of  Science. 

Proceedings.     Vol.  IV  (1903),  pag.  65-136. 
Rom.     Specola  Vaticana. 

Tavole  Graliche  doi  prinzipali  elementi  meteorici  (1895— 1901). 

Estratto  dal  Volume  VI  delle  Publicazioni. 


12B 


Rom.    Accademia  dei  Lined. 

Rendiconti.    Serie  quinta.    Vol.  XL    2°  semestre,  fasc.  11  —12. 

„   XII.    1°        „  „       1-12. 

„  xn.  v     „         „     1-12 

Rendiconti  dell'  adunanza  solenne  del  7  Giugno  1903,  Vol.  II. 

Processi  Verbali,  Vol.  XIII. 
St.  Lou i 8  (Missouri).    Academy  of  Science. 

Transactions.     Vol.  XII.  1 — 8. 
Sit  ten.    Murithienne,  Societe  valaisanne  des  sciences  naturelles. 

Bulletin  des  travaux.     1903  (XXXII). 
Stavanger  (Norwegen).    Museum. 

Aarshefte.     13.  Jahrgang  (1902). 
Stockholm.    Entomologiska  Foreningen. 

Arg.  23  (1902),  Haft  1—4. 

Arg.  24  (1903),  Haft  1—4. 
Stuttgart.    Verein  fiir  vaterldndische  Natnrkunde  in  Wurttemberg. 

Jahreshefte.    59.  Jahrgang  (1903). 

Schutze,  Literaturverzeichnis  II.  (Mineralogische  u.  geologische 
Literatur  von  Wurttemberg  und  Hohenzollern  und  angren- 
zenden  Gebieten.) 
Topeka  (Kansas).    Kansas  Academy  of  Science. 

Transactions.     Vol.  XVIII. 
Triest.    Museo  civico  di  storia  naturale. 

X.  (Vol.  IV  della  serie  nuova)  1903. 
Up  sal  a.    Kgl.  Unirersitatsbibliothek. 

Bulletin  of  the  Geological  Institute.     Vol.  V,  part.  2,  Nr.  10. 
Urbana  (HI.).    State  Laboratory  of  Natural  History. 

Bulletin.    Vol.  V  (1897—1901).    Vol.  VI,  art.  2  (1903). 

Report  of  the  Director.     1899-1900. 
Wa shington.     Smithsonian  Institution. 

Annual  Report  of  the  year  ending  June  30,  1901. 
Washington.    Department  of  the  Interior.    U.  S.  Geological  Survey. 
Twenty-Second  Annual  Report.     1900—1901.  part.  I— IV. 

Twenty-Third  Annual  Report.    (1901—1902.) 

Professional  Papers,  Nos.  1-8. 

Monographs.    Vol.  XLII.     XLIII. 

Bulletin  of  the  United  States  Geological  Survey.  Nos.  195—207. 

Mineral  Ressources  of  the  United  States.    (1901.) 

Water  Supply  and  Irrigation  papers,  Nos.  65 — 79. 
Wien.    K.  k.  Zetttralanstalf  fiir  Meteorologie  und  Erdmagmtismus. 

Jahrbucher.     Neue  Folge.     Band  XXXVIII,  Anhang. 


126 


Wien.    Entomologischcr  Verein. 

Jahresbericht.    XIII  (1902). 
Wien,    K.  k.  geologische  Reich  sanst  alt. 

Jahrbuch.     1901,  Heft  3-4.    1902,  52.  Band,  Heft  2-4.     1903, 
53.  Band,  Heft  1. 

Verhandlungen.     1902,  Heft  16-18.     1903,  Heft  1—15. 
Wien.    Verein  zur  Verbreitung  naturwissenschaftlicher  Kenntnisse. 

Schriften.    43.  Band.     (1902-1903.) 
Wien.    Zoologisch-btfanische  Gesellschift. 

Verhandlungen.     Band  LII  (1902).     Band  LIU  (1903). 
Wiesbaden.     Nassauischer  Verein  filr  Naturkunde. 

Jahrbiicher.     55.  Jahrgang  (1902).     56.  Jahrgang  (1903). 
W i nterthu r.     XaturicLssenschaftliche  Gesellschaft. 

Mitteilungen.     IV.  Band  (1901/02X 
W ii rzbu r g.     Physikalisch-medizin ische  Gesellschaft. 

Sitzungsberichte.     1902,  1—6. 
Zagreb  (Agram,  Kroatien).  Societas  Scientiarum  Naturalium  Croatica. 

Glaanik.     Band  XIV,  erste  und  zweite  Halfte  (1902). 
Band  XV,  erste  Halfte  (1903). 
Zurich.     Natur/orschende  Gesellschaft. 

Vierteljahrsschrift.     47.  Jahrgang,  3.   und  4.  Heft.     48.  Jahr- 
gang, 1.  und  2.  Heft. 

Neujahrsblatt  pro  1903. 
Zurich.    Geologische  Kommission  der  svhweizerischen  naturforschentlen 
Gesellschaft. 

Beitriige  zur  geologischen  Karte  tier  Schweiz. 

Geoterhnisehe  Serie.    II.  Lieferung:  E.  Kissling,  Die  schweize- 
rischen  Molassekohlen  westlieh  der  Reuss. 
Z  ii  rich,     tfchtceizerische  botanische  Gesellschaft. 

Berichte.     Heft  XIII. 
Zurich.     Phgsiknl ische  Gesellschaft. 

.Jahresbericht.  XII.  (1901.) 

Mitteilungen.     (1903.)     Heft  3—5. 
Z\c  i  c  k  a  u.      Verein  fib-  Xaturhmde. 

Jahresbericht.     (1901.) 

B.  Von  einzelnen  (felehrten  und  Freunden  der 
Gesellschaft. 
Berlin.     A.  Kaiser.  Xaturforscher. 

Dr.  Max  Scholler:  Mitteilungen  fiber  ineine  Reise  nach  Aqua- 
turial-Ost-Afrika  und  Uganda  1896—1897.     Band  n. 


127 


Oberhelfenswil.     Hanptmann  Sclimid. 

Schmid,  Das  Zodiakallicht 
Para  (Brasilien).     Prof.  Dr.  Emit  Goldi. 

Goeldi:  Album  de  Aves  Amazonicas,  fasc.  II.  Estampas  13-24. 

—  Estudos  sobre  o  desenvolviments  da  araiagao  dos  Veados. 

Galheiros    do   Brasil    (Cervus  paludosus,   C.   campestris, 
C.  Wiegwanni). 

—  Almanach  Popular  Brazileiro  190.3. 

—  Ornithological    Results   of   an    expedition    up   the   Capim 

River,  State  of  Park.     1903,  pag.  471—500,  630-632. 
Hann:  Zur  Meteorologie  des  Aquators.     Nach  den  Beobach- 
tungen  am  Museum  Goeldi  in  Park 
St.  G alien.    l*riisident  W.  Gsell. 

X.  Jaliresbericht   der  Versuchsstation    der  Schule   fiir  Obst-, 
Wein-  und  Garten bau  in  Wadenswil  1899/1900.     (4  Ex.) 
St.  Gal  I  en.     Prof.  Dr.  J.  Mooser. 

TheoriederEntstehungdesSonnensystems  (eine  mathematische 
Behandlung  der  Kant-Laplace'schen  Nebularhypothese). 
St.  G alien.     Wildparkkommission. 

Jahresbericht,     (1902.) 
Schaffhau8en.    Dr.  G.  Siierlin. 

Mitteilungen    der   Schweizerischen    Entomologischen   Gesell- 
schaft.     Vol.  X,  Heft  10  (1903).     Vol.  XI,  Heft  1  (1903). 
Z U rich.     Dr.  med.  E.  Fischer. 

E.Fischer :  Experimentelle  Untersuchungen  uber  die  Vererbung 
erworbener  Eigenschaften. 

—  Experimentelle  kritische   Untersuchungen  iiber  das  pro- 

zentuale  Auftreten  der  durch   tiefe  Kalte  erzeugten  Va- 
nessen-Aberrationen. 

—  Drei  neue  Formen  aus  der  Gruppe  der  Vanessiden. 

—  Zum  Gehors-Vermogen  bei  Raupen. 

—  Weitere  Untersuchungen  liber  die  Vererbung  erworbener 

Eigenschaften. 

—  Lepidopterologische  Experimentulforschungen.     I — III. 

—  tjber.  die  Begattung  der  Vanessen. 
Zii rich.     Prof.  Dr.  Mayer- Eymar. 

Mayer- Eymar:  Sur  le  Hyscli  et  en  particulier  sur  le  flysch  de 

Biarritz. 
Zurich.     Prof.  Dr.  C.  Schrbter  und  H,  Sporri. 

Sporri,  H. :  Die  Verwendung  des  Bambus  in  Japan  und  Katalog 

der  Spurri'schen  Bambussammlung. 


128 


Ziirich.    Prof.  Dr.  C.  Schrbter. 

Henry  Loceron :  La  repartition  verticale  du  Plancton  dans  le 

lac  de  Zurich. 
Bibliotbeca  Bo  tallica.    Giinthart:  Beitrage  zur  Bliitenbiologie 
der  Cruciferen,  Crassulaceen  und  der  Gattung  Saxifragn. 
Zofingen.    Dr.  Fischer-Siegwart. 

Fischer-Siegwart :  Ornithologische  Studien  am  Sempachersee. 


VII. 

Bericht 

uber 

das  naturhistorische  Museum,  die  botanischen  Anlagen, 
die  Voltere  und  den  Parkweiher. 

Von  Konservator  E.  B&chler. 


Iin  vorjahrigen  Bericht  uber  die  Entwicklung  der 
naturhistorischen  Sammlungen  unseres  Museums  haben 
wir  der  freudigen  Hoffnung  Raum  gegeben,  das  Andenken 
an  unsern  hochverdienten  Herrn  Direktor  Dr.  Wartmann 
sel.  mochte  gerade  darin  einen  sprechenden  Ausdruck 
linden,  dass  die  angestammten  Freunde  des  Museums 
demselben  auch  feruerhin  ihre  voile  Gewogenheit  erhalten. 
dass  manche  neue  Gonner  unsere  im  Sinne  und  Geiste 
des  lieben  Heimgegangenen  gehaltenen  Bestrebungen  mit 
vereinter  Kraft  untersttitzen  werden. 

Unsere  Hoffnung  ist  voll  und  ganz  in  Erfiillung  ge- 
gangen ;  wir  freuen  uns,  schon  eingangs  auf  den  reichen 
Zuwachs  hindeuten  zu  dtirfen,  den  beinahe  alle  Spezial- 
kollektionen  unserer  Sammlungen  erfahren  haben,  teils 
durch  Schenkungen,  teils  durch  Anschaffungen,  welche 
uns  die  Munifizenz  der  loblichen  Verwaltungsbehorde  er- 
moglichte.  Allen  Gebern  sei  an  dieser  Stelle  der  herz- 
lichste  Dank  ausgesprochen.  Mogen  sie  auch  davon  iiber- 
zeugt  sein,  dass  die  Schatze  unserer  Sammlungen  kein 
totes  Kapital  bedeuten,  sondern  dass  sie,  mit  der  richtigea 


130 


Interpretation  versehen,  von  wissenschaftlichem  und  geist- 
bildendem  Werte  sind. 

Hal  ten  wir  Umschau  in  der  ZOOlogischen  Abteilung! 

Sozusagen  den  geringsten  Zuwachs  hat  die  Gruppe 
der  Saugetiere  zu  verzeichnen,  einerseits  weil  die  An- 
gebote  von  uns  noch  fehlenden  Typen  sehr  sparliche  und 
nichtkonvenierende  gewesen  sind,  anderseits  die  An- 
schaffungen  wahrend  des  Berichtsjahres  sich  mehr  auf  die 
entomologische  Sammlung  konzentrierten,  da  in  letzterer 
empfindliche  Liicken  auszufullen  waren.  Immerhin  diirfteD 
uns  bereits  die  koininenden  Monate  in  den  Besitz  eines 
schon  langst  auf  der  Desideratenliste  figurierenden  Ob- 
jektes  bringen,  nainlich  eines  Gnu. 

Die  Hinterlassenen  un seres  Herrn  Direktor  Wart- 
inann  sel.,  Herr  Dr.  med.  Th.  Wartmann  und  Fraulein 
J.  Wartmann,  vergabten  zum  Andenken  an  den  Ver- 
storbenen  die  Suinine  von  300  Franken  zur  Anschaffung 
eines  grossern  Sammlungsstuckes.  Mit  dem  genannten 
Betrage  wurde  nun  auch  jene  der  naturwissenschaftlichen 
Gesellschaft  zugedachte  gleichartige  Schenkung  verschmol- 
zen,  urn  aus  der  Gesamtsumme  ein  noch  von  dem  lieben 
Verstorbenen  fiir  unser  Museum  gewiinschte9  Gnu  anzu- 
kaufen. 

Wir  verdanken  an  dieser  Stelle  die  Testation  aufs 
warmste  und  hegen  die  Uberzeugung,  das9  das  betreffende 
Sammlungsobjekt  in  jeder  Hinsicht  zu  den  Zierden  unseres 
Museums  gehore. 

Von  der  7,Linn&au  in  Berlin  bezogen  wir  ein  cha- 
rakteristisches  anatomisches  Praparat  der  Wan  der  rat  te 
iMus  decuman  us),  welches  speziell  die  Organe  der 
Atmung,  des  Blutumlaufes  und  der  Ernahrung  des  be- 
trelfenden  Tieres  veranschaulicht. 


131 


Herr  Pr&parator  Zollikofer  ist  seiner  bekannten 
Generositat  dem  Museum  gegeniiber  treu  geblieben.  Nicht 
nur  trachtete  er  stets  danach,  nainentlich  fehlende  ein- 
heirnische  Spezies  aufzutreiben,  sondern  seinen  unaus- 
gesetzten  Bemiihungen  ist  es  zuzuschreiben,  wenn  die 
Sammlungen  durch  Raritaten,  die  Herrn  Zollikofer  zur 
Preparation  iibergeben  werden,  Bereicherung  finden.  Von 
ihm  stammen  als  Geschenke:  Weibchen  der  Ohrfleder- 
rnau8  (Plecotus  auritus)  von  Thaingen,  Kanton  Schaff- 
hausen  (^23.  XI.  02),  welches  Exemplar  heute  dem  c?  von 
Roggwil  (Thurgau)  Gesellschaft  leistet;  ferner:  Alpen- 
spitzmaus  (Sorex  alpinus),  Weibchen,  von  der  Widder- 
alp  am  Santis  (26.  VIII.  02).  Ein  junges  Murmeltier 
(Arctomys  marmotta),  das  bei  Weisstannen  im 
St.  Galler  Oberlande  (Juli)  erwischt  wurde,  dedizierte 
Herr  Posthalter  Schmon  in  Mels.  Der  Kollektion  von 
Aberrationen  in  der  heimischen  Saugetierwelt  iiber- 
machte  Herr  Praparator  Zollikofer  einen  totalen  Albino 
der  Hausspitzmaus  (Leucodon  araneus).  Das 
am  26.  IX.  02  bei  Moosburg  (Gossau)  gefangene  Tierchen 
war  trachtig  gewesen  und  besass  6  Embryonen. 

Neben  dem  Neste  einer  Haselmaus  (Myoxus 
avellanarius),  welches  nachtraglich  sehr  wahrschein- 
lich  die  Wohnstatte  eines  kleinen  Vogels  wurde  (Do- 
nator :  Herr  Gartnereibesitzer  Kessler-Steiger)  fiihren 
wir  noch  den  Schadel  eines  Negersklaven  von 
der  Insel  Porte  Island  (nahe  Freetown,  Sierra  Leone) 
an  der  AVestkuste  Afrikas  auf ;  derselbe  ist  ein  Geschenk 
von  Herrn  J.  Krapf  in  St.  Gallen. 

Recht  schone  Fortschritte  weist  die  Vogelsammlung 
auf,  sowohl  jene,  welche  die  ausserschweizerischen  Ver- 
treter  der  Ornis,  als  auch  jene,  die  die  Inlander  beheibst^ 


132 


Unsere  Paradiesvogel  bilden  allmahlich  ein  interessantes 
Schausttick  der  allgemeinen  Kollektion.  Unter  den  neuen 
Erwerbungen  sind  als  willkommenste  Erg&nzungen  zu 
betrachten:  Manucodia  comrii,  cf»  der  grosste  der 
Gattung  Gottervogel.  Er  zeigt  in  seinem  ganzen  Ban  so 
recht  den  tjbergang,  beziehungsweise  die  nahe  Verwandt- 
schaft  der  Paradisier  zu  den  Raben.  Drepanornis 
cervinicauda  (<?  u.  9)  un(i  Dr.  Bruyinii  (cf  u.  9) 
besitzen  beide  einen  langen  gebogenen  Schnabel;  tlber- 
dies  sind  die  Mannchen  mit  zahlreichen  herrlichen,  an 
den  Federspitzen  in  den  schonsten  Metallfarben  erglanzen- 
den  facherartigen  Brustschmuckfedern  versehen.  Zur 
Gruppe der  kleinern Paradiesvogel  gehort Xanthomelas 
aureus.  Das  kiirzlich  erworbene  Exemplar  tragt  ein 
leuchtend  orangefarbenes  Gefieder;  sodann  erheben  sich 
an  der  Stirn  des  Mannchens  kurze  biirstenartige  Federn 
und  schliesslich  tragt  es  einen  verhaltnismassig  grossen 
dunkelorangenen,  aus  zerschlissenen  Federn  bestehenden 
Halskragen.  Wahrend  die  genannten  Paradisier  ausschliess- 
lich  in  Neu-Guinea  heimatberechtigt  sind,  kommt  ein 
anderer,  namlich  Chlamydera  cerviniventris,  cf» 
auch  auf  der  Kap  York-Halbinsel  in  Nordaustralien  vor. 
Er  gehort  zu  den  von  den  neuern  System atikern  zu  den 
Paradiesvogeln  gezogenen  Laubenvogeln ,  einer  eigen- 
ttinilichen  Gruppe,  welehe  ausser  dem  Neste  noch  sogen. 
Spiellauben  baut  und  Tanzplatze  zu  allerlei  Kurzweil  und 
Allotria  anlegt. 

Leider  entsprach  der  uns  zur  Ansicht  eingesandte 
seltenste  und  zugleich  merkwurdigste  Paradiesvogel, 
Pteridophora  Albertii,  dessen  Weibchen  noch  gar 
nicht  bekannt  ist,  von  welchem  das  Mannchen,  das  kaum 
Dohlengrosse  hat  und  durchaus  ohne  exquisites  Gefieder 


133 


ist,  dagegen  auf  dem  Kopfe  zwei  machtige,  aus  blauen 
Emailschildern  zusamniengesetzte  Horner  besitzt,  unsern 
Anforderungen  nicht.  Es  war  ein  Mixtum  compositum. 
Trotz  des  begreiflicherweise  sehr  hohen  Preises  der  be- 
treffenden  Spezies  sollten  wir  doch  in  absehbarer  Zeit  den 
Kauf  dieser  immer  seltener  werdenden  Raritat  verwirk- 
lichen.  Es  ist  eben  doch  fraglich,  ob  die  weitere  Er- 
schliessung  Neu-Guineas,  obschon  mit  derselben  die  Ent- 
deckung  neuer  Formen  Hand  in  Hand  geht,  gerade  die 
Pteridophoragattung  beziehungsweise  Spezies  noch  Zu- 
zitgler  bekommt. 

Dass  wir  nach  langern  Nachforschungen  urn  einen 
billigen  Preis  in  den  Besitz  zweier  Prachtexemplare  (cT 
u.  9)  der  Lapplandseule  (Syrniuin  lapponicum) 
gelangten,  sind  wir  Herrn  Praparator  Zollikofer  besonders 
verpflichtet.  Er  hat  die  Balge  mit  solcher  Meisterschaft 
behandelt,  dass  dieselben  heute  den  schonstpraparierten 
Objekten  unserer  Sammlung  den  Rang  streitig  machen. 
Die  Lapplandseule  ist  in  Ostsibirien  nicht  selten,  kommt 
aber  vom  nordlichen  Asien  bis  in  den  Norden  Europas 
und  gelangt  ab  und  zu,  namentlich  bei  heftiger  Kalte 
und  Schneewetter,  tiber  die  Ostsee  audi  nach  Norddeutsch- 
land.  Selbst  in  der  Gegend  von  Breslau  soil  sie  schon 
gesehen  worden  sein.  An  Grosse  iibertrifft  sie  ausser 
dem  Uhu  alle  einheimischen  Eulen.  In  Farbe  und  Zeich- 
nung  gleicht  die  Lapplandseule  am  meisten  dem  Wald- 
kauz,  erscheint  aber  stets  in  hellerem,  d.  h.  mehr  grauem 
Farbenton  und  ist  auch  bedeutend  schlanker.  Die  un- 
gemein  reiche  Befiederung,  welche  sehr  locker  vom  Korper 
absteht,  lasst  sich  so  weich  anfuhlen,  als  griffe  die  Hand 
in  lose  aufgehaufte  Baumwolle.  Ausserordentlich  cha- 
rakteristisch  prasentieren  sich  die  sehr  breiten,  dunklen 


134 

Schaftstriche  der  weissberandeten  Federn  des  Vorder- 
und  Unterkorpers,  sowie  der  grosse,  schleierartige,  axis 
konzentrischen  Federkreisen  bestehende  Kranz  um  die 
kleinen  Augen,  des9en  schwarze  und  weisse  Querbande- 
rung  einen  eigenartigen  Kontrast  zur  Langsstreifung  des 
tibrigen  Gefieders  bildet.  Unser  Paar  stammt  aus  Finn- 
land  (4.  III.  03). 

Nicht  weniger  willkomtnen  sind  uns  die  mancherlei 
Geschenke  aus  den  Gruppen  der  exotischen  und  der  ein- 
heimischen  Befiederten.  Die  Ornithologische  Ge- 
sellscliaft,  welche  uns  alle  in  der  Voliere  und  im 
Parkweiher  mit  Tod  abgehenden  Insassen  zu  freier  Dis- 
position stellt,  spendete  ein  tadelloses  Weibchen  eines 
Fasaiis  (Phasianus  Reevesii),  Heimat:  Central- 
China,  ferner  zwei  kleinere  Papageien:  den  Blaubauch- 
keilschwanzlori  (Trichoglossus  novae  Hollan- 
diae),   Heimat:  Australien. 

Ebenso  gerne  nahmen  wir  ein  Dunenjunges  der 
B  r  a  u  t  e  n  t  o  ( A  i  x  sponsa)  entgegen,  sowie  endlich  Fuss 
und  Sehnabel  des  weissen  Loffelreihers  (Platalea 
leucorodius).  Letztere  beiden  Praparate  sollen  Ver- 
wendung  findon  fur  eine  Spezialzusammenstellung  der 
Fiisse  und  Sehnabel  unserer  wichtigsten  Vogelfamilien. 
Einen  kleinen  Exoten  erhielt  das  Museum  von  Herrn 
Fabrikbesitzer  Oskar  Wegelin  in  Hofstetten.  Wiederum 
zahlen  die  Dedikationen  des  Herrn  Praparator  Zolli- 
kofer  zum  Belaugreichsten,  was  der  Sammlung  zuge- 
flossen,  so  z.  B.  eine  Gar  ten  a  mm  er  (Emberiza  hor- 
tulana),  9,  von  Ziiberwangen  bei  Wil  (1.  V.  02);  ein 
gehaubtor  Steissfuss  (Podiceps  cristatas)  ira 
Dunonkleid,  gesohossen  am  Untersee,  bei  Ermatingen 
(10.  IX.  02).   Mit  diesem  Belege  verfugt  das  Museum  iiber 


135 


eine  sozusagen  vollstandige  Serie  jener  interessanten 
Stadien,  in  denen  die  Jungen  des  Haubensteissfuss  noch 
die  iiberaus  hubsche  Langsstreifung  an  Kopf  und  Hals 
aufweisen.  Unser  Plan,  aus  jeder  Vogelgruppe  der  ein- 
heimischen  Tierwelt  wenigstens  einen  Reprasentanten  in 
fliegender  Position  aufstellen  zu  lassen,  am  dadurch 
das  so  typische  „Flugbild"  derselben  zu  demonstrieren, 
hat  durch  Herrn  Praparator  Zollikofer  die  lebhafteste 
Unterstiitzung  gefunden;  mit  einer  "Wildente  (Anas 
boschas),  einem  cT  im  Ubergang  vom  Sommer-(Jugend-) 
kleid  ins  Winter-  oder  Hochzeitskleid,  sowie  mit  dem 
obenerwabnten  Keilschwanzlori  ist  denn  auch  bereits  ein 
Anfang  gemacht. 

Aus  dem  Nachlasse  des  Herrn  Kaufmann  Beutter- 
Be utter  iiberliessen  uns  die  Hinterbliebenen  in  freund- 
lichster  "Weise  eine  reichbaltige  Kollektion  fur  unser 
Museum  sehr  brauchbarer  Objekte.  Unter  diesen  befinden 
sich  mehrere  gut  montierte  Distelfinken  (Fringilla 
carduelis),  sowie  ein  grosser  Wiirger  (Lanius 
excubitor). 

Besonderes  Interesse  beanspruchten  von  jeher  die 
Aberrationen  innerhalb  der  einheimischen  Vogelwelt. 
"Wir  sind  im  Falle,  aucb  dieses  Jahr  einiger  sehr  wert- 
voller  Qeschenke  des  Herrn  Zollikofer  Erwahnung  zu 
tun.  Es  ist  eine  bekannte  Tatsache,  dass  die  Farben  des 
Grunspechtes  (Picus  viridis)  im  Sommer  leicht 
etwas  verbleichen,  wobei  das  Grtin  in  ein  spezifiscbes  Gelb- 
lich  iibergeht.  Bei  einem  Exemplar,  9?  das  aus  dem  Val 
Tazzino  bei  Lugano  (16.  X.  02)  stammt,  von  wo  es  Herr 
Praparator  Ghidini  in  Lugano  erhielt,  besitzt  das  im 
ganzen  normal  gefarbte  Tier  fiinf  Flligeldeckfedern  der 
zweituntersten   Reihe    des   linken  Fltigels,    welcbe   ganz 


136 


hellgelb,  beinahe  weissgelb  sind.  —  Beim  Schwarz- 
specht  (Pious  martius),  dein  grossten  unserer  ge- 
fiederten  „Waldzimmerleuteu,  kennt  man  ebenfalls  eine 
Abbleichung  der  schwarzen  oder  ganz  dunkelbraunen 
Federfarbe,  so  dass  letztere  namentlich  im  Sommer  oft 
beinahe  einen  Stich  ins  Rauchfahle  erh&lt.  Das  Geschenk 
des  Herrn  Zollikofer  kommt  von  Hauptwil  (Thurgau), 
6.  I.  03,  und  weist  eine  ausgesprochene  Braunfarbung 
auf.  Diese  erstreckt  sioh  beidseitig  namentlich  auf  die 
hintere  Korperpartie.  Fliigel  und  Flugeldeckfedern  werden 
gegen  hinten  immer  heller.  An  dieser  Braunkolorierung 
partizipieren  aber  vor  allem  auch  die  weichen,  zer- 
schlissenen  Federn  der  Unterseite  und  zu  den  Seiten  des 
Leibes.  Wahrend  die  vordere  Region  nur  wenig  heller 
als  bei  Normalexemplaren  ist,  sind  die  den  karmesinroten 
Scheitelschopf  umgebenden  Federn  ebenfalls  stark  ge- 
braunt. 

Geradezu  als  grosse  Raritat  miissen  wir  einen  par- 
tiellen  Albino,  ein  Weibchen  des  Steinhuhns  (Cac- 
cabis  saxatilis),  namhaft  machen,  der  am  21.  IX.  02 
auf  Alp  Narraus,  Gemeinde  Flims  (Bunden),  erlegt  wurde. 
Da  wir  das  herrliche  Objekt  in  einer  Fachzeitschrift  aus- 
fuhrlicher  behandeln  werden,  konnen  wir  uns  hier  auf 
eine  gedrangte  Diagnostizierung  beschranken.  Die  dunkel- 
aschgi-aublaue  Farbung  des  Normaltieres  (Scheitel,  Genickr 
Hinterhals,  Riicken  bis  zu  den  Oberschwanzdeckfedern 
und  den  beiden  Schwanzfedern)  sowie  das  Schmutzig- 
purpurrot  des  Oberriickens  sind  bei  unserm  Partialalbino 
hellaschgrau  bis  blaulich,  mit  einem  eigenttim lichen 
Schimmer,  der  auf  dem  Ganzen  ruht.  Nur  die  seitlichen 
Schwanzfedern  besitzen  noch  den  rotlichen  Ton  ihrer 
ur8prlinglichen  rostbraunen  Nuance.    Das  Tiefschwarz  der 


137 


Stirne,  der  Schnabelwurzel  and  des  unsere  Spezies  aus- 
zeichnenden  Bandes,  das  von  letztern  tiber  Zugel  und 
Ohr  an  den  Seiten  des  Kopfes  bis  zum  Kropf  verl&uft 
und  sich  dort  mit  dem  korrespondierenden  der  andern 
Korperseite  verbindet,  ist  in  der  Farbe  etwas  bestimmter, 
dunkler  gehalten  als  die  eben  geschilderte  anormale  hell- 
graublaue  Farbung.  Ganz  intakt  erhalten  hat  sich  die 
Zeichnung;  sie  ist  iiberall  noch  seharf  markiert;  ja  es  ist 
sogar  moglich,  noch  den  Geschlechtsunterschied  nach  der 
Begrenzung  jenes  Bandes  zu  konstatieren.  Insbesondere 
kennzeichnet  sich  auch  die  dem  Steinhuhn  zur  grossten 
Zierde  gereichende  Banderung  der  Tragfedern  seitlich 
der  untern  Korperhalfte.  Den  normalen  Farben  dieser 
Bander  (vom  Grande  der  Feder  an  gezahlt):  graublau, 
schwarz,  hellbraun,  schwarz,  dunkelrostbraun  —  ent- 
sprechen  bei  unserer  Abnormitat  nacheinander:  hell- 
aschgraublau,  dunkelgrau,  weisslichgelb,  dunkelgrau,  fahl- 
gelb.  Naumann,  Naturgeschichte  der  Vogel  Mitteleuropas 
(Bd.  VI,  Jubilaumsausgabe),  spricht  von  einer  blassen 
Spielart  des  Steinhuhns  und  nennt  als  grosste  Seiten- 
heit  eine  reinweisse  Abart;  dagegen  ist  von  einem 
Exemplar,  das  dem  vorliegenden  entsprechen  wiirde, 
keinerlei  Notiz  vorhanden.  —  Endlich  melden  wir  ein 
jnnges  Mannchen  des  gemeinen  Stares  (Sturnus 
vulgaris)  von  Bregenz  (1902)  im  "Qbergangskleid  vom 
Jugend-  ins  Alterskleid,  mit  teilweiser  albinotischer  Far- 
bung.  Kopf  und  Hals  bis  beinahe  auf  die  Brust  hinunter 
erscheinen  noch  ganz  im  jugendlich  dunkelgraubraunen 
Kolorit,  wahrend  die  hintere  Korperhalfte  bereits  die 
typische  griine  Metallfarbung  und  die  weissbespitzten 
Federn  des  erwachsenen  Vogels  aufweist.  Der  Albinismus 
dehnt  sich  tiber  den  hintern  Abschnitt  der  Handschwingen 


138 


(beidseitig)  sowie  auf  einzelne  der  Schwanzfedern  und 
Oberschwanzdeckfedern  aus.  Erstere  sind  vom  Grunde  an 
reinweiss.  [Anmerkung:  cf  =  abgekiirztes  Zeichen  far 
Mannchen;  9  ==  Weibchen.] 

Eier  wurden  im  Berichtsjahre  keine  angekauft;  da- 
gegen  erhielten  wir  mehrere  Qeschenke,  so  von  Herrn 
Dr.  med.  Th.  Wart  man  n  und  aus  der  Kanarienztichterei 
des  Herrn  Chr.  Monti  gel  in  St.  Gallen.  Ein  Amselnest 
ging  von  Herrn  Pfeiffer,  Kustos  der  ethnographischen 
Sammlungen,  das  Nest  eines  Webervogels  von  der 
Ostschweizerischen  geograph.-kommerziellen 
Gesellschaft  ein. 

Die  vielfach  gemachte  Beobachtung,  dass  Jung  und 
Alt  eine  ruhrende  Aufmerksamkeit  der  Eier-  und  Nester- 
saramlung  zu  teil  werden  lassen,  bestarkt  uns  in  dem 
Vorhaben,  diese  noch  aufs  tunlichste  zu  vergrossern. 
Momentan  fehlt  zwar  jeglicher  Platz  fur  die  Aufstellung 
einer  einigermassen  vollstandigen  Eiersammlung  der  ein- 
heiraischen  Vogel;  es  mangeln  aber  auch  noch  sehr  viele 
Typen  von  Eiern,  welche  fur  ein  allgemeines  Publikum 
sichtbar  gemacht  werden  sollten.  Da  die  Objekte  sehr 
lichterapfindlich  sind  und  die  Farben  abbleichen,  so 
diirfte  unter  keinen  Umstanden  die  hochst  wertvolle  Eier- 
sammlung von  Dr.  Stolker  zur  Ausfullung  der  besagten 
Liicke  herangezogen  werden.  Jenes  Material  von  Stolker 
soil  in  erstor  Linie  wissenschaftlichen  Zwecken  dienen, 
insbesondere  der  Vergleichung,  die  bei  Eiern  bekanntlich 
zur  Diagnose  unentbehrlich  ist.  Den  Katalog  iiber  die 
Eier  hat  Ihr  Berichterstatter  analog  jenem  der  allgemeinen 
Vogelkollektion  angelegt.  urn  denselben  fiir  Jahre  hinaus 
gebrauchen  zu  konnen.  Er  wird  ca.  1000  Seiten  urafassen 
und  im  Laufe  dieses  Winters  fertig  erstellt  sein. 


139 


TJbersehen  wir  die  Gruppe  der  Reptilien  und 
phibien  mit  Bezug  auf  ihren  Zuwachs.  Letzterer 
«ht,  vom  Ankauf  einer  europaischen  Sumpf-  oder 
chschildkrote  (Emys  europsea)  abgesehen, 
she  sich  in  der  Gegend  von  Eggersriet  im  Freien 
'ehalten,  durchwegs  aus  Schenkungen.  —  Mit  be- 
lerer  Genugtuung  raachen  wir  aufmerksain  anf  ein 
•  ansehnliches  Geschenk  eines  jungen,  strebsamen 
Jailers.  Herr  Severin  Engeler  (Sohn  des  Herrn 
dwirt  Engeler  in  Morschwil),  welcher  in  einer  Kaut- 
ikfaktorei  am  obern  Amazonenstrom,  an  der  Grenze 
Brasilien  und  Peru,  als  leitende  Person  betatigt  ist, 
welcher  daselbst  eine  Menge  von  naturhistorischen 
skten  selbst  gesammelt  hat,  bra  elite  dieselben  anlass- 
seiner  Rtiekreise  nacli  St.  Gallen  bezw.  Morschwil 
Zwecke  eines  kurzen  Besuches,  dem  heirnatlichen 
eum  mit.  In  erster  Linie  seien  neben  vier  ganz  jungen, 
kurz  dem  Ei  entschlupften  Brillenkaimans  oder 
gators,  Jacari  (Alligator  sclerops)  und  einem  Ei 
elben  das  vollig  intakte.  gut  praparierte  Kopfskelett 
ftdel)  und  die  Bauchpanzerplatten  der  namlichen  Spe- 
,  eines  grossen  Exemplars,  erwahnt.  Die  zuletzt  ge- 
iten  Objekte  standen  schon  langst  auf  unserer  De- 
ratenliste. 

In  freundlichster  Weise  bedachte  uns  audi  Herr  Kauf- 
n  H  ein  rich  Guggenbiihl  in  Guatemala,  welchem 
zum  dritten  Male  unter  den  im  Auslande  wohnenden 
nern  des  Museums  begegnen.  mit  recht  wertvollen 
irgegen stan den,  so  u.  a.  mit  mehreren  mittelameri- 
schen  Vertretern  aus  den  Gruppen  der  Eidechsen, 
. leichen  und  Frosche.  —  Unser  Aufruf  an  die 
remden  Erdgegenden  weilenden  St.  Galler  mSge  auch 


140 


weiterhin  einen  deni  Museum  gunstigen  Widerhall  finden; 
wir  sind  fur  alle  Gaben  sehr  dankbar.  —  Manche  schatzens- 
werte  Objekte  hat  seit  Jahren  Herr  Gartnereibesitzer 
Kessler-Steiger  in  hier  den  Sammlungen  zugewendet 
Im  Berichtsjahre  gingen  von  ihm  ein:  Zornnatter 
(Zamenis  viridiflavus),  Aesculapnatter  (Co- 
luber Aesculapi),  beide  aus  dem  Tessin  kommend; 
ferner  Ringelnatter  (Tropidonotus  natrix),  Urn* 
gegend  von  St.  Gallen.  Alle  drei  Tiere  befanden  sich  in 
Gefangenschaft  bei  Herrn  Kessler.  Moge  ihm  das  Studium 
der  lebendigen  Kriechtiere  auch  in  Zukunft  diejenige 
Freude  und  den  Genuss  bieten,  den  ihm  seine  von  ihm 
mit  so  grosser  Liebe  gepflegten  Sanger  und  Stelzvogel 
verschaffen ! 

Die  Erhebungen  Ihres  Berichterstatters  betr.  die  Ver- 
breitung  der  Kreuzotter  (Pelias  berus)  in  den 
Kantonen  St.  Gallen  und  Appenzell  werden  noch  weiter- 
gefuhrt.  Schon  jetzt  ist  eine  Menge  von  Material  ein- 
gegangen,  welches  sich  auch  auf  die  vielfach  mit  jener 
verwechselton  osterreichischen  Schlingnatter  (Ooronella 
laevis")  bezieht.  Wir  kornmen  nach  Abschluss  unserer 
Recherchen  auf  die  den  Sammlungen  einverleibten  Test- 
objekte  zuriick.  —  Nicht  iibergehen  diirfen  wir  hier  einen 
neuen  Schweizerbiirger  unter  den  Froschlurchen,  namlich 
die  nach  dem  bekannten  Herpetologen  Latast  benannte 
Spezies  Rana  Latasti  Boul.  Herr  Praparator  Ghidini 
in  Lugano  hat  bei  Scairolo  (Lugano)  im  April  1902 
mehrere  Exemplare  derselben  entdeckt.  Vide  nRevue 
Suisse  de  Zoologie",  1900,  pag.  472. 

Auch  dio  Fische  sind  durch  mehrere  Sendungen 
bereichert  worden.  Fiir  die  Aufnung  der  Sammlung 
schweizerischer  Flossentrager    konnten    wir  u.  a.   Herrn 


141 


fax  Oettli,  Lehrer  der  Naturgeschichte  am  schweize- 
en  Landeserziehungsheim  in  Glarisegg  in  der  Weise 
linen,  dass  er  uns  in  einer  Art  Tauschverkehr  (Ab- 

von  alten  Vogeldoubletten)  mit  der  Zeit  die  Fisch- 

8peziell  des  Untersees  zusammenstellt  und  zwar  nacli 
rm  Wunsche  ganze  Serien  der  einzelnen  Vertreter. 

diese  Weise  wird  der  Plan  zur  Wirklichkeit,  die 
*lne  Art  in  ihren  Altersstadien  dem  Beschauer  vor- 
bren  und  zwar  so,  dass  die  Fische  nicht  mehr  in 
e  Gl&ser  gesteckt,  sondem  der  Lange  nach  in  grossen 
>ckigen  Gefassen  ausgestellt  werden.  DieSammlungen 
n  womoglich  schon  in  ihrer  Aufstellung  instruktiv 
en.  Folgende  Typen  seien  fur  einmal  hiergenannt: 
88bar8ch  (Perca  fluviatilis),  Blicke  (Blicca 
•kna),  Alet  (Squalius  cephalus),  Groppe 
ttus  gobio).  Die  Sendung  des  Herrn  Sever  in 
;eler  enthielt  im  weitern  mehrere  Fische  aus  dem 
a  Amazonenstrom,  so  z.  B.  einen  Schnabelfisch 
zwei  Piatt  fische.    Ein  anderer  St.  Galler  Burger, 

Dr.  Max  Tobler,  welcher  nach  seinen  erfolgreichen 
rwissenschaftlichen  Studien  mehrere  Monate  in  den 
>ratorien  der  beruhmten  zoologischen  Station  zu  Neapel 
»,  nahm  fur  das  Museum  seiner  Vaterstadt  ebenfalls 
•ere  Vertreter  der  dortigen  Fischfauna  mit,  u.  a.  zwei 
ere,  den  sog.  Seen  ad  e  In  (Sygnathus)  angehorige 
enmauler. 

Die  starkste  Bereicherung  wurde  der  entomolo- 
ihen  Sammlung  zu  teil,  und  wenn  gerade  ftir  die 
lertiere  die  grosste  Zahl  der  Ankaufe  uberhaupt  statt- 
iden,  so  liegt  der  Grund  in  den  vielfachen,  empfind- 
n  Lticken,  welche  die  einzelnen  Gruppen  derselben 
jeher  aufgewiesen.  Ubrigens  leiden  eben  die  Glieder- 


142 


tiere,  mit  Ausnahme  der  Kafer,  am  allermeisten  durch  den 
Zahn  der  Zeit  bezw.  durch  die  oft  rasch  und  intensiv 
wirkenden,  zerstorenden  Faktoren  von  Licht,  Feuchtig- 
keit  und  Schmarotzerinsekten. 

Im  Berichtsjahre  wurde  es  dem  Referenten  endlich 
inoglich,  einen  sehnlichen  Wunsch  des  Herrn  Direktor 
Wartmann  durch  die  Aufstellung  einer  biologischen 
Kollektion  in  einem  der  Schaukasten  des  ersten  Saales 
zu  realisieren.  Es  sind  nun  dort  vorhanden:  Charakte- 
ristische  Serien  der  schonsten  Sch  metterlinge  der 
Erde  (Papilioniden,  Ornithoptera,  Schillerfalter,  grosste 
Schmetterlinge,  interessante  Farben  und  Formen),  grosste 
und  farbenprachtigste  Kafer  (Goliath-,  Herkules-, 
Nashorn-,  Lauf-,  Schwimm-,  Bockkafer,  sowie  eine  Menge 
von  Beispielen  der  herrlichsten  Metallfarben  in  dieser 
Insektengruppe),  sodann  besonders  merkwiirdige  und 
grosse  Formen  von  Spinnen,  Heuschrecken,  Netzfluglern 
usw.  Zuletzt  folgen  die  instruktiven  Tafeln  liber  Schutz- 
formen  und  Schutzfarben,  Mimikry,  Sexual- 
dimorphism  us,  Polymorphismus  in  der  Welt  der 
Schmetterlinge.  Die  genannte  Kollektion  ist  heute  einer 
dor  starksten  Attraktionspunkte  von  jung  und  alt  ge- 
worden.  Das  Publikum  hat  sich  aber  auch  ausserst 
dankbar  gezeigt  fur  die  von  uns  ausgefuhrten  Text- 
erklarungen  zu  den  Tafeln  und  Serien,  welche  teils  in 
der  Sammlung  selbst  vorhanden  sind,  teils  im  „Tagblatt 
der  Stadt  St.  Gallenu  veroffentlicht  wurden.  Von  vielen 
Seiten  dazu  aufgemuntert,  werden  wir  auch  fernerhin  die 
allerdings  sehr  sparliche  Mussezeit  zu  derartigen  Expli- 
kationen  verwenden,  wiewohl  wir  uns  die  Schwierigkeit 
nicht  verhehlen,  so  vpopularu  zu  schreiben,  dass  auch 
alle  mit  vollem  Verstandnis  zu  folgen  vermogen. 


143 


Um  die  eben  angefuhrte  biologische  Sammlung  ein- 
r  allemal  den  schadlichen  Einwirkungen  des  Lichte9 
ehr  oder  weniger  zu  entziehen,  haben  wir  eine  Anzahl 
jhutzkartons  anfertigen  lassen,  welche  in  den  Stunden, 
i  das  Museum  ofSziell  geschlossen  ist,  liber  die  be- 
effenden  Vitrinen  gelegt  werden.  Wer  zu  andern  Zeiten 
e  Sammlungen  besucht,  nimint  sich  die  kleine  Muhe 
>rne,  die  betreffenden  Deckel  selber  zu  heben,  und  unsere 
tianglichen  Beftirchtungen,  letztere  miissten  unter  Uin- 
anden  allzuoft  erneuert  werden,  haben  sich  glucklicher- 
aise  gar  nicht  verwirklicht. 

Speziell  zur  Aufstellung  bezw.  zur  Aufhung  von  bio- 
gischen  Serien  wurden  von  Herrn  Heine  in  London 
ne  Anzahl  von  Kafern  und  andern  Insekten  angekauft, 
tren  Preis  in  Anbetracht  der  Schonheit  und  Seltenheit 
ancher  Typen  ein  nicht  gerade  billiger  ist.  —  Nicht 
hlen  durfte  jenes  interessante  Beispiel  von  Mimikry 
aes  Schmetterlings  aus  den  Vereinigten  Staaten  Nord- 
lerikas,  eines  nahen  Verwandten  unseres  Schwalben- 
hwanz.  Es  ist  dies  Papilio  turnus,  mit  einer  doppelten 
'eibchenform.  Im  Norden  und  Osten  der  Vereinigten 
aaten  sind  Mannchen  und  Weibchen  von  der  bekannten 
ilben  Farbe  mit  schwarzen  Streifen,  im  Suden  und 
'esten  aber  ist  das  9  schwarz  und  nur  das  cf  gelb.  Die 
>nauere  Kenntnis  der  sog.  immunen,  geschiitzten  Papilio- 
rten  hat  schliesslich  das  Katsel  des  Sexual-Dimorphis- 
us  zu  ldsen  vermocht.  Auf  jenen  Landerstrecken  namlich, 
if  welchen  die  schwarzen  Weibchen  von  Papilio  turnus 
orkommen,  lebt  ein  anderer,  in  beiden  Geschlechtern 
chwarzer  Schwalbenschwanz,  Papilio  philenor,  und  dieser 
;ehort  zu  den  durch  widrigen  Geruch  und  Geschmack 
geschiitzten  Papilionen.     Papilio  turnus  ahmt  also  den 


144 


immunen  philenor  nach  und  geniesst  dessen  Schutz.  — 
Eine  andere,  sehr  lehrreiche  Kollektion  hat  rasch  die 
Aufmerksamkeit  der  Museumsbesucher  auf  sich  gelenkt 
und  zwar  aus  einem  doppelten  Grande.  Schon  eine 
systeruatische  Zusam  mens  tell  ung  der  Forstschad- 
linge  und  jener  des  Obst-  und  Ackerbaues  besitzt 
den  Wert,  dass  man  wenigstens  die  Typen  kennen  lernt; 
weit  instruktiver  sind  aber  die  Darstellungen  der  be- 
treffenden  Insekten,  wenn  gleichsam  ihr  ganzer  Lebens- 
lauf,  ihre  vollstandige  Entwicklungsgeschichte  in  je  einem 
Tableau  vereinigt  ist.  Jedes  der  letztern  zeigt  aufs  deut- 
licbste  Eier,  Larven  (in  alien  Stadien),  Frassspuren,  Nahr- 
pflanzen,  das  fertige  Insekt  in  Ruhe  und  in  Bewegungs- 
stellungen,  selbst  die  naturlichen  Feinde  desselben. 

Neben  den  Entwicklungsstadien  zweier  Tagschmetter- 
linge,  des  Tagpfauenauges  (Vanessa  io)  und  des 
Trauermantels  (V.  antiopa),  sowie  jenes  eines 
Damrnerungsfalters,  des  Wolfsmilch-Sch warmers 
(Deilephila  euphorbiae)  stehen  heute  beisammen  fol- 
gende  Schadlinge  des  Forstes:  Eichenspinner  (Bom- 
byx  quercus),  Kie  fern  spinner  (Lasiocampa 
pini),  Rotschwauz  oder  grauer  Buchenspinner  (Dasy- 
chira  pudibunda),  Kieferngallenwickler  (Retinia 
resinella),  Kiefemtriebwickler  (Retinia  buoliana), 
Kiefernspanner  (Fidonia  piniaria),  grosser  brau- 
ner  Rlisselkafer  (Hylobius  abietis),  sodann  Feinde 
des  Obstbaues,  wie  z.  B.  Ringelspinner  (Gastropacha 
neustria),  Wollafter  oder  Wollschwanz  (G.  la- 
nestris),  Schwammspinner  (Ocneria  dispar), 
Kupferglucke  (Lasiocampa  quercifolia),  Gold- 
after  (Porthosia  chrysorrhoea),  Stachelbeer- 
spanner     (Abraxas    grossu  Lariat  a).    —     Die    ob- 


145 


genannten,  von  einem  alten  norddeutschen  Forstmann 
aus  geziichteten  Tieren  zusammengestellten  Praparate 
sind  so  tadellos  ausgefiihrt,  das9  es  sich  wohl  lohnen 
wttrde,  in  den  kommenden  Jahren  auf  eine  Komplettierung 
der  Serie  zu  tendieren.  Es  sind  das  Dinge  des  prak- 
tischen  Lebens,  denen  unser  Museum  alle  Aufmerksam- 
keit  schenken  darf. 

Dem  namlichen  Zweck  dient  eine  Tafel,  die  das 
Leben  und  die  Produkte  des  Seidenspinners  (Bora- 
byx  mori)  veranschaulichen.  Eine  friihere  ahnliche 
Darstellung  war  alt  geworden;  zudem  fehlten  infolge 
Entwendung  mehrere  Objekte. 

Vorletzten  Winter  hielt  uns  Herr  Dr.  med.  E.  Fischer 
aus  Ztirich  einen  ausserst  anziehenden  Vortrag  liber  seine 
in  der  Wissenschaft  beriihrat  gewordenen  Temperatur- 
Experimente  an  einer  Anzahl  von  einheimischen 
Schmetterlingsformen  bezw.  an  deren  Puppen.  Es 
betreffen  jene  Untersuchungen  speziell  die  Vertreter  der 
Gattung  Vanessa  der  palaarktischen  Lepidopteren :  Tag- 
pfauenauge  (V.  io),  Grosser  Fuchs  (V.  poly- 
chloros),  Kleiner  Fuchs  (V.  urticae),  Trauer- 
mantel  (V.  antiopa),  Admiral  (V.  atalanta), 
C- Falter  (V.  C  album).  Nachdem  schon  Dorfmeister, 
Weismann,  Merrifield  und  Standfuss  dem  Wesen  der 
Varietaten,  Aberrationen  und  des  Saison-Dimorphismus 
nachgeforscht  und  diesbeziigliche  Experimente  mittelst 
Kalte  und  Warme  angestellt,  fiihrte  alsdaun  Dr.  Fischer 
die  Versuche  weiter,  mit  grossem  Erfolge.  Wir  konnen 
hier  raumhalber  nicht  naher  eingehen  auf  das  hoch- 
|  interessante  Problem  der  Einwirkung  der  verschiedenen 
Temperaturen  auf  den  leicht  reagierenden  Schmetterlings- 
,  auf  die  Veranderungen  in  Farben  und  Zeichnung^Tu 


146 


Wir  besitzen  die  wichtigsten  Belegstiicke  fttr  Schmetter- 
linge,  deren  Puppen  bei  Normaltemperaturen,  dann  bei 
erhohten  Warmegraden  bis  38  und  39  °  C,  bei  Hitze  bis 
45°  C,  aber  auch  bei  Kaltetemperaturen  von  +*  biB 
—  6°  C.  und  endlich  unter  Anwendung  von  Frost  ( — 8 
bis  — 10  °  C.)  gehalten  wurden.  In  den  Extremen  sehen 
wir  einfachere,  dustere  Varietaten  und  Aberrationen  ent- 
stehen,  so  zwar,  dass  einerseits  die  bei  hohen  Kalte-  und 
Warmegraden  entwickelten  Schmetterlinge  sich  immer 
ahnlicher  werden  und  auf  einen  als  Stammart  anzuneh- 
menden  Typus  hinweisen,  anderseits  aber  sich  die  ekla- 
tante  Tatsache  ergibt,  dass  Kalte  und  Warme  nicht  ver- 
schieden,  spezifisch,  direkt  oder  unmittelbar  wirken, 
sondern  in  den  extremen  Graden  ganz  gleich,  d.  h. 
„hemmend  auf  die  Entwicklungu.  Die  Akten  iiber  diese 
hochwichtigen  Tatsachen  sind  noch  lange  nicht  ge- 
schlossen,  namentlich  seitdem  die  Theorie  von  der  Ver- 
erbung  erworbener  Eigenschaften  durch  jene  ganz  neue 
Perspektiven  gewonnen. 

Ausserordentlich  reichhaltig  gestalteten  sich  die  Dedi- 
kationen  innerhalb  der  Gruppe  der  Gliedertiere ;  unsere 
Anregung  im  letzten  Berichte  hat  rasch  so  freundliches 
Gehor  gefunden,  dass  wir  den  vielen  Gebern  alien  nur 
herzlichsten  Dank  sagen  konnen.  Es  ist  rein  unmoglicb? 
auf  engem  Raum  die  Geschenke  eingehend  zu  beschreiben; 
wir  mii9sen  uns  auf  deren  summarische  Auffuhrung  be- 
schranken. 

Der  durch  seine  Afrikareisen  (Expedition  Dr.  Sch6ller) 
uns  alien  wohlbekannte  Naturforscher,  Herr  A.  Kaiser, 
jetzt  wissenschaftlicher  Beirat  der  W.  0.  Kamerun-Gesell- 
schaft  in  Berlin,  brachte  uns  eine  stattliche  Serie  von 
Schmetterlingen    aus   Kamerun,   namlich   31   Exemplare, 


147 


8odann  eine  Libelle  und  7  Halbfliigler.    105  verschiedene 

Arten    (mit   152   Individuen)    von    europaischen   Kafern 

spend  ete  Herr  Dr.  med.  Mtiller   in  Bregenz,   der  uns 

zu  wiederholten  Malen  die  bereits  ansehnliche  Sammlung 

europaischer  Coleopteren  komplettieren  half,  und  der 

auch   die  Liebenswiirdigkeit  besass,  ganze  Gruppen  un- 

bestimmter  oder  unrichtig   bestimmter  Kafer   zu  deter- 

minieren  und  andere  zu  verifizieren.  Wir  verdanken  Herrn 

Dr.  Mtiller,  dem  begeisterten  Schuler  und  Anhanger  Di- 

rektor  Wartmanns,  auch  das  uns  freundlichst  iiberlassene 

Manuskript:    „Nachtrag    zur    Kaferfauna    der    Kantone 

St.  Gallen   und  Appenzell",    welche    interessante    Arbeit 

wir  in  diesem  Hefte  des  Jahrbuches   zum  Abdruck  ge- 

langen  lassen. 

Sodann  uberraschte  uns  aufs  freudigste  Herr  Oberst 
Dr.  Schulthess  von  Rechberg  in  Zurich,  welcher 
als  Monograph  der  schweizerischen  Wespen  unter  den 
Hymenopterologen  als  Autoritat  bekannt  ist,  mit  146 
Orthopteren  (Geradfltigler).  Dieses  prachtige  Material 
ist  fiir  uns  um  so  bedeutungsvoller,  als  uns  jegliche  Ver- 
treter  vollstandig  gefehlt  haben;  wir  besitzen  jetzt  sehr 
wertvolleVergleichtypen  fiir  die  Anlage  einer  einheimischen 
Geradfluglersammlung.  Satntliche  Individuen  der  Schen- 
kung  des  Herrn  Oberst  Schulthess  von  Rechberg  sind 
Schweizerbtirger ;  sie  gruppieren  sich  in  116  Heuschrecken 
(exkl.  6  Mantis-Arten,  Fangheusclirecken),  13  Ohrwiirmer, 
6  Grillen,  3  Schaben,  2  Grabheuschrecken. 

Grosse  Freude  bereitete  uns  eine  prachtige  biologische 
Veranschaulichung  des  Weidenbohrers  (Cossus  ligni- 
perda),  deren  giitiger  Donator  Herr  Prof.  Dr.  Stand- 
fuss  in  Zurich  ist.  Der  zu  den  sogen.  „Holzbohrernu 
gehorende  Spinner  verbringt  sein  verderbliches  Rau^ercL- 


148 


leben  im  Holze,  namentlich  von  Weiden,  schrotet  mit 
kraftigem  Gebiss  Gange  in  demselben  and  zerst5rt,  wenn 
in  Menge  vorhanden,  die  kraftigsten  Stamme.  Sehr  schon 
lasst  sich  an  dem  Stammstiick  unseres  Praparates  sehen, 
wie  die  fleischrote  Raupe,  die  sich  zur  Verpuppung  an- 
schickt,  aus  Holzschrot  eine  Art  Bett  fabriziert  hat,  das 
oft  ausgesponnen  wird.  Ein  separater  Stammquerschnitt 
demonstriert  das  erfolgreiche  Zerstorungswerk  der  Weiden* 
bohrerraupe.  —  Der  Sendung  von  Temperatur- Experi- 
menten  fugte  Herr  Dr.  med.  E.  Fischer  in  Zurich 
geschenkweise  eine  Anzahl  einheimischer  Schmetterlinge 
bei,  als  Scbwalbenschwanz  (Sommer-  und  Wintergene- 
ration),  Papilio  machaon  var.  hippocrates,  cT  von  Japan, 
Apatura  iris,  und  Smerinthus  ocellata. 

Endlich  verdanken  wir  weitere  Geschenke  den  Herren 
Direktor  Dr.  Schiller  in  Wil:  ein  Balkenstiick  aus 
Haus  Nr.  10  des  Asyls,  von  Wespen  total  zerfressen; 
Herrn  Dr.  Vinassa,  Lugano:  4  Stiick  des  im  Mittel- 
meer  haufigen  Heuschreckenkrebses  (Squilla  man- 
tis) von  Comacchio  (Adria),  sowie  eine  Spinne  aus  dem 
Tessin;  Herrn  Dessinateur  Mtiller-Rutz:  Biologische 
Darstellung  des  Kieferntrieb wicklers  (Retinia 
buoliana),  Objekte  aus  der  Umgegend  von  StGallen; 
den  Kantonsschiilern  Hauri,  Sohn  von  Hrn.  Pfr.  Hauri: 
sechs  verschieden  grosse  Goliathkafer  von  Kamerun, 
darunter  mehrere  Riesenformen;  Oskar  Wegelin:  ein 
sehr  grosses  Exemplar  eines  chinesischen  Ailanthus- 
Spinners.  Sehr  wertvolle  Arthropoden  enthielteh  die 
Sendungen  der  Herren  Kaufmann  Engeler  und  Guggen- 
biihl.  Beide  JTaturfreunde  sammeln  formlich  systematiscb, 
wobei  sie  sich  in  erster  Linie  Prachtexemplare  aneignen, 
die   einem    Museum    geradezu   zur   grossten   Zierde   ge- 


149 


reichen.  So  stammen  von  Herrn  Engeler:  eiue  ganze 
Serie  der  beruchtigten  Vogelspinnen  (Mygale), 
einer  der  grossten  Nashornkafer  und  Bockkafer 
Brasiliens,  mehrere  R  a  up  en  von  Dammerungsfaltern, 
wovon  eine  mit  absurd  starker  Behaarung,  Laternen- 
tr&ger  (Fulgora  laternaria)  etc.  Dass  die  Zirpen 
der  letztgenannten  Familie  des  Nachts  leuchten  (daher 
der  Name  Leuchtzirpen),  beruht  auf  irrtumlichen  Reise- 
berichten.  —  Unter  mehreren  der  grossten  Tausend- 
fiissler  (Myriapoda),  Laubheuschrecken,  Stab- 
heuschrecken,  Kafern,  Spinnen,  kleinen  Skor- 
pionen  finden  sich  in  der  Dedikation  des  Herrn  Hrch. 
Guggenbilhl  lOIndividuen  der  merkwurdigen  Geissel- 
skorpione  oder  Tarantelskorpione  (Phrynus 
lunatus);  namentlich  vier  Exemplare  sind  von  be- 
8onders  krftftiger  Entwicklung. 

Beriihren  wir  noch  die  Abteilung  der  niedersten 

Klassen   des   Tierreichs.     Uber   ihre  Vermehrung,   die 

eine  sehr  sparliche  gewesen,  konnen  wir  uns  kurz  fassen. 

Angekauft   wurden   nur   drei   Praparate:    Anatomie   der 

Weinbergschnecke  (Helix  pomatia),  des  medi- 

zinischen  Blutegels  (Hirudo   medicinalis)  und 

ein     vollstandiges    Exemplar    des    unbewaffneten     oder 

feisten  Bandwurms  (Taenia  saginata,  friiher  auch 

mediocanellata  genannt).     Er  ist  dem   gemeinen   Band- 

wurm  (TaBnia  solium)  in   seinem  Aussern   sehr   ahnlich, 

wurde  friiher  auch  oft  mit  ihm  verwechselt,  unterscheidet 

sich  aber  von  ersterem  dadurch,  dass  er  unbewaffnet  ist, 

mit  andern  Worten,  es  fehlt  ihm   der  Hakenkranz  des- 

selben,  dafur  tragt  aber  T.  saginata  vier  sehr  entwickelte 

Saugn&pfe,  womit  er  in  bezug  auf  das  Festhalten  an  der 

Magenwand  seinem   Ver  wand  ten   nichts   nach    gibt.  Die 


Finne  des  hakenlosen  Bandwurms  lebt  vornehmlich  im 
Muskelfleisch,  in  Herz  und  Gehirn  der  Wiederk&uer,  im 
Schaf  und  in  der  Ziege  und  namentlich  im  Bind. 

Gerne  nahmen  wir  fur  die  z.  T.  noch  mangelhaft 
bestellte  Abteilung  der  Mollusken  und  Echinoder- 
mata  mehrere  Geschenke  des  Herrn  Dr.  Max  Tobler, 
aus  dem  Golf  von  Neapel,  entgegen,  desgleichen  zahl- 
reiche  Muscheln  und  Schnecken  aus  dem  Nachlasse  des 
Herrn  Kaufmann  Beutter-Beutter. 

Bei  Anlass  des  Farbungsexperimentes  im  Samtiser- 
see  (Dezember  1902)  zum  Zwecke  der  Eruierung  seines 
Abflusses  fanden  wir  an  Stamm  und  JLsten  einer  wahr- 
scheinlich  vod  oben  gestiirzten  Fichte,  sowie  an  den  ver- 
witterten  Gaultfelsen  vor  dem  Abflussloch  eine  Menge 
von  Susswasserschwammen,  welche  gleich  gelb- 
braunen  Teppichen  und  Polstern  Gestein  und  Binde  iiber- 
zogen.  Mancherorts  hoben  sich  fbrmliche  Aste  finger- 
artig  von  der  iibrigen  Schwammmasse  ab.  Diese  war 
vollig  durchspickt  von  den  GemmulaB,  d.  h.  den  Dauer- 
keimen  oder  Keimkapseln,  aus  denen  sich  auf  ungeschlecht- 
lichem  Wege  im  Fruhjahr  neue  Schwammindividuen  und 
Kolonien  bilden.  Unser  Fund  hat  speziell  wegen  seiner 
relativ  hohen  Lage  (1206  m  il.  AD  einen  gewissen  Wert. 

Schon  langst  bedurfte  die  Abteilung  der  Stachel- 
hauter  (Echinodermata).  sowie  diejenige  der  Coelenteraten 
(Korallen  und  Schwamme)  einer  grtindlichen  Bevision 
und  Bearbeitung  auch  mit  Bezug  auf  die  ausgestellten 
Objekte.  Erstere  Gruppe  liegt  bereits  fix  und  fertig  da, 
die  Korallen,  von  denen  ein  Toil  auf  schwarzen  Unter- 
grund  plaziert  wrird,  diirften  schon  im  nachsten  Monate 
dem  Beschauer  ein  neues  Bild  darbieten. 

Die  iiblicheEinteilung  im  Berichte  innehaltend,  folgen 


151 

nan  die  Geschenke  und  Anschaffungen  auf  botanisohem 
Oebiete.  Es  lag  auch  hier  im  Interesse  der  praktischen 
Ausgestaltung  unserer  Sammlungen,  wenn  wir  von  einem 
sehr  billigen  Angebote,  bestehend  in  einer  Anzahl  wich- 
tigster  Nutz-  bezw.  Kolonialpflanzen  Gebrauch  ge- 
tnacht  haben.  Samtliche  Belege,  namentlich  Friichte,  sind 
in  entsprechender  "Weise  prapariert  und  in  Alkohol  auf- 
bewahrt.  Folgendes  sind  fur  die  Erstellung  einer  der- 
artigen  Spezialkollektion  die  era  ten  Typen,  welche  jetzt 
sozusagen  in  den  meisten  tropischen  Gegenden,  die 
Eolonialbesitz  sind,  kultiviert  werden,  namentlich  auf 
afrikanischem  Boden: 

a)  Knollen-  und  Z  wiebelgewachse:  Arrow- 
root (von  Tacca  pinnatifida  stammend),  enthalten 
ein  geschatztes  Starkemehl;  Batate  (Ipomoea  Ba- 
tatas), ebenfalls  starkefuhrend,  die  Knollen  werden 
ahnlich  wie  unsere  Kartoflfeln  gekocht,  gerostet  oder 
anderweitig  als  Speise  zubereitet. 

b)  Essfriichte,  die  z.  T.  in  rohem  Zustande  gleich 
dem  Obst  gegessen  werden:  Granatapfel  (Punica 
granatum);  indische  Feige  (Opuntia  ficu9 
indica);  Banane  (Musa  spec),  Anone  (Anona 
cherimolia);  Adamsapfel,  Pompelmus  (Citrus 
decumana),  eine  der  grossten  Orangenfruchte. 

c)  Gerausepflanzen:  Eierfrucht  (Solanum 
melongena),  helle  und  dunkle  Varietat. 

d)  Genussmittel:  Strauch  einer  Kaffeeart 
(Coffea  spec),  Kakaoschote  (Theobroma  Oa- 
cao),  mit  Sichtbarmachung  der  in  der  Schote  liegenden 
Samen;  Kola-  oder  Gurunusse  werden  von  den 
Eingebornen  gekaut,  heute  aber  auch  zu  allerlei  nerven- 
8tiraulierenden  Praparaten   beniitzt  (Kola-Schokolade, 


152 


Kola-Liqueur,  Kola-Pastillen  etc.).  Die  Kolaniisse  exit- 
halten  mehr  Thein  als  die  beste  Sorte  Kaffee  (das 
Alkaloid  ist  chemisch  frei!);  zudem  besitzen  sie  einen 
reichen  Gehalt  an  Starke;  Garcinienfrucht  (Gar- 
cinia  mangostana),  bittere  oder  mannliche  Kola- 
nuss,  gehort  aber  zur  Familie  der  Clusiaceen.  Die 
Frucht  enthalt  kein  Coffein,  wird  aber  von  den  Ein- 
gebornen  zum  gleichen  Zwecke  verwendet  wie  die 
echte,  auch  als  rote  oder  weibliche  Kolanuss  bezeichnete 
(Cola  acuminata);  Flaschenkiirbis,  Kalebasse 
(Lagenaria  vulgaris),  eine  Cucurbitacee,  welche 
zwar  weniger  als  Speisezusatz,  als  in  ihren  hohlen 
Fruchtgehausen  zur  Herstellung  von  Flaschen  und  ahn- 
lichen  Gefassen  gebraucht  wird. 

e)  Gewiirze:  Vanille  (Vanilla  planifolia), 
Bliitenzweig.  Verwendung  finden  als  beliebtes  Gewiirz 
die  halbreifen,  getrockneten,  vanillinhaltigen,  aromati- 
schen  Friichte;  Spanischer  Pfeffer:  Frtichte  der 
verschiedenen  Arten  und  Varietaten  (Capsicum 
longum  var.  luteum,  pile-pile),  C.  frutescens, 
C.  sphaBricum  var.  luteum,  C.  pyramidale). 

f)  01-  und  fettliefernde  Pflanzen:  Ei- 
cinus  (Ricinus  africanus);  Palmkerne;  die 
harten  und  schwarzen  Samen,  welche  nach  dem  Aus- 
pressen  des  Fruchtfleisches  der  Olpalmen frucht 
(Elaeis  guineensis)  zuriickbleiben,  besitzen  im 
Nahrgewebe  das  bekannte  und  geschatzte  Ol. 

Neben  den  genannten  Ankaufen  verweisen  wir  noch 
auf  ein  sehr  grosses  Exemplar  der  unechten  Rose 
von  Jericho  (Anastatica  hierochuntica),  jene 
xerophytische  Crucifere,  welche  dank  ihrer  der  Trocken- 
heit  angepassten  Organisation  langere  Zeit  hindurch  ohne 


163 


asserzufuhr  zu  existieren  vermag,  zur  Regenzeit  aber 
3  vegetativen,  stark  holzigen  Sprosse  weit  ausbreitet, 
ch  die  Friichte  offhet  usw.  und  bekanntlich  zu  allerlei 
)erglauben  Veranlassung  gegeben  und  heute  noch  gibt. 
e  wahre  „Rose  von  Jericho"  ist  nach  Michon  und 
hweinfurth  ganz  sicher  eine  Komposite  (Odontospermum 
steriscus]  pygmseum),  gehort  aber  wie  die  unechte  zu 
n  durch  Winde  vom  Wustenboden  oft  losgerissenen 
d  eine  Zeitlang  umhertreibenden  ^Steppenlaufern".  Sie 
9itzt  ebenfalls  xerophytische  Struktur. 

Besuchen  wir  heutzutage  irgend  eines  der  grossern 
lseen  oder  auch  ein  solches  kleineren  Umfanges,  so  ge- 
thren  wir  rasch,  dass  neben  den  rein  systematischen 
minlungen  die  Objekte  vielfach  nach  biologischen 
inzipien  angeordnet  und  prapariert  sind.  Man  bezweckt 
mit  die  Wiedergabe  der  Natur,  ihre  getreue  Darstellung 

Kleinen.  Sie  wissen,  dass  auch  das  st.  gallische 
lseura  in  den  letzten  Jahren  begonnen,  dem  Zuge  der 
it  und  der  Wissenschaft  und  ihren  Fortschritten  Reeli- 
ng zu  tragen.  Es  ist  mit  der  Tierwelt  begonnen  worden ; 
r  mussen  dort  noch  weiter  bauen.  Da  nun  ahnliche 
>logische  Darstellungen  narnentlich  furs  Pflanzenreich 
ierorts  bereits  existieren  und  leicht  erworben  werden 
anen,  haben  wir  von  dem  bekannten  Biologischen  In- 
tut  von  Karl  F.  Kafka  in  Wien  ftir  den  Anfang  ein 
bleau  bestellt,  welches  speziell  die  Verbreitungs- 
srlistungen  der  Samen  und  Friichte  in  leben- 
jster  Weise  vorfiihrt.  Die  Sendung  ist  leider  noch  nicht 
igetroffen,  da  die  Zusammenstellung  viel  Zeit  erfordert; 
bspricht  sie  aber  der  bildlichen  Darstellung,  die  uns 
rliegt,  dann  dlirfen  wir  sicher  sein,  dass  sie  beim 
blikum  und  bei  alien  Interessenten  lebhaften  Anklang 


154 


find  en  wird,  und  diirfte  erne  weitere  Erwerbung  anderer, 
sehr  interessanter  Kollektionen  nicht  ausbleiben. 

Recht  gelegen  kamen  uns  auch  folgende  Zueignnngen: 
Mancherlei  Friichte,  wie  z.  B.  solche  des  Johannisbrot- 
bauins  (Ceratonia  siliqua),  Zimmetrinde,  Farbholzer,  See- 
ball.  Donatoren :  Die  Hinterbliebenen  des  Hrn.  Kaufmann 
Beutter-Beutter;  ferner  Farbholzer,  Calebassen,  Tee- 
sorte  von  Herrn  Allgauer,  dahier;  Stammstiick  der 
der  Yucca  oder  Dracaena  verwandten  Nolina  (No- 
lina  recurvata);  ein  Prachtsttick  von  Herrn  Gartnerei- 
besitzer  Kessler-Steiger;  Frucht  des  Fetisch- 
baiimes  (Kigelia  africana),  welche  den  Ein- 
gebornen  fur  viele  aberglaubisehe  Zwecke,  z.  B.  zur  An- 
rufung  des  Fetisch,  ausserdem  zur  Heilung  von  Krank- 
heiten  dient  (das  Exemplar  des  Herrn  Dr.  Vinassa  ist 
eines  der  grossten:  Lange  \»  m,  Breite  V«  dm);  Torf- 
proben,  insbesondere  Praparat  als  Watte  gebraucht: 
Donator  Herr  Reallehrer  Sckmid;  besonders  stark  ent- 
wickelte  Friichte  von  Lonicera  periclymenum  (um- 
scblingendes  Geissblatt),  von  Uetwilen  bei  Altenklingen 
(Thurgau),  geschenkt  von  Hrn.  Kaufmann  Wild-Bernet. 
St.  Gallen.  Endlich  diirfen  wir  nicht  vergessen  eine  sehr 
ansehnliche  Kollektion  von  Kautschukpr&paraten 
und  diversen  Qualitaten  des  zur  Versendung  gelangenden 
Produktes,  alle  aus  der  Faktorei  des  Herrn  Severin 
Engeler  kommend.  Es  sind  dies:  Kautschukmilch  (Roh- 
produkt),  Caucho  en  planche  ( mindeste  Qualitftt);  Seruamby 
Caucho  (7  Ballon).  Geinme  fiue  (la.  Qualitat),  2  Beutel 
feinster  Sorte.  sowie  ein  Kautschuktaschchen  mit  Modell- 
druck.  —  Zum  Schlusse  bertihren  wir  noch  die  Her- 
b  a  r  i  e  n  ,  d.  h.  das  allgemeine  und  das  kantonale.  Beide 
weisen  auch  dieses  Jahr  erfreuliche  Fortschritte  auf  durch 


155 


>schenke  der  Herren  Prof.  Dr.  Schroter  in  Ztirich 
n  Paket  Phanerogamen  und  Kryptogamen,  z.  T.  Selten- 
iten  aus  der  Schweiz,  von  Ungarn,  Siidfrankreich  etc.), 
of.  Dr.  Vogler,  Eeallehrer  H.  Sohmid,  F.  Ikl6  in 
>rschach  und  Reallehramtskandidat  Baumgartner. 
e  Beitrage  der  genannten  geschatzten  Donatoren  be- 
*hen  sich  vomehmlich  auf  jene  Adventivflora,  welche 
rch  Transportmittel  in  unsern  Gegenden  voriibergehend 
er  dauernd  Fuss  gefasst. 

Einer  allerliebsten  Erscheinung  sei  hier  noch  besondere 
ifmerksamkeit  gewidmet,  da  sie  gewiss  zu  den  grftssten 
iritaten  zu  zahlen  ist.  Herr  Vorsteher  J.  Brassel 
erreichte  dem  Museum  ein  von  einer  seiner  Schfilerinnen 
fundenes  Gansebltimchen  oder  Massliebchen  (Bellis 
•rennis)  mit  merkwiirdigen  Bildungsabweichungen,  ein 
mlogon  zu  jener  Monstruositat,  welche  Pfr.  Zollikofer  sel. 
1  13.  August  1863  zwischen  Vason  und  Monte  Luna  an 
ler  kahlen,  trockenen  Stelle  entdeckte  (siehe  Wartmann 
d  Schlatter:  „Kritische  tJbersicht  der  Gefasspflanzen", 
g.  203).  Bei  unserer  Abnormitat  zeigt  auch  der  Stengel 
le  stark  au9gepragte  Fasciation,  d.  h.  derselbe  ist  in 
ner  Bichtung  seines  Querschnittes  bedeutend  ver- 
ossert,  bandformig  abgeplattet.  Das  In teressan teste  ist 
n  aber  in  der  Bliite  zu  treffen.  Voin  Rande  der  Hiill- 
lchblatter  des  den  Stengel  abschliessenden  Bliiten- 
rbchens  entspringen  mehr  denn  50  zwei  bis  drei  Centi- 
*ter  lange  Bliitenstiele,  deren  jedem  ein  verkleinertes 
issliebchen  aufsitzt.  Das  Ganze  ist  natiirlich  echt, 
inerlei  Mystifikation,  und  da  diese  hiibsche  Diaphysis 
er  Durchsprossung  in  unserm  Jahrbuche  eingehender 
schrieben  wird,  konnen  wir  hier  von  weitern  Erlaute- 
ngen  absehen. 


156 


Mit  besonderer  Freude  gehen  wir  fiber  zur  Besprechung 
der  Weiterentwicklung  der  mineralogischen  bezw.  petro- 
graphisch-geologisch-palaontologischen  Samm- 
lung,  namentlich  derjenigen,  welche  die  Belegstiicke  fitr 
die  Vertreter  der  Schweiz  und  im  speziellen  der  Kantone 
St.  Gallen  und  Appenzell  in  sich  fasst.  Unter  den  An- 
kaufen  fur  die  zuletzt  genannte  Spezialabteilung  figurieren 
diverse  sehr  grosse  Gruppen  von  Kalkspatrhomboedern 
aus  der  Hohle  bei  Kobelwies  (Oberriet)  im  RheintaL 
Dieselbe  ist  seit  zwei  Jahren  von  unserm  tiichtigen 
und  findigen  Mineralsammler,  Herrn  Otto  Koberli  in 
St.  Gallen,  grundlich  durchsucht  worden.  Wir  hatten  Ge- 
legenheit,  ihn  bei  seinen  ausserst  sorgfaltigen  Arbeiten 
personlich  zu  begleiten,  indem  wir  zu  wissenschaftlichen 
Unter9uchungen  und  Messungen  einen  vollen  Tag  in  den 
betreffenden  unterirdischen  Raumen  weilten.  Die  in  unserm 
Museum  langst  vorhandenen  Belegstiicke  waren  bis  dato 
alle  nur  Schlagforinen,  durch  den  Hammer  erzeugt  Nun 
sincl  wir  aber  im  Besitze  einer  Unmenge  von  echten 
Krystallformen  mit  idealen  Rhomboedern  und  deren  Kom- 
binationen,  wie  sie  zum  Teil  mit  Bezug  auf  die  Grosse 
der  Flachen  neu  fur  die  Schweiz  gelten  miissen.  Wir 
verweisen  auf  eine  von  uns  zur  Publikation  gelangende 
Abhandlung  uber  „die  Hohlen  der  Kantone  St.  Gallen  und 
Appenzell". 

Im  weitern  haben  wir  eine  neue  Entdeckung  Herrn 
Koberli  zuzuscbreiben;  wir  meinen  den  wasserhellen 
Flussspat  in  Kalkstein  von  Montlingen  (Rheintal).  Der 
Fund  von  winzigen  Flussspatwiirfelchen  liess  uns  sofort 
auf  das  Vorhandensein  grosserer  Stiicke  schliessen;  bis 
heute  liegen  uns  solche  von  1'% — 8/*  cm  Breite  vor. 

Langst  bekannt  sind  die  prachtvollen  gelbbraunen, 


157 


m  einer  dunnen  Schicht  Eisenoxydhydrat  liberzogenen 
alkspatskalenoSder  vom  „Riisliu,  Wolfjos,  oberhalb  Vattis 
i  Taminatal.  Auf  unsere  Initiative  hin  hat  Herr  Be- 
rkslehrer  F.  W.  Sprecher  von  Vattis,  der  bekannte 
pinist,  einen  Teil  seiner  Prachtsammlung  schenkweise 
m  Museum  abgetreten.  Sie  nimmt  eine  dominierende 
ellung  unter  den  Mineralien  unserer  engern  Heimat 
a.     Neuerdings   machte  Herr  Lehrer  Graf  in  Vattis 

jenem  „Rusliu  ein  wahres  Kabinettstlick  ausfindig, 
)lches  der  Grosse  der  Kristalle  wegen  fur  die  Spezial- 
llektion  rasch  erworben  werden  musste. 

Zahlreiche  Schulsammlungen  unserer  nachstliegenden 
sgenden  besitzen  kleinere  und  grossere  Gruppen  von 
•tin em  Flussspat,  welcher  samtlich  der  nur  mit 
ossein  Anstrengungen  und  nicht  ohne  Lebensgefahr 
g&nglichen  Hohle  in  der  „Diirr-Schrennenu,  westwarts 
•m  „Aescheru  im  Santisgebiet,  entstammt.  (Nicht  zu 
rwechseln  mit  der  allbekannten  Hohle  vom  Wildkirch- 
n  zur  Ebenalp.)  Herr  Koberli  hat  sich  diese  wie  noch 
inche  andere  Lokalitaten  zu  seinem  speziellen  Arbeits- 
de  auserkoren  und  verfehlten  wir  nicht,  auch  jene 
mdstatte  genauer  anzusehen.  Dank  der  minutiosen 
)bauweise  des  Herrn  Koberli  stehen  heute  u.  a.  drei 
rrliche  Gruppen  von  Flussspat,  wie  sie  bis  jetzt  kein 
deres  Museum  von  diesern  Orte  her  sein  eigen  nennt, 

der  Lokalsammlung.  Der  Kristallform  nach  sind  es 
lellose  Wurfel  bis  zu  mehreren  Zentimeter  Breite,  in 
rschieden  grlinen  Farben.  Desgleichen  sitzen  einem 
r  Stiicke  eine  Menge  weisser  Kalkspatskalenoeder,  ebenso 
iakt  erhalten,  auf  und  an  einigen  kleinern  Reprasen- 
lten  werden  die  Kan  ten  des  Hexaeders  durch  Rhomben- 
dekaederflachen  (ooO)  abgestumpft.  Die  Naturwissen- 


168 


schaftliche  Gesellschaft  St. Gallen  kaufte  die  be- 
treffenden  Flussspat,  welche  um  keinen  Preis  in  andere 
Hande  wandern  durften,  sofort  an  and  schenkte  sie  dem 
Museum.  Als  uns  letztes  Jahr  die  Mitteilung  von  inter* 
essanten  Funden  des  tiefvioletten  Flussspates, 
ebenfalls  aus  dem  Santisgebiet  kommend  (Finder:  Herr 
Bommer,  Beobachter  der  raeteorologischen  Station  auf 
dem  Santis),  gemacht  wurde,  blieben  unsere  eifrigen  Be- 
miihungen  zum  Ankaufe  solcher  leider  ohne  Erfolg; 
iibrigens  waren  die  schonsten  Stiicke  bereits  fur  das 
Polytechnikum  in  Ziirich  vergeben. 

Um80  freudiger  nahmen  wir  dann  die  Geschenke  der 
Herren  Dr.  med.  Richard  Zollikofer  und  Studiosus 
Eugen  Stadler  (Vllg)  in  hier  zur  Hand,  denen  es 
gelungen,  von  Frl.  Bommer  eine  Anzahl  der  violetten 
Flussspate,  wenn  auch  solche  von  kleinern  Dimensionen 
und  nur  zum  Teil  in  der  Hexaederform,  zu  erhalten.  Wir 
haben  aber  alle  Hoffnung,  dass  durch  die  eben  in  Szene 
gesetzten  Recherchen  unseres  findigen  Herrn  Koberli  uns 
der  Erwerb  grosser,  unverletzter  Exemplare  in  Balde  ge- 
lingen  diirfte.  Herr  Koberli,  dem  wir  eine  Schenkung 
grosser,  init  viel  Mtihe,  Zeitverlust  und  Kostenaufwand 
selbst  abgebauter  Mineralstucke  nieht  zumuten  diirfen, 
bekundote  abor  sein  voiles  Interesse  fur  die  Aufnung 
einheimischer  Objekte  durch  zahlreiche  Schenkungen 
kleinerer  Exemplare,  die  wir  nattirlich  gerade  so  gern 
unsern  Kollektionen  einverleiben  wie  Kabinettstilcke. 
Folgendes  sind  seine  dem  Museum  zugeeigneten  Funde: 
Sechs  Kalksinterbildungen  (nebst  Auflagerung  von 
sogenannter  ^Montmilch")  aus  dem  „Ziegerlochtf  auf 
Altenalp  (im  Santisgebiet),  ebenfalls  neu  fur  uns!  Das 
Volk   heisst  jenen    Bergmilchuberzug  „Bergziegeru  und 


159 


rwendet  denselben  in  besonderen  Fallen  gegen  Magon- 
schwerden  (!). 

Schweizerische  Minerale,  d.  h.  solche  von  ausser- 
ntonalen  Fundorten  wurden  nachstehende  angekauft: 
eiglanz  mit  Quarz,  Lotschental  (Wallis);  Magnetit 
sehr  kleinen  Kristallen  (0),  schwarz,  mit  glasglanzender 
>erflache,  von  Vals  (Btinden);  Eisenspat,  braun,  (R), 
x  (Wallis);  Scepterquarz,  Val  Strim  (Btinden); 
nethyst  (P),  schwachviolett,  Val  Strim,  selten;  Qruppe 
n  Bergkristall  (oo  P.P),  wasserhell,  Btinden;  Berg- 
istall  (ooP.P),  mit  Chloriteinschluss,  kristallo- 
iphisch  geordnet,  Btinden;  Bergkristallgruppe, 
Bonderlich  turmartig  gelagerte  Kristalle  (oo  P .  P),  tiber- 
2jen  mit  einer  leichten  Schicht  von  Eisenoxydhydrat, 
bst  schillernden  Anlauffarben  (Pseudocitrin),  Biinden. 
tztere  drei  sind  Prachtstticke.  Weiter  verdienen  Er- 
hnung:  Marmor  mit  Bleiglanz  und  Calcit- 
istallen  von  Buccarischuna  (Btinden),  Lokalitat  des 
lien  Schweizerminerals  Fuchsit;  Andalusit,  rotlich, 
n  Davos  (neu!);  Sphen,  braun,  vom  Bristenstock 
>u!);  Anatas  und  Brookit  vom  Piz  Aul  (Btinden); 
ttinolith,  dunkelgrtin,  strahlig,  Visp  (Wallis);  Ser- 
ntin  im  Ubergang  nach  Asbest,  Buccarischuna.  Von 
)sser  Wichtigkeit  sind  die  Anschaffungen  selten  schoner 
aur  olithe  (oo  P .  oo  P  oo .  P  oo.  o  P,  nebst  Durch- 
juzungszwillingen  nach  3/2  P  oo)  vom  Pizzo  Forno  im 
sain. 

Kurze  Zeit  nach  dem  Tode  unseres  Herrn  Direktor 
.  Wartmann  uberreichte  uns  Herr  Dr.  Eugen  Vi- 
ssa,  Kantonschemiker  in  Lugano,  in  generosester  Weise 
s  finanziellen  Mittel  zum  Ankauf  speziell  typischer, 
iSner  Schweizerminerale,  als  Andenken  an  den  lieben 


160 


Heimgegangenen.  Wir  glauben,  im  Sinne  des  giitigen 
Gebers  gehandelt  zu  haben,  wenu  wir  den  genannten 
Betrag  zur  Erwerbung  zweier  extra  grosser  Paragon it- 
schieferplatten  vora  Pizzo  Forno  verwendeten.  Das 
eidgenossische  Polytechnikum  hat  8.  Z.  rasch  das  Auge 
auf  jene  Lokalitat  geworfen,  umsomehr  als  in  dem  be- 
trefFenden  Gesteiu  aussergewohnlich  stattliche  Cyanithe 
(Di9then)  und  Staurolithe  sich  vorfinden.  Die  Kristall- 
formen  der  angekauften  Cyanithe  sind:  oo  P  oo  .  oo  P'. 
oo  P  06  .  oo'  P .  o  P,  diejenigen  der  Staurolithe:  oo  P. 
oo  P  oo.  P   oo.  o  P,  und  Zwillinge  nach  8/»  P   35. 

Von  Herrn  Koberli  nennen  wir  nachfolgende  Ge- 
schenke:  Diverse  Stiicke  Marin  or,  weiss,  von  Buccari- 
schuna;  Glimmerschiefer  mit  Pyrit  aus  dem  Simplon- 
tunnel;  Epidot  mit  Granat,  vom  Frunthorn,  dunkel- 
grauer  Gyps  mit  Schwefel  (derb),  von  Krattighalden, 
am  siidlichen  Ufer  des  Thunersees,  drehspanfbrmiger,  rot- 
brauner  Eisenspat  in  einer  Calcitdruse  aus  dem  Haupt- 
rogenstein  von  Muttenz. 

Mit  Bezug  auf  die  AnschafFung  nichtschweizerischer 
Minorale  halten  wir  an  dem  Grundsatze  fest,  dass  vorder- 
hand  nur  cliarakteristische  Formen,  Kabinettstiicke  oder 
praktisch  wichtige  Vertreter  erworben  werden  solleDi 
AVichtiger  als  der  Kauf  seltener  Minerale  ist  fiir  uns  in 
nachster  Zoit  die  Erstellung  einor  Spezialreihe  von 
nutzbaren  Gesteinen  und  Objekten  aus  der  Mineral- 
welt.  Gekauft  warden  im  Berichtsjahre:  eine  stattliche 
Flussspatdruse,  violettblau,  mit  grossen  Wtirfeln 
(x-  U  x..  mit  Bloiglanz  und  weissem  Quarz?  aus 
Cumberland  (England);  Natrolith,  weiss,  vom  Hohen- 
twiel,  ein  sehr  seltenes  grosseres  Stiick,  welches  der  Be- 
richterstatter  wahrend  seiner  Untersuchungen  im  Hegau 


161 


auftreiben  konnte;  vier  grosse  Markasite,  in  toils 
kugeliger,  teils  stalaktischer  Ausbildung,  pr&chtig  seiden- 
glanzend,  mit  irisierenden  Anlauffarben,  Fundort:  Schau- 
insland  bei  Freiburg  i.  B.;  Gruppe  mit  enormen  Pyrit- 
oktaedern  und  mehrere  einzelne  Oktaeder  von  Schwefel- 

m   O  2 

kies,  ebenso  ein  Stiick  mit  der  Kombination  0  -| ~ — > 

von  Traversella  (Italien). 

Der  mineralogisch-geologischen  Sammlung  ist  dieses 
Jahr  besonderes  Heil  widerfahren  durch  eine  sebr  an- 
sehnliche  Zabl  freiwilliger,  geschenkweiser  Beitrage.  Es 
ist  eine  wahre  Freude,  hierdber  referieren  zu  durfen. 

Viel  brauchbares  Material  lieferte  die  uns  von  den 
Erben  des  Herrn  Kaufmann  Beutter-Beuter  sel.  xiber- 
lassene  Privatsammlung  des  Verblichenen.  Gerade  fur 
die  Erstellung  von  Separatkollektionen  ist  auch  Material 
ohne  direkte  Angabe  der.Fundorte  sehr  willkommen.  Von 
den  verschiedenen  fremden  Besuchem  des  Museums  hat 
u.  a.  Herr  Pfarrer  Winkler  aus  Bladiau  (Ostpreussen) 
in  verdankenswertester  Weise  namhafte  Beitrage  fur 
unsere  ausserst  mangelhaft  bestellte  Gruppe  des  Bern- 
steins  geliefert.  So  uberbrachte  er  ftinf  Stiick  dieses 
„Ge8teinsu  pflanzlichen  Ursprungs,  welche  im  Handel  als 
„klara  bezeichnet  werden,  vollig  durchsichtig  und  ge- 
schliffen,  mit  diversen  Inklusen  von  Insekten ;  ein  weiterer 
Beleg,  ungeschlifFen,  ist  zum  Teil  vollig  hell,  zum  Teil 
von  weissen  „Wolkenu  durchsetzt,  zwei  kleinere  Exem- 
plare  stellen  triibe,  tropfenartige  Gebilde  dar.  In  letzter 
Stunde  empfingen  wir  vom  namlichen  Donator  noch  eine 
ganze  Serie  der  verschiedensten  Bernsteinsorten,  nebst 
einem  „wolkigen  Bastardu,  durchschnitten,  die  Teilstiicke 
einseitig  geschliffen.    Als  willkommenes  Pendant  stiftete 


162 


sodann  Herr  Prof.  Gustav  We  r  der  in  hier  mehrere 
ansebniicbe  Stiicke  der  Bernstein  fiihrenden,  glaukoniti- 
8chen  „Blauerde*  aus  dem  Tertiftr  des  kgl.  Bernstein- 
werkes  zu  Palmnicken  in  Samland  (Ostpreussen).  Der 
sogen.  Seebernstein,  welcber  teils  bei  Wasserfluten  aui 
dem  Boden  berausgewascben  und  dann  zusammengeitten, 
teils  aus  Wasserpflanzen,  in  welchen  er  bangen  geblieben, 
oder  mit  der  Schaufel  aus  dem  Meeresboden  ausgegraben, 
gewonnen  wurde,  vermochte  keine  hfthere  Rendite  ab- 
zuwerfen.  Im  Jahre  1836  begann  dann  die  oberirdische 
Graberei  im  Untergrunde  des  Samlandes,  d.  h.  in  der 
dem  Tertiar  angeborigen  „Blauerdea,  die  gewohnlich  von 
den  Schichten  des  jfingern  Tertiars  (u.  a.  der  Braun- 
koblenformation)  und  vom  Diluvium  bedeckt  ist.  Die 
Firma  Stantien  &  Becker,  welche  1870  bei  Palmnicken 
einen  grossen  Tagebau  anlegte,  versucbte  spater  mit 
grosstem  Erfolge  den  unterirdischen  Bergbau.  Seit  1899 
hat  die  preussische  Regierung  dieses  grosste  Bernstein- 
werk  ubernommen. 

Ausser  Herrn  Kaufmann  Scbeitlin-Scherrer  in 
bier,  von  welcbem  wir  ein  aus  Sizilien  kommendes  grosseres 
Schwefelstuck  bekamen,  verdanken  wir  namentlich 
Herrn  Fabrikant  Fog,  bezw.  dessen  Sobn,  einem  Scbiiler 
unserer  Kantonsscbule,  eine  Reibe  prachtvoller  Sch  wefel- 
gruppen,  samtlicbe  aus  der  friiher  Herrn  Fog  geb5renden 
Schwefelgrube  in  Caltanisetta  (Sizilien). 

Besonderes  Interesse  haben  neben  mehreren  Stiicken 
ideal  ausgebildeter  Kristallformen  (P .  1/s  P .  P  oo  .  o  P) 
zwei  Exemplare  mit  etagenfbrmig  angeordneten  Tafeln 
(P .  o  P).  Ibr  Kern  bestebt  aus  Scbwefel ;  denselben  um- 
gibt  oben  und  unten  je  eine  Scbicbt  cbalcedonartiger 
Quarz.     Auf  denselben   folgt  eine  Lage  bl&ulichgrauen 


168 


Cal cites,  und  diesem  endlich  sitzen  kleinere,  aber  sehr 
gut  ausgebildete  Kristalle  von  der  Formel  (P .  */s  P .  o  P) 
auf.  Die  iibrigen  Schwefelstiicke,  teils  kristallisiert,  teils 
derb,  sind  teilweise  mit  r5tlichbrauDem  Calcit  (B  3)  iiber- 
zogeD.  Der  gleichen  Sendung  fiigte  Herr  Fog  mehrere 
Kalkspatstficke  bei,  auf  welchen  der  Calcit  in  spitzen 
Rhomboedern  kugelig  gehauft  ist.  Einen  der  wertvollsten 
Belege  bildet  ein  Spatgyps  von  tadelloser  Reinheit 
(2  cm  Dicke);  demselben  eingelagert  finden  wir  wiederum 
Schwefel  in  nichtkristallisierter  Form. 

In  die  petrographische  Sammlung  sind  gewandert: 
Ftinf  Lavastiicke  vom  Monte  Rossi  (Atna),  gesammelt 
und  gescbenkt  von  Hrn.  Kaufmann  Scheitlin-Scherrer; 
Wustensand,  rotlich,  aus  Nordafrika,  Donator:  Ost- 
echweiz.  geographiscb-kommerzielle  Gesell- 
scbaft;  Gaultkalk,  mit  VerwitterungslSchern,  ent- 
standen  zum  Teil  durch  Verwandlung  von  Schwefelkies 
(Pyrit)  in  Brauneisenstein  (Limonit),  vom  Sambtisersee, 
Felswand  beim  Abfluss  ins  Rheintal  (leg.  E.  Bachler); 
drei  Typen  Glimmerschiefer  aus  dem  Tessin,  nord- 
lich  von  Boleggio,  zwischen  Giornico  und  Biasca,  Donator: 
Herr  Dr.  E.  Vinassa,  Lugano. 

Einer  unserer  bald  zu  realisierenden  Hauptplane  be- 
steht  seit  langerem  in  der  Erstellung  einer  kompletten 
Sammlung  der  Gesteine  aus  unsern  Kantonen  St.  Gallon 
und  Appenzell  und  im  weitern  jener  der  Schweiz.  Fxir 
eretere  ist  bereits  ein  Anfang  gemacht.  Der  Bericht- 
erstatter  sammelt  wahrend  seiner  Arbeiten  im  Calfeis 
speziell  sftmtliche  Vertreter  der  Gesteinsgruppen  jener 
Gegend ;  die  Curfirsten  sind  mit  einer  kleinen  Serie  solcher 
von  Herrn  Lehrer  Ludwig  geschlagener  Spezies  ver- 
treten ;  dagegen  fehlt  eine  nur  einigermassen  gentigende 


164 


B&ihe   der  verscbiedenen   Santiskalke   und   der   eocanen 
Bildungen. 

Viele  wertvolle  Materialien,  Belege  fur  die  Landes- 
kunde,  verdankt  das  st.  gallische  Museum  Herrn  Prof. 
Dr.  J.  Fruh,  Geologe  in  Zurich.  Im  Berichtsjahr  er- 
hielten  wir  von  ihm  ein  Flyschkalkstfick  (Flysch- 
kalksandstein),  fein  geschliffen  durch  gletscherschlamru- 
fuhrendes  Hochwasser,  vom  linken  Ufer  der  Tamina 
zwischen  den  Thermen  von  Pfafers  und  dem  Wasserfall. 

Herr  Bildhauer  Conti  im  Feldli  (StGallen)  besass 
seit  langerer  Zeit  einen  prachtvollen  erratischen  Block, 
den  er  seiner  roten  und  weissen  Farbe  wegen  extra  ge- 
schliffen und  poliert  hatte.  Der  Stein  wurde  von  ihm 
selbst  ausgehoben  nahe  der  untern  Krazernbriicke  bei 
Bruggen.  Die  genaue  Analyse  ergab,  dass  das  Gestein 
ein  roter  Serpentin  mit  vielen  weissen  Calcit- 
adern  aus  dem  Savogniu,  Val  Nandro  im  Oberhalbstein 
(Blinden)  ist.  Kenner  haben  uns  zu  dieser  Acquisition 
besonders  gratuliert,  da  dieses  Erratikum  unter  jenen 
des  Rheingletschers  speziell  im  ostwestlichen  Arm  (Bror- 
schach-St.  Gallen-Elgg)  zu  den  Raritaten  gehort  und  semen 
Heimatschein  so  recht  deutlich  auf  dem  Eiicken  tragt 
Beilaufig  moge  bemerkt  sein,  dass  solch  roter,  weiss  ge- 
streifter  und  gesprenkelter  Serpentin  das  Fundament 
bezw.  den  Sockel  des  Monumentalbrunnens  in  Chur  bildet 
Herr  Conti,  welcher  sich  rasch  dazu  bestimmen  liess,  mit 
dieser  Seltenheit  dem  Museum  ein  Geschenk  zu  machen, 
hat  sich  durch  letzteres  entschieden  ein  Verdienst  er- 
worben;  iibrigens  war  ihm  von  einem  Naturforscher  be- 
reits  eine  namhafte  Summe  fiir  das  Erratikum  angeboten 
worden.  —  Der  gleiche  Donator  dedizierte  im  fernern: 
ein  klieneres  Kalkstiick  mit  weissgelber  und  schwarzer 


165 


Farbe  (Rheintal),  sowie  geschliffenen  Korallenkalk  von 
Vattis  (Malmkluse  bei  St.  Peter). 

Wir  freuen  uns  auch,  dass  gerade  unter  den  Schtilern 
der  Kantonsschule  solche  da  sind,  die  den  Wert  des 
eigenen  Sammelns  fxirs  Museum  zu  sch&tzen  wissen.  So 
hat  beispielsweise  Stud.  Paul  Vonwiller  (Sohn  von 
Herrn  Direktor  Dr.  med.  Vonwiller)  mit  dem  ihm  eigenen 
Eifer  aus  der  Uingegend  von  St.  Gallen  insbesondere 
Erratica  und  Nagelfluhverschiebungen  zusammen- 
getragen.  Die  formliche  Ausstellung  einheimischer  Test- 
objekte  aus  der  Geologie  der  Heimat  wiirde  entschieden 
noch  manche  jiingere  Beflissene  der  Naturgeschichte  zu 
weiterer  Tfttigkeit  anspornen. 

Rege  Unterstutzung  erfahren  wir  seit  mehr  denn 
einem  Jahre  durch  Hrn.  Direktor  Z oil ikofer,  Ingenieur 
der  Gas-  und  Wasserwerke  in  St.  Gallen,  welcher  uns  je- 
weilen  mit  Hrn.  Ingenieur  Moser  samtliche  wichtigeren 
Funde  bei  den  Erdarbeiten  fur  die  Bauten  der  Gaswerk- 
und  Gasleitungsanlagen  ubermittelt.  Wir  melden  hier  u.  a.: 
Grosse,  ftusserst  demonstrative  Erosionsgebilde  aus 
Molassesandstein  (St. Gallen),  erratisches  Karrengebilde 
(peue  Wasserleitung  bei  Morschwil).  tJber  einen  im  Rietle 
(Graben  fiir  das  Ableitungswasser)  gemachten  Fund  von 
diversen  Tierknochen  werden  wir  im  nachsten  Berichte 
referieren. 

Von  Herrn  Otto  Koberli  gingen  uns  ein:  Wichtige 
Belege  ftlr  die  interessanten  Formverftnderungen 
an  Nagelfluhgerollen  unserer  dislozierten  Molasse  von 
St.  Gallen  und  Umgebung  (Gerolle  mit  Eindriicken  anderer 
Gerdlle,  Rutschstreifen,  Quetschungen,  Rutschspiegel  etc., 
(cfr.  Frilh,  ^Beitrftge  zur  Kenntnis  der  Nagelfluh  der 
Schweiza,  gekrdnte  Preisschrift).    Die  sch5nsten  Beispiele 


166 


typischer  Verschiebungen,  Seltenheiten,  welche  Herr 
Koberli  unserm  Museum  kauflich  abzutreten  gesonnen  ist, 
sollten  so  rasch  wie  moglich  annexiert  werden.  —  Cha- 
rakteristische  Flussgerolle,  d.h.  vom  Wasser  bearbeitete 
Gesteine,  mit  runder  und  z.  T.  bizarrer  Gestalt  (sogen. 
„Naturspiele")  sind  geschenkt  worden  von  den  Herren 
Heinz  e,  Mechanikus,  Koberli  in  St  Gallon,  Hotelier 
Kaiser  zum  „ Anker"  und  F.  IklA  in  Rorschach,  sowie 
von  Ihrem  Berichterstatter. 

Bekanntlich  haben  sich  die  Herren  Reallehrer  Falkner 
und  Lehrer  Ludwig  das  Spezialstudium  der  geologischen 
Verhaltnisse  der  Stadt  St.  Gallen  und  ihrer  nahern  Um- 
gebung  zur  Aufgabe  gemacht  (siehe  Arbeit  im  vorj&hrigen 
Jahrbuche  der  naturwissenschaftlichen  Gesellschaft).  Will- 
kommener  hatte  uns  kaum  eine  Gabe  kommen  k5nnen, 
als  diejenige  des  Herrn  Falkner,  welcher  schon  dieses 
Jahr  einen  sehr  reichhaltigen  Toil  seiner  Privatsammlung 
der  ito  Gebiete  gefundenen  Testobjekte  von  Gesteinsarten 
und  Petrefakten  (liber  500  Stuck)  dem  Museum  dedizierte, 
und  wir  freuen  uns  seiner  uns  gegebenen  Versicherung, 
mit  der  Zeit  alles  wichtige  Material  abzutreten.  Leider 
fehlt  jeglicher  Raum,  um  dem  Publikum  gerade  diejenigen 
Belege  auszustellen,  welche  ihm  das  Zunachstliegende 
demonstrieren  sollen. 

Indem  wir noch  aufein  exquisites  Calamitenstamm- 
stiick  aus  der  Kohle  von  Saarbriicken  hinweisen,  eine 
Schenkung  von  Herrn  Direktor  Zollikofer  vom  Gas- 
und  Wasserwerk,  gedenken  wir  zum  Schlusse  einer  freund- 
lichen  Gabe  der  Direktion  des  „Gletschergartenu 
in  Luzern.  Auf  unsern  Wunsch,  sie  mochte  uns  far 
die  geologische  Sam m lung  einige  Photographien  und  bild- 
liche  Darstellungen  des  Phanomens  der  Gletschermiihlen 


167 


ubermachen,  erfolgte  die  Gratiszusendung  der  gelungensten 
grossen  Photographien  und  Bilder. 

Jedes  Jahr  verzeichnet  auch  unsere  Handbibliothek 
einen  nicht  geringen  Zuwacbs  an  Werken  spezielleren 
Charakters,  welche  uns  die  Vergleichung  bezw.  auch  die 
Determination  von  Naturkorpern  ermoglicht.  Wiewohl 
noch  manche  recht  empfindliche  Lucken  auszufullen  sind, 
miissen  wir  die  Kosten  fiir  fernere  Anschafiungen  auf 
die  einzelnen  Jabre  verteilen  und  sollen  wir  darauf  be- 
dacht  sein,  uns  vor  allem  die  wichtigsten  Nachschlage- 
werke  fiir  Zoologie,  Botanik,  Mineralogie  und  ibre  ver- 
wandten  Schwesterwissenschaften  anzueignen.  Der  beutige 
Bericbt  meldet  Ibnen  nun  die  Erwerbung  der  pracbtigen 
Jubilaumsausgabe  des  grossen  Werkes  von  Naumann: 
„Naturgeschichte  der  Vogel  Mitteleuropasu,  in 
zwolf  B&nden  erscbeinend,  von  denen  bis  heute  deren 
elf  herausgegeben  sind.  Es  ist  nach  Text  und  Bildern 
gleicb  vorziiglicb  und  als  vollstandigstes  Literatur-  und 
Stoff-Nachschlagewerk  absolut  unentbehrlich. 

Sodann  diirfen  wir  eine  sehr  generose  Schenkung 
nicht  iibergeben.  Die  Hinterbliebenen  von  Herrn 
Direktor  Dr.  Wartmann  haben  aus  dessen  Nachlass  uber 
300  Nummern  von  Biichern,  Separatpublikationen,  Zeit- 
schriften  der  Handbibliothek  des  naturhistorischen  Mu- 
seums uberlassen.  Es  ist  durchaus  am  Platze,  wenn  wir 
auch  an  dieserS telle  die  wertvolle  Gabe  nochmals  warmstens 
verdanken. 

Im  ferneren  notieren  wir  bier  noch  eine  Verfiigung 
der  Naturwissenschaftlichen  Gesellschaft  StGallen.  Diese 
hat  nftmlich  eine  von  den  Herren  Taschler  in  St.  Fiden 
erstellte,  sehr  getreue  Photographie  unsers  lieben 
Herrn  Direktor  Dr.  Wartmann  in  vergrossertem  Massstabe 


168 


als  Kreidezeichntmg  ubertragen  und  mit  entsprechender 
Goldrahme  versehen  lassen.  Der  Wunsch  der  Kommission 
ging  nun  dahin,  das  sehr  gelungene  Bildnis  mochte  im 
Arbeitszimmer  des  Heimgegangenen,  im  naturhistorischen 
Museum,  aufbewahrt  werden,  wobei  sich  die  Gesellschaft 
da9  Recht  des  Eigentums  des  Portrats  natiirlicherweise 
vorbehalt. 

Mit  voller  Befriedigung  schauen  wir  zuriick  auf  das 
verflossene  Berichtsjahr ;  es  steht  seinen  Vorg&ngem  eben- 
burtig  zur  Seite.  Moge  ein  guter  Stern  leuchten  auch 
fernerhin  iiber  einer  Institution,  welche  dazu  beitragt, 
den  Sinn  fur  Gottes  schone  Natur  zu  heben  und  das 
Geratit  zu  bereichern  im  Anblicke  ihrer  mannigfaltigen 
Werke ! 

Die  botanischen  Afllagen  im  stadtischen  Park  hatten 
9ich  im  Berichtsjahre  eines  recht  lebhaften  Interesses  von 
Seite  der  Besucher  zu  erfreuen.  —  Das  botanische  System 
hat,  gestiitzt  auf  den  Beschluss  der  Parkkom mission, 
mehrere  Veranderungen  erfahren.  So  wurden  in  erster 
Linie  samtliche  Kiichengewachse  entfernt  und  eine 
Anzahl  anderer,  sonst  dem  System  zugeteilte  Gattungen 
und  Arten  eliminiert,  wodurch  eine  Gartenabteilung  dem 
Stadtgartner,  Herrn  Walz,  zur  Verfugung  gestellt  werden 
konnte,  behufs  Darstellung  mehrerer  abgerundeter  Gruppen 
von  Grasern,  Primeln,  Liliaceen  etc.  Der  Zustand  der 
librigen,  rein  s}rstematischen  Abteilung  gestaltete  sich  zu 
einem  befriedigenden,  da  einerseits  die  giinstige  Witterung 
des  Vorsomraers  eine  friihzeitige  Anpflanzung  erlaubte, 
anderseits  der  mit  den  Arbeiten  in  System  und  Alpinum 
betraute  Gartner,  Herr  Habegger,  mit  vollstem  Eifer  und 
viel  Liebe  seine  Schutzbefohlenen  gepflegt  hat.  Recht 
hiibsch  prasentierte  sich  innerhalb  des  Systems  jene  von 


169 


rrn  Stadtgartner  Walz  arrangierte  Laube  mit  Zier- 
•bissen,  die  vortrefflich  gedieh  und  dem  Beschauer 
selben  zugleich  ein  Bild  vom  Haushalt  der  betreffenden 
anzen  darbot.  Darstellungen  von  mehr  oder  ausschliess- 
1  biologischem  Charakter,  wie  sie  der  heutige  Stand 
•  Wissenschaft  fair  jede  botanische  Anlage  gebieterisch 
dert,  sollen  aber  kiinftighin  der  Ubersichtlichkeit  halber 
besondern  Gruppen  und  ausserhalb  der  streng  syste- 
tischen  Anordnung  gepflegt  werden. 

Hochst  beklagenswert  ware  irgendwelche  Verkfirzung 
1  Einschrankung  des  systematischen  Teils  unserer  bo- 
ischen  Anlagen.  Es  ist  uns  wohl  bekannt,  dass  gerade 
sterer  da  und  dort  angefeindet  und  dessen  Wert  unter- 
atzt  wird ;   allein  man  moge  nicht  vergessen,   dass  es 

die  ^Schulstadt4"  St.  Gallen  kein  Ruhm  ware,  eine 
ititution  zu  eliminieren,  auf  die  sie  dank  der  kraftigen 
1  zielbewussten  Fuhrung  ihres  Griinders  stolz  sein 
•fte.  Es  ist  ja  Dicht  gesagt.  dass  die  heutige  Ein- 
btung  des  botaoischen  Systems  die  einzig  richtige  sei ; 
lere  Gruppierungen  und  Darstellungen  besitzen  auch 
e  Vorteile:  allein  deswegen  die  ganze  Sache  vollig 
gehen  zu  lassen,  das  hiesse  entschieden  sich  dem 
ckschritt  in  die  Arme  werfen. 

Wir  wiirden  uns  um  so  mehr  freuen,  wenn  wir  recht 
kraftige  Unterstutzung  fanden  in  unserm  Bestreben, 
>ziell  das  rPflanzensystemu  des  botanischen  Gartens 
3h  weiter  auszubauen  und  mit  schonen  und  interessanten 
pen  zu  verv*ollstandigen. 

Im  Laufe  der  letzten  Jahre  sind  im  Alpinum  eine 
•nge  einheimischer  Pflanzen  ganzlich  eingegangen,  so 
ss  die  Zahl  der  fremden  Arten  (vom  Kaukasus,  Hima- 
a  und  aus  Kleinasien)  jene  von  schweizerischer  Her- 


170 


kunft  bei  weitem  uberwog.  Eine  Komplettierung  der 
heimischen  Alpenflora  in  unserm  Garten  ist  dringend 
notwendig!  Der  Besucher  des  Alpinums  will  doch  in 
erster  Linie  diejenigen  Vertreter  vorfinden,  denen  er  auf 
seinen  Wanderungen  im  eigenen  Lande,  im  schweizerischen 
Gebirge  begegnet.  Heimatkenntnis  erhoht  die  Heimat- 
liebe,  und  wahrlich,  es  sind  nicht  die  Alpenpflanzchen 
zuletzt,  die  uns  unsere  Bergwelt  so  lieb  und  teuer  machen. 

Der  Berichterstatter  hat  vergangenen  Sommer  in 
Begleitung  von  Herrn  Habegger  mehrere  Exkursionen 
im  Calfeisentale  speziell  zum  Zwecke  der  Bereicherung 
des  stadtischen  Alpinums  unternommen.  Desgleichen 
sammelten  Herr  Habegger  und  Herr  Both  eine  Anzahl 
Pflanzen  im  Santisgebiet. 

Einen  ganz  wesentlichen  und  ausserst  willkommenen 
Beitrag  hat  aber  vor  allem  Herr  Dr.  med.  Wartmann 
geleistet  durch  wiederholte  Sendungen  einer  sehr  statt- 
lichen  Zahl  (uber  60  Arten)  von  Alpenpflanzen  aus  dem 
Bergun  (Graubtinden).  Indem  wir  die  prachtige  Spende 
an  diesem  Orte  aufs  herzlichste  verdanken,  mochten  wir 
an  alle  jene,  die  an  der  Schonheit  und  dem  Liebreiz  der 
niedlichen  Alpenkinder  ihre  Freude  haben,  die  freund- 
liche  Bitte  richten,  dann  und  wann  mit  einem  solchen 
Gruss  aus  sonniger  Hohe  unsers  stadtischen  Alpengartens 
zu  gedenken.  Gewiss  hat  es  fur  jeden  Geber  einen  be- 
sondern  Reiz,  wenn  er  spater  seinen  Lieblingen  im  Tale 
drunten  wieder  begegnet,  die  ihn  an  die  schonen  Stunden 
in  Gottes  hehrer  Alpenwelt  erinnern.  Zwischen  Moos- 
lager  in  Zigarrenkisten  verpackt,  lassen  sich  die  Pflanzchen 
leicht  per  Post  transportieren  oder  sonst  nach  Hause 
nehmen.  (Adresse:  Botanischer  Garten  St.  Gallen;  Auf- 
schrift:  Lebende  Pflanzen!)     Es  ist  durchaus  nicht  not- 


171 


,  class  man  die  Erde,  in  welcher  die  Pfl&nzchen 
a,  mit8chickt ;  Hauptsache  ist  vollst&ndige  Be- 
ing der  letzteren.  —  Wir  haben  uns  vorgenommen, 
m  erwahnten  Exkursionen  kttnftighin  noch  weit 
per  zu  betreiben,  damit  allm&lig  s&mtliches  Material 
eschafft  werde  zu  der  absolut  erforderlichen  Neu- 
Ltung  des  Alpinums. 

den  einzelnen  Gruppen  sollen  nacheinander  die 
Ler  montanen  Region  der  Kantone  St.  Gallen  und 
;ell,  sodann  jene  der  eigentlichen  Alpenregion  des 
ebirges,  der  Curfirsten  und  des  Oberlandes  (Sar- 
ingelspitz-Graue  Horner)  zur  Darstellung  gelangen. 
idere  Gruppe  wird  speziell  die  Flora  der  Bundner- 
und  des  Wallis  beherbergen.  Anderseits  durfte 
or  allem  auch  den  okologischen  Prinzipien  voile 
ng  getragen  werden,  so  dass  der  Besucher  des 
artens  ein  deutliches,  lebensvolles  Bild  erhalt  von 
•iturlichen  Zusammensetzung  der  Alpenflora 
lage,  Standorte,  Exposition)  tiberhaupt  von  den 
;hen  Formationen.  Alsdann  wird  sich  uns  erst  die 
>  Gelegenheit  bieten,  denbereits  begonnenen  „Natur* 
>r  aus  dem  stadtischen  Alpinumu  in  gewiinschter 
fortzusetzen. 

b  stattliche  Gruppe  der  Sukkulenten  (Kakteen, 
bien  etc.)  auf  der  Sudseite  des  Museumsgebaudes 

Herrn  Stadtgartner  Walz  wiederum  aufs  sorg- 
e  gepflegt  worden.  Sie  erfuhr  auch  eine  be- 
swerte  Bereicherung  durch  zwei  grosse  Exemplare 
'  Gattung  Opuntia  (fruher  im  Biirgerspital)  und 
3  kleinere  aber  exquisite  Reprasentanten  der  nam- 
Gattung  (vom  Stadtgartner  in  Konstanz).  Leider 
l   grossten   der  Saulenkaktus   (Cereus  peruvianus) 


172 


durch  das  bei  hefbigem  Regen  vom  Museumsdache  rinnende 
Wasser  eine  arge  Beschadigung  widerfahren ;  es  sind  nach- 
traglich  die  machtigen  Stengelteile  in  den  untern  Partien 
in  Faulnis  ubergegangen.  Mehrere  der  Stamme  konnten 
mittelst  Teerbestrich  noch  gerettet  werden. 

Ak  einen  wesentlichen  Fortschritt  im  Arboretum 
des  Parkes  darf  man  die  Neuetiquettierung  der 
Baume  und  Straucher  bezeichnen.  Dieselbe  wird  in 
diesem  Friihjahr  sozusagen  durchgefiihrt  sein.  Die  recht- 
eckigen  Aluminiumtafelchen  tragen  den  lateinischen  und 
deutschen  Namen  der  Pflanzen,  sowie  die  Angabe  ihrer 
Heimat.  —  Wegen  Altersschwache  und  Lebensunfahig- 
keit  mussten  gefallt  werden:  ein  Olnussbaum  (Juglans 
cinerea)  bei  der  Voliere,  eine  Silberpappel  (Populus  alba) 
beim  Turnhaus,  verschiedene  Larchen  und  Taxusstraucher 
vis-a-vis  des  Serrem'schen  Pavilions.  Dagegen  genugte 
bei  einem  Rosskastanienbaum  (Aesculus  hippocastanum 
die  vorlaufige  Ausgiessung  des  untersten  Stammteiles. 
—  Sehr  zu  begrtissen  war  die  Reinigung  jener  Straucher- 
gruppe  auf  der  Ostseite  des  Museumsgebaudes,  in  welcher 
die  altesten,  knorrigen  Exemplare  ausgeschnitten  und 
durch  jtingern  Nachwuchs  ersetzt  wurden. 

Eines  sehr  lebhaften  Besuches  erfreute  sich  das 
Warmhaus,  namentlich  als  die  herrliche  mexikanische 
Orchidee  Stanhopea  tigrina  in  einer  Pracht-  und 
Blutenfulle  sich  entwickelte,  wie  sie  in  St.  Gallen  noch 
nie  gesehen  wurde.  Dem  Wunsche  vieler  Besucher  ent- 
gegenkommend,  genehmigte  die  Parkkommission  einen 
Extrakredit  fiir  die  Erwerbung  einer  grSssern  Zahl  prach- 
tiger  Orchideen  (25  Spezies).  Durch  einen  reichen 
Bliitenansatz  erwiesen  sich  dann  in  der  Folge  mehrere 
derselben  sehr  dankbar,  wie  Odontoglossum  grande, 


173 


crispum,  Oncidium  praetextum,  Cattleya 
iskelliana,  Coelogyne  cristata,  Cypripedilium 
irrisianum,  C.  Lawrencianum  etc.  —  Auch  aus  der 
milie  der  Bromeliaceen  gelangten  einzelne  Arten 

wunderbarer  Bliite,  so  Caraguata  cardinalis, 
llandsia  splendens,  fiillbergia  rhodocyanea. 
ir  werden  Gelegenheit  haben,  im  kommenden  Sommer 
cl  Herbst  den  Freunden  der  exotischen  Bliitengew&chse 
s  genannten  beiden  Gruppen  in  beschreibender  Weise 
eich  jener  der  Stanhopea  tigrina)  vorzufiihren. 

Unsere  Klage  betreffend  Absterben  der  hochinter- 
an  ten,  insektenfressenden  Kannentragerpflanzen  (Ne- 
ithes)  hat  ein  freundliches  Gehor  gefunden  bei  einem 
vahrten  Gonner  unserer  samtlichen  Pflanzenanlagen. 
rr  Oberg&rtner  Schenk  vom  botanischen  Garten  in 
m  iiberraschte  uns  mit  zwei  sehr  kr&ftigen  und  schonen 
emplaren  von  Nepenthes-Hookeriana  und  N.  Ma- 
jrsiana,  die  anmit  aufs  warmste  verdankt  werden. 

Bekanntlich  soil  laut  Gemeindebeschluss  der  kunftige 
aalbau"  der  Stadt  St.  Gallen  auf  jenes  Terrain  zu  stehen 
nmen,  woselbst  sich  heute  die  Stadtgartnerei  bezw. 
.h  die  Gewachshauser  befinden.  Verwirklicht  sich  die 
cupation  dieses  Platzes  fur  den  genannten  Monumental- 
i,  so  ist  eine  Dislokation  der  Gewachshauser  unaus- 
iblich.  Da  unsere  jetzigen  Einrichtungen  den  immer  ge- 
igerten  Anforderungen,  welche  die  Bepflanzung  der  von 
lir  zu  Jahr  sich  vermehrenden  stadtischen  Anlagen  an 
stellen,  nicht  mehr  zu  geniigen  vermogen,  muss  an  eine 
weiterung  der  Stadtgartnerei  in  allem  Ernste  gedacht 
rden.  Einer  besondern  Vergrosserung  bediirfen  die 
iperierten  und  die  Kalthauser,  da  dort  die  Pflanzen 
?r  Winter  viel   zu  eng  ineinandergepfercht  6ind   und 


174 


sichtlich  Schaden  lei  den ;  auch  sollte  das  eigentliche  Warm- 
haus  un8ern  Pflanzenfreunden  noch  viel  mehr  zu  bieten 
versuchen.  Die  Erfahrungen  wahrend  der  vergangenen 
Jahre  sind  eine  deutliche  Illustration  dafiir,  wie  sehr  sich 
gerade  jene  an  den  herrlichen  Farben  und  Formen  der 
unerschopflichen  Pflanzenwelt  erfreuen  und  Belehrung 
suchen,  denen  der  tagliche  Beruf  wenig  Zeit  und  Musse 
fur  ideelle  Bestrebungen  und  Interessen  l&sst. 

Wir  hoffen  zuversichtlich,  dass  die  Tit.  Q-emeinde- 
behorde  bei  einer  Verlegung  der  Gew&chshauser  fur  die 
Erwerbung  eines  moglichst  geeigneten  und  geniigend 
grossen  Areals  bedacht  sei,  auf  welchem  sich  die  an- 
gedeuteten  Erweiterungen  leicht  durchfxihren  lassen. 

Die  giitigen  Geber,  welche  im  Vorjahre  ihre  reichen 
Spenden  zur  Erhaltung  von  Voliere  und  Parkweiher  ver- 
abreichten,  konnten  sich  auch  im  vergangenen  Jahre  nur 
dariiber  freuen,  welch  sichtbaren  Erfolg  ihre  Forderung 
ornithologischer  Interessen  gehabt.  Die  Kommission  der 
ornithologischen  Gesellschaft  Hess  es  sich  sehr  angelegen 
sein,  Voliere  und  Parkweiher  punkto  Bevolkerung  mit 
den  Beliederten  aller  Klassen  aufs  reichlichste  zu  versehen. 

Den  NeuanschafFungen  im  Betrage  von  Fr.  770  ent- 
spricht  denn  auch  die  ansehnliche  Zahl  der  Insassen.  In 
der  Voliere  waren  63  Arten  mit  169  Exemplaren  unter- 
gebracht;  der  Parkweiher  beherbergte  24  Arten  mit  69 
Exemplaren*). 

*)  Da  kiinftighin  von  der  Herausgabe  eines  Kataloges  der 
Vogel  in  Voliore  und  Parkweiher  Umgang  genommen  wird,  diirfte 
es  am  Platze  sein,  an  dieser  Stelle  einmal  die  Liste  dex*  im  Be- 
richtsjahre  gehaltonen  Vogel  aufzutuhren. 

A.  Voliere. 
ALteil.    I:  Grosser  Buntspecht.  Kleiber,  Griinspecht. 

„       II :  Buchfink,   Bergfink,   Griinfink,    Distelfink,  Schneefink, 


175 


Weit  giinstiger  als  die  Brut  erf  olge  in  der  Voliere 
ilensittiche,  Nymphensittiche,  Silberfasanen  und  Braut- 
n)  gestalteten  sich  jene  im  Parkweiher,  woselbst  die 
l&ltnisse  mit  Bezug  auf  die  Brutgelegenheit  der  Tiere 
laltnismassig  bessere  sind.  Sechs  weisse  und  Tier 
warze  Schwane  (einer  der  letzteren  verungluckte 
ichon  grosseres  Tier)  sind  das  Resultat  der  diesj&hrigen 


Zeisig,  Hanfling,  Gimpel  (Dompfaff) ;  Goldammer;  Feld- 
lerche,  Kalanderlerche ;  Amsel,  Singdrossel,  Rot-Wein- 
drossel,  Wacholderdrossel,  Ringdrossel;  Gem  einer  Star, 
Rosen s tar    Silberfasan. 
il.  Ill :  Wellensittich ,    kleiner    Alexandersittich ,    Blumenau- 
sittich ;  Sonnenvogel  (japanische  Nachtigall),  Reisvogel ; 
Orange  -  Feuerweber,   Oryx weber,   Madagaskar  -Weber, 
Napoleon -Weber,  Gold-Textorweber,  Wachtel. 
IV:  Mandarinenente ,    Brautente;    Kampflaufer,   Austern- 
fischer,  Tiipfelsumpf  huhn,  Kiebitz,  Teichhuhn ;  Sultans- 
huhn,  Agami,  Hokko,  Schakuhubn  (Penelope),  Stein- 
huhn,  Rebhuhn;  Kubreiher;  Nymphensittich,  Rosen- 
kakadu. 
V:  Lacbtaube,  Ringeltaube,  Turteltaube,  Sperbertaubchen, 
Mahnentaube,  Schopftaube ;  Scbopf wachtel. 
VI:  Tannen-Nusshaher,  Eichelhaher,  Gimpelhaffer;  gemeine 

Dohle,  Alpenkrahe;  Jagdfasan. 
VII:  Kolkrabe. 

B.  Parkweiher. 

il.  I:  Weisser  Hockerschwan  (8  Exemplare),  Smaragdente 
(Labradorente). 
II :  Wild-Stockente,  Brandente,  Pf eif ente,  Krickente,  Knack- 
ente,  Spiessente,  Reiherente,  Mandarinenente,  Moschus- 
ente,  Antillenente  (Tauchente),  [Enten:  11  Arten  rait 
40  Exemplaren]. 
II  und  III:  Schwarzer  Schwan  (5  Exemplare).   Japanische 

Hockergans. 
Ill:  Ringelgans,  Nonnengans,  Bliissengans  (Ganse:  4  Arten 
mit  9  Exemplaren).     Silbermove,   Sturmmove,   Lach- 
move  (Moven :  3  Arten  mit  6  Ex.),  weisser  Storch  (2  Ex.), 
Loffelreiher  (1  Ex.),  Flamingo  (1  Ex.). 


176 


firuten;  es  war  denn  auch  eine  Zeit  lang  eine  formliche 
Wallfahrt  des  Publikums  zu  den  allerliebsten  kleinen 
Schwimmkunstlern,  die  von  ihren  Eltern  aufs  sorgsamste 
bewacht  und  zu  den  ersten  n"Wasserfahrtenu  angeleitet 
wurden.  —  Sodann  diirfen  wir  den  ansehnlichen  Nach- 
wuchs  von  Bisam-  oder  Moschusenten  (9  Stuck), 
Stockenten  (7  Ex.)  und  einigen  Labradorenten 
nicht  (ibergehen.  Diese  Bruterfolge  machten  es  zum  Teil 
moglich,  dass  fur  voile  203  Fr.  Vogel  verkauft  werden 
konnten. 

Zur  besonderen  Freude  gereicht  es  uns,  einiger  wert- 
voller  Schenkungen  zu  gedenken,  womit  geschatzte 
Freunde  unserer  lebendigen  Vogelausstellung  dieselbe  in 
sehr  verdankenswerter  Weise  bereicherten.  So  nennen 
wir  vor  allem  jene  des  Herrn  Kaufmann  Severin 
Engeler,  dessen  generoser  Dedikation  an  das  natur- 
historische  Museum  wir  bereits  (pag.  139)  Erwahnung 
getan.  Herr  Engeler  brachte  auf  seiner  Heimreise  nach 
St.  Gallen  bezw.  Morschwil  drei  prachtige,  grossere,  vollig 
zahme  Vogel  init,  welche  er  einige  Zeit  frei  um  das 
elterliche  Haus  in  Morschwil  fliegen  und  laufen  lassen 
konnte.  Die  grosse  Zutraulichkeit  der  von  den  Bewohnern 
des  obern  Amazonenstrorns  als  formliche  Hausvogel  be- 
niitzten  Tiere  und  die  rasche  Akklimatisation  derselben 
an  europaische  Verhiiltnisse  liessen  ihre  Aufnahme  in  die 
st.  gallische  Voliere  um  so  wiinschenswerter  erscheinen. 
Tatsachlich  hat  sich  das  Trio  bis  zur  Stunde  recht  wacker 
gehalten.  Herr  Gartnereibesitzer  Kessler-Steiger,  der 
auch  dieses  Jahr  Papa  Storch,  Loffelreiher  und  Flamingo 
in  einem  seiner  Gewachshauser  liberwintert  und  mit  be- 
kannter  Sorgfalt  und  Liebe  pflegt,  hat  die  genannten 
Amazonier  in  seine  Obhut  genommen.    Es  sind  dies:  ein 


177 


Trompetervogel  oder  Agami  (Psophia  crepitans), 
eine  Art  von  Zwergkranich,  bezw.  ein  Verbindungsglied 
zwischen  Schlangenstorchen,  Kranichen  und  Sumpf- 
huhnern.  Der  ausserst  muntere  und  anhangliche  Vogel, 
welcher  fur  Liebkosungen  sehr  empfanglich  ist  und  sogar 
das  Krauen  an  Kopf  und  Hals  duldet,  ist  etwas  grosser 
als  ein  Huhn,  besitzt  ein  sehr  weiches  Gefieder  von  dunkler 
Farbe,  mit  violett-  und  griinglanzendem  Halse;  die  zer- 
schlissenen  Federn  des  Hinterrtickens  bezw.  der  Schulter- 
decken  sind  von  grauweisslichem  Kolorit. 

Die  beiden  anderen  gehoren  zu  den  Hiihnervogeln ; 
der  eine  zn  den  Hockos  (Cracid®):  Ourax  mitu,  bei- 
nahe  von  der  Grdsse  eines  Truthahns,  ein  stattlicher 
Bursche,  mit  metallfarbenem,  violettschwarzem  Gefieder 
and  korallrotem  Schnabel,  der  einen  starken  Hocker  von 
gleicher  Farbe  tragt ;  der  andere  von  graubraunem,  zum 
Teii  gesprenkeltem  Gefieder,  ist  ein  Vertreter  der  sogen. 
Schakuhuhner  (Penelope). 

Weitere  Geschenke  gingen  ein  von  Herrn  Fabrik- 
besitzer  Wegelin  in  Hofstetten,  bestehend  in  Moschus- 
sittich,  Blumenausittich  und  einem  Trupial.  Dass 
solche  gfitige  Dedikationen  von  Vogel-Reprasentanten, 
welche  bei  uns  gut  zu  halten  sind,  stets  sehr  willkommen 
geheissen  werden,   braucht  kaum  angedeutet  zu  werden! 

Trotz  grundlicher  Misserfolge,  welche  wir  mit  der 
im  letzten  Berichte  speziell  erwahnten  Spechtkolonie 
gehabt,  ist  abermals  ein  Versuch  mit  der  Haltung  dieser 
Vogelgruppe  gemacht  worden  (Grosser  Buntspecht  und 
Grunspecht).  Das  Ergebnis  war  wiederum  ein  negatives. 
Die  Buntspechte  hielten  wie  jene  des  Vorjahres  bis  im 
Januar;  der  Grunspecht  aber  ging  schon  im  Herbst  ein. 
Das  Spechtvolk  scheint  nun  einmal  absolut  nicht  fiir  di« 


178 


Gefangenschaft  geeignet  zu  sein;  ubrigens  ist  es  eine  be- 
kannte  Tatsache,  dass  man  in  zoologischen  Garten  nur 
ganz  selten  alte  Spechte  zu  Gesiohte  bekommt.  Urn  dem 
Publikum,  das  sein  voiles  Interesse  den  allzeit  muntern 
und  fleissigen  „  Zim  merle  u  ten"  entgegengebracht  hat,  auch 
noch  die  gross te  einheimische  Spechtart  vorzufuhren. 
werdeu  wir  einen  letzten  Versuch  mit  dem  starken  Schwarz- 
specht  vornehmen. 

Zum  grossten  Bedauern  seiner  zahlreichen  Freunde 
ist  der  von  uns  dem  Schutze  des  Publikums  besonders 
empfohlene  gemeine  Kranich  nach  langerer  Krankheit 
den  Weg  alles  Irdischen  gegangen.  Schon  bald  nach 
der  Ubersiedelung  aus  dem  Winterquartier  seines  Pflegers 
in  den  Parkweiher  legte  der  sonst  muntere  und  zu  Tanz- 
produktionen  stets  bereite  Vogel  eine  auffallende  Apatkie 
an  den  Tag  und  seine  klagliche  Stimme,  die  formlich 
zum  Mitleid  herausforderte,  Hess  auf  Krankheit  des  Tieres 
schliessen  und  fand  man  es  fur  richtiger,  des  sen  Leiden 
abzuklirzen.  Sobald  sich  eine  giinstige  Kaufgelegenheit 
bietet,  soil  wieder  ein  Exemplar  dieses  klugen  Vogels 
unsern  Parkweiher  zieren. 

Recht  guter  Dinge  ist  unser  prachtiger  Flamingo 
gewesen,  dessen  merkwiirdige  Zuneigung  zu  einer  der 
Nonnenganse  und  deren  gegenseitiges  freundschaftliches 
Verhaltnis  seiner  Zeit  Stadtgesprach  geworden.  Mit  einer 
Art  Eifersucht  hat  die  Nonnengans  seinen  ihm  an  Grosse 
vielfach  iiberlegenen,  weiss  und  rosa  geschmuckten  Freund 
bewacht,  und  alle  anderen  Vogel,  welche  in  die  Nahe 
des  Flamingos  gerieten,  in  die  Flucht  geschlagen.  — 
Anderseits  war  es  bei  dieser  Freundschaft  noch  ein  ganz 
gemeines,  materielles  Interesse,  auf  welches  die  Nonnen- 
gans es  abgesehen  hatte.     Begab  sich  namlich  der  Fla- 


179 


ngozu  seinem  etwas  erhohten  Futternapf,  dann  watschelte 
11  die  Nonhengans  augenblicklioh  nach,  um  sioh  an  den 
Irosamen"  gtitlich  zu  tun,  die  von  des  „hotien  Herren" 
sche  fielen.  Fiihlte  die  Gans  einmal  eine  Regung  von 
inger,  so  veranlasste  sie  geradezu  den  Flamingo,  zum 
ittergeschirr  zu  gehen,  und  mehr  als  einmal  setzte  es 
iht  aufregende  Szenen  ab,  wenn  letzterer  dem  unzwei- 
utigen  Dr&ngen  der  Gans  nicht  sofort  Folge  leistete. 
mn  schoss  ihm  die  Gans  an  den  Hals  und  warf  den 
ossen  Vogel  zu  Boden  oder  ins  Wasser. 

Um  noch  einiger  Neuerungen  in  Voliere  und  Park- 
dher  zu  gedenken,  fuhren  wir  an,  dass,  gleichsam  als 
satz  fur  den  bis  dato  jahrlich  herausgegebenen  Katalog, 
s&mtlichen  Abteilungen  Tafelchen  angebracht  wurden, 
f  welchen  die  Namen  der  jeweiligen  lebenden  Insassen 
fgefuhrt  sind.  —  Gestiitzt  auf  die  Erfahrungen,  welche 
in  andernorts  mit  Musikautomaten  in  Volieren  ge- 
icht,  entschloss  sich  die  ornithologische  Gesellschaft  zur 
Lschaffung  eines  derartigen  Instrumentes.  Die  dem- 
ben  zugeflossenen  Scherflein,  welche  speziell  zur 
uflichen  Erwerbung  von  Vogeln  verwendet 
jrden,  haben  in  kurzer  Zeit  ein  namhaftes  Summchen 
sgemacht.  So  diirfte  es  heute  wohl  wenige  mehr  geben, 
lchen  diese  prosperierende  Einnahmequelle  ein  „Dorn 
Augeu  wfi,re,  um  so  mehr,  als  die  Umwohner  des  Parkes 
keinerlei  "Weise  durch  die  rmusikalischen  Produktionenu 
jtfirt  werden,  anderseits  die  eingelegten  „Zehnera  zur 
sung  der  finanziellen  Fragen,  die  besonders  an  eine 
sstellung  lebender  Vogel  herantreten,  ein  wesentliches 
tragen. 

Eine    gerechte    Entriistung    bemachtigte    sich    aller- 
mnde  unserer  gefiederten  Lieblinge,  als  eines  Morgens 


180 


im  Parkweiher  drunten  samtliohe  Schwanen-  und  Enten- 
hauschen  in  wirrem  Duroheinander  kopftiber  im  Wasser 
lagen,  wobei  unter  anderm  eine  Sch  wanenbrut  mit  mehreren 
Eiern  zerstort  war.  Wenig  hatte  gefehlt,  so  ware  auch 
der  brutende  schwarze  Schwan  ertrunken,  der  in  seinem 
Hause  sich  nicht  von  seinen  Eiern  trennen  wollte.  Gluck- 
licherweise  wurden  die  rohen  Urheber  dieses  vandalischen 
Nachtbubenstreiches  sohon  am  namlichen  Morgen  ent- 
deckt  und  in  empfindlicher  aber  durchaus  gerechter  Weise 
von  den  Gerichtsbehorden  bestraft,  zum  wamendenExempel 
fur  jegliche  Geluste,  unschuldige  Tiere  und  fremdes  Eigen- 
turn  zur  Zielscbeibe  jugendlichen  Ubermutes  zu  machen. 

Wenn  sich  Jahr  fur  Jahr  Herr  Kessler-Steiger 
durch  Uberwinterung  und  Pflege  der  subtileren  grossen 
Stelzvogel  (Flamingo,  Storche,  LdfFelreiher)  ein  besonderes 
Verdienst  erworben,  so  diirfen  wir  an  dieser  Stelle  vor 
allera  auch  einer  treuen  Freundin  und  Pflegerin  der 
Nachtigallen,  Wellensittiche  und  Sonnenvogel  gedenken. 
Frau  Zollikofer-Ganz  hat  sich  wahrend  des  Winters 
mit  nihrender  Aufmerksamkeit,  Liebe  und  Aufopferung 
dieser  ihrer  Lieblinge  angenommen,  deren  Freuden  und 
Leiden,  Wunsche  und  Vorschlage  fur  Verbesserungen  in 
der  Voliere  sie  ihnen  mit  feinem  Verst&ndnis  abgelauscht 
und  in  allerliebster  Weise  vor  das  Forum  der  st.  gallischen 
ornithologischen  Gesellschaft  getragen  hat. 

Ffir  letztere  bildete  eine  Genugtuung  die  ehrende 
Anerkennung,  welche  ihr  anlasslich  der  Schweizerischen 
landwirtschaftlichen  Ausstellung  in  Frauenfeld  zu  tail 
wurde  in  Form  des  Diploms  und  der  silbervergoldeten 
Medaille  fiir  die  Ausstellung  einer  Kollektion  Wild-  und 
Zierenten,  Wildganse  und  Moven. 

Es  ware  uberflussig,  wollten  wir  hier  nochmals  auf 


181 


den  Wert  hinweisen,  den  eine  Ausstellung  lebender  Vogel 
besitzt;  der  allzeit  rege  und  vermehrte  Besuch  unserer 
Institution  von  Seite  der  ganzen  Bevolkerung  dokumentiert 
denselben  zur  Genuge.  Wir  mochten  nur  wiinschen,  dass 
bei  Gelegenheit  der  Arrondierung  des  Saalbauterrains  auch 
eine  den  Zwecken  des  Parkweihers  noch  mehr  entsprechende 
Ausgestaltung  des  letzteren  ins  Auge  gefasst  und  durch- 
gefuhrt  werden  konnte. 


VIII. 

Beitrage  zur  Okologie  der  Felsflora. 

Untersuchungen  aus  dem  Curfirsten-  und  Sentisgebiet 

von 

Max  Oettli. 


Die  vorliegende  Arbeit  ist  das  Resultat  von  Untersuchungen, 
die  ich  unter  der  Leitung  von  Herrn  Professor  C.  Schroter  im 
Herbst  1901,  ini  Fruhjahr  und  Vorsommer,  sowie  im  Spatsommer 
1902  im  Curfirsten-  und  Sentisgebiet  angestellt  babe.  Seiner  Fiir- 
sorge  habe  ich  es  zu  verdanken,  dass  diese  Zeiten  wobl  zu  den 
gliicklichsten  meines  Lebens  zahlen  werden.  Ich  danke  ihm  aut's 
herzlichste  dafiir,  sowie  auch  Herrn  Prof.  Heim  fur  zahlreiche 
Forderungen,  die  er  moiner  Arbeit  angedeihen  liess. 

Ziel  und  Wcg. 

Die  Entwicklung  der  Pflanzengeographie  bietet  eine 
interessante  Analogie  zur  Qeschichte  der  Naturwissen- 
schaften  iiberhaupt.  Hier  wie  dort  waren  es  nicht  zuerst 
naheliegende  Erscheinungen,  die  erforscht  wurden,  sondern 
die  grossen  Zusammenhange :  in  der  Pflanzengeographie 
speziell  die  Verteilung  der  Pilanzen  liber  die  ganze  Erde. 
Eine  alltagliche  Beobachtung  aber,  wie  z.  B.  der  Um- 
stand,  dass  auf  einer  und  derselben  Wiese  nebeneinander 
ein  Hahnenfuss  und  ein  Wiesenschaumkraut  wachsen 
konnen,  erwuchs  erst  spat  zu  einem  Problem.  Und  auch 
dann,  als  etwa  danach  gefragt  wurde1),  „weshalb  sich 
die  Arten  zu  bestimmten  Gesellschaften  zusammenschlieesen, 

l)  Warming,  Okologische  Pflanzengeographie. 


183 


and  weshalb  diese  die  Physiognomie  haben,  die  sie  be- 
sitzen",  wurde  in  der  Antwort  nur  aus  dem  Bau  der  ver- 
schiedenen  Gesellschaftsglieder  die  Moglichkeit  abgeleitet, 
bei  mangelnder  Konkurrenz  an  demselben  Standorte  zu 
gedeihen,  aber  noch  nicht  Griinde  angefuhrt,  die  den 
Zusammenschluss  so  vieler  verschiedener  Spezies  bedingen. 
Noch  im  Jahre  1902  sagte  Warming *) :  nDas  Ideal  der 
wissenschaftlichen  Behandlung  der  einzelnen 
Pflanzen„vereineu  muss  der  wissenschaftliche 
Nachweis  dafiir  sein,  wie  jedes  einzelne  seiner 
Mitglieder  (Lebensformen)  im  morphologischen, 
im  anatomischen  und  im  physiologischen  Ein- 
klange  mit  den  verschiedenen  okonomischen 
und  geselligen  Verhaltnissen,  unter  denen  es 
lebt,  ist;  woraus  dann  als  Schlussergebnis  her- 
vorgehen  wtirde,  weshalb  jeder  einzelne  natiir- 
liche  Verein  gerade  die  bestimmte  Zusammen- 
setzung  von  Lebensformen  und  die  besondere 
(konstante  oder  nach  Jahreszeiten  wechselnde)  Physio- 
gnomie hat,  die  er  besitzt.  Diese  Aufgabe  auch 
nur  annahernd  zu  losen,  ist  noch  unmoglich. 
Einerseits  sind  die  physikalische  und  die  chemische  Natur 
der  verschiedenen  Standorte  fast  nirgends  eingehend 
wissenschafllich  bekannt;  andererseits  ist  das  Wechsel- 
verhaltnis  zwischen  den  Pflanzen  und  diesen  leblosen  Fak- 
toren,  zwischen  den  Pflanzen  untereinander  und  zwischen 
den  Pflanzen  und  anderen  lebenden  Wesen,  die  zu  einem 
Vereine  verbunden  sind,  so  mannigfaltig,  so  verwickelt 
und  schwer  zu  durchschauen  —  weil  die  Pflanzen  offen- 
bar  auf  ausserst  schwache  Veranderungen  reagieren,  die 


*)  Warming,  Okologiscbe  Pflanzen  geographie. 


184 


unsere  Instrumente  gewiss  kaum  immer  nachweisen  konnea 
—  dass  wir  nicht  bei  einem  einzigen  Vereine,  nicht  ein- 
mal  bei  denen,  die  wohl  am  besten  untersucht  worden 
sind,  ganz  klar  sehen  kftnnen.  Zum  vollen  Verst&ndnis 
sollten  wir  eigentlich  in  den  ganzen  Entwicklungsgang. 
der  vor  sich  gegangen  ist,  und  in  alle  physikalischen 
Versuche,  die  die  Natur  in  Jahrtausenden,  ja  vielmehr 
seit  ErschafFung  der  Welt,  vorgenommen  hat,  indem  sie 
die  Arten  hervorbrachte,  Einbliok  haben.  Es  muss  eine 
anziehende  Aufgabe  fiir  die  Zukunft  sein,  zur  Erreichung 
dieses  fernen  grossen  Zieles  Beitrage  zu  liefern.u 

Glucklicherweise  habe  ich  gerade  diese  Stelle  in 
Warmings  Buch  erst  gelesen,  nachdem  die  vorliegende 
Arbeit  schon  langst  begonnen  war,  denn  sonst  h&tte  ich 
es  kaum  gewagt,  die  mir  gestellte,  so  vielerlei  Probleme 
enthaltende  Aufgabe  gerade  in  diesem  Sinne  in  Angriff 
zu  nehmen ;  will  sie  doch  nichts  geringeres,  als  den  Ver- 
such  machen,  einen  solchen  Beitrag  zu  liefern.  —  Die 
Frage,  warum  ein  Wiesenschaumkraut  mit  einem  Hahnen- 
fuss  vergesellschaftet  sein  kann,  wird  wohl  nicht  so  schnell 
eine  Beantwortung  finden.  Auf  sie  trifft  das  oben  zitierte 
wortlich  zu.  Ganz  anders  aber  liegen  die  Verh&ltnisse 
bei  der  Felsenflora.  Wenn  man  namlioh,  wie  es  in  der 
ganzen  Arbeit  geschehen  soil,  von  den  Felsenpflanzen 
nur  die  Gef&sspflanzen  betrachtet,  so  ist  damit  schon  die 
Erleichterung  der  Isolierung  der  Untersuchungsobjekte 
gegebon x).  Ferner  konnen  beim  Fels  ohne  weiteres,  oder 
dann  doch  mit  Hammer  und  Meissel  leicht  eine  ganze 
Eeihe  von  Yerschiedenheiten  in  den  physikalischen  und 
chemischen  Eigenschafben  des  Standortes  beobachtet  werden. 

')  Die  Definition  des  Begriffes  rFelsenpflanzeu  vide  pag.  192. 


186 


Es  muss  also  notwendigerweise  moglich  sein,  irgendwelche 
Beziehungen  zwischen  solchen  Besonderheiten  innerhalb 
der  allgemeinen  Standortsverh&ltnisse  und  der  besiedeln- 
den  Spezies  aufzufinden.  Und  die  Hoffnung,  dass  sich 
einzelne  dieser  Beziehungen  im  ganzen  Gebiete  als  kon- 
stant,  d.  h.  als  Gesetze,  erweisen  wiirden,  ist  gewiss  niobt 
von  vornherein  als  unberechtigt  zu  bezeichnen  und  ebenso- 
wenig  die  andere,  die  gefundenen  Beziehungen  in  ur- 
sachlichen  Zusammenhang  zu  bringen,  d.  h.  aus  den 
Standortsverh&ltnissen  den  Bau  der  betreffenden  Pflanze 
verstehen  zu  konnen. 

Jaccard  (II)  hat  tatsachlich  das  Yorhandensein  solcher 
Beziehungen  fur  alpine  Wiesen  durch  statistische  Unter- 
suchungen  zahlenmassig  nachgewiesen.  Er  resiimiert 
folgendermassen : 

1.  Die  Artenzahl  eines  Gebietes  ist  dirokt  proportional  der  Mannig- 
faltigkeit  seiner  okologischen  Bedingungen. 

2.  Die  Ahnlichkeit  der  okologischen  Bedingungen  zweier  benach- 
barter  Territorien  innerhalb  der  gleichen  natiirlichen  Region 
findet  ihren  Ausdruck  im  Gemeinschaftscoefficienten 
der  beiden  Floren. 

3.  Ausser  den  allgemeinen  okologischen  Faktoren  existieren  filr 
jede  Lokalitat  eines  bestimmten  Standortstypus  lokale  Varia- 
tionsursachen,  welche  im  einzelnen  wieder  eine  okologische 
Mannigfaltigkeit  bedingen,  die  ausgedruckt  wird  durch  die 
Verschiedenheit  in  der  systematischen  Zusammensetzung  der 
Pflanzendecke. 

Als  prim  are  Faktoren  sollen  diejenigen  bezeichnet 
we r den,  welche  die  verschiedenen  Standorttypen  (Wiese,  Moor, 
Schutt,  Felsen  etc.)  bedingen;  als  sekundare  Faktoren  die- 
jenigen,  welche  bloss  eine  Variation  verursachen  innerhalb 
eines  Standortes,  ohne  dessen  physiognomischen  Charakter  zu 
verandern.  Dann  ergibt  sich  fur  unsere  Gebiete,  dass  die 
Veranderungen  in  den  sekundaren  Faktoren  geniigen,  urn  die 
systematise  he  Zusammensetzung  der  alpinen  Wiese  so  um- 
zugestalten,  dass  fiir  zwei  Lokalitaten  mindestens  s/s  der  Arten 
verschieden  sind.  —  Im  wesentlichen  ist  die  Verteilung  der 


186 


Arten  bestimmt  (lurch  die  Resultants  aller  Faktoren,  welche 
das  okologiscbe  Milieu  ausmachen.  £s  ist  nun  klar,  dads  selbst 
geringe  Anderungen  dieser  Resultante  genugen,  urn  eine  be- 
stimmte  Artengruppe  in  der  Konkurrenz  zu  begun  stigen  and 
eine  andere  auszuscbliessen. 

4.  Obschon  die  systematische  Zusammensetzung  innerhalb  einer 
Formation  stark  wecbselt  von  einer  Lokalitat  zur  andern. 
scheint  der  Gemeinscbaftscoefficient  von  je  zwei  Lokaiitaten 
docb  uin  einen  Mittelwert  zu  schwanken.  der  sicb  einer  Kon- 
stanten  nahert,  so  bald  wan  eine  genug  grosse  Zahi  von 
Lokalitaten  beriicksichtigt. 

5.  Je  grosser  die  okologische  Mannigfaltigkeit  innerhalb  jedes 
der  verglichenen  Gebiete  ist,  um  so  grosser  ist  auch  der  Ge- 
meinscbaftscoefficient ihrer  Flora.  —  Wenn  man  zwei  Distrikte 
von  einer  gewissen  Ausdebnung  vergleicbt,  so  ist  die  Wabr- 
scheinlichkeit,  viele  gemeinsame  Arten  zu  finden,  um  so  grosser, 
je  mannigfaltiger  die  zugeborigen  Standorte  sind. 

Fiir  die  Felsflora,  als  einer  Formation,  bei  der  infolge 
der  Isolation  der  einzelnen  Individuen  ein  Kommensualis- 
mus  (im  weitesten  Sinne)  derselben  grossenteils  aus- 
geschlossen  ist,  miissen  die  aufgestellten  Satze  durch  De- 
duktion  als  richtig  erkannt  werden,  und  auch  ihr  induktiver 
Nachweis  diirfte  nach  der  Art  der  Jaccard'schen  Unter- 
suchung  zu  erbringen  sein.  Aber  noch  mehr.  Die  oben- 
erwahnten  Erleichterungen,  welche  die  Felsflora  der  Er- 
forschung  bietet,  lassen  den  Versuch  wagen,  nicht  nur 
eine  allgemeine  Abhangigkeit  der  Artenliste  von  der  oko- 
logischen  Mannigfaltigkeit  des  Standortes  festzustellen, 
sondern  im  Sinne  Warmings  auch  noch  zu  fahnden: 
1.  nach  jeder  einzelnen  Spezies,  welche  mit  dem  Auf- 
treten  gewisser  okologischer  Bedingungen  sich  neu  ein- 
stellt  oder  umgekehrt  nach  der  besonderen  Art  der  oko- 
logischen  Bedingungen,  welche  gegeben  sein  miissen,  um 
eine  Spezies  zu  ermoglichen  und  2.  dem  Kausalzusammen- 
hang  zwischen  diesen  Momenten. 

Vor  das  Pflanzenchaos  stark  besiedelter  W&nde  ge- 


187 


stellt,  schaute  ich  also  zunachst,  ob  sich  nicht  samtlicke 
Stellen,  an  denen  eine  gewisse  Spezies  vorkommt,  durch 
irgendwelche  gemeinsame  Merkmale  von  den  andern, 
nackten  oder  besiedelten  Teilen  der  Felswand  auszeichneten 
und  nannte  solche,  durch  irgendwelcJie  gemeinsamen  Merk- 
male besonders  charakterisierten  Stellen  des  Felsens,  die  meist 
nur  von  einer  und  derselben  Spezies  besiedelt  nerden,  den 
Wurzelort  der  betreffenden  Spezies1). 

Schreiben  wir  einer  Spezies  einen  Wurzelort  zu,  so 
ist  dies  gleichbedeutend  mit  der  Annahme,  dass  dieselbe 
ausser  an  die  allgemeinen,  auch  fur  alle  Nachbarspezies 
vorhandenen  Bedingungen  des  Standortes  (Klima,  Meeres- 
hohe  etc.)  noch  an  spezielle,  nur  an  bestimmten  Stellen 


')  Die  Wurzelorto  waren  also  die  in  ihren  „sekundaren  Merk- 
malen"  verschiedenen  Stellen  eines  Standortes,  urn  Jaccards  (II) 
Ausdruck  zu  gebrauchen. 

Der  Begriff  „Wurzelort"  ist  eigentlich  nicht  neu.  Jedenfalla 
scbon  Kerner  hat  eben  ihn  definiert,  wenn  er  sagt:  „Die  be- 
schrankten  Platze  eines  Gebietes,  welche  fiir  das  Fortkommen 
einer  bestimmten  Art  gtinstig  sind,  wo  die  Bedingungen  fiir  eine 
erfolgreiche  Lebensfiihrung  und  fiir  das  Festhalten  an  dem  Grund- 
besitze  durch  die  Nachkommenschaft  gegeben  sind,  und  wo  die 
Art  sozusagen  einen  standigen  Wohnort  hat,  werden  Standorte 
genannt'',  und  keineswegs  das,  was  im  Sprachgebrauch  mit  Stand- 
ort  bezeichnet  wird,  ntimlich  ein  jeder,  in  seinen  Eigentiimlich- 
keiten  haufig  wiederkehrender  Bodenkomplex.  Man  kann  aber 
den  Sprachgebrauch  viel  weniger  leicht  dazu  zwingen,  einen  neuen 
Begriff  mit  einem  alten  schon  vergebenen  Worte  zu  bezeichnen, 
als  man  ihm  fiir  einen  neuen  Begriff  ein  neues  Wort  aufdrangt. 
Zur  klaren  Ausdrucksweise  sind  aber  zwei  Worte  notwendig.  Ich 
werde  daher  in  der  ganzen  Arbeit  an  dem  Wort  Wurzelort  fest- 
halten. 

Soil  ten  spater  einmal  ,,Wurzelortsuntersuchungen"  auch  auf 
Kryptogamen,  z.  B.  das  Plankton  ausgedehnt  werden,  so  konnte 
vielleicht  an  Stelle  des  Wortes  „Wurzelort"  das  umfassendere 
„Wuchsort"  treten. 


188 


des  Standortes  gegebene  Bedingungen  (Spalte,  Vorsprung> 
angepasst  sei. 

In  dem  Nachweise  solcher  „Sonderanpas#uiiffeH"9 

d.  h.  den  Zusammenhcingen  zwisclxen  den  Eigensdiaften  d**r 
Wurzelorte  ttnd  dem  Bau  der  betreffenden  Spezies,  liegt  die 
Antwort  auf  die  Frage,  warum  sich  mehrere  Spezies  an 
einem  Standorte  finden  und  warum  die  Verteilung  der- 
selben  die  bestehende  und  keine  andere  ist. 

Das  Studium  der  Wurzelorte  der  gefass- 
fuhrenden  Felsenpflanzen  unseres  Gebietes 
und  der  ihnen  entsprechenden  Sonderanpas- 
sungen  soil  den  Inhalt  dieser  Arbeit  bilden. 

Der  Weg  zum  Zide  ist  durch  die  Natur  der  Aufgabe  vor- 
gezeichnet.  Es  sind  zwei  Untersuchungsmethoden  moglich.  Ent- 
weder  kann  man  die  Standorte  der  verschiedenen  Spezies  an  einer 
und  derselben  Lokalitat  miteinander  vergleichen,  oder  man  ver- 
gleicht  Lokalitaten,  an  dcnen  cinzelne  Spezies  ausgesprochen  do- 
minieren.  Um  dabei  den  Einfluss  der  Standortsverschiedenheiten 
auf  die  Flora  unverwischt  beobachten  zu  konnen,  gilt  es,  etwaigeu 
Veranderungen  in  der  Artenliste  infoige  klimatischer  oder  floren- 
gescbichtlicher  Verscbiedenheiten  auszuweichen,  d.  h.  sich  auf  ein 
eng  begrenztes,  klimatisch  und  edapkiscb  relativ  gleichartiges. 
moglichst  felsenreiches  Gebiet  zu  beschranken. 

Allen  diesen  Bedingungen  geniigt  in  vollkommener  Weise 
der  siidliche  Steilabsturz  der  Curfirsten  und  des  Leist- 
kammes.  Wand  ttirmt  sich  dort  auf  Wand,  vom  Seeufer  (423  in) 
bis  zu  den  durchschnittlich  2200  m  hohen  Gipfeln,  in  nur  wenig 
durch  schmale  Terrassen  und  Kasenbander  unterbroohener  Flucht, 
dabei  aber  allenthalben  leiclit  zuganglich  und  vielerorts  aucb  zu 
erklettern;  teils  dadurch,  dass  die  Scbichten  meist  horizontal,  oder 
schwach  gegen  den  Berg  einfallend,  mit  einzelnen  Banken  etvras 
vorstehen,  teils  infoige  der  eigentiim lichen  „Gufelbildung". 
An  den  beinahe  ungegliederten  Schrattenkalkwanden  ermoglichen 
namlich  einzelne  horizontal  durchgehende,  ein  bis  mehrere  Meter 
hohe  und  etwas  weniger  tiefe  Rinnen  (Einkerbungen).  die  eut- 
weder  stehend  oder  doch  kriechend  relativ  leicht  passiert  werden 
konnen,  z.  B.  auch  die  Kontrolle  der  sonst  vollkommen  unge- 
gliederten, senkrechten  bis  200  m  hohen  Gipfelwande.    Die  Wande 


189 


am  Seeufer  sind  grossenteils  Malmkalke,  alles  iibrige  (mit  Aus- 
nahme  von  wenig  Dogger  bei  Walenstadt)  sich  wiederholende 
Kreideschichten,  d.  h. 

Neocom, 

Schratte  nkalk, 

Gaul t  und 

Seewerkalk 
in  alpiner  Ausbildung.    Iinmerhin   werden   davon  nur  die   dys- 
geogenen    Horizonto    Beriicksichtigung    finden,    eugeogene 
Neocom-  und  Gaultschichten  tragen  meistens  Wiesenpflanzen  (vido 
I.  Teil  II.  Kap.  §  1  B  5). 

Die  Gleichforinigkeit  in  der  Lage  aller  Wande  lassen  andere, 
als  durch  Hohendifferenzen  hervorgerufene  Verschiedenheiten  im 
Klima  als  hochst  unwahrscheinlich  erscbeinen.  —  Das  Bleibende 
aber  erkennt  man  im  Wechsel.  Das  Wesentliche  am  Wurzelort 
einer  Pflanze  wird  nicbt  durcb  den  Vergleich  moglichst  ahnlicher, 
sondern  moglichst  verschieden  beschaffener  Standorte  zum  Aus- 
druck  kommen;  und  wenn  wir  auch,  um  uberbaupt  vergleichen 
zu  konnen,  die  relative  Einformigkeit  der  Curfirsten  schatzen  ge- 
lernt,  so  erweisen  sich  doch  bei  der  Untersuchung  an  Ort  und 
Stelle  innerhalb  des  Vergleich baren  die  heterogensten  Verhiiltnisse 
als  die  wertvollsten,  und  um  die  Flora  der  Gipfelwande  zu  ver- 
stehen,  zog  ich  daher  auch  die  Flora  der  Kreide  des  benachbarten 
Sentisgebietes  zur  Untersuchung  herbei. 

Davon,  dass  die  Arbeit  sich  zu  einer  Monographic  der  Fels- 
flora  des  Gebietes  hatte  ausgestalten  konnen,  war  aber  keine  Rede. 
Bei  der  gestellten  Aufgabe  ist  es  selbstverstandlich,  dass  nur 
hundert  und  tausende  von  Einzelbeobachtungen  zu  einem  Res ul tat 
fuhren  konnen,  so  dass  auch  die  im  Gebiete  seitenen  Pflanzen 
ohne  weiteres  in  Wegfall  kommen  mussten,  ebenso  auch  die 
haufigen  Baume  und  Straucher,  weil  ihre  Jugendstadien  nur  ganz 
ausnahmsweise  zu  beobachten  sind  und  alte  Exemplare  ihre  Um- 
gebung  schon  derart  verandert  haben.  dass  sich  die  urspriinglichen 
Wurzelorte  nicht  mehr  erkennen  lassen.  Andrerseits  konnen  zur 
Wurzelortsbestimmung  mehrjahriger  Pflanzen  nur  solche  Exemplare 
in  Betracht  fallen,  die  mindestens  einen  Winter  durchgemacht 
haben.  —  Und  noch  in  einer  andern  Hinsicht  wurde  das  Thema 
eingeschi-ankt.  Es  gibt  in  Wald  und  AViesen  zahlreiche  Felsen, 
deren  Besiedler  sich  nur  aus  der  Wald-  und  Wiesenflora  der  Um- 
gebung  rekrutieren,  also  keineswegs  unter  den  Begriff  „Felsen- 
pflanzen"  fallen.  Eine  haufige  Pflanze  in  den  Spalten  solcher, 
in  einer  "Wiese  auftauchender  Felskopfe  ist  z.  B.  PotentilU.  N«txi^ 


190 


eine  Spezies,  die  ich  gar  nie  an  eigentlichen  Felswanden  getroffen 
habe,  wahrend  andrerseits  die  Potentille  der  Felswande:  Poten- 
tilla  caulescent*  sich  nie  auf  solchen  Wiesenfelsen  findet. 

Was  die  Dantellung  anbelangt,  sei  Folgendes  beruerkt:  In 
der  Literatur  bestehen  nur  ganz  vereinzelte  Notizen  fiber 
die  Eigenschaften  des  Felsens  als  Pflanzenstandort.  Es  kenn- 
zeichnet  fast  alle  die  Auffassung,  dass  der  Fels  ein  ausgesprochen 
trockener,  humusarmer  Standort  sei.  ein  Verhalten,  das  fur  unsere 
Felswande  zwar  raeistens  zutreffen  kann,  aber  bei  nur  geringer 
Vertiefung  der  Untersuchung,  selbst  fiir  quellenlose  Wande  als 
keineswegs  typisch  erkannt  werden  muss.  Ich  habe  daher  in  einem 
ersten  Teile  die  fiir  unsere  Untersuchung  wichtigen  Voraussetzungen 
fiber  die  allgemoinen  Verhiiltnisse  der  Felsf  iora  besonders  zusamnien- 
gefasst.  —  In  der  pflanzengeograpbischen  Terminologie 
richtete  ich  mich  nach  der  in  der  „Vegetation  des  Boden- 
seesw  von  Schroter  uiid  Kircbner  angewandten.  Schroter  gibt 
dort  zur  Erliiuterung  seiner  Ausdrucke  folgendes  Beispiel: 
Vegotationstypus  .  .  .  Grasflur 
Formation sgruppe   .     .     .     Wiese 

Formation Trocken  wiese 

Subformation Alpine  Trockenwiese 

Bestandestypus  .     ,     .     .     Nardetum   (Nardus    stricta    be- 

zeichnend) 

Subtypus Auf  Urgebirge  (mit  Trif.  alp.) 

Facies Nardetum  (Nardus  dominie  rend) 

Einzelbestand      ....     Nardetum  auf  Alpe  di  Sella 

am  Gottbard. 
Synokologie  bedeutet  die  Lebre  voni  Haushalte  der  „Pflanzen- 
vereine",  Autokologie  die  Lehro  vom  Hausbalte  der  einzelnen 
Spezies.  —  Die  Pf  1  anzen  nam  en  sind  der  ,.Flora  der  Schweiz" 
von  Sfbinz  und  Keller  entnommen,  wo  im  Register  aucb  die 
Autornamen  angetubrt  sind.  —  Zur  leicbteren  Auffindung  der 
Ortsnamen  auf  der  Karte  bediene  man  sich  des  Registers  am 
Scblusse  der  Arbeit. 


191 


Erster,  synokologischer  Teil. 


Allgemeines  flber  die  Felsenpflanzen  des  Gebietes. 


I.  Kapitel. 
Die  Formattonen  der  OefSssflora  des  Kalksteins. 


§  I- 
Obersicht. 

Alle  auf  dem  nackt  zu  Tage  tretenden  Kalkstein 
wachsenden  Gef  asspflanzen  lassen  sich,  ihrer  verschiedenen 
Okologie  gemass  und  gemass  den  fortschreitenden  Stadien 
der  Verwitterung  des  anstehenden  Felsens,  nach  folgendem 
Schema  gruppieren: 

a)  Pflanzen,  die  zwar  auf  Stein  wachsen,  aber  in  keinem 
nachweisbaren  oder  doch  zu  vermutenden  gesetz- 
massigen  Abhangigkeitsverhaltnis  zu  ihm  stehen; 

z.  B.  die  Schneefleckflora. 

b)  Pflanzen  in  nachweisbarer  oder  doch  zu  verniutender 
Abhangigkeit  von  den  Eigenschaften  des  Steins  als 
Substrat. 

Sie  besitzen  als  okologische  Gesamtgruppe  folgende 
Standorte  und   entsprechende  okologische  Untergruppen. 


192 


o 

©    QQ 

o  fee 

§§« 

=  :  c 

-C  :5  +* 

fat: 

Is 

£ 

£§ 


O     c     |H 

~  c  cp 

-    3^= 


Standort 

1.  Mehr  oder  weniger  kom- 
pakte  W&nde  und  Bldcke 

2.  Ruhende  Trummer  .     .     . 

3.  Rutschende  Trummer  .     . 

4.  Durch  Wasser  fortbewegte 
Trummer 

5.  Sand 

Die  Flora  der  durch 
Gletschertransport  modifi- 
zierten  Anhaufungen  von 
Gesteinstriimmern  diirfte 
grosstenteils  unter  den  Ab- 
schnitt  a  fallen. 


Untei-ffruppei 

Felsenpflawen 

Felsschuttpflanze 

Qerollpflamen 

Kiespflanzen 
Psammophyten 


6.  Karrenfelder Karrenfeldftora 

7.  Hieher   gehort  vermutlich 

auch  die Felsenhaide 

mit  Vaccinien,Cetrarien  und 
Cladonien,  die,  im  Gegen- 
satz  zum  benachbarten 
Ratikon,  in  unserm  Gebiete 
so  sparlich  auftritt,  dass 
mir  das  Material  zur  sichern, 
sachgemassenAngliederung 
fehlt. 

§2. 
Definition  des  Begriffes  „Felsenpflanze". 
In  der  Literatur  fand  sich  keine  eigentliche  Defin 
tion  des  Begriffes  „Felsenpflanzea.  Es  ist  dies  veratfcnc 
lich;  die  grossen  pflanzengeographischen  Werke  sind  d< 
Charakteristik  grosser  Gruppen  gewidmet  und  nicht  di 
einzelnen  Spezies.     Warming  sichtet  nach  dkologische 


193 


Gesichtspunkten,  die  „Felsenpflanzenu  sind  aber  ein  buntes 
Gemisch  aus  Hygrophyten,  Mesophyten  und  Xerophyten ; 
Drude  charakterisiert  nach  Lebensformen ;  fiir  ihn  ist 
die  Gruppe  der  ^Felsenpflanzen"  ganz  besonders  wenig 
einheitlich,  und  es  ist  interessant,  dass  die  zwei  Termini : 
Lithophyten  und  Chasmophyten,  gerade  von 
Schimper  herriihren;  die  Felsenpflanzen  bilden  eine  rein 
edaphisch  bedingte  Formation.  Nur  Engler,  der  sich 
mit  den  Spezies  befasst,  zahlt  sie  als  Pflanzen  auf, 
jjWelche  vorzugsweise  gedeihen,  wenn  ihr  Rhi- 
zom  oder  ihre  Wurzel  in  Felsritzen  eingezwangt 
und  von  der  Konkurrenz  anderer  Pflanzen  aus- 
geschlossen  ist". 

Wir  definieren  als  Felsenpflanzen  alle  diejenigen  auf 
Felswiinden  oder  Blocken  wachsenden  Pflanzen,  welche  im 
Stande  sind,  als  erste  unter  ihresgleichen  den  Fels  dauernd 
zu  besiedeln  und  in  Verbreitung  oder  Bau  eine  mehr  oder 
weniger  ausgepriigte  Abhiingigkeit  von  dem  Fels  als  TJnter- 
lage  erkennen  lasseyu  —  Dieser  Begriff  schliesst  also  so- 
wohl  den  der  Lithophyten  als  den  der  Chasmophyten  in 
sich  ein  und  sei  mit  dem  Worte  „Petrophytmu  bezeichnet. 
Es  entspricht  aber  wenig  dem  Sachverhalte,  die  Chasmo- 
phyten (Spaltenpflanzen)  den  Lithophyten  nebenzuordnen, 
vielmehr  miissen  den  Lithophyten,  d.  h.  den  Pflanzen,  die 
den  vollig  nackten  Fels  zu  besiedeln  vermogen,  was  in 
unserm  Gebiete  nur  von  Kryptogamen  geschieht,  solche 
KryptogamenundPhanerogamen  gegeniibergestellt  werden, 
welche  den  Fels  nur  da  besiedeln,  wo  sich  Detritus  an- 
gesammelt  hat,  sei  es  in  Spalten  oder  an  der  Felsober- 
flache.     Wir   nennen   sie    Chomophyten1).     Da   die   letzt- 

2)  Von  x6  xffip*)  das  Angehaufte,  namentlich  angebaufte  Erde, 
nach  liebenswurdiger  Mitteilung  von  Prof.  A.  Kagi. 


194 


genannten  Moglichkeiten  aber  eine  ganz  verschiedene 
Okologie  bedingen,  so  empfiehlt  es  sich,  sie  auseinander  zu 
halten,  so  dass  wir  also  zu  folgendem  Schema  gelangen: 

Petrophyten  =■=  Felsenpflanzen 

Lithophyten l)  Chomophyten 

bei  uns  nur  ~  '       ~" 

Kryptogamen     Oberflachenpnanzen       Spaltenpflanzen 

Exochomophyten  Chasmophyten 

(=  Chasmochomophyten) 
In    der   vorliegenden   Arbeit   werden  nur  die 
Chomophyten  Berucksichtigung  finden  und  auch 
von  diesen  nur  die  Gefasspflanzen. 

Kino  Felsenpflanze  (Chasm ophy to)  ist  z.  B.  das  stengelige 
Fingerkraut,  Potentilla  caulescens;  denn  ihre  Keimpflanzen  finden 
sicb  in  den  allermeisten  Fallen  an  solchen  Stellen  einer  Feisspalte, 
wo  dieselbe  keine  andere  Phanerogamen  aufweist;  und  auch  zwei 
Drittel  der  ausgewacbsenen  Exemplare  wachsen  vereinzelt  oder 
haben  nur  ihresgleichen  als  Nachbarn.  Zudem  zeigt  sich  Poten- 
tilla caulescens,  wie  wir  spiiter  seben  werden,  ganz  vorzuglich 
an  ihre  unnachgiebige  Unterlage  angepasst.  Andere  haufige  und 
typische  Felsenpflanzen  unseres  Gebietes  sind  demnach  auch: 
1.  An  den  YVanden  am  nordlichen  Walonseeufer,  aber  ausnahms* 
los  auch  viel  holier  (vide  Anhang  I.  Teil  II.  Kap.  §  2). 

Glob ul aria  cordifolia 

Asplenum  trichomanes 

Aspienum  ruta  muraria 

Laserpitium  siler  (in  den  obem  Regionen  nicht 

mehr  Felsenpflanze) 
Sedum  album 
Sedum  dasyphyllum 
Kernera  saxatilis 
Leontodon  incanus 
Sempervivum  tectorum 
Campanula  pusilla 
Dianthus  inodorus. 

*;  Es  scheint  mir  iibrigens  fraglich,  ob  man  das  Wort  Litho- 
phyten nicht  besser  fur  die  ganze  in  §  I  unter  b  genannte  Grapp® 
von  Pflanzen  aufbewahrt  hatte. 


195 


in  Nordexposition 


2.  Vorzugsweise  an  den  Wanden  der  mittleren  Region: 

Primula  auricula 
Rhamnus  pumila 
Athamanta  hirsuta,  oft  fast  allein  an  vollig  senk- 

rechten  Wanden;  aber  namentlicb  auch 

auf  Felsschutt 
Gypsophila  repens 
Saxifraga  aizoides 
Saxifraga  aizoon 
Heliosperma  quadrifidum 
Valeriana  saxatilis 
Juncus  trifidus  (circum- 

polares  Lichtblatt) 
Hieracium  lacerum 
Hieracium  amplexicaule. 

3.  In  der  Gipfelregion : 

Carex  mucronata 
Androsace  helvetica 
Saxifraga  ceesia 
Saxifraga  oppositifolia 
Saxifraga  moschata 
Petrocallis  pyrenaica 
Fe9tuca  rupicaprina 
Festuca  pumila 
Agrostis  alpina 
Agrostis  rupestris. 
Andere  siebe  An  bang. 


§  3. 

Felsbewohnende  Pflanzen,  die  nicht  unter  den  Begriff 

„Felsenpflanzen"  fallen. 

Dicht  vermengt  mit  den  im  vorigen  Paragrapben  als  typiscbe 
Isenpflanzen  aufgefuhrten  Spezies  wacbsen  aber  eine  ganze  An- 
hi  Pflanzen,  die  wir  trotz  ihres  Standortes  nicht  unter  dem  oben 
finierten  Begriff  zusammenfassen  konnen,  sondern  folgenden 
?sellscbaften  zuteilen : 

a)  der  Schneefleckflora, 

b)  der  Schutt-  und  Gerollflora, 

c)  der  Karrenfeldflora. 


196 


Parnassia  palustris  zum  Beispiel,  die  sich  hie  and  da  ver- 
einzelt  in  Spalten  findet,  wird  wohl  niemand  zu  den  Felsen- 
pflanzen  ziihLen  wollen ;  denn  ibr  eigentlicher  Standort  ist  der 
geschlossene  Rasen  feuchter,  suinpfiger  Wiesen,  und  ebenso  wenig 
die  grosse  Kategorie  aller  jener  Pflanzen,  fur  welche  sich  nach- 
weisen  lasst,  dass  sie  sich  nur  deshaib  eingestellt  haben,  weil 
durch  lokale  Verhaltnisse:  Karrenbildung,  Anhaufung  von  Stein- 
splittern,  lange  Schneebedeckung  etc.  die  Eigenschaften  desFelsens 
als  Substrat  verwischt  und  Bode n verbal tnisse  geschaffen  worden 
Bind,  wie  sie  fiir  andere  Formationen  charakteristisch  sind.  Um 
fiir  das  Folgende  reinen  Tiscli  zu  gewinnen,  soil  also  zunachst 
eine  kurze  Oharakteristik  der  den  Felsenpfianzen  sich  oft  bei- 
mengenden  Formationen  gegeben  werden. 

a)  Die  Schneefleckflora. 

Halten  wir  uns  streng  an  das  oben  genannte  Prinzip,  so  sind 
wir  nach  den  Vorkommnissen  in  unserra  Gebiete  (und  ich  zweifle 
nicht,  dass  dieselben  allgemeinen  Gesetzen  folgen)  vor  all  em  ge- 
notigt,  eine  gauze  Reihe  oft  auf  Felsen  wacbsende  und  den  ver- 
schiedensten  Formationen  zugezahlte  Pflanzen  zu  einer  besondern 
Gesellschaft  zusammenzufassen,  namlich: 

Hutchinsia  alpina  Carex  nigra 

Arabia  cwrulea  Polygonum  viviparum 

Ranunculus  alpestris  Saxifraga  aphylla 

Poa  minor  Saxifraga  androsacea 

Achillea  atrata  Saxifraga  stellaris 

Fiir  a  lie  diese  Spezies  liisst  sich  namlich  erkennen,  dass  sie 
nur  deshaib  so  hiiufig  auf  Felsen  wachsen,  weil  der  Fels  in  den 
von  ihnen  bevvohnten  obern  l)  Region  en  den  grossten  Teil  der 
Bodenflache  ausmacht.  Im  iibrigen  gedeihen  sie  aber  ebenso  gut 
auf  Sch latum,  oder  dem  Quarzsande  der  Neocomkarren,  oder  auf 
feinem  Geroll,  da  der  sie  bedingende  Faktor  direkt  nicht  an  Bodeu- 
verhiiltnisse  gekniipft  ist.  Ihre  Standorte  auf  dem  Fels  stiinmen 
aber  doch  aile  in  einem  Punkte  iiberein  :  sie  besitzen  eine  sehr 
lange  liegenbleibende  Schneedecke,  so  dass  der  Boden.  auf  dem 
sie  gedeihen,  nur  drei  bis  hochstens  vier  Monate  im  Jabr  der  Ein- 
wirkung  der  Sonnenstrahlen  off  en  stent.  Wir  konnen  die  ge* 
nannten  Spezies  also  unter  dem  Namen  Schneqfleckflora*)  vereinigen. 

*)  Polygonum  viviparum  stoigt  tief  hinab  (1400  mj. 
*)  Vergleiche:   Engler,    „rflanzenformationen",  pag.  44   und  46,  be- 
Bonders  seinen  Auwdruck  „Hochalpine  Schlickpfianzen". 

Drude  I  schreibt:    „Auch  der  Rand  der  Schneelager  erzengt  tein* 


197 


Zu  ihrer  Ckarakteristik  sei  folgendes  erwahnt:  Zunachst  darf 
ihre  causa  efficiens  wegen  dieser  Indifferenz  gegen  die  Unterlage 
keineswegs  ohne  weiteres  in  der  Verkurzung  dor  Vegetationszeit 
gesucht  werden ;  denn  samtliche  Lokalitaten  rait  Schneefleekflora 
zeigen  schliesslicb  doch  auch  eine  iibereinstimmende  Boden- 
eigenschaft,  namlich  jenen  schlainniigen,  regenwurm- 
losen  Schlick,  der  stets  beim  Abschmelzen  grosser  Schnee- 
roassen  liegen  bleibt,  das  eine  Mai  in  Masse  (tonnenweise)  die  Ein- 
8enkungen  des  Talgrundes  ausfiillend,  an  andern  Orten  nur  in  die 
Spalten  eindringend,  oder  wieder  an  andern  die  Zwischenraume 
zwiscben  den  Gerollstiicken  oder  den  Quarzkornern  des  oben  er- 
wahnten  Sandes  ausfiillend. 

Immerbin  bat  die  Annabme.  dass  es  die  besondere  Eigen- 
tumlichkeit  des  Nahrbodens  ist,  welcbe  auf  Fels  den  Ersatz  der 
Felsflora  durcb  eine  andere  bedingt,  nach  meinen  Beobacbtungen 
doch  weniger  Wahrscheinlichkeit  fiir  sich,  als  die  andere,  dass  die 
Verkurzung  der  Vegetationszeit  direkte  Ursacbe  des  Wecb- 
sels  ist.  Man  kann  zwar  beobacbten,  dass  in  den  grossen  Schnee- 
feldern  der  „Tierwies"  sofort  mit  dem  Auftreten  von  Regen- 
wunnern  und  dementsprecbender  Umformung  der  Erde  an  Stelle 
der  Scbneefleckflora  sich  Spezies  einstellen,  die  wir  als  die  mar- 
kantesten  Felsenpflanzen  kennen,  so  Globularia  cordifolia  und 
Primula  auricula.  Aber  sebr  wabrscbeinlicb  treten  eben  Regen- 
wurmer  auch  nur  da  auf,  wo  die  schneefreie  Zeit  aus  irgend  einem 
Orunde  langer  als  nur  drei  M6nate  dauert,  und  andrerseits  findet 
man  ebenso  typiscbe  Felsenpflanzen,  z.  B.  Potentilla  caulescens, 
in  den  untern  Regionen  auf  regenwurmlosem  Scblamm.  Sodann 
tritt  auch  ohne  deutlicbe  Veranderung  des  Nahrbodens  mitten  in 
Schneekesseln  drin,  an  alien  erhohten  Stellen,  die  also  voraus- 
sichtlich  friiher  schneefrei  werden,  eine  andere  Gesellschaft  auf, 
deren  haufigste  Vertreter  Salix  retusa,  Saxifraga  moschata  und 
oppositifolia,  sowie  Silene  acaulis  sind. 

«igenen  Beetande,  deren  Charakter  nur  nach  der  Zeit  seines  AbBchmelzena 
wechselt.  In  niederen  Hohen  erscheint  der  Crocus  unmittelbar  hinter  dem 
8chnee,  spater  begrunt  sich  die  Grasnarbe;  in  grosseren  Hohen  besiedelt 
8oldanella  alpina  seine  Bander  und  hohe  Nivalpflanzen  erreichen  hier  oft 
ihre  niedrigsten  Standorte.  Besondere  umsaumen  bis  in  die  hochsten  Hohen 
die  weissen  Banunkeln  die  Schmelzlager  mit  ihrem  lieblichen  Kranze:  der 
kleine  R.  alpestris  and  besonders  R.  glacialis  mit  seiner  kraftigen  Blume  in 
braunrot  behaartem  Kelcbe." 

Unsere  n8chneefleckflorau  speziell  ist  dadurch  charakterisiert,  dass  sie, 
entsprechend  ihren  hohen  Standorten  nicht  nur  „Frilhling8n,oraa,  sondern  Allein- 
inhaberin  ihres  Ortes  ist. 


198 


Schliesslich  konnte  man  aber  die  Schneefleckilora  auch  nur 
als  Feuchtigkeitspflanzen  deuten.  Ich  fand  auch  tatsachlich 
die  Standorte  der  Schneefleckf lora  stets  feucht,  welcher  Umstand 
aber  keineswegs  beweiskraftig  ist,  da  die  gauze  Untersuchungs- 
zeit  fiir  die  Alpenpflanzen  keine  langere  trockene  Periode  auf- 
wies;  icb  bin  im  Gegenteil  zu  der  Cberzeugung  gelangt,  dass 
die  Schneefleckf  lora  jedenfalls  nicht  alleindurch  einen 
hohern  Feuchtigkeitsgrad  bedingt  sein  kann,  und  zwar 
aus  folgenden  Griinden :  Erstens  finden  sich  ihre  Spezies  mit  Aus- 
nabme  von  Saxifraga  stellaris  haufig  an  Stellen,  die  in  trockenen 
Zeiten  nach  der  Schneescbmelze  jeder  erneuten  Wasserzufuhr  ent- 
bebren  miissen  (z.  B.  an  der  Siidwand  des  Sentisgipfels  und  den 
Graten  des  Sentis  und  Altmanns  iiberhaupt).  Zweitens  tritt  in 
der  Hohenregion  der  Schneefleckflora  unter  sonst  gleichen  Be- 
dingungen  an  all  den  Stellen,  die  nicbt  nur  wahrend  und  kurz 
nach  der  Schneescbmelze,  sondern  dauernd  von  Schmelzwasser 
befeuchtet  werden,  ein  besonderer  Bestand  auf,  den  Heer  1835 
und  Stebler  und  Schroter  1893  als  Schneetalchenrasen  be- 
zeichnet  haben  Er  ist  im  Gegensatze  zur  Schneefleckflora  ein 
geschlossener  Bestand;  denn  wahrend  letzterer  die  Moose  voll* 
stan dig  abgehen  und  als  Erstlingspflanzen  ausnahmslos  Hutchinsia 
alpina  und  Arabis  coerulea  auftreten,  ubernehmen  in  den  Schnee- 
talchen  die  wunderbar  sattgrunen  Teppiche  des  Goldhaarmooses 
(Polytrichum)  die  Erstbesiedelung.  Wie  wenig  die  beiden  For- 
mationen  miteinander  gemein  haben,  ergibt  sich  iibrigens  am  besten 
aus  einem  Vergleiche  der  Artenlisten !).  An  der  „Rossegg"  zwischen 
j^Blauschnee"  und  „Ohrli:t  finden  sich  bei  ca.  2200  m  einerseits 
in  den  karrenahnlichen,  von  Schmelzwasser  durchflossenen  Ver- 
tiefungen  des  Neocoms  zahlreiche  Stellen  mit  iippigem  Polytrichum- 
Rasen,  und  oft  hart  daneben,  auf  Geroll,  an  den  kleinen  Wanden 
oder  auf  gespaltenem  Fels,  wo  das  Schmelzwasser  rasch  versickert, 
Stellen  mit  Schneefleckflora  von  folgender  Zusammensetzung: 

Schneetalchen :  Schneefleck : 

Polytrichum  Hutchinsia  alpina 

Gnaphalium  supinum  Arabis  coerulea 

Leontodon  pyrenaicus  Achillea  atrata 

Plantago  alpina  Poa  minor 

Salix  herbacea  Saxifraga  stellaris 


l)   Iminerhin    spricht   nichte   dagegen,   die   Schneefleckflora   ala  *&* 
„ trockene"  Parallel fazies  der  Schneetalchenrasen  aufznfassen. 


199 


Schneefleck: 

Saxifraga  androsacea 
Rumex  nivalis 
Ranunculus  alpestris 
Polygonum  viviparum 


Sehneetilchen : 

Ligusticum  mutellina 

Leucanthemum  alpinum 

Taraxacum  officinale 

Veronica  alpina 

Alchemilla  glaberrima 

Gentiana  brachyphylla 
selten : 

Ranunculus  alpestris  und 

Poa  alpina 

Die  Losldsung  der  Schneefleckflora  von  der  ubrigen  Fels- 
>ra  und  ihre  Zusammenfassung  zu  einer  eigenen  Formation  be- 
tindeten  wir  durch  ihre  gesetzmassigen  Beziehungen  zu  Faktoren, 
3  mit  dem  Fels  als  solchem  nichts  zu  schaffen  haben.  Dass 
bei  kein  grosser  Feblgriff  getan  wurde,  ergibt  sich  nock  aus 
lem  andern  Umstande.  Die  Spezies,  die  nur  wegen  ihrer  Stand- 
bsverhaltnisse  vereinigt  wurden,  stimmen  auch  samtliche  mit 
isnahme  von  Poa  minor  im  Habitus  ihrer  Blatter  unter  sich 
erein  und  unterscheiden  sich  ebenso  deutlich  von  den  ubrigen 
lsenpflanzen.  Sie  tragen  namlich  alle  dickliche  l)  (nicht  lederige), 
alle,  kahle,  glanzende  Blatter.  Diese  CTbereiiistimmung  ergibt 
jh  am  deutlichsten  durch  Vergleich  der  Flora  eines  Schnee- 
tckes  (siehe  obige  Liste)  mit  einer  benachbarten,  fruh  schnee- 
»  werdenden  Wand  mit  folgenden  Felsenpflanzen :  Alchemilla 
>ppeana,  Gypsophila  repens,  Globularia  cordifolia,  Thymus  ser- 
llum,  Carex  firma,  Saxifraga  moschata  und  Saxifraga  aizoides, 
*lianthemum  vulgare,  Silene  acaulis,  Rhamnus  pumila,  Sedum 
ratum,  Athamanta  hirsuta. 

b)  Die  Gerdll-  und  Schuttpflanzen. 

Das  eben  Bemerkte  gewinnt  an  Wert  durch  Betrachtung  der 
irhaltnisse  bei  einer  andern  Abteilung  von  Pflanzen,  die  sich 
cb  der  Felsflora  beimengt,  ohne  zu  ihr  zu  gehoren :  der  Schutt- 
d  Gerollflora. 

Zur  Charakteristik  der  GeroH/lora  kann  ich  eine  Stelle  aus 
hroters  (I)  Monographie  des  St.  An  ton i tales  anfuhren,  wobei  ich 
merke,  dass  Schroter  fur  den  beweglichen,  rutschenden  Schutt, 
3  Geroll,  keinen  eigenen  Nam  en  verwendet,  sondern  auch  hier 
9  Wort  Schutt  gebraucht. 


*)  Und  darum  mit  Jungners  „Schneeblatternu  nicht  vollstandig  uber- 
Atfrnmend  und  eher  „Keimblatttypu8u. 


200 


„Am  eigenartigsten  ist  die  Vegetation  der  beweglichen  Schutt- 
balden  am  Fuss  der  Kalkfliihe.  Beweglich  ist  nur  die  Schuttdecke; 
darunter  liegt  fester,  aus  den  Verwitterungsprodukten  des  Schuttes 
hervorgegangener  Boden.  in  welchem  die  Pflanzen  wurzeln.  In 
der  Art  und  Weise,  wie  die  Schuttpflanzen  sich  den  Eigentum- 
lichkeiten  ihres  Standortes  anpassen,  lassen  sich  deutlich  zwei 
prinzipiell  verschiedene  Typen  unterscheiden,  der  auslaufertreibende 
und  der  horstbildende. 

Die  auslaufeiireibefiden  Schuttpflanzen  senden  von  ihrer  Wurzel 
aus  zablreicbe,  lange  Triebe  durcb  die  Schuttdecke  hinauf,  welche 
da  und  dort  sich  ans  Licht  emporarbeiten,  um  Blatter  und  Bluten 
zu  bilden.  Wenn  sie  vom  beweglichen  Schutt  zugedeckt  werden, 
verlangern  sie  sich  (sie  ,,vergeilenu)  und  dringen  wieder  zum 
Lichte  durch.  Wo  sie  niit  dem  erdigen  Boden  in  Kontakt  komnien, 
bilden  sie  Wurzeln  und  konnen  dann  ein  selbstandiges  Leben 
fiihren.  So  kann  von  einem  Samen  aus  ein  weitverzweigtes,  den 
Schutt  durchspinnendes  Individuum  entstehen,  das  durch  passiven 
Widerstand,  durch  ein  Sich-Ducken  und  nachheriges  schlaues 
Durchkriechen  den  Angriffen  seines  stand ig  mit  Verse hiittung 
drohenden  Standortes  entgeht. 

Der  zweite  Typus  der  Schuttpflanzen,  die  horstbildendcn,  breiten 
einen  zusammenhangenden  Teppich  iiber  den  Schutt,  welcher  von 
einer  einzigen,  das  Ganze  verankernden  Pfahlwurzel  ausgeht.  Alle 
Triebe  sind  bier  in  einem  Busch  zusammengedrangt,  der  gewohn- 
lich  durch  die  Bewegung  des  Schuttes  talabwarts  gedrangt,  an 
der  straffgospannten  Pfahlwurzel  gleichsam  aufgehangt  erscheint 
Oft  ist  der  letztere  auf  weite  Strecken  oberirdisch  und  lauft  wie 
ein  Seil  iiber  den  Schutt.  Die  Pflanze  setzt  dem  beweglichen 
Schutt  einen  tapfern,  aktiven  Widerstand  entgegen ;  er  staut  sich 
an  ihrem  Horst,  sie  bringt  ihn  zum  Stillstand,  es  bildet  sich  hinter 
ihr  ein  schwacheres  Gefalle,  wahrend  der  Horst  selbst  nach  vorn 
gedriickt  wird:  so  bilden  sich  Treppenstufen,  natiirliche  Gefalls- 
briiche,  deren  Vorderfliiche  durch  den  an  der  Pfahlwurzel  auf- 
gehiingten  Horst,  deren  Oberflache  durch  den  dahinter  aufgestanten 
Schutt  gebiidet  wird.  Es  ist  ein  Beginn  der  Festigung  des  Schuttes, 
welche  dann  von  der  Treppenstufe  aus  weiter  fortschreitet 

Am  schonsten  zeigen  diese  Erscheinung  die  Zwcrgstraucfor 
mit  SpalienvucJis,  d.  h.  mit  in  einer  Ebene  ausgebreiteten  Astchen 
und  Zweigchen.  Da  hangt  oft  an  einer  daumendicken  und  mehrere 
Meter  lange n  Pfahlwurzel  ein  formlicher  Schirm  aus  dicht  sich 
drangendem  Gezweig,  der  einen  ausgezeichneten  Schuttfang  bildet 


201 


12  nd  hinter  sich  eine  lange  Zunge  von  Schutt  gestaut  hat.  Nament- 
lich  die  stumpfblattrige  Weide  (Salix  retusa)  zeigt  das  sehr  schon. 
Aucb  die  Silberwurz  (Dryas  octopetala)  bildet  machtige  grune 
Inseln  im  Schutt;  ich  nahm  eine  solche  als  Demonstrationsstiick 
mit,  die  2  m  in  die  Lange  und  1  m  in  die  Breite  mass;  in  den 
feinen  Asten  hatte  sich  schon  betrachtlicher  Humus  gebildet  und 
Horste  von  Carex  sempervirens  begannen  sich  anzusiedeln.u 

In  unserm  Gebiete  unterscheidet  sich  die  Flora  der  Geroll- 
halden  deutlich,  je  nachdem  die  Aperzeit1)  der  Halde  eine  lange 
oder  eine  kurze  ist.  Im  ersteren  Falle,  d.  h.  wenn  die  Schnee- 
bedeckung  eine  kurzdauernde  ist,  sind  als  Charakter- 
pf lanzen  zu  nennen : 

Silene  venosa  Sesleria  coerulea 

Linaria  alpina  Teucrium  chamsedrys 

Vincetoxicum  officinale  (nur      Dryas  octapetala  (namentlich 
in  den  untern  Region  en)  bei  Nordexposition). 

Auf   Gerollhalden    mit    langer   Schneebedeckung   aber 
finden  sich  die  Genannten  nicht  mehr,  daftir  ausnahmslos 
Thlaspi  rotundifolium 
Aronicum  scorpioides 
Oxyria  digyna, 
von    denen    wieder   zwei   den    besprochenen   Blattbau   aufweisen. 
Auf   Fels    erscheinen   von    den    aufgezahlten   Spezies   namentlich 
Sesleria   coerulea,    Teucrium    champedrys,   seltener  Vincetoxicum, 
Thlaspi  rotundifolium  und  Dryas. 

Von  der  Gerollflora  trennen  wir,  wie  bereits  angedeutet,  die 
Schuttflora.  Schutt  ist  ein  ruhendes  Gemenge  von  feineren  und 
groberen,  mit  wenig  Humus  durchsetzten,  festen  Vervvitterungs- 
produkten  des  Felsens.  Er  findet  sich  uberall  da,  wo  in  hoheren 
Regionen  auf  annahernd  horizon talen  Flachen,  primar  oder  an- 
geschwemmt,  die  Verwitterungsprodukte  liegen  bleiben,  ohne  dass 
sie  von  einer  geschlossenen  Vegetationsdecke  uberzogen  werden 
konnten,  ferner  unter  den  beweglichen  Steinen  der  Ger6llhalden, 
meist  oben  an  den  Halden  zutage  tretend. 

Die  Schuttflora  ist  meist  deutlich  verschieden  von  der  Geroll- 
flora und  zerfallt  gemiiss  der  verschieden  lang  dauernden  Aper- 
zeit in  zwei  Komponen ten.  Bei  kiirzerer,  zwei  bis  drei  Monate 
dauemder,  sind  als  Leitpflanzen  zu  nennen : 

Galium  helveticum 
Cerastium  latifolium, 

l)  d.  h.  die  Zeit  von  der  Schneeschmelze  bis  zum  Einsohneien. 


202 


bei  langer,  auf  trockenem  Schutt: 

Heliantheinum  alpestre 

Helianthemum  vulgare 

Satureia  alpina 

Anthericus  ramosus  \  ,.      ,      ,.  ..  . 

.,.  }  (in  der  Kulturregion) 

Hippocrepis  comosa  J 

Oxytropis  montana  (in  der  Bergregion), 
auf  nassem  Schutt  mit  mergeliger  Unterlage : 
Tussilago  farfara  und 
Adenostyles  alpina  und  albifrons. 
Gerade  gewisse  Komponenten  der  Flora  des  trockenen  Schnttes 
sind  beinahe  bestandige  Begleiter  besonnter  Felswande 
und  miissen  deshalb  noch  einlasslicher  erwahnt  werden.  Es  ist 
leicht  einzusehen,  dass  sich  die  bei  der  Verwitterung  entstehenden 
Triimmer  nicht  nur  unten  an  den  Wanden  ansammeLn,  sondem 
aucb  auf  jedem  Vorsprunge  der  Wand  selbst;  nur  werden  grobere 
Steine  iiber  dieselbe  hinwegsetzen,  wie  sie  aucb  tiber  den  obersten 
Teil  der  Gerollhalde  selbst  hinwegsetzen.  Es  finden  sicb  also 
iiberall  auf  den  Vorsprunge n  der  Wande  gleichsam  die  obersten 
Teile  der  Gerollhalden  und  aucb  eine  dementsprechende  Flora, 
niiinlich:  Hippocrepis  comosa,  Satureia  alpina,  Satureia  acinos, 
Satureia  calamintha  var.  nepetoides,  Helianthemum  vulgare,  Helian- 
themum alpestre,  Allium  spheerocephalum,  Geranium  sanguineum, 
Vincetoxicum  officinale,  Thalictrum  minus,  Anthericus  ramosus, 
Origanum  vulgare,  Thesium  alpinum,  Reseda  lutea;  sodann  von 
eigentlichen  Felsenpflanzen:  Sesleria  coerulea,  Teucrium 
chamwdrys,  Teucrium  montanum,  Galium  mollugo,  Galium  mollugo 
var.  Gerardi,  Galium  rubrum,  und  solchen,  die  wenigstens  oft  auf 
Fels:  Festuca  ovina,  Stupa  pennata,  Stachys  recta,  Digitalis  am- 
bigua,  Silene  nutans,  Artemisia  absinthium,  wozu  in  der  alpinen 
Region  noch  Oxytropis  montana  kommt. 

Cber  die  Okologie  der  Schuttflora  kann  icb  gar  nichts  an- 
fiihren.  Sie  zeigt  aber  an  so  vielen  Orten  in  die  Augen  springende 
Differenzen  in  der  Artenliste,  dass  sich  eine  okologische  Spezial- 
untersuchung  bei  ihr  wohl  ebenso  sehr  lohnen  durfte,  wie  bei  der 
Felsflora. 

c)  Die  Karrenfeldpflanzen. 

Noch  eine  dritte  auf  dem  Fels  wachsende  Artengruppe  mdchte 
ich,  und  zwar  als  Karrenfeldpflanzen,  von  den  eigentlichen  Felsen- 
pflanzen getrennt  wissen  —  wieder  nicht  etwa  deshalb,  weil  ich 
im  Stande  ware,  fiir  dieselbe  eine  besondere  Art  des  Haushaltens 


203 


nachzuweisen,  sondern  einfach  gestiitzt  auf  die  Beobachtung,  dass 
init  einer  gewissen  Felsbeschaffenheit,  den  Karrenbildungen,  ein 
Bestandtypus  auftritt,  der  sich  in  iihnlicher  Zusammensetzung 
nirgends  mehr  sonst  auf  dem  Fels,  wohl  aber  in  den  nach  Kerner 
als  Karfluren  bezeiclmeten  Standorten  wiederfindet,  d.  h.  in 
kleinen,  trumnierreichen,  huniuserfullten  Felstalchen.  Die  Zu- 
teilung  der  Karrenfeldflora  zur  Vegetation  der  Karfluren  wird 
aucb  dadurch  gerechtfertigt,  dass  makroskopisch  wenigstens  die 
Ahnlichkeit  in  den  okologischen  Bedingungen  zwischen  Kar  und 
Karrenfeld  ganz  bedeutend  ist,  wahrend  zugleich  auch  die  Ver- 
schiedenheit  in  den  Lebensbedmgungen  auf  einem  Karrenfeld  und 
einer  gewohn  lichen  Felswand  in  die  Augen  springt 1).  Es  ist 
deduktiv  abzuleiten,  dass  die  Karrenfelder  neben  der  durch  die 
geograpbische  Lage  bedingten  Schneefleck-  und  Schneetalchen- 
flora  an  besonnten  und  starker  geneigten  Partien  noch  zweierlei 
Bestando  tragen  mussen :  echte  Felsflora  auf  den  Wasserscheiden, 
Erhohungen,  Vorsprungen,  Hiicken  und  Karnmen  aller  Art,  und 
eine  andere  in  den  niit  Humus  angefiillten  Lochern  und  Furchen, 
sofern  dieselben  nicht  Schneeflecken  sind.  Die  Notwondigkeit  der 
Cbereinstimmung  dieser  letztern,  allein  Karrenflora  zu  nennenden 
Bestande,  weil  eben  sie  allein  die  Karrenfelder  vor  anderm  Fels 
floristisch  auszeichnen,  mit  Kerners  Karfluren  leuchtet  ein. 

Eine    Cbarakterpflanze    der    Karrenfeldflora    ist 
Aconitum  napellus;  denn  diese  Liigerpflanze,  die  sonst  nirgends 


>)  Die  Karren  entsteben  auf  reinem  Kalkfela  da,  wo  deraelbe  lange  von 
Schnee  bedeckt  bleibt.  Die  drei  groaaen  Bchneekessel  des  Bentis:  Groaa- 
achnee,  Blauschnee  und  Tierwies.  zeigen  denn  aucb  groBsartige  Karren- 
bildungen. 

Den  Vorgang  der  Karrenbildung,  wie  bekannt  eine  Loaung  des  kohlen- 
aauren  Kalkes  durch  kohlenaaurehaltigea  Wasser  [Ca  C08  -f-  H*  COs  =  Ids- 
lichee  Ca(HC08)8]  kann  man  aich  leicht  vorstellen,  wenn  man  annimnit, 
statt  der  echwachen  Kohlenaaure  wirke  atarke  Salzsaure  auf  den  Fels  ein. 
Oenau  wie  letztere  ateta  da  am  kraftigaton  loaen  wurde,  wo  sie  aich  in  kleinen 
Vertiefungen  oder  Spalten  anaammelte,  aei  ea,  um  liegen  zu  bleiben,  aei  es, 
um  in  der  Richtung  des  groaaten  Gefalles  abzuflieaaen,  genau  so  erzeugt  das 
Jahrtausende  lang  wirkende  Wasser  durch  meaaerscharfe  Leisten  und  Ramrae 
getrennte  Rinnen  und  Locber,  ein  ganzea  Labyrinth  yon  Hohlraumen,  Spalten 
und  Schluchten,  von  alien  moglichen  Dimenaionen:  wenige  Centimeter  bis 
mehrere  Mann  tief,  manchmal  mit  der  Bchuhaohle  zu  uberbrucken,  oft  ao 
breit,  dass  ein  tuchtiger  Springer  nicbt  mehr  dariiber  aetzen  konnte. 

Heim  (Jahrbuch  dea  Schwoiz.  Alpenkluba  1877'78)  achreibt: 

Karren  finden  wir  nur  da,  wo  das  Geatein  als  solches  loslioh  ist  und 
wo  die  chemische  AufloBung  des  Geateina  vor  jeder  mechanischen  Verwitte- 
rung  weit  im  Yorsprunge  iat. 


204 


auf  dem  Fels  zu  finden  ist,  tut  wohl  am  besten  dar,  wie  grund- 
lich  verschieden  die  Okologie  dieser  Abteilung  auf  Fels  wachsender 
Pflanzen  von  der  eigentlichen  Felsflora  sein  muss.  Den  Standort 
ebenfallB  kennzeichnend,  diirften  sein: 

neben  Aconitum  Napellus: 

Aspidium  rigidum 

Adenostyles  alpina 

Allium  victorialis 

Imperatoria  ostrutbium 

Chterophyllum  Villarsii 

Heracleum  spbondylium 

Lilium  martagon 

Mulgedium  alpinum. 
Und  umgekehrt  konnte  wohl  eine  genaue  Untersuchung  der 
Lebensbedingungen  dieser  niemals  gediingten  Karrenlocher  einiges 
Licht  werfen  auf  den  eigentlichen  Effekt  der  tTberdungung. 

Es  ist  aber  noch  eines  andern  Bewachmngsmodus'  der  Karren 
Erwahnung  zu  tun.  Am  Gamserruck  (Curfirsten)  finden  sich  naro- 
lich  Karren t  deren  Furchen,  ohne  ausgefullt  zu  sein,  oben  direkt 
mit  einem  dichten  Felsheideteppich  (Vaccinium  uliginosum,  Rhodo- 
dendron liirsutum  etc.)  uberdeckt  werden,  und  zwar  so  luckenlos, 
<lass  man  ihn,  ohne  allzu  oft  einzubrechen,  als  Weg  benutzen  kann. 


II.  Kapitel. 
Die  Felsenpflanzen  als  Formation. 

§  1. 
Die  allgemeinen  Lebensbedingungen  der  Felsenpflanzen. 

Im  vorigen  Paragraphen  wurde  versucht,  eine  tJber- 
sicht  iiber  diejenigen  felsbewohnenden  Pflanzengruppen 
zu  geben,  welche  nicht  zur  eigentlichen  Felsflora  zu  z&hlen 
sind.  Wir  konnten  diese  Trennung  vornehmen,  ohne 
etwas  von  der  Okologie  des  Ausgeschiedenen  noch  des 
zuruckbleibenden  Restes,  eben  der  eigentlichen  Felsen- 
pflanzen zu  wissen,  indem  wir  uns  einfach  auf  die  Be- 
obachtung  stutzten,  dass  gewisse  Stellen  der  Felsw&nde 


205 


gleich  besiedelt  sein  konnen,  wie  ganz  andere  Standorte 
und  dann  auch  in  ihrer  Beschaffenheit  von  der  tibrigen 
Felswand  abweichen  und  mit  den  betreffenden  Standorten 
ubereinstimmen.  Von  dem  spezifischen  Charakter  der 
Felswand  selbst  haben  wir  aber  noch  nichts  erfahren.  Es 
ist  also,  wenn  wir  von  der  negativen  zur  positiven  Be- 
stimmung  der  Felsenpflanzen  iibergehen  wollen,  unsere 
erste  Aufgabe,  soweit  dies  heute  moglich  ist,  und  so- 
weit  es  meine  Untersuchungen  gestatten,  die  Lebens- 
bedingungen  zu  erforschen,  welche  der  Fels  den  ihn  be- 
siedelnden  Oefasspflanzen  bietet. 

A. 
Die  standortschaffenden  Faktoren. 

1.   Oberflachengestaltung  und  Spaltenbildung. 

Beginnen  wir  bei  den  Malm-  und  Schrattenkalken. 
Sie  konnen  auf  grossen  Strecken  eine  beinahe  vollstandig 
intakte  und  glatte,  hochstens  etwas  unebene  Oberflache 
aufweisen  (z.  B.  Tierwies).  In  keinem  Falle  aber  fehlen 
Spalten  ganzlich.  Schratten-  und  Malmkalk  sind  ge- 
schichtet  und  das  Charakteristische  der  Schichtung  sind 
eben  Schichtfugen,  d.  h.  ursprunglich  die  beinahe  ebenen 
Grenzflachen  zwischen  verschiedenem  Felsmaterial,  spater 
aber  meist  ahnliche  Gebilde  darstellend,  wie  sie  beim 
Aufeinanderlegen  flacher  Korper  zwischen  denselben  ent^ 
stehen.  Man  erklart  sie  als  Folge  eines  Unterbruches 
oder  Wechsels  in  der  Ablagerung.  Bei  Quinten  sind  die 
Schichtfugen  durch  mergelige,  zwischen  die  meterhohen 
Malmbanke  eingelagerte  Lamellen  vertreten;  seltener  ist 
durch  das  Auswaschen  des  Mergels  ein  entsprechender 
Hohlraum  entstanden.    Die  Schichtflachen  des  Schratten- 


206 


kalkes  dagegen  sind  meist  mehr  oder  weniger  spaltenlos 
aneinander  gelagert.  Sie  entlassen  aber  oft  einen  feinen, 
gelblichen  Schlamm  und  zeichnen  sich  stets  durch  schein- 
bar  unbegrenzte  Ausdehnung  aus,  ein  Umstand,  der  in 
seinem  Effekte  als.  Feuchtigkeitsreservoir  noch  durch  die 
haufige  Leitung  fliessenden  Wassers  zwischen  den  Schicht- 
fugen  unterstiitzt  wird. 

Ahnliche  Beschaffenheit  zeigt  auch  eine  zweite  Kate- 
gorie  von  Spalten:  die  Vertverfungsklufte,  nur  mit  dem 
Unter8chiede,  dass  ihre  Begrenzung  nicht  von  kompaktem 
Materiale,  sondern  von  zerriebenem,  geknetetem,  blattrigem 
oder  gepulvertem  Fels  bewerkstelligt  wird. 

Der  eigentliche  spalten-  und  damit  stand ortschaffende 
Faktor  ist  aber  viel  weniger  in  der  Schichtung  und  Ver- 
werfung,  als  vielmehr  in  den  viel  zahlreicheren  andern 
Ablosungsfugen  der  Gesteine  zu  suchen  (Clivage,  Kon- 
traktionsspalten,  Querklufte),  welohe  alle  durch 
die  Verwitterung  geoffnet  werden;  denn  Malm-  und 
Schrattenkalk  gehoren  mit  Ausnahme  der  unbedeutenden 
mergeligen  Zwischenlagerungen  zu  den  roches  dysgeo- 
genes,  oligopeliques.  —  Uber  die  Offnungsbreite 
dieser  zahllosen,  die  Felswande  durchsetzenden  Spninge, 
Risse  und  Spalten  lassen  sich  keine  allgemeinen  Angaben 
machen.  Oft  hat  sich  eine  turmhohe  Wand  so  weit  vom 
Massive  losgelost,  dass  durch  den  Zwischenraum  ein  be- 
quem  zu  begehender  Weg  fiihrt.  Fiir  uns  kommen  aber 
nur  solche  Spalten  in  Betracht,  die  weniger  als  ca.  6  cm 
klaffen,  denn  breitere  werden  entweder  ausgewaschen  und 
tragen  dann  keine  Flora  oder  sie  sind,  sofern  der  Detritus 
haften  bleibt,  mit  Wiesenpflanzen  bestanden.  Auch  uber 
die  Minimalbreite  einer  eben  noch  von  Wurzeln  durch- 
zogenen  Spalte  lasst  sich  nichts  aussagen,  da  sie  sich  der 


207 


Messung  entzieht.  Sie  liegt  jeden falls  unter  0,1  mm.  — 
Die  Abschuppung  einer  verwitternden  Wand  geschieht 
meist  in  zur  Oberflache  parallelen  Lamellen,  gleichgultig, 
welches  auch  das  Streichen  der  Schichten  sei.  Letzteres 
ubt  hochstens  einen  das  Gesamtbild  modifizierenden  Ein- 
flu8s  aus.  Nur  an  relativ  jungen  Einkerbungen,  Rut- 
schungen,  Graten  und  noch  einigen  sonstigen  Stellen  starren 
einem  die  Sohmalseiten  der  abgelosten  Stiicke  entgegen. 
Die  seitliche  Abgrenzung  der  Lamellen  erfolgt  oft  mehr 
Oder  weniger  deutlich  in  ebenen  Flachen,  scharf  kantig, 
und  annahernd  senkrecht  zur  Oberflache.  Der  besondere 
Habitus  der  Spaltungsstucke  (brockig,  plattig),  sowie  auch 
die  Art  der  Ablosung  ist  dabei  fur  eine  und  dieselbe 
Wand  ziemlich  konstant.  Entweder  schreitet  namlich  die 
Loslosung  jeder  einzelnen  Platte  an  der  ganzen  Wand 
von  unten  nach  oben,  oder  an  der  ganzen  Wand  von 
oben  nach  unten  fort.  Sturzen  nun  einzelne,  schon  vollig 
hohl  liegende  Teile  durch  Querbruch  ab,  so  erhalten  wir 
ein  Wandprofil,  das  im  ersten  Falle  dem  eines  steilen 
Daches  mit  flachen  Ziegeln,  im  andern  dem  eines  verkehrt 
geziegelten  Daches  oder  einer  Treppe  mit  iibermassig 
hohen  und  meist  schief  gestellten  Stufen  ahnlich  ist,  d.  h. 
die  Wand  zeigt  Vorspninge,  welche  durch  eine  Steilspalte 
vom  Massiv  teilweise  getrennt  sind  und  ihre  horizontal  en 
Querbruchfl&chen  entweder  nach  oben  oder  nach  unten 
kehren.  Teilweise  fehlen  aber  die  Querbruchflachen.  Die 
losgetrennten  Stiicke  sind  dann  schuppig  und  bilden  keine 
Stufen.  —  Das  Angefiihrte  ist  selbstverstandlich  ein  Schema, 
das  in  der  Natur  meist  in  unendlicher  Komplikation  ver- 
wirklicht  ist,  indem  sich  namentlich  beinahe  regelmassig 
nicht  nur  je  eine,  sondern,  von  aussen  nach  innen  fort- 
Bchreitend,  gleichzeitig  eine  ganze  Reihe  von  iibereinander- 


208 


liegenden  Platten,  Schuppen  oder  Brocken  loslosen.  — 
Daneben  tritt  aber  beim  Schrattenkalk  nock  ein  ganz 
anderer  Wandtypus  auf,  bei  dem  die  einzelnen  sich  loa- 
losenden  Stiicke  nicht  Platten  oder  Schuppen  sind,  sondern 
unregelm&ssige,  splitterige  Stiicke,  in  den  verschiedenen 
Dimensionen  ca.  1 — 20  cm  messend.  Solche  Wande  zeigen 
keinerlei  Stufung,  um  so  weniger,  als  sie  uberhaupt,  so- 
weit  man  das  Gestein  auf  brechen  kann,  in  Splitter  zer- 
fallen  und  keine  geschichteten  Partien  aufweisen. 

Das  Neocom  verhalt  sich  in  seinen  wandbildenden 
Horizonten  ahnlich  dem  zuerst  geschilderten  Typus 
des  Malm-  und  Schrattenkalkes.  Nur  ist  die  Regelmassig- 
keit  in  den  Bruchrichtungen  weniger  deutlich  ausgepragt. 
Doch  ist  der  Unterschied,  vor  allem  bei  den  kalkreichen 
Horizonten  nicht  so  markant,  dass  man  im  Stande  ware, 
nach  einer  unkolorierten  Zeichnung  eine  Wand  immer  als 
Neocom  oder  Schratten  zu  bezeichnen;  ja  bei  einzelnen 
Horizonten  des  Neocoms  kann  nicht  einmal  die  petro- 
graphische  Untersuchung  an  Ort  und  Stelle,  sondern  erst 
die  palaontologische  Erforschung  sicheren  Aufschluss  liber 
die  Zugehorigkeit  eines  Felsens  geben.  —  Im  iibrigen 
kann  das  Neocom  auch  ausgesprochen  eugeogen  auf- 
treten,  z.  B.  bei  der  Rossegg  mit  seinem  in  schlammigen 
Boden  eingestreuten  groben  Quarzsande  ein  prachtiges 
Beispiel  fur  eine  roche  pelopsammique  liefernd. 

Auch  beim  wandbildenden  Gault  sind  die  Bruchflachen 
bei  weitem  nicht  so  regelmassig  angeordnet  wie  beim 
Schrattenkalk. 

Eine  ganz  besondere,  von  alien  andern  Wanden  ver- 
schiedene  OberflachenbeschafFenheit  weist  der  Seewerkalk 
auf.  Er  ist  im  Gegensatze  zu  dem  dichten,  grobschichtigen 
Schrattenkalke   knollig  und  diinnplattig.     Die  geringere 


209 


Anzahl  von  breiten  Ablosungsfugen  des  Schrattenkalkes 
wird  bei  ihm,  entsprechend  seiner  feinen  Schichtung,  er* 
setzt  durch  eine  Unzahl  feiner  Risse,  die  zu  fein  sind, 
urn  feuchtigkeitspeichernden  Detritus  zu  beherbergen.  Es 
ist  also  typisch,  dass  die  messerscharfen  Rippen  und  ent- 
sprechenden  Sattel,  oder  die  zahllosen  Vorspriinge  und 
Gesimse,  welche  die  Verwitterung  je  nach  der  Vertikal- 
oder  Horizontalstellung  der  Schiohten  erzeugt,  beimSeewer- 
kalk  nicht  mit  breiteren  Spaltensystemen  in  Beziehung 
stehen. 

2.  Der  Detritus. 

a)  Allgemeines. 

Der  nackte  Fels  ist  bei  uns  ftir  keine  Gefasspflanze 
bewohnbar.  tJber  40°  geneigte  spaltenlose  und  glatte 
Felsfl&chen  sind  scheinbar  vollig  unbesiedelt.  Beim  An- 
schlagen  mit  dem  Hammer  entsteht  aber  allenthalben, 
auch  auf  dem  allerkahlsten  Fels,  ausser  in  den  Schnee- 
lochern  der  Karren  ein  lebhaft  chlorophyllgriiner  Fleck, 
der  darauf  schliessen  lasst,  dass  das,  was  wir  Felsober- 
fl&che  nennen,  nicht  Gestein  ist,  sondern  ein  feiner  Krypto- 
gameniiberzug.  Gefasspflanzen  aber  treten  erst  da  auf, 
wo  sich  auf  dem  Fels  oder  in  seinen  Spalten  irgend- 
welcher  Detritus  angesammelt  hat.  In  den  meisten  Fallen 
ist  ja  der  Fels  weder  glatt  noch  kompakt,  so  dass 
Staub,  hergewehter  Sand,  Pflanzenteile,  von  oben  herab- 
geschwemmte  oder  herabgestiirzte  Erde,  an  Ort  und  Stelle 
entstandene  Verwitterungs-Riickstande  und  -Uberreste  und 
Fazes  von  Tieren  reichlich  Gelegenheit  haben,  sich  irgendwo 
zu  fangen  und  anzuhaufen. 

Nach  Drude  I  mussten  unsere  Felsen  als  Pflanzen- 
standorte  eiugereiht  werden  in  die  Klasse  der  nweis8en% 


210 


harten  Ealkgesteine  mit  zahem,  hellgrauem  und  magerem   ■ 
pelitischem  Detritus ;  Ealkgehalt  weit  fiber  5  °/o  und  meistens   - 
die  grSssere  Halfte  bildend";  denn  die  meisten  Schicht-   j 
fugen,  Verwerfungs-   und  Absonderungsspalten  sind  mit   I 
derartigem,  allerdings  meist  ockergelb  statt  grau  gefarbtem 
Auslaugungsruckstand  angefiillt.    Aber  als  Pflanzenstand- 
orte  sind  unsere  Felsen,  selbst  abgesehen  von  Gault  und 
Neocom,  dadurch  keineswegs  charakterisiert.    Es  ist  eben 
nicht  zutreffend,   wenn  Drude   (pag.  373)  das  Auftreten 
von  Regenwurmern  in   den  Felsenspalten   ausschliesst l). 
Sie   kommen  in  Menge   vor  und   dementsprechend  trifft 
man  wohl  ebenso   viele  Spalten   (vielleicht  auch   mehr), 
die  mit  reinem,  schwarzem,  mineralstoffarmem  Humus  ge- 
flillt  sind,    als  mit  obengenanntem  zahem  Tonschlamme. 
Die  meisten  Spalten  enthalten  aber  Gemische  aus  Humus 
einerseits  und  mechanischen  und  chemischen  Verwitterungs- 
produkten  des  Felsens  andrerseits. 

Belege. 

Ich  Hess  durch  die  schweizerische  agrikulturchemische 
Anstalt  in  Zurich  vier  Bodenproben  auf  ihren  Humusgehalt 
hin  analysieren  und  zwar: 

1.  Eine  Inhaltsprobe  (gelber  Tonschlamm)  aus 
einer  neu  aufgebrochenen  Querkluft  im  Steinbruch 
bei  Quinten,  in  ca.  15  m  senkrechter  und  4  m  hori- 
zontaler  Entfernung  von  der  ehemaligen  Felsoberflache 
entnommen.  Breite  der  Spalte  ca.  10  cm,  Ausdehnung 
scheinbar  unbegrenzt. 

2.  Samtlichen  einem  Potentilla  caulescens-Exemplare  zur 
Verfligung  stehenden  Detritus. 

J)  Bestatigen  kann  ich  jedoch  ein  starkes  Zuriicktreten  sapro- 
phytischer  Pilze,  trotz  des  reichen  Humusgehaltes. 


211 


Die  Trockensubstanz  der  Potentilla  betrug  (Ende 

April  1903) 28,99  gr 

Da  von  entfielen: 

auf  22  vorjahrige  Sprosse 6,11    „ 

„     39  griine  Sprosse 10,41    „ 

,,     den  Wurzelstock 8,71    „ 

„     die  Wurzelchen 5,24    ,. 

28,99  gr 
Es  wurde  getrennt  untersucht: 

2a.  S&mtlicher  Spaltendetritus.  (Die  Spalten 
erschienen  makroskopisch  von  Tieren  unbewohnt 
und  grossenteils  unmessbar  fein.  Das  Exemplar 
wuchs  isoliert  an  einer  nur  sp&rlich  bewachsenen, 
relativ  kompakten  Wand.) 

2  b.  Der  unter  dem  Blatterdache   und  zwischen  den 

Sprossen  an  der  Oberflache  angesammelte  Humus. 

3.  Den  Detritus  aus  einer  von  Ameisen  bewohnten 

Spalte.    Breite  1—2  mm.    Die  Spaltenpartie,  der  die 

Probe  entnommen  wurde,   neigte   sich  etwas   gegen 

aussen    und   wies   im   Gegensatze    zu   angrenzenden 

Spalten  keine  Pflanzenwurzeln  auf. 
4.  Den    Detritus    aus   einer   von    Regenwurmern 

bewohnten  Spalte.     Breite  wechselnd  bis  ca.  4  cm. 

Umgebung  der  Wand  Straucher  tragend. 

Samtliche  Proben  wurden  mit  einem  Teel6ffel  ge- 
wonnen,  bei  Proben  2  a,  3  und  4  von  der  Oberflache  weg 
bis  zu  ca.  1 — 2  dm  Tiefe. 

Die  nachfolgenden  Zahlen  diirften  genligen,  um  zu 
zeigen,  welch  ansehnliche  Humusmengen  oft  in  den  Fels- 
spalten  geborgen  sein  konnen.  Die  Belege  sind  typisch, 
Nr.   1  und  4  haufige  Extreme. 


212 


<0 

■a 
3 

© 
o 


© 
e 

« 

©* 

•A 
•A 

X 
X 

c© 

«-H 

rji 

CM 

CO 

,  - 

1     •?  -S 

»-T 

X 

of 

00~ 

co~ 

91 

CJ 

cT 

5       "  ^ 

CO 

CM 

CO 

as                 — 

fa 

ill 

& 

i 

X 

CO 
rH 

91 

© 
in 

3 

^s1- 

CM 

S^ 

^ 

X 

« 

*• 

e» 

(C 

^» 

eo 

3-s 

o* 

o 

<M 

o 

t* 

00 

1        *  ■" 

^H 

,     IS" 

1     **-  •-  £ 

be 

1 

9Q 
X 

5 

eft 
O 

o 

c©~ 

=  «  s 

1— < 

*M 

*c    5     .2 

CM 

1  !l«l* 

& 

1 

•*< 

CI 
X 

tp 
CO 

1 

c 

oo" 

o 

<rf 

CM 

CD 

X 

t*» 

© 

X 

■* 

o 

X 

1          5  — 
8    « 

fir 

1— 1 

1^. 

00 

*C 

oa 

9 

1— i 

i-H 

CM 

. 

CO 

0 

Q. 

c 

i 

G" 

•g 

• 

J 

C7} 

o 

5* 

a 

k 

0) 

CO 

Ui 

^ 

3 

3 

<T> 

• 

u, 

• 

-+-> 

^3 

r! 

<D 

d 

O 

G 
^2 

'© 

.5 
*© 

• 

1. 

Q. 

B 

^d 

G 

O 
:oS 

CO 

3 

CO 

CO 

:3 

S 

a 

2 

a. 

<T3 

oS 

GO 

3 

a 
< 

CO 

1 

be 

e8 

GO 

o 

O 

CO 
08 

O 

CD 

a 

3 

S 

s 

a 
5 

,-^ 

H 

(M 

CM 

Q 

W 

**i 

i— 1 

<M 

CO 

•* 

9 

5 


33 


-2  =  5 


g.g 


^  2  S 

s  **    u 

ON"' 

Li 

o 

-  "E  "x 
*    £    2 

-sj  £  < 


S    c 


213 


b)  Die  Mitwirkung  von  Pflamen  und  Tieren  bei  der 
Detritusbilditng. 

Die  Hauptrolle  bei  der  Bildung  des  Detritus  spielt, 
wie  erwahnt,  das  von  den  Botanikern  bisher  nicht  genug 
beriicksichtigte  Auftreten  der  Regenwiiriner *)  in  den 
Felsspalten.  Jeder  Wurm  bedeutet  eine  ganz  betr&cht- 
liche  Vermehrung  des  Humuskapitals  im  Fels- 
innern.  Alle  moglichen  verwesenden  Pflanzenteile,  Beeren, 
abgefallene  Blatter,  Samen  etc.  etc.,  die  ineist  rasch  vom 
Winde  verweht  wiirden  und  auch  sowieso  nicht  wesent- 
lich  zur  Vermehrung  des  Humusgehaltes  im  Felsen  bei- 
tragen  konnten,  da  eine  oberflachlich  gefullte  Spalte  keine 
neue  Auflagerung  mehr  ertragt,  werden  von  den  Regen- 
wiirmern  als  Nahrung  und  zur  Auskleidung  ihrer  Rohren 
in  die  Spalten  hineingezogen  (siehe  Darwin).  Die  Nahrung 
befordert  der  "Wurm  aber  nicht,  wie  man  vermuten  mochte, 
nach  der  Verdauung  wieder  nach  aussen,  sondern  er  setzt 
seine  Fakalien,  so  lange  noch  irgend  ein  ihm  zugang- 
licher  Hohlraum  besteht,  im  Felsinnern  ab.  Daier  kommt 
es,  dass  die  so  kompakt  erscheinenden  Felswande  sich 
oft  als  formliche  Humusbehalter  erweisen.  Mehrere  centi- 
meterbreite  Spalten  sind  oft  in  ihrer  ganzen  sichtbaren 
Ausdehnung  ausschliesslich  mit  Regenwurmexkrementen 
gefullt.  Innere  Hohlraume  von  l\%  m8  und  mehr  Inhalt 
erweisen  sich  haufig  als  vollstandig  vollgepfropft  von  den 
kleinen  Kiigelchen  aus  zerfallenem  Regenwurmkot.  Bis 
•hinauf  zu  den  sturmgepeitschten  Graten  —  Graten,  nicht 
nur  Felswanden  —  der  Sentisspitze  findet  man  sie  oft 
als  einzigen  Spalteninhalt  grosser  Felskomplexe.  —  Nicht 
immer   ist  der  Regenwurmkot   schwarz,   gerade   z  B.  in 


l)  z.  B.  Lumbricus  rubellus  Hoffm. 


214 


Seewerbanken  des  Sentisgewolbes  fand  ich  ihn  hellbraun- 
lichgrau.  Die  Wurmer  selbst  fangt  man  nicht  sehr  oft. 
Man  kann  ihnen  nicht  schnell  genug  nachgraben;  zahl- 
reiche  kleine  Exemplare  erbeutet  man  aber  in  dem  ober- 
flachlichen  Humus  der  Polsterpflanzen  (die  von  mir  ge- 
sammelten  waren  noch  nicht  geschlechtsreif  und  daher 
nicht  zu  bestimmen). 

Auch  Ameisen  durften  ubrigens  durch  ihren  Nestbau 
an  der  Flillung  gewisser  Spalten  mit  Humus  ihren  An- 
teil  haben,  jedenfalls  aber  ist  ihre  Wirksamkeit  bedeutend 
geringer  als  die  der  Regenwurmer,  um  so  mehr,  als  die 
Nester  erst  dann  besiedelnden  Pflanzen  zur  freien  Kon- 
kurrenz  often  stehen,  wenn  sie  nicht  mehr  bewohnt  sind. 
Zu  diesem  Schlusse  fuhrte  mich  folgende  Beobachtung: 
Die  bewohnten  Nester  sieht  man  sehr  h&ufig  von  form- 
lichen  Reinkulturen  irgend  einer  Spezies  bestanden,  z.  B. 
von  Thymus  serpyllum,  Sedum  album,  Galium  mollugo, 
Festuca  ovina,  und  zwar  oft  benachbarte  Nester  derselben 
Ameisenart  von  ganz  verschiedenen  Pflanzenspezies. 

Auch  anderes  Oetier  findet  sich  oft  in  grosser  Menge 
in  den  Spalten,  vor  allem  Kellerasseln,  Schalen- 
asseln,  Lithobius,  Podura  und  Clausilien1). 

')  Ich  kann  mich  in  dieser  Angabe  ubrigens  auch  auf  einen 
ganz  kompetenten  Beobachtor  berufen:  das  Rotkelchen.  Dieses 
Vogelchen  scheint  sehr  genau  zu  wissen,  welche  Fulle  an  kleinem 
Getier  die  Spalten  bergen.  Im  April  1903  brach  ich,  wahrend 
alles  tief  mit  Schnee  bedeckt  war,  an  einer  Wand  bei  Quinten 
einige  Spalten  auf.  Dabei  hatte  ich  immer  seine  Gesellschaft.  Es 
suchto  mit  grossem  Eifer  den  aus  den  Spalten  herausf alien  den 
Detritus  ab  und  liess  sich  dabei  (lurch  nichts  storen;  es  hiipfte 
mir  zwischen  den  Beinen  hindurch  und  schien  sich  gar  nicht  darum 
zu  kummern,  dass  bestandig  Erdkrurachen  seinen  Riicken  trafen. 
Auch  der  Liirm  der  schweren  Hammerschlage  vermochte  es  nicht 
zu  verscheuchen ;  nur  wenn  Steine  niederpolterten,  unterbrach  es 


215 


Selbstverstandlich  bilden  aber  auch  einen  Hauptfaktor 
bei  der  Detritusbildung  die  Leichen  der  Felsenpflanzen 
selbst,  wobei  namentlich  die  Kryptogamen,  z.  B.  Nosto- 
caceen,  vor  allem  aber  die  Moose  eine  wesentliche  Rolle 
spielen.  Von  den  Phanerogamen  kommen  die  oberirdischen 
Teile,  die  meist  bis  in  das  nachste  Gebiisch  verweht 
werden,  viel  weniger  in  Betracht  als  die  Wurzeln. 

Diesen  Umstftnden  gegeniiber  f  ftllt  Drudes  Zuteilung 
der  Felsen  zu  den  nhumusarmen  Mineralboden44  da- 
hin.  Sie  konnen  diese  Qualifikation  stellenweise,  wo  der 
organische  Detritus  stark  mit  Steinsplittern  und  Ton- 
schlamm  durchsetzt  ist,  rechtfertigen ;  aber  andernorts 
*verdienen  sie  ebenso  gut  die  Bezeicbnung  mineral stoff- 
arme,  rein  humose  Boden,  denn  dass  kein  Verhaltnis 
aufgestellt  werden  darf  zwiscben  dem  Humus  in  den 
Spalten  und  dem  spaltenbildenden  Fels,  ist  ja  selbst- 
verstandlich. Der  Ausdruck  „humusarmer  Mineralboden" 
kann  sich  natiirlich  nur  auf  den  Spalteninhalt  beziehen. 

3.  Die  Wasserversorgung. 

In  unserem  Klima  geniigt  die  Anfuhrung  der  im 
vorigen  Abschnitte  mitgeteilten  Tatsachen  allein  schon, 
um  die  Existenzmoglichkeit  nicht  nur  einer  Moos-,  sondern 
auch  einer  Gefassflora  nachzuweisen.  Wir  werden  in 
Sedum  album  eine  Spezies  kennen  lernen,  deren  Wasser- 
bedarf  so  reguliert  werden  kann,  dass  die  einmalige  Durch- 
trankung  von  oberflachlich  angesammeltem  Detritus,  wie 
sie  sich  bei  jedem  Regenfall  vollzieht,  schon  geniigt,  um 


seine  Arbeit  und  hiipfte  unter  den  nachsten  vorspringenden  Block. 
Dies  begegnete  mir  an  drei  Orten,  "wahrscheinlich  auch  mit  drei 
verschiedenen  Rotkelchen. 


216 


die  Pflanze  nachfolgende  Zeiten  der  Diirre  ohne  jede 
weitere  Wasserzufuhr  aushalten  zu  lassen. 

Meist  liegt  aber  die  Yersorgung  der  Felsenpflawen 
mit  Wasser  weit  gunstiger,  als  im  erwahnten  Falle.  Man 
braucht  nur  zu  bedenken,  dass  da,  wo  sich  der  Detritus 
in  Spalten  ansammelt,  die  Schnelligkeit,  mit  der  er  sein 
einmal  aufgesaugtes  Wasser  durch  Verdunstung  verliert, 

—  abgesehen  von  der  erhohten  Erwarmung  des  Feisens 

—  wegen  der  geringern  Durchluftungsmoglichkeit  theo- 
retisch  kleiner  sein  muss,  als  bei  Wiesen  oder  Ackerland 
von  derselben  Tiefe.  Tatsachlich  kann  ich,  trotzdem  ich 
zahllose  Spalten  aufbrach  (selbstverstandlich  auch  bei 
trockenem  Wetter),  keinen  einzigen  Fall  anfiihren,  wo 
die  Erdschichte  in  den  Spalten  nicht  schon  in  einer  Tiefe 
von  weniger  als  einem  Dezimeter  durchfeuchtet  gewesen 
ware.  Dabei  ist  es  selbstverstandlich,  dass  entsprechend 
der  Tiefe  und  Breite  der  Spalten  die  Verhaltnisse  ver- 
schieden  sind.  Breite,  wenig  tiefgehende  trocknen  rasch 
aus ;  schmale,  tiefe  gar  nicht.  Immerhin  sei  folgende  Be- 
obachtung  angefuhrt :  Bei  der  „Wasserauenu  fand  ich,  dass 
in  einer  Hohe  von  einem  Meter  iiber  dem  Boden  aus  einer 
schmalen  Spalte  ernes  vollig  isolierten,  ca.  3 — 4  m  hohen, 
2 — 3  m  breiten  und  4  m  langen  Blockes  vier  Stunden 
nach  dem  letzten,  gar  nicht  besonders  starken  Regenfall 
noch  so  reichlich  Wasser  floss,  dass  es  in  grossen  Tropfen 
herabfiel,  obwohl  es  sich  vor  dem  Abtropfen  noch  iiber 
eine  ca.  35  cm2  grosse  Flache  verteilte.  Leider  brach  in 
dem  Momente  der  Beobachtung  die  heisse  Sonne  durch, 
so  dass  die  Tropfenbildung  sistierte  und  also  keine  quan- 
titative Angabe  gemacht  werden  kann. 

Als  entsprechenden  Ausdruck  dieser  Umstande  finden 
wir   denn  an  vollig  isolierten  Felsblocken  ohne 


217 


jede  innere  Wasserzufuhr  (Potentilla  caulescens  erscheint 
z.  B.  am  Fusse  der  Felswande  schon  auf  20  m8  grossen 
Blocken)  extreme  Xerophyten  neben  Pflanzen, 
die  jedes  erhohten  Schutzes  vor  Austrock- 
nung  entbehren.  Letztere  nur  in  Spalten,  z.  B.  Potentilla 
caulescens  (vide  II.  T.  I.  Kap.),  die  Xerophyten  namentlich 
denjenigen  Detritus  besiedelnd,  der  sich  irgendwo  an  einer 
spaltenlosen  Stelle  der  Felsoberflache  angesammelt  hat, 
so  z.  B.  Sedum  album,  Festuca  ovina,  Saxifraga  aizoon, 
aber  aueh  in  Spalten,  wie  z.  B.  Sedum  dasyphyllum,  Carex 
mucronata  etc. 

Bisher  wurde  aber  nur  die  von  der  jeweiligen  Humus- 
schicht  direkt  als  Hydrometeore  erhaltene  und  aufgesaugte 
Wassermenge  in  Betracht  gezogen,  ohne  des,  sei  es  aussen, 
sei  es  im  Felsinnern,  enthaltenen  Uberflusses  zu  gedenken, 
der  noch  lange  nach  einem  Regenfalle  Oberfl&che  und 
Spalten  nass  halten  kann.  Sobald  wir  aber  auch  das 
fliessende  Wasser  berticksichtigen,  ergeben  sich  bedeutende 
Unterschiede  zwischen  den  einzelnen  Formationen  des  Jura 
und  der  Kreide.  Die  reinen  Malm-  und  Schratten- 
kalke  geben  bei  ihrer  chemischen  Verwitterung,  d.  h. 
Losung  durch  das  kohlensaurehaltige  Wasser  keinen  oder 
nur  einen  ganz  geringfugigen  unloslichen  Ruckstand.  Das 
L6sungsprodukt  ist  Ca(HCC>3)2  =■-■  doppelkohiensaurer  Kalk, 
der  mit  dem  abfliessenden  Wasser  fortgefiihrt  wird.  Die 
mergeligen  Aptschichten,  sowie  die  kiesel-  und  phos- 
phorsaurereichen  Horizonte  des  Neo corns  und  Gaults 
dagegen  hinterlassen  viel  unlosliche  Riickstande,  welche 
die  Spalten  ausfullen  und  den  Fels  mehr  oder  weniger 
undurchlassig  machen.  Auf  Neocom  und  Gault  treten 
daher  Quellen  zutage  und  oberflachlich  gelegene  Spalten 
werden  noch  lange  nach  dem  Regenfall  ergiebig  durch- 


218 


feuchtet.  Nicht  so  bei  Malm  und  Schrattenkalk.  Bei 
diesen  bedeutet  jede  einmal  entstandene  Ritze,  jeder 
einmal  entstandene  Sprung  im  Felsen  einen  bleibenden, 
kaum  mehr  verstopfbaren  Weg  fur  das  Wasser,  das  denn 
auch  rasch  durchsickert  und  mitten  im  Berg  drin  seinen 
Weg  nehmen  kann,  ohne  oberflachliche  Spalten  zu  er- 
reichen.  Malm  und  Schratten  sind  daher,  wie  bekannt, 
oberflachlich  trockener  als  Neocom  und  Gault. 

Es  sind  aber  nur  graduelle  Unterschiede,  mit  denen 
wir  es  zu  tun  haben,  und  man  darf  nicht  von  feme  daran 
denken,  etwa  die  Lebensbedingungen  an  den  Neocom- 
und  Gaultwanden  in  prinzipiellen  Gegensatz  zu  denen 
an  den  Malm-  und  Schrattenw&nden  zu  stellen.  Erstens 
kann  namlich  bei  den  Neocom-  und  Gaultschichten  in- 
folge  Zerkliiftung  und  innerer  Wasserableitung  die  ober- 
flachliche Bespulung  auch  fehlen.  Zweitens  wissen  wir 
schon  aus  dem  Vorkommen  von  Potentilla  caulescens  auf 
vollig  isolierten  Blocken,  dass  auf  Malm  und  Schratten- 
kalk auch  ohne  innere  Wasserzufuhr  Mesophyten  gedeihen 
konnen,  und  dazu  kommt  erst  noch  drittens,  dass  gelegent- 
lich  auch  Malm-  und  Schrattenwande  durch  Quellwasser 
oberflachlich  besplilt  werden  konnen,  wodurch  dann  selbst- 
verstandlich  eine  erhohte  Haufigkeit  der  Mesophyten  be- 
wirkt  wird.     Dazu  ein  Beispiel: 

Beim  Gasthaus  zum  „Ascheru  erlaubt  es  das  auf- 
gestellte  Teleskop,  die  anniihernd  100  m  hohen,  etwas 
iiberhangenden  Schrattenwande  in  ihrer  ganzen  Hohe 
floristisch  zu  untersuchen.  Die  Wande  sind  von  demKrypto- 
gameniiberzug  hellblaugrau  gefarbt  —  oder  ockergelb, 
wo  an  Abbruchstellen  eine  mit  Calzit  inkrustierte,  noch 
nicht  bewachsene  innere  Fugenflache  zum  Vorschein  kommt 
Der  blauliche  und  ockerfarbene  Grund  ist  mit  schwarzen 


219 


Flecken  gezeichnet,  von  denen  gleichfarbige  Streifen 
mannigfach  anastomosierend  senkrecht  nach  unten  ver- 
laufen.  Das  sind  die  sogenannten  Tintenstriche,  Algen- 
kolonien  (Stigonema-Arten  nach  Warming)  an  Stellen, 
die  noch  lange  nach  einem  Regenfall  von  Wasser  triefen *). 
Ein  Wasseraustritt  findet  aber,  wie  erklarlich,  nur  etwa 
in  den  untern  zwei  Dritteln  der  Wandhohe  statt,  —  bloss 
soweit  hinauf  reichen  wenigstens  die  Tintenstriche,  — 
aber  auch  nur  soweit  hinauf  gehen  die  Potentillen,  ob- 
wohl  im  kahlen  obersten  Drittel  der  Wand  die  Spaltung 
des  Fel8en8  gegenuber  der  bewachsenen  untern  Partie  in 
nichts  geandert  ist,  soweit  sich  dies  wenigstens  teleskopisch 
erkennen  lasst. 

Es  ist  aber  nicht  ohne  weiteres  festzustelien,  welche 
Wirkung  des  erwahnten  Quellwasserzuschusses  die  erhohte 
Haufigkeit,   in  dicsem  Falle   der  Potentilla,   an   anderen 

*)  Mit  welcher  Sicherbeit  diese  Tintenstriche  einen  Wasser- 
verlauf  kennzeichnen  konnen.  ersieht  man  da,  wo  einem  ober- 
flachlich  rauhen  Fels  nur  wenig  Wasser  entquillt  und,  sich  in 
viele  kleine  Aste  und  Aderchen  teilend  und  wieder  vereinigend, 
an  der  Wand  jene  Figur  erzeugt,  die  auch  fiir  einen  Flusslauf  in 
der  Ebene  cbarakteristisch  ist.  Dieser  ganze  komplizierte  Verlauf 
des  Wassers  mit  oft  kaum  centimeterbreiten  Striisschen  wird  dann 
getreulich,  ohne  Auslassung  odor  Cbertreibung  von  den  Algen 
a  Is  schwarzes  Dessin  auf  di»n  he  Hen  Grund  fixiert. 

Aber  die  Tintenstriche  sind  dennoch  nicht  immer  ein  zuver- 
liissiges  Kriterium.  Sie  lassen  uns  sofort  im  Stiche,  sobald  wir 
sie  dazu  beniitzen  wollen,  genauere  Unterschiede  in  der  Besiede- 
lung,  infolge  innerer,  ausserer  oder  feh lender  Bespiilung,  zu  er- 
griinden.  Wo  Tintenstriche  auftreten,  sind  wir  zwar  der  Gegen- 
wart  fliessenden  Wassers  zieinlich  sicher  (nicht  ganz,  da  wir  nicht 
wissen,  wie  viele  Jahre  nach  endgtiltigem  Versiegen  des  Wassers 
die  Schwarzfarbung  noch  anhalt);  wo  sie  fehlen,  kann  man  meist 
auf  das  Fehlen  innerer  Wasserlaufe  schliessen,  doch  macht  auch 
hier  die  zur  Oberflache  parallele  Zerkluftung  das  Kriterium  ge- 
legentlich  unbrauchbar. 


220 


Orten  anderer  Mesophyten,  bedingt.  Man  ist  immer  viel 
zu  leicht  geneigt,  nur  mit  den  Umstanden,  die  zur  Zeit 
der  Beobachtung  gegeben  sind,  zu  rechnen.  Ebenso  kritisch 
wie  die  Hundstage  gestaltet  sich  fur  die  Felsenpflanzen 
der  Winter  und  der  Vorfrtihling.  Voraussichtlich  ist  zur 
Zeit  andauernder  Kalte  der  nicht  schneebedeckte  Fels 
genau  entsprechend  dem  hartgetretenen  Boden  der  Ebene 
bis  zu  xiber  120  cm  Tiefe  vollstandig  eingefroren *),  die 
Frostgefahr  an  Siidhangen  also  eine  maximale  an  all  den 
Orten,  wo  nicht  Quellwasser  vorhanden.  Grerade  die 
zitierte  Stelle  beim  Ascher  und  die  dahinter  gelegene 
„  Wilde  Kirchea  (eine  Hohle,  in  welcher  das  Tropfwasser 
fur  das  Gasthaus  aufgefangen  wird)  liefern  nach  der  Aus- 
sage  Dorigs  auf  dem  Ascher  den  Beleg  fiir  die  Moglich- 
keit,  dass  solche  im  Sommer  tropfende  Stellen  auch  im 
kaltesten  Winter  nie  ganz  austrocknen.  Im  Sommer  kann 
Potentilla  caulescens  auf  Quellwasserzuschuss  verzichten. 
das  wird  bewiesen  durch  ihr  Vorkommen  auf  isolierten 
Blocken;  mir  scheint  aber  nichts  gegen  die  Erklarung 
zu  sprechen,  dass  es  die  Wasserzufuhr  zur  Frostzeit  ist, 
welche  die  erhohte  Uppigkeit  der  Potentilla  im  erwahnten 
Falle  und  eine  entsprechende  Veranderung  anderwarts 
bedingt. 

Nochmals  sei  ausdriicklich  bemerkt:  die  Schichtlage 
ist  bei  kliiftigen  Kalksteinen  in  den  allerwenigsten  Fallen 
massgebend  fiir  den  Verlauf  des  ins  Felsinnere  einge- 
drungenen  Wassers.  Es  kommt  vor,  dass  an  Wanden 
mit  annahernd  horizontaler  Schichtung  eine  wenige  Dezi- 

*)  Obwohl  sich  ineine  Untersuchungen  auf  die  Monate  Februar 
bis  und  mit  November  erstrecken,  fand  ich  selbst  nie  vereiste 
Spalten,  was  aber,  da  nicht  zur  strengsten  Frostzeit  untersucht 
wurde,  gar  nichts  beweist. 


221 


meter  oder  Meter  dicke  Oberfl&chenpartie  durch  eine  senk- 
rechte  Kluffc  als  Platte  von  dem  Massiv  getrennt  und  von 
jedem  Wassersukkurs  von  innen  abgeschnitten  wird.  Des- 
gleichen  beobachtet  man  nicht  weniger  oft,  dass  iiber- 
hangende  Wande  mit  gegen  den  Berg  einfallenden  Schichten 
reichlich  Wasser  entlassen. 

Als  das  Wesentlkhe  an  der  Wasserversorgung  der  Fels- 
flora  ist  also  anzufuhren,  dass  die  jeweilige  Durchtr&nkung 
und  kapillare  Festhaltung  der  in  den  Spalten  angesammelten 
Erde  durch  den  Regen  allein  selbst  fur  die  Lebensfuhrung 
von  Mesophyten,  wie  Potentilla  caulescens,  genugt,  dass 
aber  die  Flora  des  Neocoms  und  Gaults  in  der  Regel, 
die  der  reinen  Kalke  nicht  selten  noch  bedeutenden  Quell- 
wasserzuschuss  erhalt.  Der  Fels  ist  also  jedenfalls 
kein  ausschliesslich  trockener  Standort. 


B. 

Die  Besonderheiten  der  Felswande  als  Pflanzenstandort l). 

Sie  ergeben  sich  grossenteils  aus  zwei  Eigenschaften 
des  Felsens:  1.  seiner  Kompaktheit  und  2.  seiner  Steil- 
heit.  (In  unserem  Gebiete  treten  selten  um  weniger  als 
30°  geneigte  Felsen  zutage;  Ausnahmen  bilden  die  Schnee- 
kessel,  Karrenfelder,  hochalpinen  Gipfel  und  Grate.) 

1.  Die  relative  Kompaktheit  bedingt: 
a)  Das   Vorhandensein       Damit  im  Zusammenhang: 
unbesiedelter  Stellen      Besonderheiten  im  Kampfe 
(Fels),  indem  nur  schutt-      um  den  Lichtgenuss.    Zahl- 
bedeckte  Vorspriinge  und      loseRosettenpflanzen2):  Sem. 

*)  Ein  Abschnitt,  der  befriedi<j;end  nur  von  einem  Mono- 
graphen  geleistet  werden  konnte. 

*)  Denn  an  zahllosen  Orten  ist  Beschattung  durch  Nachbarn 
ausgeschlossen,  da  keine  solchen  vorhanden  sein  kdnnen. 


222 


grossere  Spalten  Phanero- 
gamen  tragen  kdnnen. 


b)  eine  gesonderte  Was- 
serbilanz  fiir  jeden  ein- 
zelnen  Standort.  (Neben 
einer  sehr  feuchten  Spalte 
kann  sich  eine  solche  mit 
ganz  trockenem  Detritus 
befinden.) 

c)  eine  Einschrankung 
des  Dickenwachstums 
der  Wurzeln. 


pervivum  tectorum.  Spalier- 
pflanzen :  Bhamnus  pumila. 
HangendeSprosse:  Saxifraga 
oppositifolia.  FehlenderAn- 
nuellen  auf  dem  Fels  (einzige 
Ausnahme  Sedum  atratum)1). 
Damit  im  Zusammenhang: 
Das  Auftreten  von  Xero- 
phyten  nebenMesophyten *). 


Zum  Teil  damit  im  Zu- 
sammenhang : 
Das     Zuriicktreten     ausge- 
wachsener  Bourne  mit  alien 
Folgeerscheinungen    (breite 
Spalten  tragen  oft  gut  ent- 
wickelte  B&ume). 
Zum  Beispiel  zum  Teil  da- 
mit im  Zusammenhang: 
Das  Auftreten  von  humus- 
fangenden   Pflanzen    (siehe 
spater). 


d)  das  stellenweis  massen- 
hafte  Auftreten  von 
Regenwiirmern  ent- 
sprechend  ihrer  erhohten 
Haufigkeit  unter  ge- 
pflasterten  und  festge- 
tretenen  Platzen.  (Viel- 
leicht  wegen  Fehlen  des 
Maulwurfs  ?) 

!)  Ich  denke  mir  wegen  der  grossen  Schwierigkeit,  ein  ge- 
eignetes  Substrat  zur  Keimung  zu  finden. 

■)  Man  denke  sich  z.  B.  eine  Wiese,  die  nebeneinander  Stip» 
pennata  und  Caltba  palustris  triige! 


2.  Die  Steilheit  bedingt: 


■)  H&ufiges  Entbl6s8en 
der  Wurzeln  u.  Brach- 
legen  des  Detritus 
a)  durch  Wegfiihren  und 
P)  durch  Wiederabsetzen 
des  Detritus  durch 
Wind  und  Wasser; 
Y)  durch  Abbruch  eines 

Felsenstiickes  und 
6)  durch  Zerreissen  einer 
Siedelung  infolge 
Steinschlags  od.  Vieh- 
trittes. 
)  Mechanische   Schadi- 
gung  vorstehender,ober- 
irdischer  Pflanzenteile 
durch    Steinschlag    und 
Lawinen l). 


Im  Zu8ammenhang  damit: 
Siehe  im  weitern  Text  (II. 
Teil)  die  Abschnitte :  Globu- 
laria,  Thymus  und  Sedum. 


Im  Zusammenhang  damit: 
Das  stellenweise  Zuriick- 
treten  von  Pflanzen  mit 
mehrjahrigen  oberirdischen 
Sprossen,  oder  Spalierwuchs 
bei  den  vorhandenen  (Rham- 
nus  pumila),  (Primula  auri- 
cula mit  kontraktilen  Wur- 
zeln). 


l)  Letztere  ist  lange  nicht  so  bedeutend,  wie  man  nach  den 
Dnstigen  verheerenden  Wirkungen  einer  Lawine  wohl  denken 
i6chte.  Der  Lawinenschnee  am  Fusse  der  Felswande  ist  aller- 
ings  beim  Abschmelzen  stets  mit  Pflanzenteilen  bedeckt,  aber 
reder  die  Wand  selbst,  noch  diese  Opfer  bringen  den  Eindruck 
ervor,  dass  eine  Lawine  ein  katastrophales  Ungluck  fiir  die  mit- 
enommene  Pflanzen  welt  sei. 

Genauer  lasst  sich  die  Wirkung  an  Wiesen  ermessen;  dort 
edeutet  sie  eine  Kurzschur  und  zwar  der  irgendwo  aufgerissenen 
md  mitgescbleiften  (nicbt  fallenden !)  Erde  wegen.  Diese  wird 
;u  lauter  ca.  30  cm  langen  Walzen  gerollt,  an  denen  sick  &A\&fe 


224 


Im  Zusammenbang  damit: 
Siehe  die  Abschnitte  fiber 
den  Schneeschutzling  Erinus 
alpinus  und  die  Polster- 
pflanze  Androsace  helvetica 
(vide  II.  Teil  III.  Kap.). 


c)  Steigerung    klimati- 
scher  Einfliisse,  z.  B. 
a)  der  Windwirkung; 
p)  der    Erwarmung    bei 

Siidexposition *)  und 
y)  der    Beschattung   bei 

Nordexposition ; 
6)  der  Frostwirkung  we- 

gen  mangelnder 

Schneedecke. 

d)  Sehr  oft  Sonderung 
von  Vieh  und  Wild, 
d.  h.: 

a)  Schutz  vor  Viehfrass ; 
fj)  Schutz   vor  dem  Ge- 

tretenwerden ; 
y)  mangelnde  Diingung. 

Ich  wiederhole 

3.  Wassermangel 
ist  kein  Charakteristikum  der  Felswande.  Wenn  Warming  (I) 
sagt:  „Dass  das  Wasser  zu  den  Pflanzen  einen  schwierigen 
Zutritt  hat,  ist  klar:  Das  Regenwasser  lauft  schnell  ab 
und  geht  verloren",  so  bezeichnet  er  damit  ein  ziemlich 
seltenes  Verhalten,  das  zutrifift:  1.  fiir  die  horizontal  ver- 
laufenden  Spalten  an  Wanden  mit  dachziegeliger  Ab- 
witterung,  2.  fiir  annahernd  senkrecht  verlaufende  Spalten 
an  senkrechten  oder  uberhangenden  W&nden.  In  alien 
andern  Fallen  aber  muss  das  den  Wanden  entlang  fliessende 
Wasser  dem  steilsten  Gef  alle  folgend  in  den  Spalten  ver- 

vorstehende  Kraut  aufwickelt,   so  dass  sie  zuletzt  wie  in  Spulen 
verwandelt  ausaehen. 

»)  Siehe  1.  Teil  H.  Kap.  §  1  C. 


226 


wind  en.  Ja  noch  mehr :  die  allermeisten  Spalten  werden 
Regen  vermutlich  intensiver  durchfeuohtet  als  Wies- 
en,  weil  ihnen  das  Wasser  von  einem  gewissen 
immelgebiet"  zur  Verfugung  steht.  (Dass  man  nur 
en  am  Fusse  der  Felswande  Spuren  intensiver  Schwemm- 
kung  findet,  beweist  allerdings  nicht,  dass  das  der  Wand 
lang  fliessende  Wasser  in  Spalten  versickere,  da  nur 
ollfuhrendes  Wasser  erhebliche  Erosionswirkungen  her- 
bringen  kann.  Stellen,  an  denen  zeitweise  ein  Quell- 
hlein  zu  Tale  fahrt,  konnen  bei  Versiegen  desselben 
aahe  nur  an  der  Besiedelung  [Tintenstriche,  Molinia 
•ulea,  iippige  Gypsophila  repens  etc.  etc.]  von  andern 
erschieden  werden.) 

Die  Standorte  der  Felswande  unseres  Gebietes  sind 
srdings  vorzugsweise  trocken ;  aber  aus  demselbenGrunde, 

die  meisten  andern  trockenen  Standorte  des  Gebietes, 
ht  wegen  mangelnder  Zufuhr  von  Wasser,  sondern 
;en  der  Unmoglichkeit,  dasselbe  zu  speichern.  Sobald 
>r  der  in  den  Spalten  vorhandene  Detritus  eine  gewisse 
nge  erreicht,  kann  auch  das  Wasser  gespeichert  werden 
1  der  Standort  ist,  vielleicht  umgeben  von  lauter  trockenen, 
n  trockener  mehr  (vergl.  die  Anmerkung  fiber  die 
>ckflora  I.  Teil  n.  Kap.  §  1,  3).  Dass  dem  Fels  ober- 
jhlich  aufliegende,  selbst  bedeutende  Detritusmengen 
ockenu  sind,  braucht  hier  nicht  ausgefuhrt  zu  werden. 

Ebenfalls  nicht  zu  den  Charakteristika  der  Fels- 
mation  gehort  das  Fehlen  der 

4.  Konkurreiiz. 

Man  nennt  die  Felsflora  gelegentlich  eine  offene 
r  m  a  t  i  o  n ,  wie  man  gewisse  Fazies  der  Sandllora  als 
me  bezeichnet.  Es  hatte  meiner  Ansicht  nach  keinen 
n,  daruber  zu  diskutieren,  ob  die  Felsflora  eine  offene 

\& 


226 


sei  oder  nicht.  Sicher  ist  ja,  dass  die  Pflanzendecke  lucken- 
haft  ist,  woraus  sich  gewisse  Eigenttimlichkeiten  fur  den 
Bau  der  Felsenpflanzen  ergeben;  wie  will  ich  aber  be- 
weisen,  dass  alle  Orte  des  Felsens,  die  besiedelt  werden 
konnten,  auch  wirklich  besiedelt  sind?  Die  Hauptsache 
ist  der  Konkurrenzkampf ;  sein  Bestehen  aber  ergab  sich 
fur  mich  aus  den  ersten  Beobachtungen  bei  Quinten.  welche 
zeigten,  dass  die  jungeren  Exemplare  der  Felsenpflanzen 
eigentlich  allentlialben  am  Fels  und  in  jeder  Vergesell- 
schaftung  zu  finden  sind.  wahrend  das  von  alten  Stocken 
nicht  gesagt  werden  kann.  Junge  Potentilla  caulescens- 
Exemplare  neben  Sedum  album  sind  etwas  gewohnliches. 
Es  wurde  aber,  glaube  ich,  auch  dem  Laien  bald  auf- 
fallen,  iippiges  Sedum  neben  iippigen  Potentillen  zu  finden. 
wahrend  os  wieder  eine  regelmassige  Erscheinung  ist,  dass 
unter  alten  Potentillen  oder  im  Sesleriarasen  tote  Sedum- 
astchon  liegen,  oder  dass  an  briichigen  Stellen  Potentilla- 
exemplare  von  Globulariateppichen  formlich  tiberzogen  und 
erdriickt  werden. 

Immerliin  ist  trotz  ahnlicher  Vorkommnisse  in  de?i  obern 
Regionen  unser  Wissen  von  der  Konkurrenz  noch  ganz- 
lich  ungeniigend.  Dort  oben  sind  es  namentlich  die  Moos- 
polsterchen,  die  als  Keimbett  beniitzt  werden.  Zahl- 
lose  Polsterchen  sind  aber  unbesetzt.  Dadurch  ist  zwar 
ein  Konkurrenzkampf  flir  die  festsitzenden  Pflanzen  nicht 
ausgeschlossen,  aber  die  Frage,  ob  in  jedem  Falle  die  an 
die  besondern  Umstande  bestangepasste  in  dauernden  Be- 
sitz  des  Polsterchens  gelangt-,  oder  irgend  eine  andere 
Spezies,  bleibt  eine  offene,  d.  h.  die  Wahrscheinlichkeit, 
dass  in  zahllosen  Fallen  die  Besiedelung  nach  dem  Ge- 
setze  des  beatus  possidens  erfolgt,  ist  keineswegs  von  der 
Hand  zu  weisen.     Doch  kann  es  sich  dabei  nur  darum 


227 


.ndeln,  wie  gross  der  Prozentsatz  der  darch  Zufall  er- 
ngenen  Siedelungen  ist ;  denn  unter  don  vielleicht  Jahr- 
usende  gleichbleibenden  Verhaltnissen  kann  der  Zufall 
*h  nicht  so  stark  geltend  machen,  dass  er  die  Wirkungen 
ir  einer  innern  Notwendigkeit  entsprechenden  Entwick- 
ng  iibertrafe.     (Siehe  auch  II.  Teil  II.  Kap.) 

Gleichfalls  nicht  zu  den  ausschliesslichen  Besonder- 
iten  der  Felsflora  gehort  es,  dass  der 
5.  Einfluss  der  chem'mhen  Beschaffenheit  des  Felsens, 
fern  iiberhaupt  eine  direkte  Einwirkung  besteht,  deut- 
her  zum  Ausdruck  kommen  muss,  als  z.  B.  bei  Wiesen- 
lanzen,  welche  nicht  in  so  engem  Kontakt  mit  dem 
denbildenden  Gesteine  stehen.  Immerhin  gab  ich  mir 
3le  Miihe,  Differenzen  zwischen  der  Flora  des  Gault 
it  seinem  hohen  Phosphor-  und  Kieselsauregehalt,  der 
eselkalke  des  Neo corns  und  der  reinen  Malm-  und 
jhrattenkalke  aufzuiinden  und  fand  tatsachlich  auch 
Iche;  so  z.  B.  stellte  es  sich  heraus,  dass  bei  Quinten 
'inus  alpinus  stets  nur  auf  Gault  und  Neocom  zu 
*ften  ist,  aber  dem  Malm-  und  Schrattenkalke  voll- 
mdig  fehlt,  d.  h.,  und  das  macht  den  Befund  nur  noch 
;eressanter,  mit  Ausnahme  einiger  Stellen  gerade  unter 
lem  Gaultbande  und  auf  Malm  am  Seespiegel.  Weiter 
en  ist  aber  Erinus  uberaus  haufig  auf  Malm  und  Schratten, 
d  seine  Lokalisation  auf  Gault  und  Neocom  bei  Quinten 
iss  also,  und  kann  auch,  aus  den  physikalischen  Eigen- 
laften,  die  diese  geologischen  Formationen  hier  aus- 
chnen,  erklart  werden  (vide  II.  Teil  III.  Kapitel).  — 
dann  eine  Beobachtung  vom  Nordufer  des  Fahlensees : 
»rt  wechseln  unter  vollig  gleichen  topographischen  Ver- 
[tnissen  Gault-  und  Schrattenwande  mehrfach  mitein- 
Jer  ab,  und  die  Kontrolle  der  Artenlisten  nebst  ihrer 


228 


Verifikation  an  Ort  und  Stelle  ergeben,  dass  die  haufigsten 
Spezies  der  Schrattenwande :  Carex  mucronata  und 
Gypsophila  repens,  denGaultwanden  vollstandig  fehlen. 
—  Ich  fuhre  diese  Tatsache  einzig  wegen  ihrer  ver- 
bliiffenden  Pragnanz  an,  wage  aber,  da  sie  erst  am  letzten 
Beobachtungstage  erkannt  wurde  und  also  nicht  mehr  an 
andern  Stellen  bewusst  bestatigt  werden  konnte,  nicht 
den  leisesten  Versuch  einer  Generalisierung,  obwohl  ich 
aus  dem  ganzen  ubrigen  Gebiete  keine  C.  mucronata  auf 
Gault  kenne,  was  aber  wieder  gar  nichts  heisst;  denn 
dieses  nordliche  Fahlenseeufer  ist  eine  der  wenigen  Stellen, 
wo  er  wirkliche  Felsilora  tragt  (ich  mochte  daher  speziell 
auf  sie  aufmerksam  machen) ;  im  ubrigen  ist  der  eugeogene 
Gault,  von  dem  man  in  unserem  Gebiete  am  ehesten  Auf- 
schluss  uber  Bodenstetigkeitsfragen  erwarten  sollte,  ent- 
wedor  nackt  oder  mit  ausgesprochenen  Weidepflanzen 
besiedelt.  Es  macht  den  Eindruck,  als  ob  seine  Ober- 
flaehe  so  rasch  in  kleinen  Teilen  abwittere,  dass  Felsen- 
pflanzen  an  ihm  einerseits  keinen  Halt  finden,  andrerseits 
aber  da,  wo  sich  der  durch  die  Verwitterung  gebildete 
Grus  ansammelt,  weichen  mlissen,  weil  sein  Reichtum  an 
Nahrsalzen  und  die  bestandige  Durchfeuchtung  (vide 
I.  Teil  II.  Kap.  §  1)  audi  anspruchsvolleren  und  uppigeren 
Wiesenpflanzen  eine  sichere  Existenz  gewahrt 1).  So  tragt 
z.  B.  dor  Gaultfels  ob  dem  Wildseeli  bei  2200  m  in  Slid- 
exposition :  Phy teuma  orbiculare,  Le.ucanthemum  vulgare, 
Knautia  pratensis,  Silene  venosa,  Heracleum  sphondylium, 
Alchemilla  vulgaris,  Campanula  pusilla,  Poa  nemoralis, 
Alsine   verna,    Festuca    ovina,    Saxifraga    moschata   und 

l)  Das  scheinon  auch  die  Griincle  zu  sein,  weshalb  die  Moiasse- 
felsen  des  schweizwischen  Mittellandes  vielleicht  mit  Ausnabnie 
der  Xagelfluh  keine  eigene  „Felsflorau  tragen. 


229 


rotundifolia,   Trifolium  Thalii.     Und   ahnlich  liegen  die 
Verhaltnisse  anderwarts. 

Es  mag  daher  folgendermassen  zusammengefasst  wer- 
den:  Ich  konnte  fur  die  geologisch  und  chemisch  ver- 
schiedenen  Horizonte  des  Gebietes  nicht  mit  Sicherheit 
spezifische  Besiedler  und  damit  einen  floristisch  tief- 
greifend  modifizierenden  Einfluss  nachweisen,  wohl  aber 
Haufigkeitsunterschiede  in  ihrer  Besiedelung,  die 
sich  oft  ungezwungen  aus  dem  physikalisch  verschiedenen 
Verhalten  der  Wande  verstehen  lassen,  wie  z.  B.  das 
sparliche  Auftreten  tiefwurzeliger  Pflanzen  an  gewissen 
Neocomwanden,  die  grossere  Haufigkeit  mesophytischer 
Gewachse  ebendaselbst  etc.  etc.  (vide  Anhang). 

C. 
Daten  zur  Charakteristik  des  Gebietes. 

1.  Lage. 

Zwischen     6  °  50'  und     7  °  10'  5.  L. 
und  47°  8'  und  47°  17'  n.  B. 
also  in  der  nordlichen  Kalkalpenzone. 

Hohe  iiber  Meer  423  m  (Spiegel  des  Walensees) 
bis  2604  m  (Sentisspitze). 

2.  Petrographie. 

Alpine  Ausbildung  des 

Doggers  (bei  Walenstadt ;  fallt  aber  ausser  Betracht) 

Malms 

Neocoms 

Urgons  (Schrattenkalks) 

Gaults  und 

Seewerkalkes. 


4 


230 


3.  Klimatologie. 
Zur  Charakteristik  des  Klimas  unseres  Gebietes  mogen 
die  nebenstehenden  Berechnungen  dienen *).  Da  keine  ge- 
niigenden  Beobachtungen  vom  Siidfusse  der  Curfirsten 
vorhanden  sind,  miissen  die  Angaben  der  etwa  10  km 
abseits  liegenden  und  weit  weniger  vor  Nordwind  ge- 
schutzten  meteorologischen  Station  Sargans  zum  Ver- 
gleiche  herbeigezogen  worden. 

Absolute  Zahlen. 
Nacli  samtlichen  bis  jetzt  vorliegenden  Zahlen  werden 
folgende  Maximal-  resp.  Minimalwerte  erreicht: 


Sargans 

Wildhaus') 

Sentis 

Luft-Temperatur      .     .     . 

-  21,8 

-20,o? 

—  26,4 

+  34,8 

+  27,« 

+  17,i 

Relative  Feuchtigkeit .     . 

1  °, 

l°/o 

5°o 

Monatliches  Niederschlags- 

miniinum    .... 

8  mm 

13  mm? 

9  mm 

Die  Notierung  von  Muximaltemperatitren  der  Fels- 
oberflache  musste  ich  mir  leider  entgehen  lassen,  da  ich 
wiihrend  der  heissen  Zeit  des  Jahres  durch  Examina  an 
die  Stadt  gebunden  war.  Immerhin  soil  eine  Angabe  von 
Arbeitern  im  Steinbruch  bei  Quinten  (unserm  spatern 
Musterstandort  mit  Siidexposition)  mitgeteilt  werden.  Da- 
nach  sollen  regelmassig  im  Sommer  die  eisernen  Werk- 
zeuge   so   sehr  erhitzt   werden,    dass    an    eine  Beniitzung 

1)  Nach  don  Angaben  in  den  jahrlichen  „Berichten  iiber  die 
T;iti«rkeit  dor  St.  Gallischen  Naturwissenschaftlichen  Gesellschaft* 
zusammengestollt. 

2)  Xur  u i iter  Beniitzung  dor  im  Jnbrbuch  der  St.  Gallischen 
Naturwissenschat'tliehen  G»>s<dlschaft  publizierten  Zahlen,  wiihrend 
mir  fur  dieselho  Kubrik  der  nebenstehenden  Tabelle  das  Material 
dor  meteorologischen  Zentralo,  durch  die  Freundlichkeit  von  Herm 
Direktor  Billwiller,  zur  Verilizing  stand. 


231 


3) 


3) 

30 


* 

0) 
CO 

ft 


CD 

CO 

0) 


Eft 
!0 

s 
E 

D 

S 


5 

3 


1 

c 
.    "5 

:3    — 

o"  o"  cT  CO  lif  »h  ^  N  ^  iO  CO  N 

1  +        1 

i 

1           * 

1             <*■» 

-~   ^   -*~   *v   "J .   ^    ^   *~   °~    *    --   n. 

ONXNO^NNiOONCO 

l§ 

CO   CI   N 

Sen 

©  s 

ClT-H^Hi-li-H                                             i-H     -»-l     i-H 
■          ■■■■■■■•111 

ife 

CN  CO  ^ 
CM           i-i 

S  a 

1          1         1          1          1         1          1          1          1          1          1          1 

9 

1  ° 

1   -rH 

o   _ 

aj,     »       »^e^«       »       ^     »       «       h       »^     -       • 

'■  CM 

*  I 

CM     * 

CfT  t>-"   t>-~  ^    ri   N    i<    'f  00    O"  CO    l>   O 

+3 

c3  _  _ 

i 

1    1    1    1    1                  1    !    1    1 

J.     - 

1  *»   ' 

CQ 

j 

=><?.'»s.i.t^.«,%.,*.s.s. 

,'  a> 

3  a 

^SSSgcSSSISJSS00 

!-2  3 

. .  _   —  _.  —  — 

-    2 

!    O      * 

U       z 

«        O^O        KJ^r^^WOW        »••,*; 

3 

OB    M 

«^T  oT  cf  co  cT  •*  d  t*"  co  ~h"  ;o  o 

^   ^   ©0 

ogi 
Wild 

3  a 

i  i  1  i  i              mi 

2? 

CO   l>    CM 

lO  ~~ 

^ 

1    .— 1 

^     -; 

X^     »      e*       ©      «o       *^.     ^     °i»     *^     •?.      ^      *?.     •" 

;  2 

— '     S 

CM    O    H    ^  X*  CM~  ***  ~f  CM~  l^  CO'    ©    CO 

fn 

i 

II                -,-,,-,-             ( 

o 

4^ 

i 

^,    »     "J.    «^    *     °V    *     1.    °l     «J-    t    t 

1 

<D 

"k 

of  h  o"  of  co  «  c  a"  o  w  o  o 

H    h   W   W   Ol    CO   M   N   W    « 

a 

'. 

« 

.-J   — 

._.      —  _..       —      — 

3 

R 

«-.       - 

co~  o*  co"  cT  cm"  acT  crT  cf  io  o"  -**  ci" 

= 

co  r*  ^ 

be, 

■♦J     *c 

^                                                                           1        1        1 

e« 

W    t>     H 

u 

i»      "~ 

III 

lO 

-H 

58 

00 

s_^ 

III 

. 

00 

l>- 

s  i 

x      a»      o      ®»    t.    «•.     <%.**.    t.     »      •■:      n,     * 

~h   © '  -t    Ci   CM   :0   t-   t>-   -*   O    t   O   t^ 

£ 

1                          "                    1 

r" 

St. 

2 

^ 

i  j 

^= 

33 

i 

»-3 

rt 

#S 

*^ 

"y 

® 

5C 

tc 

ci 

Zj 

H 

r*      •    t-    t- 

o5 

. 

A  s  S  < 

55 

i 

^ 

2              i     Ci 
tt      —      •*     2      2 

rr  ji  o  ^  cj  t- 

3     S^^d     O    J)    7j 

^  a  O  5?  H  ^ 

3  5  -2 
5z;  u=  is 

232 


derselben  ohne  vorheriges  Eintauchen  in  das  kalte  See- 
wasser  nicht  zu  denken  ist.  (Einem  Versuche  in  der 
Kiiche  entsprechend,  durfte  danach  ihre  Temperatur  sicher 
uber  60°  betragen.) 

Dagegen  fuhrte  Gradmann  am  Kocherberg  bei 
Forchtenberg  (Wurttemberg)  an  einem  Muschelkalkabhang 
mit  siidlicher  Exposition  ca.  240  Meter  u.  M.,  Standort 
von  Pulsatilla  vulgaris,  Bupleurum  falcatum,  Peucedanum 
cervicaria,  Aster  amellus ;  Boden:  grauer,  mergeliger  Lehm, 
folgonde  Messungen  der  Bodentemperaturen  aus: 

20.  Sept.  1895 :  Bodenwarme  hart  an  der  Oberflache, 
so  dass  die  Thermometerkugel  5  mm  hoch  mit  Erde  be- 
deckt  war:  48,5°  C.  (gleichzeitige  Luftwarme  20,1°). 

25.  Sept.  1895:  Bodenwarme  49,8°  C. 

10.  Juli  1896  (warmster  Tag  des  Jahres) :  Bodenwarme 
52,4°  C.  (Luftwarme  27,2°;  Bodenwarme  im  nahen  Buchen- 
wald  21,7°). 

19.  August  1898:  Bodenwarme  56,5°  C. 

Was  die  iibrujen  Daten  anbelangt,  so  konnte  Wert- 
volles  nur  durch  standige  Beobachtung  im  Winter,  Spat- 
herbst  und  Vorfruhling  erhalten  werden.  Denn  Aufnahmen 
iiber  schneefreie  und  schneebedeckte  Standorte,  iiber  kleine 
Lawinenwege,  Schnelligkeit  der  Temperaturumschlage. 
Windwirkung  (namentlich  audi  das  Fegen  und  Schleifen 
der  Felsoberflache  mit  verwehten  Eiskristallen)  erreichen 
einzeln  jedenfalls  schon  die  Bedeutung  der  Messung  von 
Maximal  temperatur  en  *). 

')  Ks  lnssen  sicb  iiberbaupt  oine  gauze  Reihe  scboner  winter- 
lk'her  Folsuntersuchungen  denken,  z.  B.  auch  Eispressung  in  Spalten 
Wirkung  hangenden  und  boini  Tauen  losreissenden  Eiaes. 

Golegenboit  zur  Beobacbtung  ware  im  Sentisgasthause  event, 
der  meteorologiseben  Station  auf  der  Sentisspitze  gegeben.  Ich 
durfte  mir  den  Genuss  eines  solcben  Winters  nicht  gestatten. 


233 


§2. 

Die  Gliederung  der  Formation. 

Ware  unser  Untersuchungsgebiet  einheitlicher,  so 
konnten  wir  nun  sofort  nach  den  lokalen  Ursachen  forschen, 
welche  es  ermoglichen,  dass  bei  einem  und  demselben 
Klima,  derselben  Lage  und  Exposition,  chemisch  dem- 
selben Substrate,  sogar  derselben  Wandneigung,  eng  neben 
einander  und  von  einander  vollstandig  unabhangig  eine 
ganze  Anzahl  verschiedener  Spezies  gedeihen,  statt  nur 
einer  einzigen.  Bei  dem  doch  heterogenen  Charakter  des 
Gebietes  (423 — 2405  m  Meereshohe,  verschiedene  Expo- 
sition etc.)  ist  es  aber  moglich,  dass  auch  Wande  von 
genau  derselben  Beschaffenheit  infolge  irgend  einer,  sagen 
wir  einmal  klimatischen  Verschiedenheit,  so  verschiedene 
Bestande  tragen,  dass  sie  kaum  eine  gemeinschaftliche 
Spezies  aufzuweisen  haben.  Beispielsweise  iinden  sich 
bei  Bogarten  an  derselben  Wand,  bei  derselben  Schich- 
tung  hart  nebeneinander : 


bei  Nor dost-Exposition 
Carex  firma 
Silene  acaulis 
Heliosperma  quadrifidum 
Primula  auricula 
Salix  caprea 
Gypsophila  repens  (sehr  selten) 


bei  Sii dost-Exposition 
Potentilla  caulescens 
Globularia  cordifolia 
Carex  mucronata 
Atbamanta  hirsuta 
Erica  carnea 
Gypsophila  repens 
Sesleria  coerulea 
Carex  firma. 


Siehe  auch  Beleg  Nr.  7  und  8,  12,  16,  17  und  18, 
19  und  20,  23,  24  und  25,  26  und  27,  28  und  29. 

Die  Abhangigkeit  der  Pflanzen  vom  Klima  kann 
aber  in  so  vielen  Fallen  nur  durch  die  sogen.  „spezifische 
Konstitution  des  Protoplasmas",  d.  h.  gar  nicht  erklart 
werden,  dass  wir  trachten  miissen,  im  Folgenden  dieser 


234 


Unbekannten  aus  dem  Wege  zu  gehen.  Das  konnen  wir, 
indem  wir  versuchen,  alle  Bestande  nach  gewissen,  sich 
gegenseitig  mehr  oder  weniger  ausschliessenden  Typen  zu 
ordnen  —  nur  zu  dem  praktischen  Zwecke,  innerhalb 
Vergleichbarem  vergleichen  zu  konnen;  denn  eine  be- 
friedigende  Gliederung  der  Felsflora  durfte  erst  dann 
nioglich  sein,  wenn  wir  eine  viel  ausgedehntere  Kenntnis 
von  den  Wurzelorten  besitzen,  als  sie  diese  Arbeit  zu 
liefern  vermag. 

Man  wird  diese  Resignation  nicht  recht  verstehen, 
indem  man  denkt,  es  mochte  leicht  sein,  mit  dem  Wechsel 
eines  Faktors,  z.  B.  der  Exposition,  auch  den  dadurck 
bedingten  Wechsel  im  Bestand  festzustellen.  Aber  gerade 
das  ist  nicht  der  Fall.  Man  sehe  nur  das  eine  Beispiel: 
Als  iiberhaupt  in  ihrer  Variation  auf  die  Artenliste  ver- 
andernd  einwirkend  lernte  ich  folgende  Faktoren  kennen1): 

Klima 

speziell  Wind,  Frost  und  Hitze 

Exposition 

Lichtmenge 

Bewasserung 

Art  und  Starke  der  Abwitterung 

Hiiufigkeit  und  Form  der  Spalten 

Neigung 


Hohe 

Alter 

Nachbarschaft 

Dlingung 

Abatzung, 


tier  Wande 


l)  Selbstverstiiiullicli  soil  dainit  nicht  gesagt  sein,  class  auch 
die  Art  dor  Einwirkung  bekamit  ist.  —  Die  Belege  linden  sich 
im  11.  Teil. 


235 


denen  selbstverstandlich  noch  eine  unbestimmte  Zahl  noch 
nicht  bekannter  Faktoren  beizufugen  sind.  Befunde  an 
Ort  und  Stelle  haben  ergeben,  dass  eine  ganze  Anzahl 
dieser  Faktoren  bei  geringer  Intensitatsanderung  im  Stande 
sind,  die  Artenliste  einer  Wand  nicht  nur  in  direkter 
Wirkung,  sondern  auch  in  Gegenden  mit  diesbeztiglichem 
Ubergangsklima,  indirekt  zu  andern,  zum  Beispiel  durch 
Beglinstigung  oder  Verhutung  einer  langen  Schnee- 
bedeckung.     Als  solche  sind  zu  nennen: 

die  Neigung  dor  Wand 

die  Exposition 

die  Windwirkung 

die  Oberflachenbeschaffenheit  (glatt  oder  gestuft) 

alle  moglichen  sonstigen  Details,  welche  das  Ab- 
rutschen  des  Scbnees  verhindern  oder  befordern 
konnen  und  also  z.  B.  das  Auftreten  oder  Fehlen 
von  Bhod.  hirsutum,  Bespiilung,  Gemswege 
oder  Passagen  anderer  Tiere,  die  Bewachsung 
selbst, 

die  Nachbarschaft  (liegen  oberhalb  Lawinenabrutsch- 
gebiete  oder  nicht?  etc.). 

In  ahnlicher  Weise  kann  andernorts  eine  Anzahl  der 
ebon  genannten  Faktoren  indirekt  die  Flora  verandern 
durch  Beeinflussung  der  Feuch tigkeitsverhaltnisse, 
so  dass  wir  also  einerseits  auf  verse hiedene  Ein- 
wirkungen  hin  dieselbe  Reaktion  erhalten  konnen, 
andrerseits  auf  dieselbe  Einwirkung  hin  ver- 
se hied  eue  Reaktionen.  Daraus  diirften  sich  zur 
Geniige  die  Schwierigkeiten  erhellen,  die  des  Formations- 
okologen  harren. 

Solange  wir  nicht  die  Wurzelorte  einer  Anzahl  Spezies 
so  genau  kennen,  dass  wir  sie  als  Kriterien  bei  der  Be- 


236 


stimmung  von  Lokalverhaltnissen  verwenden  konnen,  sind 
wir  notwendigerweise  auf  oberflachliche  Eintei- 
lungen   angewiesen1).     So   gebe   ich   auch    das  Unten- 

*)  Als  Gegenstiick  zu  dieser  Yertrauenslosigkeit  erlaube  man 
mir  einen  andern  personlichen  Eindruck  anzufiihren.  So  unan- 
genehm  es  ist,  aus  grosstenteils  unerkliirten  Spezialfallen  All- 
gemeinheiten  abzuleiten  (Bestandestypen,  Formationen),  um  so  er- 
freulicher  sind  wieder  andere  Krseheinungen.  Wenn  namlich  ein 
floristischor  Botaniker,  der  nicht  eine  Formation,  sondern  gleich 
Wiese.  Wald  und  Fold  und  Weinberg  und  Sumpf  und  See  be- 
handelt.  das  Vorkommen  einer  Spezies  z.  B.  als  sporadiscb  be- 
zeichnet,  so  kann  ein  Formationsmonographe  in  zablreicben  Fallen 
sofort  sagon:  Xein,  nicht  sporadiscb  komiut  die  Spezies  vor,  sondern 
iiberall  unter  den  und  den  Yerhaltnissen,  und  der  sebr  berecbtigte 
Ausdruck  „sporadischu  erscbeint  ibm  oft  sinnlos;  wird  er  doch 
gerade  so  gebraucht.  als  bedeutote  er:  ?,Nur  an  einzelnen  aller 
miiglicben  Standorte."  Ein  derartig  sporadisches  Auftreten  darf 
man  aber  nur  fur  neu  ein wandernde  oder  lokal  aussterbende  Pflanzen 
voraussetzen.  in  alien  iibrigen  Fallen  bat  man  bei  scbeinbar  un- 
regelmiissiger  Verbreitung  einer  Spezies  nacb  den  entspreebenden 
,.sporadisch"  auftretenden  Koinplexen  von  Lebensbedingungen  zu 
suclien  und  man  wird  dabei  aucb,  sofern  man  sich  nur  auf  wenige 
Spezies  beschriinkt,  von  Erfolg  gekrunt.  .Nicht  dass  dieser  Erfolg 
sich  stets  in  einfach  auszudruekenden  Gesetzen  kundgibt  isoweit 
glaube  ich  in  dieser  Arbeit  nur  bei  Sedum  album,  Androsace  hel- 
vetica und  Erinus  alpinus  gelaugt  zu  sein);  in  den  meisten  Fallen 
besteht  er  einzig  darin,  dass  man  koine  Lokalitiiten  mebr  findet, 
an  denen  einem  das  Auftreten  oder  umgekehrt  das  Feblen  der 
betr.  Spezies  iiberraschten.  Ich  weiss,  der  "NYissenschaft  ist  mit 
solch  vagen  Eindriicken  nicht  gedient.  Die  Tatsache  aber,  dass 
eine  sowoit  gehende  Vertrautheit  und  Sicherbeit  auftreten  kann. 
dass  sich,  sagen  wir,  nicht  in  "Worte  kleidbare  Begriffe  bilden 
konnen,  erscbeint  mir  immerhin  mitteilenswert.  Sie  zeigt  ineiner 
Ansicht  nacb,  dass  bier  ein  iiberaus  dankbares  Arbeitsfeld  gegeben 
ist,  wiihrend  andrerseits  die  vitiligo  Unsicherheit.  die  sich  bei 
jedein  Versuche.  ..Formationen''4  oder  ..Bestandestypen"  zu  schaffen. 
einstellte.  mir  dnrauf  hinzudeuten  seheint,  dass  Vergesell- 
scliaftung  bei  der  Felsflora  iiberhaupt  nicht  die  Roll* 
s  p  i  e  1 1 .  w  i  v  a  n  d  e  r  w  a  r  t  s ,  was  auch  aus  der  Isolierung  der 
einzelnen  Spezies  leicht  zu  verstehen  wiire. 


237 


stehende  nicht  seines  Wertes  halber,  sondern  nur  darum, 
weil  es  wegen  des  Folgenden  nicht  iibergangen  werden 
kann  *). 

Wir  unterscheiden    zunachst   zwei  Bestandtypen. 


1.  Bestandestypus. 
Die  Felsflurbestande  der 
Sudabhange  bis  ca.  2100  m 
und  der  trockenen  Nord- 
abhange  2)  bis  zu  ca.  1500  m 
Meereshohe,  d.  h.  die  Be- 
stande mit  Glob  ul  aria 
cordifolia. 


2.  Bestandestypus. 
Die  Felsflurbestande  der 
zeitweise  stark  bewasserten 
Nordabhange  und  ahnlich 
beschaffenen  Slidwande  von 
ca.  2000  m  an  aufwarts,  d.  h. 
die  Bestande  mit  Car  ex 
firma. 


1.  Bestandtypus:  Die  Bestande  mit  Globularia 
cordifolia. 

Ungefahr    die    Verbreitung    der    Globularia 
zcigen  in  unserem  Gebiete  nachfolgende  Spezies: 
Potentilla  caulescens 
Kernera  saxatilis 
Erica  carnea. 

Nur  in  Sudexposition  finden  sich: 

Sedum  album 


Laserpitium  siler 
Carex  liuinilis 
Carex  niucronata 
Teucrium  chamiedrys 
Veronica  fruticulosa 
Rhamnus  pumila? 
Sempervivum  tectorurn 


Sedum  dasyphyllum 
Erinus  alpinus 
Leontodon  incanus 
Gymnadenia  odoratissima 
Euphorbia  cyparissias 
Thymus  serpyllum. 


')  Selbstverstiindlich  werden  auch  nur  die  hiiutigeren  Spezies 
beriicksichtigt  werden  konnen,  unisomehr,  als  ausschliesslich  eigene 
Beobachtungen  zur  Yerarbeitung  ge  Ian  gen. 

2)  Wir  unterscheiden  nur  Siid-  und  Nordexposition,  weil  bei 
dem  Kettencbarakter  der  Curtirsten  und  des  Sentis,  Ost-  und 
West-exposition  kaum  in  Betracht  koinmen. 


238 


In    Slid-    und    Nordexposition,    die    nordliche 

Hohengrenze  (1600  m)   aber  um  ein  Bedeutendes  uber- 

schreitend,    dafur   ineist  dem  nordlichen   Walenseeufer  ri 

fehlend : 

Primula  auricula 

Athamanta  liirsuta 

Gypsophila  repens 

Saxifraga  aizoon 

Sesleria  c<erulea  (hiiufig  am  Walensee). 

Das    nordliche   Walenseeufer   zeichnet    sich   aus 

durch  das  Auftreten  von 

Coronilla  emorus 

Asplenium  fontanum  im  Schatten 

Satureia  calamintha  var.  nepetoides 

Galium  ruhrum 

Galium  mollugo  var.  Gerardi 

Pruuus  mabaleb 

und  das  Fehlen  von 

Athamanta  liirsuta  Saxifraga  aizoon 

Primula  auricula  llhamnus  puinila 

Thymus  serpylium  Gypsophila  repens. 

Am  Steilabsturz  dcr  Curfirsten  sind  die  Hohengrenzen 
im  Vergleich  mit  den  Siidexpositionen  des  Sentis  bedeutend 
nach  oben  verschoben.  Die  tonangebende  Spezies  der 
Gipfelwiinde :  Carex  mucronata,  fand  ich  dort  erst  von 
1350  m  (Achselkamm)  an  aufwarts,  wahrend  sie  im  Sentis- 
gebiet  bei  dor  "Wasserauen  (ca.  £*50  m)  noch  in  Menge 
auftritt.  Ferner  geht  die  in  den  untern  Regionen  C.  mu- 
cronata ersetzende  C.  humilis  bis  an  die  2000  m  hocli 
liegenden  Gipfelwiinde  der  Curfirsten,  wahrend  sie  am 
Sentis  in  dieser  Hohe  nirgends  mehr  zu  treffen  ist. 


l)  d.  h.  den  in  den  See  eintauchenden  Wandkomplexen,  ohne 
Rucksicht  auf  ihre  Hohe,  wohei  allerdings  600  Meter  u.  M.  nicht 
uberschritten  werden. 


239 


2.  Die  Bestande  mit  Carex  firma1). 

Sie   umfassen,   nach   Ausschluss  der   vermutlicli   der 
Ichneefleckflora  zuzuzahlenden  Spezies,  folgende  Arten: 


Carex  firm  a 
Silene  excapa 
Alsino  sedoides 
Carex  sempervirens 
Carex  ferruginea 
Salix  retusa 
Drvas  octopetala 
Saxifraga  moschata 
Alsine  verna 
Petrocallis  pyrenaica 
Sedum  atratum 


Festuca  puinila 
Erigeron  uniflorus 
Saxifraga  ctesia 
Arabis  hirsuta 
Draba  tomentosa 
Saxifraga  oppositifolia 
Heliosperma  quadrifidum 
Poa  alpina 
Saxifraga  androsacea 
Valeriana  saxatilis 


3rner  die  schon  bei  den  vorhergehenden  Bestanden  ge- 

aiinten 

Saxifraga  aizoon 
Sesleria  cuerulea 
Primula  auricula 
Athamanta  hirsuta. 

Diesen  zwei  Hauptgruppen  sind  noch  mindestens  zwei 
ndere  untermengt : 

3.  Die  Bestande  der  Androsace  helvetica 

lit  der  einzigen  Spezies  Androsace  helvetica  2)  (vide  II.  Teil 
\1.  Kap.). 


!)  Trotz  vieler  Notizen  ist  es  mir  nicht  moglicb,  diese  Liste 
iher  zu  gliedern,  obwohl  es  fur  inich  feststeht,  dass  sie  einer 
inzen  Reibo  von  okologischen  Untergruppen  entspricht.  Die 
estiinde  finden  sich  eben  in  der  kompliziert  gebauten  Gipfel- 
?gion,  die  leider  zu  wenig  hoch  liegt  und  noch  zu  viele  Ele- 
ento  tieferer  Region  en  als  Einsprengsel  enthalt,  urn  ein  Aus- 
lingen  der  Flora  nach  bestimmten  Gesetzen  erkennen  zu  lassen. 

*)  Vielleicht  auch  die  wegen  ihrer  Kleinheit  leicht  zu  iiber- 
dieude  Draba  tomentosa. 


240 


4.  Die  Schneeschutzlinge  (vide  II.  Teil). 

Erin  us  alpinus  (nur  in  Siidexposition) 
Alcheniilla  Hoppeana 
Arab  is  alpina 
Rhododendron  hirsutum? 


241 


Zweiter,  autokologischer  Teil. 
fiber  die  Wurzelorte  und  Sonderanpassungen. 

Endlich  nach  all  den  Ubersichten  liber  einen  noch 
nicht  zu  bewaltigenden  Stoff  zu  den  in  der  Einleitung 
definierten  Fragen  nach  den  Wurzelorten  und  Sonder- 
anpassungen! Nicht  mehr  rdie  Felsfiora"  wird  von  jetzt 
ab  Untersuchungsobjekt  sein,  sondern  diese  und  jene 
,,Felsenpflanzeu,  nicht  mehr  die  Besiedelungsmoglichkeit 
uberhaupt,  sondern  Zahl  unci  Art  der  Besiedler.  —  „Wieso 
kommt  es,  dass  eine  Felswand  von  vielen  Spezies  bewohnt 
wird,  statt  nur  von  eineru,  werden  wir  uns  fragen.  Muss 
dem  nicht  notwendigerweise  eine  Vielheit  in  den  Lebens- 
bedingungen  zu  Grunde  liegen  und  eine  entsprechende 
Vielheit  im  Bau  der  Felsenpflanzen?  Oder,  um  die  neuen 
Termini  zu  gebrauchen:  Sind  wir  nicht  gezwungen,  uns 
die  okologischen  Bedingungen  eines  von  vielen  Spezies 
besiedelten  Standortes  zerlegt  zu  denken :  erstens  in  eine 
durch  Klima  und  Substrat  gegebene,  an  jeder  Stelle  des 
Standortes  wirkende  Gruppe  von  Faktoren,  und  zweitens 
in  eine  Summe  von  Eigenschaftskomplexen  ebenso  vieler 
r  Wurzelorte  u  l)  als  Spezies  vorhanden  sind.  Und  haben 
wir  uns  nicht  demgcmass  die  Anpassungserscheinungen 
der  Besiedler  kombiniert  zu  denken  aus  den  allgemeinen 

*)  In  der  Einleitiinjj  wurdo  definiert:  Wurzelorte  sind  sole-he, 
durch  irgendwelche  ^eineinsamen  Merkmale  besonders  charakte- 
risierten  Stellen  des  Felsens,  die  ineist  nur  von  einer  und  der- 
selbcn  Spezies  besiedelt  werden. 


242 


Anpassungen  an  Klima  und  Substrat  und  den  ^Sonder- 
anpassungen"  an  die  Wurzelorte?  —  Angesichts  eines 
konkreten  Beispiels  an  irgend  einer  Felswand  lauten  die- 
selben  Fragen :  Warum  konnte  diese  Spezies  gerade  hier 
gedeihen,  wo  sie  stent,  und  nicht  dort,  wo  ihr  Nachbar 
so  iippig  bluht?  1st  das  Zufall,  oder  wusste  jener  die 
Verhaltnisse  dort  besser  auszumitzen,  aus  denen  diese 
keinen  Vorteil  zu  ziehen  verstand?  Und  umgekehrt  hier? 
Und  welches  sind  denn  diese  verschiedenen  Verhaltnisse, 
und  welches  die  Einrichtungen,  die  ihre  Ausniitzung  er- 
moglichen  ? l)  Und  wenn  es  sich  auch  herausstellen  sollte. 
dass  umfassende,  exakte  Antworten  noch  fur  keine  einzige 
Spezies  moglich  sind,  so  konnen  doch  Teilantworten  ge- 
geben  werden,  und  ist  man  nicht  im  Stande,  eine  Spezies 
in  alien  ihren  Vorkommnissen  zu  erforschen,  so  hat  doch 
jede  exakte  lokale  Beobachtung  allgemeinen  Wert;  denn 
das  ist  ja  das  Charakteristische  der  Spezies,  dass  sie  sich 
trotz  ihrer  Plastizitat  in  einer  Unsumme  von  Eigenschaften 
allerorts  gleichbleibt. 

I.  K  a  pit  el. 

Eine  Mahmvand  bci  Quinten  *). 

Als  ersten  Typus  wahle  ich  zur  Darstellung  die  Wande 
des    „Schrandenbcrgesu ,   die  gleich  ostlich  des  Ddrfchens 

*)  Sieho  die  Bemerkungon  liber  den  Konkurrenzkampf  (vide 
1.  Teil  II.  Kap.  SIB). 

Dass  eine  derartig  absolute  Abbangigkeit  der  Pflanzen  von 
ilirem  Milieu  vorausgesetzt  werden  muss,  scbeint  mir  z.  B.  aus 
den  Arbeiten  liber  die  Bodenstetigkeit  von  Acbillea  moscbata  und 
atrata  liervorzugehen,  von  welclien  Pflanzen  jede  ftix  sich  boden* 
vag  auftritt.  In  den  Gebieten  aber,  wo  sie  sich  gemeinsam  finden, 
sondern  sie  sicb  nach  den  verschiedenen  Boden. 

*)  Die  Disposition  im  zweiten  Teile  ergab  sich  aus  der 


243 


Quinten  aus  dem  Wasserspiegel  des  Walensees  auftauchen 
und  sowohl  per  Schiff  kontrollierbar  sind,  als  auch  an 
den  verschiedensten  Stellen  leicht  erklettert  werden  konnen. 
Die  Neigung  betragt  60 — 80°,  die  Exposition  ist  genau 
siidlich,  die  Schichten  einfallend,  bankig,  kein  Wasser 
fuhrend,  die  Abwitterung  ineist  plattig  bis  brockig. 

Ich  habe  die  Vegetation  einiger  (gleich  westlicb  voni  siidlichsten 
Vorsprung)  bei  niederem  Wasserstand  leicht  zuganglicber  Stellen 
vollstandig  aufgenommen.  Auf  der  westlicbsten,  durch  Furchen 
natiirlich  begrenzten.  ca.  25  in*  umfassenden  Partie  mit  ca.  67° 
Neigung  finden  sicli  in  ve  rein  z  el  ten  Stricken: 

Potentilla  caulescens      .     .     in  11  Exemplaren 
Globularia  cordifolia  .     .     .      .,      8  „ 

Sesleria  ctprulea     .     .     .     .      „      G  „ 

Leontodon  incanus      .....     4  ., 

Galien l) 4  „ 

Sedum  album ,.     3 

Aster  alpinus 1  ,, 

Hieracium  nitirorumV      .     .      .,      1  (od.  2)  „ 
sodann  Rasenflecken  mit  einer  durebsobnittlicben  Grosse  von 
2—3  grossen  Handen  und  folgender  Zusammensetzung: 

Sesleria  ccerulea  -f-  Laserpitium  siler 2 

,.        -[-  •»  «     +  Potentilla  caulescens .     2 


Notwendigkeit  innerhalb  vergleichbaren  Spezies  zu  vergleichen, 
d.  b.  die  Verhaltnisse  jeder  Hobenregion,  deren  icb  gemass  der 
Individualitat  der  "YVande  am  Siidabhange  der  Curtirsten  drei  unter- 
scbeide,  besonders  zu  bebandeln.  Die  „\Vande  bei  Quinten"  fallen 
als  untere  Region  in  das  Gebiet  des  Weinstockes,  die  mittlere 
Region,  also  vornebmlicb  die  Malmwiinde  unter  Tscbingeln,  er- 
reicht  ungefabr  die  Baumgronze,  die  obere  Region  umfasst  die 
iiber  1800  m  liegenden  Felsen,  vornehmlicb  die  Gipfelwande  der 
Curfirsten.  Im  Sentisgebiet  verliert  diese  Einteilung  ibren  Wert 
(namentlicb  wegen  des  tiefen  Hinabsteigens  der  Felsenpflanzen 
in  Nordex position). 

l)  Es  war  mir  nicbt  moglicb,  bei  dieser  Jabreszeit  die  Galien 
auf  die  Entfernung  auseinander  zu  balten  ;  unter  Galium  kann  in 
diesem  Teile  daher  stets  gemeint  sein :  G.  mollugo  L.  oder  G. 
mollugo  var.  Gerardi  Briq.  =  G.  lucidum  auct.  (non  All.),  oder 
G.  rubrum  L. 


244 


Sesleria  coerulea  +  Laserpitium  siler  -f-  Vincetoxicum  officinale  1 

,,  ,,        -|-  Galium  -f*  Sedum  album 1 

„         -+•  Teucrium  cbamwdrys 1 

Laserpitium  siler  -f-  Coronilla  emerus 1 

ferner  ein  grosserer  Komplex  bestehend  aus:  Sesleria,  Broinus 
erectus,  Festuca  ovina.  Polygonatum  officinale,  Cotoneaster  vul- 
garis und  Sedum  album-Einfassung. 

Dabei  ist  ein  deutlicber  Unterschied  zwischen  dem  oberm 
schwach  plattig  abwitternden  Teil  und  dem  untern  mit  niehr. 
namentlicb  senkrecbt  verlaufenden  Rissen,  indem  von  vorigerListe 
auf  den  obern  Teil  allein  fallen : 

6  kraftige  Potentilla  caulescens, 
4  Seslerien, 

4.  d.  h.  alle  Leonton  incanus,  und  nur 
1  Globularia. 
Eine  ostlicb  davon  gelegene  Partie,  von  voriger   durch  eine 
starke  Spalte  mit  0  a  lien,  Laserpitium  siler,  Coronilla  emerus  und 
Sesleria  getrennt,    weist   in    den    rnassigen   obern   Teilen   auf  (auf 
ca.  20  m2): 

9  Potentillen 
5  Seslerien  und 

4  Glubularien,  aber  keinen  Leontodon; 
in  dem  mit  starkeren  Spalten  verselienen  unteren  Teile  an  Einzel- 
exemplaren  (auf  ca.  20  in1): 

30  Sesleria  c<erulea 
4  Potentilla  caulescens 
4  Globularia  cordifolia 
4  Sedum  album 
4  Aster  alpinus 
3  Centaurea  scabiosa 
3  Galien 

2  Laserpitium  siler 
2  Bron nis  erectus 
1  Ligust ru in  vulgare 

1  Sedum  dasyphyllura 

2  unkenntliche  Prlanzen, 

sodann  einen  ca.  1 — i>  handgrossen  Kasen  folgender  Zusammen- 

setzung: 

Laserpitium  siler  -\-  Sesleria  -p  Teucrium  montanum  ....  1 
.,  .,     -j-  .Juniperus  comm.  -j-  Hippocrepis  comosa    1 

,.  ,,      -f-  Fraxinus  -\-  Hippocrepis  comosa  ....    1 


246 


Xiaserpitium  siler  +  Cotoneaster  vulg.?  -f-  Stachys  recta     .    .     1 

Sesleria  -f-  Geranium  sanguineuin 1 

Centaurca  scabiosa  -)-  Bronius  erectus  +  Cotoneaster  tomentosa     1 

Oleich  daneben  (direkt  iiber  dem  Vorsprung)  wird  die  Wand 
im  Gegensatz  zu  vorigen  glatten  Stellen  ausgesprochen  gestuft. 
Auf  den  Treppenabsiitzen  finden  sich  Sesleria-Rasen  mit  Teucrium 
montanum,  Aster  alpinus,  Bromus  erectus,  Centaurea  scabiosa, 
Polygonaturn  officinale,  Luscrpitium  siler,  1  Hieracium  und  Sem- 
pervivum  tectorum ;  die  Wandpartien  sind  aber  ausschliesslich  mit 
Globularia  cordifolia  tapeziert. 

Und  eben falls  gleich  daneben  ist  eine  ca.  16  m1  grosse  kom- 
pakte  Partie  von  ca.  80°  Neigung  ohne  Stufen,  deren  Flora  aus 
12  Potentilla  caulescens 
1  Galium  und 
1  Hieracium 
besteht. 

Schon  diese  wenigen  Angaben  erweisen  zur  Genuge, 
dass  sich  die  Felsenpflanzen  wieder  nach  speziellen  Ge- 
sichtspunkten  anordnen.  Diese  aufzufinden,  wird  also 
unsere  Aufgabe  sein,  wobei  selbstverstandlich  nicht  nur 
das  vorstehende  Material  zur  Verwendung  kommt,  sondern 
alle  Beobachtungen,  die  an  irgendwie  ahnlichen  Wanden 
angestellt  worden  sind. 

Es  liegt  nahe,  die  Griinde  dieser  DiflPerenzierung  zu- 
nachst  in  den  Aasstrenvorrichtungen  unci  der  Beschaffenheit 
der  Somen  zu  suchen,  indem  man  erwartet,  dass  da,  wo 
sich  die  meisten  Exemplare  einer  Spezies  finden,  eben 
die  betreffenden  Samen  den  besten  Grund  zur  Keimung 
gefunden  hatten.  Eine  solche  Annahme  ist  aber  nicht 
haltbar,  die  Keimpflanzen  der  Felsenpflanzen  wenigstens 
sind  ausgesprochene  Ubiquisten  und  der  Fall,  dass  sich 
an  den  ungeeignetsten  Standorten  alle  raoglichen  jungen 
Pflanzchen  im  bunten  Durcheinander  drangen,  ist  so  haufig, 
dass  wir  im  folgenden  geradezu  von  der  Voraussetzung  aus- 
gehen  konnen,  jede  Stelle  des  Felsens  hatte  ursprlinglich 


246 


alien  Samen  Gelegenheit  zur  Keimung  geboten,  und  die 
jetzt  zu  beobachtende  Sonderung  nach  Wurzelorten  sei 
das  Resultat  eines  bestandigen  Ringens,  aus  welchem 
die  in  ihrer  ganzen  Lebensfuhrung  an  die  betreffende 
Stelle  bestangepasste  Pflanze  als  Siegerin  hervorgegangen. 
Dass  wir  sogar  von  einer  solchen  Voraussetzung  ausgehen 
mussen,  beweisen  die  Falle,  in  denen  z.  B.  eine  Wand 
ganz  mit  Liguster-  oder  Laserpitium  siler  -  Keimlingen 
ubersat  ist,  obwohl,  wie  aus  den  wenigen  erwachsenen 
Exemplaren  und  der  Beschaffenheit  des  Standortes  fiber- 
haupt  zu  schliessen  ist,  die  betreffende  Wand  keineswegs 
zur  Weiterentwicklung  der  Neuankommlinge  geeignet  ist1'. 
Welches  ist  also  dieses  Ringen,  wie  und  wogegen 
wircl  gekampft,  und  warum  kann  sich  hier  diese  und  dort 
jene  andere  Pflanze  behaupten?  —  Durchgehen  wir  der 
Reihe  nach  die  Haupttypen  unserer  Florula. 


M  Dass  die  Art  der  Versa inung  gar  keinen  Einrluss  auf  die 
spateren  Wurzelorte  hat.  inochte  ich  naturlich  auch  nicht  gesagt 
haben.  In  einern  ganz  feuchten,  schattigen  Couloir  einer  Wand 
mit  Laserpitium  siler  findet  sich  letztere  eng  gepaart  mit  Belli- 
diastrum  Michel ii.  das  in  dieser  Region  ausgesprochen  feucbtigkeits- 
liebend  ist,  ein  Umstand,  der  deutlich  den  Einfluss  einer  erhohten 
Anzahl  von  Keimlitigen  zeigt.  Und  wenn  Drude  sagt:  rCberall 
bietet  sich"  (niirnlich  t'iir  die  offenen  Formationen  des  trockenen 
Sandes  und  Felsengesteins)  ..Anschluss  und  tjbergang  in  Gras- 
steppen  und  trockene  Bergvviesen  oder  in  lichte  Hugelgebiische 
und  Haine,  obwohl  die  gesamte,  von  den  trockenen  Sand-  und 
Felsgeiollstrecken  eingenommene  Flache  eine  bedeutende  in  DeutscL- 
land  ist  und  im  HugelLande  durch  die  Menge  ihrer  botanischen 
Seltenheiten  hervorragt",  so  deutet  das  auch  auf  die  Macht  der 
grossen  Samenmenge  hin.  Andrerseits  aber  findet  sich  gleich 
neben  obiger  Stelle  (Drude  I,  pag.  371)  Giinther  Becks  Nachweis 
des  auch  in  unserm  Gebiet  zu  beobachtenden  Tiefhinab-  und  Hocb- 
hinaufsteigens  der  Felsenprlanzen  erwahnt,  eine  Tatsache,  die  mir 
wieder  umgekehrt  den  Sieg  des  bestangepassten,  selbst  bei  enormer 
Sameniibermacht  aufs  deutlichste  zu  demonstrieren  scheint. 


247 


Potentilla  caulescens. 

Von  dem  Habitus  einer  auslauferlosen  Erdbeere,  zeigt 
bentilla  caulescens  so  gut  wie  keine  xerophytischen  Merk- 
le.  Auf  Blattquerschnitten  erscheinen  die  Spaltoffnungen 
le  jeden  besondern  Schutz  in  einer  Flucht  mit  den 
rischen,  ca.  Vfa — 3  [i  grossen  Epidermiszellen.  Die 
ssenwande  der  letzteren  sind  kaum  verdickt,  etwa  0,2  jx 
Durchmesser,  d.  h.  nur  etwa  doppelt  so  dick  wie  die 
lwande  des  Blattinnern.  Weder  die  zweischichtigen 
lissaden,  noch  das  Schwammparenchym,  noch  die  zirka 
limetergrossen,  einzelligen,  englumigen,  sparlichenHaare 
i  den  auf  mehrzelligen  Stielen  sitzenden  Drtisen,  noch 
>rhaupt  irgend  ein  oberirdischer  Teil  der  Pflanze  lassen 
e  ausgesprochene  Schutzeinrichtung  gegen  Austrock- 
lg  erkennen.  Dennoch  erweist  sich  Potentilla  als  aus- 
;eichnet  an  ihre  Verhaltnisse  angepasst,  erstens  durch 
3  Bewurzelung,  zweitens  durch  ihre  Lebenszahigkeit 
Jugendalter. 

Leider  fehlt  mir  trotz  vieler  Bemuhungen  das  Material, 
zahlenmassig  die  Superioritat  Hirer  Wurzeln  uber  die 
)r  Genossen  feststellen  zu  konnen.  Doch  kann  viel- 
ht  schon  die  Beschreibung  einen  Begriff  davon  geben, 
bei  sich  auch  ergeben  wird,  weshalb  Zahlen  fehlen. 
An  irgend  einer  Stelle  senkt  sich  die  */* — 1  cm  dicke 
mdachse  in  eine  kaum  millimeterbreite  Spalte  ein,  die 
inderform  fast  unvermittelt  mit  der  Band  form  ver- 
schend.  Meist  erfolgt  eine  reiche  Verzweigung  dieser 
lptwurzel  schon  einige  Centimeter  unter  der  Ober- 
he.  Wie  bei  andern  Felsenpflanzen,  z.  B.  Sesleria 
ulea  und  Globularia,  entsteht  dabei  aus  all  den  in  einer 
me  verlaufenden  Fasern  ein  dichtes,  stoffartiges  Ge- 
>e  von  zirka  Taschentuchgrosse.    Abweichend  in  ihrem 


248 


Verhalten  ist  aber  die  F&higkeit  der  Potentillenwurzel, 
selbst  in  unmessbar  feine  Spriinge  des  Felsens  einzu- 
dringen  und  sich  darin  reichlich  zu  verzweigen.  Ich 
mochte  die  Feinheit  dieser  Spriinge  mit  denen  eines  ge- 
sprungenen  Glases  vergleichen.  Und  das  besagte  Wurzel- 
tuch  braucht  keineswegs  der  Hauptbestandteil  des  Wurzel- 
systems  zu  sein,  indern  in  jede  in  die  Hauptspalte  ein- 
miindende,  der  Oberflache  meist  parallel  verlaufende 
Verwitterungsspalte  Wurzelaste  abgegeben  werden.  So 
entstehen  zahlreiche,  durch  millimeter-  bis  mehrere  dezi- 
meterbreite  Steinlamellen  getrennte  Wurzelnetze,  von  ins- 
gesamt  mehreren  (meist  iiber  zehn)  Quadratdezimeter  Flache. 
Die  feinsten  der  durchsetzten  Spriinge  erscheinen  makro- 
skopisch  vollig  detritusleer,  wahrend  die  Spalten,  in  denen 
sich  die  Wurzeln  zu  ganzen  ,,Wurzeltuchernu  ver- 
weben,  Detritus  von  irgendwelcher  Provenienz  enthalten. 
Die  feinen  Spalten  erweisen  sich  aber  stets  als  feucht. 
Unter  dem  Mikrosko]>e  sieht  man  auch,  dass  der  sie  be- 
grenzende  Fels  oberflachlich  voll  Kalkschtilferchen  ist 
und  nur  die  Orte,  die  von  Wurzelchen  bestrichen  wurden, 
erscheinen  als  reingefegte  Wege,  wie  Regenwurmspuren 
im  leichten  Strassenstaub.  Es  ist  also  nicht  unwahr- 
scheinlich,  dass  Anatzung  des  Felsens  mit  im  Spiele 
ist.  —  In  andern  Fallen  kann  aber  mehrere  Dezimeter 
weit  die  Abgabe  von  Nebenasten  geringfugig  sein  gegen- 
iiber  einer  dreidimensionalen  Verastelung  des  starksten 
Wurzelzuges  in  irgend  einem  humusgefiillten  Hohlraume 1). 

!)  Das  AVurzelsystem  einer  Potentilla  von  einem  typischen 
Standort  unverlotzt  herauszupriiparieren  und  zu  messen,  gebdrte 
keineswe^s  zu  den  meohanischen  Unmoglichkeiten.  Nur  bedurfte 
es  dazu  fiir  eine  Ptfanze  allein  eine  bis  mehrere  Wochen  langer. 
aufreibender  Strinhauerarbeit,  da  nur  mit  sehr  feinen  Meisseln 
Briiche   und   Verluste    vermieden    werden  konnten.     Mit   meinen 


249 


Sobald  eine  Wurzel  aus  einer  Spalte,  in  der  sie  zu  einem 
papierdiinnen  Streifchen  zusammengedriickt  war,  in  eine 
breitere  Spalte  eintritt,  nimmt  sie  wieder  Zylinderform 
an.     Wurzelhaare  beobachtete  ich  nur  wenige. 

Dazu  gesellt  sich  noch  2.  die  Fahigkeit,  itn  Juge?id- 
zustand  mit  einem  Minimum  von  Niihrmaterial  lange  Zeit 
das  Leben  zu  fristen.  Unter  ungunstigen  Verhaltnissen 
wachst  die  junge  Potentilla  uberhaupt  nicht,  sic  wird  im 
Gegenteil  stets  kleiner;  denn  so  oft  eines  ihrer  Blattchen 
mit  den  drei  kaum  l  a  mm2  grossen  Fiederchen  von  der 
Sonne  versengt  wird  und  stirbt,  bildet  sie  wieder  ein 
neues,  noch  kleineres.  Vor  mir  liegt  z.  B.  ein  beliebiges 
dieser  Exemplare  von  3  mm  Hohe  mit  zwei  griinen  Blfttt- 
chen  zu  je  drei,  nicht  einmal  V*  mm2  grossen  Fiederchen, 
einem  Knospchen  und  vier  verdorrten  Blattchen,  deren 
Fiederchen  je  ca.  1/«  mm2  gross  sein  mochten.  Das  Wiirzel- 
chen  misst  iiber  7  mm.  (Die  Spitze  ist  leider  abgebrochen.) 
—  Infolge  dieser  Eigenschaften  ist  es  wahrscheinlich,  dass 
die  Keimpflanze  von  Potentilla  caulescens  alien  ihron 
Nebenbuhlern  gegemiber  den  Vorteil  gewinnt,  weit  langere 
Zeit  hindurch  ein  Wachstum  der  Wurzeln  durch  unfrucht- 
bare  Spalten  hindurch  aushalten  zu  konnen,  und  dass 
keine  der  grossblattrigen  Keimpflanzen  durch  mehr  Re- 
servenahrung  und  schnelleres  Wachstum  das  ersetzen 
kann,  was  Potentilla  in  ihrer  Ausdauer  besitzt;  denn  das 
Durchsetzen  der  Kliifte  muss  langsam  und  bei  trockenem 
Wetter  geschehen,  wenn  es  Erfolg  haben  soil,  da  nur 
dann  die  Feuchtigkeitsdifterenzen  in  den  Spalten  so  liegen, 
dass  die  Wurzelchen  dahin  geleitet  werden,  wo  auch  zur 

schweren  Hammern  erhielt  icih  ))ei  inehrstiindigcM-  Arbeit  immer 
nur  hunderte  von  Einzi'Lstrcoken,  oh  no  sichero  Keuntnis  dessen, 
was  mir  noch  fehlto  odor  schon  verloren  gegangen  war. 


250 


Zeit  der  Diirre  Feuchtigkeit  vorhanden  ist,  eine  Behaup- 
tung,  die  allerdings  erst  dann  voile  Gultigkeit  enreicht, 
wenn  es  als  ausgeschlossen  erwiesen  ist,  dass  das  Wurzel- 
wachstum  von  Potentilla  erst  bei  einem  gewissen,  ziemlich 
hohen  Feuchtigkeitsgrad  statt  hat.  Grossere  Erstlings- 
blatter,  wie  sie  die  Nachbarn  der  Potentilla  (mit  Aus- 
nahme  von  Sedum)  besitzen,  waren  also  nicht  nur  wegen 
der  erhohten  Austrocknungsgefahr  nachteilig,  sondern 
namentlich  darum,  weil  sie  bei  feuchtem  Wetter  ein  im 
Vergleich  zu  Potentilla  beschleunigtes  Wurzelwachstura 
zur  Folge  hatten. 

Zieht  man  in  Betracht,  dass  Potentilla  stets  den 
Schatten  flieht,  so  kann  man,  sofern  das  oben  Gesagte 
richtig  ist,  rein  deduktiv  die  Orte  angeben,  wo  Potentilla 
moglich  ist  und  wo  nicht.  Fehlen  muss  sie  danach: 
erstens  ihres  gedrungenen  Wuchses  wegen  iiberall  da,  wo 
die  Gefahr  der  Uberschattung  vorhanden,  d.  h.  auf  offenen, 
breiten  Spalten  mit  viel  Humus,  da  dort  eine  Menge  an- 
spruchsvoller  Kurzwurzler  mit  hohem  Stengel  gedeihen 
konnen;  zvveitens,  ihrer  wenig  vor  Austrocknung  ge- 
schiitzten  oberirdischen  Organe  wegen  —  an  alien  stark 
rissigen  Wanden,  wo  die  innere  Feuchtigkeit  des  Felsens, 
statt  in  einzelnen  wenigen  Spalten  an  die  Oberflache  ge- 
leitet  zu  werden,  schon  lange  vorher  iiberall  hin  verteilt 
wird  und  verdunstet.  Entwickeln  aber  kann  sie  sich 
iiberall  da,  wo  wenige,  schmale  und  armlich  mit  Humus 
ausgestattete  oberflachliche  Risse  in  Verbindung  stehen 
mit  ausgedehnten  innern  Fugen  und  Hohlralimen,  da  nur 
in  diesem  Falle  sie  allein  dieselben  erreichen  kann.  — 
lhreWurzelorte  sind  denn  auch  tatsachlich  so  beschaffene 
Verwerfungsspalten,  Schichtfugen  und  Ritzen 
kompakter   Wande.      Oft   sitzen   iippige   Stocke   einer 


261 


scheinbar  vollig  spaltenlosen  Wand  auf,  und  die  Unter- 
suchung  ergibt  dann  meistens,  dass  es  sich  um  eine  jener 
Stellen  handelt,  wo  durch  Verwitterung  eines  Pyritknollens 
ein  Zugang  zu  inneren  Spalten  hergestellt  worden  ist1). 
—  Ich  glaube,  dass  es  oft  gelingen  durfte,  nur  aus  der 
Betrachtung  eines  kleinen  Stiickes  Felsoberflache  auf  das 
Vorhandensein  oder  Fehlen  von  Potentilla  caulescens 
schliessen  zu  konnen.  Die  allermeisten  ihrer  Wurzelorte 
sind  namlich  dadurch  gekennzeichnet,  dass  sie  keine  der 
sonst  stets  vorhandenen  kleinen  Ritzen  aufweisen,  nicht 
etwa  nur  wegen  urspriinglichen  Fehlens  derselben,  denn 
Andeutungen  da  von  sind  genugend  vorhanden,  sondern 
hauptsachlich  wegen  nachtraglicher  Uberwachsung 
mit  Flechten  oder  Algen,  welche  den  Eindruck 
hervorbringen,  als  sei  das  fein  gemeisselte  Relief  der 
Felsoberflache  nachtraglich  mit  einem  dicken  grauen  Brei 
liberstrichen  worden.  Ob  diese  Erscheinung  und  das  Auf- 
treten  von  Potentilla  caulescens  in  ursachlichem  Zusammen: 
hange  stehen,  oder  ob  beides  Folgen  einer  dritten  Er- 
scheinung sind,  kann  ich  nicht  mit  Sicherheit  entscheiden. 
Kleine,  in  die  Flechten  eingestreuteKnSpfch en  und  Schulfer- 
chen  aus  Calcit  machen  es  wahrscheinlich,  dass  wir  es 
hier  mit  Stellen  zu  tun  haben,  aus  denen  die  Bergfeuchtig- 
keit  bis  an  die  Oberflache  geleitet  wird,  wo  sie  sowohl 
reichbewurzelte  Potentillen,  als  auch  eine  uppige  Flechten- 
oder  Algenvegetation  ermoglicht.  Letztere  ist  zwar  auch 
anderwarts  so  verbreitet,  dass  sie  der  ganzen  Felsenland- 
schaft  den  schonen  graublauen  Ton  verleiht  und  tatsach- 


l)  Das  Abweiden  vertriigt  Potentilla  caulescens  sehr  wohl, 
indeni  an  Stelle  der  abgefressenen  grossen  Blatter  kleine,  dicht 
dein  Boden  anscbmiegende  und  daher  fiir  das  Vieh  schwer  zu 
fassende  Blattchen  entstehen. 


252 


lich  jede  Stelle  des  Felsens  beim  Anschlagen  mit  dem 
Hammer  einen  griinen  Fleck  aufweist.  Nur  ist  ihre  Dicke 
allein  an  den  Potentilla  caulescens-Felsen  so  bedeutend, 
dass  sie  samtliche  Ritzen  zu  iiberbriicken  vermag. 

Diese  (durch  vorstehende  und  friihere  Bemerkungen 
skizzierten)  Wurzelorte  konnen  aber  einige,  nicht  wenig 
bedeutsame  Abanderungen  erleiden.  Erstens  einmal  tritt 
Potentilla  caulescens  auch  auf  stark  rissigem  Fels 
auf,  sofern  die  Spalten  senkrecht  zur  Oberflache  gerichtet 
sind,  und  also  die  innere  Feuchtigkeit  trotzdem  Gelegen- 
heit  findet,  bis  nahe  an  die  Oberflache  zu  gelangen.  (Beim 
gewohnlichen  Fall,  wo  die  Ablosung  parallel  zur  Ober- 
flache geschieht,  ist  dies,  wenn  der  Fels  stark  splittert, 
nicht  so  leicht  moglichj  —  Sodann  gibt  es  zahlreiche 
Spalten  an  den  Potentilla  caulescens- W&nden,  die  nicht 
bewohnt  sind,  wofur  bei  schonem  Wetter  kein  Grund 
ersichtlich  ist.  Einigen  Aufschluss  liefert  aber  anhaltendes 
Regen  wetter,  bei  welchem  dieselben,  jedenfalls  nur  fur  ganz 
kurze  Zeit  —  denn  es  fehlen  die  charakteristischen  „Tinten- 
striche"  lange  befeuchteter  Stellen,  —  viel  Wasser  von 
sich  geben,  also  ausgewaschen  werden  und  infolgedessen 
ihres  Humus  und  Detritus  verlustig  gehen  miissen.  — 
Yollends  mit  den  definierten  Wurzelenden  im  Wider- 
spruche  stehend  erscheint  das  im  I.  Teil  III.  Kap.  §  I  3  er- 
wahnte  Auftreten  von  Potentilla  caulescens  auf  isolierten, 
ca.  20  m3  grossen  Blocken.  Erstens  ist  aber,  wie  dort 
angegeben,  die  Wasserkapazitat  eines  solchen  Blockes 
eiiic^  ganz  betrachtliche,  und  zweitens  sind  die  beobachteten 
Blocke  ihrer  Lage  gemass  zur  Zeit  der  grossten  Aus- 
trocknungsgefahr  —  und  das  ist  nicht  der  Sommer,  sondern 
die  Frostzeit  —  durch  eine  Schneedecke  geschiitzt. 


263 


Laserpitium  siler. 

Laserpitium  siler  ist  in  der  Bewurzelung  Potentilla 
caulescens  fast  ebenburtig.  Es  unterscheidet  sich  aber  von 
ihr  durch  mehr  xerophytischen  Habitus:  Epidermis  0,5  ja 
statt  0,2  [a,  SpaltofFnungen  urn  ca.  0,6  |x  eingesenkt,  das 
Schwammparenchym  zwischen  zwei  einschichtigen  Palis- 
sadenschichten  eingeschlossen  (den  Abweichungen  von  der 
Horizontalstellung  und  vielleicht  der  Lichtreflexion  an  den 
Wanden  entsprechend)  —  und  weit  schnelleres  Wachs- 
tum  der  Keimpflanzen,  welche  bald  alle  Genossen  an 
Grosse  uberfliigeln. 

Daraus  erklart  sich  dessen  Beschrankung  auf  Spalten, 
in  denen  von  Anfang  an  geniigend  Nahrmaterial  vor- 
handen  ist.  Hier  herrscht  es  denn  auch,  abgesehen  von 
der  Konkurrenz  durch  Holzgewiichse,  beinahe  unum- 
schrankt.  Seine  Wnrzelorte  werden  aber  noch  durch  einen 
vveiteren  Punkt  bedingt.  Es  kommt  namlich  nirgends 
vor,  wo  eine  Ziege  hingelangen  kann.  Wohl  finden 
sich  im  Friihling,  so  lange  das  Vieh  noch  nicht  aus- 
getrieben  wird,  zahlreiche  grune  Schosslinge  gerade  an 
den  Lagerstellen,  aber  auch  keine  einzige  alte  Ptlanze. 
Solche  konnen  gleich  daneben  an  der  Wand  haufig  sein, 
aber  erst  in  der  Hohe,  wo  sie  kein  naschhaftes  Maul  mehr 
erreicht,  ein  Umstand,  der  zur  Genuge  beweist,  dass  es 
das  „Gefressenwerdenu  ist,  was  Laserpitium  siler  ver- 
drangt.  —  Diesbeztiglich  interessant  ist  sein  Auftreten 
auf  den  ^Ruggplanggen",  ob  Schrina-Hochrugg.  Das 
sind  seit  ca.  10  Jahren  meliorierte  Gerollhalden,  die  nicht 
mehr  beweidet  werden.  An  deren  Kopf,  am  Fusse  der 
Wande,  bildet  Laserpitium  siler  ausgedehnte  Bestande, 
also  ein  neuer  Hinweis  darauf,  dass  sein  Fehlen  an  ebenen 
Stellen  der  untern  Region  nur  der  Abatzung  zugeschrieben 


254 


werden  muss.  —  In  den  obern  Regionen  kommt  Laser- 
pitium  nicht  mehr  als  reine  Spaltenpflanze  vor,  sondern 
nur  im  Sesleria-  oder  Carex  humilis-Rasen.  —  Ferner  ist 
za  bemerken,  dass  Laserpitiuin  siler  auf  Neocom  und 
Gault  entsprechend  der  geringen  Spaltenbildung  be- 
deutend  zuriicktritt  oder  sogar  ganz  fehlt.  —  Auf  Wanden 
mit  viel  Schutt  an  Stelle  des  Humus  scheint  es  schon 
bei  Quinten  durch  Athamanta  hirsuta  ersetzt  zu  werden. 
Ich  dachte  daran,  den  Grund  hiefur  in  etwaiger  Myko- 
trophie  von  Laserpitium  zu  suchen,  im  Gegensatze  zu 
einer  Autotrophic  von  Athamanta,  fand  aber  vorlaufig 
trotz  gut  gefarbter  Schnitte  keine  Pilze. 

Globularia  cordifolia. 

„Wenn  sich  die  Stamme  der  herzblattrigen  Kugel- 
blume  iiber  den  Absturz  einer  Felswand,  auf  deren  flaeher 
Terrasse  sie  bisher  wagerecht  gelagert  hatten,  wachseud 
vorschieben,  so  hangen  sie  nicht  sofort  herab,  was  doch 
der  Fall  sein  miisste,  wenn  ausschliesslich  ihr  eigenes 
Gewicht  massgebend  ware  fiir  die  eingehaltene  Richtung, 
sondern  sie  kriimmen  sich  allmalig  bogenformig  um  den 
Rand  ihrer  Unterlage  und  bleiben  mit  ihren  steifen  Asten 
selbst  den  einschiissigen  Stellen  der  Felswand  dicht  an- 
geschmiegt.u  Diese  ^Stamme  entwickeln  alljabrlich  End- 
und  Seitentriebe,  welche  dem  Boden  parallel  verlaufen. 
Auch  die  aus  ihren  Knospen  hervorwachsenden  Triebe 
sind  wieder  dem  Boden  angepresst  und  wiederholen  iiber- 
haupt  die  Wachstumsweise  ihrer  Mutterst&mme.  Die  neuen 
Triebe  sind  stets  beblattert,  die  alteren  verlieren  dagegen 
die  Blatter,  sie  erhalten  sich  aber  noch  Jahre  hindurch 
lebenskraftig  und  dienen  der  Zuleitung  flussiger  Nahrung 
aus  dem  Boden u  (Kerner  I). 


265 


Durch  diese  teppichartige  Bekleidung  wird  eine  Art 
Reclien  gebildet,  der  samtlichen  vom  Fels  herabrieselnden 
Humus  und  Detritus  unter  dom  Windschutze  der 
Rosetten  aufspeichert.  Uberall  da,  wo  sich  derselbe  in 
grosserer  Menge  ansammelt,  also  namentlich  auf  kleinen 
Vorsprungen  und  sonstigen  Unebenheiten,  werden  Wurzeln 
in  ihn  getrieben,  was  um  so  bedeutungsvoller  ist,  als  ja, 
wie  wir  wissen  (vide  I.  Teil  I.  Kap.),  diese  Vorspriinge 
auch  stets  von  Spalten  begleitet  sind ;  denn  niclit  uberall 
f  allt  der  Detritus  so  reichlich,  dass  mit  seiner  Hulfe  allein 
das  Leben  gefristet  werden  konnte.  —  Das  aktive  An- 
schmiegen  an  den  Fels  ermoglicht  aber  auch  das  Ein- 
senken  von  Wurzeln  in  andere,  der  glatten  Wand  entlang 
laufende  Ritzen.  Finden  sich  derartige  Vorspriinge  und 
Ritzen  nur  einzeln,  d.  h.  durch  grosse,  glatto  Flachen  ge- 
trennt,  so  tragen  sie  meist  eine  recht  kummerliche  Flora, 
und  auch  Globularia  bleibt  an  solchen  Stellen  nur  ein 
Zerrbild  ihrer  Gattung,  einen  Stock  bildend,  der  vielleicht 
aus  zwei  nur  wenige,  kleine  Blatter  tragenden  Rosetten 
und  drei  bis  vier  toten,  vergebens  ausgesandten  Seiten- 
asten  besteht.  Sobald  aber  auf  stark  verwitterndem  Fels 
die  Ritzen  und  Vorspriinge,  von  denen  einer  allein  niclit 
eine  einzige  gut  entwickelte  Pflanze  ernahren  kann,  zu- 
sammenriicken,  wird  es  Globularia  ermoglicht,  eine  grosse 
Anzahl  davon  zugleich  auszuniitzen  unci  so  recht  eigent- 
lich  das  Prinzip  des  Grossbetriebes  vertretend,  gelingt  es 
ihr,  durch  uppiges  Wachstum  samtliche,  sowieso  schwach- 
lichen  Nebenbuhler  zu  iiberschatten  und   zu  verdrangen. 

Sie  ist  denn  auch  tatsachlich  uberall  da  zu  finden, 
wo  eine  nicht  iiberhangende  und  nicht  dach- 
ziegelig  abwitternde  Wand  in  starker  Ver- 
witterung   begriffen   ist   und   infolge   dessen  viele 


4 


266 


kleine  Spalten  und  Absatze  aufzuweisen  hat.  (Ausnahmen 
vide  II.  Teil  III.  Kap  )  Dass  sie  hier  uber  alles  andere 
siegen  muss,  geht  aus  dem  Gesagten  hervor ;  dass  sie  nor 
auf  solche  Orte  beschrankt  ist,  ergibt  sich  dadurch,  dass 
ihr  Wurzelwerk  einesteils  nicht  mit  dem  von  Potentilla 
caulescens  in  Konkurrenz  treten  kann;  denn  nie  beob- 
achtete  ich  bei  ihr  so  papierdunne  Wurzeln  wie  bei  Poten- 
tilla, und  das  Eindringen  in  so  feine  Spalten  wie  bei 
letzterer ;  ihre  Wurzelfasern  bleiben  stets  annahernd  zylin- 
drisch.  Andrerseits  hat  sie  auf  lukrativeren  Spalten  wie 
Potentilla  Uberschattung  zu  befurchten. 

Teucrium  chamaedrys  und  die  Galien1). 

Auch  fiir  diese  Glieder  unserer  Gesellschaft  sind  die 
Wurzelorte  der  zur  vollen  Entwicklung  gelangten  Exem- 
plare  deutlich  zu  erkennen  und  zwar  als  Spalten,  welche 
den  Humus  erst  in  der  Tiefe  bergen,  ca.  5—30  cm 
unter  der  Oberflache,  und  daher  an  der  Mtindung,  infolge 
Auswaschens  oder  Ausblasens,  wenn  auch  nur  spuren- 
weise   klaffend,    keine  Gelegenheit   zur  Keimung   bieten. 

Die  Erkllintncj  daiiir  ergibt  sich  aus  der  Fahigkeit 
aller  Spezies  dieser  Gruppe,  mit  den  vergeilten,  lang- 
g e s t r e c k t e n ,  untersten  Internodien(die  gelegent- 
lich  auch  wurzeln  i,  solche  unfruchtbare  Stellen  durch- 
setzen  zu  konnen.  Es  ist  auch  beach  tens  wert,  dass  sie 
zu  den  seltenen  Felsenpfianzen  gehoren,  denen  eine  grund- 
standige    Blattrosette    abgeht2).     Das  regelmassige  Auf- 

*.■  Siolie  AniiHH'kung  pag.  243. 

*•  Auf  solche  YiiWv  muss  wohl  folgende  Bemerkung  Scliimpers 
in  Anwendung  gobracht  "werdon :  ,,Die  Chasmophyten  sind,  im 
Gegensatze  zu  <U«n  Lithophyten.  langgestreckte  Gewacbse,  da  ihr 
Substr.'it  sich  oft  in  grosser  Entfernung  von  der  Mtindung  der 
Spake  und  hiormit  vorn  Lichte  befindet" ;  denn  allgemeiner  gefasst 
ist  sie  unrichtig. 


267 


treten  einer  solchen  bei  den  andern  Spaltenpflanzen  scheint 
geradezu  der  Gruud  zu  sein,  weshalb  ihnen  in  diesen 
Kliiften  keine  Konkurrenz  erwachst. 

Im  iibrigen  sind  ihre  Vorkommnisse  nicht  so  leicht 
mit  einem  Worte  abzutun,  da  sie  von  einem  Exemplare 
aus  die  allerverschiedensten  neu  entstandenen  Standorte 
besiedeln  konnen,  wo  dann  ihre  Schosse  den  konkur- 
rierenden  Keimpflanzen  gegenuber  den  Vorteil  einer  Unter- 
stiitzung  vom  Mutterexemplar  aus  geniessen,  so  dass 
man  iippige  Stocke  oft  an  Stellen  trifft,  wo  man  sie 
schwerlich  erwartet  hatte.  Ferner  ist  immer  zu  bedenken, 
dass  die  Verhaltnisse  bei  der  Beschickung  der  betreffenden 
S telle  ganz  andere  sein  konnten,  als  zur  Zeit  der  Be- 
obachtung.  Eine  scharfe  Scheidung  der  Wurzelorte  der 
beiden  Gattungen  kann  ich  nicht  geben. 

Die  Succiilcnten. 

Unsere  einheimischen  Succulenten  sind  bekanntlich 
im  Stande,  lange  Perioden  volliger  Trockenheit  ohne  Nach- 
teil  auszuhalten.  Nachdem  sie  drei  Wochen  lang  zur 
heissesten  Sommerszeit  schutzlos  und  ohne  Wurzeln  auf 
einem  Blatt  Papier  gelegen,  kann  man  sie  eines  schonen 
Tages  plotzlich  ihre  Bluten  entfalten  sehen.  Im  iibrigen 
bewohnen  die  verschiedenen  Spezies  keineswegs  dieselben 
Wurzelorte. 

a)  Sempervivum  tectorum. 

Wenn  sich  irgendwo  bei  Quinten  auf  einem  Felsband 
ein  Rasen  gebildet  hat,  so  findet  man  ihn  auch  fast  aus- 
nahmslos  gegen  den  Absturz  hin  von  einem  breiten,  senk- 
recht  stehenden  Bande  aus  dichtgedrangten  Sempervivum- 
Rosetten  eingesaumt.  Lange  Zeit  blieb  mir  dieses  Vor- 
kommen   unerklarlich,   umsomehr,  als  sich  die  wenigen 


268 


isolierten  Exemplare  meistens  ebenso  dichtrasig  auf  hori- 
zontaler  Flache    finden,    namentlich   auf   unzuganglichen 
Felspartien,  die  nicht  mehr  in  Zusammenhang  stehen  mit 
dem  Massiv,  hier  etwa  die  dicke  Wurzel  in  ein  grosseres, 
gehaltloses  Spaltensystem  senkend  —  bis  ich  eines  Tages 
die  Erscheinung  des  Absferbens  der  fruktifizierenden  Bosetten 
beobachtete.     Dieses  Faktum  scheint  mir  die  Erklarung 
zu  liefern;   denn  von  nun  an  stimmten  Theorie  und  Be- 
obachtung  trefflich  uberein.    Der  Platz  einer  solchen  ver- 
westen  Rosette  kann  infolge  ihres  langsamen  Wachstums 
nicht    so    schnell   von    Sempervivum   selbst   wieder   aus- 
gefiillt  werden  wie  von  andern  Pflanzen.    Ein  bisher  un- 
gefahrliches    benachbartes    Teucrium    chamaedrys    findet 
jetzt  auf  einmal  Gelegenheit,   in  der  Liicke  einen  seiner 
niederliegenden  Aste,  die  sich  bisher  vergebens  unter  den 
dichtschliessendenRosetten  durchgezwangt,  emporzurichten 
und  zu  versamen,  oder  es  erscheinen  Graser  auf  dem  De- 
tritus,  die  Spalte  fullt  sich  mit  feuchtigkeitspeicherndem 
Humus,  und  alle  Bedingungen  zur  Entstehung  einer  ge- 
schlossenen    Gesellschaft    sind    gegeben.      Die    Hauswurz 
aber   wird   boschattet,    und   soweit   die   Bosetten   in    der 
Nahe  der  Spalten  sind,  gehen  sie  zu  Grunde,  der  Rasen 
rlickt  also  vor,   neue  Rosetten  sterben  ab,   stets  nur  die 
aussersten    kcmnen    gedeihen,    und    auch   nur   gegen   den 
Absturz  bin  konnen  neue  erzeugt  werden  und   sich  dort 
auch  dauernd  erhalten,  oft  weit  liber  die  Wand  herunter- 
hangend,  wenn  der  Rasen,   nachdem  er  die  ganze  Hori- 
zontalfiache  erobert,  stabil  geworden  ist. 

Im  librigen  kann  ich  uber  die  Wurzelorte  der  seltenen 
isolierten  Exemplare  nur  bemerken,  dass  sie  das  Getreten- 
werden  nicht  ertragen. 


259 


b)  Sedum  dasyphyllum. 

Es  durften  sich  nicht  viele  schone,  unzerrissene  Exem- 
plare  von  Sedum  dasyphyllum  aus  unserm  Gebiete  in  den 
Herbarien  finden;  denn  wer  nicht  mit  einem  Hammer 
ausgeriistet  ist,  der  wird  beim  Einsammeln  kaum  zum 
Ziele  gelangen.  Es  erscheint  namlich  charakteristisch  fur 
diese  Succulente,  die  eine  ausgesprochene  Spaltenpflanze 
ist,  dass  sie  ihre  kurzen  Triebe  stets  zwischen  vor- 
springenden  Kammen,  in  nach  Siiden  gerich- 
teten  Furchen  verborgen  halt,  wo  sie  offenbar  den 
Vorteil  einer  Heizung  durch  den  Fels  geniesst. 

c)  Sedum  album. 

Schwachliche  Exemplare  des  weissen  Mauerpfeffers 
sind  iiberall  zu  treffen.  Wo  immer  sich  eine  der  be- 
sprochenen  Pflanzen  angesiedelt,  da  stellt  sich  meist  auch 
ein  Astchen  von  Sedum  ein,  und  dennoch  lassen  sich 
fur  die  ausgewachsenen  Exemplare  ganz  spezifische  Wurzel- 
orte  angeben. 

Ich  erinnere  zunachst  an  das,  was  Darwin  iiber  die 
Denudation  durch  die  Eeyenwilrmer  geschrieben:  „In  vielen 
Teilen  von  England  geht  auf  jeden  acre  Land  (— ■  0,406  ha) 
ein  Gewicht  von  mehr  als  10  Tonnen,  d.  h.  10,516  kg 
trockener  Erde  jahrlich  durch  ihren  Korper  und  wird  an 
die  Oberflache  gesehafft,  so  dass  die  ganze  oberflachliche 
Schicht  vegetabilischer  Ackererde  im  Verlaufe  von  wenigen 
Jahren  wieder  durch  ihren  Korper  geht.u  Regenwiirmer 
finden  sich  aber,  den  Exkrementen  und  gelegentlich  am 
Tage  sich  zeigenden  kranken  Tieren  nach  zu  schliessen, 
auch  (vide  I.  Teil  II.  Kap.  §  1)  in  den  Felswanden  allent- 
halben  in  Menge,  so  dass  nichts  gegen  die  Annahme 
spricht,  dass  auch  die  gesamte  Erdmenge  des  Felsinnern 


260 


in  wenigen  Jahren  von  den  Regenwurmern  an  die  Ober- 
flache  geschafft  werde,  umsomehr,  als  wir  es  ja  mit  sehr 
alten  Wanden  zu  tun  haben,  deren  innere  Spalten  und 
Hohlungen  schon  langst  vollstandig  mit  Humus  ausgefiillt 
sind.  „Wenn  nun  die  fein  abgeglatteten  Wurmexkremente 
in  einem  feuchten  Zustande  an  die  Oberflache  gebracht 
werden,  fliessen  sie  wahrend  regnerischen  Wetters  jeden 
massig  geneigten  Abhang  hinunter  und  die  kleineren 
Teilchen  selbst  werden  auf  einer  nur  sanffc  geneigten 
Flache  weit  herab  gewaschen.  Wenn  Wurmexkremente 
trocknen,  zerbrockeln  sie  oft  in  kleine  Kugelchen,  und 
diese  rollen  dann  gern  auf  jeder  geneigten  Flache  herab* 
(Ch.  Darwin). 

Ferner  ist  bei  Quinten  (und  auch  ca.  800  m  weiter 
oben)  noch  ein  anderes,  die  Humusversehleppung 
wesentlich  unterstutzendes  Moment  in  Betracht  zu 
ziehen.  Wir  konnen  sicher  sein,  hinter  jeder  losen  Platte, 
sofern  sie  mit  der  Wand  nur  eine  einigermassen  breite 
Spalte  bildet,  oder  auch  in  Globulariarasen  etc.  etc.  zahl- 
reiche,  gelb  punktierte,  schwarze  Schalenasseln l)  zu  finden 
und  mit  ihnen,  wenigstens  im  Fnihling  und  Vorsommer, 
pfundweise  kugelrunde  Erdkugelchen  von  ca.  21  >  mm 
Durchmesser.  Jedes  dieser  Kugelchen  birgt  im  Innern 
ein  Ei  der  Assel  und  ist  offenbar  dazu  bestimmt,  firtiher 
oder  spater,  sei  es  weggeblasen  oder  weggeschwemmt  zu 
werden,  um  so  zur  Verbreitung  der  ausserst  tragen  Art 
beizutragen.  (Siehe  iibrigens  auch  neue  Auflagen  von 
Brehms  Tierleben.) 

Sowohl  Asselkugeln  wieRegen  wurmexkremente  sturzen 
nun  aber  nicht  gleich  bis  an  den  Fuss  der  Wand;  man 
braucht  nur  einen  Globulariarasen  zu  zausen,  am  zu  sehen, 

*)  Glomeris  pustulata  (Latr.). 


261 


wie  viel  von  der  herausgefallenen  Erde  auf  alien  m5g- 
lichen  Vorsprungen  haften  bleibt,  vorlaufig  einen  Schutt- 
kegel  bildend,  der  dann  beim  nachsten  Begen  flach- 
geschwemmt  wird.  Steht  ein  solcher  Vorsprung  in  direkter 
Verbindung  mit  einer  Spalte,  so  kann  sich  wohl  alles 
mogliche  darauf  ansiedeln  und  in  relativ  kurzer  Zeit  (nach 
der  Vegetation  im  Steinbruch  bei  Quinten  zu  schliessen) 
ist  ein  Rasen  entstanden.  1st  aber  keine  Moglichkeit  vor- 
handen,  die  Wurzel  vor  der  austrocknenden  Sonnenglut 
in  einer  Spalte  zu  bergen,  so  gelingt  es  nur  einer  Pflanze, 
sich  zu  halten,  eben  dem  Sedum  album.  Allenthalben 
wird  es  sonst  xiberschattet ;  denn  es  wachst  auch  gar  so 
trage  und  schmiegt  sich  als  Succulente  dicht  dem  Boden 
an;  hier  auf  diesem  warmen  Humusbette  aber  schaden 
ihm  weder  der  niederliegende  Wuchs,  noch  seine  Lang- 
samkeit ;  denn  es  ist  und  bleibt  Alleinbesitzer,  ohne  jeden 
Kampf.  Diesen  ficht  an  seiner  Statt  die  Sonnenhitze  aus 1). 
Nach  dem  Gesagten  ist  es  begreiflich,  dass  in  der 
•iceitem  Verhreitung  von  Sedum  enge  Beziehungen  zu  der 
Verbreitung  der  Regenwilrmer  zu  erkennen  sind.  Die  unter- 
suchten   Neocomwande   bei   Quinten   sind   offenbar  zu 

r)  Hie  und  da  brechen  wohl  Katrwtrophen  iibcr  eine  solche 
Ansiedeluiijy  herein,  und  zwar  infolge  des  Besuches  eines  eier- 
legenden  Apollo  -We  i  b  c  h  e  n  s  i  Doritis  Apollo  L.).  Es  wunderte 
mich  oft,  Vorspriinj?e  zu  sehen,  die  wohl  viele  Stiiminchen,  aber 
kauni  mehr  ein  Blatt  von  Sedum  aufzuweisen  hatten ;  nun  be- 
oba<jhtete  icli  aber  eininal  auf  einer  Sedumkolonie  sechs  grosse 
Apolloraupen,  die  mit  der  bekannten  Raupengier  den  ganzen  Platz 
verwiisteten ;  in  ea.  3 — 5  Minuten  war  ein  Blatt  gefressen  ;  die 
Rechnung  ware  niolit  sehr  kmnpliziert,  zahlenmiissignachzuweiHen, 
dass  auf  diese  Art  aur.h  iippige  Ansiedulungen  zu  Orunde  gehen 
miissen,  denn  die  Auswanderungsmoglichkeit  fur  die  Raupen  ist 
ja  nur  eine  geringe.  Da  aber  keine  andere  Phanerogame  von  dem 
Tode  des  Mauerpfeffers  profitieren  kann  (Senipervivum?),  so  be- 
deutet  die  Abweidung  noch  keinen  Verlust  des  Standortes. 


262 


kompakt,  urn  Wurmern  Unterkunft  zu  gewahren  (es  geht 
ihnen  z.  B.  auch  der  Reichtum  an  Strauchem  ab).  Tat- 
sachlich  fehlt  ihnen  denn  auch  Sedum  beinahe  vollstandig. 
An  einer  Seewerkalkwand  der  untern  Region  fand  ich 
allerdings  einmal  einen  Regenwurm,  wahrend  Sedum  der 
"Wand  fehlte,  was  sich  aber  aus  der  muschelig  rund- 
hockerigen  Abwitterung  vieler  Seewerwande  erklart,  die 
im  Gegensatze  zu  den  gestuften  Malm-  und  Schratten- 
wanden  das  Liegenbleiben  der  Exkremente  verunmog- 
lichen1).  Dieser  selbe  Grund  konnte  ubrigens  auch  das 
Fehlen  von  Sedum  auf  dem  Neocom  verschulden  helfen. 
Dass  es  nicht  der  Kieselgehalt  oder  eine  andere  chemische 
Einwirkung  des  Gesteins  ist,  durch  welche  Sedum  ver- 
drangt  wird,  beweist  sein  Vorkommen  auf  einem  Neocom- 
absatze,  der  den  Humus  als  Tannennadeln  bezieht, 
welcher  Fall  im  ganzen  Gebiet  zahlreiche  Analogien  findet. 
Sedum  kann  aber  auch  ebenso  gut  auf  Moos  keimen, 
wie  auf  reinem  Humus.  Auf  den  schwellend  griinen 
Moosrasen  der  mittleren  Region  findet  es  sich  selten  gut 
entwickelt,  obwohl  es  an  seinen  eigentlichen  Wurzelorten 
auch  in  dieser  Hohe  ganz  normal  gedeiht.  Es  ist  denkbar, 
dass  es  hier  wegen  der  bestandigen  Uberschuttungsgefahr 
und  dem  haufigen  Losreissen  solcher  Polster  nicht  geniigend 
Zeit  zur  Entwicklung  findet.  Ferner  gibt  es  in  dieser 
Region  zahlreiche  Pflanzen,  die  ausschliesslich  an  das 
Moos  gebunden  sind  und  somit  eine  starke  Konkurrenz 
reprasentieren.  Standorte,  wo  das  Moos  den  notigen 
Humus  an  Stellen  ansammelt,  an  denen  alles  andere  ver- 
dorrt    und    nur   noch    Sedum    gedeihen    kann,    sind   alle 


i)  Diese  linden  sich  dann  oft  unten  an  den  Wanden  in  sonder- 
baren,  1 — 2  m  hohen,  walliihiilichen,  stark  bewachsenen  Humus- 
anbauen  wieder. 


263 


moglichen  Mauern  and  Bid  eke,  deren  Kopf  oft  durch 
Sedum  wie  mit  einem  Korallenkranze  geziert  ist. 

Bis  jetzt  haben  wir  Sedum  nur  als  die  genugsame, 
sich  stets  zuriickziehende  Pflanze  kennen  gelernt,  die 
nirgends  im  Stande  ist,  andere  zu  verdrangen.  Das  andert 
sich  mit  einem  Schlage,  wenn  wir  gedilngte  FeUen  be- 
trachten,  gedimgt,  sei  es  dadurch,  dass  sie  Abwasser 
von  einer  gediingten  Wiese  empfangen,  sei  es  dadurch, 
dass  sie  sich  unter  menschlichen  Ansiedlungen  linden, 
oder  von  Ziegen  als  „Lageru  beniitzt  werden1).  An 
solchen  Stellen  gedeiht  Sedum  in  ganz  unerhorter  tJppig- 
keit.  Es  ist  von  Interesse,  eine  derselben  naher  ins  Auge 
zu  fassen.  Sie  befindet  sich  etwas  ausserhalb  des  Hauses 
„Lauiu,  hart  am  See,  westlich  von  Quinten.  Es  geht  dort 
an  einer  ca.  70—80°  geneigten  Wand  ein  ganz  schmales, 
vorstehendes  „Banda  schrag  in  die  Hohe.  Dasselbe  wird 
mancherorts  so  breit,  dass  sich  eine  Ziege  bequem  darauf 
lagern  kann,  was  auch,  dem  massenhaften  Miste  nach  zu 
schliessen,  haufig  geschieht.  Oberhalb  dieses  Bandes  findet 
sich  nun  ausschliesslich  Globularia  cordi folia,  unter- 
halb,  mit  drei  Ausnahmen  und  abgesehen  von  einigen 
ganz  jungen  Stocken,  nur  Sedum.  Die  drei  Globularia- 
komplexe  der  untern  Partie  triffl  man  wie  folgt:  1.  An 
einer  Stelle  auf  dem  Bande  mit  viel  Mist,  die  aber  beim 
Passieren  bestandig  betreten  werden  muss.  Merkwurdiger- 
weise  sind  auch  unter  dem  Gewirr  der  Globularien  noch 
alte  Sedumstammchen  vorhanden.  2.  An  einer  abschus- 
sigen  Stelle  von  einer  Spalte  herabhangend,  wo  der  Mist 
hinabrollen   mlisste,   ohne   Sedum   zu  gute  zu   kommen. 


l)  Icb  mache  auf  die  Beziohung  dieser  gediingten  Stellen  zu 
dem,  zahlreiche  Succulenten  tragenden,  salzgeach wangerten  Meeres- 
strande  aufnierksam. 


264 


3.  Auf  einem  horizontalen,  unterhalb  des  Weges  gelegenen 
Vorsprunge,  der  sonderbarerweise  so  gelegen  ist,  dass  er 
von  dem  oben  herabfallenden  Miste,  er  mag  fallen,  wie 
er  will,  stets  ubersprungen  wird.  Die  Stelle  ist  wirklich 
mistfrei,  da  sie  auch  von  Ziegen  ihrer  Lage  wegen  nicht 
leicht  betreten  werden  kann.  —  Auf  einer  horizontalen  Fels- 
flache  in  der  Nahe  der  Wand  ist  sodann  Globularia  wieder 
vorherrschend ,  da  dort  den  Ziegen  wegen  der  vielen 
schmalen,  senkrecht  in  die  Hohe  starrenden  Felsplattchen 
kein  ordentlicher  Ruheplatz  geboten  wird,  und  infolge- 
dessen  auch  die  Diingung  eine  geringe  ist.  Die  Ziegen 
lassen  namlich  ihre  Losung  regelmassig  nur  beim  Erheben 
von  der  Lager  fallen  und  sonst  nur  so  vereinzelt,  dass 
eine  Diingwirkung  nicht  in  Betracht  kommen  kann. 

Zu  erwahnen  ist  iibrigens,  dass  Sedum  gerade  auf 
den  Hauptlagerstellen  der  Ziegen,  den  sog.  j,Grufelna  (vide 
Einleitung),  fehlt.  Das  lasst  vielleicht  darauf  schliessen, 
dass  der  weisse  Mauerpfeffer  nicht  allein  einen  hohen 
Stickstoffgehalt  benotigt,  sondern  tatsachlich  Humus,  denn 
solche  Gufel  bieten  ihren  Besiedlern  nur  ein  feines.  jeden- 
falls  sehr  selten  durch  Regen  befeuchtetes  Kalkpulver  mit 
viel  Ziegenmist. 

Es  scheint,  dass  auch  blosse  Yermehrung  des  Humus 
eine  Erhohung  der  Uppiglceit  von  Sedum  zur  Polge  hat 
(wenigstens  sofern  er  nicht  durch  andere  Arten  besiedelt 
werden  kann).  Ich  denke  an  die  sogen.  „Glattwandtf 
bei  Walenstadt.  Dort  zeigt  eine  etwa  200  m  hohe,  vollig 
glatte,  urn  ca.  80°  geneigte,  von  oben  her  oft  berieselte 
Wand,  einzelne  machtige,  1>2  m  dicke,  anlehnende  Platten, 
also  die  gewohnlichen  Verhaltnisse,  nur  in  stark  ver- 
grossertem  Masstabe  und  mit  starkerer  Befeuchtung.  Ihre 
vom  Typus  ganz  abweichende  Flora  ist  folgende:  Sedum 


265 


album  in  ungewohnlicher  Menge,  Centaurea  scabiosa,  Car- 
duus  defloratus,  Arthemisia  absinthium,  Laserpitium  siler, 
Verbascum  spec,  Galium  mollugo  var.  Gerardi,  Saponaria 
ocymoides,  Erinus  alpinus,  Saxifraga  aizoon,  Hieracium 
humile,  ganz  wenig  Sesleria,  viele  Baume  und  Straucher, 
weder  Potentilla  caulescens  noch  Globularia.  Es  besteht 
also  dem  Typus  der  Nachbarwande  gegeniiber  ein  Plus  an 
kraftigen  Pflanzen  mit  grossem  Haushalte,  dem  wohl 
auch  ein  Plus  an  Humus  entsprechen  muss.  Im  iibrigen 
ist  die  Stelle  ilirer  Unzuganglichkeit  halber  schlecht  unter- 
sucht.  —  Die  erhohte  Uppigkeit  und  Dichtigkeit  von 
Sedum  infolge  Humusanhaufung  kann  auch  sehr  schon 
an  verschiedenen  Stellen  am  See  beobachtet  werden,  wo 
liber  den  Wanden  sich  direkt  Wald  angesiedelt  hat,  oder 
wie  schon  bemerkt.  Menschen  mit  ihrem  Vieh  und  Diinger- 
haufen,  wie  gerade  beim  Hause  Laui  westlich  von  Quinten. 
An  all  diesen  Standorten  muss  seine  Ausbreitung 
unter  Verdrangung  der  Globularia  geschehen.  Wie  dieses 
triige  Sedum  "plotzlich  im  Stande  ist,  in  einem  Kampfe 
zu  siegen,  ist  allerdings  ratselhaft.  Die  Erklarung,  Sedum 
allein  ertrage  die  Aufnahme  so  konzentrierter  Losungen 
wie  Ziegenharn  oder  Jauche  bei  Warme,  d.  h.  zur  Zeit 
der  hochsten  osmotischen  Kraft  der  Wurzeln,  wahrend 
Globularia  dadurch  direkt  geschadigt  werde,  ist  in  An- 
betracht  seines  Sieges  auf  viel  reinem  Humus  unzulang- 
lich.  Sollte  der  Fall  bloss  auf  eine  direkte  Verminderung 
der  Sterblichkeit1)  bei  Sedum  infolge  guter  Nahrung 
herauslaufen,  wahrend  diejenige  von  Globularia,  die  sicht- 
lich  keinen  Vorteil  aus  der  Diingung  zieht,  sich  gleich  bliebe  ? 


J)  d.  i.  der  Quotient  aus  der  Zabl  der  in  einem  Jahr  zu  Grande 
gehenden  Tndividuen.  durch  die  Zahl  der  in  der  gleichen  Zeit  sich 
neu  ansiedelnden. 


266 


Zum  Schlusse  noch  die  Bemerkung,   dass   ein  Gras, 

Bromus  erectus,  Sedum  album  sehr  oft  begleitet  and  auch 

mit  ihm  verschwindet.  Ich  weiss  aber  noch  nichts  Genaues 

iiber  den  Fall. 

Leontodon  incanus. 

Leider  fiel  mir  die  Haufigkeit  dieser  Spezies  erst  spat  in  die 
Augen,  als  ich  anting,  statistische  Erhebungen  zu  machen.  Das 
Folgende  beruht  also  auf  zu  wenig  Beobacbtungen,  uni  Anspruch 
auf  grossen  Wert  zu  haben. 

Vorderband  bin  ich  zur  Cberzeugung  gelangt,  dass  wir  es 
bei  dieser  Spezies  mit  einer  Art  Friihlingspflanze  des  Felsens  zu 
tun  haben.  Ende  Mai  des  Jahres  1902  waren  beinahe  nur  noch  seine 
weissen  Fruchtperiicken  zu  Behen.  Aber  nicht  nur  seine  fruhe 
Fruktifikation,  sondern  auch  sein  ganzer  Bau  spricht  dafiir.  Sein 
Wurzelwerk  ist  eines  der  schlechtest  ausgebildeten  von  sanitlichen 
Felsenpflanzen,  und  dennoch  bewohnt  er  die  trockensten  Orte  des 
Gebietes,  namentlich  z.  B.  die  mit  ganz  wenig  Grus  versehenen 
Kitzen  zwischen  einzelnen  sich  loslosenden  Lamellen  (z.  B.  auch 
under  warts  die  selbst  bei  Kegen  wetter  nur  staubigen  Mull  auf- 
weisenden  Gufel).  Wie  sollte  er  da  den  Sommer  iiber  reichlich 
organische  Substanz  produzieren  konnen?  An  seinen  extremsten 
Standorten  hat  er  keine  Konkurrenz  zu  fiirchten. 

Die  nasse  Witterung  machte  eine  Kontrolie  des  Gesagten 
durch  die  (ubrigens  haufigen)  alpinen  Vorkommnisse  von  Leontodon 
incanus  unmoglich. 

Ausser  den  hier  naher  behandelten  Spezies  tritt  noch  eine 
in  grosser  Hiiuiigkeit  auf:  Tmcrium  montanum,  aber  an  so  ver- 
schiedenen  Stellen.  dass  ich  sehr  bald  die  Hoffnung  aufgab,  eine 
Gesetzmassigkeit  in  seiner  Verbreitung  auffinden  zu  konnen. 


II.  Kapitel. 

Die  Malm-TViinde  miter  Tsehingeln-ObersSss. 

Als  ich  meine  Beobachtungen  auch   auf  die  Malm- 
Wande,  die  in  1300— 1600 l)  m  iiber  Meer  den  „Walen- 

l)  Im  Santisgebiet  rlndet  man  in  dieser  Hone  schon  Spezies, 
die  in  den  Curfirsten  erst  an  den  Gipfelwanden  auftreten. 


267 


tadterberg"  krdnen  und  von  der  Tschingelnalp 
rennen,  auszudehnen  begann,  hatte  ich  bereits  aus  den 
fcuintener  Untersuchungen  die  feste  Uberzeugung  ge- 
ronnen,  dass  der  Verteilung  der  Felsenpflanzen  auffind- 
are  Gesetze  zu  Grande  liegen.  Ich  kannte  solche,  kannte 
^ktoren,  welche  den  einen  Pflanzen  die  Lebensmoglich- 
eit,  den  andern  Vernichtung  bedeuten,  fand  zum  Teil 
ieselben  Pflanzen  auch  hier  oben  wieder,  und  dennoch 
ot  mir  lange  Zeit  der  Anblick  dieser  neuen  Verhaltnisse 
ur  das  Bild  des  vollkommensten  Chaos,  gerade  so,  wie 
u  Anfang  der  Untersuchungen  jede  Wand  uberhaupt.  — 
Dass  die  Besiedelung  im  ganzen  nicht  mehr  dieselbe 
\t  wie  in  Quinten,  erschien  mir  nicht  erstaunlich.  Der 
Lufbau  der  Wande  selbst  bleibt  sich  zwar  genau  der 
leiche  wie  in  den  untern  Regionen,  aber  eine  durch- 
reifende  Verschiedenheit  in  der  Kryptogamen- 
lora  ist  deutlich  genug  zu  beobachten.  Statt  der  schw&rz- 
chen  Mooskrusten,  die  am  Seeufer  teils  an  den  glatten 
7anden  kleben,  teils  die  Spalten  einnehmen,  sind  hier 
ben  alle  Fugen  mit  schwellenden,  saftig  griinen  Moos- 
olsterchen  ausgekleidet.  Ich  wusste  auch  (vide  Sax.  aizoon), 
ass  regelmassig  mit  dem  Auftreten  derselben  die  Phanero- 
amenflora  andert.  —  Was  aber  die  Regellosigkeit  der 
tesiedelung  anbelangt,  so  uberrascht  vor  allem,  dass  die 
regetation  keine  geschlossene  mehr  ist,  uberall 
ihoner  schwarzer  Humus  frei  zutage  tretend,  ohne  jede 
tekleidung.  Sodann  kommt  es  viel  haufiger  als  unten 
or,  dass  sich  in  zahllosen  Spalten  auf  dem  Moose  bei- 
ahe  alle  Spezies  einfinden,  die  hier  iiberhaupt  vorhanden 
nd,  ohne  dass  aber  festgestellt  werden  konnte,  welche 
er  betreffenden  Ansiedler  mit  der  Zeit  ein  "(Jbergewicht 
rlangen;  auch  aus  den  Stellen,   die  einzelne  Spezies  in 


268 


uppiger  Entfaltung  tragen,  wollten   sich   keine  Schlusse 
ziehen  lassen. 

Schliesslich  gab  ich  meinen  Plan  auf,  Gesetzmassig- 
keiten  zu  suchen,  und  versuchte  nur  noch  den  Griinden 
der  Unordnunq  nachzuspiiren.  —  In  dieser  obern  Region 
fallt  folgendes  ohne  weiteres  in  die  Augen:  Jede  An- 
siedlung  ist  in  hohem  Grade  der  VerletzuDg  aus- 
gesetzt,  welche  ihre  Ursache  in  der  starkeren  Ver- 
witterung  des  Gesteins  hat;  denn  diese  bedingt  ein  fort- 
wahrendes  Herausf alien  von  Steinstiicken  aus  dem  Ver- 
bande;  sodann  schadigt  der  fallende  Stein  selbst  wieder 
durch  sein  Auffallen,  und  schliesslich  werden  dadurch 
bestandige  bedeutende  Mengen  von  Humus  und  Detritus 
der  Verschwemmung  ausgesetzt,  die  genau,  wie  es  jeder 
Wildbach  im  grossen  tut,  im  kleinen,  teils  durch  Erosion, 
teils  durch  Uberlagerung,  weiter  unten  liegenden  An- 
siedelungen  neuen  Schaden  zufiigen.  Wenn  man  eben 
von  der  Betrachtung  solch  geordneter  Verhaltnisse  kommt, 
wie  sie  z.  B.  bei  Quinten  bei  dem  durch  aussere  Ein- 
griffo  ungestorten  Konkurrenzkampfe  ermoglicht  werden, 
so  neigt  man,  vor  einen  derartigen  Wirrwarr  gestellt, 
leicht  zu  der  Ansicht  hin,  dass  man  es  hier  mit  einer 
urspriinglich  in  glcicher  Weise  geordnet  gewesenen  Vege- 
tation zu  tun  babe,  die  aber  dadurch  jeder  Gesetzmassig- 
keit  in  der  Besiedlung  vorlustig  gegangen  sei,  dass  spater 
vollig  wahllos  bald  die  eine,  bald  die  andere  Ansiedelung 
vernicht(it  und  geschadigt  worden  sei  und  infolgedessen 
zufiillig  verschont  gebliebene  Nachbarn,  die  eigentlich 
an  ganz  andere  Verhaltnisse  angepasst  gewesen,  sich  des 
ihnen  fremden  Gebietes  bemachtigen  konnten.  Eine  solche 
Annahme  widerspricht  aber  unserer  ganzen  AuiFassung 
von  den  Naturerscheinungen.     Auch  diese  wahllose  Ver- 


269 


nichtung  und  Schadigung  bedeutet,  da  wir  uns  ja  immer 
noch  innerhalb  der  allgemeinen  Lebensgrenze  befinden, 
einen  Faktor,  an  den  eine  Anpassung  moglich  ist,  —  so- 
fern  er  nur  lange  genug  wirkt,  —  einen  Faktor,  durch 
welchen  gewisse  neue  Bedingnngen  geschaffen  werden, 
die  auszunutzen  gewisse  Pflanzen  am  tauglichsten  sein 
miissen,  sei  es  dadurch,  dass  sie  im  Stande  sind,  die 
Schadigung  besser  zu  ertragen  und  infolgedessen  an  be- 
sonders  gefahrdeten  Stellen  allein  erhalten  bleiben,  sei 
es  dadurch,  dass  sie  voin  Tode  anderer  Nutzen  ziehen 
konnen. 

Es  handelt  sich  also  nur  darum,  sorgfaltig  nach 
Stellen  zu  suchen,  an  deyien  die  Zerstorung  fvrtwaJirend 
and  gleichmassig  wirkt.  Dadurch  lernt  man  die  Spezies 
vom  oben  genannten  Typus  kennen.  Ermittelt  man  auch 
noch  die  Flora  von  Stellen,  die  gar  keiner  Schadigung 
ausgesetzt  sind,  so  ist  Aussicht  vorhanden,  Einsicht  in 
das  Chaos  zu  gewinnen,  das  bei  beginnender  Zerstorung 
konstanter  Bestande  und  Einwanderung  der  Spezies  ex- 
ponierter  Stellen  entsteht;  denn  durch  diese  Mischung 
diirfte  wohl  das  Wirrsal  zu  erklaren  sein.  Dass  dabei 
nur  eine  Betrachtung  jedes  einzelnen  Falles  zu  einem 
Resultate  fuhren  kann  und  sich  hier  keine  allgemein  ver- 
breiteten  Typen  auffmden  lassen,  ist  verstandlich. 

Die  kompakten  Wande 

weisen  noch  beinahe  denselben  Charakter  auf  wie  der 
Quintener  Typus.  An  Stelle  von  Laserpitium  siler  ist 
Primula  auricula  getreten,  als  Einfassungspflanze  der 
Rasen  tritt  neben  Semper vivum  Saxifraga  aizoon  auf,  die 
definierten  Potentillenwurzelorte  haben  einen  weitern  Be- 
siedler  gefunden:  Rhamnus  pumila. 


270 


Stark  verwitternde  Wande. 

Als  Musterbewpiel  diene  eine  ca.  10  m2  grosse  Stelle 
von  ca.  55  °  Neigung,  oben  durch  einige  massivere  Bldcke 
von  der  Weide  getrennt,  so  dass  eine  starke,  direkte  Uber- 
schuttung  von  dieser  her  ausgeschlossen  ist.  Die  Ver- 
witterung  lost  plattige,  splitterige  Stucke  ab,  die  unten 
meist  kontinuierlich  in  die  Wand  iibergehen  und  ihre 
horizontalen  oder  schiefen  Querschnittsflachen  nach  oben 
kehren.  —  Ausser  den  reichlichen  Moo spol stern  tragt 
dieselbe  folgende  Spezies: 

Globularia  cordifolia 

Thymus  serpyllum 

Carex  humilis 

Sesleria  coerulea 

Saxifraga  aizoon  und 

Primula  auricula, 
eine  Gesellschaft,  die  ganz  im  Gegensatze  zu  den  andern 
dieser  Rogion  an  Durchsichtigkeit  und  Einfachheit  in  der 
Arbeitsverteilung  unter  ihre  Glieder  nichts  zu  wunschen 
Iibrig  lasst.  —  Jedes  derselben  hat  seinen  bestimmten 
Beruf,  wo  es  ihn  ausuben  kann,  siedelt  es  sich  an,  und 
fehlt  anderwarts.  Man  fiihlt  sich  zur  Behauptung  ver- 
sucht :  Nur  so  viele  Spezies  sind  raoglich,  und  fehlte  eine. 
so  wurde  man  sie  vermissen. 

Zunachst  finden  wir  also  wieder  die 
Globularia  cordifolia. 
Sie  betreibt  ilir  Handwerk  wie  unten  bei  Quinten;  von 
einer  kleinen  Ritzo,  oder  von  einem  Moospolsterchen  aus 
bant  sie  ein  weitliiufiges  Gehege  fiber  den  Fels  und  fangt 
darin  auf,  was  Zufall,  Wind,  Regen  oder  Tiere  in  das- 
selbe   hineintrciben,   urn  sich   auch   von  ihrem  Fange  zu 


271 


nahren.  Nur  macht  sie  hier  oben  bedeutend  reichere 
Beute.  Sie  lebt  eben  nicht  mehr  fast  ausschliesslich  von 
Regenwurms  Gnaden  oder  den  Uberresten  zu  Grunde 
gegangener  Genossen;  denn  der  Fels  ist  bnichig,  und 
wenn  sich  ein  Stuck  losgelost,  so  f  allt  von  der  dicken 
Humusschicht  der  ehemaligen  Spalte  fruher  oder  spater, 
namentlich  wenn  nicht  sogleich  ansgiebige  Verschwemmung 
eintritt,  sicher  Kriimchen  fur  Kriimchen  einer  darunter 
liegenden  Globularia  zu,  oder  sie  kann  plotzlich  von  einem 
Humusregen  iiberschuttet  werden,  wenn  starker  Stein- 
schlag  den  Rasen  aufschleisst  und  mit  jedem  Aufschlag 
eine  kleine  Erdfontane  in  die  Lufb  schickt.  Ich  beob- 
achtete,  gleich  nach  dem  Niedergang  einer  grossern  Wand- 
partie,  wie  an  ganz  glatten,  fast  senkrechten  Wanden 
samtliche  Globulariarasen  prall  mit  Humus  gefullt  waren, 
und  wahrend  rings  herum  die  Wande  vollig  rein  blieben, 
oder  die  Graser  auf  den  Rasenbandern  von  dem  Segen 
zu  Boden  gedruckt  waren,  schauten  die  bliihenden  Rosetten 
der  Globularia  aus  der  schwarzen  Erde  hervor,  just  wie 
wenn  ein  Gartner  sie  eben  in  ein  Saatbeet  versetzt  hatte ; 
denn  ihre  zum  Teil  bogig  gekrummten  Blatter  sind  elastisch 
und  straff  genug,  urn  bei  einer  solchen  Bestreuung  fort- 
wahrend  wieder  emporzuschnellen  und  den  Humus  nur 
zwischen  das  Netzwerk  der  niederliegenden  Aste  fallen  zu 
lassen. 

Dieselben  Vorgange  aber,  die  die  Kugelblumen  so 
reichlich  mit  Nahrung  versehen,  setzen  sie  oft  auch  Ge- 
fafiren  aus,  die  sie  auf  den  kompakten  Wanden  kaum 
zu  furchten  hat.  Bricht  einmal  unter  einem  solchen 
Globulariateppich  ein  Stein  heraus,  so  hat  der  Korb  den 
Boden  verloren,  aller  aufgespeicherte  Humus  fallt  mit 
heraus,  die  Pflanze  verdorrt  und  lasst  in  der  Zukunft  von 


272 


den  verschont  gebliebenen  Teilen  schwarze,  durre  Aste 
hasslich  iiber  die  Bruchstelle  herabhangen.  Oder  der 
Uberfluss  selbst  gereicht  zum  Schaden,  indem  er  auch 
andern  Pflanzen  die  Ansiedlung  zwischen  den  Maschen  der 
Globulariaaste  erlaubt  und  damit  beginnende  Rasenbildung, 
Uberschattung  und  Vernichtung  bedeutet.  So  namentlich 
auf  den  Stufen  treppenformiger  Stellen,  wo  sich  Globulari* 
dann  nur  noch  an  den  Steilabsturzen  halten  kann,  wahrend 

Carex  humilis, 

die  stets  die  Invasion  einleitet,  beinahe  ausschliesslieh  die 
Stufen  bekleidet.  Aber  nicht  nur  im  Globulariarasen, 
sondern  auch  auf  verletzten  oder  unversehrten  Moos- 
polsterchen  tindet  sich  Carex  humilis.  Sie  scheint  an 
reichliche  Humusmengen  gebunden  zu  sein,  und  ist  so 
ziemlich  die  haufigste  Pflanze  derartiger  Standorte.  — 
Die  Form  ihres  Auftretens  ist  iiberaus  einheitlich,  nament- 
lich ausserhalb  des  Globulariarasens  und  lasst  allenthalbeu 
die  Wirkunjfen  dex  herabfliessenden  Regenwassers  erkennen. 
Da  das  Wasser  der  Wand  entlang  rinnt,  so  macht  sich 
zunachst  auch  nur  an  der  Wand  die  Wirkung  geltend. 
Einfache  Moosraschen  werden  an  der  Wand  unterwaschen 
und  fallen  schliesslich  ab.  Tragen  sie  aber  Carex  humilis, 
so  ist  ein  Lostrennen  vvegen  der  kraftigen  Verankerung 
in  den  Felsritzen  durch  die  Wurzeln  derselben  verunmog- 
licht.  Werden  auch,  wenn  der  Wasserstrom  seinen  Weg 
zu  dem  betreiienden  Polster  nimmt,  die  der  Wand  zu- 
nachst gelegenen  Teile  der  Carex  humilis  tiberschuttet, 
oder  umgekehrt,  infolge  von  Erosion  einzelne  Rhizome 
von  Humus  entblosst,  dem  Sonnenbrande  ausgesetzt  und 
samt  ihren  Trieben  getotet,  so  erleiden  dabei  die  darunter 
liegenden  Rhizome  und  damit  die  Terminalsprosse  doch 


273 


inert  Sehaden,  und  auch  das  Moos  daselbst  kann  uppig 

dter  gedeihen,  bleibt  doch  die  ganze  Ansiedelung  gut 

festigt l).  Derart  erklart  sich  die  tiberall  zu  findende,  auf- 

lende  Form  dieser  Carex  humilis-R&schen.    Gegen  den 

Is  zu  Humus  und  totes  Material,  das  auch  zu  beiden 

iten  der  Ansiedlung  herab  lauft,  von  der  Wand  ent- 

nt  die  griinenden  Triebe,   darunter,   in  deren   Schutz 

l  schwellendes  Moospolsterchen,  meist  noch  Saxifraga 

zoon    tragend,    dessen  Los  es   ist,   hier  unten  fruher 

er  spater  zu  verkommen ;  denn  der  erste  Tritt,  den  ein 

3r  darauf  tut,  ist  im  Stande,  das  Moos  herauszuquetschen 

d  mit  ihm  seine  Epiphyten.    Carex  humilis  aber  bleibt 

fgehangt  und  hat  nur  eine  etwas  schiefe  Lage  ange- 

tnmen,  die  ebenfalls  tiberall  zu  beobachten  ist. 

Diese    Zustande    aber    ermoglichen    neue    Besiedler. 

amal  ist  es 

Sesleria  coerulea, 

5  man  antrifft  und  zwar  stets  da,   wo  sich  die  Carex- 

schel  ein  gutes  Stuck  von  der  Wand  entfernt  haben, 

d  stets  aussen  an   den  Carexexemplaren,   nie   so,   dass 

va   zwischen    Carex    und    der   Wand   Sesleria    wuchse. 

iS  Warum  ist  mir   ratselhaft,    die   Sonderung  aber  ist 

cht  zu  erkennen. 

Der  viele  verschwemmte  Humus   aber,   der   beinahe 

Bnsoviel  Fels  bedeckt,  wie  die  gesamte  Vegetation  selbst, 


*)  Es  diirfte  interessant  sein,  zu  untorsucht»n,  inwieweit  dieser 
ztbesprochene  Habitus  von  Carex  humilis  (langes  entblosstes 
izom  mit  allein  griinen  Terminaltrieben)  auch  an  geschutzten 
^ndorten  auftritt  und  ob  nicht  der  Fall  so  liegt,  dass  Carex 
milis  deshalb  andern  Felsenpflanzen  gegen iiber  an  den  genannten 
ten  im  Vorteil  ist,  weil  sie  spontan  den  Habitus  annimmt,  der 
1  sowieso  durch  mechanische  Scbadigungen  auigezwungen  wiirde. 


274 


wird,  wie  zu  erwarten  ist,  von  einer  besondern  Spezies 

ausgeniitzt,  dem 

Thymian. 

Schon  drei  Spezies  lernten  wir  kennen,  welche  aus- 
schliesslich  von  der  Denudation  leben,  Globularia,  Sedum 
album  und  Carex  humilis,  drei  grundverschiedene  Pflanzen. 
Und  ebenso  neu  in  der  Art,  sich  durchs  Leben  zu  schlagen, 
ist  der  Thymian.  Globularia  treibt  in  besonderer  Weise 
starre,  holzerne  Aste,  und  halt  damit  auf,  was  von  den 
Wanden  herabfallt.  Sedum  hat  gelernt,  lange  Trocken- 
heit  auszuhalten,  ohne  zu  verdorren,  und  kann  daher  den 
Humus  ausniitzen,  wo  er  sich  auf  horizontalen  Vorsprungen 
angesammelt  und  alle  andern  Pflanzen  durch  die  Sonnen- 
glut  getotet  wiirden.  Carex  humilis  endlich  verankert 
den  Humus. 

Dem  Thymian  aber  ist  eine  grosse  Beweglichkeit  eigen, 
so  class  er  im  Stande  ist,  auch  da  zu  leben,  wo  ihm  der 
Boden  bestiindig  unter  den  Fiissen  wegrutscht.  —  Er 
keimt  auf  Moos  oder  derselben  Unterlage,  deren  das  Moos 
bedarf,  und  verlegt  sich  dann,  sobald  er  erstarkt,  aufs 
Wan  dem.  An  langen  d  lumen  Astchen  hebt  er  kleine, 
beblatterte  Triebe  in  die  Hohe,  setzt  damit  in  hubschem 
Bogen  liber  eine  benachbarto  Ansiedelung,  oder  kriecht 
auch  durch  einen  Rasen  hindurch  —  die  Kleinheit  seiner 
Blattchen  erlaubt  ihm  das  — .  Oft  macht  es  genau  den 
Eindruck,  als  Hesse  er  an  langen  (40  cm)  Schniiren  seine 
Triebe  einfach  senkrecht  iiber  eine  Wand  hinab  auf  den 
nachsten  Humusfleck,  um  sie  da  ihrem  eigenen  Schicksal  zu 
tiberlassen.  Sobald  ein  Teil  eines  solchen  Triebes  auf  ein 
feuchtes  Moosraschen,  oder  auf  Humus  zu  liegen  kommt, 
schlagt  er  Wurzeln  und  setzt  seine  Wanderschaft  in  gleicher 
Weise  fort,  bis  die  ganze  Wand  ubersponnen  und  Humus- 


275 


3ck  an  Humusfleck  vielfach  miteinander  verbunden  ist. 
ommt  nun  auch  ein  Wasser  und  schwemmt  viele  davon 
eg,  einzelne  werden  doch  stets  ubrig  bleiben,  und  auf 
esen  geniesst  Thymian  bis  zur  nachsten  Keimung  der 
3iigen  Spezies  dos  Standortes  alle  Vorteile  der  fehlenden 
onkurrenz.  Und  er  hat  auch  noch  Aussichten,  mehrere 
eimungszeiten  in  ungestortem  Besitze  des  Platzes  zu 
leben;  denn  diese  angeschwemmten  Humusmassen  sind 
cht  glatt  und  werden,  wenn  auch  nicht  weg-,  so  doch 
iters  abgewaschen,  so  dass  nicht  viele  der  darauf  ge- 
ngten  Samen  zur  Entwicklung  gelangen  diirften,  um  so 
eniger,  als  ja  Thymus  mit  seinen  inagern  Stengelchen, 
inz  im  Gegensatz  zu  Globularia,  nichts  dazu  beitragt, 
m  Samen  der  Keimlinge  Halt  oder  Schutz  zu  gewahren. 
Friiher  oder  spater  freilich  wird  er  doch  weichen 
iissen,  denn  wie  konnten  diese  Stengelchen  dem  Vor- 
•ingen  eines  Carex-  oder  Sesleriarasens  Halt  gebieten, 
ler  eine  Primula  auricula-Rosette  an  der  Entwicklung 
>mmen?  Aber  was  tut's?  Schon  langst  hat  er  andere 
olonien  gegnindet  und  kehrt  vielleicht  bald  wieder  an 
mselben  Ort  zuriick,  wenn  der  Stein,  auf  den  alles  auf- 
ibaut  war,  samt  dem  was  er  getragen,  zur  Tiefe  gestiirzt 
b.  —  Ich  denke  mir,  es  miisste  ein  anziehendes  Bild 
sben,  wenn  man  einen  Kinematographen  in  wenigen 
inuten  das  wiedergeben  liesse,  was  er  wahrend  vieler 
ihre  an  einem  solchen  Standort  aufgenommen.  Wahrend 
an  alle  andern  Pflanzen  ruhig  an  einem  und  demselben 
iatze  sich  entwickeln  und  sterben  sahe,  ware  da  stets 
n  Wanderer  zu  beobachten,  eben  der  Thymian,  der 
it  feinen  Faden  das  ganze  Gebiet  durchzoge,  iiberall 
i,  wo  eine  Wunde  geschlagen,  zur  Entwicklung  gelangte, 
n  gleich  wieder  zu  weichen,   sei  es  wegen  einer  neuen 


276 


Verwundung,  sei  es  vor  der  allmalig  erwachsenden  Kon- 
kurrenz,  aber  bald  wiederkehrend  infortwahrendemWechseL 
Dass  bei  diesen  Verhaltnissen  der  Thymian  sich  sehr 
oft  an  Globulariawurzelorten  findet,  ist  von  vorn- 
herein  zu  erwarten;  denn  eine  scharfe  Grenze  zwischen 
Orten,  an  denen  Globnlaria  gerade  noch  der  Verzettelung 
des  Humus  zu  trotzen  vermag,  und  solchen,  wo  sie  selbst 
unter  der  erodierenden  Schwemmung  zu  leiden  hat,  be- 
steht  nicht.  Und  dass  auch  die  Wurzelorte  von  Sedum 
und  Thymus  oft  zusammenfallen,  wird  nicht  ver- 
wunderlich  erscheinen.  An  Ort  und  Stelle  lassen  sich  die 
Griinde  meist  leicht  ersehen;  allgemein  kann  vielleicht 
noch  hier  erwahnt  werden,  dass,  wie  selbstverstandlich, 
auf  sparlich  bewachsenen  steilen  Wanden  Globularia  vor- 
herrscht  und  Thymus  beinahe  ganz  fehlt,  und  umgekehrt 
auf  schon  stark  bewachsenen  Steilen. 

Ein  Unterschied  zwischen  scheinbar  identischen  Wurzelorten 
von  Sedum  album  und  Thymus  serpyllum. 

Bei  der  grossen  Ahnlichkeit  der  Wurzelorte  von  Sedum 
album  und  Thymus  serpyllum,  die  namentlich  da,  wo  in  den 
obern  Regionen  beide  die  Moospolsterchen  ausniitzen,  zur 
scheinbaren  Identitat  wird,  wird  man  den  Mangel  weiterer 
Unterscheidungsmerkmale  wohl  weit  eher  verstehen  konnen, 
als  manche  andem  Liicken  in  der  Untersuchung.  Aber 
gerade  da,  wo  die  Schwierigkeiten  unuberbriickbar  er- 
scheinen, eroffnet  uns  eine  vollig  objektive  Untersuchungs- 
methode,  die  einfache  Warmemessung,  wenigstens 
einigermassen  einen  Einblick  in  die  Ursachen,  welche  hier, 
wo  die  Chancen  beinahe  gleich  sind,  bald  den  einen,  bald 
den  andern  Konkurrenten  die  Oberhand  gewinnen  lassen. 

Es  stellte  sich  namlich  heraus,   dass  die  von  Sedum 


277 


bewohnten  Poteterchen  stets  urn  etwas  w&rmer  waren,  als 
die  benachbarten  mit  Thymiaribesiedehing.  —  Dafur  folgende 
Belege. 

Die  Polsterchen  der  Bergsturzblocke  am  Eingang  ins  See- 
alptal  ergaben  nach  regnerischen  Vortagen  am  22.  August, 
einem  etwas  nebligen  Tage  mit  Aufhellung  am  Nach- 
mittage,  abends  S1/* — 61/*  Uhr  (relativer  Sonnenuntergang 
41/2  Uhr),  folgende  Temperaturen : 

1.  bei  einer  Distanz  der  Polsterchen l)  von  1 — 2  m. 


Thymus  ,  13,4°;  13,5° 
Sedum  .  \  14,5°;  14,8° 

12,9° 
13,3°;  13,8° 

13,3°;  13,9° 
11,6° 

12,2° 
13,6° 

12,8° 
lit0!  H,l° 

14,8° 
14.0° 

12.5° 
14,f° 

2.  bei  ein< 

Thymus     .     . 
Sedum  .     .     . 

?t  kleineren  Disto 

Distanz  45  cm 

13,2° 

13,5° 

*nz  der  ben ac hi) a 
35  cm 
12,8° 
14,0° 

rten  Pdlsterchen 
32  cm 
13,0° 
13,0° 

Thymus  und  S 
Sedum      .     . 

edi 

lm  .     . 

dagege 

1 
1 

n  bei 
mit  £ 
4,0° 
4,0" 

>edu 

finuspolsterchen 
minvasion 

13,6° 

13,2° 

Einem  Ameisenhaufen  aufsitzende  Thymuskolonien 
ergaben  die  Temperatur  16°  C.  und  14,3°  C,  also  eine 
hohere  als  die  durchschnittliche  Sedumpolstertemperatur 
(vide  I.  Teil  H.  Kap.  §  1  A  2  b). 


Bei  Schrlna  (Curfirsten,  Mittelwaldchen)  erhielt  ich 
am  29.  August  morgens  IOV4 — 11  Uhr  bei  leichter  Ver- 
schleierang  der  Sonne,  doch  nicht  so  starker,   dass  nicht 


*)  Die  Temperaturen  benacbbarter,  allein  vergleich barer  Polster- 
chen mit  gleicher  Exposition  und  gleicher  Zeit  der  Aufnahme 
stehen  immer  untereinander;  Doppelzahlen  bedeuten  zwei  Mes- 
aungen  an  angrenzenden,  aber  etwas  verschieden  beschaffenen 
Pdlsterchen. 


278 


immer  noch  deutliche  Schattenbilder  sich  ergeben  hatten, 
an  einer  Gerollhalde  folgende  Zahlen: 

i  Bei  Exemplaren 

zwiscben  Geroll        |  auf  Humus 

tief  mehr  oberflach- ,  i 


Thymus 
Sedum 


gemessen 
18,1° 
18,9° 


19,7° 
23,0° 


19,0° 
23.2° 


lich  gemessen 
22,3° 
22,7° 

Lufttemperatur anfangs  16,1 c 

„  amEnde  15,9* 

(1  m  iiber  dem  Boden  durch  Sch  wingen  des  Thermometers  gemessen.) 

Wenn  die  Quecksilberkugel  direkt  auf  das  Geroll  gelegt 
wurde,  zeigte  das  Thermometer  27°. 


Beim  Aseher  (Ebenalp,  Sentis)  ergaben  sich  am  8.  Sep- 
tember 1902  nach  einem  wolkenlosen  Morgen  im  Momenta 
der  Nebelbildung  11  Uhr  10  Minnuten: 

fur  Thymus    ....     22,5° 

fiir  Sedum      ....     24,2° 

bei  einer  Lufttemperatur  von  21,8°  bis  19,5°  und  einer 

Temperatur  der  Felsoberflache  (durch  Anlegen  gemessen) 

von  27°  Celsius. 

An  einem  Orte  grifFen  von  einer  iippigen  Thymus- 
kolonie  Aste  auf  den  nur  sparlich  mit  Humus  bedeckten, 
fast  nackten  Fels  iiber.  Dort  ergab  sich  wie  verstand- 
lich  eine  Temj^eratur  von  24°. 

Beim  FHhlensee  wurde  am  2B.  September  mittags 
2  Uhr  40  Minuten  folgende  Temperatur  gemessen: 

Lufttemperatur  13°. 
Anfang    der   Messungen    3    Minuten   nach   beginnendem 
Sonnenschein    (der    Morgen    war    neblig),    Schluss   nacb 
12  Minuten. 


279 


Thymus 
Sedum . 


18,7° 

18,7° 


18,0°  i  16,0°  J  17,9° 
18,5°  j  19,3°  i  19,8° 
Nach  15  Minuten  Sonnenschein  wurde  eine  Messung 
an  zwei  nicht  benachbarten  Polsterchen  ausgefiihrt,  die 
absichtlich  so  gew&hlt  wurden,  dass  an  Stelle  der  pein- 
lichsten  Sorgfalt  im  Vermeiden  aller  das  geahnte  Resultat 
begiinstigenden  Umstande,  moglichste  Bevorteilung  eines 
allf  allig  negativen  Resultates  trat  (durch  Wahl  der  Expo- 
sition der  Umgegend  etc.  etc.). 

Resultat : 

Thymus      .     .     .     17,2° 

Sedum    ....     18,8° 

Nachdem  die  Sonne  wieder  20  Minuten  lang  verdeckt 

worden  war,  wurden  Messungen  mit  folgenden  Resultaten 

erzielt : 


Thymus 
Sedum  . 


17,8° 
16,2° 


17,8° 
17,9° 


17,2°;  16,8° 
18,2° 


17,1° 
15,0° 


Zur  ersten  Messung  wurde  wieder  in  obigem  Sinne 
parteiisch  vorgegangen;  die  iibrigen  drei  wurden  an  be- 
nachbarten Polsterchen  ausgefiihrt.  Die  letzte  Messung 
bei  einer  Lufttemperatur  von  12,5  °,  */a  Stunde  nach  der 
letzten  Besonnung  ausgefuhrt,  ist  also  das  einzige,  der 
aufgestelltenBehauptung  direkt  entgegenlaufende  Resultat, 
das  aber  nicht  einmal  ins  Gewicht  f  allt,  weil  es  sehr  wohl 
moglich  ist,  dass  sich  die  Polsterchen  mit  Thymus  eben 
weniger  schnell  abkiihlen,  als  die  kleinern  Sedumkolonien. 

Bei  alien  Messungen  wurde  so  vorgegangen,  dass 
die  Quecksilberkugel  moglichst  gleich  tief  in  eine  von 
Sedum  oder  Thymus  unbeschattete  Stelle  des  Moosraschens 
oder  der  Erde,  die  ihnen  als  Untergrund  diente,  ein- 
gesenkt  wurde. 


280 


Woher  riihren  nun  aber  diese  Differenzen  in  der  Tern- 
peratur?  —  An  Ort  und  Stelle  ist  es  nicht  ausgeschlossen, 
dieselben  aus  den  verschiedensten  Umstanden  heraus  za 
verstehen,  allgemein  lasst  sich  aber  nichts  sagen,  da  nicht 
ein  Faktor  allein  bedingende  Ursache  ist,  sondern  das 
Zusammenwirken  einer  ganzen  Reihe  solcher.  Oft  ist 
es  wahrscheinlich,  dass  die  Struktur  des  Moosraschens. 
locker  oder  kompakt ;  oft,  dass  die  grossere  oder  geringere 
Menge  der  dem  warmen  Kalkstein  auflagernden  Humus- 
schicht  den  Ausschlag  gibt;  oft,  dass  die  Farbe  des 
Gesteines  mitspielt  etc.  etc. 

Primula  auricula. 

Wir  kennen  die  Wurzelorte  von  Laserpitium  siler. 
Dasselbe  kommt  hier  oben  wohl  noch  vor,  aber  nur  im 
Easen.  Sein  Stellvertreter  auf  den  Spalten  ist  Primula 
auricula  und  es  diirfte,  was  einst  iiber  Laserpitium  siler 
gesagt  wurde,  auch  von  Primula  gelten,  mit  Ausnahme 
der  Beziehungen  zum  Vieh  und  des  Verhaltens  der  Wurzeln. 

Eine  Stelle  bei  Betlis  am  Walensee  ist  ubrigens 
kennzeichnend  fur  die  Bediirfnisse  von  Primula  auricula. 
Sie  fehlt  sonst  uberall  in  den  untern  Regionen,  tritt  aber 
plotzlich  auf  dem  Seewerkalk,  der  von  dem  Spriihregen 
des  Beerenbachfalles  und  der  „Riuquelle  bestandig  be- 
staubt  wird,  in  Masse  auf;  ebenso  findet  sie  sich  auf  dem 
wasserspendenden  Gaultbande  ob  der  Au  bei  Quinten. 
Die  erhohte  Feuchtigkeit  scheint  ihr  Vorkommen  an  diesen 
beiden  Orten  zu  ermoglichen. 

Wio  bekannt,  fulirt  Kerner  eine  Beobachtung  iiber  die  K<m- 
traktilitat  der  Wurzeln  von  Primula  auricula  an,  welche  die  Pflanze 
in  ausgezeichneter  Weise  als  Spaltenpflanze  charakterisiert  und 
deshalb  hier  folgen  soil.  —  „Von  den  spater  entstehenden  Wurzeln 
haben  mancbe  die  Fahigkeit.   auf  ihren   Stamm   ein  en  Zug  aus- 


281 


zuiiben.  Die  an  den  Stengelknoten  der  Auslaufer,  beispielsweise 
jenen  der  Erdbeerpflanze,  entspringenden  Wurzeln  ziehen  diese 
Stengelknoten  einon  Zentimeter  in  den  Erdboden  hinein.  Das- 
selbe  gilt  von  den  langen  Wurzeln,  welche  aus  den  Stammen  der 
ausdauernden  Primeln  hervorgehen.  Wenn  solche  Primeln  in  den 
Kliiften  nnd  Spalten  senkrecht  absturzender  Felswande  ihren 
Standort  haben,  so  wird  durch  dieses  Hineinziehen  eine  Erschei- 
nung  hervorgebracht,  welche  jeden,  der  sie  zum  ersten  Male  be- 
obachtet,  iiberrascht  und  ihm  als  ein  schwer  zu  losendes  Ratsel 
erscheint.  Die  dicken  Stamme  dieser  Primeln  (z.  B.  Primula  auri- 
cula, Clusiana,  hirsuta)  sind  durch  eine  Rosette  aus  Laubblattern 
abgeschlossen.  In  dem  Masse,  wie  die  untern  Blatter  dieser 
Rosette  abdorren,  wird  in  der  Achsel  eines  der  obern  Blatter  eine 
neue  Rosette  angelegt,  welche  die  alte  im  nachsten  Jahr  ersetzt. 
Wfiin  die  Rosettenblatter  auch  ziemlich  gedrangt  tibereinander 
stehen,  so  hat  nichtsdestoweniger  das  von  ihnen  bekleidete  Stanim- 
stiick  ein  Langenmass  von  ungefahr  einom  Zentimeter,  und  obenso 
lang  ist  auch  der  jahrliche  Zuwachs,  welcher  der  geradlinig  dem 
Liichte  zuwachsende  Stamm  erfiihrt.  Dieser  Zuwachs  von  zehn 
Jahren  summiert,  gibt  zehn  Zentimenter,  und  man  sollte  erwarten, 
dass  die  Rosette  des  zehnten  Jahres  auch  um  zehn  Zentimeter 
fiber  jenen  Punkt  vorgeschoben  sein  wiirde,  wo  die  Rosette  des 
ersten  Jahres  stand.  Merkwiirdigerweise  aber  bleibon  die  Rosetten 
aller  folgenden  Jahre  immer  an  dem  gleichen  Punkte,  namlich 
iramer  den  felsigen  Randern  der  Ritze  oder  Kluft  angeschmiegt, 
in  welcher  der  Stock  wurzelt.  Es  erkliirt  sich  die  Erscheinung 
daraus,  dass  die  von  dem  rosettentragenden  Stamm  ausgehenden 
Wurzeln  den  Stamm  alljahrlich  um  einen  Zentimeter  in  die  mit 
Erde  und  Humus  gefiillte  Ritzen  hineinziehen.  Das  kann  aber 
wioder  nur  geschehen,  wenn  das  hintere  Ende  des  Stamines  all- 
jahrlich um  ein  entsprochend  grosses  Stuck  abstirbt  und  verwest, 
was  auch  tatsachlich  der  Fall  ist.  In  Folsritzen,  welche  fur  diesen 
Vorgang  nicht  geeignet  sind,  gedeilien  die  Primeln  schlecht,  ihre 
Stamme  ragen  dann  liber  die  Rander  dor  Ritzen  vor,  die  ganzen 
Stocke  verfallen  ein  em  langsamen  Siochtum,  kommen  nicht  mehr 
zum  Bliihen  und  gehen  nach  einigen  Jahren  zu  Grunde.  Fur  die 
Kultur  der  genannten  Primeln,  sowie  mehrerer  anderer  in  der 
freien  Natur  in  Felsritzen  wachsenden  Pflanzen  ist  die  Erkenntnis 
dieser  Wachstumsweise  insofern  von  Interesse,  weil  sich  daraus 
naturgemass  die  Vorsicht  ergibt.  die  Stocke  so  zu  pflanzen,  dass 
die  Stamme  alljahrlich  um  ein  bestimmtes  Stuck  von  den  Wrurzeln 
in  die  Erde  gezogen  werden  konnon." 


282 


Saxifraga  aizoon 

scheint  bei  der  Keimung  auch  an  das  Moos  gebunden  zu 
sein  und  kotnmt  tiberall  vor,  wo  sich  Moos  findet,  oft  im 
bunten  Durcheinander  mit  alien  ihren  Standortsgenossen  \). 
Da  sie  ziemlich  viel  Schatten  vertragen  kann  (tippiges 
Gedeihen  in  Hohlungen  unter  grossen  Felsblocken),  so 
wird  sie  nicht  leicht  verdrangt,  und  der  einen  oder  andern 
Rosette  gelingt  es,  zur  Blute  zu  gelangen,  auch  wenn 
die  betreftende  Spalte  zu  gleicher  Zeit  noch  Primeln, 
Globularien,  Carices  und  Thymian  zu  nahren  hat.  —  Zur 
eigentlichen  Entfaltung  aber  gelangt  Saxifraga  aizoon  nur 
da,  wo  das  Moos  kleineren  Spalten  aufsitzt,  so  dass  die 
Konkurrenz  mehr  oder  weniger  ausgeschlossen  ist,  und 
an  Orten,  wo  zugleich  die  Gefahr  des  Viehtrittes 
oder  Verse hwemmung  in  Wegfall  kommt.  Das  Wurzel- 
werk  von  Saxifraga  aizoon  dringt  namlich  nicht  derart 
in  Spalten  em,  dass  das  Moos,  ahnlich  wie  bei  aufsitzen- 
der  Carex  liumilis  fest  verankert  wiirde,  sondern  verbreitet 
sich  hauptsachlich  ausserhalb  des  Felsens;  infolgedessen 
konnen  Moospolsterchen,  die  nur  Saxifraga  aizoon  tragen, 
leicht  mit  der  Hand  vom  Substrat  abgehoben  und  ebenso 
leicht  auch  vom  Wasser  weggespult  werden.  —  Mit  dem 

\i  Sowolil  Saxifraga  aizoon,  als  auch  der  Thymian  fehlen  d?n 
unbeschattetcn  Felswiinden  am  Seeufer  bei  Quinten,  treten  aber 
in  gleicher  Hf>ho  sofort  auf,  wo  infolge  von  Baumschatten  oder 
Baurnhumus  sich  griine  Moospolster  gebildet  haben ;  Thymus  auch 
an  einer  Stelle,  die  genau  so  beschaffen,  wie  die  Wande  bei  Quinten. 
aber  mit  Siidwestexposition.  Ua  der  Walensee  nur  West-  oder 
Ostwind  kennt  (auch  der  Folin  weht  hier  als  Ostwind),  so  zeigt 
sich  eine  deutlicho  Differenz  in  der  Wirkung  der  Spritzwellen,  die 
bei  den  Wanden  mit  Siidexposition  beinahe  Null  ist,  im  Gegensati 
zu  jeder  andern  Orientierung.  Der  haufigen  Bespritzung  ist  es 
wohl  zuzuschreiben,  dassgedachte  Stelle  mit  griinen  Moospolsterchen 
besetzt  ist  und  Thymian  tragt. 


283 


Gesagten  steht  auch  die  ausgesprochen  xerophytische  Aus- 
bildung  von  Saxifraga  aizoon  in  direktem  Zusammen- 
hange.  Ich  verweise  diesbezuglich  auf  Kerners  I  (II.  Auf- 
lage,  pag.  222)  Angaben  uber  das  Aufsaugen  von  Wasser 
mit  Hiilfe  von  Kalkventilen  an  den  Blattern. 

Als  WurzehH  v&n  iqipigen  Saxifraga  aizoon-Exemplaren 
findet  man  daher  meist  Moosraschen  auf  glatten,  nicht 
bespiilten  oder  betretenen  Platten,  oder  in  sicheren  Ecken 
und  Winkeln  auf  nicht  allzu  lukrativen  Spalten. 


III.  Kapitel. 

Aus  tier  alpinen  Region. 

An  gewissen  Wanden  in  den  obern  Regionen  des 
Sentis,  namentlich  aber  am  obersten  der  gewaltigen  Wand- 
komplexe  der  Curfirsten,  den  Gipfelwanden,  tritt  mit  einem 
Schlage  eine  ganz  neue  Lebensform  in  die  Felsflora  ein, 
die  Polsterpflanzen1).  Es  ware  unnutz,  sich  nach 
den  Wurzelorten  der  verschiedenen  Bewohner  dieser 
Hohen  umzusehen,  bevor  die  Bedeutung  des  Polster- 
wnch8es  vollstandig  klargelegt  ist,  spielen  doch  die  Polster- 
pflanzen  eine  Hauptrolle  in   unserer  neuen  Gesellschaft. 

Androsace  helvetica,  eine  alpine  Polsterpflanze. 

Bisher  wurde  die  Bedeutung  des  Polsterwuchses  in 
dem  erlwhten  Verdun-atungsschutze  gesucht,  indem  unter 
dem  dicht  schliessenden,  den  austrocknenden  Win  den 
wenig  Angriffsflaohe  bietenden  Dacho  der  immorgrunen 
Triebe  hygroskopischer,  wasserspeichernder  Humus  an- 
gesammelt  werden  konne2). 

*)  Im  Sentis  steigt  Saxifraga  ccesia  bis  1100  m  hinab. 

*)  Warming  (I)  schreibt  z.  B.:  ,Die  Hochgebirge  zeigen  viele 


284 


Was  ergibt  die  eingehende  Untersuchung  der  Frage? 
Sie  kann  von  dem  Gesagten  zunachst  soviel  bestatigen, 
class  es  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  der 
Wind  ist,  der  den  Polsterwuchs  bedingt  Im 
ganzen  Sentisgebiet  ist  das  Auftreten  der  Androsace  ein 
iiberaus  gesetztnassiges,  so  gesetzmassig,  dass  man  auf 
mehrere  Kilometer  Entfernung  mit  Sicherheit  bestimmen 
kann,  ob  an  einem  Standorte  Androsace  vorkommt  oder 
nicht.  Sie  findet  sich  ausnahmslos  an  alien  stark 
windgepeitscbten  Felsen,  also  z.  B.  an  alien 
Gipfeln  und  Graten  und  an  den  Wanden,  die  eine  Fohn- 
linie  schneiden,  namentlich  an  Sattelo  und  Kerben  der- 
selben  und  nur,  aber  auch  stets  an  solchen  S  tell  en. 

Im  ubrigen  aber  erweist  sich  die  bisherige  Erklarung 


Beispiele  fi'ir  diese  wie  abgebissenen,  dicht  geschorenen,  abge- 
rundeten,  festen,  ja  fast  harten,  aus  Striiucbern  und  aus  Stauden 
bestehenden  Polster,  in  denen  zahlreiche  Zweige,  Blatter  und 
Blattreste  zusammengepackt  sind."  „tTberall  ist  der  Grund  der- 
selbe:  Trockenheit,  durch  einen  oder  den  andern  Faktor  hervor- 
gorufen.  Jene  dicbte  Verzweigung  und  die  Rasenbildung  werden 
fiir  das  Individuum  dadurch  niitzlich,  dass  die  jungen  Sprosse 
beaseren  Schutz  gegen  die  Verdunstung  finden,  sie  schutzen  ein- 
ander  und  werden  von  den  alten  Sprossen  geschiitzt,  in  den  sub- 
glazialen  Gegenden  gegen  Austrocknen  durcb  die  WindeT  in  den 
tropisclien  Wiistengegenden  gegen  Sonnenliebt  und  Wind."  — 
Siehe  auch  die  weiter  unten  zitierte  Ansicht  Meigens.  —  Zuriick- 
haltender  iiussert  sich  Schimpcr  pag.  751 :  nManche  Erscbeinungen 
sind  sogar  okologisch  noch  riitselhaft,  so  die  offenbar  eine  An- 
passung  an  das  alpine  Klima  darstellende  Polsterform  und  der 
charakteristische  Habitus  der  Krunimholzbaume.  In  beiden  Fallen 
ersclieint  ein  Zusammenhang  mit  den  heftigen  Winden  am  wabr- 
scheinlichsten.  Starker  Wind  ist  das  einzige  gemeinsame  Merk- 
mal  der  Standorte  der  Polsterprlanzen  auf  den  Inseln  der  Siidsee 
und  in  der  alpinen  Region  und  die  Krummbolzgestalten  wiederbolen 
sich  oft  an  den  freistehenden  Baumen  und  Strauchern  offener, 
windiger  Meereskusten." 


285 


als  unzulanglich,  und  dies  aus  folgenden  Griinden:  In 
zahllosen  Fallen,  namlich  im  Qrenzgebiet  der  beiden 
Arten,  finden  sich  in  den  von  Androsace  bewohnten 
Spalten  auch  iippige  Potentilla  caulescens-Exem- 
plare,  also  ausgesprochene  Mesophyten.  Man  weiss  aber, 
dass  da,  wo  die  Gebiete  zweier  vikarisierender  Arten 
aneinanderstossen,  sich  die  betreffenden  Spezies  in  ihrem 
Aufkreten  strenge  an  kleine  Variationen  des  sie  schei- 
denden  Faktors  halten  (Wiese  und  Sumpf :  Wassergehalt 
—  Achillea  moschata  und  atrata:  Kalkgehalt  etc.).  Der 
bunte  Wechsel  von  Androsace-  und  Potentilla-Exem- 
plaren  in  einer  und  derselben  Spalte  macht  es  also  nicht 
unwahrscheinlich,  dass  Androsace  helvetica  wenigstens 
wahrend  der  Vegetationszeit  des  Fingerkrauts  —  d.  h.  im 
Sommer  —  kein  anderes  Wasserbediirfnis  hat  als  die 
mesophytische  Potentilla,  denn  sie  senkt  wie  diese  ihre 
Pfahlwurzel  tief  in  den  Fels  hinein,  ist  also  ausgesprochene 
Spaltenpflanze  und  hat  nichts  gemein  mit  einem 
Sedura  oder  Thymian1).  Und  da  zudem  eine  tiefgehende 
Spalte,  wie  wir  wissen,  im  Sommer  nur  ganz  ausnahms- 
weise  ein  trockener  Standort  ist,  so  kann  man  sich  un- 
moglich  mit  der  allgemeinen  Erklarung  begniigen,  dass 
der  Polsterwuchs  eine  Anpassung  an  austrocknende  Winde 
darstelle.  Es  muss  das  Verhdltnis  genauer  angegeben  werden 
konnen. 

Eine  Anpassung  an  Trockenheit  ist  der  Polsterwuchs 
alter  Wahrscheinlichkeit  nach.  Dass  Androsace,  trotzdem 
ihr  im  Sommer  genugend  Wasser  zur  Verfugung  steht, 

*)  Aus  den  Grossenverhaltnissen  der  Wurzelpartien  in  den 
Spalten  und  an  der  Oberflache  geschlossen.  Sedum,  Thymian  und 
Globularia  dringen  zwar  auch  in  Spalten  ein,  aber  ihre  an  der 
Felsoberflache  verlaufenden  Wiirzelchen  ubertreffen  die  „Spalten- 
wurzeln"  meist  an  Ausdehnung. 


286 


eines  Schutzes  vor  Austrocknung  bedarf,  ergibt  sich  leicht 
aus  folgenden  Uberlegungen :  Sie  ist  im  Gegensatze  zu 
der  sommergriinen  Potentilla  immergrun;  sie  ent- 
behrt  an  ihren  windgefegten  Standorten  des 
winterlichen  Schneeschutzes1),  ist  also  auch  in 
den  trockensten  Monaten2)  den  austrocknenden  Winden 
und  den  infolge  der  dunnen,  vollig  dunstfreien  Atmo- 
sphare  in  ihrer  InsolationswirkungungeschwachtenSonnen- 
strahlen  ausgesetzt,  und  das  zu  einer  Zeit,  wo  jeder  Wasser- 
bezug  aus  den  Spalten  verunmoglicht  ist,  da  dort  nur  Eis 
zu  finden  ist,  welchem  der  oft  ganz  plotzliek  eintreteude 
und  nur  kurze  Zeit  dauernde  Sonnenschein  keine  Zeit 
zum  Schmelzen  lasst.  Wieso  also  gerade  der  Polster- 
wuchs  als  Schutz  vor  dieser  unbedingt  todbringenden 
Qefahr  dienen  kann,  ergibt  sich  einmal  aus  den  Wurzel- 
ortsbeobachtungen  und  zweitens  aus  der  Art  der  Be- 
wurzelung  der  Polsterpflanzen. 

An  dem  Musterstandort,  den  ioh  gewahlt  habe,  am 
Fusse  des  obersten  Wandkomplexes  des  Hinterrucks,  in 
genau  2000  Meter  iiber  Meer  (statt  ins  Valsloch  ein- 
zutreten,  steigt  man  unter  den  „Gufelnu  links  an  und 
geht  dann  beim  Auslaufen  derselben  iiber  die  kleinern, 
vorliegenden   Platten    direkt   an    die  Wand)   finden    sich 

y)  Bei  Quint-en  beobaohtoto  ich,  dass  wahrend  eines  starken 
Schnuefalles  keine  einzige  Felsenptianze  zu  seben  war;  sogar  an 
senkrechten  Stellen  war  jede  Pflanze,  mit  Ausnahme  der  Bauuie 
und  Straucbor  und  der  Sesleriakopfcben,  vollstandig  vom  Schnee 
bedockt.  Andern  Tags  dagegen  trat,  da  die  ganze  Nacbt  hindurcb 
beftiger  Sturm  geberrscbt,  aucb  das  kleinste  Pflanzcben  wieder 
unbedeckt  bervor,  obwobl  auf  alien  Wiesen  ca.  1  dm  hocb  Scbnee  lag. 
*)  Dass  tatsacblicb  die  Wlntermonate  in  der  Region  der  An- 
drosace  die  trockenste  Luff  aufweisen,  ergibt  sich  aus  den  neben- 
stebenden  Zahlen  (aus  den  Jabrbiicbern  der  Naturwissenschaft- 
lichen  Gesellscbaft  St.  Gallen). 


287 


Relative  Luftfeuchtigkeit. 


i 

Sentis  (2504  m)      1      Sargans  (507  m)      j 

Jahr 

Jihruiininui 

Tiifste  Minhn    ' 
Jes 

Somnirhalbjabrs 

i                  !  Titfsti  Hiiiii  : 
JihrBtainiiui   !         ies 

'   Wlntirtilbjahrs 

1890 

Nov.: 
Okt.: 

Utt- 

5 
7 

M..-1                   Uft*             !'             H.-.!                  Uft* 

llfla,    FwcMifkiit,      wnx    FMcfctifkiit 
Sept.:     10                 — 

1! 

■Mit       lift-    1 

;      1891 

Febr.: 

10 

Sept.:     15    J]  Mai: 

27 

Marz:     30  ( 

'    1892 

i 
1 

April 
Jan.: 

7 
10 

April :      7 

nich&lniedrigstes 

Mai:       16 

Aug. : 

15 

Mftrz:     24 

1 

i 

i    1893 

i 

Okt.: 
Nov. : 
Mftrz: 

4 

8 
7 

Juni :        9 

Okt.: 
April : 

I 
1 

20 
22 

1 
Okt.:      20  j 

Mftrz:     25  . 

1894 

Jim. : 
Nov.: 

8 
11 

;' 
Juni:      26    "  Juli: 

II 

1 

6 

Mftrz:     19 

1 

1895 

i 

i 

Sept.: 
Nov.: 
Okt.: 

9 
13 
17 

Sept.:       9 

nirhstniwirigstes 
Aug.:     22 

April: 

29 

Marz:     37  ! 

1 

1 

I 

,    1896 

Febr.: 
Dez.: 

12 
13 

il 

Mai:       20       Mai: 

i 
li 

30 

Milrz:     30  i 

;    1897 

Nov.: 

4 

Juni :      18    jj  Dez.: 

25 

Dez.:      25  1 

!    1898 

1 

Sept. : 

5 

Sept. :       5    .   April : 

30 

Milrz:    35  j 

!    1899 

Milrz : 

9 

Juni:      12       Milrz: 

jl 

Nov.:     23 

II 

16 

Mftrz:     16 

dagegen 
1901 

Aug.: 

22 

288 


auf  der  teils  splittrig  abwitternden,  teils  kompakten 
Schrattenkalkwand  von  60 — 70°  Neigung  und  genau  siid- 
licher  Exposition  folgende  Spezies : 


Polster  bildend: 
Androsace  helvetica 
Saxifraga  caesia 
Carex  firma 


Silene  excapa 


Potentilla  caulescens 


Keine  Polster  bildend: 
Carex  mucronata 
Sesleria  coerulea 
Primula  auricula 
Aster  alpinus 
Athamanta  hirsuta 
Gentiana  vulgaris 
Gypsophila  repens 
Erica  caraea 
Globularia  cordifolia 
Dieser  Liste   entspricht  auch   eine  Sonderung   nach 
Wurzelorten    insofern,    als    nur   die    linksstehenden,   die 
Polsterpflanzen  plus  Potentilla  caulescens,  an  Stellen  vor- 
ko  in  in  en  konnen,  die  keinen  an  der  Felsoberflache  zutage 
tretenden  Humus   besitzen,   d.  h.  also    an    den    typischen 
Potentilla  caulescens-Standorten,  wahrend  die  nicht  Polster- 
pflanzen an  Oberflachenhumus  gebunden  sind.  Oberflachen- 
humus  ist  also  fiir  die  Pflanzen  dieser  steilen  Wande  often- 
bar  eine  Lebeyxsbedingung,  die  einen   suchen   ihn  auf,  wo 
ihn  die  Natur  bietet,  die  andern,  die  Polsterpflanzen,  er- 
zeugen  ihn  selbst.  —  Er  wird   auch  bei  Androsace  und 
ahnlich  bei  andern  Polsterpflanzen  (z.  B.  Saxifraga  caesia) 
von  besondern  Wurzeln  durchzogen.   Kleine,  wenige  Zenti- 
meter  lange   Wiirzelchen   gehen   von  jedem   Stammchen 
aus  in  den  Polsterhumus,  ohne  in  die  Spalten  einzudringen. 
Die  Hauptachse,    die  in  die  Spalte  eindringt,  ist  wieder 
wurzellos,    und    erst   im    Innern   der  Wand   begin nt   die 
machtige  Aufsplitterung  des  Hauptwurzelsystems. 

Dass  es  gerade  dieser  Oberflachenhumus  ist, 


289 


bt  diePflanze  in  Sudexposition  bei  Frost  vor 
sm  sichernTode  rettet,  leuchtet  nun  ohne  weiteres 
n.  Wenn  nach  eiskalten  Nachten  plotzlich  die  Sonne 
irchbricht,  so  kann  ein  leichtes  Auftauen  des  bis  tief 
8  Felsinnere  zu  Eis  erstarrten  Wassers  hochstens  an  der 
berflache  siattfinden  und  von  dort  her  ist  auch  der 
nzige  Wasserbezug  moglich.  —  Ohne  die  Einfiihrung 
>r  Polsterkonstruktion  waren  daher  samtliche  Spalten 
>n  dem  geschilderten  Typus,  die  an  der  glatten  Ober- 
Lche  miinden,  trotz  ihrer  reichen  Humusvorrate  im 
mern,  hier  oben  bei  der  enorm  gesteigerten  Evaporation 
r  immergriine  Pflanzen  ganzlich  unbewohnbar.  Durch 
iese  humusbergenden  Bausche  aber  wird  da- 
Lr  gesorgt,  dass  stets  eine  kleine  Menge  Hu- 
us  an  der  Oberflache  festgehalten  bleibt, 
essen  Eis  relativ  rasch  geschmolzen  werden 
Etnn  und  der  Pflanze  bei  Bedarf  das  notige 
rasser  liefert.  —  Das  Eis  aber  steht  dem  Humus 
denfalls  in  hinreichender  Menge  zur  Verfugung;  denn 
e  Rauhfrostbildung  sorgt  ja  wahrend  der  kalten 
»it  fur  bestandige  Eiszufuhr1).  Das  Problem  fur  die 
ianze  besteht  nur  in  der  schnellen  Ausniitzung  des- 
Iben. 

In  den  Zusaminenhang  vorstehender  Ausfuhrungen 
»hort  auch  eine  Bemerkung  aus  Warming:  „Diese  dichten 
>lster,  die  in  den  Hochgebirgen  Amerikas  in  typischer 
>rm  (bei  Azorella  u.  a.)  auftreten,  konnen  unter  anderem 


J)  Wie  bedeutend  diese  sein  kann,  zeigt  dor  Unistand,  dass 
r  vor  ca.  acht  Jahren  in  einem  Waldo  am  Gabris  (Kant.  Appen- 
Ll),  1200  in,  ohne  jeden  Schneefall  sclilitteln  konnten,  da  sich 
sschliesslich  aus  dem  von  den  Tannen  herabgefallenen  Rauh- 
>st  eine  Babn  gebildet  hatte. 


290 


gegen  Austrockimng  dadurch  schiitzen,  dass  ihre  alten 
und  dichten  Massen  sehr  begierig  Wasser  aufsaugen  und 
festhalten,  daher  auch  wohl  wegen  der  token,  speziftschen 
Wlirme  des  Wassers  langer  warm  bleiben,  wenn  sich  die 
Umgebung  abkuhlt"  (Groebel  und  Meyer,  Biologische  Be- 
obachtungen  aus  der  Flora  Santiagos  in  Chile,  Englers  Bo- 
tanische  Jahrbiicher  XVII,  1893). 

Interessant  i8t  ubrigens,  dass  die  im  Februar  schon 
ergriinende  Potentilla  caulescens,  deren  Wurzelorte  beinahe 
identisch  sind  mit  denen  von  Androsace,  praktisch  zu 
demselben  Mittel  greift  wie  die  Polsterpflanzen ;  denn 
obwohl  sie  zur  Zeit  der  grossten  Gefahr  durch  den  Mangel 
an  transpirierendem  Laube  vor  Austrocknung  geschiitzt 
ist,  sind  ihre  ersten  Blattchen  keineswegs  gegen  Frost- 
schaden  gesichert.  Statt  aber  den  Humus  durch  dichtes 
Zusammendrangen  der  einzelnen  Triebe  zu  bergen,  be- 
client  sie  sich  dazu  ihrer  Blatter,  deren  zuerst  erscheinende 
sich  sofort  nach  Entfaltung  des  Spreite  riickwarts  biegen 
und  dicht  dem  Boden  oder  der  vorjahrigen  Blatterdeeke 
anlegen;  denn  wie  im  Friihling  die  hasslichen  gelben 
Blattbuschel  lehren,  wirft  Potentilla  caulescens  die  toten 
Blatter  nicht  ab,  so  dass  also  far  fortwahrendes  Zu- 
sammenhalten  und  stetige  Vermehrung  des  Humus  ge- 
sorgt  ist.  Bei  Potentilla  scheint  ubrigens  die  Haupt- 
menge  des  gespeicherten  Humus  nicht  eigenes  Fabrikat 
zu  sein,  sondern  von  den  Regenwurmern  geliefert  zu 
werden,  die  ihre  Exkremente  unter  das  besprochene 
Blatterdach  abgeben.  (In  den  Polstern  der  eigentlichen 
Polsterpflanzen  findet  man  ubrigens  auch  sehr  haufig 
kleine  Regenwurmer.) 

Eine  Frage  bleibt  aber  noch  zu  beantworten.  Nicht 
nur  die  Sonnenstrahlung,   sondern  auch  der  kalte  Wind 


291 


kt  wasserentziehend  zu  einer  Zeit,  wo  neue  Wasser- 
uhr  unmoglich  ist.  —  Wenn  auch  die  griinen  Gipfel- 
be  der  Stammchen  durch  ihre  Einsenkung  zwischen 
ige  Blattchen  trefflichen  Windschutz  aufweisen  und 
li  das  ineiste  Wasser  der  Pflanze  in  schwerverdunst- 
es  Eis  umgesetzt  ist,  so  wird  doch  bei  der  andauernden 
ndwirkung  der  "Wasservorrat  der  Pflanze  stetig  ab- 
men  mtissen,  und  da  ich  keine  diesbezuglichen  Ex- 
imente  kenne,  muss  ich  mich  auf  den  Einwand  ge- 
it    machen,    dass    dieser   stetige   Wasserentzug   durch 

Wind  weit  wirksamer  sei,  als  der  durch  die  kurze 
varinung   bei  Sonnenschein,   welcher  Umstand  wieder 

ganzen  Erklarungsversuch  liber  die  Bedeutung  des 
*rflachenhumus  ad  absurduin  fuhren  konnte;  denn 
in  kann  doch  die  Bedeutung  einer  Schutzvorrichtung 
it  liegen,  dass  sie  geringen  Gefahren  vorbeugt,  grossen 
[  sicher  eintretenden  gegeniiber  aber  machtlos  ist! 
a  ist  aber,  selbst  wenn  einmal  Zahlen  dartiber  vor- 
;en,  noch  nichts  bewiesen,  so  lange  nicht  neben  deni 
sserverluste  bei  Sonnenschein  auch  die  Menge  des 
chzeitig  aufgesaugten  Wassers  bestimmt  wird;  denn 
ist  nicht  undenkbar,  dass  gerade  bei  solchen 
anenblicken  das  ersetzt  wird,  was  in  langen 
ndperioden  verloren  gegangen  war.  —  Die 
ttchen  von  And  rosace  haben  auch  nichts  gemein  mit 
igners  gelappten  ^Windblattern".  —  Hier  mag 
h  noch  das  Resultat  einer  mit  Androsace  ausgetuhrten 
gang  Platz  finden.    Ein  grosses  lufttrockenes  Exemplar 

wog 48,4  gr 

Wasser  vollgesaugt  (nachdem  koines  mehr 

abtropfte) 124,7  gr 


292 


am  andern  Tage 120,9  grl) 

das  Maximum  der  aufgesaugten  Wassermenge 

betr&gt  also 76,3  gr 

die  abgeschnittenen  grunen  Teile  allein  .     .  25,0  gr*) 
die  to  ten  braunen  Blattchen  und  die  Achsen 

(also  der  „Schwammu) 91,2  gr2) 

Es  lasst  sich  aber  der  Frage  nach  der  Bedeutung 
des  Polsterwuchses  noch  eine  andere  Seite  abgewinnen. 
Schimper  macht  darauf  aufmerksam,  dass  Polsterpflanzen 
sowohl  am  Meeresstrand,  als  auch  in  den  Alpen,  —  wir 
wissen,  an  den  windgefegten  und  deshalb  schneefreien 
Stellen  —  vorkommen  und  nennt  den  Wind  als  bedingende 
Ursache,  da  nur  dieser  ein  gemeinschaftliches  Merkmal 
der  beiden  Lokalitaten  ist.  Im  gleichen  Zusammenhang 
zahlt  er  die  Krummbolzer  auf.  Er  hiitet  sich  aber,  speziell 
die  austrocknende  Eigenschaft  des  Windes  als  Ursache 
zu  nennen.  Wir  wissen,  dass  Warming,  der  dies  tut7 
damit  kaum  das  Richtige  getroffen  haben  kann.  Im 
Sommer  steht  Androsace  als  Spaltenpflanze  genug  Wasser 
zur  Verfiigung,  und  bevor  dasselbe  in  den  Spalten  ver- 
eist,  diirfte  schon  die  ganze  oberflachliche  Pflanze  ver- 
eist,  also  einigermassen  vor  Wasserverlust  geschiitzt  sein. 
—  Die  beiden  Standorte:  Meeresstrand  und  alpiner  Grat 
stimmen  aber  noch  in  einer  Hinsicht  iiberein,  und  diese 
scheint  mir  die  ausschlaggebende  zu  sein;  an  beiden  fuhrt 
der  Wind  „Schleifpulveru  mit  sich,  am  Meeresstrande 
Sand,  in  den  Alpen  Eiskristalle,  und  an  beiden 
Ortm  muss  sich  die  Vegetation  durch  starke  Behaarung 
und  Zusammendriingen  der  Triebe  vor  dem  Abrasierttverden 

v)  und  ')  Die  Gewichtsdifferenz  zwischen  !)  und  *)  beruht  auf 
Wassorverlust  wuhrend  des  Abschneidens. 


293 


xiitzen1).  Vielleicht  erhellt  dieser  Gesichtspunkt  auch 
n  Umstand,  dass  das  Meeresufer  und  die  Steppe  im  Ver- 
aich  mit  andern  Gebieten  so  viele  „filzigeu  Xerophyten 
fweisen  und  konnte  also  vielleicht  zur  nahem  Klassi- 
ierung  der  Xerophyten  beitragen. 

Noch  ein  accessorischer  Vorteil  mag  allerdings  ge- 
jentlich  den  Polsterpflanzen  aus  ihrer  Bauart  erwachsen. 
ireh  den  aufgespeicherten  Oberflachenhumus  ist  die 
lanze  im  Stande,  in  Zeiten  anhaltender  Diirre  und  Aus- 
>cknung  der  Spalten  auch  die  geringen  Regenmengen, 
3  niemals  in  die  Tiefen  des  Felsens  eindringen  konnen, 
8zuntitzen.  Doch  kann  dieser  Umstand  nach  dem  Vor- 
sgegangenen  nicht  von  grosser  Bedeutung  sein.  Er 
tscheidet  nicht  (iber  Sein  oder  Nichtsein.  Hochstens 
hnt  er  die  Besiedelungsmoglichkeit  auch  auf  etwas 
musarmere  Spalten  aus. 

Aus  dem  Vorhergehenden  hat  sich  nun  auch  schon 
yeben,  was  wir  in  der  ganzen  Arbeit  suchen:  der 
urzelort.  Er  ist  sehr  oft  identisch  mit  dem  Stand- 
te;  denn  an  den  obersten  Graten  und  Zacken  steigert 
•,h  die  Gewalt  des  Sturmes  und  namentlich  seine,  in- 
ge  der  mitgefuhrten  Steinchen  und  Eiskristalle  aus- 
iibte  Erosion swirkung  so  sehr,  dass  kein  Kornchen 
imus  an  der  Oberflache  haften  bleibt,  sogar  die  zahen 


*)  In  einer  Mulde  eines  norwegischen  Fjelds  (iai  Vals)  konnte 
i  folgendea  beobachten :  Etwa  1  in  iiber  dem  Boden  (also  in 
ineehdhe)  beginnt  dort  die  Farbo  der  Telegrapbeustangen  je 
ch  der  Exposition  eine  unglnichc  zu  werden.  Auf  der  Seite, 
i  von  den  starken  Winterstiirmen  getroffen  wird  (je  nach  der 
jlle  N,  NW,  W),  ist  die  Farbe  milchweiss  und  das  Holz  zu  feinen 
serchen  zerzaust,  im  Win dsc batten  aber  braunlicb  und  das  Holz 
mpakter.  Ich  zogere  nicht,  darin  oine  Wirkung  der  angetriebenen 
skristalU  zu  sehen. 


294 

Carex  firma-Polster  werden  da,  wo  sie  sich  zu  weit  vor-  ' 
wagen,  jammerlich  zerfetzt.  An  solchen  Stellen  ist  An-  I 
drosace  helvetica  sehr  oft  die  einzige  Besiedlerin,  denn 
nur  sie  vermag  auch  da  den  nnumgftnglich  notwendigen  i 
Oberflachenhumus  zu  beschaffen.  Bleibt  aber  solcher 
trotz  der  Gewalt  des  Sturmes  in  Furchen  und  Fugen  und 
Lochern  haften,  so  ist  sie  auf  den  iibrigen  Raum  be- 
schrankt:  auf  glatte,  senkrechte  oder  (iberhangende  *) 
Stellen,  bei  Seewerkalk  mit  senkrecht  stehenden  Klippen 
auf  die  Klippen,  wahrend  sie  den  Talchen  vollig  fehlu 
Imraer  aber  meidet  sie  Schneebedeckung,  fehlt 
also  zumeist  der  Ostexposition 2).  —  Immerhin  fand  ich 
unter  den  tausenden  andern  zvvei  Prachtexemplare  an 
einer  Stelle  auf  der  Sentisspitze,  wo  mit  Bestimmtheit 
winterliche  Schneebedeckung  vorauszusehen  war.  Der 
Fund  qualte  in  ich  sehr,  erwies  sich  doch  dadurch  der 
ganze  Erklarungsversuch  iiber  die  Bedeutung  des  Polster- 
wuchses  als  n  ich  tig.  Ich  klagte  mein  Leid  Frau  Bommer, 
worauf  mir  diese  inittelte,  ihr  Mann,  der  Vorstand  der 
meteorologischen  Station,  hatte  die  Exemplare  dorthin 
gepflanzt. 

Erinus  alpinus  als  Typus  eines  SchneeschQtzlings. 

Ganz  unabhangig  von  den  Beobachtungen  iiber  An- 
drosace  helvetica  und  das  Wesen  ihres  Polsterwuchses 
erschloss  sich  mir  ein  Einblick  in  das  Leben  einer  unserer 
zierlichsten  Alpenpflanzen,  und  damit  in  eine  Gesellschaft, 


*)  Die  hiiutige  Erseheinung,  class  an  Stelle  der  halbkupel- 
formigen  Polster  nur  kleinere  Kugelsektoren  an  den  Wanden 
klebcn,  lasst  vermuten,  class  Androsace  an  freien  Wanden  hautig 
unter  Steinschlag  und  Lawinen  leidet. 

*)  Aus  dem  Vorhergehenden  ergibt  sich  bloss,  dass  Androsace 
an    frostgefiilirdeten  Stellen   bestehen   kann,  aber  nioht,  weshalb 


295 


3  okologisch  einen  ausgesprochenen  Gegensatz  zu 
adrosace  darstellt. 

Erinus  alpinus  wurde  schon  einmal  angefiihrt  als 
le  Spezies,  die  bei  Quinten  streng  auf  Gault,  Neocom 
d  auch  Seewerkalk  lokalisiert  ist,  wahrend  sie  dem 
dm  und  Schrattenkalk  abgeht,  mit  Ausnahme  zweier 
)rkommnisse  in  Couloirs.  Es  wurde  auch  schon  an- 
geben,  dass  er  sich  aber  weiter  oben  iiberaus  haufig 
f  Malm  und  Schrattenkalk  einstellt. 

Die  besondere  Art  seines  Auftretens  in  den  obern 
jgionen  ist  fur  uns  nun  interessant.  Er  findet  sich 
mlich  stets  nur  da  am  Fusse  grosserer  Wand- 
implexe,  wo  dieselben  in  Schutthalden  oder  Rasen- 
chen  eintauchen,  und  zwar  bis  in  eine  Hohe  von  ca.  4  m 
er  dem  Boden.  Er  fehlt  aber  den  obern  Partien  der 
£nde  und  auch  da  am  Fusse  derselben,  wo  die  Differenz 
ischen  der  Neigung  der  Wand  und  der  Neigung  der 
tide  keine  ausgesprochene  ist,  sei  es  dadurch,  dass  eine 
iche  iiberhaupt  nicht  existiert,  sei  es  dadurch,  dass  der 
)ergang  von  Wand  zu  Halde  ein  allmaliger  ist,  oder 
ch  namentlich  dadurch,  dass  eine  vorspringende  Kante 
r  Wand  sich  auch  in  einen  steil  abfallenden  Rasenrttcken 
•tsetzt.  Man  denke  nicht,  dass  diese  Angaben  deshalb 
zuverlassig  sein  miissen,  weil  das  Absuchen  der  obern 
andpartien  mit  Schwierigkeiten  verkniipft  ist.  Gerade 
i  Schrina-Hochrugg  unter  Obersass,  wo  ich  diese  Be- 
achtungen  zuerst  anstellte,  ist  es  an  einigen  Stellen 
)glich,   die  Malmwande  in   ihrer  ganzen   Hohe   zu  er- 


Orte  mit  Sclineebedeckung  nieidct.  Leider  kann  ich  nicht  ent- 
Leiden,  ob  sio  hier  durch  Konkurrenten  vertrieben  werden  kann, 
sr  ob  sie  durch  ihren  Wuchs  darauf  angewieson  ist,  auch  ini 
nter  zu  assimilieren. 


296 


klettern  und  auch  die  Gipfelwande  sind  dadurch  einiger- 
massen  kontrollierbar,  dass  einzelne  „Gufel"  (vide  Ein- 
leitung)  es  erlauben,  in  verschiedener  Hohe  denselben 
entlang  zu  kriechen.  Bis  jetzt  fand  ich  aber  trotzdem 
nur  ein  einziges  Exemplar  mitten  an  einer  grossen  Wand. 
Aufschluss  uber  dieses  seltsame  Verhalten  habe  ich 
der  schlechten  Witterung  zu  verdanken.  Ihr  zufolge 
ent9andten  namlich  noch  Mitte  Juni  einzelne  der  Couloirs 
am  Fusse  der  „Brisiu-  und  „Frumselu-Wande  gewaltige 
Neuschneelawiuen  auf  die  Alp  Obersass,  so  dass  also  etwa 
die  Verhaltnisse  der  Monate  Marz  oder  April  anderer 
Jahre  hergestellt  waren.  Stieg  ich  auf  den  so  gebildeten 
Schneekegeln  an  die  Wande  heran,  so  war  nirgends  etwas 
von  Erinus  zu  erblicken,  untersuchte  ich  aber  die  Wande 
bei  den  Couloirs,  die  noch  keineNeuschneelawinen  entlassen 
hatten,  so  fand  ich  Erinus  in  schonster  Bliite  bis  in  ca.  4  m 
Hohe,  d.  h.  also  genau  in  der  Zone,  die  an  den  andera 
Wanden  noch  von  Lawinenschnee  bedeckt  war.  Der 
einzig  mogliche  Schluss  war  der:  Erinus  bedarf  als 
reine  Spaltenpflanze  im  Winter  und  in  der 
Fro9tzeit  des  Schutzes  vor  Austrocknung.  Da- 
her  an  den  warmen,  schneefreien  Wanden  der  Niederung 
seine  Lokalisierung  auf  die  wasserspendenden  oder  doch 
haufig  iiberrieselten  Gault-  und  Neocomwande,  daher  sein 
Fehlen  auf  dem  trockenen  Malm  und  Schrattenfels,  mit 
Ausnahme  der  Couloirs,  daher  auch  weiter  oben  seine  so 
auifallend  modifizierte  Beschrankung  auf  den  Fuss  der 
Wande,  an  denen  er  durch  den  hochaufgetiirmten  und 
lange  liegenbleibenden  Schnee  vor  jedem  Wasserverlust 
bewahrt  bleibt,  solange  in  den  Spalten  nur  Eis  vorhanden 
ist,  aber  auch  genau  nur  so  lange.  —  Die  Wurzelorts- 
bestimmung  wurde   dann  spater  durch  samtliche  Funde 


297 


m  Erinus  alpinus  als  richtig  best&tigt.  Und  Erinus 
pinus  ist  eine  haufige  Pflanze,  so  dass,  wenn  wir  nicht 
>ch  greifen,  500  bis  1000  Beobachtungen  gegen  eine 
rechen  (vide  Einleitung). 

Es  fragfc  sich  nun,  ob  Erinus  alpinus  die  einzige 
>ezies  ist,  welche  winterlichen  Schneeschutz  sucht,  oder 
>  deren  mehrere  sind. 

Mit  einiger  Sicherheit  kann  ich  in  dieser  Hinsicht 
ir  noch  eine  Pflanze  Erinus  zur  Seite  stellen:  Alchi- 
illa  Hoppeana,  eine  Spezies,  die  xnir  viel  Kopfzerbrechens 
achte,  da  ich  anfangs  nur  beobachtete,  dass  sie  auf  den 
>rabgefallenen  Blocken  am  Fusse  der  Wande  haufig 
ir,  den  freien  Wandpartien  aber  stets  fehlte,  wahrend 
dere  Spezies,  wie  z.  B.  Festuca  pumila,  sich  gleich- 
assig  auf  Wande  und  Blocke  verteilten,  so  dass  ich 
cht  von  vorneherein  die  Schneewirkung  zur  Erklarung 
>rbeizuziehen  wagte,  und  forschte,  ob  Alchimilla  nicht 
wa  Wurzelorte  besasse,  die  nur  auf  Blocken  gegeben 
in  konnten.  Es  war  mir  aber  wider  alles  Erwarten 
tmoglich,  okologische,  in  den  Eigenschaften  der  Blocke 
lbst  liegende  Verschiedenheiten  zwischen  Blocken  und 
'anden  herauszufinden.  So  liess  ich  diese  Untersuchung 
hen,  bis  ich  eine  auffallende  Ahnlichkeit  in  den  Vor- 
^mmnissen  von  Alchimilla  und  Erinus  konstatierte,  so 
.88  ich  heute  nicht  mehr  zweifle,  dass  die  Bestimmung 
ir  Wurzelorte  von  Erinus  auch  fur  Alchimilla  Hoppeana 
.trifft,  wenigstens  in  Slidexpositionen.  Erinus  alpinus 
nd  ich  nie  in  Nordexpositionen,  wohl  aber  Alchimilla 
oppeana  und  zwar  auch  an  Stellen,  an  denen  nicht  mit 
»soluter  Sicherheit  winterlicher  Schneeschutz  voraus- 
>8etzt  werden  darf x).     Okologisch  ist  dies  jedoch  ohne 

*)  Es  lasst  sich  dies  eben  schwer  im  Sommer  entscheiden.  Ich 


298 


Belang,  da  in  Nordexpositionen  der  Region  der  Alchi- 
milla  die  Frostgefahr  sowieso  ausser  Betracht  fallt 

Aufs  ausserste  verbliiffl  war  ich  dann  allerding9,  als 
ich  ca.  V*  Jahr  nach  der  Fertigstellung  dieser  Arbeit  in 
norwegischen  Gebirgstdlern  ostlich  vom  Sognefjord  Alchi- 
milla  Hoppeana  hoch  oben  an  vollig  glatten,  beinahe 
senkrechten  Felswanden  antraf.  Nach  der  Aussage  eines 
Einheimischen  und  nach  eigenem  Dafurhalten  kann  dort 
von  winterlicher  Schneebedeckung  nie  die  Rede  sein. 
Aber  auch  die  Frostgefahr  ist  in  den  tiefen  und  engen, 
von  Ost  nach  West  streichenden  Talern  ausgeschlossen; 
denn  wenn  in  dieser  Breite  die  Sonne  so  hoch  gestiegen 
ist,  dass  sie  fiber  den  sudlichen  Berghang  hinwegzuschauen 
verraag,  zieht  schon  bald  der  Sommer  ins  Land.  —  Dieses 
Verhalten  der  Alchimilla  scheint  mir  nicht  nur  ihre  eigenen 
Lebensbedingungen  scharf  zu  beleuchten,  sondern  aach 
einen  wertvollen  Gesichtspunkt  zuui  Vergleiche  der  nor- 
wegischen und  alpinen  Flora  zu  liefern.  —  Dabei  habe 
ich  aber  zu  bemerken,  dass  mir  eine  norwegische  Bo- 
tanikerin,  Frau  Dr.  Th.  R.  Resvoll,  schrieb,  sie  entsinne 
sich,  Alchimilla  alpina  auch  an  stark  windgefegten  Stellen 
gefunden  zu  haben. 

Die  haufige  Saumung  der  Wandsockel  durch  Rhodo- 
dendron hirsutum  und  deren  Vorliebe  fur  Nord exposition 
liessen  mich  auch  fur  die  Alpenrose  dasselbe  vermuten; 
ebenso  fur  Arabis  alpina,  doch  mochte  ich  fiber  diese 
beiclen  Spezies  noch  nicht  das  letzte  Wort  gesprochen 
haben. 

Wegen    der   mutmasslichen    Mehrzahl    der   Pflanzen 

weiss  sic  her,  dass  iiber  100  in  hohe  Wftnde  verschneit  sein  konnen, 
anderseits  zeigt  der  verschneite  Nordabhang  des  Sentis,  von  StGallen 
aus  geseben,  bei  Wind  schwarze  schneefreie  Wande  in  Masse. 


299 


rom  Typus  des  Erinus  alpinus  habe  ich  nach  einer  ge- 
neinschaftlichen  Bezeichnung  fur  sie  gesucht  und  glaube 
lie  auch  im  Worte  „Schneeschutzlingeu  gefunden  zu  haben. 

Carex  firma  und  Silene  acaulis1). 

Das  mir  ge9etzte  Ziel,  Wurzelorte  zu  bestimrnen, 
connte  ich  weder  bei  Carex  firma,  noch  bei  Silene  acaulis 
nreichen;  vielleicht  konnen  aber  trotzdem  einige  Be- 
>bachtungen  einmal  Verwendung  finden. 

Ich  nenne  die  beiden  Pflanzen  deshalb  gleichzeitig, 
veil  sie  oft  in  enger  Beziehung  zueinander  stehen.  Sie 
tcheinen  mir  sogar  besonders  deutlich  die  Moglichkeit 
ju  demonstrieren,  dass  in  topographisch  einem  und  dem- 
elben  Orte  die  Wurzelorte  fiir  zwei  verschiedene  Spezies  ge- 
jeben  sein  konnen. 

Carex  firma  ist  Monokotyledone.  Sie  ersetzt  die 
Pfahlwurzel  durch  zahlreiche  Faserwurzeln,  welch  letztere 
sudem  noch  recht  kurz  sind  (10 — 20  cm)  und  ist  daher 
larauf  angewiesen,  zugleich  mit  jeder  Faser  zu  arbeiten, 
venn  sie  mit  den  reich-  und  langwurzeligen  Dikotyle- 
lonen,  die  ihr  in  der  xerophytischen  Ausriistung  keines- 
vegs  nachzustehen  brauchen,  konkurrieren  will.  Und  so 
onderbar  es  klingt,  bewohnt  die  als  typische  Xerophyte 
>ft  genannte  Pflanze  am  Stidabhange  der  Curfirsten  denn 
mch  rissige  Stellen,  die  sich  dadurch  auszeichnen,  dass 
ie  stets  einige  Tage  nach  lange  andauerndem  Begen 
ioch  triefen,  wiihrend  alle  andern  schon  vollig  aus- 
jetrocknet  sind.  —  Dass  an  einem  derartigen  Standorte 
licht  nur  eine  Pflanze  mit  kurzen  Wurzeln  Platz  hat, 
ondern   auch    noch    eine   solche   mit    sehr    tiefgehenden 

!)  Ich  kann  in  diesen  Bernerkungen  keinenUnterschied  mac  hen 
wischen  Silene  acaulis  und  S.  excapa. 


300 


Pfahlwurzeln,  ist  leicht  verstandlich,  bietet  doch  der  freie 
Fels  Raum  genug,  alles  Chlorophyll  ans  Licht  zu  tragen. 
Tatsachlich  Ziehen  denn  auch  iiberaus  haufig  unter  den 
Carex  firma-Polstern  machtige  Pfahlwurzeln  ebenso  mach- 
tiger  Silene  acaulis-Exemplare  dahin,  urn  sich  genau 
da,  wo  auch  die  Carex  wurzelt,  in  die  Spalten  zu  senken, 
nur  bedeutend  tiefer  eindringend.  Und  die  beiden  Spezies 
scheinen  gute  Nachbarschaft  zu  halten  und  einander  nicht 
gegenseitig  zu  verdrangen.  Man  findet  namlich  bei  den 
beschriebenen  Felsverhaltnissen  nirgends  Stellen  rnit  Rein- 
bestanden  von  Silene  acaulis  und  erdriickten  Carex  firma- 
Polstern  oder  umgekehrt  Reinbestande  von  Carex  firma 
mit  erdriickten  Silenekolonien.  Es  ware  auch  kaum  Zeit 
vorhanden,  einen  allfalligen  Kampf  auszutragen,  da  Carex 
firma,  und  bald  auch  Silene  acaulis  mit  ihr,  sobald  sie 
recht  uppig  gedeihen,  durch  zwei  weitere  Carices  iiber- 
wuchert  werden:  durch  Carex  sempervirens  und 
Carex  ferruginea.  —  Die  hauptsachlichsten  Standorte 
von  Carex  firma  sind  zweifellos  wahrend  langerer  Zeit 
berieselte  Felsen.  Aber  auch  die  hochsten  Grate 
sind  haufig  von  Carex  firma-Bestanden  bedeckt  und  daraus 
hat  man  dann  wohl  auf  die  Xerophylie  dieser  Pflanze 
geschlossen.  Alle  diese  Grratstandorte  sind  jedenfalls 
solche,  an  denen  entweder  viel  Schnee  liegen  bleibt,  oder 
die  doch  sonst  wahrend  einer  gewissen  Zeit  stark  von 
Schmelzwasser  bespiilt  werden,  so  dass  also  wenigstens 
zeitweise  und  zwar  nicht  nur  bei  Regenwetter,  sondern 
oft  auch  bei  Sonnenschein,  Carex  firma  reichlich  mit 
"Wasser  versorgt  wird.  Langere  Zeit  hindurch  mogen 
dann  allerdings  ihre  Standorte  wieder  jeglichen  Wassen 
entbehren.  —  Vielleicht  erweist  sich  Carex  firma  einmal 
als  ein  ganz  besondwer  Typiis  unter  den  Xerophyten;  is* 


301 


>ch  ihre  Blattstruktur  mit  den  grossen  Lumina1)  schon 
ifallend  genug,  und  das  allerauffallendste  an  ihr  ist 
Dhl  das  schon  erwahnte  kurze  Wurzelwerk.  Kurze 
urzeln  bei  einem  —  brauchen  wir  das  Wort  — 
erophyten !  Und  dann  die  beinahe  liederlich  zu  nennende 
sfestigung  ihrer  Polster!  Es  gibt  kaura  ein  aufregenderes 
let  tern,  als  an  den  Orten,  wo  man  sich  auf  Carex  firma- 
)lster  verlassen  muss.  Sie  liefern  schone  Stufen,  geben 
•er,  indem  ihre  Wurzeln  aus  den  Spalten  gezerrt  werden, 
fort  nach,  wenn  man  sie  nicht  gleich  wieder  verlasst. 
.ich  durch  Steinschlag  und  Lawinen  haben  die 
irex  firma-Rasen  deshalb  viel  zu  leiden,  sieht  rhan  doch 
fc  Fetzen  von  ihnen  den  Hauptteil  des  auf  schmelzendem 
iwinenschnee  zuriickbleibenden  Pflanzen detritus  aus- 
achen.  Und  unten  an  Carex  firma-Halden  finden  sich 
lenthalben  kleine  und  grosse,  bis  mehrere  Zentner 
hwere  losgerissene  Reinbestande  unserer  Segge.  Mit 
irex  ferruginea  oder  sempervivens  uberwachsen,  reisst 
>  nicht  mehr  ab. 

Silene  acaulis  unterscheidet  sich  von  Carex  firma  aus- 
sprochenermassen  dadurch,  dass  ihre  Teppiche  immer 
ichtigen,  oft  aiu  untern  Rande  anderer  Rasen  selbst 
fgestauten  Humusmassen  aufliegen.  Viel  Humus 
heint  ihre  Lebensbedingung  zu  sein  und  findet  sie 
yenciwo  solchen,  so  ist  sie  auch  im  Stande,  ihn  unter 
3rdrangung  anderer  Besiedler,  namentlich  von  Carex 
ma  zu  erobern2),  welch  letztere  im  Gegensatz  zu  dem 

')  Es  eroffnet  eine  interessante  Perspoktive,  dass  Jungner 
jse  Lumina  als  typisches  Merkmal  seiner  vKiilte blatter"  anfiihrt. 

*)  Silene  acaulis  kann  ubriorens  auch  wio  Androsace  an  wind- 
fegten  Orten  gedeihen,  ihre  hiiufigsten  Standorte  zeigen  aber 
nterliche  Schneebedeckung. 


H 


302 


vorhin  Gesagten  im  iippig  vordrangenden  Silene  acaulis- 
Rasen  einfach  ertrinkt.  Bezeichnend  fiir  das  Gesagte  ist 
vor  allem  eine  Stelle  bei  den  Schniiren  (ca.  2300  m  Nord- 
exposition).  Dort  wechseln  in  schmalen  Streifen  humus- 
reiches   Neocom    und   humusarmer  Schrattenkalk   mehr- 

Und  zwar  tragt 

der  Schrattenkalk: 


viel  Carex  firma 

.Dryas  octopetala 
Festuca  pumila 
Saxifraga  moschata 
Saxifraga  aphylla 

aber  keine  Silene  acaulis. 


raals  miteinander  ab. 
das  Neocom: 
viel  Silene  acaulis 

Dryas  octopetala 

Salix  retusa 

Saxifraga  aizoon 

Saxifraga  oppositifolia 

Saxifraga  aizoides 

Ranunculus  alpestris 

Polygonum  viviparum 

Alsine  verna 

Alsine  sedoides 
nur  sehr  wenig  Carex  firma 

und  Festuca  pumila. 

Carex  mucronata. 

In  den  tiefern  Regionen  lernten  wir  Pflanzen  kennen, 
(Globularia,  Sedum  album.  Thymus),  die  den  verschwemm- 
ten  und  verzettelten  Humus  zusammenhalten  und  aus- 
nutzen.  Es  ist  von  vornherein  einleuchtend,  dass  in  den 
haufigen  Stiirmen  der  alpinen  Region  unbesiedelter  Humus 
nicht  mehr  so  leicht  vor  dem  Verwehtwerden  bewahrt 
werden  kann  wie  unten  und  es  wird  nicht  so  sehr  ver- 
wundern,  wenn  wir  hier  oben  nochmals  einem  neuen 
System  zur  Stabilisierung  des  verzettelten  Humus  be- 
gegnen. 

In  Carex  mucronata  tritt  uns  eine  Spezies  ent- 


303 


gegen,  die  sich  als  ausgesprochene  Spaltenpfiawe  darauf 
verlegt  hat,  den  verschleppten  Humus  aufzufangen.  Die 
Schrattenkalkwande  besitzen  sehr  oft  an  der  Oberflache 
mehrere  Zentimeter  weit  klaffende  Rinnen  und  Spalten, 
deren  Gehalt  an  Erde  die  Felsoberflache  nicht  erreicht. 
Ihre  Rander  sind  aber  von  Flechten  und  Moosresten 
derart  verklebt,  dass  eine  genugsame  Pflanze  an  etwas 
engen  Stellen  dennoch  ausreichenden  Humus  findet,  um 
dort  ein  bis  mehrere  Jahre  auszuhalten.  Eine  solche 
Pflanze  ist  nun  eben  Carex  mucronata,  die  haufigste 
Spezies  besonnter  Wande  in  den  obern  Regionen,  die 
aber  spater  keineswegs  den  Eindruck  einer  anspruchslosen 
Pflanze  macht,  steht  ihren  alten  Exemplaren  doch  oft 
Erde  im  Uberfluss  zu  Gebote,  und  dies  aus  folgendein 
Grunde:  Carex  mucronata  wachst  dichtrasig.  Die 
untersten  Teile  vorjahriger  Triebe  verwittern  aber  nicht 
nach  dem  Absterben,  sondern  bleiben  als  kleine,  ca.  2  cm 
grosse,  mit  der  Grundachse  fest  verbundene,  einige  Milli- 
meter voneinander  entfernte  Zapfchen  bestehen  und  starren, 
je  nach  der  Art  der  Spalte,  bald  nach  alien  Seiten  oder 
bilden  einen  ebenen  Rasen,  der  oft  tiefer,  oft  oberflach- 
licher  die  Spalte  ausfiillt.  Das  Ganze  sieht  dann  aus 
wie  eine  Lawinenverbauung  en  miniature  und  wirkt 
auch  ganz  ahnlich.  Was  durch  die  Spalte  herabfallt, 
wird  an  dem  Rechen  der  Zapfchen  gestaut,  rasch  ist  die 
Spalte  gefullt,  und  als  beata  possidens  ist  Carex  mucro- 
nata nicht  mehr  so  leicht  zu  verdrangen.  Dabei  scheint 
es,  dass  Carex  mucronata  nicht  wie  Globularia  cordifolia 
grosstenteils  trockenen  Detritus  aufFangt,  sondern  ihrer 
ganzen  Einrichtung  und  ihren  Standorten  gemass  ist  es 
wahrscheinlich,  dass  sie  denselben  durch  Filtrieren  des 
bei    starkein    Regen    herabrinnenden,    detritusfuhrenden 


304 


Wassers  gewinnt;  doch  kann  ich  nicht  wie  bei  Globu- 
laria  direkt  diesbezugliche  Beobachtungen  anfuhren 1).  So 
gelangt  also  Carex  mucronata,  die  wohl  kaum  im  Stande 
ist,  sich  an  einer  schon  gefullten  und  besetzten  Spalte 
anzusiedeln,  dennoch  zu  einem  guten  Boden,  indem  sie 
sich  auf  leeren  Spalten  ansiedelt,  noch  lange  bevor  ihr 
Konkurrenz  erwachsen  kann,  und  sie  dann  selbst  fiillt 
Noch  eine  Bemerkung:  Carex  mucronata  wachst  in 
Rinnen;  aber  diese  Rinnen  fuhren  in  sehr  vielen  Fallen 
weder  Quellwasser,  noch  aus  einem  grosseren  Sammel- 
gebiet  Regenwasser.  Erheblicher  Wasser-  und  damit 
Detritustransport  kann  also  nur  bei  Platzregen  statthaben, 
wenn  sowieso  alles  an  der  Oberflache  mit  Wasser  iiber- 
reichlich  bedacht  wird.  Wenn  also  Carex  mucronata  doch 
solche  Rinnen  aufsucht,  so  deutet  das  darauf  hin,  dass 
wir  hier  einen  Fall  vor  uns  haben,  bei  dem  ein  Wasser- 
lauf  nicht  wegen  des  Wassers,  sondern,  wie  ausgefuhrt, 
des  Sch we m materials  wegen  aufgesucht  wird. 

Globularia  cordifolia. 

Ich  mochte  hier  nur  bemerken,  dass  Globularia  neben 
dem  bekannten,  in  der  alpinen  Region  noch  einen  ganz 
andern  Beruf  ausiiben  kann.  Viele  kleine  Moospolsterchen 
bedeuten  fiir  sie,  wie  verstandlich,  dasselbe,  was  viele 
kleine  humustragende  Vorspriinge  mit  Spalten,  so  dass  wir 
sie  an  den  Gipfelwanden  der  Curfirsten  oft,  statt  an  der 

l)  "Cberhaupt  bin  ich  schuldig,  mitzut-eilen,  dass  diese  Be- 
rn erkungen  iiber  Carex  mucronata  zwar  in  jedem  Falle  ihre  Be- 
statigung  fanden,  doch  bietet  dies  meiner  Erfahrung  gemass  noch 
wenig  Garantie  fiir  deron  Richtigkeit,  da  ich  erst  in  den  letzten 
Untersuchungstagen  auf  den  erwahnten  Zusammenhangaufmerksam 
wurde.  —  P.  S.  An  wenigen  Exemplaren  verifiziert.  Pfingsten  1904. 


306 


freien    Wand,    die    mooshaltigen   Karrenfurchen   entlang 
kriechen  sehen. 

Gypsophila  repens. 

Ich  habe  nur  eine  kleine  Beobachtung  anzufiihren. 
Gypsophila  repens  ist  eine  gemeine  Pflanze  warmer, 
trockener  Wande.  An  solchen  bleibt  sie  jedoch  stets 
klein.  Zu  iippiger  Ausbildung  gelangt  sie  nur  dort,  wo 
iiber  die  Wand  zeitweise  ein  kleines  Wasserchen  zu  Tale 
fahrt  und  sie  auch  wahrend  des  sonnigsten  Wetters  mit 
einem  funkelnden  Spriihregen  besprengt  wird.  —  In  Zu- 
sammenhang  darait  steht  die  Eigenschaft  ihrer  Blatter, 
fast  absolut  xiribenetzbar  zu  sein ;  nach  tagelangem  Regen 
erwiesen  sie  sich  vollstandig  trocken,  wahrend  ihre  Nach- 
barn  Campanula  pusilla,  Carex  firma,  Carex  humilis,  Rho- 
dodendron hirsutum,  Alchimilla  Hoppeana,  Galium  sil- 
vestre,  Athamanta  hirsuta,  Primula  auricula,  Campanula 
rapunculus?,  Silene  acaulis,  Asplenum  ruta  muraria,  Saxi- 
fraga  aizoon  und  sogar  Saxifraga  aizoides  mit  einer  dtinnen 
Wasserschicht  iiberzogen  waren.  Das  Experiment 
lieferte  Resultate  in  demselben  Sinne.  Untergetauchte 
Gypsophilablattchen  waren  immer  silberglanzend  von  der 
adharierenden  Luftschicht.  Ich  erwartete  also  eine  be- 
stimmte  Struktur  der  Blattoberflache  zu  finden,  konnte 
aber  auf  Schnitten  keine  deutlichen  Erhebungen  wahr- 
nehmen.  Die  Fahigkeit,  nicht  benetzt  zu  werden,  scheint 
denn  auch  nicht  durch  eine  formelle  Struktur,  son- 
dern  durch  einen  Wachsiiberzug  allein  bedingt  zu 
sein,  denn  es  geniigt  ein  sekundenlanges  Untertauchen 
in  Ather,  um  vollkommene  Benetzbarkeit  mit  Wasser 
hervorzurufen.  Dass  Gypsophila  an  solchen  Orten  mit 
fast  ewigem  Regen  infolge  der  unbehinderten  Moglich- 


306 


keit  zu  atmen,  itu  grossen  Vorteil  ist  und  allein  so  uppig 
gedeihen  kann,  ist  ohne  wei teres  einleuchtend. 

An  Saxifraga  aizoides 

ist  zu  beobachten,  dass  diese  leicht  benetzbare  Pflanze 
feuchter  Felsen  nicht  etwa  wie  Gypsophila  repens  da 
auftritt,  wo  dieselben  durch  herabfallendes  Wasser  be- 
spriiht  werden,  sondern  nur  an  sogenannten  quelligen 
Or  ten,  wo  das  Wasser  dem  Felsen  entlang  rinnt. 

Im  ubrigen  ist  Saxifraga  aizoides  eine  Steinbrech- 
art,  deren  Haushalt  mir  insgesamt  unklar  ist* 

Pinguicula  alpina. 

Welches  ist  der  Wurzelort  der  einzigen  insekten- 
fressenden  Felsenpflanze  ?  Es  steht  mir  nicht  gerade  viel 
Material  zu  seiner  Bestimmung  zur  Verfiigung;  denn 
Pinguicula  alpina  ist  keineswegs  haufig;  ich  glaube  aber 
doch,  ihn  zu  ken  n  en  und  zu  verstehen.  Pinguicula  stellt 
sich  namlich  namentlich  auf  Schichtfugen  des  Schratten- 
kalkes  ein,  oder  auf  den,  den  Schichtfugen  benachbarten 
Verwitterungsspalten.  Wir  horten  schon  frfiher,  dass 
diese  Schichtfugen  haufig  einen  feinen  Schlamm  ent- 
halten,  der  entweder  unbesiedelt  ist  oder  gelegentlich 
von  Pinguicula  alpina  und  Algen  bewohnt  wird.  Er  ent- 
halt  keine  Regenwiirmer  noch  sonstigen  Tiere;  dagegen 
lasst  sich  erkennen,  dass  er  von  einer  ganz  konzentrierten 
Kalkkarbonatlosung  durchtrankt  ist;  denn  wo  er,  ohne 
gleich  weggeschwemmt  zu  werden,  an  die  Oberfl&che 
treten  und  also  ruhig  eintrocknen  kann,  sieht  man  ihn 
gelegentlich  von  zentimetergrossen  Calzitrhomboedern 
durchsetzt.  Dieser  Urn  stand  und  nicht  zum  mindesten 
der,  dass  der  Schlamm  nur  den  Schichtfugen  und  nicht 


307 


einer  Verwitterongsspalte  entfliesst,  lasst  darauf  schliessen, 
class  er  ein  Verwitterungsprodukt  des  Berginnern  ist  und 
fiich  also  durch  ausserste  Sticks  toff  arm  ut  auszeichnen 
muss.  Es  erscheint  jedenfalls  nicht  unwahrscheinlich,  dass 
eine  Beziehung  zwischen  dieser  Provenienz  des  Schlammes 
und  seiner  Besiedelung  durch  eine  Pflanze  mit  ober- 
irdischer  StickstofFversorgung  besteht.  —  Als  Spalten- 
oder  Oberflachenpflanze  kann  Pinguicula  alpina  wegen 
ihrer  kurzen  (10  cm)  unverzweigten  Wurzeln  an  andern 
als  den  genannten  Orten  mit  den  ubrigen  Pelsenpflanzen 
nicht  in  Konkurrenz  treten  l). 

Riickblick. 

Drude  sagt  einmal :  „Bei  jedein  Anlaufe,  welcher  ge- 
iiommen  wird,  um  eine  bisher  allgemeiner  gehaltene 
wissenschaftliche  Methode  zu  vertiefen,  sie  in  ein  be- 
«timmtes  System  zu  bringen  und  die  Literatur  folge- 
richtig  in  dieser  Richtung  anschwellen  zu  lassen,  ist  die 
Frage  notwendig,  ob  die  aufgewendeten  Mittel  dem  Zwecke 
-teDtsprechen  und  ein  angemessener  wissenschaftlicher  Wert 
jene  Arbeitsrichtung  kront."  Eine  ahnliche  Frage  durfte 
audi  bei  einer  kleineren  Arbeit  am  Platze  sein.  Was  ist 
mit  den  vorliegenden  Ausfuhrungen  gewonnen  und  was  wird 

l)  Nach  Abfassung  dieser  Beraerkungen  erhielt  ich  in  liebens- 
'Wiirdiger  Weise  von  Herrn  Rektor  R.  Keller  folgende  Zuschrift: 
^Anlasslich  eines  Referates  sprach  ich  im  biologischen  Zentral- 
blatte  die  Ansicht  aus,  dass  die  succulente  Beschaffenheit  der 
flatter  von  Pinguicula  vielleicht  eine  ahnliche  Bedeutung  hatte, 
*Wie  die  succulente  Beschaffenheit  der  Blatter  der  Halophyten. 
"Wie  sie  hier  gegen  zu  weit  gehende  Aufnahme  von  Na  CI  gerichtet 
»ei,  so  konnte  sie  bei  Pinguicula  sich  gegen  zu  bedeutende  Auf- 
tiahme  von  Ca(HCOs)a  richten.  Ich  habe  die  Angelegenheit  indes 
iiicbt  weiter  verfolgt." 


308 


en  getvinnen  sein,  wenn   man  derartige  Unterauchungen 
weiterfuhrt? 

Was  die  erste  Frage  anbelangt,  so  glaube  ich  den 
Nachweis  geleistet  zu  haben,  dass  es  moglich  ist: 

1.  fur  die  verschiedenen  Hauptspezies  der  Felsformation 
unseres  Gebietes  Wurzelorte  zu  bestimmen,  d.  h.  durch 
irgendwelche  Merkmale  (sekundare  Faktoren)  be- 
9onder8  charakterisierte  Stellen  eines  Standortes  mit 
konstanter,  meist  nur  eine  Art  umfassender  Be- 
siedelung  und  daher 

2.  die  Anzahl  und  den  Bau  der  in  der  Felsformation 
tonangebenden  Spezies  aus  dem  Wechsel  der  oko- 
logisch  wichtigen  Faktoren  der  Unterlage  und  des 
Klimas  verstehen  zu  konnen. 

Ferner  lassen  sich  aus  der  Arbeit  durch  Zusammen- 
fassung  ahnlicher  —  sagen  wir,  durch  Zusammenfessen 
ahnlicher  ^Berufsformen"  Typen  schaffen,  wodurch 
sowohl  die  Einsicht  in  die  mannigfaltige  Okologie  der 
Felsenpflanzen,  al9  auch  bei  glucklich  gewahlter  Ter- 
minologie  ihre  Darstellung  wesentlich  vereinfacht  wlirde. 

Wagen  wir  es,  nicht  ausschliesslich  wegen  des  reellen 
Wertes,  sondern  mehr  als  Illustration  zu  dem  letzten  Satze, 
mit  dem  in  der  Arbeit  gegebenen  Materiale  einen  der- 
artigen  Versuch  zu  inachen,  ohne  aber  schon  neue  Namen 
anzuwenden. 


Schema  der  Berufisaxten. 

A.  Spaltenpflanzen. 

I.  Nur  in  Spalten  mit  winterlicher 
Schneebedeckung  (wenigstens 
bei  Sudexposition)  die  SchneeschiitztiW 


309 


II.  Nur  in  Spalten  ohne  Schnee- 
bedeckung 

III.  Nur  in  kalkschlammfuhrenden 
Schichtfugen 

IV.  In  Spalten   an  oberflachlich  be- 
spruhten  Wanden 

V.  In  Spalten  an  oberflachlich  be- 
rieselten  Wanden 


VI.  In  Spalten,  die  an  vertieften 
Stellen  der  Oberflache  miinden 
(in  Siidexposition) 

VII.  Auch  in  andern  Spalten: 

1.  In  Spalten  mit  oberflachlicher 
Humus  -  tJberlagerung  oder 
doch  reicher  oberflachlicher 
Fullung 

a)  in  der  Kulturregion 

b)  in  den  G-lobulariabestan- 
den 

c)  in   den  Carex  firma-Be- 
standen 


Androsace  helvetica 
V  71) 

Pinguicula  alpina 
VIII  6 

Oypsophila  repens 
X  9— 

Saxifraga  aizoides 

?  5??  — 

(Auf  Moorboden  verpilzt) 


Sedum  dasyphyllum 
X  8 


Laserpitium  siler 

V  ?  12 
Primula  auricula 

V  6 
Silene  acaulis 
V  12  — 


')  Die  romischen  Z  if  fern  unter  dem  Speziesnaraen  geben 
die  Gruppe  der  Warniingschen  Einteilung  nacb  Sprossbau  und 
Verjiingung,  die  arabiscben  die  Lebensform  (nach  Drude),  der 
die  betreffende  Spezies  zuzuordiien  ist.  Eine  Zusammenstellung 
derselben  findet  sicb  gleicb  an  das  Schema  anschliessend.  Die 
Horizontalstriche  (negativ)  geben  an  (nach  Stabl),  dass  die  Wurzeln 
der  betreffenden  Pflanze  unverpilzt  sind. 


310 


2.  In  an  der  Oberflache  gehalt- 
losen  Spalten: 

a)  oberflachlich  klaffende 
Spalten  ausniitzend 

a)  durch  Stauung  des  ver- 
schwemmten  Detritus 
(in  Siidexposition) 

P)  aus  dem  SpalteDgrund 
mit  verlangerten  Trie- 
ben  ans  Licht  drin- 
gend,  namentlich  bei 
seitlicher  Offiiung  der 
Spalten 

7)  ?  ?  bei  Offiiung  der  Spal- 
ten nach  oben  (in  Siid- 
exposition) 

b)  engsehliessende  od.  sonst 

oberflachlich  humusarme 

Spalten  ausniitzend 

a)  mitaktiver,oberflaclilicher 
Humuserzeugung,  immer- 
griin.  Androsace  nur  au 
wimlgofogten  Stellen 

p)  oberflachliohe  Humus- 

erzeugung  weniger  aus- 

gepragt,  sominergriin 

§  (in  den  Globularia- 

bestanden) 

§§.  in  den  Carex  firma- 

bestanden 


Carex  mucronata 
XI  10  — 

Galium  rubrttm 

XI  12 
Galium  mollugo 

XI  12* 
Galium  moUugo  var 

Gerardi 

XI  12 
Teucrium  chatnaedr 
II  16  —   (vermutl.] 

Sempervivum  ted. 
X  8- 


(Androsace  helvetica) 

V  7 
Saxifraga  ccesia 


Potentilla  caulexx** 

V  12 
Carex  firma 
XI  10 


811 

B.  Oberflfichenpflanzen. 

I.  Moosrasen  ausnutzend: 

1.  mehrere  zagleich  (nur  in  der 
alpinen  Region) 


und 


2.  nur  einen  allein 


II.  Von  verschlepptem  Humus  lebend: 

1.  herabfallenden    Humus     auf- 
fangend 

2.  entblossten  Humus  ausnutzend 

3.  den  Humus  an  extrem  heissen 
Orten  ausntitzend 

4.  beweglichen    Humus     veran- 
kernd  (bis   ca.   1800  m    fiber 

Meer) 


Olobularia  cordifolia 

X  5 
Tliymus  serpyUum 

XI  5 
Saxifraga  aizoon 

X  6 


Olobularia  cordifolia 

X  5 

Thymus  serpyllum 

XI  5 

Sedum  album 
X  8  — 


Carex  humilis 
XI  10  — 


Kontroll-Tabellen. 
1.  Warmingsche  Einteilung. 

Roniische  Ziffern. 
1.  Hapaxanthische  Gew&chse. 

I.  Gruppe     Annuelle. 
II.        „  Bienne  =  dicyklische. 

Teucrium  cham. 
III.        „  Pleio  =  polycyklische. 

(D.  i.  einmal  frucbtende  aber  vieljahrige.) 


312 


2.  Perennierende  Pflanzen. 

A.  Arten  ohne  oder  mit  dusserst  geringem  Wanderungsvermogen. 
a)  Persistierende  Primwurzel. 
IV.  Gruppe    Baume  und  Straucher. 
V.       „  Vielkopfige  Wurzel. 

(Nebenwurzel  biologisch  be- 
deutungslos,  jede  Pflanze  aus 
einem  Samen  entstanden.) 


Potentilla   caulescent 
Androsace  helvetica 
Sttene  acaulis 
Primula  auricula 
Laserpitium  siler? 


VI.        ,,  Perennierende  Knollenbildner. 

(Mit    gemeinsamem    Zen  tr  um 

fur  alle  Sprosse.) 

b)  Schnell  absterbende  Primwurzel. 
VII.  Gruppe     Senkrechte   oder  wenig  schief 

liegende  Rhizome. 
VIII.       „  Sprosse,  die  nur  eine,  seltener 

zwei  Vegetationsperioden    er- 

leben  und  dann  vollig  absterben 

(also  keine  eigentlichen  Spross- 

verbande) 

Pinguicula  alp. 

B.  Arten  mit  growerem  oder  geringerem  Wanderungsvermbgen,  da*  abtr 

dock  im  Leben  der  Pflanze  eine  Rolle  spielt. 

a)  Lange  lebonde  Primwurzel  (oberirdisch  wandernde  Pflanzen). 

IX.  Gruppe     Wenige  Straucher  und  Halbstraucher. 

b)  Schnell  absterbende  Primwurzel. 

a)  Teile  der  Sprosse  leben  mehr  als  ein  Jahr. 

X.  Gruppe     Oberirdisch  wandernde  Arten. 

Globularia  cord. 
Gypsophila  rep. 
Sedum  album 
Sempervivum  tect. 
Saxifraga  aizoon 
Sedum  dast/phyUm 


XI. 


Unterirdisch  wandernde  Arten. 


Oalien 

Carex  mucronata 
Carex  humilis 
Carex  firma 
Thymus  serp. 


313 


XII.  Gruppe  p)>  Die  Sprosse  sterben  nach  einer  oder  seltener 
zwei  Wachstumsperioden  (keine  eigentlichen 
Sprossverbande). 

XIII.  „  y)  Pflanzen,    welcbe    bauptsacblich   durcb  Wurzel- 

sprosse  wandern  und  uberwintern. 

XIV.  ,  d)  Schwiminende  Wasserpflanzen. 


2.  Drudesche  Einteilung. 

Arabische  Ziffern. 

I.  Gruppe    Ini  Erdboden  wurzelnde,   selbstandig  vegetierende, 
bochaufrechte  Stiimme. 


II. 


III. 


IV. 


1.  Baunie. 
Im  Erdboden  wurzelnde,   selbstandig  vegetierende, 
vom  Grunde  an  verzweigte  und  durcb  friibzeitigen 
Ersatz   der  uber  der  Erde  sicb  erbebenden  Haupt- 
triebe  niedrig  bleibonde  Stamme. 

2.  Straucher. 
3.  Zwergstraucher. 

4.  Schosslingsstraucber. 
Halbstraucber  und  oberirdiscb  verbolzende  Rbizom- 
bildner. 

5.  a)  Holzstauden  Globularia  cord. 

Thymus  serp. 
Nicbt  verbolzende  Stauden. 

b)  Perenne  Stauden. 

6.  Rosettenstauden. 

Pinguicula  alp. 
Primula  auric. 
Saxi/raga  aizoon 
7.  Polsterbildner  der  Dicotyledonen. 

Andro8ace  helv. 
8.  Blattsucculenten. 

Sempervivum  ted. 
Sedum  album 
Sedum  dasyphyUum 

Gypsophila  repens 


9.  Kriecbstauden. 


314 


c)  Monocotyledons  Rasenbildner, 

10.  Gedrangte  Rasenbildner. 

Carex  mueronata 
Carex  firma 
Carex  humilis. 

11.  Auslaufer-Rasenbildner. 
d)  Redivive  Stauden. 

12.  Erdstauden. 

Potentilla  caul. 
Laserpitium  siUr 
Galien 

SUene  acaulis. 
13.  Zwiebel-  und  Knollenpflanzen. 
14.  Wurzelsprossen. 
15.  e)  Fame. 
V.  Gruppe     Kraut  er. 

16.  Zweijahrige  Bliitenpflanzen. 

Teucrium  cham. 
17.  Einjahrige  Bliitenpflanzen. 
VI.        ,.  Wasserpflanzen. 

18.  Schwimmpfianzen. 
19.  Tauchpflanzen. 
VII.        .,  Ohne  Chlorophyll. 

20.  Saprophyten. 
21.  Parasite  n. 


Was  aber  clen  Wert  der  Kenntnis  von  Wurzelorten 
im  allgemeinen  anbelangt,  abgesehen  von  dem  speziell 
in  dieser  Arbeit  geleisteten,  so  scheint  mir  derselbe  gar 
nicht  bloss  in  einer  Vertieftmg  der  Okologie  zu  liegen, 
sondern  audi  in  einer  bedeutenden  Fbrderung  anderer 
Dutziplinen. 

Erstens  wiirden  bei  Kenntnis  der  Wurzelorte  die 
Angaben  iiber  das  Fehlen  oder  Auftreten  einer  Pflanze 
einen   weit  grosseren  Wert  fiir  die  Monographic  des  be- 


315 


treffenden  Ortes  erhalten.  Ich  kann  nicht  erwarten,  dass 
dieser  Vorteil  schon  aus  der  blossen  LektUre  vorliegender 
Arbeit  in  die  Augen  springe,  da  erst  die  direkte  Beob- 
achtung  der  Wurzelorte  ein  so  lebendiges  Bild  von  der 
parallel  gehenden  landschaftlichen  Beschaffenheit  geben 
kann,  dass  bei  spaterer  Zitation  der  betreffenden  Pflanze 
auch  wieder  deutliche  Landschaftsbilder  assoziiert  werden. 
Allein  ich  glaube,  dass  die  Forderung  und  Vertiefung, 
welche  die  erstmalige  Beobachtung  durch  die  theoretische 
Kenntnis  der  Wurzelorte  erfahrt,  eine  so  bedeutende  ist, 
dass  auch  Nicht  -  Spezialisten  eine  ganz  ahnliche  Er- 
leichterung  in  der  Verkniipfung  von  Pflanzen  und  Land- 
schaftsbild  erfahren,  wie  derjenige,  der  die  Wurzelorte 
primar  aufgestellt  hat. 

Ein  weiterer  Vorteil  durfte  der  historischen  Botanik 
aus  der  Kenntnis  der  Wurzelorte  erwachsen.  Kennt  man 
mit  Sicherheit  den  Wurzelort  einer  Spezies,  so  kann, 
wenn  derselbe  anderwarts  eine  andere  Spezies  tragt,  mit 
viel  grosserer  Sicherheit  als  bisher,  darauf  geschlossen 
werden,  dass  diese  Verschiedenheit  durch  historische 
Grunde  bedingt  ist. 

Kennt  man  anderseits  in  klimatisch  verschiedenen 
Gegenden  verschiedene  Wurzelorte  genau  derselben 
Spezies,  so  erwachst  fur  die  Physiologie  der  Vorteil,  ein- 
ander  ersetzende  Lebensbedingungen  kennen   zu  lernen. 

Den  Hauptgewinn  durfte  aber  neben  der  okologischen 
die  floristisvhe  Pflunzengeograpliie  davon  tragen,  indem 
erst  durch  die  Kenntnis  der  Wurzelorte,  d.  h.  der  Arbeits- 
teilung,  der  Begriff  Pflanzengesellschaft  einen  wertvollen 
Inhalt  erhalt.  Erst  durch  sie  wird  es  moglich  sein, 
Charakterpflanzen  von  den  dominierenden  richtig 
zu  scheiden   und   iiberhaupt   den  Wert   des  Vorkommens 


316 


der  verschiedenen  Spezies  fair  die  Charakterisierung  dee 
Standortes  sicher  zu  erkennen.  Erst  durch  sie  wird  66 
moglich  sein,  den  UDendlichen  Wechsel  eines  Formations- 
bildes  durch  ADgabe  einiger  weniger  Spezies  zu  kenn- 
zeichnen. 

Also  nicht  nur  M  ehrbela stung,  sondern  auch 
Entlastung  werden  die  neu  zu  erwerbenden 
Kenntnisse  bedeuten. 


317 


Anhang. 

Nachtrag  zur  Frage  Tiber  die  Wasserbilanz 
der  Felsenpfianzen. 

A  priori  mochte  man  wohl  nieinen,  es  konnten  docli,  trotz 
des  auf  Seite  56  uber  die  Wasserverhaltnisse  des  Felsens  Gesagten, 
irgendwelche  allgemein  gultige  okologisch  bedeutsame  Experimente 
uber  die  Feuchtigkeitsverhaltnisse  der  verschiedenen  Felsarten 
angestellt  werden  und  tatsachlich  liessen  sich  ja  auch  fur  die 
verschiedenen  Arten  von  Kalk,  Humus  und  Grus  bestimmen  : 

1.  der  konstante  Wassergehalt  bei  verschiedenen  Temperaturen 
nach  einmaliger  Sattigung  (fiir  Kalk  auch  bei  verschiedenem 
Drucke) ; 

2.  die  Geschwindigkeit  und  Grosse  der  Wasseraufsaugung  aus 
der  freien  Wasserflache  (fur  Kalk  bei  verschiedenem  Druck) ; 

3.  die  Geschwindigkeit  und  Grosse  der  Wasseraufnahme  aus 
der  Luft  bei  verschiedenen  Taupunkten; 

4.  die  Geschwindigkeit  und  Gr6sse  der  Wasserabgabe  an  die 
Luft  bei  verschiedenem  Taupunkte; 

5.  die  Geschwindigkeit  und  Grosse  der  Wasserabgabe  je  eines 
der  Glieder  bei  verschiedener  Feuchtigkeit  an  die  beiden 
andern  in  verschieden  feuchtem  Zustande. 

Sodann  fiir  die  verschiedenen  Pflanzenspezies  das  Minimum 
der  Feuchtigkeit  des  Substrates,  bei  dem  sie  eben  noch  Wasser 
aufnehmen  konnen. 

Und  ferner:  Geothermische  Tiefenstufen  in  den  "Wanden. 
Aber  mit  all  diesen  Bestimmungen  wiire  eben  gar  nichts  ge- 
wonnen;  denn  wie  die  Verhaltnisse  beim  Fels  mit  seinen  Rissen, 
welch  letztere  einen  der  Messung  ganzlich  unzugangiichen  Faktor 
darstellen,  lagen,  ware  nach  wie  vor  unbekannt.  Und  zudem 
fehlten  nach  wie  vor  die  Hauptdaten.  um  Schliisse  aus  dem  Experi- 
ment auf  die  naturlichen  Verhaltnisse  ziehen  zu  konnen:  der 
Wasserverlauf  im  Innern  der  Wande  und  die  Menge 
und  Anordnung  des  wasserspeichernden  Humus. 


318 


Ich  versuchte  daher,  einen  der  wichtigsten  Faktoren  in  der 
Wasserbilanz  der  Pflanzen  selbst  durch  direkte  Wagung  annahernd 
zu  bestimmen,  niimlich  die  Zeit,  die  vergeht,  bis  sic,  ohne  erneute 
Wasseraufnahme.  ihres  gemmten  Wasserinhaites  verlustig  gehen.  Die  bei- 
gehefteten  Kurven  geben  die  Resultate  der  Experimente.  Sie 
wurden,  nach  deni  Vorgange  Altenkirchs,  wie  folgt  gewonnen : 

Die  Pflanzen  wurden  am  26.  Juni  1902  gesammelt  und  zwar 
in  zwei  Gruppen,  namlich: 


und 


Sesleria  coerulea 
Carex  firma 
Primula  auricula  Nr.  9 
Silene  excapa 
Andro8ace  helvetica 
Saxifraga  ceesia 
Globularia  cord.  Nr.  16 


inorgens  9  Uhr  am  ,,Brisit;,  2100  m 
tiber  Meer  an  einer  Schratten- 
wand 


Teucrium  chamaedrys 
Laserpitium  siler 
Sedum  album 
Thymus  serpylium 
Potentilla  caulescens 
Primula  auricula  Nr.  7 
Carex  bumilis 
Saxifraga  aizoon 
Globularia  Nr.  14 
Globularia  Nr.  17 
und  Sempervivum  tectorum 
morgens  11  Ulir  am  sog.  vSitz- 
stein",    einer    Malm  wand    bei 
„Scbrina-Hochrugg"  in   1550  m 
iiber  Meer. 
Ich  schnitt  dieselben  moglichst  nahe  am  Boden  &b,  umschloas 
die  Wunde   mit  Collodium  und   brachte  sie  dann  in  Glasern  mit 
eingeschliffenen  Stopseln    nach   Zurich,   wo   sie  [zunachst   in   den 
geschlossenen   Glasern    gewogen   wurden    und    dann    in   Becher- 
glasern,  im  Mikroskopiersaal  der  Landwirtschaftlichen  Scbule  bei 
einer  durchschnittlichen   titglichun  Maximal temperatur   von   zirka 
23°  C.  der  langsamen  Verdunstung  im  Schatten  ausgesetzt. 
Der  allmahlige  Wasserverlust  ergab  sich  durch  tagliche  AVagung 
morgens  und   abends  ji»  um  7  Uhr,   die  Kurven  durch  Reduktion 
der   erhaltenen   Zahlen   auf   ein   gleiches   Frischgewicht   und  Ab- 
tragung  auf  eineni  beliebigen  Koordinaten system. 

Es  haften  der  Methode  aber  eine  solche  Menge  nicht  leicht 
zu  vermeidender  FeMer  an,  dass  ihre  Ergebnisse  nur  eine  sebr 
beschrankte  Bedeutung  haben.  —  Einmal  werden  nur  die  ober- 
irdischen  Teile  beriicksichtigt.  Allfallige  Wasserspeicherung 
in  unterirdischen  entgeht  also  der  Untersuchung.  —  Es  wird  der 
Zeitpunkt  des  Todes  der  Pflanzen  nicht  beriicksichtigt  man 
bestimmt  also   wahrscheinlich   den  Wasserverluat  nicht,   wie  er 


319 


unter  natfirlichen  Verhaltnissen  auftritU  —  Zudera  wird  der  Tod 
durch  Athervergiftung  (infolge  Eintrockn  ens  des  Collodiums) 
beschleunigt.  —  Massgebeud  fur  das  Vorkommen  einer  Pflanze  ist 
aber  nicht  die  Zeitdauer,  die  sie  zur  Abgabe  des  gesamten  verdunst- 
baren  Wassers  braucht,  sondern  die  Zeitdauer,  die  vora  Wasser- 
entzuge  bis  zu  ihrem  Tode  verstreicbt.  —  Man  beriicksichtigt  bei 
dieser  Versucbsanordnung  nicht,  dass  die  Pflanzen  vielleicht  in 
sehr verscbiedener Weise  an  die  vorscbiedenen  Verdunstungs- 
gefahren  angepasst  sind. 

So  dan  n  ergaben  sich  bei  der  Ausfuhrung  dieser  speziellen 
Versucbe  Schtoierigkeiten.  Erstens  war  ein  grosser  Teil  der  ge- 
sam  m  el  ten  Pflanzen  mit  alten  sehr  feuchten  Scheiden,  Blattern 
und  Humusteilcben  bebaftet.  Zur  Wagung  wurden  dieselben  so 
gut  als  moglich  entfernt,  da  ihre  Beibebaltung  der  Willkiir  Tiir 
und  Tor  geoffnet  hatte.  Fur  das  Leben  aber  sind  diese  wasser- 
aufsaugenden  Teile  zum  Teil  von  grosster  Bedeutung.  —  Ferner 
verstricb  eine  sehr  lange  Zeit  zwischen  deni  Einsammeln  und  dem 
ersten  Wagen,  namlich,  da  ich  den  Nachmittagszug  trotz  fast  be- 
standigen  Laufscbrittes  infolge  eines  Missgeschicks  des  Tragers 
nicht  erreicben  konnte,  vom  Morgen  bis  nachts  12  Ubr,  also  dem- 
entsprechend  langes  Verweilen  inder  Atheratmosphare. 
Potentilla  entfarbte  sich  dabei  vollstandig. 

Das  Einsammeln  dreier  Exemplare  von  Globularia  und  zweier 
von  Primula  hatte  den  Zweck,  einen  Afassstab  fUr  die  Qrbsse  der 
individuellen  Schwankung  zu  gewinnen.  Bei  den  ubrigen  Spezies  ward 
eine  solchet  mit  Ausnahmo  von  Androsace,  Sempervivum  tect.  und 
Saxif  raga  csesia,  dadurch  korrigiert ,  dass  eine  grosserelndividuen- 
zahl  gesammelt  und  gleichzeitig  gewogen  wurde.  Ich  versaumte 
es  nun  aber  leider,  fur  die  erst  gen  ann  ten  Arten  relativ  gleich 
grosse  Glaser  zu  wahlen,  statt  absolut  gleich  grosser,  welchem 
Umstande  wohl  die  Unrogelmassigkeiten  im  Anfangsverlaufe  der 
Kurven  zuzuschreiben  sein  durften,  so  wohl  bei  den  G-lobularien, 
als  auch  bei  verschiedenen  der  ubrigen  Spezies. 

Trotzdem  treten  die  Eigenschaften,  die  uns  im  II.  Teil  inter- 
essierten,  ganz  deutlich  hervor,  indem  namlich  die  aus  den  Kurven 
oder  der  Tabelle  ersichtliche  BeUienfolge  der  Pflanzen  naclt  der  Ge- 
8churindigkeit  ihrer  Wasserabgabe  geordnet  ungefahr  folgende  ist : 
Carex  humilis 
Thymus  serpyllum 
Potentilla  caulescens  (tot) 
Androsace  helvetica 


\* 


320 


Laserpitium  siler 

Teucrium  chamaedrys 

Globularia  cordi folia 

Carex  firm  a 

Sesleria  courulea 

Silene  excapa 

Primula  auricula 

Saxifraga  aizoon 

Saxifraga  ceesia. 

Sempervivum  tcctorum 

und  Sedum  album  (nicht  aus  den  Zahlen  ersichtlicb).  Sedum  zeigte 

bei  den  Wagungen   das   bekannte   uberrascbende  Verhalten.     In 

akropetaler  Roibenfolge  schrumpften  seine  Blattchen  ein  und  fielen 

ab,   an   der  Spitze  jedocb    erbielten  sie  sicb  grun   und  prall  and 

am  23.  Juli  entfaltete  es  einige  Blutchen,  die  aucb  noch  am  29.  Juli 

bei  Abbruch  der  Wagungen,  also  33  Tage  nacb  der  Trennung  von 

der  Wurzel,   in   voller   Frische   und  vermehrter  Zabl   am  Leben 

waren.  —  Sempervivum  verlor  audi   nur  die   aussern  Blatter  der 

Rosette  und  am  29.  Juli  ziihlte  icb  im  Innern  noch  24  vollkommen 

friscb  aussehende. 

Iin  iibrigen  erreicbten  ein  k  oust  antes  Gemeht: 

Potentilla  caulescens     \  ,     -  _ 

,      , ,     .     .  .  J    nacb    5  Tagen 

una      Sesleria  cujrulea  J  ° 

Carex  iirma  und  \  R 

Globularia  Nr.  17  I        ,? 

Thymus  serpyllum         j 

Androsaco  helvetica       |        „       7        „ 

und      Globularia  Nr.  14  ) 

Teucrium  chamaedrys 

Silene  excapa 

Globularia   Nr.  16 

Saxifraga  c-tesia 

Primula  auricula 

Saxifraga  aizoon  | 


.  ,         ,  |     Sempervivum  tectorum 

siehe   oben    {<-,,.. 

(     Sedum  album  J 


9 

12 

j* 

14 

• 

16 

* 

33 

* 

33 

,,     noch  nicht. 

321 


li 

1        "•       «-       Ok       »      W  ■  9      a£T     -"  "•»       <ft      d       M       M     ■»■     M       _       £       rf 

CMOQOi>'»0!>OOCM^COQOi"-ieO''*CO""opCO' 

•i*!i 

:1! 

1     cm""  oo~             r>-        cm"        ai  co"  cm*  ©  — *  co  co*  co"  op  t>- 

i       CM    CM                   CO           ■«*           "^^OiOiOiOOiOOCO 

-  £  3 

15 

2      «r                     »             j             -.      «o      »      ©                     '5'*             • 

§T3 

IIS 

1                -■ 

l|S          I      I      Hi  I         I  i      1 

N    OS                   ©           Is*"           CO*   CO    CO    -H                   Of  00           CM* 

i     ci  cm             ^        -^        itn  ~#  io  »o             io  lc5        t>- 

u 

■II 

S2 

!1* 

i1" 

1              "f         *                                 *9                     t*                     «         »        C        M                                 W        «                     «0 
1              »        «                                 <Q                     £                     £        Ok        <«         flft                                 3»         <N                     5 

M.      O       •*.                ^                1-^                ««-.«B«»x»a^                A 

1      CO   ©   O          CO          CM           h   «   q"  c4  h  CO   h   00          lO 
.      CM    CO   CO           -^           O           CO    ^   5   lO   lO   iO   CC    iO           l> 

ii 

■     S  2  9        **        *>'  Q*  co'  co"  cm'  co"  ih"  **"  cm'  oo  op"  m 

CM    CO    CO           T           m    -*    CO    "•*    CO    iO    lO    lO    CO    »0    i3    l^ 

0  i> 
sua 

© 
© 

i* 

1     !"Salsli5s^ss5SSg   =   2 

"*   N   O   N   N    N    *    «#    «'    !>•"  -*""  lC    Of  lO    CO    Cft    CT>    ©*~ 
i       CMCOCOCO^CO»O^CO-^COiOiOiOCO»OiOo5 

i« 

1      CD  -*  ih  CO  H  CO  W   lO  CO*  n  n"  oc"  cm'  iO   lO  o"  Cft  cm" 
1      CMCOCOCOiOCOCO'^CO^COiOOiOCOCOiOOO 

S  as 

«J 

1 

is 

1 

Cftl>-CM00^t|0DC0»0-»HOCMOiCr^C0"  cm"  cT  »o 

WC0C0C0»AC0<0^^i0NOi0i0C0CDO00 

a;  r 

\n 

22»22?"3»r      «      —      »»r-«-^»»«* 
no^t-o^i-^i^flBrt^w      •«.     *>      •«»      —      ©      — 

co  co  co  ci  oo  oa  o  i>-  co'  ©"  co"  -*  co""  cT  oo"  •«*"  ©"  op" 

CO^COCOiOCOtV^L^iOt^-COiOOCOCOCOOO 

1 

o 

\li 

2      2S22222      2•*,0••«£*•"•^, 

2  9  iS  ?3  ^  "^  "^  Q  ^  w  ^  *  oi  w  o"  co  ^""  o" 
I     co  io  co  ^  co  "t  i^  io  r»  ic  i^  co  »o  co  i^-  co  co  cB 

C  S 

H 

«oa»onoiAOM3kOt>i-o«n«x> 
2Sasrr2$®2210»*^«;»      =      2 

i     2'  $5  S  !i"  E:  ^  SP  7f  °*  '2  ^  cm*  »o  oo"  cm'  co"  co*  cm" 

s  c 

© 

I: 

•^SSSS^S*'     "*22»j*-«»*»io 

lO    i-H    Oi    CO    CO   CO ►    CM    Q    Of  O '  I>    Is*    CO*"  ^ifi    lO    3)   N   -jf 
,       lOt^^iOr^iOQOCOQOCOOOt^-l^t^-C^C^-COCft 

lis 

*2  -5  ^-j  co  »o  co  co  ci  co  i-«  -h  op"  co  co"  oo"  icT  irT  co* 

,     «  oo  a  r-  x  n  x  ffl  oo  n  a  *  «  oo  r»  «  i^  cs 

- 

TJ-3 

i  ?= 

1- 

1    S  *" 

'     O  CM  CM  »o  CM*  io  cT  cf  ci  »cT  tcT  -t*  cm*  oo"  -*"  — T  co"  30 

t^-  ONXjixxt^xxoaioxxoixo) 

[8  S  8~S"8  8"8"8  8"S  8  8  8  8"3"8"8"8 

i 

•III 

•2  M-w 

1 

1         T-«^H»-<»H»-<»Hf-ii-H»— lTHi-HTH«Hv-4i-li-HT-itH 

«"U3 

1 
1 

I       j     l     3     c!           «    S          co            c           ©    .=          co    .=     *^ 

■f-gs 

*--c3i: 

i 

*    x    >,  "s    s  "s    d         ^"  •-    5    *  "3    £;  '5    £*    t:    - 

■3   S   I- 

1 

-?     „     O.C     =     d.5     rtX-.S     aj     O     £     p     O     - 

.    '.fc 

i 

S-a*S:3Ja  =  2*3-Sls-S--S-S.S 

s"gs 

"»  0  © 

i 

1 
1 

•^  oi  co i  -t*  ia  co"  i>  oo"  ci  0  1-*  cm  co*  *-*  to  co"  r-  oo" 

1\ 


322 


Verzeichnis 

der 

Felsenpflanzen  des  Gebietes. 


Das  nachstehende  Verzeichnis  enthait  diejenigen  Gtfass- 
Fflanzen  des  Gebietes,  die  ich  als  Felsenpflanzen  kennen  gelernt  habe. 
Die  fettgedruckten  Namen  zeigen  Spezies  an,  die  dem  definierten 
Begriffe:  Felsenpflanzen,  vollstandig  entsprechen.  Die  ein- 
geriickten ,  kleiner  gedruckten  bedeuten ,  dass  die  betreffende 
Spezies  nur  gelegentlich  als  Felsenpflanze  auftritt.  Pflanzen, 
die  sich  nur  ausnahmsweise  und  gleichsam  zufallig  auf  Fels 
einstellen,  wie  z.  B.  Anemone  hepatica,1)  Aquilegia  vulgaris,  Par- 
nassia  palustris,  Carlina  acaulis,  Cyclamen  europseum  sind  nicht 
angefiihrt,  sofern  sie  nicht  zu  den  Holzpflanzen  gehoren.  die 
ich  auch  dann  in  das  Verzeichnis  aufnahm,  wenn  mir  nur  eine 
einzige  positive  Beobachtung  vorlag. 

Es  war  ineine  Absicht,  in  der  zweiten  Rubrik  eine  voll- 
standige  Ubersicht  \iber  die  Verbreitung  der  einzelnen  Spezies  im 
Gebiete  zu  geben.  Bei  der  Arbeit  merkte  ich  jedoch,  dass  sich 
dieselbe  im  wesentlichen  als  ein  Auszug  aus  „Wartmann  und 
Schlatter'")  reprasentiert  hiitte.  Da  die  letztgenannte  Arbeit 
aber  keiner  Bestatigung  meinerseits  bedarf  und  auch  dem  Mono- 
graphen  Zeit  erspart  werden  kann,  so  fiihre  ich  dort  nur  diejenigen 
mehier  Beohachtunyen  an,  die  jenes  Werk  erganzen  konnen.  Immerhin 
werde  ich  die  Falle,  in  denen  sich  meine  Beobachtungen  mit  den 
Angaben  von  Wartmann  u.  Schlatter  decken,  von  den  andern,  in 
denen  mir  kein  ausreichendes  Material  zur  Verfugung  stent,  dadurch 
unterscheiden,  dass  ich  hinter  diejenigen  Spezies,  bei  denen  das 
letztere  zutrifft,  Striche( — )  setze.  Belege  zu  den  wichtigsten 
Angaben  find  en  sich  im  Herbarium  des  Naturhistorischen  Museums. 
St.  Gallen. 


1)  In  Baum^artnern  Monographic  aichtlich  aus  Yerseheu  als  sehr  selten 
bezeichnet,  i»t  sie  in  alien  BiiBchwaldern  am  Beeufer  in  Menge  zu  flnden. 

*)  Kritische  Obersicht  dber  die  Gefasspflanzen  der  Kanione  St.  Gallen 
nnd  Appenzell.     8t.  Gallen  1881. 


323 


PM 

(s.  Florals 
pag.  259  f.) 

fcpstopteris  fragilis 

14,  15,  21 

A  spidium  Robertianum 

■  — 

8 

Aspidium  rigidum 
Aspidium  loncbitis 

I  Kirreaffldpfliaxen 

204 

taplenum  trichomanes 

194 

1,2,3,5,6,8, 
9, 10, 13, 15 

■plenum  viride 

•plenum  fontanum 

Bei  UaiDten  an  nekrerai  sckat- 
tigen  Ortei,  I.  B.  ob  fan 

StfrnviM 

238 

■plenum  ruta  muraria 

194,  305 

3,4,5,10,15, 
20.26 

Lycopodium  selago 

Pinus  montana 

Picea  excelsa 

Juniperus  communis 

244 

3.  32 

Juniperus  Sabina 

Tux  us  b  areata 

tvpa  pennata 

202 

Pbleum  Hichelii? 



2 

Lasingrostia  ealaina- 

grostis 

20 

Bjrostis  alpina 

195 

fcrostis  Schleicheri 

^Garten^ 

grostis  rupestris 

195 

10,  12,  14, 15. 

1ft    QO 

Calamagrostis  varia 
taleria  coerulea 


Sentisgipfel  2500  m 


7.8,17 

i 

201,  202,  226, 1  J,  2, 3,  4  5,  6, 
233.  238;  2391 1  8<  ^  *M3, 
243 f., 247,265,  i  }£  15.  16,  17, 
273L275  288,  ,18,  1^20,21, 
318  f  23.  25.  26,  32, 

!  34i  36;  37.  38 


Moliuia  coerulea 

Melica  ciliata 
Poa  alpina 

Poa  minor 


Oft  lonaajebfod  ao  bf inalit  snk- 
rwhlwi  WiodfB,  sofrrn  die- 


225 


199,  239 


:  5,  17 


I  6,  13,  15,  21. 
I  31,  34,  36,  37, 
38 


SchneefleckpEanze  j  196,  198  |  36,  37,  38 


324 


Poa  nemoralis 

Festuca  ovina  vulgaris 
capillata 
duriuscula 
glauca 
Festuca  pumila 


Festuca  rupicaprina 

Bromus  erectus 
Broraus  tectorum 
Carex  nigra 
Carex  mucronata 


Carex  digitata 
Carex  ornithopoda 
Carex  humilis 


Carex  tenuis 
Carex  firma 


Carex  sempervirens 


228  ]  10.  18 

i  202,  217,  244   3,  6, 9,  i( 

I  4,  18 


195,  239.  297 
302 


Nur    Gipfel-    und    195 
Gratpnanze ! 

-  244  f.,  266 


Sdmeefleekpflanie 


196 


In  Sentisgebiet  afenabmslos    195,  228,  233, 
an  alien   stark  geneigtw    237,  238,  288, 
warmen  Winder,    in  Slid-    302  f.,  310  f. 
exposition  iwUchen  900  n  : 
(Wasserau)    nnd   1900  n  | 
(Tiirme).    Fehll  der  Nord- 
exposition  (and  dem  Gatlt).  | 
Beira.  2100  m  am  Pttlen- ! 
sehaf berg.    In   den   Cur-  ■ 
firslen  erst  an  den  tiipfel- 
winden   ct.  1800—2100. 
Unten   *tatl    ihrer  Carex 
humilis 


10, 
15, 
20, 
25, 
29. 
33, 
37, 
19, 
34, 
1 


12. 13. 
17.  ia 
21.23. 
26.27. 
30. 31. 
34.35. 
38 

21. 22. 
35,36 


36.  37 

4.  5,  6. 7. 
12,  17.  20. 


•  tiemein   am  Sadabhang  der 
i     Cnrfirsten  vom  Seeofer  bis 

an   die   Gipfelwinde.    An 
;     diesen  nor  nodi  spirlicn. 
;  Wart 
i  tJppignurinNord- 

exposition. 


Scbeint  mit  der  folgeoden  die 
gesetimiwige  Xwhfolgerin  toi 

,  Carex  firma  n  seii. 


237,  238,  270. 
272  f .,  305; 
811,  318 


199,233.237f., 
288,2991,305, 
310,  318  f. 


239 


2.  3.  4. 5 


4 

4,  8, 9. 10. 

14. 15. 16. 
19.20.2i 
25.27.28, 
32,34,35, 

4, 8, 9.  ia 

15. 16. 17, 
20,28:32 


325 


Carex  ferrugina 


lincus  trifidus 


Anthericus  ramosus 
Allium  Tictorialis 
Allium  scbn&nopr&sum 
■     Allium  sen  esc  ens 
Allium  sphteroeephal. 
Lilium  croceum 

Lloydia  serotina? 
Polygonatum  multi- 

florum 
Polygonatum  officinale 
Salix  lierbacea 
Salix  reticulata 

Salix  retusa 


Salix  caprea 
Salix  hastata 
Salix  Waldsteiniana 
Populus  tremula 
Corylus  avellana 
Fagus  silvatica 
Quercus  robur 
Quercus  sessiliflora 
Kumex  scutatus 
Rumex  nivalis 
Oxyria  digyna 
Polygonum  viviparum 

tilene  acaulis 


In  Nerdexptoilion  aoefa  an  aas- 
gesprochen  troekenen  Stellen 
(Garten). 

Karrtnftld  ob  legglis 
Karrenfeld  ob  legglis 


Scbneegeroll 
Schneegeroll 
Schneegeroll 
Sclmeeflecken 


239 


195 


262 
204 


202 


244  f. 
198 


197,  201,  239, 
302 


233 


199 
201 

196,  199,  302 

197,  199,  233, 


8,   9,  14,  15, 
16,  23 

13 


3,  5,  18 
15 


21,  22,  24,  27, 
36,38 


7 

3 

36 

15,  27,  34 

13, 14, 15,  21, 

22,  24,  28,  31, 

32,  34,  35,  36, 

37 

14 

24 


37,  38 

15,  21,  24,  27, 

31,  32,  34,  36, 

37,38 

3,9,11,12,13, 
239,288,299f.; '  14, 15, 16,  21, 
305,  314,  318  |  24,  25,  26,  27, 

28,  31,  32,  36, 

37,38 


326 


I 


Silene  venosa 
Silene  nutans 
Heliosperma  quadrifidum 

Gypsophila  repens 


Dianthus  inodorus 

Saponaria  ocymoides 

Cerastium  latifolium 
Cerastium  alpinum  lanatum 


Alsine  sedoides 

Alsine  verna 

Mcshringia  muscosa 

Ranunculus  alpestris 

Thalictrum  minus 
Berberis  vulgaris 
Petrocallis  pyrenaica 

Thlaspi  rotundifolium 
Sisymbrium  sophia 


Geroll  !  221,  228 

I  202 

Fist  aas«chli«slieh  in  Sord- 1  195,  233,  239   9.  13.  14,  15. 
exposition,  Huritteiflgipffl  |  16,  22 

2110  a  I  | 

:  195,  199,  228, '  3,  4,  5,  9. 10. 
,  233,238,288  f.,  1 12,  14.  15, 16. 
!  305  f.,  309  ;  17,  18,  23,  26, 
!  '  28,  32,  35 


194 

lit  3  ■  langtn  Triebfi  bf ]  !  265 
Qoiotfii  I 

Geroll  1 201 

Am  Wtge  nordlirfa  vom  Pihlto- 

**  lof  Ganlt  sfhr  stark 

bthaarte  Rxtnplare 


Schneefleckpflanze 


Schneegeroll 

Immer  noch  beim  Awher,  duo 
aber  inch  in  tioem  frokti- 
fixierariti  KrippeltitapLr 
in  Sattel  mxta  8dilfler 
and  Lideo  bei  a.  1870  m. 
Beleg  im  Nat.-hi&t.  Imam, 
St.Gallen 


Kernera  saxatilis 


Hutchinsia  alpina  Schneefleckpflanze 


Draba  aizoides 


239,  302 
228,  239,  302 


196,  199,  302 

202 

195,  239 
201 


2,3,5,11,17. 
'19 


18 

19,  21,  25,  32 
15,  19,  21.  27. 
31,  34,  36.  37 

15,  18 

11,  13.  14, 15, 

16,  20,  21.  27. 
34,  36,  38 


19,  31,  35 
36,  37 


194,  237 


196,  198 


I  3,  4,  5,  8, 10. 
1 12,  14,  15. 17. 
18,  20 

13, 15,  21, 30. 
31,32,34,36, 

I  37,  38 

15,  6,  10,  18. 
126,  36 


327 


i  tomentosa 

rabis  alpina 

s  hirsute  var.  incana 

rabis  coBrulea 
n  maximum 

>dum  atratum 

ii  dasyphyllum 
ii  album 


ervivum  tectorum 

ixifraga  androsacea 
ixifraga  rotundifolia 
raga  oppositifolia 

raga  aizoon 


raga  csesia 


raga  aizoides 

ixifraga  stellaris 
raga  aphylla 

raga  moschata 


Sehneeflefkpflamel'f 

Schneefleckpflanze 
(EinzigeAnnuelle) 


Ctaill  am  nordlichen  Wiltn- 
seenfer.  Slellenweiw  so 
mawtaliaA,  diss  die  Wlnde 
korallenrot  geftrbl  er- 
seheiofD. 

Bei  Qninten  gemein.  Am  Nord- 
afer  dw  Flhlenwes!  Am 
Latispiti. 

leist  in  Jfordeipwition. 

AmUnterstrich  bei 
ca.  1400  m 


Schneefleckpflanze 
Schatten  liebend 


239 

195,  240 

239 

196,  198,  199 


22,  34,  35,  36 

12, 15, 16, 20, 

21,  34,  36,  37, 

38 

5,  11,  15,  32, 

36,  37 

37 


199,  239  6,  10,  17,  20, 

28,  37 

194,  217,  237, 1  3,  7,  17,  18 

244,  259 

194,  215,  217,  |  3,  5.  6.  17, 18 

237,      243  f., 

249  f.,   276  f., 

311,  318  i 


194,  237,  243, 
257,  269,  310, 
318 

196,  199,  239 

228 

195,  197,  239 
302 

195,  217,  238, 
239,  269,  273, 
282  f,  302. 305, 
311,318 

195,239,288  f.. 
310, 318  f, 


195,  199,  302, 
305,  306,  309 

196.  197,  199 
196.  302 


195,  197,  199, 
228,  239,  302 


3,  4,  17 


36,  37,  38 
13,  15 

9,  15,  21,  22, 
24,  30,  31,  32, 
34,  36,  37,  38 

3.  4,  5,  8,  9, 

12,  14, 15, 17, 
18, 21,  22,  23, 
26,  28,  30,  31, 
32,  35,  36 

4,  8.  10,  14, 
15, 16,  17,  19, 
22,  23i  24,  27, 
30,  31,  32,  34, 
35 

6,  8.  9,  13, 14, 
16,21,22,27, 
34.38 

13,  15,  37,  38 
21,  22,  30,  31, 
32,  34,  36,  37, 
38 

10, 13,  15,  20, 
21,22,27,28, 
30,  31.  34,  36, 
37,38 


328 


Cotoneaster  vulgaris 
Cotoneaster  tomentosa 
Crataegus  oxyacantha 
Crataegus  monogyna 
Amelanchier  ovalis 
Sorbus  aria 
Sorbus  aucuparia 
Pirus  silvestris 
Pirus  communis 
Potentilla  caulescens 


Dryas  octopetala 
Alchimilla  Hoppeana 


i 


j  Allenthalben   an  den  Gipfel- 

winden  d*r  Carfirstfo  bis 
|  «.  2000  m.  Hocbler  8tu4- 
|     ort  im  Sentis :  die  „Llden" 

1850  m. 
Am  iippigslfD  inf  splilterigea, 

brieiugeii  Siellen  is  Nord- 

fiposition. 

SduieesehaLxling,  gemein  von 
880  m  (Wisserau)  bis  2100 
(Hoehniedwe.  SehraUen- 
winde  ob  dem  Wildseeli). 
In  den  Curfirsten  kenne  ieh 
•  keioe  so  tief  liegendei 
i     Htindorte. 

Alchimilla  glaberrima  :  Schneetalchen 

Rosa  canina 

Rosa  rubrifolia 

Prunus  spinosa 

Prunus  avium  ! 

Prunus  cerasus  i 

Prunus  mahaleb  \ 

Trifolium  Thalii 

Anthyllis  vulneraria    I  Anf  schuttbedecklen  Absitxen 

Lotus  corniculatus 

Astragalus  alpinus 

Oxytropis  montana 

Coronilla  emerus 

Hippocrepis  comosa 

Hedysarum  obscurum 


Vicia  Gerardi  '  Ostlich  vom  Stein- 

i     brucb  b.  Quinten 

Geranium sanguineum  j  tJberall  b.  Quinten 


I 


I 


244 
244 


194,197,217f.. 
233, 237, 243  f.. 
247  f.,  288  f., 
310,  318  f. 

201,  239,  302 


195,  199,  240, 
294  f.,  305 


199 


238 
228 


3,  6,  19,  i 

19 

202 

237, 238, 243  f. 

2 

202,  244 

2,  3,  4,  7 

239 

9,  15t  16, 

35 

202,  244 


2,  3,  4.  7 
7 


1,  2,  3,  4, 
6,7,9.10, 
14, 15.  17. 
26 

14,  15,  22, 
27,  30,  32 

3,  6,  8,  9, 
13,  14,  15, 
17, 18,  20, 


329 


Geranium  Robe  rtia  n  urn 
Polygala  chamtebuxus 

Euphorbia  cyparissias 
Euonymus  europreus 
Euonymus  latifolius 
Acer  campestre 
Rhanmus  catharticu 
Hmmniis  pumila 

Frangula  alnus 
Tilia  oordata 
Hypericum  perforatum 

Heliarithemurn 

alpestro 
Helianthemutn  vulgare 
Viola  birlora 
Daphne  rnezereum 
Hedera  helix 
Bupleurum 

ranunculoides 
Ithamanta  hirsuta 


Ligusticum  mutellinu 
Laserpitium  latifolium 
Laserpitium  slier 


Coriius  mas 
Corn  us  Bangui  nea 
Rhododendron  hirsutum 


Hiafig  panz  aospe»prock«ie 
Spalltnpflanz*,  namtntlirh 
bfi  (Joint?!. 

Wart  2(XX)  m 


238 


Bill 
1,  3,  6,  10, 14 

3,  4,  5,  17, 18 


In   seiner  Kegion  !  194,  199,  237, ,  3,  4,  5.  6,  9, 
kaumeinerWand  i  238,  269  i  10,  15,  17,  18, 

fell  lend.  |  j  20, 26. 28 


Auf  dem  Schutt 
der  Absatze 


202 


199.  202 


rihrligipfel  2203  m  '.  194,  199,  233, 
(Kriippel)  238,239.254, 

!  288,  305 


I 


199,  239 


19,  23.  25,  26, 
28,  31 
3,  4,  10 
13.  15,  20 
10,  20,  32 


3,  4,  9.  10. 12, 
13,  14,  15, 16, 
17,  18,  19,  20. 
23,  26,  27.  28, 
35 
16,  21 


In  den  lnrOr>tfn  bis  zirka  !  194, 237, 243 f..    2,  3,  4,  5,  10, 
tm  m  (tiipfrlwirir),  dort  I  246,  253,  265, !  17,  18 
abr   nichl   mfhr  Ffko-  |  269,309.318f. 
pflanzf.  ' 


Schneescliutzling?!  204,  235,  240,   9.  12,  13,  14, 
298  f..  305       i  15,  16,  22,  27, 
1  !  32 


Azalea  procumbens 
Arctostaphylos  alpina 
Vaccinium  uliginosum 
Erica  carnea 


Gipfrl  der  Fn-ihril  Mi 


32 


192,  204  i 

233,237, 288  f.   3,  4.  10,  12, 
14.  17,  32 


Primula  auricula 


Androsace  helvetica 


330 


:  Bei  Batlis 


Fraxinus  excelsior  , 
Ligustrum  vulgare 
Gentiana  vulgaris  ' 
Gentian  a  bavarica  ; 
Gentiana  bracbyphylla 
(Gentiana  tenella) 


Ganz  ansnahmslos  Ton  zirka 

7100  m  in,  an  alien  stark 

i    windgefegten  Stellen,  also  be- 

sonders  den  GrSten  n.  Gipfeln. 


Pi|.  Iilifl-laiar 

1  194,  197,  233, '  3,  4,  5,  6,  8, 
238f..269,275, !  9,  10,  12.  14, 
288,  305,  309,   15,  16.  17, 18. 

119,20.23,25, 

26,  28.  31, 32 

111,  12, 14, 19, 

,  21.  22,  26. 28. 

130.31.32,35. 

36 


!  318  f. 

195, 239, 283  f., 
310, 318  f. 


244 
244,  246 

|288 

199 


14,  19 


i 


Vincetoxicum  officinale 
Echium  vulgare 
Teucrium  montanum 

Teucrium  chamsedrys  , 

Stachys  recta  | 

Satureia  calamintlia 
var.  nepetoides 
♦Satureia  alpina 
Satureia  acinos 
Thymus  serpyllum 

Scrophularia  canina 
Veronica  aphylla 
Veronica  fruticulosa 
Digitalis  ambigua 
Erinus  alpinus 

Pedicularis  recutita 
Pinguicula  alpina 


Selten  anf  nacktem  Pels.  In 
vielen  Exemplaren  anf  dem 
Ganltband  ob  dem  Valsloeh 
an  der  Sodwestwand  d« 
Kaiserroekgipfels.  nnd  do. 
anf  dem  Sentisgipfel.  am 
Weg  rom  Ga&lhans  inm 
Obvervatoriom. 


36,  37 


36 


!  201,  202,  244  !  6 


I 


An  der  Wart    bei 
ca.  2000  m 

Bei     tyninten      allenlbalben 
ansnerst  haofig 


,  0>llich  vom  Steinbrofh  bei 
1      Qointen  bart  am  See 


j  Schneefleckprlanze 


I  Mwee^hniilinfj.   Bisher  nnr 
j     in  Sndeipotition  angetroffen. 


202.244f.,266  1,  2,  3,  4,  5, 
!  10,  17 

201,  202,  237, 
243,256f„258, 
310, 318 

202,  244 


1,  2,  3 
1,3 

13,  6 

L 


202,  237 

202 

202 

199,  217.  238, !  3,  4,  5,  6, 12, 

270,274f..311, 1 17, 19,  23.  28 

318 


237 

195,  227,  238, 
240,  265,  294 

306,  309 


1 12,  36,  37 
2,  3,  18 

2,  3,  11,  12, 
18.  SO 
15,  21 
'  14,  15 


331 


Blobularia  cordWoHa 


Balium  mollugo 

Balium  mollugo  var.  Gerard!) 

Bali  urn  rubrum  I 


Balium  asperum 

subsp.  anisophyllum 

Galium  helveticum 
Galium  boreale 


Viburnum  lantana 
Lonicera  pericly  menum 

Valeriana  tripteris 

Valeriana  montana 


Valeriana  saxatilis 


Scabiosa  columbaria 
Campanula  rotundifolia 
Campanula  pusilla 


Ph. 

1 194,  197,  199, 
233,  237  f., 
i  243  f .,  247, 
j254f.,  260, 
i265f.,  270  f, 
!  276, 288 f, 304, 
|  311,  318 


1,  2,  4,  5,  6, 
10, 12, 14, 15, 
17, 18,  20,  23, 
26.  28,  32 


Ostlich  vom  Stein- 
brucbbei  Quinten 


202,       217, 1  2*  3 
243  f.,  256  f.,  | 
265,305,31012,  3 


j  6,  10,  12,  13, 
.  14, 15,  20,  32. 
"36 


201 


Einiig   am   tint*   zvisehtn 
Ka»ten  und  Stanbmn  in  | 
Sfidwtexposition  bet  xirb  i 
1750mg<fudeu.  I 


Nnr  in  Nordrxposition  ob  den  i  195,  239 
Schrennen  (Stntiwitade  der  | 
tiloggeren)  u.tmFlhlensw. 
Ao  beiden  Ortcn  in  Maw*  '. 
(nnd  der  gelblicben  Blittcr  ! 
Wfgpn  within  siditbar). 


8.  9,   10,   12, 
13, 15,  16,  17 
18,20 
16 


I 


Adonostyles  alpina  u.  |  Anf  frndrtem  Ffbsrknlt.  Anf   202,  204 
Adenostyles  albifrons       Schrattenkalk  namentlidi  bei ' 
i     BwduUnng.  InolTea«r&id- 
j     expocition  i.  B.  uf  den 
I     Gailt  am  Triitei. 


,6 
.1,5 
194,  228,  305  !  2,  3,  4,  6,  8. 
!  9,  10,  12,  13, 
1 14, 15,  16, 17, 
18,  20,  21,  23, 
|  26,  27,  28,  30, 
j  31,  32,  35,  36 
1  8,  9,  16,  18 


332 


Bellidiastrum  Michelii 
Aster  alpinus 
Erigeron  uniflorus 
Erigeron  alpinus 
Leon  topodi  urn  alpinum 
Buphtalmum  salici- 

folium 
Achillea  atrata 

Artemisia  mutellina 


Artemisia  absinthium 
Aronicum  scorpioides 

Carduus  defloratus 

Centauroa  scabiosa 
Leontodon  incanus 


Mulgedium  alpinum 
Lactuca  muralis 


Schneefleckpflanze 

Hie  nod  da  u  dea  GipfeJ- 
wandeo  der  Carfirsteo,  I.  B. 

ob  der  Zieregg. 

Schneegeroll- 

pflanze 


Hiofig.  aber  nnr  in  Shdeipo- 
sition.  In  dea  Curfirsten 
\m  toufrr   I'tunrifl)  bt> 

tt  M  Nil  tt;in  UmS.nl  \> 

bi>  \m  m  (kiilim^dl 
Karren   irisehra   Kins   and 

Thierwies. 


ph. 

246 

243  f.,  288 

239 


196,  199 


202,  265 
201 

265 

244  f.,  265 
194,238.243  f., 
266 


204 


bltf-tamr 

9,  15 

I,  20,  25,  32 
4,  26,  36 

6 

II,  17,  18 
17 

13,  15,  20, 21, 
36,  37.  38 


113.21,36,37, 
|  38 

7,  16,  17,  20, 

28 

2,  3,  7, 17?  18 

2,  4,  17 


Hieracium. 

(Nach  gutiger  Bestimmung  durch  Herrn  Kaser,  Zurich.) 

H.  Berardianum  Arvet-Touvet.  In  Siidexposition :  1.  Gault  am 
Fahlensee.     2.  Ascher. 

H.  humile.  Jacq.  Schiifler,  Neocomwand,  Westexposition,  Dorn- 
better  Schratten,  Westexposition. 

H.  Abbatiscellanum  Dutoit-Haller.  Schratten wande  ob  der  Sch wag- 
alp.  Nordwest-Exposition.  Laden,  Neocom,  Nord-Ex- 
position,   1700  m.    Mar,  Schratten,  West-Exposition. 


333 


H.  squalidum  A.-T.  ssp.  pseudohumile.   Zahn.   Schratten  wan  de  ob 
der  Schwagalp,  Nordwest-Exposition. 

H.  squalidum  A.-T.  ssp.  erucifolium.  A.-T.  Gault  in  Siid-Exposition 
am  Tristen. 

H.   humile    Jacq.   ssp.  lacerum    Rout.     Ascher.     Fiihlenschafberg, 
Schratton  in  Siidexposition. 

H.  villo8um  L.  I.  4.  ssp.  villosurn  L.  a  gon.  1.  norm.  b.  simplicius 
NP.  Schratten  am  Fahlensee,  Nord-Ex position. 

H.  villosiceps  NP.     Ohrli. 

H.  subspeciosum.    Nageli. 

ssp.  dolichocephalum?  N.  P.    Garten,  Schratten,  Siid- 
Exposition,  ferner  Karrenfeld  Kiihmahd. 

H.  bupleuroides  Gniel.     Am  Fusso   der  Wart.  Curfirsten  in  Siid- 
Exposition.  2000  m. 

II.  1.  ssp.  lteviceps  2.   angustiusculum  N.  P.  Fahlen- 
schafberg,  Schratten,  Siid-Exposition. 


Floriila*1). 

1.  SUdexposition  bei  Quinten. 

Ca.  450  m.    Kompakte  Malm  wand  70°.    27.  Mai.  Oa.  40  m«  Flache 
am  Seeufer  (ca.  25  m  erhoht). 

Potentilla  caulescent*  ....  15 
Globularia  cordifolia  ....  8 
Asplenum  trichomanes    ...       7 

J)  Da  bei  dor  Aufnalime  der  nacbt'olgonden  LiHten  anch  solche  Spezies 
Beriicksichtigung  fanden,  wclche  an  Ort  und  Stclle  nur  par  distance  be- 
stimmt  werden  konnten.  so  dfirfm  dieselben  hn  Geyensatze  zu  den  rorher- 
gehenden  nur  bedingitngsircine  zur  Feststellung  der  Verbreitung  kritisrher 
Arten  beniltzt  tcerden.  Es  liegt  in  der  Natnr  der  Sache  begrundet,  dass  Ver- 
wechslungen  zwisclien  Spezkw  v,iv  AgrostiH  rupestris  und  A.  alpina,  Silone 
acaulis  und  8.  excapa,  Salix  hastata  und  H.  Waldnteiniana,  Asplenum  viride 
und  A.  trichomanes,  ja  nogar  Petrocallis  pyrenaica  und  Saxifraga  aphylla  etc., 
trotz  aller  Sorgfalt  nicht  ganz  vennieden  werden  konnen. 

1st  ein  Speziesnamen  dureb  den  Drunk  bervorgeboben,  so  bedeutet 
das  nur,  daws  ich  auf  das  betreffende  Vorkommnis  aus  irgond  einem  Grunde 
(Hdhe,  be  Bonders  charakteriBtisch)  aufmerksam  machen  niochte. 


334 


Polygala  cbamsebuxus      ...  4 

Teucrium  cbamsedrys  ....  2 

Teucrium  montanum   ....  2 

Aster  alpinus 1 

Campanula  rotundifolia    ...  1 

Stacbys  recta 1 

Sesleriarasen 

ein  Komplex  von  Bromus  erectus. 


2.  SUdexposition  bei  Quinten  (Seerenwald). 

Ca.  550  m.    Neocom,  Neigung  67°,  100  m*  Flacbe,  keine  Regen- 
wurniexkremente.     28.  Mai. 


Globularia  cordifolia    . 

42 

Einzelexemplare 

Sesleria  ccerulea  .     .     . 

30 

,, 

Leontodon  incanus  .     . 

8 

j» 

Erinus  alpinus      .     .     . 

5 

V 

Asplenum  trichomanes 

3 

V 

Galium 

2 

11 

Stupa  pennata .... 

2 

11 

Teucrium  montanum    . 

2 

11 

Teucrium  cbamtedrys   . 

2 

11 

Centaurea  scabiosa   .     . 

2 

9 

Potentilla  caulescens    . 

2 

r> 

Carex  buinilis  .... 

1 

n 

Veronica  fruticulosa 

1 

?• 

Amelancbier  ovalis  .     . 

1 

i 

Silene  nutans  .... 

1 

?i 

Ferner    eine   Menge    kleiner    Rasenfleckcben    von    folgender 
Zusammensetzung : 

1  Sealeria  coprulea  -\-  Teucrium  chama?drys 

1  „         +  „ 

9 

-         i? 

2 
1 


+ 

+      ,. 

-|-  Carex  humilis 

+  Carex  bumiles 

-(-  Laserpitium  siler 


Globularia  cordifolia 
-|-  (unkenntlich) 

-f  Cotoneaster  vulgaris 
+  Campanula  pusilla 

-h  Teucrium  cbam. 
+  Campanula  pusilla 

+  Teucrium  cbam. 


335 


2  Sesleria  caerulea  -f-  Laserpitium  siler 

„  ,,        +  Galium  +  Dianthus  inodorus 

„  „        -f-  Erinus  alpiiius 

„  „        +  Coronilla  emerus 

Carex  liumilis      +  Globularia  cordifolia 

„  „  -f-  „  „  -+■  Teucrium  montanum 

,,  ,,  -f"  Leontodon  incanus 

„  ,.  -4-  r  ..  +  Centaurea  scabiosa 

„  ,.  +  Teucrium  chameedrys 

„  „  +  Laserpitium  siler       -\-  Hippocrepis  comosa 

Globularia  cord.  +  „  „  -(-  Hieracium  spec. 

.,  „      -f-  Centauroa  scabiosa. 

3.  SUdexposition  bei  Schrina-Hochrugg. 

1400  m.    Unterste  Malmwiinde.    3.  Juni  1902. 

Potentilla  caulescens,  Globularia  cordifolia,  Sesleria  coerulea, 
wenige  Laserpitium  siler  an  der  Wand  selbst,  Kernera  saxatilis, 
Carex  humilis,  Centaurea  scabiosa.  Polygala  chamsebuxus,  Primula 
auricula  (haufig),  Sempervivum  tectorum,  Teucrium  montanum, 
Rhamnus  pumila,  Asplenum  trichomanes  und  ruta  inuraria,  Cam- 
panula pusilla,  Athamanta  hirsuta,  Sedum  album,  Saxifraga  aizoon. 
Thymus  serpyllum,  Erica  carnea;  Erinus  alpinus  und  Alchimilla 
Hoppeana  unton  an  den  Wiinden.  Arctostaphylos  uva  ursi,  Veronica 
fruticulosa,  Gypsophila  repens.  Allium  sphwrocephalum,  Anthyllis 
vulneraria,  Hippocrepis  comosa  (spiirlich).  Stachys  recta,  Silene 
acanlis  (noch  selten),  Teucrium  chamrodrys,  Amelanchier  ovalis, 
Euphorbia  cyparissias,  Satureia  alpina,  Festuca  ovina,  Galium 
mollugo,  Dianthus  inodorus,  Sedum  dasyphyllum,  .luniperus  com- 
munis, Helianthemum  vulgare. 

(Anthericus  und  Polygon atum  im  Geroll.) 

4.  SUdexposition  der  Gipfelwande  der  Curflrsten. 

Am  Fusse  der  AVart,  ca.  2000  in,  Schrattenkalk.    29.  Aug. 

Potentilla  caulescens.  Carer  mucronata,  Athamanta  hirsuta, 
Globularia  cordifolia,  Rhamnus  pumila,  Primula  auricula,  Kernera 
saxatilis,  Leontodon  incanus,  Erica  carnea,  Festuca  ovina  glauca, 
Laserpitium  siler,  Erigeron  unirlorus,  Hippocrepis  comosa,  Thymus 
serpyllum,  Carex  humilis,  firma,  sempervirens,  Amelanchier  ovalis, 
Helianthemum  vulgare.  Gymnadenia  odoratissima,  Asplenum  ruta 


336 


muraria,  Saxifraga  ceesia.  wenige  Saxifraga  aizoon,  Teucrium  mon- 
tanum,  Gypsophila  repens,  Campanula  pusilla,  Sesleria  co^rulea 
und  Euphorbia  cyparissias,  Senipervivum  tectorum,  Hieraciuin 
bupleuroides,  Carex  tenuis. 

5.  SUdostexposition  bei  der  Wasserau. 

Ca.  950  m.     Schrattenkalk.     Ca.  80°  Neigung.     14.  Aug. 
Stellenweise  Berieselung  durch  Quellwasser. 

Auf  berieselten  Stufen : 
Molinia  ccerulea  mit  Carex  mucronata. 

Auch  an  unberieselten  Stellen : 
Carex  mucronata,  Laserpitium  siler,  Gypsophila  repens,  Pri- 
mula auricula,  Anthericus  ramosus,  Sesleria  coarulea,  Euphorbia 
cyparissias,  Campanula  rotundifolia,  Potentilla  caulescens,  Dianthus 
inodorus  (=  silvestris),  Teucrium  montanum,  Kernera  saxatilis, 
Asplenum  trichomanes  und  ruta  muraria,  Draba  aizoidcs,  Rhamnus 
pumila,  Saxifraga  aizoon,  Bupleurum  ranunculoides,  Campanula 
persicifl.  (?),  Arabis  hirsuta,  Globularia  cordifolia,  Sedum  album, 
Thymus  serpyllum  und  Carex  humilis  an  der  Wand  recht  sparlich, 
d.  h.  nur  da,  wo  jode  Betriiufelung  und  daheriges  Wegwaschen 
obertlachlich  angesammelter  Humusmengen  durch  die  kleine,  oben 
herabfallende  und  -rinnende  Wasserader  ausgeschlossen  ist,  dagegen 
auf  den  Moosrasen  des  Gerolls  am  Fusse  der  Wand  recht  iippig. 

6.  Blockflora  bei  der  Wasserau. 

Ca.  900  m.    Neocombergsturz.    Blocke  bis  zu  5  m  Hohe.    14.  Aug. 

*  Sesleria  coerulea,  Potentilla  caulescens,  Globularia  cordifolia, 
Thymus  serpyllum,  Bhamnus  pumila.  Campanula  pusilla,  Polygala 
chamn'buxus,  Satureia  alpina,  Galium  anisophyllum,  Asplenum 
trichomanes,  Sedum  album  und  atratum,  Saxifraga  aizoides,  Aqui- 
legia  nrfgaris,  Vincetoxicum  officinale,  Poa  alpina,  Primula  auricula, 
Festuca  ovina,  Euphrasia  stricta,  Scabiosa  columbaria,  Erigeron 
alpinus,  Anthyllis  vulneraria,  Carex  mucronata,  Draba  aizoides, 
Thosium(?),  Alchiniilla  lloppeami  (in  wassergefullten  Karrenlochern), 
wozu  sich  noch  eine  Anzahl  Spezies  der  auf  die  Blocke  uber- 
greifenden  Wiese  gesellen. 

Im  Vergleich  mit  der  Flora  des  Anstehenden  erscheint  mir 
typisch  das  Auftreten  von  Alchimilla  Hoppeana  und  das  Fehlen 
von  Molinia,  Anthericus  und  Laserpitium  siler. 


337 


Das  Tal  Wasserauen-Seealpsee. 

14.  August.    Ca.  1100  m. 
7.  Siidexposition:  8.  Nordexposition: 

Neocom  und  Schrattenkalk:  Schrattenkalk: 


Florula  von  Nr.  5. 

Dazu: 

Hippocrepis  comosa 

Centaurea  scabiosa 

Seduni  dasyphyiluin 

Sorb us  aria 

Amelanchier  ovalis 

Origanum  vulgare 

Carduus  defloratus 

Polygonatum  multiflorum 

Calamagrostis  varia. 
An  senkrechten  Partien  beinahe 
nur: 

Potentilla  caulescens  und 

Carex  mucronata. 
Keine 

Carex  firma 

Carex  sempervirens  und 

Carex  ferruginea. 


Carex  firma  |    in  dichten 

Carex  sempervirens    w^Xn^n 
Carex  ferruginea      J  75°Neigung! 
Adenostyles  alpina 
Tofieldia  calyculata 
Alchimilla  Hoppeana(anstehend) 
Laserpitium  lati folium 
Campanula  pusilla 
Saxifraga  cresia 
Saxifraga  aizoides 
Saxifraga  aizoon 
Hieracium  amplexicaule 
Hieracium  bupleuroides 
Asplenum  trichomanes 
Aspidium  Robertianum 
Sesleria  coerulea  (oft  nirht  frnktifixierend) 
Kern  era  saxatilis 
Primula  auricula 
Calamagrostis  varia 
Valeriana  montana 
Salix  grandifolia 


9.  Nordexposition  am  Unterstrich. 

Ca.  1400  m.  Schrattenkalk  (teilweise  bespriiht).  11.  Sept.  1902. 
Campanula  pusilla,  Saxifraga  oppositifolia,  aizoides  und  aizoon, 
Heliosperma  quadrifidum ,  Valeriana  montana,  Carex  ferruginea 
(sempervirens?)  und  firma,  Asplenum  trichomanes,  Rhododendron 
hirsutum,  Alchimilla  Hoppeana,  Primula  auricula,  Hedysarum 
obscurum,  Siiene  acaulis,  (Parnassia  palustris),  Adenostyles,  Poten- 
tilla caulescens,  Athamanta  hirsuta,  Gypsophila  repens,  Festuca 
ovina,  Bellidiastrum  Michelii,  Rhamnus  pumila. 

10.  SUdwestexposition  bei  Wesen  (Ebenalp). 

Ca.  1650  m.     Schrattenwand.    Neigung  75°  und  dariiber. 

Lawinengefahr.     17.  August  1902. 
Potentilla  caulescens,  Sesleria  coerulea,  Globularia  cordifolia, 
Carex  mucronata,  Primula  auricula,  Teucriuin  montanum,  Rhamnus 

7JL 


338 


pumila,  A  th  am  ant  a  hirsuta,  Heliantheinum  vulgare,  Gypsophila 
repens,  Galium  anisophyllum,  Agrostis  rupestris,  Asplenum  tricho- 
manes  und  Asplenum  ruta  muraria,  Erica  carnea,  Saxifraga  csesia. 
Festuca  ovina  und  pumila,  Sedum  atratum,  Polygala  cham&buxus, 
Daphne  Mezereum,  Hieracium  humile.  Saxifraga  moschata,  Poa 
nemoralis  oder  Festuca  pulchella?  Carex  firma  und  senipervirens. 
Draba  aizoides,  Kernera  saxatilis,  Campanula  pusilla,  Laserpitium 
siler  vereinzelt  im  Sesleriarasen,  ferner  nicht  bliihende  Valeriana 
montana. 

11.  SUdwestexposition  bei  der  Altenalp. 

Neocom.     Im  iibrigen   obige  Verhaltnisse.     16.  August  1902. 

Flora:  Obige  ohne  Erica  carnea  und  Hieracium  humile. 

Dazu:  Androsace  helvetica,  Hieracium  villosum,  Gyranadenia 
odoratissima,  Leontopodium  alpinum.  Dianthus  inodorus,  Biscutella 
laevigata,  ferner  Silene  acaulis,  llanunculus  alpestris  und  Arabis 
hirsuta.  Erinus  unten  an  den  Wanden. 


12.  Ost-  und  Westexposition  am  Steckenberg. 

Ca.  1740  in.    Schrattenkalk.     11.  September  1902. 

Sowobl  in  Ost-  als  in  Westexposition : 

Potentilla  caulescens,   Primula  auricula,  Valeriana  montana, 

Athamanta  hirsuta,  Festuca  pumila,  Kernera  saxatilis,  Carex  firma. 

Campanula   pusilla,   Gypsophila   repens,   Galium    silvestre,   Carex 

mucronata,   Androsace  helvetica,   Silene  acaulis,  Sesleria  co?ruloa. 

Nur  in  Ostexposition  :         In  Westexposition  viel  haufiger 


Rhododendron  hirsutum 
und  oine  Erica  carnea 


Ostexposition : 
Arabis  alpina 


als  in  Ostexposition: 
Androsace  helvetica 
Gypsophila  repens 
Nur  in  Westexposition? 
Agrostis  rupestris 
Globularia  cordifolia 
Erinus  aljnnus 
Am  Fusse  der  Wiinde  bei : 

Westexposition : 
Ausser  vielen  kleinen  Athamanta  hirsuta: 
Erinus,  Alchimilla  Hoppeana,  Gypsophila. 
Veronica  aphylla,  Thymus  serpyllum,  wenige 
Festuca  pumila,  Agrostis  rup.,  Carex  firma, 
Silene  excapa,  Globularia,  Saxifraga  aizoon. 


339 


13.  Nordostexposition  beim  Garten. 

Ca.  1730  m.     Trockene  Schrattenwand.     17.  August  1902. 

Heliosperma  quadrifidum,  Asplenum  trichomanes,  Viola  biflora, 
Ranunculus  alpestris,  Saxifraga  steilaris,  Poa  alpina,  Valeriana 
montana,  Saxifraga  rotundifolia,  aizoides  und  moschata,  Campanula 
pusilla,  Festuca  puinila,  Hieracium  amplexicaule,  Achillea  atrata, 
Galium  silvestre=anisophylium,  Aronicum  scorpioides,  J  uncus  tri- 
iidus,  Salix  retusa,  Rhododendron  liirsutum,  Hutchinsia  alpina, 
Silene  excapa,  Alohimilla  Hoppoana,  eine  Athamanta  hirsuta,  wenige 
Sesleria  cu»rulea. 

14.  Nordexposition  der  Lohbetter. 

Ca.  1500  m.    Schrattenkalk.     20.  Sept.  1902. 

Carex  firma,  sempervirens  und  ferruginea,  Silene  acaulis.  Pri- 
mula auricula,  Campanula  pusilla,  Rhododendron  hirsutum,  Helio- 
sperma  quadrifidum,  Galium  anisophyllum  ?,  Agrostis  rupestris, 
Saxifraga  aizoon,  wo  quellig  aizoides  und  ciesia,  Salix  hastata?, 
caprea  und  retusa,  Alchimilla  Hopjieana,  Pinguicula  alpina,  Ranun- 
culus alpestris,  Cystopteris  fragilis,  Gentiana  vulgaris,  Sesleria 
co?rulea,  wenige  Festuca  purnila  und  Gypsophila  repens,  ferner 
Athamanta  hirsuta,  Dryas  octopetala. 
Bei  Nordwentej-position  dazu : 

Globularia  cordifolia,  Potent  Ma  vmdesccn*.  Erica  carnea,  Kernera 
saxatilis,  Polygala  chaimebuxus,  weiter  ol)en  Androsace  helvetica. 

15.  Nordexposition  oberhalb  der  Schwagalp. 

Ca.  1650  m.  Schrattenkalk,  zum  Toil  So.hneerleok.  Neigung  ca.  75°. 
4.  September  1902. 
Athamanta  hirsuta.  Campanula  pusilla,  Heliosperma  quadri- 
fidum, Carex  firma.  Gypsophila  repens,  Asplenum  ruta  muraria 
und  trichomanes,  Rhododendron  hirsutum,  Arabis  alpina  und  hir- 
suta, Kernera  saxatilis,  Cystopteris  fragilis,  Ranunculus  alpestris, 
Achillea  atrata,  Hutchinsia  alpina,  Pinguicula  alpina,  Agrostis 
rupestris,  Dryas  octopetala,  Salix  reticulata,  Sesleria  ccerulea, 
Mo.»hringia  muscosa,  Saxifraga  oppositifolia,  aizoon,  moschata,  caesia, 
stellaris,  rotundifolia.  Alohimilla  Hoppeana,  Hedysarum  obscurum, 
Anemone  nareissiflora,  Viola  biflora.  Polygonum  viviparum,  Salix 
retusa,  Poa  alpina,  Hieracium  squalidum  (A.-T.)  und  Abbatiscel- 
lanum  (Dutoit-Haller),  (Nordwestexposition),  ferner  wenige  Exem- 
plare  von  Carex  ferruginea,  Allium  schoenoprasum,  Bellidiastrum 


340 


Michelii,  Silene  acaulis,  Primula  auricula,  Carex  senipervirens, 
nicht  bluhende  Valeriana  montana,  Pedicularis  spec,  Alsine  verna. 

Auf  Neocom  tritt  Carex  firma  zuriick,  dafur  mehr  Salix  retusa 
und  Saxifraga  oppositifolia  und  Festuca  pumila  (neu). 

In  Westexposition  stellen  sich  ein:  Potentilla  caulescens, 
Festuca  pumila,  Galium  anisophyllum,  Globularia  cordifolia  und 
Rhamnus  pumila,  sowie  ol)ige  Hieracien. 


16.  Nord-  und  SUdexposition  beim  Fahlensee. 

Siidexposition  siehe  Nr.  17  und  18. 

Nordexposition,  ca.  1600  m.  Schrattenkalk,  verschiedene  Neigung. 

25.  September  1902. 


Carex  firma 
Carex  sempervirens 
Carex  ferruginea 
Primula  auricula 
Saxifraga  csesia 
Gypsophila  repens 
Athamanta  hirsuta 
Sesleria  coerulea 
Silene  excapa  (wenig) 
Carduus  defloratus 
Hedysarum  obscurum 
Rhododendron  hirsutum 


Campanula  pusilla 
Ranunculus  alpestris 
Agrostis  rupe stria 
Valeriana  saxatUis 
Valeriana  montana 
Adenostyles 
Alcbimilla  Hoppeana 
Meum  mutellina 
Saxifraga  aizoides 
Heliosperma  quadrifidum 
Arab  is  alpina 


Gault  und  Schrattenkalk  beim  Fahlensee. 

Ca.  1500  hi.     Siidexposition.     80°  Neigung.     25.  Sept.  1902. 
17.  Schrattenkalk  (plattig). 


Athamanta  hirsuta 
Carex  mucronata  (copiose) 
Potentilla  caulescens 
Primula  auricula 
Globularia  cordifolia 
Gypsophila  repens 
Festuca  ovina  capillata  (copiose) 
Festuca  pumila 
Campanula  rapunculus? 
Leontopodium  alpinum 
Hieracium  bupleuroides 
Hieracium  villosum 


Hieracium  Abbatiscellanum 

Dutoit-Haller 
Kern  era  saxatilis 
Molinia  coerulea 
Carex  firma  (wenig) 
Laserpitium  siler  (wenig) 
Sesleria  coerulea  (wenig) 
Carex  sempervirens 
Centaurea  scabiosa 
Rhamnus  pumila 
Leon  tod  on  in  can  us 
Euphorbia  cyparissias 


341 


Dianthus  inodorus  (copiose)  Campanula  pusilla        \  utci  u 

Saxifraga  ctesia  Alchemilla  Hoppeana  J  far  WuJ 

Saxifraga  aizoon  Thymus  serpyllum 

Dazu  an  einer  brockigen  Stelle  des  Schrattenkalkes : 


Erica  camea 

Buphthalmum  salici folium 
Teucrium  montanum 
Valeriana  montana 
Sedum  dasyphyllum 
Sedum  atratum 
Carduus  defloratus 


Anderwarts  noch: 
Sedum  album 
Senipervivum  tectorum 
Calamagrostis  varia 
Carlina  acaulis 


Athamanta  hirsuta 

Carex  mucronata  fehlt 
Potentilla  caulescens 
Primula  auricula 
Globularia  cordifolia 
Anthericus  ramosus 
Festuca  pumila 
Festuca  ovina  glauca  (copiose) 
Dianthus  inodorus  (sparse) 
Rhamnus  pumila 
Laserpitium  siler 
Centaurea  scabiosa 
Digitalis  ambigua 
Sesleria  c<r*rulea 
Sedum  dasyphyllum 
Sedum  album 
Kernera  saxatilis 


18.  Gault: 

Euphorbia  cyparissias 
Anemone  narcissitiora 
Leontopodium  alpinum 
Draba  aizoides 
Adenostyles  spec. 
Poa  nemoralis 
Saxifraga  aizoon 
Valeriana  montana 
Veronica  fruticulosa 
Erigeron  spec 

Cerastium  alpinum,  lanatum 
Erinus  alpinus 
Campanula  pusilla 
Mxnhringia  muscosa 
Alchimilla  Hoppeana 
Hieracium  Berardianum  A.  T, 


unten 
an  der 
Wand 


19.  SUdexposition  beim  Fahlenschafberg  (Lochlibetter). 

Ca.  2100  m.  Schrattenkalk  (splitterig).  26.  August  1902. 
Saxifraga  caesia,  Androsace  helvetica,  Athamanta  hirsuta, 
Helianthemum  alpestre,  Astragalus  alpinus,  Gypsophila  repens, 
Festuca  pumila  und  rupicaprina,  Carex  tirma,  Anthyllis  vulneraria, 
Petrocallis  pyretiaica.  Primula  auricula,  Gentiana  acaulis,  TJiymus 
serpyllum,  Alsine  verna  und  scdoides,  wenige  Sesleria  c<erulea  und 
Carex  sompervirens. 

20.     Ca.  2000  m.     Kompakte  Schrattenwand:  ca.  75°. 
Unten:     Erinus   alpinus   und   Alchimilla   Hoppeana;    sonst: 
Olobularia  cordifolia,  Carex  mucronata,  Rhamnus  pumila,  Athamanta 


342 


hirsuta,  Sesleria  coerulea,  Carex  firma,  Galium  anisophyllum,  Carex 
seinpervirens,  Kernera  saxatilis,  Aster  alpinus,  Campanula  pusilla, 
Saxifraga  moschata,  Valeriana  montana,  Sedum  atratum,  Daphne 
mezereum,  Asplenum  ruta  muraria,  Primula  auricula,  Agrostis 
alpina,  Carduus  defloratus,  Hieracium. 

Wenige  Festuca  pumila.  In  einer  Schrunde  Arabis  alpina, 
Achillea  atrata,  Ranunculus  alpestris  und  Viola  biflora. 

Nordexposition  bei  den  Lochlibetten. 

21.     Ca.  2000  in.     Neocom.     26.  August  1902. 

Saxifraga  moschata,  oppositifolia,  aizoides,  aphylla  und  aizoon. 
Androsace  helvetica  (oben  an  den  Wanden),  Silene  excapa,  Alsine 
verna  und  sedoides,  Campanula  pusilla,  Poa  alpina,  Lloydia  sero- 
tina, Achillea  atrata,  Cystopteris  fragilis,  Sesleria  coerulea,  Pedi- 
cularis  spec,  Hedysarum  obscurum,  Festuca  pumila  und  rupi- 
caprina,  Polygonum  viviparum,  Salix  retusa,  Ranunculns  alpestris, 
Taraxacum  officinale,  Ligusticum  mutellina,  Hutchinsia  alpina, 
Aronicum  scorpioides,  Arabis  alpina,  Veronica  alpina?'? 

Ranunculus  montanus  haufig  im  Schutt,  aber  nie  am  Felsen 
selbst. 

22.     Ca.  2100. m.     Schrattenkalk. 

Saxifraga  moschata,  ciesia,  oppositifolia,  aphylla,  aizoides  und 
aizoon.  Heliosperma  qiiadrifidum,  Draba  tomentosa,  Carex  firma, 
Festuca  rupicaprina,  Dry  as  octopetala,  Salix  retusa,  unten  Lloydia 
serotina.  oben  Androsace  helvetica. 


Nord-  und  SUdexposition 

Ca.  1950  m.     Schrattenkalk. 
23.  SUdexposition: 
Gypsophila  repens 
Athamnnta  hirsuta 
Thymus  serpyllnm 
Globularia  cordifolia 
Carex  ferruginea 
Primula  auricula 
Saxifraga  aizoon 
Helianthemum  alpestre 
Campanula  pusilla 
Festuca  pumila 
Sesleria  ca»rulea 
Saxifraga  ceesia 


der  Rossmahd. 

23.  September  1902. 

24.  Nordexposition: 
Carex  firma 

Salix  retusa 
Dryas  octopetala 
,  Lloydia  serotina 
Polygonum  viviparum 
Rhododendron  hirsutum 
Silene  excapa 
Saxifraga  oppositifolia 
Saxifraga  ceesia 
Festuca  pumila 


843 

26.  Grat  (auf  der  Stidseite): 
Carex  firma  Primula  auricula 

Sesleria  ccerulea  Silene  excapa 

Festuca  pumila  Alsine  sedoides 

Helianthemum  alpestre  Aster  alpinus? 

Nord-  und  SUdexposition  der  Lftden. 

Ca.  1850  m.    Neocom.     10.  September  1902. 
26.  Sud  wand,  ca.  80°  gestuft.     27.  Nord  wand,  ca.  50°  plattig. 


Carex  mucronata 
Athamaiita  hirsuta  (viel) 
Sesleria  coerulea 
Globularia  cordifolia 
Rbamnus  pumila 
Festuca  ovina 
Gypsophila  repens  (wenig) 
Draba  aizoides  (wenig) 
Antbyllis  vulneraria 
Helianthemum  alpestre 
Potentilla  caulescens 
Primula  auricula 
Festuca  pumila 
Asplenum  ruta  muraria 
Festuca  rubra  faliax 
Erigeron  uniflorusV 
Campanula  pusilla 
Saxifraga  aizoon 

ben  am  Grat 

Androsace  helvetica 

i  der  Wiese  wenige  kleine 
Silene  excapa. 


Carex  firma 
Silene  excapa 
JJryas  octopetala 
Saxifraga  caesia 
Salix  reticulata  (wenig) 
Lloydia  serotina  (wenig) 
Campanula  pusilla 
Polygonum  viviparum 
Saxifraga  moschata 
Festuca  pumila 
Alsine  verna 
Athamanta  hirsuta 
Saxifraga  aizoides  (wenig) 
Pedicularis? 
Rhododendron  hirsutum 
Winzige  Bliittcben  von 
Ranunculus  alpestris. 


Nord-  und  SUdexposition  am  Ohrligipfel. 

a.  2100  m.     Gestufte   Schrattenwand.     Neigung  50°,   mit  winter- 
licher  Schneebedeckung.    21.  Sept.  1902. 

28.  Sudox  posit  ion. 
Globularia  cordifolia l),   Thymus  serpyllum,  Gypsophila  repens, 
thamanta  hirsuta   (ganz  kleine  Exemplare),   Alchimilla  Hoppeana, 
helianthemum  alpestre,   Carduus  defloratus,   1   Primula  auricula* 


')  Von  Bchwarzgriiner  Farbe. 


344 


Hieracium  spec,  Rhamnus  pumila,  Saxifraga  aizoon  und  moschata, 
Silene  acaulis,  Oarex  firma  und  sempervirens,  Sedum  atratum. 
Campanula  pusilla,  wenige  Festuca  pumila. 

29.  Nordexposition. 
ca.  2200  m.     Glatte,  plattige  Schrattenwande,  windgefegt. 
Nur  Androsace  helvetica,  Festuca  pumila,  Carex  firma  und 
Salix  retusa. 

30.  Zacken  bei  der  Thierwies. 

Ca.  2100  m.     Schrattenkalkklippe.     4.  Sept,  1902. 
Dberall  wo  der  Humus  weggeblasen  werden  kann : 
Androsace   helvetica,  Festuca  rupricaprina,   wenige   Festuca 
pumila  und  Saxifraga  oppositifolia. 

Wo  der  Humus  liegen  bleiben  kann: 
Moos   mit   Saxifraga    oppositifolia,    moschata,   ctesia,    aizoon, 
Festuca  pumila,  Campanula  pusilla,  Dry  as  octopetala,  sogar  Hut- 
chinsia  alpina  und  Saxifraga  aphylla. 

31.  Gipfelflora  des  Altmann. 

2438  m.     Schrattenkalkklippe.    23.  August  1902. 
Auf  der  Gipfelflache : 

Festuca  pumila,  Saxifraga  moschata,  aizoon,  ceesia  und  aphylla, 
Androsace  helvetica,  Carex  firma,  Salix  retusa,  Silene  excapa  (wo 
viel  Humus),  Poa  alpina,  Polygonum  viviparum,  Petrocailis  pyre- 
naica,  Alsine  verna,  Helianthemum  alpestre. 

Die  moosfreie  Siid-  und  Westseite  mit  sehr  viel 

Festuca  pumila. 
An    der    moosreichen    Nordwand    fehlt  Festuca   pumila  etwas 
unterhalb  des  Gipfels  ganz. 

Am  Siidostabfall  (gegen  das  Schaffhauserkamin) : 

Hutchinsia  alpina,  Campanula  pusilla,  Saxifraga  oppositifolia 
und  Rudimente  von  Primula  auricula. 

32.  Gipfelflora  der  Freiheit. 

2142  m.    Schrattenkalk.    24.  August  1902. 
An  der  Siid  wand  und  auf  der  Gipfelflache: 
Sesleria  coerulea,  Festuca  pumila,  Carex  firma,  Primula  auri- 
cula, Salix  retusa,  Juniperus  communis,  Androsace  helvetica,  Erica 
carnea,   Globularia   cordifolia,   Daphne   mezereum,  Rhododendron 


345 


hirsutum,  einzelne  Dryas  octopetala  und  Silene  excapa,  Saxifraga 
aizoon,  Polygonum  viviparum,  Campanula  pusilla,  Galium  aniso- 
phyllum,  Aster  alpinus  und  Agrostis  rupeatris? 

Im  Carex  sempervirena-Raaen  der  Gipfelfliiche  dazu: 
Parnassia  palustria,  Gypsophila  repens,  Featuca  rubra,  fallax, 
Azalea  procumbens,  Campanula  Scheuchzeri,   Globularia  nudicaulis. 

Gegen  Norden : 
Viel    mehr   Silene    excapa,    Dryasteppiche,    Saxifraga   c^sia, 
Pedicularis  verticillata,   viel  weniger  Festuca  pumila   ala  auf  der 
Sudaeite;  sodann  Saxifraga  oppositifolia  und  aphylla,  Arabia  hir- 
auta,  Hutchinsia  alpina,  Alsine  sedoides. 

33.  Gipfelflora  des  Hundstein. 

2159  in.    Schrattenkalk.     24.  August  1902. 
Ebenfalls  an  der  Sudwand   massenhaft   Festuca   pumila,   die 
an  der  Nordwand  beinalie  vollig  fehlt. 

34.  Nordwand  des  Hundsteingipfels. 

Schratten.     24.  August  1902. 
Von  2159  m  an  abwarts  bis  zum  Kamin  (2000  m): 

Festuca  rupicaprina,  Poa  alpina.  Sesleria  cuurulea.  Carex  firm  a, 
Arabia  alpina,  Salis  retusa  und  reticulata,  Alaine  verna,  Polygonum 
viviparum,  nicht  bliihende  Foatuca  pumila,  Saxifraga  moschata, 
aphylla,  aizoides,  ciesia  und  oppositifolia,  Hutchinsia,  Ranunculus 
alpestris,  Draba  tomentosa,  Heliosperma  quadrifidu-m. 

35.  Gipfelflora  des  Ohrli. 

Ca.  2203  m.  Schmale  Schrattenklippe.  21.  September  1902. 
Typische  Gipfelbeschaffenheit :  Scheinbar  ist  der  Fels  nur  mit 
ausgewaschenen,  gebleichten  Steinsplittern  bedeckt.  wahrend  sicb 
tatsachlich  unter  denselben,  in  den  kleinen  Furchen  dea  Felsens 
achone  braune  Erde  in  Menge  findet  (in  mebr  als  Dezimeter  tiefer 
Lage),  Regenwiirmer  scbeinen  zu  feblen. 

Auf  den  aus  den  Splittern  sicb   erhebenden  Felskanten : 

Androsace  helvetica. 

Auf  Stellen.   wo  der  Scbnee  sicb  wahrscheinlich  halten  kann: 

Festuca  pumila,  Carex  firma,  Salix  retusa,  eine  kriippelhafte 

Athamanta  hirsnta,  Gypsophila  repens  mit  roten  Bliittcben,  Saxifraga 

ceesia,    in   einem  Winkel   auch  Saxifraga  aizoon   und  Hedysarum 


346 


obscurum;  Campanula  pusilla,  Draba  tomentosa,  Festuca  rupicaprina, 
Petrocallis  pyrenaica.1) 

36.  Gipfelflora  des  Sentis. 

2504  m.    Seewerkalkgewolbe.     12.  September  1902. 

Westliche  Abdachung. 

Auf  vorspringenden  Rippen  beinabe  nur: 

Festuca  pumila,  Androsace  helvetica,  Saxifraga  oppositifolia 
und  kleine  Blattchen  von  Campanula  pusilla,  Draba  tomentosa. 

Im  iibrigen  in  den  kleinen  Mulden  und  auf  Flatten  sofort 
BasenH)Udvng  von  Sileno  exeapa,  Salix  herbacea,  Saxifraga  aizoon. 
Draba  aizoides,  Festuca  pumila  und  wenigen  Festuca  rupicaprina. 
Darin  eingestreut  und  auch  einzeln  Saxifraga  moschata,  Gentiana 
brachypbylla.  Taraxacum  officinale,  viel  Androsace  cham*ejasme, 
Carex  nigra,  Sesleria  ccerulea,  Erigeron  uniflorus.  Saxifraga  andro- 
sacea.  eine  kleine  Carex  firma,  Galium  anisopbyllum.  Pedicularis? 
Arabis  alpina.  Poa  minor.   Blattchen  von  Ranunculus  alpestris. 

Auf  dem  grobsplitterigen  Scbutte  inieht  Geroll): 
Aronicum  scorpioides  und  Thlaspi  rotundi folium,  welch  letztere 
aber  dem  feinen,  humusdurchsetzten  Schutte  vollig  fehlt.  Cirsium 
spinosissimum,  Achillea  atrata. 

Nordliche  Abdachung.  (Die  Spezies,  die  der  Siidexposition  feblen. 
sind  durch  ein  N  gekonnzeichnet). 

Viele  Hutchinsia  alpina -Exemplare  (an  der  Sudabdachung 
beinahe  ganz  fehiend).  aber  meist  nur  auf  nacktem  Fels  und  den 
kleinen  Raschen  fehiend.  Poa  alpina.  Ranunculus  alpestris,  Silene 
acaulis,  Lloydia  serotiua  N.  Arabis  hirsuta,  Gentiana  brachypbylla, 
Saxifraga  oppositifolia.  androsacea  und  aphylla  N,  Salix  retusa 
und  herbacoa.  Alsine  verna.  Veronica  aphylla.  Phleum  alpinum. 
Polygonum  viviparum  N,  Festuca  (rubra??),  keine  Dryas.  (Ini 
Geroll  Cerastium  spec.) 

Die  siidliche  Abdachung  in  ihrer  Artenliste  abnlich  wie  die 
westliche,  aber  mit  viel  mehr  Rasen,  der  z.  B.  Gentiana  teneHa, 
Farnassia  palustris.  Salix  herbacea  und  Festuca  (violacea???) 
enthiilt. 


*)  Eino  uuziiv^rliisHige  Angabe.  An  Ort  und  Stelle  notierte  ich  Saxi- 
fraga aphylla,  da  ich  in  jenor  Zeit  nnr  nolche  und  keiue  Petrocallis  gesehen. 
Naohher  ainlenvartH  gefundene  Petrocallisexeniplare  veranlat*sten  mich  znr 
Korrvktur.  sowohl  wegen  dea  Aunnehens  jenor  Ohrlipflanzen,  als  auch  wegen 
des  fiir  Sax.  aphylla  ganzlich  ungeuohnten  Standortea. 


347 


37.  Die  Schneemulde :  der  grosse  Schnee. 

Unteres  Ende  ca.  2100—2200  m.     Seewer-  und  Schrattenkalk. 
6.  September  1902. 

Dem  Schnee  zun achat:  Hutchinsia  alpina  und  Arabis  ccerulea. 
Dann :  Saxifraga  oppositifolia,  moschata  und  androsacea.  Rumex 
nivalis,  Arabis  alpina,  Alsine  verna,  Poa  minor,  Silene  excapa,  alle 
auf  Kies  oder  Fels.  In  humusrcichen  Lochern  Saxifraga  stellaris. 

An  leicht  erhohten  Stellen :  Festuca  pumila  und  Silene  excapa- 
rasen,  Carex  nigra,  Poa  minor,  Rumex  nivalis,  Salix  retusa,  Saxi- 
fraga moschata  und  aphylla,  Poa  alpina,  Gentiana  brachyphylla, 
Polygonum  viviparum,  Sedum  atratum,  wenige  Achillea  atrata, 
Arabis  hirsuta  und  Veronica  aphylla. 

ImGeroll:  Thlaspi  rotundifolium,  Aronicum  scorpioides  und 
ganz  wenige  Sesleria  cwrulea. 


38.  Schneemulde  am  Altmann. 

Ca.  2200  m.     Sudostexposition.    23.  August  1902. 
Auf  dem  Gault,  der  Muldensohle.     Sudostexposition. 

Aronicum  scorpioides,  Saxifraga  stellaris,  Hutchinsia  alpina, 
Poa  alpina  (V),  Achillea  atrata,  Polygonum  viviparum,  Saxifraga 
aizoides  und  androsacea,  nicht  bliihende  Ranunculus  alpestris. 
Auf  dem  Seewerkalk,  Rand  der  Mulde,  Nordostexposition. 
Festuca  pumila,  Lloydia  serotina,  Saxifraga  moschata,  oppositi- 
folia, androsacea,  aphylla,  Poa  alpina,  Polygonum  viviparum, 
Sesleria  coerulea,  Aronicum  scorpioides,  Silene  excapa,  Rumex 
nivalis,  Ranunculus  alpestris. 

Auf  Schrattenkalk.    Ca.  80°.   Nordexposition,  nahe  dem  Schnee. 
Hutchinsia  alpina,  Saxifraga  stellaris,  moschata,  oppositifolia 
und  aphylla,  Poa  alpina  und  minor. 


348 


Hilfstabelle  fur  das  Aufsuchen  der  Ortsnamen. 


Zur  leichteren  Orientierung  iiber  die  ira  Texte  verwendeten 
Ortsnamen  wird  in  der  folgenden  Tabelle  in  alphabetiscber  An- 
ordnung  die  Lage  derselben  in  bezug  auf  andere.  als  bekannt 
vorausgesetzte  Orte  bostimmt.  Als  bekannt  vorausgesetzt  wird 
die  Lage  der  Sentisspitze,  des  See  alp-  und  Fablensees. 
der  Curfirsten:  Kaserrugg,  Hinterrugg,  Scheiben- 
stoll,  Zustoll,  Brisi,  Friimsel,  Selun,  und  des  Leist- 
kamrns. 

Namen,  die  in  den  Siegfriedkarten  (1 :  25,000)  nicht  enthalten 
sind,  tragen  ein  Sternchen  (*). 

Luftdi  statu 

Achselkamm*  SW  Leistkamm  1000  m 

Ascber  siebe  Escher 

Altenalp  WNW  Seealpsee  500  m 

Altmann,  Scbrattenkalkklippe  SO  des  Sentis  2500  m 
Betlis,  Dorfchen  am  Walensee  zwiscben  Quinten  u.  Weesen 
Berenbach,  Wasserfall  bei  Betlis 

Blauscbnee  NO  des  Sentis  (Gletscbercben)  100  m 

Bogarten,  Gratliicke  SSO  des  Seealpsees  1500  m 
Dorn better*,  Sclirattenklippen  am  Nordabfall  des  Sentis, 

neben  den  Lobbctten.  NNW  des  Seealpsees  1250  m 

Ebenalp  NNO  des  Seealpsees  1500  m 

Escber,  Schrattenwande.  NNO  des  Seealpsees  1500  m 

Fahlenschafberg.  Scbrattenklippo,  WSW  des  Fahlensees  1500  in 

Freiheit.  Schrattenkalkturm  W  des  Fablensees  1000  m 

Garten.  Kessel  N  des  Seealpsees  1000  m 
Glattwand  S  Brisi  Seeufer 

Gloggeren,  Alp  ob  den  Scbrennen  SO  des  Seealpsees  500  m 

Grossscbnee,  Scbnee-  und  Karrenfeld  SO  des  Sentis  150  m 

Hocbniedere,  breite  Gratliicke  NO  des  Sentis  1500  in 

Hober  Kasten,  Kopf  ONO  des  Seealpsees  6000  m 

do.  Kasten 

Hundstein.  Sclirattenkalkturm  NW  des  Fablensees  500  m 

Klus.  hier:  die  Alp  SSW  des  Sentis  1750  m 

Kuhinahd,  Grasband  und  Weg  (Megglis-Sentis)  O  Sentis  1000  m 

Laden,  Xeocomklippe  NW  des  Seealpsees  1000  ra 


349 


Lohbetter,  Schrattenwande  des  Nordabfalls  des  Sentis 

N  des  Seealpsees 
Mar,  Circus  0  des  Seealpsees 
Megglis(alp)  SW  des  Seealpsees 
Obersass  (Tschingeln)  S  Friimsel 
Ohrii,  Schrattenklippe  NNO  des  Sentis 
Quinten,  Dorfchen  am  Walenseeufer  S  Leistkamm 

Raticon,  Kette  im  Kan  ton  Graubiinden. 
Rossegg,  Karrenfelder  NNO  des  Sentis 
Rossmahd,  Grasband  ob  der  Kuhmahd  O  Sentis 
Schafler,  Gipfel  NW  des  Seealpsees 
Schniire*,  Kamin  an  der  Nord wand  des  Sentis  NNO  der 

Sentisspitze 
Schrandenberg  *,  Uferwande  0  Quinten 
Schrina-Hochrugg,  Heuberge  S  Friimsel 
Schrennen,  Grasband  und  Weg  Megglis-Wasserau 

SO  des  Seealpsees 
Schwagalp  NW  der  Sentisspitze 
Sitzstein*,  Stufen  und  Tritteisen  an  den  Malmwanden 

S  Brisi 
Stauberen,  Grat  NNO  des  Fahlensees 
Steckenberg,  Schrattenklippe  W  Seealpsee 
Steinbruch,  Uferwande  0  Quinten 
Tierwies,  Schnee-  und  Karrenfeld  SW  des  Sentis 
Turme,  Schrattenklippen  WNW  des  Seealpsees 
Tristen(kolben),  Kopf  SO  der  Kaserruggs 
Tschingeln,  Obersass  S  Scheibenstoll 
Unterstrich*,  Weg  an   den  Wanden  S  des  Seealpsees 

(nach  Megglis) 
Vals  (Valserloch),  Kamin  S  des  Kaserruggs 
Wart,  Gaultgipfei  WSW  des  Seluns 
Wasserau,  Ende  der  Alluvionsebene  NO  des  Seealpsees 
Wesen  (nicht  Dorf  Weesen)  Alp  N  Seealpsee 
Wildseeli  WSW  des  Fahlensees 
Zieregg,  vorspringende  Wandkante  S  des  Hinterruggs 


Luft-disUnx 

1500 

m 

1250 

m 

500 

m 

2250 

m 

1000 

m 

1500 

m 

1000 

m 

1000 

m 

500 

m 

1000 

m 

250 

m 

1250 

m 

750 

m 

3000 

m 

500 

m 

250 

m 

1000 

m 

1250 

m 

1500 

m 

300 

m 

150 

m 

500 

m 

750 

m 

2500 

m 

500 

m 

2250 

m 

500 

m 

350 


Literatur  -  Verzeichnis. 

Altenkirch,  G.    Studium  iiber  die  Yerdunstungsschutzeinrichtungen 
in  der  trockenen  Gerollflora  Sachsens. 

Englers  Botanische  Jahrbucher  Bd.  18.  1894. 
Baumgartner,    G.     Das    Curfirstengebiet    in    seiuen    pflanzengeu- 
graphischen  und  wirtschaftlichen  Verhaltnissen. 

St.Gallen,  Jahrbuch  der  Naturw.  Ges.  1899,1900. 
Beitrage  zur  geologischen  Karte  der  Schweiz.     Lief.  14.  III. 

Bern  1881. 
Bretscher,  K.     Die  Oligochaeten  von  Zurich. 

Revue  Suisse  de  Zoologie.  I.  III.  fasc.  4.  1896. 
Christ,  H.     Das  Ptlanzerileben  der  Schweiz.  Zurich  1879. 

Correvon,  H.     Les  plantes  alpines  et  de  rocailles.      Paris  1895. 
Crepin,   M.     Quelques    reflexions    sur    les   travaux   de   statistique 
vegetale. 

Bull.  d.  1.  Soc.  roy.  de  botaniquo  de  Belgique  1885  t.2). 
Darwin,  Charles.     Die  Bildung  der  Ackererde  durch  die  Tatigkeit 

der  "VViirmer.  Gesammelte  Werke.  Stuttgart  1882. 

Djeinil,  Mehmed.     Untersuchungen  iiber  den  Einnuss  der  Regen- 
wiirrner   auf  die  Entwicklung  der  Pflanzen. 

Halle  a.  S.  1896. 
Drude,  O.     Dcutschlands  Pflanzengeographie.        Stuttgart  1896. 
—     Uber  die  Prinzipien  in  der  Unterscheidung  von  Vegetations- 
formen,  erlautert  an  der  zentraleuropaischen  Flora. 

Bot.  Jahrbuch  von  Engler.     1890.     Bd.  11. 
Drude,  O.  Uber  ein  gemischtes  Auftreten  von  Haiden-  und  Wiesen- 

vegetation.  Flora  1896. 

Engler,  A.  Die  PHanzenformationen  und  die  pflanzengeographiscbe 

Gliederung  dt*r  Alpenkette.  Leipzig  1901. 

Goebel,  li.    tJber  Studium  und  Auffassung  der  Anpassungserschci- 

nungen  bei  Pilanzen.  Munchen  1898. 

Gradmann  11.     Das  Pflanzenleben  der  schwabischen  Alb. 

Tubingen  1900. 
Gracbner.     (Siehe  Warming.'! 

Gremblich,  J.    Pflanzenverhiiltnisse  der  Gerolle  in  den  nordlichen 
Kalkalpen.  Ber.  d.  bot.  Ver.  Landshut  1874/75. 


351 


remli,  E.    Exkursionsflora  der  Schweiz.     7.  Aufl.,  Aarau  1893. 
aberlandt,  G.     Physiologische  Pflanzenanatomie. 

2.  Aufl.,  Leipzig  1896. 
eer,  0.     Beitrage   zur  Pflanzengeographie.     Froebels  und  Heers 
Mitteilungen  ans  deni  Gebiete  der  theoretischen  Erdkunde. 

I.  3.  Zurich  1835. 
iccard.  P.    I.  Etude  comparative   de  la  distribution  florale  dans 
une  portion  des  Alpes  et  du  Jura. 
Bull.  d.  1.  soc.  vaudoise  des  sc.  nat.     Vol.  XXXVII. 

Lausanne  1901. 

—  II.  Gesetze  der  Pflanzenverteilung  in  der  alpinen  Region. 
(Flora  1902).  Manuskript.  Beniit-zt  als  handschriftliche 
tlbersetzung  von  Prof.  Dr.  P.  Vogler. 

jngner,  J.  R.    Klima  und  Blatt  in  der  Regio  alpina.    (Flora  1894.) 
ast's  Botaniscber  Jabresbericht  1873 — 1899  V.  Leipzig, 

eller,  R.     Vegetationsbilder  aus  deni  Val  Blenio. 

Mitteil.  der  Naturw.  Ges.  in  "Winterthur.     IV.  Heft.  1902. 
erner,  A.,  von  Marilaun.     I.  Pflanzenleben. 

2.  Aufl.     Leipzig  und  "Wien  1896. 

—  II.  Pflanzenleben  der  Donaulander.  Innsbruck  1863. 
idforss,  B.    Zur  Physiologie  und  Biologie  der  wintergrunen  Flora. 

Bot.  Zentralblatt  1896.    Bd.  68. 
ayer,  A.     Lebrbuch  der  Agrikulturchemie.       Heidelberg  1901. 
ichaelsen,  W.     Oligochreta  in  :  Das  Tierreich.         Berlin  1900. 
untz,  M.  A.     Sur   la   dissemination    du   ferment    nitrique   et   sur 
son  rdle  dans  la  desagr6gation  des  rocbes. 

Ann.  d.  chimie  et  de  physique,  6me  serie  T  XI.  1887. 
>himper,  A.  T.  W.    Pflanzengeographie  auf  physiologischer  Grund- 

lage.  '  Jena  1898. 

!hinz  und  Keller.     Flora  der  Schweiz.  Zurich  1900. 

shlattcr,  Th.    t}ber  die  Verbreitung  der  Alpenflora  mit  spezieller 
Beriicksichtigung  tier  Kantone  St.  Gallon  und  Appenzell. 
Jabresbericht  der  Naturwiss.  Ges.  St.  Gallon  1872/73. 
ihroter,  G.     I.  Das  St.  Antoniertal   iin  Priittigau   in  seinen  wirt- 
schaftlichen  und  pflanzengeographischen  Verhjiltnissen. 

Landwirtsch.  Jahrbuch.  IX. 

—  H.  Die  Alpenflora. 

—  III.  Le  climat  des  Alpes,  et  son  influence  sur  la  flore  alpine. 

72.  Session  de  la  soc.  Helvetique  des  sciences  nat. 

Geneve  1889. 
ihroter,  L.  und  C.     Tascbenflora  des  A lpen wanderers. 

Zurich  1900. 


352 


Stahl,  E.    Der  Sinn  der  Mycorhizenbildung. 

Jahrbuch  f.  wiss.  Bot.  XXXIV.  4.     Leipzig  1900. 
Stebler  und  Schroter.     Die  Alpenfutterptianzen.  Bern  1899. 

—  Beitrage  zur  Kenntnis  der  Matten  und  Weiden  der  Schweiz. 

Landwirtschaftl.  Jahrbuch  III. 
Stenstrom,  R.  O.  E.    tFber  das  Vorkommen  derselben  Arten  in  ver- 
schiedenen  Klimaten,  mit  besonderer  Beriicksichtigung  der 
xerophil  ausgebildeten  Pflanzen. 

Flora  1895.    Heft  1  u.  2.     Marburg. 
Thurmann,  Jules.     Essai  de  Phytostatique.  Bern  1849. 

Vallot,  J.     Recherches  physico-chimiques  sur  la  terre  vegetale. 

Paris  1883. 
Vogler,  P.    Beobachtungen  uber  die  Bodenstetigkeit  der  Arten  ini 
Gebiete  des  Albulapasses. 

Bericht  d.  schweiz.  bot.  Ges.  Bern  1901. 

—  Die  Bodenstetigkeit  der  Pflanzen  mit  spezieller  Beruck- 
sichtigung der  Kalk-  und  Kieselpflanzen.  Manuskript,  Diplom- 
arbeit.  Zurich  1898. 

—  t)ber  die  Verbreitungsmittel  der  schweizerischen  Alpen- 
pllanzen.  Miinchen  1901. 

Volkens,  G.     Beziehungen  zwischen  Standort  und  anatomischem 
Bau  der  Vegetation sorgane. 

Jahrbuch  d.  k.  bot.  Gartens  zu  Berlin  III.  1884. 
Warming,  Eug.     Lehrbuch  der  okologischen  Pflanzengeographie. 

II.  Aufl.  von  A.  Graebner,  Berlin  1902. 
Wartmann,  B.   und  Schlatter,  Th.    Kritische  "Cbersicht  uber  die 
Gefasspflanzen   der  Kan  tone  St.  Gallen  und  Appenzell. 

St.Gallen  1881. 


4 


~1 


IX. 

Das  Relief. 

Vortrag,  gehalten  bei  Gelegenheit  der  Gbergabe  des 
S&ntisreliefs  in  i :  5000  an  das  Naturhistorische  Museum 

am  8.Januar  1904  in  SiQallen 

von 

Dr.  Alb.  Heim,  Prof. 


Als  Agidius  Tschudi  1506,  und  spater  noch  1713,  als 
Joh.  Jak.  Scheuchzer  ihre  Schweizerkarten  zeichneten,  da 
bereiteten  ihnen  die  Berge  viele  Verlegenheiten.  Sie  fanden 
keine  andere  Darstellungsart,  als  so,  dass  sie  sich  den 
Aufriss  des  Berges  in  die  Kartenebene  hinuntergeklappt 
dachten,  wodurch  die  Bergketten  im  Bilde  in  Reihen  von 
Maulwurfshaufen  zerfielen.  Von  1766  bis  1780  arbeitete 
in  Luzern  Oberst  Pfyffer.  Soviel  man  weiss,  ist  er  der 
erste,  der  das  Gebirgsrelief  gemacht  hat.  Ich  zweifle 
nicht  daran,  dass  das  Prinzip  der  Darstellung  der  Erd- 
oberflache  in  plastischem  Bilde  mehrmals  und  unabhangig 
an  verschiedenen  Orten  erfunden  worden  ist,  aber  die 
erste  erfolgreiche  Tat,  die  wir  kennen,  ist  diejenige  von 
Oberst  Pfyffer.  Im  Gletschergarten  von  Luzern  wird  sein 
klassisches  Werk  gezeigt,  das  noch  ohne  jede  feinere 
topographische  Vermessung  mit  einfachen  Visierscheiben 
konstruiert  und  direkt  nach  der  Naturanschauung  mo- 
delliert  ist. 

Als  der  gemeinntitzige  sogenannte  „Vateru  Rudolf 
Meyer  von   Aarau  (1739-1813)  das  Pfyffer'sche  Relief 


354 


sah,  da  empfand  er  lebhafl,  dass  es  leichter  sein  miisse, 
ein  Relief  als  eine  Karte  nach  der  Natur  zu  machen. 
Nachher  kann  die  Karte  nach  dem  Belief  gezeichnet 
werden.  Meyer  fasste  den  Entschluss,  ein  Relief  der 
Schweiz  herstellen  und  danach  den  ersten  Atlas  der 
Schweiz  zeiehnen  zu  lassen.  In  Eugen  Mailer  von  Engel- 
berg  hatte  er  ein  topographisches  Genie  entdeckt.  Er 
liess  den  einstmaligen  Geissbuben  studieren  und  tibertrug 
ihm  die  Arbeit.  Miiller  vollendete  1814  sein  gewaltiges 
Relief  von  etwas  mehr  als  der  Halfte  der  Schweiz  im 
Maasstab  von  1 :  20,000,  von  dem  das  eine  Exemplar  von 
Zurich  auf  Empfehlung  von  Hans  Konrad  Escher  von 
der  Linth  fur  6000  Fr.  gekauft  worden  ist.  Es  ist  auf- 
gestellt  im  Turmsaale  des  schweizerischen  Landesmuseums. 
Nach  diesem  Relief  ist  der  Meyer'sche  Atlas  der  Schweiz 
gezeichnet  worden. 

Sie  sehen  also:  das  Relief  ist  in  der  Schweiz  er- 
funden  worden.  Pfyffer,  Eug.  Miiller,  Exchaquet  (1783) 
und  andere  haben  nach  der  Natur  Relief  aufgenommen, 
und  die  Karten  warden  nach  dem  Relief  gemacht  Das 
Gebirgsrelief  war  leichter  als  die  Gebirgskarte,  es  war 
die  geringere  Abstraktion. 

Nun  machte  allmalig  die  Kartographie  grosse  Fort- 
schritte.  Sie  fand  Methoden,  nicht  nur  die  relative  Lage 
von  Berg  und  Tal,  sondern  auch  die  Form  der  Berge, 
der  Gehange,  der  Talgriinde  darzustellen.  Die  schweize- 
rische  naturforschende  Gesellschafb  stellte  auf  Anregung 
der  Geologen  zuerst  bei  der  Eidgenossenschaft  das  Ge- 
such  um  Herstellung  einer  topographischen  Karte.  Und 
als  unsere  topographischen  Karten  zu  erscheinen  begonnen 
hatten  —  etwa  in  der  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts 
—  da  wendete  sich  das  Blatt :  Jetzt  machte  man  die  Reliefs 


365 


nach  den  Karten,  nicht  mehr  nach  der  Natur.  —  Aus  der 
Schweiz  nenne  ich  nur  Scholl  in  St.  Gallen,  Beck  in 
Bern,  Bilrgi  in  Basel,  Perron  in  Genf.  Diese  und  zahl- 
reiche  andere  haben  das  Relief  bloss  als  eine  tJbersetzung 
der  Karte  in  das  Raumliche  aufgefasst.  Meistens  meinten 
sie,  sich  moglichst  sklavisch  an  die  Karte  halten  zu  mussen 
—  ohne  Verstandnis  dafur,  welche  Unrichtigkeiten  und 
Mangel  auch  nocb  unsern  Karten  anhaften  und  dass  und 
wo  sie  ihre  Reliefs  besser  machen  konnten  als  die  Karten. 
Es  ist  die  Periode  der  Kartensklaverei.  Wie  weit  die- 
selbe  ging,  will  ich  an  einem  uns  nahe  liegenden  Bei- 
spiel  zeigen.  Der  Kanton  St.  Gallen  hatte  frtih  durch 
Eschmann,  Mertz,  Hennet  und  Eberle  eine  topographische 
1 :  25,000  Karte  herstellen  lassen  von  St.  Gallen  und  Appen- 
zell.  Sie  ist  in  Schraffurstich  und  Kurven,  letztere  von 
100  zu  100  m,  die  Gebirgszeichnung  unter  Leitung  von 
J.  M.  Ziegler,  ausgefuhrt.  In  ihrer  Vertikalbeleuchtung, 
ihrer  Gebirgszeichnung  ist  sie  seither  nicht  nur  nicht  uber- 
troffen,  sondern  auch  niemals  mehr  nur  annahernd  er- 
reicht  worden.  Gegenuber  diesem  klassischen  Werke  er- 
scheinen  die  modernen  farbigen  Relief  karten  als  Spielzeug, 
als  blosse  Wanddekorationen.  Dies  nebenbei.  Im  einzelnen 
ist  die  Karte  vielfach  ungenau.  Sie  hat  z.  B.  den  grossen 
Fehler,  dass  der  Ostgrat  des  Santisgipfels,  statt  rasch 
abzufallen,  in  den  Grenzkopf  lauft,  so  dass  der  Kessel 
ostlich  zwischen  Santis,  Gyrenspitz  und  Graukopf  sich 
nach  Norden,  statt  gegen  das  Toggenburg  offnet.  Diesen 
Fehler  haben  auch  die  ersten  Ausgaben  der  Dufourkarte 
nachgemacht.  Scholl  war  oft  auf  dem  Santis;  er  hatte 
diesen  Fehler  erkennen  sollen,  er  hat  ihn  aber  in  seinen 
vielen  S&ntisreliefs  stets  genau  nachgemacht.  Aus  diesem 
Fehler    ist    schliesslich    ein    grosser    bundesgerichtlicher 


356 


Grenzstreit  entstanden.  Sdwll  arbeitete  eben  nach  der 
Karte,  niclit  nach  der  Natur. 

Eine  Menge  von  Dilettanten  haben  nun  angefangen, 
aus  Karten  Belief  zu  fabrizieren.  Jeder  meinte,  dazu 
befahigt  zu  sein,  sobald  er  Lust  daftir  empfand.  Man 
hielt  die  Uberwindung  der  technischen  Schwierigkeiten 
fur  die  Losung  des  Problems  und  nannte  sich  „Geoplast*. 
Bald  waren  es  Buchbinderarbeiten,  bald  Hafnerarbeiten, 
oft  recht  sorgfaltig  durchgefiihrt,  aber  eben  stets  nur 
noch  mechanisclie  Ubersetzungen  der  Karte,  nicht  Nach- 
bildungen  der  Natur.  Und  nur  der  kleinste  Teil  dieser 
„Geoplastenu  hat  die  Karte  vollstandig  verstanden  und 
ausgenutzt.  Immer  noch  bot  die  Karte  demjenigen,  der 
sie  zu  lesen  verstand,  mehr  als  das  Relief.  Die  Relief- 
arbeiten  dieser  Periode  haben  dennoch  viel  Gutes  ge- 
leistet,  sie  haben  das  erste  Verstandnis  vermittelt,  so  weit 
sie  es  selbst  enthielten,  sie  haben  den  Sinn  fur  Karten  und 
Relief  geweckt.  Auf  die  Hauptfehler,  die  den  meisten  an- 
hafbeten,  haben  wir  noch  naher  einzutreten  und  dabei  unsere 
Forderungen  an  ein  gutes  Relief  genauer  aufzustellen. 

1.  In  der  Regel  wurde  fast  allgemein  bis  zum  Jahre 
1880  absichtlich  der  Hohenmasstab  iibertrieben.  Man  be- 
hauptete,  die  Berge  machen  sonst  im  Relief  „ nicht  den 
richtigen  Eindrucku.  Tatsachlich  sahen  die  Berge  dieser 
Geoplasten  ohne  HOhenubertreibung  ode  und  blode  aus. 
Aber  warum?  Bloss  deshalb,  weil  kein  ins  Einzelne 
gehender  Charakter  in  der  Modellierung  zur  Geltung  ge- 
bracht  war,  weil  sie  verstandnislos  geformt  waren.  Die 
Erfahrung  lehrt,  dass  bei  scharfer  bezeichnender  Formung 
sofort  der  richtige  Eindruck  entsteht  und  dann  jede  Uber- 
hohung  peinlich  und  widernatlirlich  aussieht  —  etwa  so 
wie  die  Berge  bei  geringerer  Schwerkraft  auf  dem  Monde 


357 


sind.  Statt  herunterzusteigen  und  zu  sagen:  „Ich  tiber- 
treibe  den  Hohenmasstab,  damit  es  den  Beschauern  besseren 
Eindruck  machta,  hatte  der  Reliefkunstler  sagen  sollen: 
„Ich  will  bei  der  Wahrheit  bleiben  und  nicht  liigen,  urn 
die  Beschauer  zur  richtigen  Anschauung  und  Erkenntnis 
zu  erziehen."  Die  Reliefjury  der  schweizerischen  Landes- 
ausetellung  1883  in  Zurich  hat  dann  beschlossen:  Ein 
Belief  des  Gebirges  mit  tibertriebenem  Vertikalmasstab 
ist  nicht  diplomierbar !  Bei  uns  in  der  Schweiz  ist  diese 
Auffassung  seither  ziemlich  durchgedrungen ;  in  Deutsch- 
land  aber  werden  jetzt  noch  Reliefs  mit  vierfacher  Uber- 
hohung  von  den  Schulbehorden  den  Schulen  empfohlen 
(Relief  des  Bodensee-Gebietes). 

2.  Das  Relief  ist  ein  viel  unbequemeres  Ding  als  die 
Karte.  Es  kostet  mehr,  es  kann  nicht  leicht  vervielf  fcltigt 
werden,  wir  konnen  es  nicht  in  der  Rocktasche  mit- 
nehmen.  Es  hat  also  nur  Existenzberechtigung^  wenn  es 
mehr  bietet  als  die  Karte.  Das  Relief  soil  uns  vor  allem 
auch  diejenigen  Dinge  bieten,  die  die  Karte  nicht  dar- 
stellen  kann.  Das  kann  es  aber  nicht,  wenn  es  nur  in 
der  Werkstatte  nach  der  Karte  gemacht  ist.  Dieser 
Forderung  kann  es  nur  entsprechen,  wenn  zur  richtigen 
Benutzung  der  Karte  noch  neue  Terrainstudien,  Studien 
nach  der  Natur  hinzugetreten  sind.  Die  Profilform  eines 
Felsgrates  z.  B.  kann  in  der  Karte  nicht  gezeichnet  werden, 
im  Relief  dagegen  ist  sie  sehr  wichtig,  wir  miissen  sie 
nach  der  Natur  modellieren  oder  zeichnen  und  photo- 
graphieren  und  dann  von  den  Bildern  ins  Relief  bringen. 
Wir  stellen  das  Postulat  auf :  Das  Relief  mass  mehr  bieten 
als  die  Karte  und  muss  auf  ergdnzenden  Studien  in  der 
Natur  beruhen.  Es  soil  die  Natur  zum  hbchsten  Vorbild 
nehmen,  nicht  die  Karte! 


358 


3.  Die  Ausfuhrung  muss  dem  Masstab  entsprechen. 
Jene  plumpen  Relief  klotze,  welche  nach  Karten  vergrossert 
worden  sind  ohne  entsprechende  Vermelirung  der  feinen 
Formung,  haben  keinen  Sinn.  Ebenso  wenig  haben  urn- 
gekehrt  Beliefs  in  so  kleinem  Masstab  einen  Wert,  in 
welchem  die  Karte  immer  mehr  leisten  kann,  als  das 
Relief.  Bei  kleinen  Masstaben  behalt  stets  die  Karte 
das  tJbergewicht.  Das  Relief  ist  besonders  in  grosseren 
Masstftben,  wenigstens  1 :  50,000  und  dariiber,  wiinschens- 
wert,  denn  da  konnen  erst  seine  grossen  Vorziige  iiber 
die  Karte  zur  Geltung  kommen.  Aber  die  Forderung 
muss  gestellt  werden:  Es  sind  in  richtigem  Verhaltnis 
alle  Einzelheiten  so  genau  darzustellen,  als  es  der  Mass- 
stab  erlaiibt.  Selbstverst&ndlich  hat  das  seine  praktischen 
Grenzen,  wir  wollen  nicht  mit  dem  Vergrosserungsglas 
modellieren. 

4.  Und  nun  die  Hauptsache:  Es  war  ein  Irrtum,  zu 
meinen,  ein  Relief  konne  von  jedem  fleissigen  und  tech- 
nisch  Geschickten  auf  Grundlage  einer  guten  Karte  ge- 
macht  werden,  es  handle  sich  da  bloss  um  technisches 
Geschick  und  Lesen  der  Karte.  Es  handelt  sich  viel- 
mehr  um  fachliche  Ausbildung. 

Es  ist  langst  erkannt,  dass  nur,  wer  Anatomie  des 
Menschen  versteht,  eine  Menschenfigur  richtig  zeichnen 
oder  gar  richtig  bildhauerisch  formen  kann  und  der  be- 
ziigliche  anatomische  Unterricht  ist  in  alien  Kunstschulen 
eingerichtet. 

Es  ist  aber  auch  eine  ebenso  selbstverstandliche  alte, 
wenn  auch  oft  vergessene  Tatsache,  doss  kein  Mensch 
einen  Berg  richtig  zeichnen  oder  gar  richtig  im  Relief  wieder- 
geben  kann,  ohne  dessen  anatomischen  inneren  und  Uusseren 
Aufbau  zu  verstehen.    Es  ist  uberhaupt  eine  Tatsache,  dass 


359 


man  nur  das  rich  tig  darstellen  kann,  was  man  verstanden 
hat.  Beobachten,  Verstehen,  Begreifen  ist  der  Schliissel 
aller  darstellenden  Wiedergabe.  Der  Stecher  der  Dufour- 
karte  z.  B.  hat  die  Bildung  der  Wildbachschuttkegel  nicht 
verstanden  und  darum  ist  in  der  Dufourkarte  kein  einziger 
Schattkegel  richtig  dargestellt. 

Nun,  den  fruheren  Vergleich  wieder  aufzunehmen: 
Bei  verschiedenen  Menschen  liegen  Knochen,  Muskeln, 
Sehnen  usw.  gleich,  die  Mannigfaltigkeit  liegt  in  der 
Stellung  und  daraus  hervorgehenden  verschiedenen  Be- 
anspruchung  der  Muskeln.  Beim  Berg  ist  es  anders,  er 
steht  still.  Dafur  aber  liegt  enorme  Mannigfaltigkeit  und 
Komplikation  darin,  dass  jeder  Berg  wieder  seinen  be- 
sonderen,  vom  Nachbar  verschiedenen  Bau  hat.  Die  Ana- 
tomie  der  Berge  ist  ein  Teil  der  Geologie,  die  Vermessung 
derselben  ein  Teil  der  Geodasie.  Ohne  tilclHige  geodatische 
und  geologische  Kenntnisse  und  Untersuchungen  kotnmen 
wir  im  Relief wesen  nicht  iiber  jenen  Dilettantismus  hinans, 
der  rneint,  das  Belief  sei  eine  ungefdJire  Ubersetzung  der 
Karte  ins  Korperliche.  In  alien  Zweigen  menschlichen 
Schaffens  ergibt  sich  mehr  und  mehr,  dass  umfassende 
fachliche  Durchbildung  des  Geistes,  des  Blickes  und  der 
arbeitenden  Hand  einzig  den  wahren  Erfolg  sichern. 
Sollte  es  auf  dem  uns  jetzt  beschafbigenden  Gebiete  anders 
sein  konnen?  Aber  diese  Erkenntnis  scheint  sehr  schwer 
zu  erfassen.  Ich  habe  fleissige,  ttichtige  Leute  jahrelang 
ihre  Arbeitskraft  in  einem  Reliefwerke  aufwenden  sehen, 
ohne  Ahnung  davon,  dass  ihnen  die  fachliche  Vorbildung 
fehle,  und  ihr  Mtihen  vergeblich  sei  —  sie  haben  nichts 
Brauchbares  geschaifen  (Mont  Blanc -Relief  in  Genf, 
^Landesrelief*  in  Appenzell  etc.). 

Wir  sind   zu  dem  Schlusse  gelangt :  Das  Belief  soil 


360 


amgearbeitet  sein  aufOrundlage  nicht  nur  der  topographisclien 
Karten,  sondern  auch  der  Naturbeobadxtung  eines  fachlich 
Vorgebildeten,  es  soil  aus  dem  Naturverstandnis  hervor- 
gegangen  sein  und  das  Verstdndnis  wiederspiegeln  und  dem 
Beschauer  belehrend  vermitteln.     Das  ist  sein  Zweck. 

Die  technische  Art  der  Herstellung  ist  ganz  Neben- 
sache.  Da  ist  nicht  eines  nur  das  Richtige.  Da  kann 
man  verschieden  verfahren.  Man  kann  die  Formen  aus 
einem  Klotz  herausschneiden,  man  kann  dazu  sinnreiche 
Apparate  beniitzen  (Perron),  oder  man  kann  sie  auf- 
bauen.  Wenn  nur  die  Dimensionen  genau  festgehalten 
und  das  Beobachtete  scharf  modelliert  wird  —  ob  das 
in  Plastilina  oder  in  Ton,  oder  Wachs  oder  Gips  oder  in 
der  ScholFschen  Masse  geschehe,  das  mag  jeder  tun,  wie 
es  ihm  im  besonderen  Fall  am  besten  scheint.  Das  Material 
aber,  in  welchem  zuletzt  die  feinsten  sch&rfsten  Formen 
geschnitten  werden.  muss  hart  genug  sein,  um  Scharfen 
annehmen  zu  konnen. 

Vervielfaltigung,  Umguss  ist  wieder  eine  rein  tech- 
nische Frage,  deren  gute  Losung  zwar  viel  Geschick  und 
Erfahrung  verlangt.  Bald  passt  Stiickform  in  Gips,  bald 
Umguss  mit  Gelatineform,  bald  galvanoplastischer  Kupfer- 
niederschlag.  Dariiber  will  ich  mich  nicht  weiter  ver- 
breiten,  dariiber  konnen  wir  nur  sagen :  „ Eines  schickt 
sich  nicht  fiir  alle,  suche  jeder,  wie  er?s  treibe." 

Das  Relief  hat  veischiedenen  Zwecken  zu  dienen  und 
nach  dem  Zweck  haben  wir  auch  die  Forderungen  an 
das  Relief  zu  stellen  und  zu  modifizieren.  Nicht  jedes 
Relief  braucht  dem  uns  vorschwebenden  Ideal  nahe  zu 
komraen,  um  schon  in  gewissen  Richtungen  niitzlich  zu  sein. 

Das  Relief  kann  sein:  I.  Unterrichtsmittel  an  Volks- 
schulen  und  Mittelschulen.  Hier  kann  es  den  Zweck  haben: 


361 


a)  Mittel  zu  sein  zum  Verst&ndnis  der  Earten  und 
zum  Lernen,  Karten  zu  lesen. 

Gewiss  ist  die  Abstraktion  von  der  Natur  zum  Belief, 
also  gewissermassen  nur  in  dem  verkleinerten  Masstab, 
leichter  und  geringer,  als  von  der  Natur  direkt  zur  Karte. 
Was  ich  mir  hier  als  wiinschenswert  vorstelle,  habe  ich 
noch  nirgends  verwirklicht  gesehen  und  nie  Zeit  gehabt, 
es  selbst  zu  machen.  Man  sollte  eine  bestimmte  Gegend, 
am  liebsten  die  Umgegend  des  Schulortes,  zunachst  in 
gutem,  fein  ausgearbeitetem  und  moglichst  naturlich  be- 
maltem  Relief  haben.  Dann  das  gleiche  Belief  in  bloss 
konventionellen  Farben  bemalt,  dasselbe  in  Hohenschichten 
zerlegt,  sodann  daneben  die  Karte  in  gleichem  Masstab 
und  verschiedener  Behandlungsart  (Schraffen ,  Kurven, 
Farbtone).  Dann  kann  man  Schritt  fur  Schritt  von  der 
Natur  durch  das  Belief  zur  Karte  gelangen.  Ferner  sollte 
man  Belief  und  Karte  der  gleichen  Gegend  erst  in 
grosserem,  dann  in  kleineren  Masstaben  vorzeigen  konnen 
und  endlich  nach  den  notigen  Erlauterungen  die  Schuler 
selbst  nach  dent  Belief  eine  Karte  skizzieren  lassen. 

b)  Der  Schiiler  soil  selbst  nach  Anleitung  des  Lehrers 
einfache  Beliefs  nach  Karten  machen.  Selbstverstandlich 
kommt  dabei  nichts  heraus,  was  an  sich  irgend  einen  Wert 
hatte,  aber  dem  Schiiler  gehen  dadurch  die  Augen  auf 
ftir  das  Verstandnis  der  Karten  und  sogar  fur  die  Boden- 
f or  men  in  der  Natur. 

c)  Der  Unterricht  kann  auch  Typenrelief  verwenden 
zum  Anschauungsunterricht  iiber  allerlei  geographische 
Dinge ;  so  z.  B.  Belief  eines  Kettengebirges,  eines  Kuppen- 
gebirges,  eines  Plateaugebirges  nebeneinander,  Belief  eines 
Gletschers,  eines  Vulkans,  von  Steilkiisten,  Diinen,  Wild- 
bachschluchten  usw.     Solche  Typenrelief  bestehen  aller- 


362 


dings  nur  wenige,  und  namentlich  bis  jetzt  keine  der 
Volks-  und  Mittelschule  angepassten.  Das  Typenrelief 
ist  eben  kein  einfaches  Ding.  Der  Hersteller  hat  den 
Gegenstand  so  grtindlich  zu  kennen  und  muss  so  sehr 
von  beziiglichen  Anschauungen  erfullt  sein,  dass  er  ge- 
wissermassen  im  Kleinen  den  Schopfer  spielen  kann.  Er 
kann  und  soil  da  seine  Phantasie  walten  lassen,  aber 
ohne  den  Naturgesetzen  zu  widersprechen.  Er  darf  nichts 
schaffen,  das  nicht  genau  so  auch  moglich  ware  und  nichts, 
an  welchem  ein  besserer  Kenner,  ein  geiibteres  Auge 
irgend  etwas  Unwahrscheinliches  oder  Unm6gliches  findet. 
Am  besten  sind  in  der  Kegel  Typenreliefs,  welche  ein 
wirklich  recht  typisches  Individuum  darstellen,  weil  hier 
die  Natur  selbst,  die  wir  nachbilden,  vor  Fehltritten  be- 
wahrt. 

II.  Das  Relief  soil  dem  Hochschulunterricht  dienen. 
Ein  recht  gutes  Relief  hat,  ahnlich  wie  die  Natur  selbst, 
den  Vorzug,  dass  aus  ihm  alle,  die  Kleinen  wie  die 
Grossen,  lernen  konnen.  An  einem  guten  Vulkanrelief 
z.  B.  werden  wir  den  Kleinen  zeigen :  Seht  da  die  Kegel- 
gestalt  des  Berges  und  oben  das  trichterformige  Loch, 
das  ist  der  Krater,  aus  welchem  beim  feuerspeienden 
Berg  die  gliihenden  Massen  herausspritzen.  Dem  Studenten 
werde  ich  sagen:  An  dieser  Wand  des  Vulkanes  sieht 
man  den  schichtformigen  Auf  bau  aus  Laven  und  Schlacken 
und  Aschen  und  quer  durchsetzend  die  Lavagange;  diese 
rostigen  Farben  riihren  von  der  Zersetzung  der  Laven 
und  Schlacken  durch  die  Salzsauredampfe  her  usw. 

Die  Lehre  an  der  Hochschule  kann  Typenrelief  und 
Relief  benutzen,  die  bestimmte  Gegenden  darstellen.  Sie 
kann  sie  benutzen  zum  Unterricht  in  Geodasie,  Topo- 
graphic, Geographie,  Geologie  und  noch  andern  Zweigen. 


363 


Die  vielen  Relief,  die  in  den  vereinigten  geologisohen 
Sammlungen  im  Polytechnikum  in  Zurich  ausgestellt  sind, 
sind  meistens  zum  Hochschulunterricht  hergestellt  worden. 

III.  Das  Belief  kann  aber  auch  ein  Mittel  sein  zur 
Fixierung  und  Darstellung  von  Forschungsergebnissen,  es 
wird  ein  wissehschaftliches  Dokument,  ein  Museumsstiick. 
Ein  Unterrichtsmittel  ist  es  damit  von  selbst  in  erhohtem 
Masse  und  selbstverstandlich  von  der  tiefsten  bis  zur 
hochsten  Schulstufe. 

Wort  und  Ansichtsbild,  Karbe  und  Schnitte  reiohen 
oft  nicht  aus,  die  Beobachtungen  an  einem  Gebirge  dar- 
zustellen,  so  dass  man  sie  iiberblickt.  Im  Relief,  als  der 
vollkommensten  Darstellungsart,  sind  sie  zu  verstehen, 
zu  erfassen  mit  einem  Blick.  Keine  Fahrt  im  Ballon 
gewahrt  uns  den  Uberblick,  diese  leichte,  rasche  Ver- 
stellung  des  Standpunktes  und  der  Beleuchtung  nach  Be- 
diirfnis  wie  das  Relief.  Das  Idealrelief,  wie  es  mir  vor- 
schwebt,  sollte  eine  solche  von  Verstandnis  durchdrungene 
Nachbildung  der  Natur  sein,  dass  es  wie  die  Natur  selbst 
alien  Bedurfnissen  zugleich  dienen  kann,  den  einfachsten 
wie  den  hochsten  wissenschaftlichen,  und  dass  wir  darin 
studieren  und  suchen  konnen  wie  in  der  Natur. 

Die  Bemalung  ist  nach  dem  Zweck  zu  fassen.  Wir 
konnen  es  auf  pflanzengeographische,  forstwirtschaftliche, 
alpwirtschaftliche,  rein  geologische  etc.  Erkenntnisse  hin 
in  konventionellen  Farben  malen.  Das  Vollkommenste 
aber  wird  erreicht,  wenn  wir  es  nach  der  Natur  malen, 
so  genau  und  sorgfaltig,  dass  alle  genannten  Zwecke  zu- 
gleich zur  Geltung  kommen  konnen  und  befriedigt  werden. 
Viele  Relief,  die  in  den  letzten  dreissig  Jahren  gemacht 
worden  sind,  verraten  Annaherung  an  dieses  Ideal.  Es 
kommen  hier  nicht  nur  Werke  der  Schweizer,   sondern 


1^ 


364 

auch  manche  andere  in  Betracht,  besonders  sind  in  Oster- 
reich,  Amerika,  zum  Teil  auch  in  Italien,  gute  Relief- 
arbeiten  ausgefuhrt  worden.  Vor  alien  nenne  ich  Ober- 
lerchers  Grossglockner-Relief  etc.  Ein  Belief,  wie  ich  es 
mir  denke,  ist  die  vollkommenste  Darstellungsart  wissen- 
schaftlicher  Gebirgsforschung.  Dem  Belief  im  Dienste 
von  Unterricht  und  Wissenschaft  steht  nach  meiner  tlber- 
zeugung  noch  eine  grosse  Zukunft  bevor,  sobald  wir  uns 
einmal  auch  hierin  zu  der  Erkenntnis  erhoben  haben: 
Nur  auf  Grundlage  eines  tiefen  allseitigen  Verstandnisses 
des  darzustellenden  Gegenstandes  ist  eine  wahre  und 
niitzliche  Darstellung  moglich. 

Wenn  wir  in  einem  Relief  von  kleinerem  Masstabe 
die  Farben  so  auftragen,  wie  wir  sie  in  der  Nahe  sehen. 
—  Fels,  Wiesengriin,  Waldgriin,  Hauser,  Wege,  —  so 
macht  das  Ganze  einen  abschreckenden  Eindruck,  alles 
wird  hart,  schreiend,  fleckig  und  sieht  ganz  kleinlich  und 
klein  aus,  man  glaubt  einen  einzelnen  Stein  mit  Moos 
und  Flechten  fleckig  bewachsen  vor  sich  zu  sehen.  nicht 
einen  Berg.  Nur  ein  Relief  im  unverkleinerten  Masstab 
der  Natur  konnten  wir  mit  den  natiirlichen  nahen  Farben 
bemalen.  In  der  Natur  liegt  stets  zwischen  dem  Be- 
schauer  und  dem  Berge  der  blauliche  Schleier  be- 
leuchteter  Luft  —  um  so  weisslicher  blau,  je  heller  das 
Sonnenlicht,  je  tiefer  und  dichter  die  Luftschicht  ist. 
Der  Luftschloier  mischt  Weiss  und  Kobaltblau  in  alle 
Farben  und  mildert  ihre  Gegensatze.  Probieren  Sie,  in 
Olfarben  das  Wiesengriin,  das  Felsengrau,  das  Waldes- 
griin  zu  mischen,  so  wie  wir  sie  an  sonnigen  Tagen  auf 
einige  Kilometer  Distanz  sehen.  Es  besteht  das  Grun 
aus  viel  Weiss,  etwas  Kobaltblau  und  etwas  Gelb  und 
das   ist   die   Wirkung   des   Luftschleiers.      Ich   habe  die 


365 


Farben  der  Berge  nicht  nur  in  den  Bergen,  sondern  auoh 
von  oben  aus  dem  Ballon  studiert  bei  Gelegenheit  von 
vier  Ballonfahrten,  die  ich  zum  Teil  zu  diesem  Zwecke 
unternommen  hatte1).  Stehen  Sie  nun  vor  einem  Relief, 
z.  B.  in  1 :  5000,  so  ist  die  Entfernung  Ihres  Auges  vom 
Relief  60  bis  100  cm.  Das  entspricht  im  Masstab  des 
Reliefs  einem  Abstand  des  Auges  vom  3  bis  5  km.  Soil 
nun  das  Gebirge  im  Relief  einen  naturlichen  Eindruck 
machen,  in  richtiger  Gr6sse  erscheinen  und  nicht  bloss 
ein  buntfleckiges  Steinhauflein  darstellen,  so  mussen  wir 
es  in  den  Farben  so  halten,  wie  wir  die  Landschaft  bei 
3  bis  5  km  Distanz  sehen,  d.  h.  (ibereinstimmend  mit  der 
mittleren  Distanz  im  Reliefmasstab,  aus  welcher  wir  das 
Relief  ansehen.  Gewiss  sind  dann  die  entfernteren  Teile 
des  Reliefs  zu  wenig  luftblau,  die  nachsten  eher  zu  viel. 
Das  lasst  sich  nicht  andern.  In  der  Natur  wechselt  aber 
die  Tonung  in  noch  weiteren  Grenzen  nach  dem  Grade 
der  Beleuchtung  und  der  momentanen  Beschaffenheit  der 
Luft.  Es  ist  aber  richtige  Bemalung  auf  mittlere  Be- 
obachtungsdistanz  moglich.  Farbenstudien  nach  der  Natur 
auf  solche  Distanzen  sind  notwendig.  Darin  aber  bleibt 
Reliefmalerei  von  Landschaftsmalerei  auf  die  Leinwand 
stets  verschieden :  die  erstere  hat  nur  die  Farben  in  hellem 
Lichte  zu  beriicksichtigen,  der  Schatten  ergibt  sich  auf 
dem  Relief  von  selbst. 

* 
Am  heutigen  Tage   gestatten  Sie  mir  wohl,  auch  in 

unsere  Betrachtungen  einige  Bemerkungen  mehr  person- 

licher  Art  zu  mischen. 

Ak  Knabe  von  noch  nicht  ganz  zehn  Jahren,  nach- 

!)  Die  Fahrt   der  Wega   iiber   Alpen    und  Jura.    Basel,    bei 
Benno  Schwabe  (mit  vielen  Illustrationen). 


\T 


366 


dem  ich  mil  meinem  Yater  meine  erste  kleine  Bergreise 
machen  durfte,  kam  mir  von  selbst  die  Idee,  die  Berge 
im  Kleinen  nachzuformen  und  ich  probierte  mit  Zusammen- 
kleben  von  Steinchen,  Zucker  ersetzte  den  Schnee;  ich 
hatte  vorher  noch  nie  ein  Relief  gesehen.  Die  Berg- 
freude  war  gewaltig  in  mir  erwacht  und  sie  begleitet 
mich  mein  Leben  lang.  Bald  fing  ich  an,  die  Berge 
nach  der  Natur  zu  zeichnen,  urn  sie  dann  nachformen 
zu  konnen.  Im  Jahre  1861,  da  ich  12  Jahre  alt  war, 
sah  ich  hier  in  St.  Gallen  das  erste  Relief  von  Scholl.  Es 
machte  mir  einen  gewaltigen  Eindruck  und  bot  mir  grosse 
Anregung,  fur  die  ich  den  Manen  von  Papa  Scholl  mein 
Leben  lang  dankbar  bin.  Da  war  ja  das  verwirklicht, 
was  ich  anstrebte!  Bald  erschien  die  Ziegler'sche  Karte 
des  Kantons  Glarus  1 :  50,000.  Ich  sah  sie  in  einem 
Schaufenster.  Oft  ging  ich  hin  und  blieb  lange  davor 
stehen.  Das  war  die  erste,  die  Bergformen  zeichnende 
Karte,  die  ich  gesehen.  Ich  wunschte  sie  mir,  allein 
meine  Eltern  hatten  zun&chst  nicht  die  geniigende  Ein- 
sicht  von  dem  Nutzen  fur  mich.  Nachdem  ich  aber  fast 
taglich  von  dieser  Karte  gesprochen  und  mir  sie  ein  Jahr 
lang  bestandig  auf  jede  Gelegenheit  gewunscht  hatte, 
ruhrte  sie  das  und  ich  bekam  sie.  Jetzt  modellierte  ich 
in  Topferton  nach  dieser  Karte  eine  Todigruppe  und  einen 
Glarnisch  und  benutzte  dabei  selbst  ausgedachte  und  aus- 
fuhrte  Instrumente  zur  Massiibertragung.  Aber  das  Ge- 
leistete  befriedigte  mich  jeweilen  nur  kurze  Zeit.  Ich 
sah,  dass  die  Karte  nicht  ausreicht  und  man  erst  noch 
nach  der  Natur  Studien  machen  miisse.  Im  Jahre  1865 
erhielt  ich  von  meinem  Vater  die  Erlaubnis,  acht  Tage 
in  der  Todigruppe  herumzusteigen  und  Zeichnungen  auf- 
zunehmen.     Zwischen  meinen  Schulzeichnungen  war  am 


367 


Kantonsschulexamen  1866  auch  mein  Belief  der  T8di- 
gruppe  in  1 :  25,000  ausgestellt. 

Einer  meiner  Lehrer  machte  nachher  Arnold  Escher 
v.  d.  Linth  darauf  aufmerksam.  Escher  kam  zu  mir  ins 
Haus,  urn  mein  Todirelief  zu  sehen.  Ich  erinnere  mich 
mein  Leben  lang  des  inneren  Jubels  in  meinem  Herzen, 
als  der  grosse  Forscher  mit  Interesse  bis  ins  Einzelste 
mein  Relief  betrachtete  und  sich  freute,  darin  den  Ver- 
lauf  der  Schichten  richtig  dargestellt  zu  sehen.  Es  war 
das  erste  Mai,  dass  ich  ihn  sah,  der  nachher  mein  un- 
vergesslicher  Meister  geworden  ist.  Escher  lud  mich  ein, 
ihn  auf  Exkursionen  zu  begleiten.  Unterdessen  ging  mir 
immer  klarer  die  Erkenntnis  auf,  dass  man  den  Berg 
nach  seiner  Zusammensetzung  und  der  Entstehung  erst 
verstehen  muss,  um  ihn  richtig  zu  modellieren.  Das 
Streben  nach  einem  Relief  hat  mich  zuerst  zur  Oeologie 
geleitet  und  das  Relief  hat  mich  zum  Qeologen  gemacht 

Stetsfort  begleitete  mich  das  Reliefwesen.  Es  ent- 
stund  eine  Art  Reliefschule  unter  meinen  Studierenden 
—  ich  nenne  nur  Becker,  Simon  und  besonders  Imfeld. 
Ich  hatte  das  Gluck,  von  meinen  Schulern  ubertroffen 
zu  werden.  Mir  selbst  fehlte  leider  im  uberm&ssigen 
Gedr&nge  der  Pflichten  die  Musse,  selbst  anhaltend  an 
Relief  zu  arbeiten.  Ich  konnte  mich  mehr  nur  indirekt 
an  den  Fortschritten  des  Reliefwesens  durch  Rat  und 
Kritik  (z.  B.  als  Reliefjury  an  der  schweizerischen  Landes- 
ausstellung  1883  etc.)  beteiligen.  In  der  Eile  zwischen- 
hinein  konnte  ich  die  paar  Typenrelief  (Vulkan,  Gletscher, 
Wildbach,  Kusten,  Bergsturz  von  Elm,  Zentraljura)  her- 
stellen.  Aber  immer  deutlicher  schwebte  mir  das  vor, 
was  ich  als  Ideal  eines  Reliefs  erkannte.  Endlich  im 
Alter,  von  dem  es  heisst   „stille  stahnu,   entschloss  ich 


4 


368 


mich  doch  noch,  den  Versuch  zu  wagen,  ein  solches  Belief 
herzustellen,  um  daran  zu  zeigen,  was  das  Belief  sein 
soil,  was  es  leisten  kann,  und  dass  ihm  in  der  Wissen- 
schaft  noch  eine  grosse  Zukunft  bevorsteht.  So  reifte 
der  Plan  zu  einem  Santisrelief  in  1 :  6000. 

Warum  ich  den  Santis  wahlte  und  nicht  ein  ge- 
waltigeres  Gebirge,  einen  Todi  oder  einen  Monte  Rosa? 

Ich  kann  sagen,  dass  mich  zum  Santis  eine  alte  Liebe 
zog,  von  der  das  Sprichwort  sagt:  „sie  rostet  nicht/ 
1867  war  ich  zum  ersten  Mai  am  Sfi-ntis,  1870  und  1871 
weilte  ich  dann  wochenlang  oben,  um  das  Panorama  zu 
zeichnen.  Der  .Zachner  Albert",  wie  ich  damals  in  ganz 
Innerrhoden  hiess,  freute  sich  immer  wieder,  zum  Santis 
zuruckzukehren.  Hauptsachlich  war  es  aber  die  wissen- 
schaftliche  Erkenntnis,  dass  der  Santis  eines  der  schonsten, 
vielleicht  sogar  das  schonste  Gebirgsstiick  der  Erde  ist. 
Klarer,  eindringlicher,  feiner  als  irgendwo  sonst  tritt  hier 
dem  Auge  der  Zusammenhang  von  innerem  Bau  und 
ausserer  Form  in  den  grossen  Ziigen  wie  in  dem  aus- 
drucksvollen  Einzelnen  entgegen;  ode  oder  plump,  fast 
langweilig  scheint  dem  Geologen  trotz  der  ausserlich  ge- 
waltigen  Form  ein  Galenstock,  ein  Finsteraarhorn,  ein 
Monte  Bosa  oder  ein  Uschba  im  Kaukasus,  ein  Mount 
Cook  in  Neuseeland  im  Vergleich  mit  diesem  herrlich  ge- 
gliederten  Santis.  Ich  habe  die  merkwurdigen  Gestalten 
des  norwegischen  Hochgebirges,  des  Kaukasus,  der  neu- 
seelandischen  Alpen  studiert,  aber  den  Santis  erreicht  an 
Formenschonheit  und  Klarheit  und  besonders  an,  ich 
mochte  sagen :  Formenehrlichkeit,  keiner,  und  wenn  er  auch 
doppelt  so  hoch  und  zehnmal  so  schwierig  zu  ersteigen  ist 

Und  wie  wurde  nun  das  Santisrelief  vorbereitet  und 
durchgefiihrt? 


369 


Die  Escher'sche  geologische  Karte  des  S&ntisgebirges 
des  sich  als  ganz  ungenugend.  Zunachst  war  die  topo- 
phische  Grundlage,  auf  welcher  Eseher  seine  Beob- 
Ltungen  damals  eintragen  musste,  sehr  ungenau,  sodann 
te  Eseher  die  Karte  erst  angefangen,  sie  wurde  nach 
lem  Tode  vom  Lithographen  nach  den  vorhandenen 
bizkarten  zusammengestellt.  Die  horizontalen  Quer- 
che  hatte  Eseher  aus  lauter  Angstlichkeit  noch  nicht 
die  Karte  eingetragen.  Seit  Eschers  Tode  sind  wir 
der  Auffassung  der  Gebirge  um  ein  Stuck  klarer  ge- 
rden.  Vor  allem  war  also  eine  vollstandige  detaillierte 
logische  Neuaufnahme  des  im  Relief  darzustellenden 
Dietes  notwendig.  Erst  musste  nach  innerem  und 
serem  Aufbau  verstanden  werden,  was  es  darzustellen 
b.  Ich  fiihrte  diese  geologische  Neuaufnahme  in  der 
ler  nur  sparlich  zu  erobernden  Ferienzeit  1898  bis  1903 
ch.  Die  Resultate  werden  als  Lieferung  16,  Neue 
ge  der  ^Beitrage  zur  Geologie  der  Schweiz",  heraus- 
;eben  von  der  schweizerischen  geologischen  Kommission, 
jheinen. 

Unterdessen  konnte  die  rein  technische  Vorarbeit  er- 
gt  werden  und  zwar:  Photographische  Vergrosserung 

Siegfriedatlas  auf  das  Fiinffache,  Ausschneiden  der 
•izontalkurven  von  50  zu  50  m  in  Brettchen  von  exakt 
jprechender  Dicke,  Zusammenschrauben  derselben,  Ein- 
isen  und  Einschlagen  von  Drahtstiften  zur  Festlegung 
r  gemessenen  Fixpunkte  der  Karte.  Auf  diesem  Holz- 
[ett  wurde  nun  zunachst  in  Plastilina  ausmodelliert. 

Wahrend  der  geologischen  Aufnahme  hatte  ich  im 
iefgebiet  schon  ca.  350  Zeichnungen  aufgenommen, 
ein  schon  weit  liber  die  Karte  hinausgehendes  Detail 
lielten.    Sodann  konnten  wohl  gegen  tausend  von  mir 

24 


i 


370 


gemessene  Schichtlagen  mit  der  Boussole  und  dem  Klino- 
meter  auf  das  Relief  tibertragen  werden.  Wir  hatten 
ferner  ca.  200  Photographien  iiber  das  Reliefgebiet  ge- 
8ammelt  und  herzlich  dankend  erwahne  ich  dabei  der 
Mithtilfe  der  St.Galler  Bergfreunde,  besonders  der  Mit- 
glieder  des  Alpenklub  und  des  Touristenklub  ,,  Edelweiss*. 
Sodann  habe  ich  noch  selbst  etwa  6B0  photographische 
Aufnahmen  angeordnet,  welche  teils  durch  meine  Assi- 
stenten,  besonders  durch  meinen  Sohn  Arnold  Heim,  cand. 
phil.,  gemacht  worden  sind.  So  viel  als  moglich  wurden 
die  Photographien  von  Fixpunkten  der  Karte  aus  auf- 
genommen,  so  dass  sie  dann  messtischartig  zur  Bestimmung 
zahlreicher  anderer  Punkte,  oder  auch  photogrammetrisch 
verwendet  werden  konnten. 

Schon  die  erste  Modellierung  in  Plastilina  benutzte 
reichlich  alles  dieses  Material  und  ging  so  weit,  als  es 
die  weiche  Substanz  der  Plastilina  ermoglichte.  Dann  kam 
Umgiessen  in  Gips  vermittelst  „verlorener  Form",  dann 
die  sehr  zeitraubende  feine  Ausziselierung  in  Gips,  nachher 
Umgiessen  mittelst  Gelatineform  und  endlich  Bemalen. 

In  meiner  Idee  sah  ich  das  Santisrelief  mit  alien 
seinen  Einzelheiten  und  in  seiner  Gesamterscheinung  vor 
mir  fertig  und  schon,  entsprechend  dem  wunderbaren 
Anblick,  den  mir  der  Santis  geboten  hat,  als  ich  ihn  aus 
der  Hohe  von  zirka  3200  m  senkrecht  liber  Wil  aus  dem 
Ballon  bewundern  konnte. 

Aber  niemals  hatte  ich  das  Werk  durchfiihren  konnen 
allein  odor  mit  blosser  Hulfe  von  rein  technischen  Arbeits- 
kraften,  denn  ich  bin  ein  im  Ubermass  der  Anforderungen 
an  meine  Arbeitskraft  abgehetzter  Mann.  Das  Gliick  hat 
mich  einen  vortrefilichen  Heifer  finden  lassen  in  der 
Person  des  Herrn  Kunstzeichner  Karl  Meili.     Er  hatte 


371 


schon  eine  Reliefmodellierschule  bei  X.  Imfeld  durch- 
gemacht  und  nachher  unter  meiner  Leitung  modelliert. 
Er  ging  auf  meine  Ideen  ein  und  liess  sich  zum  wissen- 
schaftlichen  Schauen  leiten.  Ein  wahrer  Kiinstler  ist  er, 
nicht  von  jener  Sorte,  die  meinen,  die  Wahrheit  ver- 
achten  and  die  Natur  iibertrumpfen  zu  konnen,  sondern 
von  der  viel  edleren  Art,  die  feinen  Sinn  und  Gefiihl 
haben  fur  die  Wahrheit,  gute  Beobachter  an  der  Natur 
sind  und  die  Natur  richtig  zu  verstehen  und  wiederzugeben 
vermogto.  Kunst  und  Wissenschaft  ist  es,  die  Wahrheit 
zu  sehen  und  zu  lieben,  die  Wahrheit  in  der  Natur  im 
grossen  wie  im  kleinsten.  So  haben  wir  im  Dienste 
unseres  Reliefs  gemeinsam  gearbeitet  in  treuer  Verbindung, 
der  Forscher  auch  kiinstlerisch  empfindend,  der  Kiinstler 
auch  wissenschaftlich  erkennend,  die  neu  sich  zeigenden 
Fragen  gemeinsam  priifend  und  losend.  Herr  Meili  hat 
wahrend  vollen  3!/2  Jahren  in  meinem  Dienste  fast  seine 
ganze  Zeit  und  Arbeitskraft  dem  Relief  gewidmet  und 
unter  meiner  Leitung  die  ganze  Modellierung  und  Be- 
malung  ausgefiihrt.  Um  nicht  Uneinheitlichkeit  zu  er- 
zeugen,  habe  ich  an  der  Ausmodellierung  und  Bemalung 
nicht  Hand  angelegt,  sondern  nur  Gruppe  um  Gruppe 
mit  Herrn  Meili  nach  ihrem  Bau  besprochen,  das  Be- 
obachtungsmaterial  erlautert,  die  Ausfiihrung  kontrolliert 
und  geleitet.  Herr  Meili  hat  nun  seinerseits  im  Modellieren 
der  Form  auf  Grundlage  mehrseitiger  Ansichten  eine  Ubung 
und  Sicherheit  erlangt,  wie  ich  sie  mir  im  gleichen  Grade 
niemals  zu  erwcrben  Zeit  und  Gelegenheit  gehabt  habe, 
und  nicht  weniger  verdanke  ich  ihm  in  der  glucklichen 
Losung  der  Bemalung. 

Unser  Santisrelief  im  Masstabe  1 :  6000  ist  im  Laufe 
des  Sommers  1903  fertig  geworden.    Wir  haben  ein  mir 


372 


vorschwebendes  Ideal  angestrebt.  Wir  sind  demselben 
naher  gekommen,  wir  diirfen  vielleicht  sagen  viel  naher, 
ak  irgend  ein  bisher  hergestelltes  anderes  Relief.  Aber 
wir  haben  das  nicht  erreicht,  was  vielleicht  dereinst  er- 
reicht  werden  kann,  —  in  zwei  Bichtungen  nicht.  Es 
ist  uns  nicht  in  alien  Dingen  gelungen,  das  uns  vor- 
schwebende  Ideal  zu  erreichen ;  so  z.  B.  befriedigt  mich 
die  Formdarstellung  des  Waldes,  die  gerade  in  diesem 
Masstabe  technisch  besondere  Schwierigkeiten  hat,  nicht; 
aber  auch  das  uns  vorschwebende  Ideal  ist  wohl  an  sich 
noch   durchaus   nicht  vollkommen,   sondern  nur   relativ. 

Unser  Santisrelief  ist  ein  Dokument  iiber  diese  Gegend: 
es  enthalt  die  Darstellung  der  Resultate  topographischer 
und  geologischer  Beobachtung,  es  stellt  ein  herrliches  und 
ein  verstandenes  Stiick  Erdrinde  dar.  Es  vermittelt  dem 
Beschauer  das  Verstandnis  und  die  Erkenntnis,  zu  welcher 
hier  der  topographische  und  der  geologische  Forscher  erst 
nach  vielen  Jahren  angestrengter  Arbeit  gelangt  sind. 
Fast  in  einem  Male  und  viel  durchgreifender  ist  hier  der 
Bau  des  Gebirges  zu  iiberblicken,  als  das  jemals  durch 
den  kleinen  Menschen  in  der  grossen  Natur  selbst  direkt 
moglich  ware. 

An  dieser  Stelle  will  ich  nicht  den  geologischen  Bau 
des  Santisgebirges,  den  Aufbau  aus  den  verschiedenen 
Stufen  des  Kreidesystems,  den  Faltenbau,  die  Querbruche, 
die  Modellierung  durch  die  Verwitterung  und  die  auf- 
gelagerten  Schuttmassen  naher  erlautern.  Das  soil  iiber- 
morgen  vor  dem  Relief  geschehen,  und  das  werden  die 
spateren  Publikationen  (Beitrage  zur  Geologie  der  Schweiz, 
neue  Folge,  Lief.  16)  tun. 

Mit  dem  Relief  verhalt  es  sich  ahnlich  wie  mit  der 
Natur.     Wer  es  oberflachlich   ansieht,   sieht   nur  wenig, 


373 


wer  es  vertieft  studiert,  findet  viel  und  immer  mehr.  Ein 

Werk,  an  welchem  Naturforscher  und  Kunstler  jahrelang 

gearbeitet   haben,   1st   nicht  in   einigen   Minuten   zu   er« 

fassen.      Man    muss    darin   studieren   wie   in   der  Natur, 

man  muss  es  lernen  anzuschauen  und  sich  darein  zu  ver- 

tiefen.    Alles,  was  Sie  darin  finden  werden,  ist  der  Natur 

getreu   entnommen.      Darin    zeigt   sich   der   Unterschied 

vom  Dilettantenrelief,  das  auf  den  ersten  Blick  vielleicht 

einen  guten  Eindruck  macht,  dem  n&heren  Studium  aber 

nicht  Stand  halt.  #  ^ 

* 

Ein  Freudentag  war  es  fur  mich,  als  meine  liebe 
Vaterstadt  St.  Gallen  lange  vor  Vollendung  des  Relief 
durch  den  Pr&sidenten  der  Naturwissenschaftlichen  Qe- 
sellschaft  und  den  Kustos  des  Naturhistorischen  Museums 
bei  mir  anfragten,  ob  und  zu  welchen  Bedingungen  ich 
dem  Museum  St.  Gallen  ein  Exemplar  des  S&ntisrelief 
herstellen  konnte. 

Ein  Freudentag  ist  es  fur  mich  heute,  da  ich  Ihnen 
liber  Reliefwesen  und  uber  die  Entstehung  des  S&ntis- 
relief  hier  vortragen  durfte. 

Ein  Freudentag  endlich  wird  mir  der  n&chste  Sonntag 
Vormittag  sein,  da  ich  vor  Ihnen  das  fertig  aufgestellte 
Relief  enthtillen  und  Ihnen  erlautern  darf. 

Ich  danke  alien  denen,  die  dazu  beigetragen  haben, 
mir  diese  Genugtuung  zu  bereiten. 

Moge  unser  Santisrelief  Ihnen  alien  Freude  schaffen ! 
Moge  es  zum  Verstandnis  unserer  herrlichen  Gebirgswelt 
leiten.  Moge  es  besonders  auch  der  heranwachsenden 
Jungmannschaft  die  Augen  offnen  fur  die  Natur,  dass 
wir  alle  immer  neu  erfahren :  Das  Schauen  mit  Verstiindtiis 
beseligt  und  veredelt  den  Menschengeist ! 


X. 

Beitrage 

zur 

Geologie  der  Umgebung  St.  Oallens. 

Von  Ch.  Falkner  und  A.  Ludwig. 

(Schluss.) 

C.  Das  Alluvium. 

Man  versteht  darunter  nicht  bloss,  wie  der  Name 
andeutet,  angeschwemmtes  Land,  „sondern  tiberhaupt  alle 
der  Beobachtung  zuganglichen  geologischen  Neugestal- 
tungen  am  Erdkorper,  die  in  historischer  Zeit  statt- 
gefunden  haben  und  noch  fortwahrend  vor  sich  gehen 
und  bezeichnet  hauptsachlich  die  letztern  als  Alluviumu 
(Schwalbe,  Grundriss  der  Mineralogie  und  Geologie);  das 
Alluvium  umfasst  also,  kurz  gesagt,  hauptsachlich  die 
rezenten  Bildungen  und  Umbildungen,  wie  letztere  z.  B. 
durch  die  Erosion  des  Wassers  bewirkt  werden  konnen. 
Eine  scharfe  Abgrenzung  von  Diluvium  und  Alluvium 
erweist  sich  haufig  als  eine  Unmoglichkeit,  weil  ein  all- 
maliger  Ubergang  von  der  Diluvialzeit  zum  Alluvium 
stattgefunden  hat.  Gegeniiber  dem  Tertiar  und  Diluvium 
treten  die  Alluvialbildungen  an  Bedeutung  weit  zunick, 
weshalb  sie  auch  nur  kurz  behandelt  werden  sollen. 

I.  BaehalhiTionen. 

Die  von  den  beidseitigen  Talflanken  sich  in  das  Tal 
von  St.  Gallen  ergiessenden  Fliisse  undBache  miissen  infolge 
der  plotzlichen  und  starken  Verminderung  ihres  Gefalles 
seinerzeit  dazu  veranlasst  worden  sein,  manchenorts  den 
mitgobrachten  Schutt   (das    Aquivalent    ihrer   Tobel)   in 


375 


Form  von  Schuttkegeln  beim  Eintritt  ins  Tal  oder  als 
mehr  oder  minder  zusammenhangende  Alluvialdecke  auf 
dem  Talboden  selbst  auszubreiten.  Es  kann  deshalb  als 
sicher  angenommen  werden,  dass  das  Erratikum  in  unserm 
Hochtal  an  manchen  Stellen  von  Alluvionen  bedeckt  wird ; 
da  sich  jedoch  eine  genugend  genaue  Feststellung  und 
Umgrenzung  derselben  einstweilen  als  ein  Ding  der  Un- 
moglichkeit  erwies,  wurde  von  einer  Kartierung  derselben 
Umgang  genommen,  um  so  mehr,  als  dadurch  auch  das 
Kartenbild  in  ungunstigem  Sinne  beeinflusst  worden  ware. 
Schon  Gutzwiller  halt  dafiir,  „dass  der  kieselreiche,  von 
Gletscherbildungen  nicht  bedeckte  Sand  im  Westen  der 
Stadt  durch  Biiche  von  den  benachbarten  Hohen  herbei- 
gefuhrt  worden  sei.u  Alluvialen  Ursprungs  sind  selbst- 
verstandlich  auch  die  Kies-  oder  Lehmdecken  iiber  einigen 
unserer  Torf  lager ;  auf  der  Geltenwilerbleiche  werden  zwei 
bis  drei  iibereinander  lagernde  Torfschichten  durch  Allu- 
vionen mehr  oder  weniger  deutlich  voneinander  geschieden 
(siehe  Abschnitt  II.  Torf).  Wir  halten  es  auch  fur  durch- 
aus  moglich,  dass  die  den  Torf  stets  unterlagernde  lehmige 
Schicht  an  einigen  Stellen  unseres  Kartengebietes  nicht 
diluvialen,  sondern  selbst  auch  alluvialen  Ursprungs  ist. 
Kach  Angabe  eines  Parliers  wurde  anlasslich  einer  Grabung 
in  der  Stadt  beim  Hause  zur  Wahrheit  (Gallusplatz)  bis 
zur  Tiefe  von  9  m  (?)  ein  schmutzig  blauer  Lehm  mit 
vielen  eingeschwemmten  Holzstucken  konstatiert;  darunter 
kam  ein  feiner  Kies  (^Gartenkies*)  zum  Vorschein;  an 
der  Notkerstrasse  beobachteten  wir  selbst  gelegentlich 
eines  Neubaues  solchen  schmutzig  blauen,  schlammartig 
aussehenden  Lehm  mit  Holzresten ;  er  erinnert  lebhaft  an 
den  im  Steinachbett  oberhalb  der  Station  St.  Fiden  sich 
anhaufenden  schmutzigen  Schlamm  und  wird  wohl  auch 


376 


eine  Alluvion  darstellen.  Auch  fur  den  Banderton  St.Fidens 
(Ziegelei  bei  Buchental)  ist  ein  alluvialer  Ursprung  durch- 
aus  kein  Ding  der  Unmoglichkeit ;  besonders  auf  der 
linken  Talseite  finden  sich  tonige  Mergel,  bedeckt  von 
lehmigem  Gletscherschutt,  welche  beide  sehr  wohl  infolge 
Ausschlammung  das  feine  Material  geliefert  haben  konnen, 
das  dann  durch  die  zahlreichen  kleinen  Wasserlaufe  in 
einem  ruhigen  Becken  zum  Absatz  gelangt  ware.  Immer- 
hin  ist  auf  der  Karte  an  dem  von  unsern  Vorg&ngern  an- 
genommenen  diluvialen  Ursprung  des  Bandertons  noch 
festgehalten  worden. 

Der  Mittellauf  eines  Flusses  wird  durch  zahlreiche 
Kriimmungen  (Serpentinen)  charakterisiert ;  auf  der  kon- 
vexen  Seite  bilden  sich,  vom  Fluss  angeschwemmt,  kleiDe 
Alluvialebenen,  wahrend  das  Wasser  auf  der  konkaven 
Seite  sich  einfrisst;  diese  Bachalluvionen  sind  (auf  unserm 
Kartengebiet)  besonders  schon  und  deutlich  an  der  Sitter 
von  Stocken  abwarts  zu  verfolgen;  doch  fehlen  sie  auch 
nicht  in  entsprechend  kleinerer  Ausdehnung  an  den  Ufern 
der  Goldach  und  Steinach;  sie  sind  nach  Moglichkeit  in 
die  Karte  mit  aufgenommen  worden;  naheres  iiber  die- 
selben  bringt  der  Abschnitt  iiber  die  Erosion  und  Fluss- 
terrassen. 

Einem  interessanten  Fall  von  Auffiillung  begegnen 
wir  am  Bildweiher  in  Winkeln;  nach  einer  Mitteilung 
von  Herrn  Reallehrer  Flury  war  dessen  Flache  noch  vor 
ca.  25  Jahren  mindestens  doppelt  so  gross  als  heute;  der 
sudostliche  Teil,  wo  sich  der  kleine  Einfluss  befindet,  ist 
in  dieser  Zeit  vollig  aufgefiillt  worden  und  stellt  jetzt 
eine  sumpfige  Flache  dar,  welche  auch  heute  noch  stetig 
im  Wachsen  begriffen  ist.  Der  durch  das  Vordringen 
der  Sumpfvegetation  gegen  die  Mitte  des  noch  vorhandenen 


377 


Weiherrestes  hin  leicht  zu  verfolgende  Verlandungsprozess 
geht  sozusagen  vor  unsern  Augen  vor  sich  und  in  nicht 
allzuferner  Zeit  wird  auch  der  Bildweiher  vom  Schicksal 
so  mancher  friiheren  Seen  und  Seelein  ereilt  werden  und 
vollig  verschwunden  sein ;  schon  heute  hat  der  Bildweiher 
nicht  mehr  die  auf  der  topographischen  Grundlage  an- 
gegebene  Ausdehnung.  Die  erwahnte  Auffiillung  ist 
iibrigens  nur  durch  ein  llbersehen  unserseits  auf  der  Karte 
nicht  besonders  als  eine  Alluvion  hervorgehoben  worden. 
Ahnlich  liegen  die  Verh&ltnisse  beim  Wenigersee: 
die  durch  Anlage  desselben  bewirkte  kunstliche  Stauung 
gab  zu  einer  kleinen  Alluvion  Anlass,  welche  sich  in  der 
Tiefe  vom  Einfluss  der  Steinach  gegen  Loch  zu  erstreckt ; 
auf  dem  sumpfigen  Boden  hat  bereits  der  Vermoorungs- 
prozess  eingesetzt,  welcher  mit  der  Zeit  zur  Bildung  eines 
kleinen,  unbedeutenden  Torflagers  fuhren  wird.  Auch 
hier  lasst  sich  iibrigens  das  Vordringen  des  Alluvial- 
schuttes  und  damit  der  Einmiindung  in  den  kleinen  kiinst- 
lichen  See  hinaus  sehr  gut  verfolgen  —  auch  hier  droht 
somit  das  Schicksal  einer  volligen  Ausfullung,  wenn  die- 
selbe  auch  (immer  gleichbleibende  Umstande  vorausgesetzt) 
bei  weitem  nicht  so  schnell  eintreten  wird,  als  beim  oben 
erwahnten  Bildweiher. 

II.  Der  Torf. 

Torfmoore  von  grosserer  Ausdehnung  und  technischer 
Bedeutung  fallen  nicht  in  unser  Kartengebiet ;  es  handelt 
sich  nur  um  verhaltnismassig  unbedeutende,  meist  in 
Mulden  gelegene  Vorkommnisse,  wobei  die  Machtigkeit 
des  Torfes  selten  wenige  Meter  ubersteigt ;  der  Torf  wird 
nur  gelegentlich  vom  Besitzer,  und  meist  zum  eigenen 
Gebrauche  gestochen.  Die  Unterlage  des  Torfes  wird  nie 
vom  anstehenden  Fels,  sondern  stets  von  lehmiger  Grund- 


378 


mor&ne  oder  fluvioglacialem  Lehm  (auch  stark  lelimigem 
Sand),  gelegentlich  wohl  auch  von  lehmigen  Alluvionen 
gebildet;  die  Lagerung  des  Torfes  ist  fast  immer  eine 
muldenformige,  d.  h.  die  Machtigkeit  nimmt  von  den 
Randern  gegen  die  Mitte  zu,  wo  sie  ihr  Maximum  erreicht. 
Bei  Gelegenheit  der  Bahnhofumbauten  auf  der  Gelten- 
wilerbleiche  zeigten  sich  in  der  siidwestlichen  Ecke,  NW 
der  Stelle,  wo  der  Irabach  den  Talboden  betritt,  zwei 
und  an  einer  Stelle  sogar  drei  durch  Alluvionen  deutlich 
voneinander  geschiedene  Torfschichten  iibereinander  ge- 
gelagert;  Sondierschacht  V  wies  folgendes  Profil  auf: 
Humus  und  gelber  Lehm  (Alluvion)     0,5     m 

Torf 1,5     m 

Gelbes  Lehmband  (Alluvion)    .     .     .     0,3     m 

Torf 1,20  m 

Sandiger  Lehm  (Alluvion)    ....     1.20  m 

Torf 0,80  m 

Fester,  sandiger  Lehm  (wahrscheinlich 

fluvioglacial)  bis 1,80  m 

erbohrt. 
Stellenweise  liessen  sich  im  westlichen  Teil  deutlich 
gesonderte  Torflagen  nicht  mehr  unterscheiden ;  der  Torf 
durchzog  dann  die  Alluvion  in  mehr  oder  weniger  zu- 
sainmenhangenden  Fetzen  und  Nestern.  Das  Material 
der  untern  Torfschichten  war  stark  gepresst  und  erinnerte 
bereits  einigermassen  an  die  nicht  mehr  auf  unser  Gebiet 
fallende  Schieferkohle  von  Morschwil,  welche  interglacialen 
Ursprungs  ist.  Die  gro.sste  Machtigkeit  wurde  mit  ca.  3,5  m 
bei  der  mittleren  Torfschicht,  etwas  westlich  vom  Irabach 
unci  ostlich  vom  Sondierschacht  V  konstatiert;  die  Lage- 
rung ist  deutlich  muldenformig.  Dagegen  erschien  in  der 
siidostlichen  Ecke  der  Geltenwilerbleiche  ein  im  Maximum 


379 


2  m  Machtigkeit  erreichendes  Torflager,  welches  inter- 
essanterweise  ein  ausgepragtes  Gehange  bildet.  Zwischen 
diesen  beiden  Torflagern  im  Westen  und  Osten  liegt  eine 
Lehmablagerung  (von  uns  als  Alluvion  aufgefasst,  wegen 
der  kurzen  Erstreckung  von  ca.  50  m  jedoch  nicht  kar- 
tiert),  in  welcher  beim  westlichen  Torflager  aufrecht- 
stehende  Baumstiimpfe  beobachtet  werden  konnten,  ein 
sichererBeweis  fiir  den  autochthonen  Ursprung  des  letzteren. 
Die  jetzt  durch  Aplanation  ganzlich  verschwundene  Wall- 
morane,  welche  von  der  Sudostecke  her  die  Geltenwiler- 
bleiche  quer  durchzog,  trennte  im  Norden  (Bahnlinie)  das  bis 
hieher  reichende  westliche  Lager  von  einem  dritten,  welches 
sich,  dem  Irabache  folgend,  ostlich  bis  in  das  eigentliche 
Stadtgebiet  hinein  erstreckt,  jedenfalls  aber  haufig  Unter- 
brechungen  aufweist *) ;  eine  genaue  Feststellung  der  ost- 
lichen  Ausdehnung  erwies  sich  als  unmoglich ;  bei  unserer 
Eintragung  hielten  wir  uns  deshalb  an  die  Mitteilungen, 
welche  uns  hierauf  beziiglich  von  mehreren  Seiten  in 
verdankenswerter  Weise  gomacht  worden  sind. 

Zum  Schlusse  geben  wir  eine  Liste  der  im  Gelten- 
wiler  Torfgebiet,  speziell  in  seinem  westlichen  Teile,  von 
uns  gesammelten  Einschliisse;  die  genaue  Bestimmung 
derselben  verdanken  wir  Herrn  Dr.  Neuweiler  in  Zurich, 
dem  wir  an  dieser  Stelle  unsern  besten  Dank  dafur  aus- 
sprechen. 


l)  Es  wird  uns  das  durch  eine  beziigliche  Mitteilung  von 
HeiTn  Gemeinderat  Rliesch  bestiitigt;  wtellen weise  tindet  sich 
namlich  ein  feiner  Sand  (oder  kiesiger  Lehm),  wohl  audi  alluvialen 
Ur»j»run^8  (siehe  Abschnitt  Alluvion),  an  Stelle  des  Torfes;  letzterer 
erstreckt  sich  noch  weiter  r)Stlich  als  an#e«reben ;  er  wurde  von 
Herrn  Riiesch  von  der  Goliatp:asse  bis  zum  Viadukt  an  der  St.  Jakob- 
strasse  angetroffen. 


380 


Abies  pectinata  ( Weisstanne) :   Holz  (meist  Wurzel- 

holz),  Samen,  Zapfenschuppen. 
Picea  excelsa  (Rottanne):  Holz,  Zapfen,  Samen. 
Quercus  sp.  (Eiche) :  Holz,  FrtLchte  und  Fruehtbecher 

sehr  haufig. 
Corylus  Avellana  (Haselnuss):  Holz  und  Fruchte. 
Alnus  sp.  (Erie):  Holz. 
Populus  tremula  (Zitterpappel) :  Holz. 
Acer  campestris  (Feldahorn) :  sehr  gut  erhaltenes  Holz. 
Rubus  Idaeus  (Himbeere) :  Samen,  verhaltnismassig 

selten. 
Menyanthes  trifoliata  (Fieberklee):   wenige  Samen. 
Phragmites  communis  (Schilf):  Blattreste,  sehr  haufig, 
besonders  ostlich  der  Vonwilerbriicke  und  der 
Unterstrasse  entlang. 
Carex  sp.  (Segge):  Friichtchen. 
Gramineen  (Graser):   Oberhautreste 
Cyperaceen 

Laubmoos  sp.:  Blattreste 
Pilzfiiden:  spurenweise 
Von  Herrn  Reallehrer  Flury  wurde  uns  mitgeteilt, 
dass  auch  schon  Birkenholz  im  Torf  gefunden  wurde. 
An  tierischen  Resten,  die  als  accessorisch  zu  bezeichnen 
sind,  erwahnt  Herr  Dr.  Neuweiler  ein  Ei  einer  Schnirkel- 
schnecke  (Helix  arbustorum  sive  nemoralis)  und  Chitin- 
lilillen  und  Chitintonnchen ;  ein  Rohrenknochen  konnte 
nicht  bestimmt  werden  und  eine  metallglanzende  Kafe^ 
fliigeldecke  ging  uns  leider  durch  Zerbrockeln  zu  Grunde, 
ebenso  wie  eine  uns  unbekannte,  nur  in  einem  Exemplar 
aufgefundene  Frucht. 

Die  tibrigen  Torfmoore  sind  von  uns  bis  jetzt  einer 
speziellen  Untersuchung  nicht  unterworfen  worden. 


mikro- 

skopischer 

Befund. 


381 


In  der  Wittenbacher  Gegend  finden  sich  in  den- 
selben  manchenorts  ebenfalls  viele  Holzreste  und  Nadel- 
holzzapfen  vor,  so  dass  auch  hier  der  Torf  sich  wie  auf 
der  Geltenwilerbleiche  infolge  Versumpfung  und  Ver- 
moorung  eines  Waldbestandes  gebildet  haben  muss;  die 
einzeln  stehenden  Birken  im  feuchten,  unwirtlichen  Moor 
lassen  verschiedene  Stellen  als  reizvolle  Landschaftsbilder 
aus  dem  hohen  Norden  erscheinen,  deren  melancholischem 
Einfluss  man  sich  nur  schwer  entziehen  kann. 

Ganz  unbedeutende  und  darum  auf  der  Karte  nicht 
eingetragene  Torfbildungen  f  and  en  sich  auch  auf  dem 
kleinen  Plateau  zwischen  Walenbtihl  und  Hechtacker, 
zwischen  Vonwil  und  Bruggen,  sowie  im  Krontal,  wo  die 
Strasse  nach  dem  Griitli  und  Speicherschwendi  abzweigt ; 
an  beiden  Orten  zeigte  sich  wieder  reichliches  Holzmaterial 
eingeschlossen  und  an  der  erstgenannten  Lokalitat  wurden 
auch  die  Zapfen  der  Rottanne  wieder  in  ziemlicher  Zahl 
angetroffen.  Sudlich  Rutzenwil,  am  linken  Ufer  der  Sitter 
(im  Norden  unseres  Kartengebietes),  erstreckt  sich  ein 
mooriger  Boden,  dessen  Bildung  jedenfalls  nur  wenig  weit 
zunickreicht ;  fanden  sich  doch  hier  noch  die  Uberreste 
einer  fruhern  Waldflora  bliihend  vor,  z.  B.  eine  reichliche 
Individuenzahl  von  Platanthera  bifolia,  deren  Wuchs  aller- 
dings  schon  deutliche  Spuren  der  Verkiimmerung  auf- 
weist;  der  botanischen  Forschung  sei  die  interessante 
Lokalitat  angelegentlich  empfohlen;  vielleicht  hatte  die- 
selbe  es  wohl  verdient,  auch  auf  unserer  Karte  eingetragen 
zu  werden. 

Die  kleinen,  auf  der  topographischen  Grundlage  ver- 
zeichneten  Turbenhauschen,  deren  Stand  selbstverstandlich 
gelegentlichem  Wechsel  unterworfen  ist,  lassen  leicht  die 
Lokalitaten   erkennen,    wo    brauchbarer   Torf  gestochen 


382 


wird ;  derselbe  dient  ubrigens  fast  nur  dem  Privatgebrauch 
des  jeweiligen  Besitzers ;  wo  die  Hauschen  fehlen,  handelt 
es  sich  meist  nur  um  lokal  ganz  eng  begrenzte,  unbedeutende 
Vorkommnisse  oder  auch  um  erst  im  Entstehen  begriffene 
Torf lager:  Moorboden,  wie  ein  solcher  beispielsweise  auch 
zwischen  Beckenhalden  und  dem  Untern  Brand,  sowie 
(auf  der  Karte  nicht  dargestellt)  im  westlichen  Teile  des 
Tales  der  Demut  wahrzunehmen  ist. 

Bei  Schimishaus  S  Morschwil  ist  der  Torf  bereits 
abgestochen  worden,  weshalb  er  auf  der  topographischen 
Grundlage  fehlt;  auch  der  Torf  von  Abtwil  ist  wohl  an 
manchen  Stellen  infolge  Abstiches  vollig  verschwunden. 

Die  Bezeichnung  „Moosu  auf  der  Karte  deutet  stets 
mit  Sicherheit  das  Vorhandensein  von  Moor-  oder  Torf- 
boden  an. 

III.  Kalktuff. 

An  Abhangen,  wo  der  anstehende  Molassefels  von 
einer  betrachtlichen  Gletscherschuttdecke  (spez.  Glacial- 
scliotter)  uberlagert  ist,  findet  sehr  haufig  Tuffbildung 
statt;  in  dor  Humus-  und  Vegetationsdecke  beladt  sich 
das  Wasser  mit  Kohlensaure  und  ist  daher  im  Stande, 
beim  Durchsickern  des  Erratikums  kohlensauren  Kalk  zu 
losen;  tritt  nun  das  Sickerwasser  am  Abhang  (z.  B.  als 
Quelle)  wieder  zutage,  so  scheidet  es,  indem  es  einen  Teil 
dor  Kohlensaure  verliert,  den  gelosten  Kalk  in  Form  von 
Sinter  und  Tuff  als  Kegel  oder  auch  als  Decke  wieder 
aus.  Dass  also  Kalktuff  mit  Erfolg  an  und  unterhalb 
einer  Kontaktstelle  von  Erratikum  mit  Molasse  zu  suchen 
ist,  dtirfto  ohne  weiteres  klar  sein ;  triffl  man,  einen  Ab- 
hang hinansteigend,  auf  Kalktuffspuren,  so  kann  man 
iwie  die  Erfahrung  uns  gelehrt)  meist  sicher  sein,  in  der 
Niihe  des  Kontaktes  zu  sein;  der  Kalktuff  war   uns  tat- 


383 


sachlich  gelegentlich  ein  ausgezeichnetes  Hilfsmittel,  das 
Kontaktniveau  auch  bei  fehlendem  deutlichem  Aufschluss 
verhaltnismassig  sicber  zu  bestimmen.  So  haufig  wir 
dem  Kalktuff  auch  begegnet  sind,  so  handelt  es  sich  dabei 
doch  meist  nur  urn  ganz  untergeordnete  Vorkommnisse 
(dunne  Krusten  von  geringer  Flachenausdehnung),  welche 
daher  auf  der  Karte  nicht  eingetragen  warden ;  immerhin 
seien  einige  derselben  hier  erwahnt. 

Lochmtihle  (Goldach),  an  dem  das  linke  Ufer  empor- 
fiihrenden  Waldweg;  auf  dem  rechten  Goldachufer  im 
Rutschgebiet  nordwestlich  vom  Hinterhof  (schoner  Kontakt 
mit  dem  dort  entblossten  MolasserifF) ;  im  Herrenholz  ost- 
lich  der  Martinsbriicke ;  Gstaldenbach  rechtes  Ufer  (ober- 
halb  der  St.  Galler  Strassenbahn)  in  der  Nahe  von  Bilchen, 
mit  zahlreichen  eingeschlossenen  Buchenblattern ;  zwischen 
Erlenholz  und  Schontal,  an  dem  linken  Ufer  des  der 
Sitter  zufliessenden  Bachleins;  an  mehreren  Stellen  am 
Ufer  des  Wattbaches  usw.  usw. 

Es  Hess  sich  deutlich  erkennen,  dass  die  Kalktuff- 
bildung  im  Friihling  zur  Zeit  der  Schneeschmelze  be- 
sonders  intensiv  von  statten  geht,  wobei  Blatter,  Stengel, 
Tannzapfen,  Moos  usw.  oft  uberraschend  schnell  inkru- 
stiert  werden. 

Der  einzige,  dafiir  aber  auch  typische,  von  uns  auf- 
genommene  KalktufFkegel  befindet  sich  bei  Tellen  am 
Siidabhang  der  Steinegg ;  dort  lehnt  er  sich  an  die  Kante 
des  Deckenschotters  an,  welcher  auch  zweifellos  zusammen 
mit  dem  ihn  liberlagernden  jiingern  Gletscherschutt  das 
Material  zu  seiner  Bildung  geliefert  hat;  noch  jetzt  ist 
das  kleine  Bachlein  sichtbar,  welches,  als  Quelle  aus  dem 
Kontaktniveau  iiber  den  Abhang  fliessend,  den  Tuff 
dabei  an  demselben  abgelagert  hat;  haufig  linden  wir  in 


384 


und  auf  dem  Tuff  heruntergefallene  Stiicke  des  Decken- 
schotters;  es  ist  wohl  derselbe  hier  infolge  der  ein- 
schneidenden  Erosion  teilweise  abgerutscht,  worauf  die 
einzelnen  Stiicke  von  Kalktuff  eingehiillt  wurden.  Die 
Bestimmung  der  im  Tuff  eingeschlossenen  postglacialen 
Schneckenfaunula  verdanken  wir  Herrn  Dr.  Gutzwiller. 
dem  wir  dafur,  sowie  fur  das  unserm  Unternehmen  iiber- 
haupt  entgegengebrachte  fordernde  Interesse  gerne  an 
dieser  Stelle  unsern  besondern  Dank  aussprechen;  es 
fanden  sich  bis  jetzt: 


Hyalina  intens  Michaud. 

„         cillaria  MiiU. 
Clausilia  (unbestimmbar) 
Buhinus  montanus  Drap. 
Patula  ruderata  Stud. 


Helix  candid ula  Stud. 

„      arbustorum  L. 

„      nemoralis  L. 

„      hortensis  Miill. 

„      villosa  Drap. 

„      pomatia  L. 

„      fruticum  Miill. 

„      incarnata  Miill. 

„      personata  Lam. 
Von   dieser  Lokalitat  stammen   auch   prachtige  In- 
krustationen  von  Buchenblattern,   welche  uns  von  Herrn 
Kantonsschiiler  Vonwiller  in  verdankenswerter  Weise  zur 
Verfugung  gestellt  worden  sind. 

Die  Bezeichnung  „Tugstein"  im  Tanner-  resp.  Bern- 
hardzeller  Wald  deutet  in  unmissverstandlicher  Weise 
das  Vorhandensein  von  Kalktuff  an ;  es  fand  sich  solcher 
wenig  westlich  davon  bei  Anlage  eines  neuen  Waldweges 
iiber  der  entblossten  Molasse,  ohne  dass  es  uns  moglich 
gewesen  ware,  einen  Anhaltspunkt  iiber  seine  mutmass- 
liche  Erstreckung  zu  gewinnen,  weshalb  auch  von  einer 
Eintragung  Umgang  genommen  wurde.  Man  gewinnt 
den  Eindruck  —  zahlreiche  Spuren  weisen  darauf  hin  — 


386 


class  eine  lokal  mehr  oder  weniger  reichliche  Tuffbildung 
sich  an  der  Basis  der  Deckenschotterkante  mit  gelegent- 
lichen  Unterbrechungen  einem  Mantel  gleich  dahinzieht. 

IV.  Flusserosion  und  Flussterrassen. 

Die  fruheren  Flusslaufe  sind  durch  die  wiederholten 
Vergletscherungen  der  Eiszeit,  durch  gewaltige  Moranen- 
ablagerungen,  machtige  Schmelzwasser  und  durch  die  in 
den  Interglacialzeiten  wirkende  Erosion  bedeutend  ver- 
andert,  ja  vielerorts  in  eine  ganz  andere  Richtung  ab- 
gelenkt  und  oft  sogar  einem  andern  Fluss-System  zuge- 
wiesen  worden.  Halten  wir  uns  indessen  fur  unser  Ge- 
biet  an  den  Zustand,  wie  er  sich  herausbildete,  nachdem 
der  Rheingletscher  sich  endgultig  in  die  Alpen  zuriick- 
gezogen  hatte  und  lassen  wir  die  Frage  offen,  ob  die 
drei  hier  in  Betracht  kommenden  Flusse  resp.  Flusschen, 
Goldach,  Steinach  und  Sitter  mit  Urnasch,  sich  ungefahr 
die  namlichen  Flussbetten  wieder  ausgewahlt  haben,  welche 
die  letzte  Eiszeit  mit  gewaltigen  Gletscherschuttmassen 
ausgefiillt  hatte. 

Wie  schon  im  Abschnitt  uber  das  Diluvium  ange- 
deutet,  kann  uns  das  Niveau  von  ca.  600  m  liber  Meer, 
welchem  die  Wittenbacher  Drumlins  aufgesetzt  sind,  dazu 
dienen,  den  Betrag  der  Tiefe  der  postglacialen  Fluss- 
erosion  festzustellen.  Wir  diirfen  dieses  Niveau  nicht  nur 
fur  Sitter  und  Steinach  zu  Rate  ziehen,  sondern  unbe- 
denklich  auch  fur  die  Goldach,  wenigstens  fiir  die  in 
Frage  kommende  Strecke  zwischen  Unter  Weid-Riedern 
einerseits  und  Mittlerhof  anderseits.  Hier  namlich  erreicht 
das  postglaciale  Einschneiden  der  Goldach  das  Maximum 
mit  dem  Betrage  von  ca.  120  m. 

Fur  die   Steinach  dagegen  ergibt  sich   als   grosster 


386 


Betrag  die  Tiefe  von  80  m  zwischen  Kronbuhl-Gommens- 
wil  einerseits  und  Reggenswil  anderseits. 

Zwischen  dem  Niveau  Kronbtihl  -  Weid  -  Mittlerhof 
(ca.  600  m)  und  dem  Bodensee  (398  m)  arbeiten  Goldach 
und  Steinach  fast  unter  den  gleichen  Bedingungen.  Aber 
die  Goldach  ist  wasserreicher  und  eine  Vergleichung  der 
obenerwahnten  Erosionsbetrage  fuhrt  zu  dem  zu  erwarten- 
den  Resultat,  dass  unter  sonst  gleichen  Verhaltnissen  der 
grossere  Fluss  sich  merklich  tiefer  einschneiden  wird. 

Doch  nicht  allein  die  grossere  Wassermasse  ist  es, 
welche  die  Goldach  in  ihrer  erodierenden  Tatigkeit  gegen- 
iiber  der  Steinach  in  Vorteil  setzt,  sondern  auch  die  Ge- 
steinsbeschaffenheit  im  Sammelgebiete.  Im  Einzugsgebiet 
der  Goldach  finden  sich  nur  wenige  Nagelfluhschichten, 
wahrend  die  Steinach  in  ihrem  ohnehin  bedeutend  kleineren 
Sammelgebiet  eine  grossere  Anzahl  von  widerstandsf  ahigen 
Nagelfluhbanken  zu  iiberwinden  hatte.  Die  reichere  Ge- 
schiebefuhrung  der  Goldach,  bedingt  durch  die  raschere 
Abtragung  von  Sandstein,  Mergel  und  Gletscherschutt 
im  Quellgebiet,  beforderte  selbst  wieder  die  Talvertiefung 
auch  im  untern  Teil  des  Flusslaufes  unter  der  Martins- 
biiicke. 

In  ihrem  Ruckwartseinschneiden  zeigen  die  Fliisse 
das  Bestreben  nach  einer  Ausgleichung  des  Gefalles.  Die 
Goldach  ist  hierin  schon  bis  hinter  die  Ruine  Rappen- 
stein  gelangt,  die  Steinach  dagegen  nur  bis  in  die  Gegend 
unter  Espenmoos  und  Heiligkreuz.  So  setzt  z.  B.  die 
Hohenkurve  570  ca.  200  m  hinter  der  Nagelfluh  von 
Rappenstein  uber  die  Goldach,  wahrend  die  gleiche  Hohen- 
kurve die  Steinach  schon  zwischen  Bruggbach  und  Hagen- 
wil  iiberschreitet. 

Grossere  Wassermenge  und  reichere  Geschiebefiihrung 


387 


bewirkten  gemeinsam  nicht  nur  raschere  Ausgleichung 
des  Gefalles  der  Goldach,  sondern  auch  etwas  grossere 
Breite  des  Flussbettes  durch  Serpentinenbildung.  Natiir- 
lich  kann  bei  diesem  kleinen  Fluss  von  einer  breiten  Tal- 
sohle  nicht  die  Rede  sein,  aber  doch  zeigen  sich  schon 
zahlreiche  Serpentinen  (Flusskriimmungen)  mit  begleitenden 
kleinen  Alluvialebenen  in  so  deutlicher  Weise,  dass  sie 
auf  der  Karte  Beriicksichtigung  finden  mussten. 

Die  Steinach  mit  ihrem  grossern  Gef&lle  weist  in 
ibrem  Flussbett  zwischen  Espenmoos  und  dem  nordlichen 
Rand  unseres  Kartengebietes  nur  unbedeutende  Anf&nge 
von  Serpentinen  und  Alluvialebenen  auf,  so  bei  der  Tobel- 
miihle,  ferner  E  unter  Durrenmuhle  und  W  unter  Hub. 

Gehen  wir  zur  Sitter  iiber,  die  absolut  genommen 
auch  noch  nicht  ein  grosser  Fluss  genannt  werden  kann, 
aber  verglichen  mit  Steinach  und  Goldach  doch  schon 
als  bedeutenderes  Gewasser  erscheint. 

Es  ist  interessant,  dass  die  Urnasch  nicht  nur  der 
Rich  tun  g  nach,  sondern  in  der  Gegend  des  Zusammen- 
flusses  auch  der  Talbildung  nach  der  wasserreicheren  und 
den  Namen  behaltenden  Sitter  gegenuber  als  Hauptfluss 
erscheint.  In  der  Regel  wird  ein  starker  Nebenfluss  bei 
seiner  Einmundung  in  den  Hauptfluss  den  letztern  nach 
der  gegeniiberliegenden  Uferseite  drangen,  von  welcher 
er  wieder  zuriickgeworfen  wird  und  so  fur  das  Miindungs- 
gebiet  zur  Bildung  einer  Flusskrummung  und  damit  einer 
etwas  breiteren  Talsohle  Anlass  gibt.  Die  Kubelgegend 
steht  in  dieser  Beziehung  nicht  normal  da;  man  erhalt 
geradezu  den  Eindruck,  dass  die  Sitter  in  die  Urnasch 
miinde. 

Nach  dem  Zusammenfluss  macht  sich  die  vermehrte 
Kraft  der  vereinigten  Gewasser  durchaus  nicht  etwa  sofort 


388 


in  einer  auffalligen  Verbreiterung  des  Flussbettes  bemerk- 
bar;  es  bleibt  enge,  fast  schluchtartig  bis  westlich  unter 
Stocken.  Hier  aber,  in  der  Gegend  der  Fabrik,  beginnen 
plotzlich  die  nun  in  grosser  Zahl  sioh  folgenden  bedeutenden 
Flusskriimmungen ;  die  Talfurche  weitet  sich  auffallig  und 
verhaltnismassig  ausgedehnte  Alluvialebenen  treten  auf. 
Die  so  ganzlich  verschiedenen  Charaktere  des  Flusslaufes 
oberhalb  und  desjenigen  unterhalb  Stocken  sind  ein  ekla- 
tantes  Beispiel  fur  den  Einfluss  der  Gesteinsbeschaffenheit 
auf  die  Talbildung.  Auf  der  kurzen  Strecke  von  P.  601 
beim  Elektrizitiitswerk  bis  westlich  unter  Stocken  hatte 
der  Fluss  sechs  starke,  zum  Teil  sogar  sehr  machtige 
Nagelfluhschichten  zu  durchschneiden,  wogegen  von  Stocken 
an  abwarts  neben  vorwiegendem  Mergel  und  einzelnen 
Sandsteinbanken  nur  noch  wenige  in  weiten  Abstanden 
sich  folgende  Nagelfluhschichten  zu  uberwinden  waren. 
Allgemein  gesprochen:  Die  Gesteinsbeschaffenheit  beein- 
flusst  die  Talbildung  ganz  vorwiegend  in  Hinsicht  auf 
die  Breite,  viel  weniger  auf  die  Tiefe  des  Flussbettes. 

In  der  Gegend  zwischen  Wittenbach  und  Bernhardzell 
konnen  wir  fur  die  Sitter  als  Tiefenbetrag  der  post- 
glacialen  Erosion  70  m  konstatieren,  ein  Resultat,  das 
hinter  demjenigen  der  Goldach  (120  m)  merklich  zuriick- 
steht  und  nicht  einmal  das  der  Steinach  (80  m)  erreicht. 
Die  Tatsache  ist  leicht  erklarlich,  da  die  Einmiindung  in 
die  Thur  wesentlich  hoher  liegt  als  das  Niveau  des  Boden- 
sees,  die  Sitter  somit,  verglichen  mit  Steinach  und  Gold- 
ach, in  ihrer  Austiefungstatigkeit  gleichsam  gebunden 
und  unter  nachteiligen  Bedingungen  arbeitete. 

Die  Neigung  der  Fllisse  zur  Bildung  von  halbkreis- 
formigen,  ja  mitunter  fast  schleifenartigen  Krummungen 
ist  auffallig.    Die  Frage,  warum  eine  Krummung  gerade 


389 

an  dieser  oder  jener  Stelle  sich  gebildet,  ist  in  den  meisten 
Fallen  eine  miissige,  da  sehr  oft  der  Zufall  die  Haupt- 
rolle  spielt.  Ein  scheinbar  geringfugiges  Hindernis,  z.  B. 
ein  bei  abnehmendem  Hochwasser  im  Flussbett  liegen 
gebliebener  grosserer  Stein,  bei  kleineren  Gewassern  sogar 
ein  Stuck  Holz,  kann  die  Ursache  der  Serpentinenbildung 
werden.  Das  genannte  Hindernis  verlangsamt  an  der 
betreffenden  Stelle  die  Geschwindigkeit  des  Wassers  und 
vermindert  seine  Stosskraft,  so  dass  mitgefuhrte  Geschiebe 
hier  liegen  bleiben  und  so  den  Anfang  einer  Kiesbank 
darstellen.  Das  Wasser  wird  dadurch  von  seiner  geraden 
Bahn  mehr  oder  weniger  abgelenkt  und  nach  einer  Ufer- 
seite  gewiesen.  Der  Anfang  zur  Kriimmung  ist  hieinit 
gemacht.  Zugleich  erhalt  die  Konvexitat  des  fliessenden 
Wassers  vermehrte  Geschwindigkeit  und  Stosskraft  und 
greift  das  Ufer  stark  an,  in  der  Weise,  dass  durch  direkte 
Abtragung  und  Unterhohlung  der  unteren  Uferpartien 
die  oberen  zum  Nachsturz  gebracht  werden.  Auch  der 
von  einem  einmundenden  Bach  abgelagerte  Schutt  kann 
zu  einer  Kriimmung  des  Flusslaufes  Veranlassung  geben, 
falls  die  Stosskraft  des  Wassers  nicht  ausreicht,  um  den- 
selben  sofort  wegzuspiilen. 

Um  Missverstandnisse  zu  vermeiden,  sei  gleich  hier 
bemerkt,  dass  die  Ausdrlicke  konvex  und  konkav  hier  in 
folgendem  Sinne  angewendet  werden :  Die  Konvexitat  des 
Flusses  bespiilt  die  konkave  Ufer-  oder  Landseite,  wahrend 
die  Konkavitat  des  Flusses  die  konvexe  Ufer-  oder  Land- 
seite umschliesst. 

Es  ist  erstaunlich,  was  fiir  Arbeit  der  Fluss  am  kon- 
kaven  Ufer  verrichtet.  Unablassig,  namentlich  aber  bei 
Hochwasser  erfolgreich  arbeitend,  ringt  er  dem  Fels  ein 
neues    Bett   ab,   verursacht  kleinere   und   grdssere   But-         4 


390 


schungen,  Erd-  und  Pelsschlipfe  und  verkiindet  seine 
Tatigkeit  durch  weithin  sichtbare  Abbruchstellen.  Ein 
Blick  auf  die  geologische  Karte  zeigt  uns  von  Stocken 
weg  bis  nach  Radlisau  zahlreiche  Rutsch-  und  Schutt- 
gebiete.  Die  Grosszahl  liegt,  wie  sofort  ersichtlich,  an 
der  Konvexitat  der  Flusskrttmmungen,  d.  h.  am  konkaven 
Ufer.  Wird  das  konkave  Ufer  angegriffen  und  abgetragen, 
so  geschieht  auf  der  gegeniiberliegenden  Seite  das  Gegen- 
teil.  Hier  wird  der  anfanglich  unbedeutenden  Kiesbank 
immer  mehr  Material  angelagert,  da  die  Stosskraft  des 
Wassers  auf  dieser  Seite  nur  gering  ist  und  zur  Weiter- 
beforderung  der  Geschiebe  nicht  mehr  hinreicht.  So  ent- 
steht  nach  und  nach  eine  kleine  Ebene,  die  immer  noch 
vorriickt,  so  lange  der  Fluss  am  gegeniiberliegenden  Ufer 
noch  erodiert.  Also:  Auf  der  einen  Seite  Erosion,  resp. 
Abtraguug  oder  Abspiilung,  auf  der  andern  Alluvion, 
resp.  Auffiillung  oder  Anspiilung. 

Steht  man  am  Sitterufer  zwischen  Biittingen  und 
Malerhof,  so  lassen  sich  die  beiden  Vorgange  mit  einem 
Blick  iibersehen.  Man  sieht  und  fiihlt  gleichsam,  wie  der 
Fluss  sich  am  rechten  Ufer  ein  neues  Bett  erobert,  wahrend 
am  linken  Ufer  die  Alluvialebene  vorriickt,  um  einst  auch 
das  jetzt  noch  felsige,  neugewonnene  Bett  der  jetzigen 
rechten  Seite  mit  Kies  zu  iiberdecken. 

Im  Gebiet  der  Kriimmungen  lauffc  der  Fluss  nur 
selten  noch  parallel  zu  den  taleinfassenden  Uferwanden? 
moistens  stosst  er  in  starkem  Winkel  auf  die  letztern  und 
wird  folgerichtig  jeweilen  auf  die  gegentiberliegende  Seite 
zuriickgeworfen,  welcher  Vorgang  an  das  bekannte  Ge- 
setz  liber  Ein-  und  Ausf alls  winkel  erinnert.  So  arbeitet 
eine  Krummung  schon  der  andern  vor ;  auf  langere  Strecken 
reihen   sich   die  Serpentinen   in  ununterbrochener  Folge 


391 


aneinander,  so  von  Stocken  bis  Spisegg  und  vom  H&ttern- 
wald  bis  zur  Sage,   wo  die  Sitter  unser  Gebiet  verl&sst. 

Wie  aus  dem  Vorangegangenen  ersichtlich,  ist  die 
Entstehung  der  Flussalluvialebenen  bedingt  durch  die 
Serpentinenbildung.  Die  jiingsten  Alluvionen  konnen 
jeweils  bei  hohem  Wasserstand  noch  vom  Wasser  bedeckt 
werden ;  sie  gehoren  dem  Inundationsgebiet  an.  Im  Laufe 
langer  Zeitraume  aber  schneidet  der  Fluss  sich  tiefer  ein ; 
er  greift  die  von  ihm  selbst  gebildeten  Alluvialebenen 
mit  dem  darunter  liegenden  Fels  an  und  lasst  von  den 
friiheren  ausgedehnten  Kiesebenen  oft  nur  noch  Reste 
ubrig,  die  nun,  merklich  hoher  liegend  als  das  Fluss- 
niveau,  als  sogenannte  Flussterrassen  Kunde  geben  vom 
einstigen  hohem  Laufe  des  Flusses.  Die  Flussterrassen 
konnen  vom  Wasser  nicht  mehr  iiberdeckt,  wohl  aber 
durch  Unterfressung  fortgespiilt  werden.  Die  Terrassen 
liegen  meist  in  gewissen  Abstanden  tibereinander  und 
wo  sie  auf  beiden  Seiten  des  Flusses  erhalten  geblieben 
sind,  da  entsprechen  die  gegeniiberliegenden  einander  in 
der  Hohenlage.  Solche  Terrassen  zeigen  sich  an  der 
Sitter  am  schonsten  bei  Erlenholz  und  Leo,  sowie  bei 
Radlisau  und  Sage  am  Nordrande  unseres  Gebietes.  Audi 
an  andern,  auf  unserer  Karte  eingezeichneten  Stellen, 
finden  sich  solche  Reste  alter  Talboden.  An  der  Goldach 
dagegen,  deren  Inundationsgebiet  kleine,  aber  doch  deut- 
liche  Alluvialboden  und  Serpontinen  zeigt,  sind  die  altern 
Terrassen  an  den  steilen  Uferwanden  spurlos  verschwunden. 
Das  Wort  „alter;i  ist  librigens  mit  Vorsicht  aufzunehmen; 
denn  es  ist  festzuhalten,  dass  alio  hier  in  Frage  stehenden 
Flussterrassen  postglacial  sind. 

Auch  die  Terrassen  an  der  Sitter  sind  im  Grunde 
sowohl  an  Ausdehnung,  als  an  Hohe  recht  bescheidener 


I 


392 


Natur  und  nicht  zu  vergleichen  mit  imposanten,  eDt- 
gprechenden  Bildungen  grosserer  Fliisse.  An  der  Sitter 
liegen  die  hochsten  mit  Sicherheit  als  solche  anzusprechen- 
den  Terrassen  30 — 40  m  Tiber  dem  jetzigen  Flussniveau, 
soweit  der  Flusslauf  von  Stocken  an  ab warts  in  Frage 
kommt. 

Bei  jeder  Terrasse  ist  zu  unterscheiden  zwischen  dem 
eigentlichen  Terrassenboden  und  der  dem  Fluss  zuge- 
wendeten  Kante1)  mit  dem  darunter  folgenden,  bis  zur 
nachstuntern  Terrasse  reichenden  Steilhang  oder  Absturz. 
Der  Terrassenabsturz,  der  hie  und  da  teilweise,  seltener 
ganz  entblosst  ist,  wird  von  oben  nach  unten  meistens 
folgendes  Profil  zeigen: 

1.  Verwitterungsschicht, 

2.  Flusskies, 

3.  Molassefels. 

Doch  hat  sich  ja  der  Fluss  mitunter  nicht  in  den 
Fels,  sondern  hie  und  da  in  gewaltige  Moranemassen  oder 
in  fluvioglaciale  Schotter  eingeschnitten  und  es  ist  in 
diesem  Falle  als  dritte  Schicht  statt  Molassefels  Moranen- 
schutt,  resp.  Schotter  einzusetzen,  unter  welchem  erst  bei 
tieferem  Einschneiden  die  Molasse  folgen  wiirde. 

Der  schonste  Anschnitt  einer  ziemlich  hoch  uber  dem 
jetzigen  Wasserniveau  gelegenen  Flussterrasse  findet  sich 
gegenuber  Radlisau  am  rechten  Sitterufer.    (Siehe  Photo- 

l)  In  die  Karte  wurde  stots  die  Terrassenkante  eingezeiclinet. 
AVenn  sie  da  und  dort  widersinnig  zu  verlaufen  scheint,  d.  h.  ver- 
glichen  mit  der  nachsten  Hdhenkurve,  flussabwarts  scbeinbar  steigt 
anstatt  fast  horizontal  zu  bleiben  oder  schwacb  zu  fallen,  so  ist 
nicht  iminer  an  einen  Fehler  bei  der  Aufnahme  oder  an  eine  Ver- 
schiebung  beim  Drucke  zu  denken.  In  manchen  Fallen  stimmen 
eben  auch  die  Kurven  der  Siegfriedblatter  nicht  genau  mit  der 
Wirklichkeit  iiberein. 


393 


graphie.)  Ein  jiingerer  AUuvialboden,  ebenfalls  mit  Fels 
als  Unterlage,  ist  gut  angeschnitten  am  linken  Sitterufer 
etwas  oberhalb  von  Radlisau. 

Unsere  Karte  verzeichnet  auch  zwischen  Sitter  und 
Urnasch  (bei  Weitenau,  Lenggern  und  Storgel)  und  ost- 
lich  der  Sitter  bei  Schwantlen,  Gassli,  Kiihnishaus  und 
Sommerhaus-Haupteten  Flussterrassen.  Sind  es  wirkliche 
Flussterrassen,  so  hat  sich  hier  die  Sitter  seit  dem  Riick- 
zug  der  Gletscher  120  bis  gegen  130  m  tief  eingeschnitten. 
Es  erscheint  dieser  Betrag,  verglichen  mit  den  70  m 
zwischen  Wittenbach  und  Bernhardzell,  etwas  hoch ;  aber 
hat  nicht  die  kleine  Goldach  das  namliche  (120  m)  ge- 
leistot?  Fiir  das  Vorhandensein  wirklicher  Flussterrassen 
spricht  ganz  besonders  die  Bodengestaltung  bei  Sommer- 
haus-Haupteten-Nord  mit  der  mehrfachen  in  kleinen  Hdhen- 
abstanden  sich  folgenden  Terrassierung.  Dafiir  spricht 
ferner  eine  deutlich  sich  abhebende,  genau  im  obersten 
Terrassenniveau  liegende  Schicht  grober  Gerolle,  welche 
in  der  weithin  sichtbaren  Kiesgrube  von  Kiihnishaus  die 
unregelmassig  steil  geschichteten  fluvioglacialen  Schotter 
horizontal  iiberlagert  und  daher  sehr  wohl  als  postglaciale 
Flusskiesdecke  aufgefasst  werden  kann.  Wir  hatten  so 
ein  schones  Beispiel  fiir  den  oben  angedeuteten  Fall  der 
Flusserosion  in  glacialen  Schottern,  statt  in  anstehendem 
Fels.  Wahrend  beide  Autoren  in  dem  vorliegenden  Fall 
eine  Flussterrasse  der  Sitter  erkennen,  weichen  sie  dagegen 
in  ihrer  Ansicht  iiber  die  horizontale  t^berlagerung  von 
einander  ab ;  der  eine  deutet  dieselbe  als  eine  postglaciale 
Flusskiesdecke,  wahrend  der  andere  eine  horizontale  Uber- 
gusschicht  fluvioglacialer  Natur  darin  erblickt  (vergleiche 
Diluvium.  .Das  G-ebiet  des  Santisgletschers). 

Absichtlich  sind  im  ganzen  Kapitel  iiber  Flusserosion 


394 


und  Flussterrassen  die  Bezeichnungen  Erosionsterrasse  und 
Akkumulationsterrasse  vermieden  worden,  da  sie  nur  ge- 
neigt  sind,  Verwirrung  zu  stiften,  sofern  sie  einen  Gegen- 
satz  andeuten  sollen.  Wir  haben  bei  Besprechung  der 
Serpentinenbildung  gesehen,  dass  beide  Prozesse  gleich- 
zeitig  vor  sich  gehen,  am  konkaven  Ufer  die  Abtragung 
(Erosion),  am  konvexen  Ufer  die  Ablagerung  oder  Auf- 
fullung  (Akkumulation).  So  lange  der  Fluss  uberhaupt 
sich  noch  einschneidet,  iiberwiegt  allerdings  die  Erosion 
und  es  miissten  deshalb  unsere  Flussterrassen,  falls  man 
sie  naher  prazisieren  wollte,  als  Erosionsterrassen  bezeichnet 
werden,  da  sie  ja  nur  Reste  friiherer  Talboden  darstellen, 
die  durch  Erosion  und  Akkumulation,  vorwiegend  aber 
durch  erstere  gebildet  wurden.  Von  eigentlichen  Akku- 
mulationsterrassen  konnte  man  in  jenen  Talstrecken  reden, 
wo  die  Erosion  vollig  zum  Stillstand  gekommen  ist,  ferner 
bei  Deltabildungen  diluvialen  Alters,  die  sich  heute  als 
Terrassen  prasentieren.  Das  Wort  Akkumulationsterrasse 
ist  aber  auch  deshalb  zweideutig,  weil  die  Gefahr  nahe 
liegt,  es  auf  alle  Falle  anzuwenden,  in  welchen  fluvio- 
glaciale  Schotter  durch  einen  terrassenbildenden  Fluss  in 
postglacialer  Zeit  angeschnittcn  wurden.  Kurzer  gesagt, 
man  ist  nicht  klar,  ob  die  Bezeichnung  Akkumulations- 
terrasse Bezug  haben  soil  auf  die  ablagernde  Tiitigkeit 
des  Flusses,  oder  aber  auf  das  friiher  abgelagerte  Material, 
in  welchem  er  arbeitete.  Deshalb  legen  wir  der  ganzen 
Unterscheidung  wenig  Wert  bei. 

Schliesslich  sei  noch  angedeutet,  dass  die  Erosion  in 
interglacialer  und  in  friihester  postglacialer  Zeit  jeden- 
falls  auch  in  unserm  Gebiet  Flussablenkungen  veranlasst 
hat,  wie  sie  anderwarts  so  iiberzeugend  nachgewiesen 
wurden.     Es  ist  anzunelimen,  dass  das  Tal  der  Demut 


395 


einst  dem  Flussgebiet  der  Steinach  angeh6rte,  die  ihren 
Querdurchbruch  nach  dem  Tal  von  St.  Gallen  damals  in 
der  Qegend  des  „Nesta  hatte  (Stadium  I).  Vielleicht 
wurde  die  Steinach  sogar  der  Sitter  tributar,  indem  der 
Wattbach  ihr  in  die  Seite  fiel  und  sie  nach  Suden  und 
Siidwesten  ablenkte  (Stadium  II).  Bevor  sich  jedoch  der 
Fluss  riickwarts  gegen  St.  Georgen  tief  genug  einschneiden 
konnte,  erfolgte,  vielleicht  begiinstigt  durch  eine  Kluft 
in  der  Nagelfluh,  die  Ablenkung  nach  dem  Tal  von 
St.  Gallen  durch  die  Schlucht  der  Muhlenen  (heutiges 
Stadium).  Es  fragt  sich  nur,  ob  die  Sache  nicht  noch 
wahrscheinlicher  wird,  wenn  man  Stadium  I  und  II  in 
der  Zeitfolge  vertauscht.  Jedenfalls  spielten  dabei  die 
der  Hauptsache  nach  dem  Santisgletscher  entstammenden 
Moranenmassen  beim  „Nesta  eine  ausschlaggebende  Rolle. 
Noch  andere  Fragen  drangen  sich  auf.  Welcher 
Fluss  hat  das  Tal  von  St.  Gallen  geschaffen,  dessen  be- 
deutender  Breite  die  kleine  Steinach  so  gar  nicht  entspricht. 
Waren  es  in  der  Hauptsache  machtige  Schmelzwasser 
des  sich  zuriickziehenden  Gletschers?  Oder  floss  in  der 
Tat  einst,  wie  Deicke  meint,  die  Sitter  iiber  den  Haggen 
(naturlich  in  etwas  hoherem  Niveau)  nach  der  Gegend 
von  St.  Gallen?  Wenn  ja,  so  ware  die  auffallige  Richtung 
der  Terrassenkanten  Sommerhaus-Nord-Haupteten  leicht 
erklarlich.  Und  -welchem  Fluss  verdankt  das  Breitfeld 
bei  Winkeln  -  Gossau  und  der  dortige  Niederterrassen- 
schotter  sein  Dasein  ?  Waren  es  Schmelzwasser  der  letzt en 
Vergletscherung  oder  floss  die  Urnasch  einst  hoch  iiber 
dem  jetzigen  Kubel  nach  Westen  und  erfolgte  die  Ver- 
einigung  mit  der  Sitter  erst  in  spaterer  Zeit,  als  beide 
Flusse  durch  riickwartsgreifende  Erosion  eines  rasch 
arbeitenden  Nebenflusses  der  Thur  abgelenkt  und  zugleich 


396 


vereinigt  warden?    "Wir  konnen  diese  Fragen  nicht  be- 
friedigend  beantworten. 

V.  AlluYlalschutt  und  Rutschungen. 

Ein  Molassegebiet  wie  das  unsrige,  das  von  zahl- 
reichen  Bachsohluchten  durchzogen  und  bis  auf  betracht- 
liche  Hohen  von  Gletscherschutt  iiberdeckt  ist,  wird  sich 
stets  als  ein  Schutt-  und  Rutschgebiet  par  excellence  aus- 
weisen  miissen.  Auf  der  einen  Seite  ist  es  der  an  und 
fur  sich  meist  leicht  bewegliche  Gletscherschutt,  welcher 
an  den  Berghangen  abwarts  gleitet  oder  vom  Eande 
unserer  Erosionstobel  in  dasselbe  hinunter  rutscht.  Auf 
der  andern  Seite  sind  es  vor  allem  die  Mergel  unserer 
Molasse,  welche  sich  bei  andauerndem  Regenwetter  durch 
Wasseraufnahme  in  eine  breiartige  Masse  verwandeln 
und  auf  diese  Weise  nur  allzuhaufig  grossere  und  kleinere 
Rutschungen  veranlassen,  wobei  selbstverstandlich  je  nach 
Umstanden  auch  Schichten  der  ubrigen  Molassegesteine 
in  Mitleidenschafb  gezogen  werden  konnen. 

In  den  Tobeln  der  Sitter,  Steinach  und  Goldach  sind, 
wie  ein  Blick  auf  die  Karte  lehrt,  Rutschungen  ausser- 
ordentlich  haufig  zu  konstatieren  —  stellt  sich  doch  z.  B. 
der  nordliche  Lauf  der  beiden  letztern  geradezu  als  je 
ein  fast  ununterbrocheries  Rutschgebiet  dar.  Die  west- 
liche  Steilwand  dieser  Tobel  wird  von  den  Schichtkopfen 
der  Molasse  gebildet  und  das  uberlagernde  Erratikum  ist 
stellenweise  iiber  die  Uferkante  hinabgerutscht,  um  sich 
in  der  Tiefe  in  Form  von  Schuttkegeln  und  -Halden  an- 
zuhaufen. 

Infolge  der  unablassigen  Abspiilung  und  Unterhohlung 
des  Molassesteilhangs,  ganz  speziell  an  der  Konvexitat 
der  Flusskriimmungen  (resp.  am  konkaven  Ufer),  ist  aber 


397 


auch  an  manchen  Stellen  die  Molasse  selbst  zum  Absturz 
genotigt  worden ;  ein  prachtiges  Beispiel  hiefur  bildet  der 
grosse  Absturz  am  linken  Sitterufer  gegentiber  Erlenholz ; 
er  beeintrachtigte  auf  Jahre  hinaua  die  Kiesgewinnung 
weiter  unten  im  Sitterbett  zwischen  Wittenbach  und 
Schrattenwil,  da  der  Fluss  von  der  abgestiirzten  Fels- 
masse  her  soviel  Sandstein-  und  Mergelgeschiebe  mit  sich 
fiihrte,  dass  dieselben  zuerst  nach  Moglichkeit  ausgelesen 
und  entfernt  werden  mussten.  Ubrigens  finden  hier  (be- 
sonders  an  einer  Stelle)  auch  jetzt  noch  fast  alljahrlich 
kleinere  Nachstiirze  statt,  sei  es  bei  starker  Wasserfuhrung 
durch  Unterspiilung  oder  bei  anhaltender  Trockenheit 
durch  Austrocknen  und  Zerbrockeln  des  Molassegesteins. 
Selbstverstandlich  stiirzt  mit  der  Molasse  auch  der  die- 
selbe  uberlagernde  erratische  Schutt  in  die  Tiefe,  so  dass 
das  abgebrochene  Molassematerial  meist  mit  erratischen 
Gesteinsbrocken  reichlich  bedeckt  und  durchsetzt  erscheint; 
die  durch  den  Absturz  gebildeten  Schuttkegel  oder  Halden 
reichen  oft  nahezu  bis  zur  Uferkante  empor;  es  ergeben 
sich  dadurch  an  Stelle  der  urspriinglich  sehr  steilen,  bei- 
nahe  senkrechten  Uferwande  sanftere  Boschungen,  welche 
einen  verhaltnismassig  leichten  Aufstieg  gestatten,  wes- 
halb  leicht  begreiflicherweise  gerade  solche  Stellen  bei 
der  Anlage  kleiner,  aus  dem  Tobel  emporfuhrender  Fuss- 
wege  in  erster  Linie  Beriicksichtigung  gefunden  haben. 
Treffliche  Beispiele  hiefur  bilden  unter  andern  der  Fuss- 
weg  von  Riedern  abwarts  zur  Goldach,  die  beiden  Wege 
von  Zinslibiihl  und  Tobel  zur  Steinach  und  auf  der  linken 
Sitterseite  ganz  besonders  charakteristisch  der  Weg  vom 
Hatterensteg  aufwarts.  Der  Abrutsch  von  Molassefels 
dokumentiert  sich  stets  mehr  oder  weniger  deutlich  durch 
den  Umstand,  dass  die  obere  Uferkante  weiter  landw&rt* 


398 


ausbiegt,  als  es  durch  die  Erosion  des  Wassers  an  und 
fur  sich  bedingt  ist;  die  entstandenen  Nischen  sind,  wie 
bereits  angedeutet,  vom  Schutt  meist  hoch  hinauf  wieder 
aufgefiillt  worden. 

Anders  liegen  die  Verhaltnisse  auf  dem  rechten  Ufer 
von  Sitter,  Steinach  und  Goldach,  wieder  von  Stocken, 
resp.  Espenmoos  und  Martinsbriicke  an  abwarts.  Hier 
8ind  es  nicht  die  Schichtk5pfe,  sondern  die  Schichtflachen1), 
welche  den  Uferabhang  bilden,  welch  letzterer  daher  ver- 
h&ltnismassig  leicht  zu  begehen  ist.  Hier  ist  es  meist 
der  Gletscherschutt,  welcher  liber  die  schiefen  Schicht- 
flachen der  Molasse  heruntergeglitten  ist  und  dieselben 
oft  auf  weite  Strecken  vollig  bedeckt,  wie  das  z.  B.  vom 
nordlichsten  Nagelfluhriff  der  Goldach  an  abwarts  der 
Fall  ist,  wo  die  Molasse  nur  noch  in  einzelnen  Fetzen 
sichtbar  ist;  alles  iibrige  ist  von  Schutt  bedeckt,  wie 
denn  auch  westlich  vom  Mittlerhof  eine  Abrutschstelle 
an  dem  hier  sehr  machtigen  Erratikum  deutlich  wahr- 
genommen  werden  kann.  Bei  der  leichten  Beweglichkeit 
des  Gletscherschuttes,  die  durch  starke  Niederschlage  noch 
bedeutend  erhoht  wird,  ist  es  leicht  begreif lich,  dass  gerade 
auf  dem  rechten  Ufer  unserer  Flusslaufe  die  Butschungen 
am  zahlreichsten  sind,  und,  auch  einzeln  genommen,  gegen- 
uber  denjenigen  der  linken  Seite  eine  grossere  Fl&chen- 
ausdehnung  aufweisen;  in  Bezug  auf  den  Kubikinhalt 
dagegen  lasst  sich  dasselbe  nicht  ohne  weiteres  behaupten. 

Auch  auf  der  rechten  Uferseite  beschranken  sich  die 
Abrutschungen  nicht  immer  auf  den  Glacialschutt ;  auch 
hier  kann   der  anstehende  Molassefels  in  Mitleidenschaft 


*)  Genau  stimint  das  natiirlich  nur  an  denjenigen  Stellen. 
wo  sich  dor  Fluss  wenigstens  anniihernd  im  Streichen  der  Schichten 
bewegt. 


399 


gezogen  werden  and  zwar  ganz  besonders  die  Mergel, 
welche  in  Perioden  anhaltender  Niederschlage  leicht  auf- 
geweicht  und  zu  einer  breiigen  Masse  verwandelt  werden. 
Vor  allem  gefahrlich  ist  auch  hier  die  Erosion;  ist  der 
Fuss  der  Schichten  einmal  angeschnitten  und  ihnen  damit 
der  natiirliche  Halt  genommen,  so  ist  auch  hier  die  Be- 
dingung  zum  Abgleiten  auf  einer  tiefer  liegenden  Schicht- 
flache  gegeben. 

Von  der  Spisegg  bis  zum  H&tterensteg  lauft  die  Sitter 
fast  in  der  Streichrichtung  der  Schichten.  Hier  musste 
das  Einschneiden  des  Flusses  fur  die  rechte  Talseite  mit 
den  Schichtflachen  ganz  besonders  augenfallige  Folgen 
haben,  indem  das  durch  Anschneiden  der  Schichtbasis 
in  erster  Linie  hervorgerufene  Abrutschen  und  Nach- 
gleiten  der  Schichten  viel  weiter  riickwarts,  d.  h.  in  der 
Bergseite  aufwarts  sich  geltend  machen  musste.  In  der 
Tat  kann  denn  auch  der  Hatterenwald  ohne  allzu  grosse 
tlbertreibung  als  ein  grosses  Rutschgebiet  aufgefasst 
werden.  Wohl  mogen  auch  die  zahlreichen  sekundaren 
Wasserrinnen,  kleine  Seitenbache  der  Sitter  das  Ihrige 
zu  den  Rutschungen  beigetragen  haben,  aber  die  Haupt- 
sache  war  jedenfalls  das  Anschneiden  der  Schichten  durch 
die  Sitter.  Wie  leicht  die  Schichten  nachgleiten,  wenn 
sie  in  solcher  Weise  ihres  Haltes  beraubt  werden,  das 
erfuhr  St.  Gallen  besonders  drastisch  gelegentlich  der  Aus- 
hebungsarbeiten  ftir  den  Erganzungsbau  des  Reservoirs 
an  der  Speicherstrasse,  als  innert  kurzer  Zeit  infolge  des 
kunstlichen  Anschneidens  der  Schichtflachen  zwei  ver- 
derbliche  Erd-  und  Felsschlipfe  niedergingen,  wodurch 
die  Arbeiten  eine  bedeutende  Verzogerung  erlitten;  der 
zweite  Abschlipf  erfolgte  am  14.  Januar  1904 ;  er  lagerte 
ca.  2000  Kubikmeter  Schutt  und   Felstnimmer  ab;  der 


400 


erste  scheint  weniger  bedeutend  gewesen  zu  sein.  Erst 
nach  Vornahme  der  Ausraumung  und  griindlicher  Siche- 
rungsarbeiten  konnte  die  Ausgrabung  wieder  fortgesetzt 
werden. 

Der  verhangnisvollste  Schlipf  dieser  Art,  ein  eigent- 
licher  Felssturz,  ereignete  sich  seinerzeit  im  Martinstobel ; 
es  war  uns  bis  jetzt  unmoglich,  das  genaue  Datum  dieser 
Katastrophe  in  Erfahrung  zu  bringen,  doch  muss  dieselbe 
bestimmt  im  September  des  Jahres  1846  stattgefunden  haben. 
Ein  ganzer  Komplex  von  Schiefermergeln  auf  der  rechten 
Uferseite  ist  infolge  des  Anschneidens  der  Schichtbasen 
durch  die  Goldach  und  unmittelbar  infolge  Aufweichung 
des  Gesteins  durch  anhaltende  Niederschlage  ins  Wanken 
geraten  und  zum  Goldachbett  abgestiirzt.  Von  dem 
Punkte  aus,  wo  die  Strasse  von  Unterschachen  nach 
Martinsbruck  slid  warts  umbiegt,  lasst  sich  die  noch  fast 
nackte,  glatte  Flache,  auf  welcher  die  Massen  abrutschten, 
trefflich  beobachten;  auch  der  allerdings  bereits  wieder 
in  reichlicherem  Masse  mit  Vegetation  bedeckte  Schutt- 
kegel  an  der  Basis  hebt  sich  deutlich  ab.  Er  reicht  vom 
Goldachbett  aufwarts  bis  zu  der  Strasse,  welche  von  der 
Martinsbrucke  empor  nach  Hinterhof  und  Untereggen 
fiihrt  und  bildet  ein  formliches  Blockmeer,  wo  von  man 
sich  leicht  von  der  Strasse  aus  uberzeugen  kann;  viele 
Blocke  zeichnen  sich  durch  ihre  ganz  bedeutende  Grosse 
aus  und  man  wird  durch  dieselben  einigermassen  an  das 
bekannte  Triimmerfeld  von  Goldau  erinnert.  Sicher  musste 
seinerzeit  infolge  des  Absturzes  eine  unheildrohende  Stauung 
der  Goldach  eingetreten  sein,  deren  schlimmen  Folgea 
wohl  durch  entsprechende  Ausraumungsarbeiten  vor- 
gebeugt  werden  konnte;  leider  aber  waren  der  eigent- 
lichen  Katastrophe  schon  vorher  zwei  Menschenleben  zum 


401 


Opfer  gefallen:  zwei  junge  TSchter  von  Rehetobel  f and  en 
dabei  ihren  Tod. 

Schliesslich  sei  noch  ganz  besonders  auf  das  Rutsch- 
gebiet  der  Steinach  im  Galgentobel  hingewiesen ;  es  sind 
hier  am  rechten  Ufer,  wo  die  Bahnlinie  liegt,  gerade  in 
den  letzten  Jahren  wieder  zahlreiche  Sicherungsarbeiten, 
vor  allem  sehr  zweckentsprechende  Drainierungen,  aus- 
gefuhrt  worden,  welche  geeignet  sind,  jede  unmittelbare 
Gefahr  abzuwenden;  freilich  bedarf  diese  Strecke  einer 
stetigen  scharfen  Kontrolle.  welche  unsers  Wissens  auch 
ausgeiibt  wird.  Besonders  nach  einer  Periode  reichlicher 
Niederschlage  wird  eine  eingehende  Kontrolle  der  ganzen 
rechten  Uferwand  geboten  erscheinen. 

Bei  der  Eintragung  der  Rutschungen  wurden  vor  allem 
die  ausgepragten  Rutschgebiete  der  Sitter,  Goldach  und 
Steinach  beriicksichtigt ;  es  muss  aber  darauf  hingewiesen 
werden,  dass  auch  das  ubrige  Gebiet,  wenn  auch  mehr 
isoliert  und  in  kleinerem  Masstabe,  haufig  solche  auf- 
weist,  trotzdem  sie  auf  der  Karte  nicht  verzeichnet  worden 
sind.  Die  sudlich  der  Strasse  nach  Schwendi  (Speicher- 
schwendi)  zur  Goldach  ziehende  Mulde  ist  reich  an  grossen 
und  vielen  Rutschungen ;  auf  dieso,  sowie  auf  solche  weiter 
oben  (Strasse  nach  Speicher,  vom  Baren  aufwarts)  hat 
uns  Herr  Dr.  Fruh  speziell  aufmerksam  gemacht;  der 
verzeichnete  Aufschluss  beim  Rank  liegt  wohl  in  ge- 
rutschtem  Material  und  die  iibrigens  recht  grobe  Schichtung 
ware  dann  lediglich  eine  Folge  des  den  Rutsch  bewirkenden 
Wassers;  die  Eintragung  unterblieb,  hauptsachlich  um 
diejenige  der  Terrassen  nicht  zu  storen.  Auch  die  flache 
Mulde  am  Nordhang  des  Kapfwaldes  weist,  der  welligen 
Oberfl&che  nach  zu  urteilen,  auf  Rutschungen  hin. 

Der  Vollstandigkeit  wegen  sei  noch  erwahnt,  dass  an 


402 


der  Basis  fast  aller  Steilhange  (ob  im  Streichen  oder  Fallen 
der  Gesteinsschichten)  mehr  oder  weniger  Schutt  lagert, 
ohne  dass  er  in  jedem  Falle  von  einer  eigentlichen  Eut- 
schung  herzustammen  brauoht;  er  ist  dann  eben  das 
Produkt  langsamen  Abbrockelns,  resp.  der  Verwitterung 
des  Gesteins :  Verwitterungsschutt.  Besonders  an  Stellen. 
wo  Nagelfluhriffe  den  Steilhang  durchziehen,  fehlt  er 
sozusagen  nie  (Nordabhang  des  Wattbachs  im  Napfwald, 
Sudseite  der  Bernegg  usw.) ;  die  Nagelfluh,  sowie  iibrigens 
auch  die  iibrigen  Molassegesteine  werden  durch  das  ein- 
dringende  atmospharische  Wasser  im  Winter  infolge  des 
Gefrierens  leicht  gesprengt,  woraus  sich  die  merkliche  Zu- 
nahme  des  Schuttes  im  Friihling  von  selbst  erklart.  An  der 
St.  Georgenstrasse,  auf  dem  reohten  Steinachufer,  lasst  sich 
an  der  hier  im  Fallen  angeschnittenen  Harfenbergnagelfluh 
in  kleinerem  Masstabe  dieBildungdes  Verwitterungsschuttes 
und  dessen  verhaltnismassig  starke  Zunahme  im  Friihling 
trefflich  beobachten;  dass  die  Petrefaktenfundstellen  im 
Friihjahr  stets  wieder  neue  und  oft  reichliche  Ausbeute 
gewahren,  ist  selbstverstandlich  ebenfalls  eine  Folge  der 
Verwitterung  des  Gesteins. 

Auf  der  Karte  wurde  dem  Verwitterungsschutt,  der 
oft  nur  eine  diinne  und  vielfach  unterbrochene  Decke 
uber  dem  anstehenden  Gestein  bildet,  begreiflicherweise 
keine  besondere  Beriicksichtigung  zuteil,  so  dass  der  ein- 
getragene  Schutt,  von  den  Bachalluvionen  abgesehen,  aus- 
nahmslos  auf  Ruischungen  zuriickzufiihren  ist. 

Um  Irrtumern  vorzubeugen,  sei  zum  Schluss  aus- 
driicklich  bemerkt,  dass  wir  stets  nur  die  jetzige  Schutt- 
lagerungsstatte,  nicht  aber  die  Abbruchstelle  selbst  ver- 
zeichnet  haben ;  die  letztere  ergibt  sich  dabei  von  selbst, 
da  sie  selbstverstandlich  liber  der  erstern  und  event,  an 


403 


deren  seitlichen  Randern  liegen  muss.  —  Zum  Schlusse 
verdanken  wir  aufs  beste  die  Unterstiitzung,  welche  uns 
von  Seiten  des  Herrn  Forstverwalter  Wild  in  Bezug  auf 
einige  Rutschgebiete  zuteil  geworden  ist. 


D.  Topograptasch-geologisclie  Wechsel- 
bezielmngeiL 

Die  allgemein  bekannte  Tatsache,  dass  die  Topo- 
graphic einer  Landschafb  in  hohem  Masse  durch  ihre 
petrographischen,  stratigraphischen  und  tektonischen  Ver- 
haltnisse  bedingt  wird,  gilt  selbstverstandlich  auch  fur 
unser  Gebiet.  Die  folgenden  Bemerkungen  sollen  diesen 
Zusammenhang  kurz  beleuchten,  wobei  einzelne  Wieder- 
holungen  friiher  erwahnter  Tatsachen  natiirlich  nicht  zu 
vermeiden  sind. 

Durch  eine  Linie,  die  man  sich  etwa  von  Untereggen 
nach  dem  Gtibsenmoos,  also  ziemlich  genau  in  der  Streich- 
richtung  der  marinen  Molasse  gezogen  denkt,  wird  unser 
Gebiet  in  zwei  topographisch  durchaus  verschiedene  Teile 
zerlegt.  Das  nordwestlich  dieser  Linie  gelegene  Gebiet 
ist  ganz  vorwiegend  von  Gletscherablagerungen  bedeckt, 
wahrend  im  siidostlichen,  etwas  kleineren  Teil  die  an- 
stehende  Molasse  unbedingt  vorherrscht.  Breite  Riicken, 
sanft  geneigte  Hange  und  ausgedehnte  Plateaus  kenn- 
zeichnen  den  Charakter  des  nordwestlichen  Gebietes;  aller- 
dings  wird  derselbe  nicht  allein  durch  den  mehr  oder 
weniger  lockeren  Gletscherschutt,  sondern  auch  durch  das 
geringere,  nach  Nordwesten  immer  mehr  abnehmende 
Gefalle  der  unterlagemden  Molasseschichten  bedingt.  Die 
scharfe   Gliederung    durch  Isoklinalkamme ,    welche   den 


404 


Charakterzug  des  sudostliohen  Teiles  bildet,  fehlt  fast  ganz- 
lich  —  nur  der  Rosenberg  vermag  sich  noch  als  solcher 
zu  behaupten,  so  dass  das  Hochtal  von  St.  Gallen  geradezu 
als  ein  typisches  Isoklinaltal  sich  darstellt;  statt  eines 
scharf  ausgepragten  Kainmes  weist  aber  der  Rosenberg 
schon  einen  ziemlich  flachen,  grosstenteils  mit  Gletscher- 
schutt  bedeckten  Riicken  auf.  Eine  Gliederung  anderer 
Art  wird  dagegen  bewirkt  durch  die  Erosionstaler  der 
Goldach,  Steinach  und  Sitter,  welche  Flusse  sich  tief  in 
die  Molasse  eingeschnitten  haben,  so  dass  an  ihren  Steil- 
ufern  mancherorts  der  Kontakt  zwischen  Anstehendem 
und  Gletscherschutt  sehr  schon  zu  beobachten  ist.  Von 
diesen  Fliissen  ist  es  nur  bei  der  Sitter,  als  dem  be- 
deutendsten,  zu  einer  ausgepragten  Serpentinenbildung 
gekommen,  ja  selbst  ein  System  friiherer  Flussterrassen 
lasst  sich,  wie  schon  fruher  erwahnt,  nachweisen;  der 
deutlichen  Reste  von  alten  Talboden  in  der  Gegend  von 
Erlenholz  und  Lee  ist  schon  gedacht  worden.  Besonders 
an  den  Steilufern  der  genannten  Flusse  linden  sich  haufig 
rezente  Schuttkegel  und  Schutthalden,  deren  Material  zu 
einem  bedeutenden  Teil  aus  der  uberlagernden  Gletscher- 
schuttdecke  stammt ;  es  ist  deshalb  oft  schwierig,  an  den 
Flussufern  die  Grenze  zwischen  Molasse,  Gletscherschutt 
und  eventuell  Alluvion  genau  festzustellen. 

Sehr  zahlreich,  aber  von  geringerer  Bedeutung  sinJ 
die  iibrigen  Wasserrinnen  dieses  Gebietes.  Der  Tiefen- 
bach  bei  Engelburg  und  der  Bach  am  Tannerrain  bei 
Bernhardzell  haben  sich  noch  weit  hinauf  auf  grosse 
Strecken  in  die  Molasse  einzusagen  vermocht  und  fliessen 
in  tiefen,  steilufrigen  Tobeln  der  Sitter  zu;  von  den 
iibrigen  haben  die  meisten  wenigstens  in  ihrem  untern 
Teile  die  Molasse  entweder  angeschnitten  oder  doch  bloss- 


405 


gelegt,  w&hrend  sie  in  ihrem  Quellgebiet  den  Gletscher- 
schutt  nicht  abzutragen  vermochten.  Dieser  Umstand 
beweist,  dass  die  kleineren  Bachrinnen  postglacialer  Ent- 
stehung  sind. 

Bei  plateauartigen  Erhebungen  strahlen  die  Bach- 
laufe  mehr  oder  weniger  radial  aus,  wie  dies  am  Tannen- 
berg  und  auch  bei  Peter  und  Paul  gut  zu  beobachten  ist. 
Im  Sstlichen  Teile  des  Bernhardzeller  Waldes  greifen  die 
Erosionsgebiete  der  zahlreichen  Bache  in  ihrem  obern 
Teile  ineinander,  so  dass  hier  die  Molasse  auf  grossere 
Strecken  zusammenhangend  entblosst  worden  ist. 

Betrachten  wir  nun  das  topographische  Verhalten 
der  in  Betracht  kommenden  Gesteinsablagerungen  in  nach- 
stehender  Reihenfolge:  Gletscherschutt,  Nagelfluh,  Sand- 
stein  und  Mergel. 

I.  Das  Erratikuin  oder  der  Gletscherschutt. 

Die  61et8cherablagerungen  bedeoken  vor  allem  die 
Talboden,  wo  sie  gelegentlich  eine  grosse  Machtigkeit 
erreichen  (Tal  von  St.  Gallen,  Wittenbacher  Gegend);  an 
den  Talgehangen  steigen  sie,  vor  allem  den  zahlreichen 
Mulden  und  Nischen  im  Sammelgebiet  unserer  Flussrinnen 
folgend,  in  zusammenhangenden  Massen  oft  hoch  empor 
(Stuhlegg,  Kapf,  Steineggwald  westlich  Speicher,  Neppen- 
egg-Harzig  siidlich  Speicher)  und  weisen  hier  gewohnlich 
infolge  der  leicht  eintretenden,  mehr  oder  weniger  be- 
deutenden  Rutschungen  auf  den  geneigten  Molasseschicht- 
flachen  eine  unregelmassig  gewellte  Oberflache  auf,  wo- 
durch  sie  sich  schon  ausserlich  oft  gut  von  anstehender 
Molasse  unterscheiden  lassen;  nur  die  Mergelmolasse  der 
Abhange  zeigt  gelegentlich  aus  demselben  Grunde  eine 
ahnliche  Oberflache,  nie  aber  eigentlicher  Sandstein  oder 


406 


gar  Nagelfluh;  an  den  siidwestlichen  Steilhangen  der 
Molasse,  welche  die  Schichtkopfe  zeigt,  konnte  sich  der 
Gletscherschutt  begreiflicherweise  nicht  wohl  festhalten 
—  er  ist  hier  mehr  am  Fusse  derselben  angehauft.  Schliess- 
lich  bedeckt  Gletscherschutt  als  zusammenhangende  mach- 
tige  Decke  die  Plateaux  unseres  Gebietes:  Rotmonten, 
Engelburg,  Tannenberg.  Uberall,  wo  sie  die  Molasse 
iiberlagert,  verwischt  sie  die  scharferen  Ziige  der  Molasse- 
landschaft  und  verleiht  derselben  ein  weicheres,  mehr 
ausgeglichenes  (man  mochte  fast  sagen  verschwommenes) 
Geprage. 

Fiir  sich  allein  verschaffib  sich  der  Gletscherschutt 
topographisch  vor  allem  Geltung  als  sogen.  Desor'sche 
Moranenlandschaft,  d.  h.  als  eine  Vergesellschaftung 
von  bogenformig  das  Tal  durchziehenden,  meist  unter- 
brochenen  Querwallen  als  Endmoranen  mit  den  dem  Tal- 
gehange  folgenden  Seitenmoranenwallen.  Prachtige  Bei- 
spiele  dieser  Art  weisen  die  Gegenden  von  Bern  und 
Zurich1)  auf.  In  unserm  Gebiet  finden  wir  sie  dagegen 
nur  schlecht  und  vor  allem  durchaus  nicht  typisch  ent- 
wickelt,  insofern  unseres  Erachtens  nur  ein  sicherer 
Endmoranen  wall 2)  zu  verzeichnen  ist,  namlich  derjenige 
am  Bildweiher  mit  der  hinter  ihm  liegenden,  mit  Torf 
erfullten,  auffallenden  Depression  (Abtwiler  Moos);  als 
eventuelle  Seitenmorane  kommt  hochstens  der  kleine  Wall 
Rosenbuhl,  der  sich  an  den  Westabhang  der  Sohttide 
anlehnt,  in  Betracht.     Das  enge  Hochtal  von  St.  Gallen 

x)  Vgl.  Dr.  A.  Baltzer:  Der  diluviale  Aaregletscher.  Beitrage 
zur  geologischen  Karte  der  Schweiz,  30.  Lieferung ;  sowie  A.  Wett- 
stein:  Geologie  von  Zurich  und  Umgebung.     Zurich  1885. 

■)  t)ber  den  Endmoranonwall  der  Geltenwilerbleiche  siehe 
Abschnitt  Diluvium  pag.  589  im  lotztjahrigen  Bande;  da  er  ausser- 
lich  nicht  mehr  hervortritt,  kann  er  hier  nicht  in  Betracht  kommen. 


407 


mit  den  zahlreichen,  von  den  Talgehangen  sich  in  das- 
selbe  ergiessenden  grossern  und  kleinern  Wasserrinnen, 
konnte  der  Erhaltung  von  End-  und  Seitenmoranen,  falls 
mehr  solcher  iiberhaupt  hier  zur  Ablagerung  kamen  (was 
ubrigens  durchaus  moglich,  ja  sogar  wahrscheinlich  ist),  in 
keinem  Fall  giinstig  sein. 

Ob  vielleicht  die  zahlreichen  Hiigel  siidlich  Morsch- 
wil  und  nordlich  Hochstenwald  nicht  eine  durch  nach- 
tragliche  Erosion  zerschnittene  Endmorane  darstellen,  kann 
wohl  kaum  mehr  mit  einiger  Sicherheit  festgestellt  werden ; 
Aufschliisse  in  denselben  ergaben  ungeschichtetes  Grund- 
moranenmaterial,  doch  ist  kiesige  resp.  sandige  Beschaffen- 
heit  einiger  derselben  durchaus  nicht  ausgeschlossen ; 
Spuren  einer  solchen  zeigten  sich  nachtraglich  in  einem 
schlechten  Aufschluss  auf  dem  Hiigel  634  siidlich  Alberen- 
berg ;  durch  eine  entsprechende  Verbindung  dieser  Hiigel 
lassen  sich  allerdings  ohne  grosse  Kunstelei  zwei  dicht 
aufeinander  folgende,  durch  das  Lenermoos  voneinander 
getrennte,  das  Tal  von  der  Sitter  zur  Goldach  durch- 
querende  Endmoranenwalle  rekonstruieren ;  trotzdem  sind 
wir  nach  wiederholter  Begehung  des  hiigeligen  Gelandes 
zur  tjberzeugung  gelangt,  dass  hier  teils  reine  Erosions- 
formen  der  Grundmoranen,  teils  aber  auch  mehr  oder 
weniger  sichere  Drumlins  (Diluvium  pag.  006)  vorliegen. 

Die  Drumlinslandschaft,  jene  Vergesellschaftung 
meist  langgezogener,  flachriickiger  Hiigel,  welche  sowohl 
in  Bezug  auf  Form  als  auch  Orientierung  sich  in  be- 
stimmter  Weise  charakterisieren,  stellt  einen  zweiten,  haufig 
vorkommenden  topographischenTy  pus  des  Gletscherschuttes 
dar;  ein  pr&chtiges  Beispiel  hiefur  bildet  die  ausgepragte 
Drumlinslandschaft  von  Wittenbach ;  bei  der  Behandlung 
derselben  im  Abschnitt  Diluvium  war  es  nicht  zu  ver- 


408 


meiden,  die  topographischen  Ziige  dieses  sich  ala  ein 
„geographisches  Individuum"  Geltung  verschaffenden 
Landschaftsbildes  eingehender  zu  schildern,  weshalb  an 
dieser  Stelle  eine  nochmalige  Besprechung  wohl  unter- 
bleiben  kann. 

Eine  weitere  topographische  Einheit,  als  welche  der 
Gletscherschutt  auftreten  kann,  ist  das  „Feldu;  mit 
diesem  Namen  bezeichnet  man  vielerorts  weite,  talabwarts 
ziehende  Flachen,  welche  dem  Auge  einen  angenehmen 
Ruhepunkt  gewahren;  es  sind  fluvioglaciale  Kiesboden, 
welche  sich  meist  an  Moranenwalle  anlehnen,  aus  welchen 
sie  infolge  Abschwemmung  durch  den  Gletscherfluss  ent- 
standen  sind  und  mit  welchen  sie  in  verschiedener  Weise 
verkniipft  erscheinen.  Ein  treffliches  Beispiel  hiefiir  liefert 
das  vom  Niederterrassenschotter  gebildete  Breitfeld  bei 
Winkeln ;  es  schmiegt  sich  direkt  an  die  dort  verzeichnete 
Endmorane  (Bild)  an  und  ist  in  St.  Gallon  als  Schiessplatz 
unseres  Militars  wohl  bekannt.  Wenn  wir  den  Nieder- 
terrassenschotter talwarts,  also  in  westlicher  Richtung, 
verfolgen,  so  stossen  wir  ausserhalb  unseres  Kartengebietes 
noch  mehrmals  auf  die  Bezeichnung  Feld:  Niederdorfer 
Feld,  Burgauer  Feld  und  Glatterfeld  zwischen  Gossan 
und  Flawil. 

Nur  nebonbei  sei  einer,  wenn  auch  an  und  fiir  sich  unbe- 
deutenden,  so  dock  in  gewisser  Hinsicht  interossanten  Bildung 
von  Erdpyramiden  en  miniature  gedacht,  welche  oft  da  zu  be- 
obachton  ist,  wo  lehmige  Morane  in  niassig  steilen  Wandchen 
entblosst  ist.  Einzelne  kleinere  wie  grossere  Geschiebe  schutzen 
namlich  die  untor  ihnen  liegende  Partie  vor  der  Erosion  des  atmo- 
spharischen  Wassers  und  lassen  steingekrSnte  Erdpfeiler  hervor- 
troten,  welche  im  kleinen  an  die  allbekannten  Bozener  Erd- 
pyramiden erinnern,  Eintagsgebilde,  welche  ebenso  rasch  vergeben, 
als  sie  entstanden  sind,  urn  andern  ihresgleichen  Platz  zu  macben. 

Ganz  im  Gegensatz  zu  den  ubrigen  mehr  oder  weniger 


409 


lockeren  glacialen  Ablagerungen  bildet  die  diluviale  Nagel- 
fluh ein  festes  Konglomerat,  welches  sich  topographisch  in 
ganz  gleicher  Weise  geltend  macht,  wie  die  tertiare  Nagel- 
fluh ;  sie  lagert  deckenformig  fiber  der  Molasse  des  Tannen- 
bergplateaus  und  tritt  seitlich  als  steile  Wand  deutlich 

hervor. 

II.  Die  Nagelfluh. 

Von  alien  in  unserm  Gebiete  vorkommenden  Fels- 
arten  vermag  die  Nagelfluh  infolge  ihrer  Festigkeit  in 
besonders  ausgepragten  Formen  sich  zu  behaupten  und 
der  zerstorenden  Wirksamkeit  des  Wassers  am  starksten 
Widerstand  zu  leisten.  Sie  tritt  deshalb  im  Landschafts- 
bilde  meist  augenfallig  hervor. 

Als  sehr  steile  bis  senkrechte,  lokal  sogar  uber- 
hangende  Felswande  zeigen  sich  ihre  Schichtenkopfe  an 
der  Sudseite  der  isoklinalen  Hugelztige  (Brandtobel,  Watt- 
bach,  Philosophental,  Siidostabbruch  des  Freudenberges 
usw.).  Dieselben  steilen  bis  senkrechten  Wande  finden 
sich  auch  dort,  wo  sich  Gewasser  quer  zur  Streichrichtung 
ihre  tiefen  Tobel  eingeschnitten  haben,  wobei  natiirlich 
eine  und  dieselbe  Nagelfluhbank  auf  beiden  Seiten  des 
Flusses  sich  verfolgen  lasst  (Urnasch,  Sitter,  Miihlenen, 
Bappenstein  etc.). 

Da,  wo  die  Nagelfluh  von  weicherem  Gestein,  z.  B. 
Mergel,  unterlagert  wird,  vermag  letztere  der  Erosion 
weniger  Widerstand  zu  leisten  und  es  tritt  eine  Unter- 
hohlung  der  Nagelfluh  ein.  Solche  iiberhangende  Nagel- 
fluhwande  sind  im  ganzen  Gebiet  nicht  seiten  (z.  B. 
zwischen  St.  Josephen  und  Sitterbrucke).  Haufig  geben 
Nagelfluhw&nde  Anlass  zur  Bildung  von  Wasserfallen 
und  es  ist  gerade  in  diesem  Falle  die  Unterhohlung  oft 
besonders   deutlich    zu    beobachten    (Tobel    sudlich    von 


410 


Edliswil  und  nordlich  von  Bernhardzell,  Sennhaus  bei 
Abtwil,  Kalkofen  siidlich  von  Winkeln,  Tannraintobel  etc.). 
Auch  da,  wo  es  zur  Bildung  von  eigentlichen  Wasser- 
fallen  nicht  kommt,  gibt  die  Nagelfluh  wenigstens  zur 
Verengerung  des  Bettes  und  zur  Entstehung  von  Stroin- 
8chnellen  im  Kleinen  Anlass.  So  erschweren  oder  ver- 
unmoglichen  die  Nagelfluhbanke  das  direkte  Vorwarts- 
dringen  sowohl  im  Flussbett  selbst,  als  auch  an  den 
Seiten  desselben,  indem  jeweilen  da,  wo  die  Nagelfluh 
von  einem  Flussufer  zum  andern  hinlibersetzt,  die  schroffen 
seitlichen  Kanten  und  Abbriiche  entweder  gar  nicht  oder 
nur  schwierig  zu  uberschreiten  sind  (Urnasch  und  Sitter 
vom  Kubel  aufwarts,  Rappenstein).  An  den  steilen  Tobel- 
wanden  treten  die  schief  in  der  Richtung  des  Flussbettes 
fallenden,  mit  Mergeln  und  Sandsteinen  wechsellagemden 
und  scharf  von  ihnen  sich  abhebenden  langen  Nagelfluk- 
wande  oft  schon  aus  grosserer  Entfernung  deutlich  hervor. 

Auf  der  Nordseite  der  Isoklinalkamme  bildet  die 
Nagelfluh  Hange  von  grosser  Gleichm&ssigkeit  und  mit 
dem  Fallwinket  der  Schichten  ubereinstimmender  Neigung. 
Es  konnen  diese  Hange  geradezu  als  schiefe  Ebenen  be- 
zeichnet  werden.  So  bildet  eine  und  dieselbe  Nagelfluh- 
bank  weit  hinauf  den  Harfenberg,  die  Bernegg  und 
Menzlen.  Weitere  ausgezeichnete  Beispiele :  Nordhang 
des  Freudenberges,  Hang  links  vom  Wattbach  bei  der 
Nordmuhle,  Teufenerstrasse  bei  P.  760  zwischen  Riet- 
haule-Lustmuhle,  Brandwald  etc. 

Oft  lassen  sich  an  einem  solchen  Nordhang  mehrere 
Nagelfluhschichten  unterscheiden,  die  jeweilen  durch  mehr 
oder  weniger  breite  plateauartige  Streifen  von  Sandstein 
und  Mergel  getrennt  sind,  wodurch  der  Hang  eine  ter- 
rassenartige  Gliederung  erhalt  (Terrassen  von  Buch  und 


rNCl 


411 


Dreilinden,  ferner  im  ostlichen  Teil  des  Hagenbuchwaldes, 
auch  an  der  Solitude). 

Kleinere,  aber  ganz  ausgezeichnete  Nagelfluhhange 
mit  dem  Charakter  schiefer  Ebenen  finden  sich  vereinzelt 
selbst  in  den  sonst  so  steilen  Seitenwanden  tief  ein- 
geschnittener  Flusstaler,  z.  B.  westlich  von  Schwantlen 
an  der  Sitter,  am  Rande  unseres  Kartengebietes.  Solche 
Hange  vermitteln  einen  bequemen,  da  und  dort  durch 
einen  Pfad  angedeuteten  Abstieg  zu  dem  Flussbett,  wahrend 
die  Steilabsturze  sonst  ziemlich  unwegsam  sind. 

Uberall,  wo  Nagelfluhriffe  anstehen,  sei  es  nun  auf 
der  Nord-  oder  Siidseite  der  Isoklinalkamme  oder  auch 
innerhalb  plateauartiger  Massen,  ragen  sie  infolge  ihrer 
grossen  Widerstandsfahigkeit  fast  stets  als  deutlich  er- 
kennbare  Kanten  tiber  die  zwischenlagernden  Mergel- 
und  Sandsteinschichten  hervor.  Die  Kanten  lassen  sich 
oft  auf  weite  Strecken  als  mehr  oder  weniger  parallele, 
im  allgemeinen  der  Streichrichtung  entsprechende  Linien 
verfolgen,  selbst  wenn  sie,  was  hie  und  da  der  Fall  ist, 
von  Vegetation  ganzlich  verdeckt  sind.  Ein  Blick  aus 
der  Gegend  zwischen  Bernegg  und  Muhlegg  nach  Osten 
lasst  z.  B.  fiinf  solcher  Kanten  deutlich  erkennen  (gebildet 
durch  die  Nagelfluhschichten  vom  Harfenberg  bis  Kamelen- 
berg  bei  St.  Georgen).  Dieser  Ausblick  muss  als  einer 
der  interessantesten  und  instruktivsten  im  ganzen  Gebiet 
bezeichnet  werden  und  demonstriert  besser  als  jede  Be- 
schreibung  die  Abhangigkeit  der  Oberflachengestaltung 
von  den  geologischen  Verhaltnissen.  Auch  der  Blick  von 
Hofstetten  hinuber  nach  dem  Ringelsberg  ist  in  dieser 
Beziehung  lehrreich.  Weitere  Beispiele  finden  sich  in 
der  Gegend  vom  Gubsenmoos  bis  Herisau  und  auch  bei 
Fahrnbuhl  an  der  Urnasch. 


412 


Die  Festigkeit  der  Nagelfluhbanke  ist  in  erster  Linie 
von  der  Verkittung  der  Geschiebe  abhangig;  sie  ist  am 
grossten  bei  der  Kalknagelfluh,  deren  Zement,  dem  Ge- 
schiebematerial  entsprechend,  aus  Kalk  besteht.  Es  gilt 
der  Satz:  Um  so  kalkiger  der  Zement,  desto  fester  die 
Nagelfluh,  um  so  steiler  die  von  ihr  gebildeten  Wande. 
Bei  der  granitischen  Nagelfluh  treffen  wir  die  verschie- 
densten  Abstufungen  der  Festigkeit,  je  nach  dem  grossern 
oder  geringern  Kalkgehalt  des  Bindemittels.  Wo  er  bei- 
nahe  fehlt,  kann  die  Nagelfluh  sogar  sehr  locker  und 
leicht  verwitterbar  sein  und  Anlass  zur  Bildung  von 
Schuttkegeln  und  Halden  geben. 

III.  Der  Sandstein. 

Da  derselbe  in  Bezug  auf  Festigkeit  ausserordent- 
lichen  Schwankungen  unterworfen  ist,  so  lasst  sich  auch 
wenig  allgemein  Giiltiges  iiber  sein  topographisches  Ver- 
halten  sagen. 

Die  schonste  Entblossung  im  Sandstein  unseres  Ge- 
bietes  ist  wohl  das  Martinstobel.  Die  Sandsteinwande 
dieser  gewiss  sehenswerten  Schlucht  diirfen  sicherlich 
imposant  genannt  werden,  obwohl  der  grossenteils  platten- 
formige  Sandstein  lange  nicht  die  Harte  besitzt,  wie  die 
sogenannte  subalpine  Molasse,  welche  unser  Gebiet  in  der 
Nahe  der  ersten  Antiklinale  nur  noch  streift. 

Eine  machtige  Sandsteinschicht  vermag  auch  unter 
der  Vegetationsdecke  sich  noch  augenfallig  geltend  zu 
machen.  Man  kennt  den  lang  sich  hinziehenden  steilen 
Hang,  tiber  welchen  man  vom  Schaugenhof  und  Riet 
hinabgelangt  ins  Schaugentobel. 

Es  ist  diese  Steilwand  nichts  anderes  als  die  Fort- 
setzung  jener  machtigen  Sandsteinbank,  welche,  weithin 


413 


in  die  Augen  fallend,  sich  auf  der  andern  Seite  der  Goldach 
in  der  Richtung  gegen  Eggereriet  schrag  hinaufzieht. 
An  der  Goldach  in  stumpfem  Winkel  zusammentreffend, 
schliessen  die  beiden  Zweige  dieser  Sandsteinbank  gleich- 
sam  den  machtigen  Zirkus  des  Goldach-Einzugsgebietes, 
dessen  prachtvolle  Mulde,  von  der  Kurzegg  aus  gesehen, 
den  Blick  des  Wanderers  so  sehr  fesselt. 

Auch  an  andern  Stellen  vermogen  Sandsteinb&nke, 
ahnlich  der  Nagelfluh,  als  Kanten  unter  der  Vegetation 
hervorzutreten.  Ein  schones,  einschlagiges  Beispiel  findet 
sich  beim  Kubel,  rechts  an  der  Urnasch,  nordostlich  von 
P.  601. 

Ein  ganz  eigentumliches  Gepr&ge  zeigt  die  Gegend 
von  Wiesen  bis  Hub  mit  ihren  Drumlins  ahnlichen  Hugeln, 
die  aber,  von  unbedeutenden  Gletscherschutt-Auf  lagerungen 
abgesehen,  aus  anstehendem  Fels  (Sandstein  und  Mergel, 
am  Nordrand  auch  Nagelfluh)  herausmodelliert  wurden. 
Besonders  auffallig  ist  der  Hiigel  beim  „btt  im  Wort 
Tablat.  Man  erhalt  den  Eindruck,  dass  man  hier  die 
Wirkungen  der  abhobelnden  und  glattenden  Tatigkeit 
des  Gletschers  vor  sich  hat,  gewissermassen  Rundhocker- 
formen  im  grossen.  Reine  Erosionstatigkeit  fliessenden 
Wassers  hatte  in  anstehenden,  unter  starkem  Winkel 
NNW  fallenden  Molasseschichten  einseitiger  gebaute 
Riicken,  d.  h.  Isoklinalkamme  herausbilden  miissen. 

IV.  Die  Mergel. 

Der  Leberfels,  so  leicht  zerbrockelnd,  dass  es  un- 
moglich  ist,  ein  grosseres  Stlick  zusammenhangend  heraus- 
zubringen,  ist  natiirlich  nicht  im  Stande,  so  steile  Bo- 
schungen  zu  bilden,  wie  Nagelfluh  und  harte  Sandsteine. 
Wenn  Mergelw&nde  in  ihrem  obern  Teile  nicht  gangbar 


414 


sind,  so  tragt  weniger  die  Steilheit  daran  schuld,  sondern 
vielmehr  der  Umstand,  dass  der  Fuss  auf  dem  weichenden 
Gestein  auch  nicht  einen  Tritt  findet,  der  halten  wiirde 
Ebenso  verschuldet  es  nicht  die  Steilheit  allein,  dass 
manche  Mergelwande  von  Vegetation  entblosst  sind.  Die 
Ursache  liegt  vielmehr  darin,  dass  jeder  Regenguss  die 
lockern  aussern  Teile  stets  wieder  wegwascht. 

Zwischen  steilen  Nagelfluh-  und  Sandsteinfelsen  finden 
sich  oft  sanft  geneigte,  mit  Vegetation  bedeckte  Bander, 
deren  Rasen  und  Gestrauch  in  oft  weithin  zu  verfolgendem 
Verlauf  den  Untergrund  aus  Mergel  oder  mergeliger 
Molasse  verraten. 

Da  und  dort  treten  die  Mergel  durch  ihre  rotliche, 
violette,  schwarzliche  und  gelbliche  Farbe  im  Landschafts- 
bilde  auffallig  hervor. 

Wo  Mergel  und  Sandstein  abwechseln,  treten  die 
festen  Sandsteinbanke  steiler  hervor  und  es  entsteht  ein 
gebrochenes  Profil.  Es  stehen  in  solchem  Falle  fur  unser 
Gebiet  Sandstein  und  Mergel  in  einem  ahnlichen  Ver- 
haltnis  zu  einander,  wie  Kalke  und  Schiefer  in  den  Sedi- 
ment-Vorketten  der  eigentlichen  Alpen. 

Zwischen  Nagelfluhbanken  eingelagerte  Sandstein- 
und  Mergelschichten  sind  eine  giinstige  Vorbedingung  fiir 
die  Bildung  von  Langstalchen. 

Bekannt  ist  ferner,  class  in  Sandstein-  und  Mergel- 
gebieten  Rutschungen  sehr  haufig  sind  (Goldach,  Sitter, 
Katzenstrebel). 

Die  tektonischen  Verhaltnisse,  vorbedingend  fiir  die 
Erosion,  erklaren  den  einseitigen  (d.  h.  isoklinalen)  Bau 
unserer  Hugelziige,  wie  er,  schon  am  Rosenberg  sich 
geltend  machend,  in  noch  scharferer  Weise  am  Freuden- 


415 


berg  und  Menzeln,  Kapf,  Brandtobel  und  Frdhlichsegg- 
Birt,  sowie  in  zahlreichen  hier  nicht  genannten  Erhebungen 
auftritt.  Die  Gewasser  der  eingeschlossenen  Isoklinaltaler 
(Langstaler  unseres  Gebietes)  suchen  sich  ihren  Ausweg 
in  engen,  oft  schluchtartigen  Durchbruchstalern  oder  Quer- 
talern  (Martinstobel,  Miihlenen,  Galgentobel,  Sitter  auf 
gewisse  Strecke,  daneben  noch  zahlreiche  kleinere  Durch- 
briiche). 

In  ausgezeichneter  Weise  tritt  bei  unseren  Htigel- 
ziigen  der  Parallelismus  mit  den  Alpen  hervor.  Im  iibrigen 
erinnert  ihr  einseitiger  Bau  mit  den  Schichtkopfen  der 
Siidseite  und  den  Schichtflachen  der  Nordseite  in  seiner 
vielfachen  Wiederholung  an  eine  Sage.  Dieser  Vergleich 
wurde  zuerst  gebraucht  von  Dr.  J.  Friih,  der  die  an- 
gedeuteten  Verhaltnisse  fiir  ein  wei teres  Gebiet  sehr  an- 
regend  behandelt  in  dem  Aufsatz  „Geologische  Begriindung 
der  Topographie  des  Santis  und  der  Molasse"  (Bericht 
1879/80  der  St.  gallischen  Naturwissensch.  Gesellschaft). 

Kurz  zuiiickblickend,  konnen  wir  sagen,  dass,  im 
geologischen  Sinne  gesprochen,  hauptsachlich  folgende 
Elemente  am  Auf  bau  unserer  Gegend  sich  beteiligen: 
Isoklinaltal  und  Isoklinalkamm,  beide  mit  Schichtenkopfen 
einerseits  und  Schichtflachen  anderseits,  Durchbruchstal 
(Quertal),  Morftnendecke  und  Moranenwall,  bezw.  Drumlin, 
glaciales  Schotterfeld,  Alluvialebene,  resp.  Flussterrasse, 
Schuttkegel  und  Schutthalde,  Torfmoor.  Die  Gesteins- 
beschaffenheit  des  Untergrundes  muss  eine  ziemlich  ein- 
formige  genannt  werden,  obwohl  die  stratigraphischen 
Verhaltnisse,  verglichen  mit  andern  Molassegegenden,  inter- 
essant  genug  sind,  und  noch  einformiger  sind  die  Lagerungs- 
verhaltnisse.  Immerhin  diirfen  wir  nicht  glauben,  dass 
Mutter  Natur  in  dieser  Hinsicht  uns  besonders  stiefmtitter- 


416 


lich  bedacht  habe.  Denn  einerseits  haben  die  andern 
Molasseland  gelegenen  Schweizerstadte  una  hierin  nichl 
voraus,  sind  im  Gegenteil  sowohl  punkto  Stufen  als  auc 
Lagerung  sogar  in  noch  einformigerer  Gegend  gelegei 
und  anderseits  ist  nicht  zu  vergessen,  dass  es  selbst 
den  Alpen  grosse  und  weite  Gebiete  gibt,  die  keinei 
reichen  Gesteinswechsel  aufweisen. 

Topographisch,  resp.  orographisch  ist  indes  die  Umi 
gebung  von  St.Gallen  keineswegs  einffcrmig  zu  nennen 
Dieser  scheinbare  Widerspruch  ist  dadurch  zu  erklaren 
dass  bekanntlich  auch  aus  wenigen  Elementen  sich  schoB 
ziemlich  zahlreiche  Kombinationen  ergeben  und  dass  eim 
gewisse  Abwechslung  auch  schon  in  der  stets  starkei 
akzentuierten  Wiederholung  des  namlichen  Elementes  liegt 
wofiir  unsere  Gegend  geradezu  ein  klassischer  Beleg  g© 
nannt  zu  werden  verdient. 

Nun    mussen    freilich   noch  zwei   andere   Umstand 
hinzutreten,  um  die  Umgebung  St.  Gallens  landschaftlicl 
flir  den  Naturfreund  so  abwechslungsreich  und  lohnei 
zu  machen.     Da  ist  einmal  die  Tatsache,   dass   man 
kiirzester  Zeit  aus  dem  Getummel  des  Alltagslebens 
stille,   fast  weltverloren  zu  nennende   T&lchen   gelan, 
kann.    Steigt  man  aber  aus  diesen  Talchen  auf  die  Hohei 
ziige,  so  fesselt  uns  eine  umfassende,  gewaltig  zu  nennend 
an  Kontrasten  reiche  Aussicht  auf  den  Bodensee  und  sei 
Uferlandschaften  einerseits,   auf  Santis  und  Appenzell 
land  anderseits.  Auf  dem  Zusammenwirken  der  erwahnte 
Umstande  beruht   die   eigentumliche  Schonheit  und  <fc 
unbestrittene  Reiz  der  Umgebung  von  St.Gallen. 


681  m   Weitenau 


Fahrnbuhl  742  m 


erbett       P.  £65 


Hugel  bci  Rflti 
ct.  800  m 


350 


n*l  m«u...       Urniseh  ca.  615  m 


r  =  Rote  Molissc 
(7  m) 


417 


Berichtigungen  und  Nachtr&ge. 

In  erster  Linie  ist  ein  argerlicher  und  sttfrender  Fehler  (Ver- 
schrieb)  zu  berichtigen.  Auf  Seite  477  (Jahrbuch  1901/02)  soil 
Zeile  2  von  oben  natiirlich  heissen : 

obere  Susswassermolas.se  (Oeningerstufe), 
was  iibrigens  aus  dem  weiteren  Text  (Seite  552,  Jahrbuch  1901  /02) 
und  aus  der  Farbenerkl lining  der  geologischen  Karte  ohne  weiteres 
ersichtlich  ist. 

Der  Vollstandigkeit  halber  sei  hier  noch  erwiihnt,  dass  die 
untere  Siisswassermolasse  un seres  Gebietes  der  oberaquitanischen 
Stufe  angehort. 

Der  blaue  Strich,  welcher  nach  der  Farben-  und  Zeichen- 
erkl&rung  die  SeelafFe  (Muschelsandstein)  andeuten  soil,  ist  auf  der 
Karte  infolge  der  Farbenmisehung  griinlich  herausgekommen 
( Martinsbriicke  zu  beiden  Seiten  der  Goldach). 

Dagegen  ist  der  blaue,  mit  mk  bezeichnete  Strich  ira  untern 
Oebiet  des  Tiefenbaches  N  E  St.  Josephen  selbstverstandlich  nicht 
etwa  als  Seelaffe  aufzufassen,  sondern  soli  die  dortige,  wenig 
miichtige  Schicht  von  Siisswasserkalk  reprilsentieren,  wie  dies  aus 
der  Farben-  und  Zeichenerklttrung  hervorgeht  (siehe  unter  „ Siiss- 
wasserkalk" mit  mk  bei  dem  Strich  in  den  Farbenvierecken  der 
untern  und  obern  Siisswassermolasse).  Dieser  Strich  ist  in  der 
Farben-  und  Zeichenerkliirung  etwas  diinn  geraten.  Er  gelangte  nur 
am  Tiefenbach  zur  Anwendung,  nicht  aber  bei  den  iibrigen  auf 
der  Karte  verzeichneten  Siisswasserkalkvorkommnissen,  da  sonst 
verschiedene  Zeichen  hiltten  durchstrichen  werden  miissen  (am 
Weniger-Weiher  eine  Kiesgi*ube,  E  vom  Stuhleggwald  ein  Auf- 
schluss  und  bei  Hatschen  E  von  FrShlichsegg  ein  Steinbruch). 

In  der  Farbenerklarung  fur  das  Diluvium  ist  das  Komma 
zwischen  „Fluvioglacialea  und  „Auffiillungsterrassen"  zu  streichen. 

Die  Bezeichnung  der  miocenen  Ablagerungen  als  jiingste 
Tertiarbildungen  (Seite  476)  bedarf  insofern  einer  PrUzisierung, 
als  pliocene  Bildungen  in  der  Ostsehweiz  eben  nicht  vorhanden  sind. 

Im  Spatherbst  1908  wurde  bei  den  Sprengungen  fur  die 
Schutzenfestbauten   die  Fortsetzung  der  Freudenberg-Nagelfluh 


i 


418 


entblflsst.  Sie  bildet,  wie  Gutzwiller  richtig  vermutete,  den  Kern 
jener  Bodenwelle  zwischen  dem  Drahtseilbahn  -  Station sgebaud** 
Miihleck  und  der  von  St.  Georgen  nacb  dem  Tal  der  Demut  fiihren- 
den  Strasse.  Sie  hat  auch  hier  noch  bedeutende  Machtigkeit  (gegen 
10  m).  An  ihrer  Basis  fanden  sich  sparliche  Cardieureste,  welch*- 
dartun,  dass  die  direkt  unterlagernden  Sandsteine  und  Mergel  un- 
zweifelhaft  noch  marin  sind. 

Bei  der  Erstellung  des  Scheibenstandes  fan  der  Beckenhaldem 
fur  das  eidgen5ssische  Schiitzenfest  wurden  zwar  Sandsteine  und 
Mergel  entblttsst.  aber  Fossilien  fanden  wir  nicht.  Daruber.  da*s 
die  Meeresmolasse  noch  tiefer  reicht,  kann  nach  den  im  grossen 
Steinbruch  gefundenen  Versteinerungen  (Jahrbuch  1901/02,  Seit«* 
515/516)  kein  Zweifel  walten,  aber  die  Hoffhung,  dass  die  grossen. 
bei  den  Schiitzenfestbauten  erforderlichen  Erdbewegiingen  vielleiclit 
die  zwischen  den  beiden  Abteilungen  der  Meeresmolasse  liegende. 
an  der  Urnaseh  und  Sitter  bedeutende,  an  der  Goldach  schwachere 
Siisswasserbildung  aufdecken  wurden,  hat  sich  nicht  erfullt.  Beini 
Scheibenstand  lasst  der  Mangel  an  Fossilien  kein  Urteil  zu,  ob  man 
Meeres-  oder  Siisswasserbildung  vor  sich  hat,  und  so  wie  so  ware 
die  fragliche  Zwischenschicht  vermutlich  stratigraphisch  etwas 
holier  zu  such  en. 

An  der  UrnRsch  fehlen  auf  der  Karte  zwei  Nageliiuhbanke  in 
der  Gegend,  wo  die  Riffe  schief  gegen  Fahrnbuhl  hinaufziehen.  Die 
eine  der  beiden  fehlenden  Banke  ist  allerdings  von  nicht  bedeutender 
Machtigkeit  und  zudem  von  der  nachsttiefern  nur  durch  eine  dunne. 
aber  immerhin  deutlich  zu  konstatierende  und  durchziehende 
Zwischenschicht  getrennt.  tvberhaupt  tritt  die  Nagelfluh  recht  oft 
in  Doppelbtlnken  auf,  deren  obere  Schicht  gewOhnlich  weniger 
machtig  ist  und  deren  Vereinigung  mit  der  untern  machtigern 
Bank  man  mitunter  beobachten  kann,  z.  B.  bei  derjenigen  von  Buti 
an  der  UmUsch  ^siehe  Proiil). 

Ferner  sind  auf  der  Karte  mehrere  Nagelfluhbanke  zwischen 
Kubel  und  Stocken  im  Druck  mit  zu  feinen  Punkten  heraus- 
gekommen,  was  hier  bemerkt  werden  muss,  um  irrtiimlichen  Schluss 
auf  Gertfllbander  zu  vermeiden.  Es  gilt  dies  namentlich  fur  die 
Biinke  siidlich  vom  „  W"  und  zwischen  e  und  k  bei  ,Elefctr.  Werk*, 
ferner    bei    der  Krazenibriicke.     Nur    eine    der    eingezeichneten 


419 


Schiehten  ist  ganz  unbedeutend  and  hatte  fuglich  wegbleiben 
konnen,  und  zwar  diejenige  zwischen  jWerk*  und  der  Zahl  „601 ". 

Leider  konnten  auch  die  beiden  Bohrmuscheln  ftihrenden 
Gerollbftnder  unmittelbar  iiber  der  die  Basis  der  obern  Meeres- 
molasse-Etage  bildenden  Nagelfluh  nicht  berucksichtigt  werden. 

An  der  Sitter  bot  sich  im  nSrdlichen  Teil  des  Gebietes  eine 
giinstige  Gelegenheit  zur  Messung  des  Fallwinkels.  Zwischen  den 
Punkten  538  und  546  fliesst  die  Sitter  beinahe  in  der  Fallrichtung 
und  da  die  Erosion  die  Schiehten  sehOn  entbldsst  hat  und  zudem 
eine  hartere  Sandsteinbank  auf  lUngere  Strecke  gut  hervortritt,  so 
l>eobachtet  man  sofort,  dass  die  Schiehten  immer  noch  etwas  steiler 
fallen  als  das  Flussbett.  Bei  so  giinstigen  Verhaltnissen  lftsst  sich 
mit  dem  Klinometer  auch  vom  gegeniiberliegenden  Ufer  aus  der 
Fallwinkel  befriedigend  genau  bestimmen.  Er  betrftgt  2°;  wir 
bennden  uns  also  immer  noch  im  Gebiet  der  gehobenen  Molasse. 
Was  das  Streichen  anbetrifffc,  so  ist  nochmals  daran  zu  erinnern, 
dass  die  Abweichung  von  der  Ost-Westrichtung  im  Gebiet  der 
obern  Siisswassermolasse  entschieden  etwas  starker  ist,  als  weiter 
siidlich,  und  mindestens  30°  betragt.  Bei  nachster  Gelegenheit 
werden  wir  versuchen,  fur  das  nOrdliche  Gebiet  die  Streichrichtung 
mQglichst  genau  festzustellen. 

Das  Nagelfluhriff  bei  Tellen  und  seine  entsprechende  Fort- 
setzung  im  Tobel  des  Tiefenbaches  sollte  entsprechend  seinem 
west-lichen  Verlauf  (Silberbach-Miihle)  auf  der  Karte  grflber  punktiei-t 
erscheinen,  da  es  von  nennenswerter  Machtigkeit  ist. 

Im  Dezember  1903  erfolgten  anlasslich  der  Erganzungsbauten 
fur  das  Reservoir  an  der  Speicherstrasse  erneute  Sprengungen  5st- 
lich  von  den  bisherigen.  Dabei  kam,  htfher  als  die  beiden  bis- 
herigen  versteinerungsfuhrenden  Schiehten,  noch  einmal  eine  10  bis 
15  cm  machtige,  an  tierischen  Resten  (fast  lauter  Cardien)  reiche 
Schicht  zutage.  Dariiber  trafen  wir  ein  schwaches  GerOllband, 
eigentlich  mehr  eine  Aneinanderreihung  sich  gegenseitig  nicht  be- 
liihrender  Geri5lle,  weshalb  auch  die  der  Nagelfluh  eigentiimlichen 
Eindriicke  fehlten.  tlber,  unter  und  zwischen  den  GerSllen  fanden 
sich  ebenfalls  Versteinerungen.  Bohrmuscheln  im  Innern  der 
meistens  kleinen  Gertflle  fanden  wir  nicht,  doch  ist  ihr  Vorhanden- 
sein  nicht  mit  Sicherheit  zu  verneinen.    Es  ist  m5glich,  dass  wir 


420 


in  diesem  schwachen  Band  eine  Spur  des  bekannten,  auch  in  Heers 
„Urwelt  der  Schweiz8  erwfthnten  Bavaria-Gerollbandes  vor  uns 
haben,  das  seinerseits  als  Fortsetzung  der  Muhlegg-Nagelfluh  zn 
betrachten  ist,  welche  am  Nordabhang  des  Hagenbuchwaldes  (z.  B. 
beim  Scheibenstand)  nochinals  als  dunne  Schicht  zu  beobachten  ist. 

Der  bei  Lachen-Vonwil  kartiertenY  im  Talboden  selbst  an- 
stehenden  Molasse  h&tten  wir  allem  nach  getrost  eine  etwas  grtfssere 
Ausdehnung  geben  diirfen ;  im  Frubling  1904  wurde  dieselbe  in- 
folge  von  Neubauten  in  der  quer  zur  Burg  ziehenden  Bodenwelle 
aufs  neue  entblftest  und  zwar  direkt  an  der  Strasse ;  die  Morftnen- 
decke,  in  ihrer  Machtigkeit  wechselnd,  diirfte  speziell  hier  einen 
Meter  nicht  erreicht  haben.  Unsere  Ansicht,  dass  ein  Moranenwall 
nicht  vorliegt,  ist  somit  aufs  neue  bestatigt  worden. 

Am  Wattbach,  und  zwar  auf  der  rechten  Seite  des  Brand- 
tobels,  ist  es  uns  gelungen,  zwei  neue,  ausserordentlich  gut  ent- 
wickelte  Susswasserkalkb&nke  nachzuweisen. 

An  dem  Wege  vom  Kubel  (Urn&sch)  aufw&rts  zur  Terrassen- 
landschaft  von  Weitenau  triffib  man  oben  am  linken  Sitterufer  (665) 
eine  auf  der  Karte  eingetragene,  ca.  10  m  m&chtige  Nagelflnh, 
deren  westliche  Fortsetzung  man  vergeblich  sucht;  sie  keilt  sich 
namlich  bald  aus,  wobei  Sandstein  an  deren  Stelle  tritt,  welcher 
seinerseits  bald,  wenigstens  zum  Teil,  in  bunte  Mergel  ubergeht. 
und  zwar  schneiden  die  letztern  in  einer  scharfen,  deutlich  sicht- 
baren  Linie  vom  grauen  Sandstein  ab.  (Vgl.  Abschnitt  Molasse 
pag.  533.)  Wir  glauben  auf  diesen  interessanten  wiederholten 
petrographischen  Fazieswecbsel  auf  kurzer  Distanz  (100  m)  speziell 
aufmerksam  macben  zu  miissen. 

Nach  einer  giitigen  Mitteilung  von  Herrn  Reallehrer  Volkart 
in  Herisau  wurden  seinerzeit  am  linken  Ufer  des  Bachleins,  welches 
SO  von  Sturzen egg  (zwischen  799  und  798)  den  Weg  kreuzend, 
sich  in  ein  em  tiefen  Tobel  in  die  Urnasch  ergiesst,  Kohlen  ans- 
gebeutet ;  zwei  zur  Zeit  nicht  mehr  sichtbare  Gruben  befanden  sich 
direkt  beim  Cbergang  iiber  das  Bachlein,  westlich  vom  Weg ;  von 
einer  andern  Ausbeutungsstelle  zeugt  eine  klinstliche  H6hle,  welche 
ca.  100  m  weiter  Sstlich  im  Tobel  liegt;  sicher  hat  man  es  bei 
alien  diesen  Fundstellen  mit  einer  und  derselben  Kohlenschicht  za 
tun  ;  dieselbe  ist  auch  beim  Stollenbau  fur  den  Gubsenmoostunnel 


421 


als  aspbaltglanzende  Pechkohle  durchbohrt  worden  und  in  ihrein 
Streichen  mag  auch  eine  seinerzeit  am  Ufer  der  Urnasch  von  Tins 
beobachtete  ganz  diinne  Schicht  kohligen  Kalkmergels  liegen.  Die 
Ausbeutungsstellen  liegen  allem  nach  hart  an  der  Grenze  zwischen 
der  Susswassereinlagerung  und  dem  nachfolgenden  sudlichen  ma- 
rinen  Streifen,  welchem  wir  wohl  nach  Norden  eine  etwas  zu  grosse 
Ausdehming  gegeben  haben. 

Herr  Bauunternehmer  Gemeinderat  Riiesch  war  so  freundlich, 
uns  anliisslich  einer  Neubaute  auf  einen  Aufschluss  aufmerksam 
zn  machen,  worin  ihm  neben  den  gewohnten  abgestumpften  Ge- 
schieben  das  ziemlich  zahlreiche  kantige  Material  sofort  aufgefallen 
war;  der  Aufschluss,  den  wir  selbst  in  Augenschein  genommen 
haben,  befand  sich  an  der  Oberstrasse,  Ostlich  der  Geltenwiler- 
strasse,  genau  an  der  Stelle,  wo  sich  der  von  uns  vermutete  End- 
moranenwall  der  Geltenwilerbleiche  an  den  Abhang  der  Berneck 
anlehnen  muss,  und  liefert  somit  eine  weitere  Best&tigung  unserer 
diesbeziiglichen  Auffassung. 

Urn  Irrtumern  vorzubeugen,  sei  ausdriicklich  darauf  hin- 
ge wiesen,  dass  die  auf  der  Karte  verzeichneten  erratischen  Blocke 
durchaus  kein  Bild  von  der  Hiiufigkeit  der  verschiedenen  Gesteins- 
arten  als  Findlinge  geben  sollen  ;  auf  einige  wichtige  Gesteine,  wie 
z.  B.  Pontaiglasgranit  und  Seelafte,  wurde  eben  speziell  gefahndet, 
so  dass  dieselben  eine  besondere  Beriicksichtigung  beim  Kartieren 
gefunden  haben.  Sicher  wiegen  in  unserer  Gegend  die  verschiedenen 
Kalkgesteine  als  Findlinge  vor. 

Auf  Seite  612  wird  der  beste  Aufschluss  im  Deckenschotter 
als  zwischen  der  Wirtschaft  Hohentannen  und  den  Hausern  von 
Grimm  gelegen  nachgewiesen ;  da  nun  auf  dem  beim  Druck  ver- 
wendeten  revidierten  Blatt  die  Bezeichnung  Grimm  fehlt,  dieselbe 
aber  S  der  Steinegg  nochmals  vorkommt,  so  mag  hier,  um  Miss- 
verstJlndnisse  zu  vermeiden,  vennerkt  werden,  dass  der  Aufschluss 
westlich  vom  Signal  Hoheutannen  (871  m)  gemeint  ist.  Die  Be- 
zeichnung Grimm  (gelegen tlich  auch  Gremm)  bedeutet  nach  einer 
mundlicben  Mitteilung  des  Herrn  Dr.  FrOh  soviel  als  Steinhaufen 
oder  Steinwall ;  gerade  durch  den  Anblick  der  iiber  ihnen  sich  er- 
streckenden  dilmdalen  Nagelfluhkante  mSgen  die  ersten  Ansiedler 
zu  die9er  Bezeichnung  ihrer  GehCfte  veranlasst  worden  sein. 


422 


Seit  Erscheinen  des  letzten  Jahrbuches  liessen  sich  auf  der 
Hflhe  des  Tannenwaldes,  am  Wege  S  der  diluvialen  Nagelflubkant* 
904,  eine  ganze  Zahl  von  erratischen  Silikatgeschieben  nachweisen. 
z.  B.  ein  Pontaiglas-  und  ein  Julier- Albula-Granit ;  dieselben  scheinen 
somit  noch  etwas  zahlreicher  in  der  HOhe  von  880  m  aufw&rts  vor- 
zukommen,  als  wir  selbst  glaubten  annebmen  zu  diirfen.  (Siehe 
Diluvium  :  Das  Tannen berg- Plateau.) 

In  der  Karte  ist  unterbalb  Josriiti  an  der  Sitter  ein  kl  eines 
Diluvialfetzchen  eingetragen,  welches  aber  selbstverst&ndlicher- 
weise  hier  nur  eine  Alluvion  (auf  Molasse)  sein  kann;  die  erste 
Kiesgrube  auf  der  rechten  Seite  der  Strasse  von  Bild  nach  Winkeln 
ist  zu  streichen,  dagegen  muss  eine  solehe  im  W  der  Stadt  ober- 
halb  der  Ruhbergstrasse  (NW  vom  Nest)  nachgetragen  werden. 

Die  auffallenden  Terrassen  an  der  Goldach  von  Gadmen-Riiti- 
Ntfrdli  (ca.  790  m)  einerseits  und  Au-Wiesbiihl  (ca.  710  m)  andrer- 
seits,  mSgen  auch  hier  im  Text  noch  eine  entspreehende  Beriick- 
sichtigung  ei*fahren  ;  auf  die  init  der  obern  Reihe  iibereinstiruniende 
Terrasse  von  Lee  hatte  uns  schon  Dr.  J.  Friih  aufmerksam  ge- 
macht.  In  den  (schlechten)  Aufschliissen  erblickt  man  steile,  etwas 
unregelmiissig  geschichtete  Schotter  (Deltas  truktur),  die  ziemlich 
genau  nach  N,  also  gegen  die  Goldach  zu  gerichtet  sind.  Eine 
horizontale  Decke  konnte  bis  jetzt  nicht  konstatiert  werden.  Beide 
Autoren  stimmen  darin  iiberein,  dass  es  sich  hier  um  die  Aus- 
fiillung  eines  friihern  Gletscherstausees  durch  fluvioglaciale  Kies- 
massen  handelt ;  im  ubrigen  gingen  die  Meinungen  auseinander, 
insofern  sich  der  eine  dafur  aussprach,  dass  die  Terrassen  die 
(event,  infolge  Abtragung  durch  kleine  Steilnischengewasser  etwas 
zuriickgewichenen)  Render  eines  fluvioglacialen  Deltas  darst^llen. 
wahrend  der  andere  die  MSglichkeit  der  Entstehung  derselben 
durch  postglaciale  Flusserosion  hervorhob ;  um  eine  Einigung  zu 
erzielen,  wandten  wir  uns  an  Dr.  J.  Friih,  welcher  sich  ohne  Zaudern 
fur  die  Auffassung  als  fluvioglaciale  Auffiillungsterrassen l)  ent- 
schied.  so  dass  wir  diese  auffalligen  BQden  als  solehe  in  der  Karte 
eintrugen  und  sie  von  den  postglacialen  und  mithin  jiingern  Fluss- 
terrassen  durch  besondere  Zeichnung  unterschieden. 

1  j  Vgl.  Dr.  J.  Friih :  Anleitung  zu  geologiscben  Beobtchtungen  innerhalb 
der  Blatter  Dufour  IV  und  IX.     Jahrbuch  189596.  ptfif.  285. 


423 


Nach  sehr  verdankenswerten  MitteiluDgen  von  Herrn  Korrektor 
Diem  ist  der  6.  September  1846  das  genaue  Datum  der  grossen 
Rutschung  bei  der  Martinsbriicke ;  im  gleichen  Gebiet  muss  in  den 
1870er  Jahren  nochmals  ein  betriichtlicher  Rutsch  erfolgt  sein, 
wahrscheinlich  wieder  nach  einer  Periode  anhaltender  Nieder- 
sehlftge.  Zahlreiche  grOssere  und  kleinere  Rutschungen  auf  der 
Strecke  Rieth&usle-Lustmuhle  gefilhrdeten  die  Strasse  nach  Teufen 
und  haben  den  Strassenaufsichtsorganen  viel  Sorgen  und  Kosten 
bereitet.  Herr  Diem  hebt  z.  B.  den  im  April  1889  erfolgten 
Absturz  bei  Jonenwatt  hervor,  welcher  auch  auf  unserer  Karte 
eingetragen  ist.  Eine  milchtige  Nageltiuhschicht  glitt  hier  auf 
schliipfrigem  Merge  1  (Leberfels)  iiber  die  Strasse  zum  Wattbach 
hinunter.  Schon  aus  weiter  Entfernung  hebt  sich  die  Abbruch- 
kante  deutlich  ab  und  grosse  Felstrummer  lagern  regellos  im  und 
auf  dem  linken  Ufer  des  Wattbaches.  —  Die  im  Hiitterenwald 
(Sitterwald*  verzeichneten  zwei  Schtipfe  fistlich  und  westlich  vom 
Holzli  sind  nach  einer  Mitteilung  von  Herrn  Forstverwalter  Wild 
im  Jahre  1876  erfolgt. 

Die  Nachtrage  fur  diesmal  abschliessend,  gedenken  wir  noch 
<ler  guten  Dienste,  welche  uns  von  Seiten  unseres  Kollegen  Lehrer 
Schmid  in  Teufen,  eines  verstandnisvollen  Beobachters  der  Natur, 
bei  der  Begehung  jener  Gegend  geleistet  word  en  sind ;  ihm  ver- 
dankt  das  St.  OJaller  Museum  auch  eine  Kollektion  zum  Teil  sehr 
gut  erhaltener  Petrefakten  vom  Horst  (Unt.  Siisswassermolasse), 
die  wir  aber,  weil  noch  der  Be.stimmung  harrend,  erst  in  spiitern 
Nachtriigen  eingehender  wiirdigen  kunnen. 


424 


Literatur. 


Dr.  Schlapfer.  tfber  die  bei  St.  Gallen  befindlichen  Versteinerungen* 
—  Neue  Alpina.  1821. 

B.  Studer.    Beit  rage  zu  einer  Monographic  dor  Molasse.  Bern  1825. 
id.    Geologie  der  Schweiz.    II.  Band.  1853. 

Blum.  Nagelfluh  der  Umgebung  yon  St.  Gallen.  Jahrbuch  for 
Mineralogie.  1840. 

Th,  Scheerer.  Nagelfluh  von  St.  Gallen- Herisau-Schonengrund.  Jahr- 
buch fur  Mineralogie.  1852. 

C,  Deicke.   Beitrage  fiber  die  Molasse  der  Schweiz  mit  einer  Tafel. 

Neues  Jahrbuch  fur  Mineralogie.  1852. 
id.     tJber  die  Eindrucke  in  den  Geschieben  der  Molasseformation 

der  ostlichen  Schweiz.  Neues  Jahrbuch  fur  Mineralogie.  1853. 
id.    Saulenformige  Absonderungen  in  den  Gesteinen  der  Molasse 

und  polierte  Flachen  in  den  Nagelfluhgerollen.    Neues 

Jahrbuch  fur  Mineralogie.  1857. 
id.    tlbersicht  der  Molasseformation   zwischen   den  Alpen  der 

Ostschweiz  und  dem  Ostrande  des  Schwarzwaldes.  Neues 

Jahrbuch  fur  Mineralogie.  1857. 
id.     Cfber  das   Vorkommen    der  mineralischen   Kohlen    in    den 

Kantonen   St.  Gallen    und   Appenzell.     Neues  Jahrbuch 

fur  Mineralogie.  1858. 
id.     Geologische  Skizze  iiber  die  Kantone  Appenzell,  St.  Gallen 

und    Thurgau.     Vortrag.    St.  Gallen,   Scheitlin   A  Zolli- 

kofer.  1859. 
id.    Das  Erratikum  und  das  Diluvium  mit  besonderer  Beziehung 

auf  die  Ostschweiz  und  den  badischen  Seekreis.   Bericht 

der  St,  Gallischen  Naturw.  Gesellschaft.  1858/60. 
id.    Nachtrage  iiber  die  Quartargebilde  zwischen  den  Alpen  und 

dem  Jura.   Bericht  der  St.  Gallischen  Naturwissenschaft- 

lichen  Gesellschaft.  1860/61. 
id.    Die  nutzbaren  Mineralien  der  Kantone  St.  Gallen  und  Appen- 
zell.    Bericht  der  St.  Gall.  Naturw.  Gesellschaft.  1861/62. 
id.     tjber  die  Eindrucke  in  den  Geschieben  der  Nagelfluh  und 

den  Gesteinen  der  Quartarformation  zwischen  den  Alpen 

der  Ostschweiz  und  dem  Jura  im  Grossherzogtum  Baden. 

Neues  Jahrbuch  fur  Mineralogie.     1864. 
id.    Bildung  der  Molassegesteine  in  der  Schweiz.    Neues  Jahr- 
buch fur  Mineralogie.     1864. 


426 


C.  Dekkc     Phantasiebilder  fiber  die  Ursache   einer   ehemaligen 

Eiszeit  and  Andeutungen  fiber  den  damaligen  Zustand. 

Zeitschrift  fur  die  ges.  Naturwissenschaften.  1868. 
id.    Andeutungen    liber   die   Quartargebilde   in   den   Kantonen 

St.  Gall  en   und  Appenzell.     Neues  Jahrbuch  fur  Mine- 

ralogie.    1868. 
id.    Die  al  teste  Geschichte  des  Tales  von  St.  Gallon  und  seiner 

Uragebung.    St  Galler-Blatter  1869. 
Arnold  Escher  von  der  Linth.    Geologiscbe  Bemerkungen  fiber  das 

nordliche  Vorarlberg  und  einige  angrenzende  Gegenden. 

Neue  Denkscbriften.  XIII.  1853. 
A.  Escher  und  B.  Studer.  Geologiscbe  Karte  der  Scbweiz.  1 :  380,000. 
O.  Heer.    Die  Urwelt  der  Scbweiz.    2.  Auflage. 

id.    Tertiare  Flora  der  Schweiz.  1855—59. 
jP.  J.  Kaufmann.  Untersuchungen  iiber  die  mittel-  und  ostschweize- 

riscbe  subalpine  Molasse.  Neue  Denkscbriften.  XVII.  1860. 
Dr.  A.  GutzuriUcr.    Beitrage  zur  geologiscben  Karte  der  Scbweiz. 

Lieferungen  14  und  19.  Molasse  und  jungere  Ablagerungen. 

Hiezu  die  Blatter  IV  und  IX   der  geologiscben  Karte 

1  :  100,000. 
id.    Das   Verbreitungsgebiet    des   Santisgletscbers   zur   Eiszeit. 

Mit  1   Karte.    Bericbt  der  St.  Galliscben  Xaturwissen- 

scbaftlicben  Gesellscbaft.  1871/72. 
id.    tfber  die  bei  St.  Gallen  und  Rorschach  ausgefiihrten  Bobr- 

versucbe  zur  Herstellung  artesiscber  Brunnen.  Mit  1  Tafel. 

Bericht  der  St.  Gallischen  Naturw.  Gesellschaft.  1873/74. 
id.    Verzeicbnis  der  erratischen  Blocke,  erbalten  im  Sommer  1874. 

Bericbt  1873/74. 
id.    Verzeicbnis  der  erratischen  Blocke,  erbalten  im  Sommer  1875. 

Bericbt  1874/75. 
id.    Altere  diluviale  Scbotter  in   der  Nabe  von  St.  Gallen  und 

von  Biscbof szell.  Eclogte  geologicse  Helvetiee,  Vol. VI,  Nr.  4. 
Dr.  J,  Friih.   Geologiscbe  Begrundung  der  Topographic  des  Santis 

und   der  Molasse.     Bericbt  der  St.  Gallischen  Naturw. 

Gesellschaft.  1879/80. 
id.    Zur  Geologie  von  St.  Gallen  und  Thurgau.  Bericht  1884/85. 
id.    Beitrage  zur  Kenntnis  der  Nagelfluh  der  Schweiz.     Neue 

Denkschriften.  XXX.  1890. 
id.    Die  Drumlins-Landschaft  mit  besonderer  Berucksichtigung 

des  alpinen  Vorlandes.    Bericht  der  St.  Gallischen  Natur- 

wissenscbaftlichen  Gesellschaft.  1894/95. 


426 


Dr.  J.  Friih.  Anleitung  zu  geologischen  Beobachtungen  innerhalb 
der  Blatter  Dufour  IV  und  IX.    Bericht  1895/96. 

Dr.  Ch.  Mayer.  Systematisches  Verzeichnis  der  Versteinerungen 
des  Helvetian  der  Schweiz  und  Schwabens.  Beitrage 
zur  geologischen  Karte  der  Schweiz.    11.  Lieferung.  1872. 

Dr.  A.  Heim.    Mechanismus  der  Gebirgsbildung. 
id.     Gletscherkunde. 

Dr.  A.  Heim  und  Dr.  C.  Schmidt.  Geologische  Karte  der  Schweiz 
1:600,000. 

C.  W.  Stein.  Verzeichnis  der  erratischen  Blocke,  welche  seit  1876 
in  den  Besitz  der  St.  Gallischen  Naturwissenschaftlichen 
Gesellschaft  gelangt  sind.    Bericht  1879/80. 

C.  Rehsteiner.    Eroffnungsredo  bei  der  62.  Jahresversammlung  der 
Schweizerischen  Naturforschenden  Gesellschaft.  1879. 
id.     Unsere  erratischen  Blocke.  Mit  3  Tafeln.     Bericht  1900,-01. 

Dr.  R.  Keller.  Beitriigo  zur  Tertiai-flora  des  Kantons  St.  Gallen. 
Mit  Tafeln.    Bericht  1890/91  und  1893/95. 

Dr.  A.  Peidc  und  Dr.  E.  Bruckner.  Die  Alpen  im  Eiszeitalter. 
Leipzig  1902. 


427 


Bemerkungen  zu  den  Profilen. 

Die  eingeklammerten  Seitenzahlen  beziehen  sich  auf  den  im  Jahrbuch  1903 
erschienenen  ersten  Teil  unaerer  Arbeit. 


I.  Abtwil-Stocken-Kubel-FahrnbUhl. 

Die  Profillinie  lauft  nicht  genau  in  der  Fallrichtung  der 
Schichten,  sondern  bildet  mit  ihr  einen  Winkel  von  ca.  13°. 

An  der  Basis  des  Profiles  tibor  einem  grossen,  weithin  sicht- 
baren  Mergelabriss  (rechtes  Ufer  der  Urnasch)  machtige  Nagelfluh- 
bank  (gegen  15  m,  ira  SE  Teil  Doppelbank,  der  obero  Teil  be- 
deutend  wenigor  niachtig).  Ausgepragter  Charakter  des  Quertales 
in  Nagel flu h- Region.  Bis  zur  tiefsten  Meeresmolasse  noch  fiinf 
Nagelfluhbiinke  von  ca.  8,  10,  5,  6  und  6  m  Maehtigkeit.  Zwischen 
den  beiden  letztgenannten  eine  unbedeutende  Nagelfluhschicht  von 
ca.  l!/«  m;  die  weiter  siidlich  eiiigezeichnote  schwachere  Bank  ist 
in  den  10  m  inbegriffen.  In  den  Schicbten  zwiscben  den  Nagel- 
tluhbanken  scbeint  der  Sandstein  gegen iiber  den  Mergeln  das 
Cbergewicbt  zu  besitzen. 

Als  Grenzscbicht  gegen  die  tiefste  Meeresmolasse  ca.  7  m 
rote  Molasse  (Mergel).  Machtigkeit  der  tiefern  Etage  der  Meeres- 
molasse (I,  510 — 513)  ist  nicht  genau  zu  bestimmen,  ubersteigt 
jedenfalls  nicht  50  m.  Versteinerungsfiihronde  Schicht  unter 
der  ca.  10  m  machtigen  Nagelfluh doppelbank. 

Unter  P.  665  in  der  bedoutend  machtigeren  Siisswasser- 
zwischenlagerung  Cbergang  von  Nagelfluh  in  Sandstein  und  Mergel. 

Als  Basis  des  obern  Teiles  der  Meeresmolasse  sehr  machtige 
Nagolfluhbank,  ca.  15  m,  daruber  zwei  Bohrmuscheln  fiihrende 
Gerollbander,  von  denen  iin  Protil  nur  eines  eingezeichnet  ist. 
Verstoinerungen. 

Innerhalb  des  oberen  Teiles  der  Meeresmolasse  Nagelfluh- 
bank  von  ca.  6  m.  Darunter  und  daruber  mehrmaliger  Wechsel 
von  Sandstein  und  Mergel.  Uber  der  letzterwahnten  Nagelfluh- 
schicht  die  bekannten  versteinerungsfiihrenden  Schichten,  gegen 
das  Dach  hin  blaue  Turritellen mergel. 

Die  gegen  20  m  machtige  Nagelfluh  bank  unter  der  Eisen- 
bahnbriicke  ist  nach  Clausilien-Funden  und  dortigen  roten  Mergeln 
schon  zur  obern  Susswassermolasse  zu  Ziehen,  was  auf  der  geo- 
logischen  Karte  wenigstons  fur  die  linke  Sitterseite  nicht  deutlich 
genug  hervorgehoben  ist;  bei  P.  764,  Im  Hof,  sollte  also  an  Stelle 


428 


des  Hellgelb  die  Farbe  der  obern  Silas wassermolasse  treten,  ebenso 
vielleicht  auf  der  rechten  Sitterseite  bei  Aufschluss  N  687  und 
Weid-Lehn. 

tJber  der  Nagelfluh  bei  der  Kratzernbriicke  bunte,  vorwiegend 
rote  Mergel ;  noch  besser  an  der  linken  Sitterseite  zu  beobachten. 

Die  Nagelfluhschichten  von  Geissberg  und  Altenwegen  werden 
moglicherweise  durch  die  Profilebene  geschnitten,  konnten  aber 
auf  der  fraglichen  Strecke  einstweilen  nicht  konstatiert  werden. 

Nagelfluh  bildet  den  als  deutliche  Boden welle  aus  den  glacialen 
Ablagerungen  hervortretenden  Riicken  von  Billenberg. 

Das  vortreffliche  Gestein  der  ca.  10  m  machtigen  Abtwiler 
Kalknagelfluh  (I,  556/557)  wird  gegenwartig  beim  Bau  der  neuen 
Abtwiler  Kirche  verwendet. 

Das  Fallen  der  Schichten  betragt  bei  Abtwil  hoc h 8 tens  noch 
14°  gegeniiber  35°  an  der  Basis  des  Profiles. 

Machtigkeit  der  Meeresmolasse  an  der  Sitter  niit  Einschluss 
der  Siisswasserzwischenlagerung  ca.  320  m,  wovon  ca.  140  m  auf 
die  obere  Etage  en  tf  all  en  (I,  521). 

II.  Peter  und  Paul-Kapf-Egg-Ramsen. 

Die  Profillinie  steht  fast  genau  senkrecht  zum  Streichen  der 
Schichten. 

In  der  fur  die  Beobachtung  ungiinstigen  Antiklinalzone  (1,561) 
betragt  auf  dem  Siidfliigel  am  Bergriicken  Hohe  Buche-Ramsen 
der  bochste  sicher  zu  konstatierende  Fallwinkel  64°  SSE. 

Nordlich  der  Antiklinale  ca.  2  km  breite  Zone  des  granitischen 
Sandsteins  (I,  479/480).  N  der  Egg  beginnt  eine  nach  W  immer 
machtiger  werdende  Zone  bunter  Nagelfluh  (vierte  Zone  Gutz- 
willers,  St.  Gal len -Horn li). 

Die  Nagelfluh  von  Horlen,  ca.  4  m,  zu  konstatieren  im  ein- 
gezeichneten  Aufschluss,  entspricht  wahrscheinlich  derjenigen  von 
Frohlichsegg. 

Diejenige  von  Riiti,  5 — 6  m  machtig,  zeigt  im  dortigen  Auf- 
schluss (hinter  einem  Hause)  auffallend  kleine  Gerolle. 

Die  Grenzschicht  gegen  die  Meeresmolasse,  Fortsetzung  der 
Wenigerweiher-Nagelfluh,  zeigt  im  Steinbruch  bei  der  Fabrik  S 
Ladern,  wo  sie  gegen  6  m  Machtigkeit  erreicbt,  viele  ausgezeichnet 
schone  und  charakteristische  kristallinische  Geschiebe.  Rutsch- 
streifen,  gequetschte  Gerolle  etc.  ebenfalls  an  dieser  Lokalitat  in 
wahren  Kabinetstucken. 

Am  Siidhang  des  Kapf  nochmals  zwei  Nagelfluhbanke.     Bei 


429 


Notkersegg  Steinbruch  in  Plattensandstein.  Darttber  Susswaaser- 
schichten,  die  uns  von  Sitter  und  Goldach  her  bekannte  Ein- 
lagerung  zwischen  dem  hohern  und  tie  fern  Teil  der  Meeresmolasse. 
Wir  konnten  diese  Zwischenschicht  zwar  nicht  bei  Notkersegg 
konstatieren,  wohl  aber  E  vom  Freudenberg,  N  904,  wo  sich  un- 
mittelbar  westlich  neben  dem  Stall  des  dortigen  Heimwesens 
Mergei  mit  unzweifelhaften  Siisswasser-Petrefakten  fanden1). 

Die  Machtigkeit  der  Siisswasser-Zwischenschicht  la  sat  sich 
nicht  gonau  bestimmen;  sie  ist  im  Profil  wahrscheinlich  eher  zu 
hoch  als  zu  niedrig  angegeben. 

Bei  Wiesen  Freudenberg-Nagelfluh,  schon  bedeutend  weniger 
machtig  als  am  Freudenberg  selbst,  sodann  im  Walde  unbedeutende, 
am  Bachlein  beim  T  zu  konstatierende  Schicht  von  Nagelfluh. 
Neuer  Steinbruch  in  den  obern  Meeresmolasseschichten  von  Hagen- 
buch, die  von  Alters  her  durch  ihren  Reichtum  an  Versteinerungen 
bekanut  sind  (Muschelnberg  und  Muschelnbach !). 

Gestiitzt  aui  Petrefaktenfunde  E  der  Eisbahn  ziehen  wir 
auch  im  Profil  die  bekannte  Grenz-Nagelfluhbank  noch  zur  Meeres- 
molasse und  lassen  die  Grenzlinie  erst  etwas  N  davon  verlaufen. 

Die  Machtigkeit  der  gesamten  Meeresmolasse  im  Profil  Hagen- 
buch-Kapf  (Siisswasser-Zwischenschicht  inbegriffen),  kommt  der- 
jenigen  im  Martinstobel  nicht  nur  gleich,  sondern  iibertrifft  sie 
noch  um  ca.  30  m  (480  gegen  450  m). 

In  der  Gegend  von  Heiligkreuz-Peter  und  Paul  betragt  der 
Fallwinkel  hochstens  noch  16  °7  zeigt  also  gegeniiber  Hagenbuch 
eine  Abnahme  um  9°,  wahrend  von  Horlen  (28°)  bis  zur  obersten 
Meeresmolasse  im  Hagenbuch  auf  noch  etwas  grossere  Distanz 
die  Abnahme  nur  3°  betragt. 

Man  beachte  im  vorliegenden  Profil  das  unvermutet  steile 
Fallen  (I,  562/563)  am  Nordhang  desKapf  (36°)  und  am  Nordhang 
der  Egg  (40 — 46°),  an  letzterer  Lokalitiit  an  einem  Waldweg  unter 
den  Punkten  1022 — 1045  konstatiert,  nachdem  ein  ahnliches  Vor- 
kommnis  weiter  westlich,  bei  der  Waldegg  (I,  562/563),  den  Ge- 
danken  hieran  nahegelegt  hatte. 

1)  Auch  Pflanzenreate  fan  don  aich  bier.  Moglicherweiae  stanimt  das 
sogen.  Knnkler'ache  Gestein  (d.h.  die  pflanzeufuhrenden  Findlinge  St.  Gallena) 
ana  dieaer  die  beiden  Etagen  der  Meerenmolaase  trennenden  Susswasser- 
eiiilagerimg  zwischen  Sitter  und  Goldach.  Eiuen  weiten  Transport  hatte  es 
nicht  aushalten  konnen.  AVenn  ea  auch  nicht  vom  Kubel  heratammen  kann, 
xro  Kunkler  und  Deicke  ein  ahnlichea  Gestein,  aber  ohne  Pflanzen  fanden, 
bo  ist  ea  doch  intereaaant,  daaa  die  Lokalitat  beim  Kubel  eben  dieaer  Zwiachen- 
Bchicht  angehort. 


430 


III.  Profil  im  Martinstobei. 

Damit  das  Profil  in  seiner  ganzen  Lange  auf  dem  rechten 
Goldachufer  verbleibt,  wurde  die  Profilebene  ca.  300  m  ostlich  von 
Martinsbrticke  gewablt ;  die  Goldach  erscheint  somit  als  Projektion 
auf  dieselbe;  die  Ricbtung  der  Profillinie  weicht  urn  ca.  10°  von 
der  Fallrichtung  der  Scbichten  ab.  Fur  die  Eintragungen  war 
selbstverstandlich  das  an  der  rechten  Uferwand  gut  aufgeschlossene 
Profil  massgebend. 

Mit  den  stratigraphisch  hochst  gelegenen  Schichten  begin nend. 
begegnen  wir  zunachst  einem  einen  deutlichen  Riegel  im  Fluss- 
bett  bildenden  Nagelfluhriff,  welches  durch  eine  kleine  Mergel- 
und  Sandsteineinlagerung  (wenigstens  an  der  Basis)  als  Doppel- 
riff  erscheint;  mit  Einschluss  des  2—4  m  machtigen  Zwischen- 
lagers  mag  dieselbe  eine  Machtigkeit  von  10—12  m  erreichen ;  sie 
entspricht  der  Nagelfluhschicht,  welche  den  Nordabhang  der  Menzlen, 
Bernegg,  Hagenbuchwald  usw.  bildet  und  kann  somit  als  Dach 
der  marinen  Molasse  betrachtet  werden,  wobei  jedoch  immerhin 
mit  der  Moglichkeit  gerechnet  werden  muss,  dass  die  direkt  daruber 
lagernden,  durch  Schutt  ganzlich  bedeckten  Schichten  zum  Teil 
auch  noch  marinen  Ursprungs  sind  (vgl.  Jahrbuch  1901/02  pag.  519). 
Es  folgen  plattenartige  Sandsteine  (Steinbrtiche  zu  beiden  Seiten 
der  Goldach)  und  eine  nur  ca.  1 — 1,5  m  machtige,  unbedeutende 
Nagelfluhschicht,  welche  schon  an  der  Strasse  nach  Untereggen 
nicht  mehr  angetroffen  wird;  hierauf  ein  machtiger  Kotnplex  von 
Schiefermergeln  (Bergrutsch),  in  welchen  mehrere  Banke  festeren 
Sandsteins  oingelagert  sind,  mit  einem  Gerollband  und  etwas  tiefer 
einer  unbedeutenden,  wenige  Dezimeter  machtigen,  iiber  der  Strasse 
nur  noch  als  handdickes  Gerollband  auf  tre  ten  den  Nagelfluhbank. 
welche  zweifellos  die  letzte  Spur  der  Freudenbergnagelfluh  dar- 
stellt  —  kann  doch  dieselbe  fast  ununterbrochen  bis  zu  dieser 
Stelle  verfolgt  werden  (siehe  Karte).  Fast  unmittelbar  darunter 
erscheint  die  von  uns  nachgewiesene,  wonig  machtige  Siisswasser- 
einlagerung !),  welche  hier,  im  Einklang  mit  unserm  Text,  als  die 
trennende  Schicht  zwischen  dem  oberen  und  dem  tieferen  Teil 
der  Meeresmolasse  aufgefasst  worden  ist.  Es  folgen  teils  massige, 
teils  plattenartige  Sandsteine  und  wenige  Meter  S  der  Martins- 
briicke  die  hier  ca.  3—4  m  machtige  Seelaffe.  Direkt  unter  der 
Seelaffe  beginnt  der  machtige  (ca.  130  m)  Komplex  der  Platten- 
sandsteine,    in    welchem    nur   vereinzelt    diinne   Mergelschichten 

l)  Um  dieae  Schicht  genugend  hervorzuheben,  ist  im  Profil  ihre  Mach- 
tigkeit eher  etwas  zu  Btark  angegeben  worden. 


431 


eingelagert  sind.  Auf  der  rechten  Seite  der  Goldach  ist  in  den 
Platte n  ein  Steinbruch  angelegt  worden ;  zur  Zeit  ist  derselbe 
aber  ausser  Botrieb,  was  auch  fur  die  iibrigen  Briiche  des  Martins- 
tobels  gilt.  Zahlreich  fin  den  sich  in  den  Platten  die  auch  in  der 
oberen  Meeresmolasse  haufig  auftretenden  zylindrischen  Wurm- 
steine  (wahrscheinlich  Spurgange  von  Schlammschnecken)  und 
nach  einer  Mitteilung  von  Dr.  Friih  die  so  merkwiirdigen  Spiral- 
steine.  Erwahnenswert  ist  auch  das  kleino  eingezeichnete  Geroll- 
band,  wegen  der  hier  aufgefundenen  Cardie n ;  bisher  waren  nam- 
lich  aus  der  Plattenzone  Petrefaktenfundstellen  nicht  bekannt 
geworden  (vgl.  Text).  Die  folgenden  Schichten  sind  fast  ganzlioh 
von  Schutt  bedeckt;  allem  nach  liegt  eine  Wechsellagerung  von 
Mergel-  und  Sandsteinbanken  vor.  Bei  dein  Briicklein  unterhalb 
der  Ruine  Rappenstein  sind  dagegen  Sandsteine  und  Mergel  gut 
entblosst;  sie  schliessen  einige  dunne  Kohlenbander  (vgl.  Jahr- 
buch  1901/02,  pag.  484)  ein  und  erweisen  sich  durch  entsprechende 
Petrefakten  bereits  als  der  untern  Susswassermolasse  angehorig. 
Unter  denselben  liegt,  wieder  einen  deutlichen  Biegel  bildend, 
eine  sehr  machtige  zweiteilige  Nagelfluhbank,  welch e  derjenigen 
vom  Wenigerweiher  entsprechen  muss;  sie  zeichnet  sich  durch 
einen  ausserordentlich  grossen  Reichtum  an  zerquetschten  Ger6llen 
init  zahlreichen  tiefen  Eindrucken  und  Rutschspiegeln  aus.  Die 
schliesslich  folgenden  wechsellagernden  Sandstein-  und  Mergel- 
schichten  bieten  kein  besonderes  Interesse  dar;  dagegen  sei  zum 
Schluss  darauf  hingewiesen,  dass  der  kleine  Schichtkomplex  zwischen 
der  Plattenzone  und  der  sicher  festgestellten  untern  Susswasser- 
molasse moglicherweise  (wenigstens  zum  grossern  Teil)  schon  der 
letztern  zuzuzahlen  ist;  darauf  scheint  auch  eine  eingelagerte 
(ca.  2  dm  machtige)  kalkige  Bank  hinzuweisen. 


432 


Bemerkungen  zu  den  Abbildungen. 

Fiir  die  photograpbiHcheu  Aufnahmeii  Bind  wir  den  Herren  J.  B&he,  Flury, 
Prof.  Dr.  Steiger  und  W.  Mayer  zuni  beaten  Danke  verpflichtet. 

1.  Felswand  in  der  tieferen  Meeresmolasse. 

(Aufnahme  von  J.  Rtihe.) 
Linkes  Goldachufer,  ca.  300  in  S  der  Martinsbrttcke. 
Plotzlicher  Tjbergang  von  massigem  San  detain  zu  dunn- 
scbicli tiger  Wechsellagerung  zwischen  Sandstein  und  MergeL  Die 
den  Gesteinswecbsel  andeutende  Linie  hat  26°Neigung,  wihrend 
die  Schichtlinien  der  nicht  in  der  Fallrichtung  angeschnittenen 
Schicbten  eine  Neigung  von  5—15°  zeigen. 

2.  Felspartie  aus  der  obern  Meeresmolasse. 

(Aufnahme  von  J.  Riihe.) 
Locherige  Auswitterungsformen  am  Felskopf  602  (Unkea 
Goldachufer).  Links  und  rechts  vom  Felskopf  verlassene  Stein- 
briiche  in  Plattensandstein.  Darunter  die  versteinenmgsreichsn 
Schicbten  der  oberen  Meeresmolasse.  Rechts  vom  Kirschbaum  in 
halber  Hohe  die  macbtige  Nagelfluhscbicht,  welche  das  Dach  der 
marinen  Molassc  bildet. 

3.  Bergsturzgebiet  an  der  Goldach. 

(Aufnahme  von  J.  Riihe.) 
Rechts  obon  neben  der  Felswand  das  Abrissgebiet,  angedeotet 
durcb  eine  Schichtnache,  von  und  neben  welcher  die  Sohiefer- 
mergel  abglitten.  Das  Ablagerungsgebiet  reicht  von  der  Strasse 
Martinsbrucke-Untereggen  bis  zum  Flussbett  der  Goldach  and  ist 
fast  ganz  mit  Wald  bewachsen ;  doch  erkennt  man  auf  dem  Bilde 
sow  obi  an  der  Strasse,  als  auch  im  Walde  und  unten  am  Floav 
bett  einzelne  der  grossorn  vom  Sturz  herriihrenden  Blocks.  Auf 
der  Karte  eingezeicbnet  zwischen  der  sich  auskeilenden  Frsnden- 
berg-Hub-Vogelberd-Nageifluh  und  dem  daruber  folgenden  ganx 
unbedeutenden  Gerollband  (rechtes  Goldachufer). 

4.  Steilwand  am  linken  Ufer  der  Goldach. 

(Aufnahme  von  J.  Riihr.) 

Ca.  800  m  unterbalb  der  Lochmuhle. 

Die  gauze  Wand  ist  ca.  70  m  hoch.    Davon  entfallt  fast  ein 

DritteL  auf  verscbwemmte  Morane,  deren  Sand-  und  Kiesschichton 

im  allgemeineii  nordlich  fallen.    tTber  dem  Ladeplatz  und  Fahr- 


o 
O 


c 

CO 


Tafel  3-    Bergsturzgebiet  an  der  GoJdachr 


phot.  j.  nun..    Tafel  4#  steiiwand  am  linken  Ufer  der  Goldach. 


483 


weg,  auf  welcbem  der  Arbeiter  steht,  erreichen  diese  glacial  en 
Kiesmassen  im  Maximum  15  m,  wozu  noch  ca.  6  m  unter  dem 
Wege  kommen.  Darunter  anstehender  Molassefels  (Mergel  und 
Sandstein  der  obern  Siisswassermolasse).  An  der  Basis  zwei  Schutt- 
kegel,  wovon  derjenige  rechts  aus  glacialen  Gerollen,  derjenige 
links  teils  aus  Molasseschutt,  teils  aus  Sand  besteht,  der  aus  den 
glacialen  Schichten  stammt. 

5.  Flussterras8en  bei  Lee  an  der  Sitter. 

(Auinahme  von  J".  Riihe.) 
tTber  der  Inundationsflache  erkennt  man  funf  Flussterrassen, 
d.  h.  Reste  einstiger  Talboden  oder  friiherer,  in  hoherem  Niveau 
gelegener  Sitterbetten.  Auf  der  Fortsetzung  der  vierten  steben 
die  Hauser  rechts  der  S trass e.  Die  Hdhendifferenz  zwischen  dem 
Flussbett  und  der  funften,  hochsten  Terrasse  betragt  ca.  34  m. 

6.  Anschnitt  einer  Flussterrasse  an  der  Sitter. 

(Aufnahme  von  J.  Riihe.) 

Gegenuber  Badlisau,  Nordrand  der  Karte. 

Profil  von  oben  nach  unten: 

Verwitterungsschicht  (ca.  2  m). 

Flusskies  des  einstigen  Sitterbettes   (ca.  1\'2  m),  fast  12  m 

iiber  dem  jetzigen  Sitterlauf. 

Molassefels,  ca.  10  m,  im  tiefern  Teil  verdeckt  durch  Schutt- 
massen  (Erosionstatigkeit  der  Sitter  am  konkaven  Ufer!). 

7.  Morftnenwall  (Endmorane)  vom  Bildweiher. 

(Auf  nab  me  von  P.  Flury ;  ebenso  Bild  8,  11  und  12.) 
Der  Wall  erreicht  eine  Hohe  von  ca.  10  m;  die  Aufnahme 
erfolgte  von  SO  in   einer  Entfernung  von  etwa   150  m,  so   dass 
dem  Beschauer  die  Innenseite  des  Walles  entgegentritt. 

8.  Kiesgrube  am  Bildweiher. 

Aufgenommen  wurde  die  erste  Grubo  rechts  an  der  Strasse 
vom  Bild  nach  Winkeln.  Der  untere  Teil  zeigt  ausgepragte  Delta- 
struktur;  nicht  ganz  in  der  Mitte  ist  eine  Schichtverbiegung  deut- 
lich  wahrzunehmen ;  iiber  den  geneigten  Schichten  hebt  sich  als 
oberer  Teil  trefflich  die  horizontale  tj  bergussschicht  ab;  der  "Ober- 
gang  von  den  schiefen  Deltaschichten  zum  flachschichtigen  tfber- 
guss  kommt  auf  dem  Bilde  rechts  in  ausgezeichneter  Weise  zur 
Geltung. 


434 


9.  Einschnitt  der  Gaiserbahn  auf  der  Gertenwilerbleiche. 

Der  Aufschluss  war  nur  voriibergebend  zur  Zeit  der  Bahn- 
hofutnbauten  sichtbar  und  befindet  sich  dort,  wo  das  neue  Geleise 
der  Gaiserbahn  in  die  Richtung  der  TJnterstrasse  umbiegt;  er  liegt 
somit  in  dem  von  uns  nachgewiesenen  friihern  Endmoranenwall. 
welcher,  quer  durch  die  Geltenwilerbleiche  ziehend,  wahrend  der 
Arbeiten  mehrmals  angeschnitten  wurde  (vgl.  Jahrbuch  1901/02. 
pag.  589,  und  Jahrbuch  1903,  Nachtrage).  In  dem  hauptsachlieh 
aus  Grundmorane  bestehenden  Material  fallen  zwei  grdssere  Bldcke 
auf,  von  welchen  der  obere  gut  geschliffen  erscheint.  Mit  dem 
Stock  wird  auf  den  etwas  verwischten  Kontakt  mit  dem  im  Osten 
an  den  Wall  sich  anlehnenden  verschwemmten  Material  hingewiesen. 

Diese,  sowie  einige  andere  im  Museum  deponierte  Photo- 
graphien  voriibergehender  Aufschlusse  auf  der  Geltenwilerbleiche 
verdanken  wir  der  Gefalligkeit  des  Herrn  Zahnarzt  W.  Mayer. 

1 0.  Fluvioglaciale  Anschwemmung  (Oilti)  5stl.  der  LinsabOhlkirche. 

Der  nicht  mehr  sichtbare  Aufschluss  trat  bei  Anlasa  der 
Vorarbeiten  zum  Kirchenbau  zutage ;  die  Sand-  und  Kiesschichten 
fallen  von  der  Talflanke  mit  ca.  23°  nach  NW  ein. 

Die  trefflicbe  Aufnahme  wurde  von  Herrn  Prof.  Dr.  Steigvr 
veranlasst  und  uns  nachher  in  sehr  verdankenswerter  Weise  zur 
Verfiigung  gestellt. 

11.  Steinbruch  bei  Notkersegg. 

Das  Bild  zeigt  den  deutlichen,  scharfen  Kontakt  des  an- 
stehenden  plattenartigen  Molassesandsteins  mit  der  uberlagernden 
lebmigen,  an  Geschieben  iiberaus  reichen  Grundmorane.  Die  Basis 
des  Aufsch hisses  wird  durch  den  sich  in  Form  einer  Halde  an- 
gebauften  Schutt  (der  Betrieb  ist  namlich  seit  einiger  Zeit  ein- 
gestellt)  bis  weit  hinauf  verdeckt;  auf  der  rechten  Seite  Bind  da- 
gegen  die  Molassescbichten  tiefer  entblosst. 

12.  Drumlinslandschaft  von  Wittenbaoh. 

Die  Aufnahme  erfolgte  vom  Drumlin  bei  Biittingen  (610  o. 
im  X  der  Karte)  aus  in  annahernd  norddstlicher  Richtung.  E* 
fallen  daher  auf  das  Bild  auch  einige  Drumlins,  welche  auf  der 
Karte  selbst  nur  teilweise  zur  Darstellung  kommen.  Drumlin 
Biittingen  zeigt  oine  deutliche  Terrassierung ;  von  demselben  ab- 
geseben,  konnten  nicht  weniger  als  vier  Drumlins  auf  dem  Bilde 
vereinigt  werden. 


<3 


; 


Tfefrl  10.  Fluvioglaciale  Anschwetnmung  tD^Hav 
ustlich  der  LinsebuhlkircUe* 


( 


v 

— , _*  . 

« 

L 

*  . 

* 

&'/■ 

1 

; 

u        ^    • 

™^Sjr . 

Ha 

ft 

W 

i 

« 

•  ;• 

K 

I 

■ 

Wk 

'v-  -A  1 

fe 

:       '  ■ ■    t 

:  ; 

1               W-'** 
1          V 

1 
■ 

i   » 

iU 

,•■■- 

■ 

*.  ■  > 

436 


13.  Quertal  der  Urnftsch  sUdlich  vom  Kubel. 

(Aufnahme  von  J.  Biihe,  ebenso  Bild  14) 
Ort  der  Aufnahme  ca.  150  m  hinter  dem  abgebrochenen  Kubel- 
gebaude.  Das  Bild  zeigt  den  Charakterzug  eines  in  der  Nagelfluh- 
region  der  gehobenen  Molasse  eingeschnittenen  Quertales:  die 
typische  Spitzkurve  im  Flussbett  und  die  an  beiden  Talwanden 
schief  ansteigenden  Nagelfluhbanke.  Die  machtige  Nagelfluhschicht 
ist  durch  eine  eingelagerte  Sandstein-  und  Mergelpartie  deutlich 
als  Doppelbank  erkennbar.  Eine  etwas  hellere  Sandstein-  und 
Mergelpartie  unter  der  Nagelfluh,  besonders  deutlich  sichtbar  auf 
der  rechten  Talseite,  enthalt  die  mehrmals  erwahnte,  Meeres- 
petrefakten  fuhrende  Schicht.  Wir  haben  hier  die  nur  noch  wenig 
machtige  tiefere  Etage  der  Meeresmolasse  vor  uns. 

tTber  der  Nagelfluh  folgen  Susswasserbildungen  als  ziemlich 
machtige  Zwischenlagerung  zwischen  den  beiden  Etage n  der  Meeres- 
molasse. Talauswarts  sind  im  Hintergrunde  noch  die  Felsen  der 
oberen  Meeresmolasse  sichtbar. 

14.  Isoklinaltal  der  Sitter  5stlich  vom  Kubel. 

Da  die  Sitter  ostlich  vom  Zusammenfluss  mit  der  Urnasch 
auf  kurze  Strecke  fast  in  der  Streichrichtung  der  Schichten  fliesst, 
so  erscheinen  die  Schichten  der  rechten  Talwand  (im  Sinne  des 
Flusslaufes)  fast  horizontal  angeschnitten.  Der  hohere  Teil  der 
Wand  gehort  der  oberen  Meeresmolasse  an,  der  tiefere  Teil  den 
Susswasser-Zwischenbildungen.  Die  Grenze  wird  durch  eine 
machtige  Nagelfluhbank  gebildet. 

Die  Nagelfluhschicht  im  Vordergrundo  des  Bildes,  welche  vom 
Zusammenfluss  der  Urnasch  mit  der  Sitter  ostsiidostlich  ansteigt, 
bildet  die  Schichtflache  des  „Kamm"  und  senkt  sich  mit  ca,  25 — 26° 
NNW  Fallen  zum  Sitterbett  hinunter.  Also  Schichtflache  auf  der 
linken,  Schichtkopfe  auf  der  rechten  Sitterseite  bei  gleichem  Fallen 
der  Schichten  —  daher  eben  der  Name  Isoklinaltal. 


XI. 

Die  Eibe  (Taxus  baccata  L.) 

in  der  Schweiz. 

Von  Prof.  Dr.  Paul  Vogler. 


Elnleitung. 

Wer  von  St.  Gallen  aus  den  steilen  Abhangen  der 
Schluchten  der  Urnasch,  Sitter,  Steinach  oder  Goldach 
nachklettert,  muss  oft  zwischen  dicht  bis  zum  Boden  ast- 
reichen  Nadelholzern  sich  durchwinden ;  er  nimmt  keinen 
freundlichen  Eindruck  von  diesen  dusteren  Q-esellen  mit, 
deren  dunkelgriine  spitzen  Nadeln  ihn  fast  blutig  ge- 
stochen.  Es  sind  Eiben,  die  an  diesen  schwer  zugang- 
lichen  Orten  in  grosser  Menge  wachsen,  freilich  nicht 
als  stattliche  Baume,  mehr  nur  als  buschiges  Unterholz. 
Ein  ganz  anderes  Bild  gewahrt  die  Eibe,  wo  sie  ver- 
einzelt  im  Hochwald  vorkommt.  Zwischen  den  Stammen 
der  Rottannen,  Weisstannen  und  Fohren,  die  in  ihren 
untern  Teilen  als  kahle  S&ulen  erscheinen,  taucht  z.  B. 
im  Sitterwald  da  und  dort  eine  dunkle  Pyramide  auf; 
etwas  schlaff  liegen  die  untersten,  weit  ausgreifenden 
Aste  beinahe  auf  dem  Boden;  von  unten  bis  oben  alles 
reichlich  mit  oberseits  schwarzgrtinglanzenden,  unterseits 
hellen,  mattgriinen  Nadeln  bedeckt.  Die  Eibe  erscbeint 
auch  hier  noch  duster,  fast  unheimlich;  aber  sie  belebt 
doch  das  Waldbild,  sie  bietet  dem  Auge  einen  Ruhepunkt. 

Wie  ich  dazu   komme,   diesem  Baum  eine  grossere 


437 

i 
Untersuchung  zu  widmen,  mag  einer  fragen.     Nun,  ich 

hatte  die  Absicht,  der  Eibe  einen  Nekrolog  zu  schreiben. 

Aus  den  Arbeiten  von  Conwentz1)  war  mir  bekannt, 

dass  in  Preussen  der  Baum  zuriickgeht;  dass  er  fruher 

viel    haufiger   gewesen.      Damals,    als    ich    diese   Arbeit 

unternahm,   waren  mir  als  einziges  Gebiet  mit  massen- 

haften  Eiben  nur  die  Abhange  des  tltliberges  und   des 

Albis  an  der  Sihl  bei  Zurich  bekannt;  da,  wo  ich  auf- 

gewachsen,   in  Frauenfeld,   gehorte   die  Eibe   als  Wald- 

baum  zu   den  Rarit&ten.     So   schien  mir   also   die  Eibe 

auch  in  der  Schweiz   auf  dem  Aussterbeetat  zu  stehen, 

und  es  regte  sich  in  mir  eben  der  Gedanke,  ihren  Spuren 

in  der  Schweiz  nachzugehen,  das  jetzige  Vorkommen  zu 

fixieren  und,  kurz  gesagt,  die  Geschichte  der  Eibe  in  der 

Schweiz  zu  schreiben. 

Es  ist  anders  gekommen,  nicht  durch  meine  Schuld. 
Wir  wurden  namlich  bald  genug  inne,  dass  es  noch  zu 
filih  ist  zur  Geschichtsschreibung.  Die  Eibe  gehort  in 
der  Schweiz  noch  nicht  zu  den  aussterbenden  Wald- 
baumen;  sie  behauptet  unsor  Gebiet  gegenwartig  noch 
recht  tapfer  und  wird  es  noch  lange  behaupten.  Aber 
bei  meinen  Untersuchungen  habe  ich  doch  manches  ge- 
funden,  was  der  Aufzeichnung  wert  ist,  was  diesen  und 
jenen  interessieren  mag,  was  endlich  einem  spatern  „Ge- 
schichtsschreiberu  der  Eibe  wertvoll  sein  wird ;  denn  dass 
die  Eibe  mit  dem  Fortschreiten  der  Kultur  einmal  aus 
grossen  Gebieten  unseres  Vaterlandes  verschwinden  wird, 
ist  wohl  moglich. 

Nach  dieser  kleinen  Rechtfertigung  meines  Unter- 
nehmens  sei  dem  Leser  auch  gleich  noch  gesagt,  was  er 

*)  Die  Eibe  in  Westpreussen,  ein  aussterbender  Waldbaum. 
Danzig  1892. 


438 

auf  den  folgenden  Blattern  zu  erwarten  hat.  Also  keine 
Geschichte  der  Eibe ;  aber  noch  viel  weniger  eine  eigent- 
liche  pflanzengeographische  Monographie.  Ich  mochte 
ihm  nur  zunachst  den  Baum  selbst  vorstellen  mit  seinen 
Eigentiimlichkeiten ;  seine  praktische  Bedeutung  und  Ver- 
wertung  speziell  in  unserm  Vaterlande  mag  ein  weiteres 
Kapitel  bilden.  Fur  den  Pflanzengeographen  und  Fdrster 
habe  ich  im  fernern  die  s&mtlichen  mir  bekannt  gewordenen 
Standorte  der  Eibe  zusammengestellt  und  sie  auch  auf 
einer  Schweizerkarte  eingetragen.  Ein  kleiner  Riickblick 
auf  die  Vergangenheit  und  ein  Ausblick  in  die  Zukunft 
soil  den  Abschluss  bilden. 

Und  nun  noch  ein  kurzes  Wort  dariiber,  wie  ich  das 
Material  zusammengebracht  habe.  Obschon  unser  Vater- 
land  zu  den  kleinsten  gehort,  kann  ein  einzelner  nicht 
das  ganze  Gebiet  selbst  absuchen ;  nur  die  vereinte  Arbeit 
vieler  kann  etwas  halbwegs  Vollstandiges  zustande  bringen. 
Ich  war  also  auf  vielseitige  Unterstiitzung  angewiesen. 
Diese  wurde  mir  auch  reichlich  zuteil.  Ein  kurzer  Aufraf 
in  s&mtlichen  Zeitungen  der  Schweiz,  ein  Zirkular  an  die 
Mitglieder  des  schweizerischen  Forstvereins,  brief  liche  An- 
fragen  bei  Bekannten  und  Unbekannten  trugen  mir  eine 
grosse  Menge  von  Angaben  ein.  Mehr  als  200  Schreiben 
habe  ich  im  Laufe  der  Zeit  erhalten.  Nicht  alle  waren 
fur  mich  natiirlich  gleich  wertvoll;  aber  sie  zeigten  alle 
ein  erfreuliches  Interesse  an  der  von  mir  unternommenen 
Arbeit.  Es  sei  also  an  dieser  Stelle  alien  meinen  zahl- 
reichen  Mi  tarbeitern  nochmals  der  beste  Dank  ausgesprochen. 
Meinen  verehrten  Lehrer  und  Freund,  Herrn  Professor 
C.  Schroter  in  Zurich,  dem  ich  die  erste  Anregung  und 
spater  manchen  Rat  bei  dieser  Arbeit  zu  verdanken  habe, 
mochte  ich  noch  speziell  erwahnen. 


439 


Beschreibung  des  Baumes. 

Die  Eibe  (Taocus  baccata  L.)  [in  den  deutsch-schweize- 
rischen  Mundarten  nach  dem  schweizerisohen  Idiotikon: 
Iwe,  I(j)e  (Urkantone  und  Glarus),  Ei(j)e  (Aargau,  Basel, 
Bern,  Uri,  Luzern,  St.  Gallen,  Solothurn,  Unterwalden, 
Zug,  Zurich),  J  (Bern,  Luzern,  Uri),  Ei  (Bern,  Zurich), 
Eile  (Aargau),  Ib(e)  (Aargau,  Graubiinden,  Luzern,  St.  Gallen, 
Schaffhausen,  Thurgau),  als  Femininum;  Jw  (Graubiinden, 
Luzern,  Schaffhausen),  Ei  (Bern)  als  Masculinum,  auch 
Hag-Eie  und  Bolleli-Eie  (Aargau)  und  Ibsche  (Luzern, 
Bern,  Freiburg,  Graubiinden,  Schaffhausen)],  ist  der  einzige 
bei  uns  einheimische  Vertreter  der  Familie  der  Taxacece, 
die  mit  unseren  iibrigen  Nadelholzern  die  Klasse  der 
Coniferce  (Zapfentrager)  bildet.  Sie  ist  so  eigenartig  in 
ihrem  ganzen  Bau,  dass  sie  nicht  leicht  mit  andern  Nadel- 
holzern verwechselt  werden  kann;  einzig  auf  grossere 
Entfernung  mag  bisweilen  eine  junge  Weisstanne  ihr 
ahnlich  sehen.  Aber  in  der  Nahe  lasst  sie  sich  leicht 
von  dieser  unterscheiden  an  den  spitzen  Nadeln,  dem 
Fehlen  der  weissen  Striche  auf  der  Unterseite  der  Nadeln 
und  an  dem  braunen,  rotlich  abschuppenden  Stamm. 

Versuchen  wir  aber  doch  eine  etwas  einlasslichere 
morphologisch-biologische  Beschreibung  unseres  Baumes *). 
Im  Boden  finden  wir  eine  reichverzweigte,  tiefgehende 
Wurzel;  trotzdem  ist  die  Eibe  nicht  absolut  auf  tief- 
grundigen  Boden  angewiesen ;  sie  vermag  selbst  als  Felsen- 
pflanze  zu  leben,  wo  sie  dann  ihre  Wurzeln  hineinsendet 
in  die  Ritzen  und  Spalten  des  Gesteins.  Ein  sehr  hiibsches 
Beispiel  dafiir  bietet  das  Nordufer  des  Walensees,  wo  sie 
stellenweise  die  Felswande  reichlich  schmiickt.  Geniigende 

l)  Vergl.  Kirchner,  Loew  und  Schroter:  Lebensgeschichte  der 
Blutenpflanzen  Mitteleuropas.    I,  pag.  60 — 78. 


440 


Feuchtigkeit  scheint  eine  Hauptbedingung  fur  ihr  Gre- 
deihen  zu  sein;  da  sie  aber  unter  gunstigen  Verhaltnissen 
ihre  Wurzeln  sehr  tief  hinunter  senden  kann,  findet  sie 
eben  solche  fast  tiberall. 

Uber  dem  Boden  erhebt  sich  der  sich  meist  bald  in 
mehrere  aufstrebende  Stamme  teilende  Stamm,  wie  die 
starkern  Aste  von  rotbrauner,  blattrig  sich  ablosender 
Rinde  bedeckt.  Die  horizontal  weit  ausladenden  Aste 
bleiben  auch  im  dichten  Wald  bis  weit  herunter,  oft  bis 
zum  Boden  erhalten,  so  dass  der  Baum  aus  dieser  Ursache 
und  wegen  der  reichen  Teilung  des  Hauptstammes  bei 
uns  fast  immer  buschig  erscheint.  Die  Eibe  kann  aber 
doch  zu  einem  recht  stattlichen  Baum  heranwachsen. 
Lowe1)  gibt  eine  grosse  Liste  alter  Eiben  in  England 
und  Irland;  darunter  finden  wir  viele  Baume  aufgefulirt 
mit  uber  18,  ja  bis  20  m  Hohe  und  freiem  Stamm  bis 
zu  4  m.  Stamme  mit  2 — 3  m  Durchmesser  sind  eben- 
falls  zahlreich  vertreten ;  es  gibt  sogar  solche  mit  4,5  m 
Stammdurchmesser  unmittelbar  iiber  dem  Boden.  In 
Deutschland  scheinen  nach  Jaennicke2)  Baume  iiber 
10  m  Hdhe  selten  zu  sein ;  der  hochste  in  diesem  Gebiet 
ist  die  Eibe  im  Frankfurter  botanischen  Garten  mit  13,80  m. 
Der  dickste,  der  von  ihm  aufgefuhrten,  hat  in  1  m  Hohe 
einen  Durchmesser  von  1,25  m. 

Auch  unsere  Schweizer  Eiben  bleiben  innerhalb 
massiger  Dimensionen.  Uber  10  m  hohe  Baume  sind 
ebenfalls  sehr  selten  und  ein  Stammdurchmesser  von  Vi  m 
ist   schon   der   Erwahnung   wert.     Stattliche   Exemplar* 

!)  Lowe,  John:  The  Yew-trees  of  Great  Britain  and  Ire- 
land.    London  1897.    (Ein  reich  illustriertes  Prachtwerk!) 

2)  Jaennicke,  Frd. :  Die  Eibe,  natur-  und  kulturwissen- 
schaftlich  betrachtet.  Bericht  des  Offenbacher  Vereins  fur  Xatur- 
kunde  1895  und  1901. 


441 


mogen  sich  da  und  dort  in  Garten  und  auf  Friedhflfen 
finden ;  doch  habe  ich  hier  und  iiberall  bei  meiner  Arbeit 
nur  die  wildwachsenden  berticksichtigt.  Ein  paar  Zahlen 
mogen  hier  angefiihrt  werden.  Die  grosste,  schonste  und 
wohl  auch  alteste  Eibe  der  Schweiz  steht  auf  dem  Gerstler 
in  Heimiswil  bei  Burgdorf.  Dieser  Baum,  Eigentum 
der  Schweizerischen  Naturforschenden  Gesellschaft,  ein 
Geschenk  der  Herren  Fritz  und  Paul  Sarasin  in 
Basel,  ist  jetzt  15  m  hoch,  der  Umfang  seines  Stammes 
betr&gt  am  Boden  4  m  (Durchmesser  ca.  1,25  m),  in  1,20  m 
Hohe  noch  3,60  m. 

Wartmann  und  Schlatter1)  berichten  aus  dem 
Kanton  St.  Gallen :  „Noch  anfangs  der  Fiinfzigerjahre 
stand  auf  dem  Achsler-Vogelherd  (Gemeinde  Tablat) 
ein  Exemplar,  das  ca.  2,9  m  Stammumfang  (=  ca.  90  cm 
Durchmesser)  hatte.  Gegenwartig  gehoren  Baume  von 
20—25  cm  Durchmesser  und  10 — 12  m  Hohe  schon  zu 
den  Ausnahmen;  im  Engetobel  bei  Heiden  findet 
sich  z.  B.  noch  ein  Exemplar  von  47  cm  Durchmesser 
und  12  m  Hohe,  bei  Halden  im  Martinstobel  ein 
solches  von  36  cm  Durchmesser.  —  In  manchen  Berg- 
waldern  trifft  man  nicht  selten  uralte  Stocke  von  50  —  60  cm 
Durchmesser,  welche  immer  wieder  samentragende  Stock- 
ausschlage  treiben,  so  in  der  Taminaschlucht  hinter 
Bad  Pfafers,  auf  Dachsenegg  und  Zimmerwiesli  bei 
Schanis,  in  der  Nafleren  bei  Kaltbrunn,  Hof- 
statt  bei  Alt  St.  Johann,  imGlatttobel  beiFla- 
wil.u  Genaue  Hohenangaben  sind  selten,  da  dieselben 
meist  nur  auf  Schatzungen  beruhen.  Dagegen  habe  ich 
eine  ganze  Reihe  von  Mitteilungen  tiber  grossere  Durch- 

*)  Kritische  "Obersicht  iibor  die  Gefasspflanzen  der  Kantone 
St.  Gallen  und  Appenzell. 


442 


messer  erhalten,  aus  denen  hervorgeht,  dass  Stammdicken 
von  20 — 30  cm  bei  uns  noch  ziemlich  haufig  sind.  Die 
grossten  Zahlen  sind  folgende:  Im  Stulserwald  zwischen 
Bellaluna  und  Stuls  stehen  bei  1250  m  zwei  Exem- 
plare  mit  2,10  m  und  2,45  m  Umfang  in  BrusthShe 
(Durchmesser  also  66  resp.  78  cm)  [15] *);  im  Lauelen- 
wald  binter  Eigental  (Unterwalden)  fand  Revier- 
forster  Lussi  Baume  mit  fiber  70  cm  Durchmesser.  In 
den  Klusen  von  Moutier  und  Court  (Berner  Jura) 
stehen  zahlreiche  Baume  mit  50 — 60  cm  Durchmesser 
[164];  in  Herisau  wurde  eine  Eibe  gefallt,  die  „2  Fuss 
iiber  den  Schnitt  massu  [50];  in  Wo  If  ha  1  den  1899  eine 
solche  mit  folgenden  Dimensionen:  Lange  8,50  m,  Stamm- 
durchinesser  in  der  Mitte  21  cm,  Stock  36  cm  [17];  ob 
Villeneuve  auf  1200  m  mass  Badoux  [115]  awei 
Baume  mit  46  und  51  cm  Durchmesser  in  1,3  m  H6he, 
und  10,5  resp.  t)  m  absolute  Hohen. 

Bezirksforster  H  e  r  s  c  h  e ,  Uznach  [182],  berichtet  mir 
folgende  Zahlen:  nordlich  vom  Bildstein-Benken  eine 
Eibe  mit  grossem  geradem  Stamm,  in  Brusthohe  35  cm 
Durchmesser,  Stammhohe  ca.  6  m,  Kronenhdhe  ca.  5  m, 
gleich  11  in  Totalhohe. 

Spitzenegg-Gommiswald:  auf  1  m  Hohe  38cm 
Durchmesser,  dann  sich  in  zwei  Stamme  von  je  22  cm 
Durchmesser  teilend,  ganze  Hohe  7  m. 

Schorruti-Kappel:  Durchmesser  35  cm,  Stamm- 
hohe 1.80  m. 

Schwende-Ebnat:  Durchmesser  35  cm,  Stamm- 
hohe 2,(50  cm. 

Im   Walde   Jean   Mate   der   Gemeinde   Mtinster 

')  Die  in  Klanunor  sti»liondon  Zahlen  verweisen  auf  das  Ver- 
zek'hnis  der  Herichterstntter  ;im  Schlusse  der  Arbeit. 


!&> 


V»..'< 


■' *■■-■■■  «y:  «'  -* 


-■        , 


■ff 


2i.      ^ 


.■•>  .*■« 


VM 


Grosse  Eibe  auf  der  Alp  Brunnenberg  bei  Rtiti  (Rheintal). 

Umfang  am  Boden  3,46  m,  in  Brusthohc  3,15  m ;  in  Mannshohe  teilt  sie  sich  in  x*rc\Vy&&e*.\ 
Oesamthdhe  ca.  10  m.  -  Das  Bild  ist  recht  charakteristisch  tux  dwv  Vxvotxx^yxw  W^»\N»a  *&» 
Eiben.  (Lcidcr  erlaubie  der  ungunsiigt  Standort  nicht  erne  vo\\s\atvd\^t  kutaikunK.  Ar^iwsmm 


<i 


MiucarcfrMMt  •wCMOau««i«t< 


'W  i 


: 


443 


(Berner  Jura)  stehen  bei  ca.  1000  m  auf  exponiertem 
Grat  tJberreste  einer  Eibe.  Noch  vor  zehn  Jahren 
war  der  untere  Teil  des  Stammes  vollst&ndig,  aber  hohl, 
mit  mittlerem  Durchmesser  von  1,20  m.  Jetzt  ist  auf 
den  ostlichen  ca.  2/6  die  Hiille  eingesunken.  Von  Westen 
erscheint  der  Stamm  gesund  mit  ca.  1,3  m  Durchmesser; 
wenige  Meter  uber  dem  Boden  h6rt  der  Stamm  auf  und 
tragt  mehrere  1 — 3  m  hohe  griine  Aste,  resp.  Gipfel. 
(Praktischer  Forstwirt  1888,  p.  111.) 

Auf  der  Alp  Brunnenberg  bei  Riiti  steht  ein 
Exemplar  mit  folgenden  Dimensionen  [114]:  Umfang  am 
Boden  3,46  m  (also  Durchmesser  ca.  1,10m),  in  Brust- 
hohe  3,16  m.  In  Mannshohe  teilt  sie  sich  in  zwei  Dolden; 
die  ganze  Hohe  betragt  ca.  10  m. 

Nach  Christ  (Pflanzenleben)  befindet  sich  ob  Schwyz 
eine  Eibe  mit  60  cm  Durchmesser. 

Wie  alt  mogen  solch  stattliche  Exemplare  sein  ?  Wo 
nicht  direkte  historische  Daten  vorliegen  oder  nicht  Jahr- 
ringe  gezahlt  wurden,  ist  die  Altersschatzung  ausser- 
ordentlich  schwierig.  Der  Eibenstamm  wachst  sehr  lang- 
sam  in  die  Dicke;  aber  trotzdem  die  Jahrringbreite  aus 
vielen  Messungen  auf  2 — 2,5  mm  gefunden  wurde,  d.  h. 
also  die  jahrliche  Dickezunahme  auf  4 — 6  mm,  darf  man 
doch  nicht  ohne  weiteres  daraus  das  Alter  berechnen, 
weil  sehr  oft  bei  alteren  Bauraen  die  aufstrebenden  Aste 
mit  dem  Hauptstamm  verwachsen  und  so  einen  viel 
dickeren  Stamm  vortauschen.  Ganz  alte  Eiben,  die  auf 
1300 — 1600  Jahre  geschatzt  werden,  findet  man  auf  Fried- 
hofen  in  England.  Auch  aus  Deutschland  fuhrt  Jaen- 
nicke  eine  Anzahl  Baume  auf  mit  der  stattlichen  An- 
zahl  von  600 — 1000  Jahren,  freilich  ohne  fur  die  Genauig- 
keit  dieser  Zahlen  Garantie  zu  leisten.    An  solche  alte 


444 


Baume  kniipfen  sich  oft  historische  Uberlieferungen  und 
Sagen  an.  So  soil  z.  B.  ein  Baum  in  Fountain  Abbey 
(York)  1133  bereits  den  Monchen  als  Zufluchtsstatte  ge- 
dient  haben  (Jaennicke). 

Rechnen  wir  mit  Jaennicke  4 — 5  mm  als  jahr- 
lichen  Dickenzuwachs ,  so  diirften  wir  die  Eibe  vom 
G  e  r  s  1 1  e  r  auf  etwa  300  Jahre  schatzen.  Auf  dem  Schnitt 
der  schon  erwahnten  Eibe  von  Herisau  mit  zwei  Fuss 
Durchmesser  wurden  222  Jahrringe  gezahlt;  Forster 
Schmidt  in  Wellhausen  ermittelte  an  zwei  beim  Lust- 
haus  Wellenberg  gefallten  Baumen  1901  das  Alter  auf 
186  Jahre. 

Noch  eine  wichtige  Eigenschaft  des  Stammes  und 
der  Aste  muss  erwahnt  werden.  Der  Baum  besitzt  eine 
enorme  Ausschlagsfahigkeit.  „Uberall  ist  er  bereit, 
aus  schlafenden  Augen  und  bei  Verstiimmelungen  auch 
aus  Sekundarknospen  Wasserreiser  zu  treiben.  Bald  sitzen 
sie  reihenweise  auf  der  Oberseite  starkerer  Seitenaste. 
bald  entspringen  sie  dichtgedrangt  dem  Stamm  und  tiber- 
ziehen  ihn  vollig  mit  einer  grtinen  Hiille.  Bei  Verlust 
des  Gipfeltriebes  tritt  meist  nicht  ein  einzelner  Ersatz- 
trieb,  sondern  ein  ganzer  Biischel  an  seine  Stelle"  (Schroten. 
Kurz,  der  Baum  ist  kaum  umzubringen ;  alte  hohle  Striinke 
treiben  aus  Adventivknospen  neue  Aste  und  Zweige; 
unter  der  Schere  des  Gartners  lasst  sich  die  Eibe  in 
beliebigen  Formen  halten,  ohne  darunter  zu  leiden.  Unter 
den  Bissen  der  Ziegen  und  des  Rindviehs  kann  sie  bis- 
weilen  jene  eigentiimlichen  Formen  bilden,  die  wir  von 
der  Rottanne  unter  dem  Namen  „Geissetannliu  kennen, 
wie  mir  Forstverwalter  Landolt  in  Biiren  (Bern)  von 
den  Weiden  der  Jurahohen  mitteilte. 

Auch  den  B 1  a  1 1  e  r  n ,  gewohnlich  N  a  d  e  1  n  genannt, 


445 


miissen  wir  noch  einige  Zeilen  widmen.  Sie  werden  bis 
35  mm  lang  und  2  mm  breit;  vorn  zugespitzt.  Von  der 
Basis  aus  zieht  sich,  wie  bei  der  Fichte,  ein  sogenanntes 
Nadelkissen  dem  Zweig  entlang  nach  unten.  Die  glanzend 
schwarzgriine  Oberseite  verleiht  dem  Baume  das  dustere 
Aussehen,  die  Unterseite  ist  mattgrun.  Die  Eibennadeln 
werden  bis  acht  Jahre  alt,  daher  die  reichliche  Benade- 
lung  der  Zweige.  In  ihrer  Anordnung  verhalten  sie  sich 
gleich  wie  die  der  Weisstanne.  An  senkrecht  stehenden 
Asten  sind  sie  rund  um  den  Stamm  angeordnet,  etwas 
nach  vorn  gerichtet,  an  den  horizontal  ausragenden  Asten 
dagegen  erscheinen  sie  durch  Drehung  des  kurzen  Stieles 
scharf  gescheitelt.  Einige  auffallige  Beobachtungen  lassen 
sich  bei  uns  iiberall  leicht  machen.  Die  Baume  an  schat- 
tigen  Standorten  haben  immer  viel  grossere  Nadeln  als 
die  an  sonnigen,  so  dass  man  oft  auf  den  ersten  Blick 
im  Zweifel  sein  kann,  ob  man  es  wirklich  mit  der  gleichen 
Pflanze  zu  tun  hat.  Ferner  findet  man  haufig  an  den 
Enden  der  jiingsten  Verzweigungen  die  Nadeln  nicht  ge- 
kammt,  sondern  knospenartig  zusammenneigend.  Das  ist 
eine  krankhafte  Missbildung  unter  dem  Einfluss  einer 
Gallmiicke  (Cecidomya  taxi).  Diese  Gallen  sind  im  Sitter- 
wald  bei  St.  Gallen  und  in  der  Umgebung  von  Zurich  so 
haufig,  dass  stellenweise  alle  Baume  solche  in  grosser 
Anzahl  tragen,  scheinbar  ohne  starke  Schadigung.  Dass 
die  mannlichen  Baume  verschont  bleiben,  kann  ich  im 
Gegensatz  zu  Jaennicke  nicht  bestatigen. 

Die  Fortpflanzung  der  Kibe. 

Wenn  die  Eibe  20  Jahre  alt  ist,  beginnt  sie  ge- 
wohnlich  zu  bliihen.  Sie  ist  im  Gegensatz  zu  unsern 
iibrigen  Nadelholzern   zweihausig,   die   einen  Exemplare 


446 


tragen  nur  m&nnliche,  andere  nur  weibliche  Bliiten.  Be- 
reits  im  Marz  sind  die  Bliiten  vollstandig  entwickelt; 
die  Staubbeutel  entlassen  ibren  Pollen  und  die  Fnihlings- 
winde  tragen  ibn  zu  den  Samenanlagen.  Es  ist  recht 
auffallig,  dass  um  St.  Gallen  herum  wie  bei  Zurich  die 
mannlichen  Bourne  viel  zahlreicher  sind  als  die  weib- 
lichen.  Trotzdem  findet  man  auch  hier  wie  in  der  iibrigen 
Schweiz  nicht  selten  fruktifizierende  Exemplare. 

Die  Bliiten  sind  sehr  einfach  gebaut;  sie  stehen 
immer  auf  der  Unterseite  der  Zweige,  wohlgeschiitzt  gegen 
den  Regen.  Betrachten  wir  im  Friihjahr  die  Zweige 
eines  bliihenden  mannlichen  Baumes,  so  sehen  wir  sie 
auf  der  Unterseite  mit  ganz  kurz  gestielten  braungelben 
Kopfchen  von  etwa  4  mm  Durchmesser  besetzt.  Umgeben 
von  einer  Anzahl  brauner  Schuppen  ragen  6 — 15  Stanb- 
gefasse  hervor,  jedes  wieder  mit  5 — 9  Pollensacken.  Wie 
alle  Windblutler  muss  eben  die  Eibe  grosse  Massen  trockenen. 
leichten  Bliitenstaub  entwickeln.  Schlagt  man  bei  trockenem 
Wetter  an  den  bliihenden  mannlichen  Ast,  so  sieht  man 
ganze  gelbe  Wolken  aufsteigen. 

Die  weibliche  Bliite  ist  die  denkbar  einfachste 
Bliite.  Sie  besteht  namlich  nur  aus  einer  Samenanlage 
(Ovulum)  am  Ende  eines  ganz  kurzen  Zweigleins.  Ein 
schiitzender  Fruchtknoten  fehlt.  Am  vordern  Ende  des 
Ovulums,  auf  der  sogen.  Mikropyle,  findet  man  einen 
wassorhellen  Tropfen,  von  (Jem  die  durch  den  Wind 
herbeigewehten  Pollenkorner  aufgefangen  werden.  In 
diesem  Flussigkeitstropfen  keimen  die  Pollenkorner  aus; 
der  Pollenschlauch  dringt  im  Ovulum  bis  zur  Eizelle,  wo 
die  Befruchtung  stattfindet. 

Aus  der  Samenanlage  entwickelt  sich  spater  der 
dunkelbraune,  harteSame.  Der  fleischrote  Becher, 


447 


in  dem  er  steckt,  ist  keine  eigentliche  Fruchthnlle,  sondern 
eine  Bildung  von  der  Basis  des  Ovulums  aus,  ein  soge&. 
Arillus.  Der  Laie  mag  diese  ganze  Bildung  als  eine 
Beere  bezeichnen.  Ein  reichlich  fruktifizierender  Eiben- 
baum  gewahrt  im  August  und  September  einen  wunder- 
hubschen  Anblick;  er  ist  dann  uber  und  uber  bedeckt 
mit  scharlachroten,  zart  blaulich  bereiften  Becherchen, 
in  deren  Tiefe  man  vorn  den  braunen  Samen  erblickt. 
Der  rote  Samen  mantel  ist  sussschmeckend  und  essbar; 
er  besteht  aus  einem  schleimigen  Gewebe,  das  „Faden 
ziehtu ;  „Schnuderbeeria  heissen  die  Eibenfruchte  im 
Dialekt. 

Die  Verbreitung  der  Samen  erfolgt  durch  Vogel, 
hauptsachlich  Drosseln,  Amseln  und  Bachstelzen,  welche 
von  dem  aus  dem  dunkeln  Grim  der  Nadeln  hervor- 
leuchtenden  roten  Friichtchen  angelockt,  die  ganzen 
Friichtchen  verschlingen,  die  Samen  aber,  die  durch  eine 
harte  Schale  geschiitzt  sind,  unverdaut  und  in  keimf  &higem 
Zustand  wieder  absetzen.  Eine  hiibsche  Beobachtung 
dieser  Art  berichtet  mir  Herr  de  B  Ion  ay,  Lausanne: 
„Dans  nos  pares  et  jardins,  la  propagation  de  1'If  est 
frequents  sous  les  cedres,  sur  lesquels  les  oiseaux  vont 
digerer  les  graines  recueillies  dans  le  voisinage ;  les  pepins 
tombent  sur  un  lit  d' aiguilles  de  cedres  et  sont  recou- 
vertes  des  ces  aiguilles,  ce  qui  parait  etre  une  condition 
tres   favorante  a  leur  germination  et  a  leur  croissance." 

Da  die  Vogel  rasch  reisen,  konnen  sie  die  Samen  oft 
weit  transportieren,  wahrend  sie  ihren  Darmkanal  passieren. 
So  erscheint  es  gar  nicht  wunderbar,  wenn  da  oder  dort 
einmal  weit  weg  von  alien  Standorten  der  Eibe  gelegent- 
lich  im*  Wald  ein  einsames  Exemplar  auftritt.  So  fuhrt 
Aubert  wohl  mit  Recht  die  zwei  B&ume  Au  Soliat  im 


448 


Jouxtal  auf  eine  Einfuhrung  durch  Vogel  zuruck.  Ahn- 
lich  durfte  sich  die  einzige  Eibe  erklaren,  die  im  Walde 
von  Oberhausen  bei  Tobel  (Thurgau)  beobachtet  wurde, 
aber  schon  ah  junges  Baumchen  einem  Frevler  zum  Opfer 
fiel  [34],  Uber  Beobachtungen,  die  den  Transport  durch 
Vogel  beweisen,  schreibt  mir  auch  Herr  Kantonsoberforster 
Seeli  in  Glarus:  „Die  Eibe  ist  in  den  Waldungen  des 
Kantons  Glarus  ein  sehr  seltener  Baum.  Ganz  besonders 
beobachtet  man  ihn  in  Felsritzen,  wo  nur  Vogel  ihre 
Zuflucht  haben.  Dieser  Umstand  wird  ganz  besonders  die 
Veranlassung  sein  zu  Anflugen,  die  ich  in  letzter  Zeit 
an  zwei  Waldstellen  am  Fusse  von  hohen  Felsen  be- 
obachtet habe,  so  einerseits  im  Klontal-Vorauen,  auf  der 
linken  Seite  des  sogen.  Sulzbaches,  andrerseits  im  Gasi- 
Tschachen,  auf  der  rechten  Seite  des  Escherkanals.  Beide 
Stellen  sind  schon  mit  10 — lSjahrigen  Eiben  verjungt, 
die  ihr  Dasein  wohl  den  Exkrementen  der  Vogel  ver- 
danken.  Da  in  beiden  Waldungen  keine  samentragenden 
Mutterbaume  sich  vorfinden,  so  kann  ich  eine  Verjungung 
auf  anderem  Wege  kaum  erklaren.  —  Der  Umstand,  dass 
die  jungen  Eiben  vielfach  unmittelbar  am  Stamme  anderer 
Baume  emporwachsen,  lasst  wohl  schiiessen,  dass  die 
Vogel  (Raben,  Bergdrosseln  etc.)  ihre  Exkremente  vom 
Gipfel  der  Baume  fallen  liessen.u 

Die  Samen  behalten  ihre  Keimfahigkeit  bis  drei 
Jahre ;  im  ersten  Jahr  nach  der  Reife  keimen  nur  wenige, 
im  zwei  ten  die  meisten,  im  dritten  nur  noch  wenige.  Wo 
ein  weiblicher  Baum  steht,  findet  man  bei  uns  gewohn- 
lich  auch  reichlichen  jungen  Nachwuchs. 

So  erhielt  ich  Berichte  liber  reichliche  naturliche 
Verjungung  aus  Samen:  z.  B.  von  Reute  [2],  Walzen- 
hausen  [18],  Brunnadern  [25],  Mammern  [33],  Oberegg  [65], 


449 


Kirchberg  [82],  Chillon  [116],  Chur  [14],  Wadenswil  [14], 
Turbental  [38],  Baden  [160].  Von  Wolf  halden  [17]  schreibt 
man  mir,  dass  auf  einem  Komplex  im  Gem,  wo  vor 
20  Jahren  noch  kein  Stuck  stand,  jetzt  ca.  26 — 30  vor- 
handen  sind,  darunter  solche  von  3  m  Lange.  Berneck 
[149]  berichtet  kurz  und  biindig:  „Nachwuchs  mehr  als 
una  lieb."  Auch  aus  dem  Distrikt  Rolle  und  Nyon  [92] 
heisst  es :  „Dya  actuellement  plus  d'exemplaires  qu'il  ne 
a' en  trouvait  il  y  a  un  demi  siecle."  Selbst  in  der  Hohe 
von  1000—1600  m  bei  Bellaluna  (Albula)  scheint  sie  sich 
eher  zu  vermehren,  wie  aus  den  zahlreichen  jungen  Baum- 
chen  geschlossen  werden  muss  [36]. 

Wenn  man  die  zahlreichen  Berichte  der  Art  liest, 
kommt  man  zur  Uberzeugung,  dass  in  der  Schweiz  von 
einem  naturlichen  Rlickgang  nicht  gesprochen  werden 
kann ;  dass  sich  die  Eibe  im  Gegenteil  durch  ihre  Samen 
immer  mehr  auszubreiten  versucht. 

Auf  feuchtem   Boden   keimt   der   Same;    ein   neuer 

Baum  wachst  heran.     Die  junge  Eibe  ertragt,  mehr  als 

ein   anderes  Nadelholz,  Schatten  und  die  Kronentraufe ; 

doch  kann  sie  auch,  wie  das  Vorkommen  an  Felswanden 

beweist,   an  sonnigen  Standorten  aufgehen.     Aber  eines 

scheint  sie  nur  schwer  zu  ertragen,  den  plStzlichen  tJber- 

gang  von  Schatten  zur  Sonne.     Bei  Verpflanzung   aus 

dem  Schatten  ans  Licht  beginnen  die  Baume  zu  serbeln. 

Beispiele  dafur   findet   man  in   alien  Parkanlagen.     An 

eines  mochte  ich  nur  erinnern.    Im  Sommer  1903  sollte 

eine  alte  unschone  Eibe  im  obern  Briihl  (St.  Gallen)  durch 

ein   schoneres   Exemplar   ersetzt   werden.     Das   geschah 

wohl;    aber    das    stattliche    neue   Exemplar    ging   nach 

wenigen  Wochen  wieder  ein ;  es  hat  das  Sonnenlicht  nicht 

ertragen  konnen. 

*2a 


460 


Noch  beweisender  sind  jene  Falle,  wo  bei  Kahlschlag 
einzelne  Eiben  als  tJberstander  stehen  gelassen  wurden. 
So  schreibt  mir  der  Stadtforster  von  fiischofszell  [81]: 
„Wenn  im  Groldachtobel  das  andere  Holz  geschlagen,  die 
Eiben  aber  stehen  gelassen  wurden,  fingen  sie  an  zu 
kummern,  wurden  gelb,  und  ihre  Friichte  waren  viel 
kleiner  als  fruher,  oder  die  der  nebenan  im  Schatten 
stehenden."  Ahnliche  Beobachtungen  machte  Revierforster 
Lussy  in  Nidwalden  und  Professor  Schroter  bei  Sihl- 
brugg. 

Ausser  durch  Samen  kann  man  den  Eibenbaum 
kiinstlich  leicht  durch  Stecklinge,  selbst  armdicke,  ver- 
mehren,  die  sich  rasch  bewurzeln  und  bald  zu  stattlichen 
Baumen  heranwachsen. 

Auch  in  der  Natur  scheint  ein  ahnlicher  Vorgang 
bisweilen  stattzufinden,  indem  die  untersten  Aste  sich 
bis  auf  den  Boden  senken,  dort  Wurzeln  schlagen,  so 
dass  im  Kreis  um  den  alten  Baum  eine  ganze  Familie 
junger  entsteht.  So  berichtet  mir  Herr  Forstinspektor 
Delacoste  aus  Visp:  „La  propagation  de  cette  espece 
interessante  a  lieu  encore  plus  par  le  moyen  du  marcottage 
naturel  que  pas  le  reensemencement  naturel  qui  certaine- 
ment  se  presente  aussi.  Les  branches  flexibles  et  rap- 
prochees  du  sol  par  Teffet  de  la  neige  et  des  pierres  tendent 
a  se  rapprocher  encore  davantage  de  celui-ci,  et,  recouvertes 
peu  a  peu  de  terreau  et  de  pierres,  elles  finissent  par  prendre 
racine  et  de  donner  naissance  a  de  nouveaux  individus 
qui  restent  longtemps  encore  en  contact  intime  avec  leur 
parents:  un  pareil  groupement  ne  peut  etre  mieux  com- 
pare qu'a  une  vigne  provignee.u 


461 


Die  Giftlgkeit  der  Elbe. 

Uber  die  Gifbigkeit  der  Eibe  ist  schon  viel  gestritten 
worden.  Curioser  botanicus  oder  Sonderbahres  Krauter- 
buch  vom  Jahre  1730  berichtet:  „dass  der  gantze  Baum 
giftig,  ja  auch  der  Schatten  desselben  schadlich  sey,  wird 
von  vielen  beglaubigt",  eine  Notiz,  die  auf  Dioskorides 
und  Plinius  zuriickgeht.  Noch  heute  berrscht  an  einzebien 
Orten  die  Meinung,  dass  ein  junges  Obstbaumchen,  dem 
man  einen  eibenen  Pfahl  gebe,  unfehlbar  verdorren 
werde  [31].  Dass  die  Eibe  giftige  Eigenschaften  besitzt, 
ist  sicher.  Namentlich  Pferden,  aber  auch  dem  Rindvieh 
kann  der  Baum  leicht  gef  ahrlich  werden.  Ich  habe  auch 
Mitteilung  von  etwa  zehn  Fallen  der  Art  erhalten;  aber 
abgeklart  ist  die  Frage  noch  nicht.  Wie  unsicher  und 
schwankend  die  Anschauungen  dariiber  auch  jetzt  noch 
sind,  zeigen  folgende  Ausfiihrungen  Jaennickes  (a.  a. 
O.  1901):  „Bezuglich  der  Giftigkeit  der  Eibe  sind  noch 
immer  so  viele,  die  grellsten  Widersprtiche  bergenden 
Ansichten  und  Tatsachen  verbreitet,  dass  ein  sicheres 
Urteil  erst  nach  langerem  Studium  der  physiologischen 
Wirkungen  und  chemischen  Versuchsreihen  moglich  sein 
wird.  Seit  der  Vergiftung  des  Catavolgus  durch  Taxus, 
berichtet  von  Julius  Caesar  (De  hello  Gallico  VI,  31), 
liegen  eine  grosse  Zahl  von  Beobachtungen  vor,  welche 
aber  durchweg  der  inneren  Ubereinstimmung  entbehren. 
Tax  in,  ein  vorzugsweise  in  den  Blattern  enthaltenes 
Alkaloid,  gilt  als  das  Gift  der  Eibe.  —  —  Lowe  hat 
des  ofteren  an  sich  selbst  die  Wirkung  des  Taxins  ge- 
priift  und  erklarte  es  als  ein  mit  Digitalis  und  Convallaria 
vorteilhaft  kontrastierendes,  weitere  ausfuhrliche  Beob- 
achtungen verdienendes  Herzmittel.  Kleinere  Dosen  von 
3—8  mg   verlang8amen   die  Herztatigkeit,   wahrend   der 


452 


Herzdruck  deutlich  zunimint;  gr5ssere  unterdrucken  die- 

selbe. Pferde,  iiberhaupt  Einhufer   und  Rindvieh. 

auf  welche  der  Genuss  von  Eibenblattern  am  nachteiligsten 
wirkt  (was  jedoch  in  der  landwirtschaftlichen  Praxis  nicht 
in  alien  Fallen  bestatigt  wird),  konnen  sich  scheinbar 
durch  tagliches  Fressen  kleinerer  Portionen  auf  der  Weide 
an  das  Gift  gewohnen  (vgl.  die  bereits  erwahnten  ver- 
bissenen  Eiben  aus  dem  Jura),  allein  grosse  Vorsicht,  wie 
ubereinstimmend  zugegeben  wird,  ist  angezeigt,  nachdem 
das  Vieh  langere  Zeit  im  Stalle  gestanden  hat  und  dann 
leicht  mehr  davon  frisst  als  zutraglich.  Von  Vogeln  ver- 
zehren  Truthiihner,  Pfauen,  Drosseln  und  andere  die  Beeren 
ohne  Nachteil,  wahrend  Fasanen  leicht  durch  Eibenblatter 
Schaden  nehmen.  Lowe  hat  geaussert,  dass  vielleicht 
in  der  Eibe  noch  andere  Alkaloide  enthalten  sein  mochten; 
dann,  ob  das  Gift  in  den  mannlichen  Pflanzen  nicht 
starker  als  in  den  weiblichen  vertreten  sei,  oder  ob  nicht 
der  Gehalt  an  Gift  ohne  Riicksicht  auf  das  Geschlecht 
aus  andern  Ursachen  mehr  oder  weniger  wechsle,  da  sich 
nur  auf  diese  Weise  die  zahlreich  vorliegenden,  teilweise 
recht  kapriziosen  Beobachtungen  von  Vergiftungsfallen 
und  diametral  gegenseitigem  Verhalten  erklaren  lassen. 
Es  liegen  Falle  vor,  wo  Kinder  nach  dem  Genusse  der 
Beeren  —  die  Samen  sollen  sehr  giftig  sein  —  unter 
Anzeichen  von  Vergiftungen  starben,  wahrend  in  anderen 
Fallen  keine  besorgniserregenden  Zufalle  sich  einstellten. 
Andererseits  ist  der  Abkochung  der  Blatter  eine  abortive, 
der  „Sabinau  ahnliche  Wirkung  zugeschrieben  worden. 
(Auch  im  Prattigau  wird  diese  Anschauung  vertreten  [77]). 
Jedenfalls  scheint  der  Genuss  Vorsicht  zu  erfordem  und 
wird  am  besten  ganz  unterlassen." 

Man  sieht  aus  diesen  Ausfuhrungen  am  besten,  wie 


463 


wenig  die  gauze  Frage  noch  abgeklart  ist.  Jedenfalls 
ist  es  das  beste,  den  von  Jaennicke  gegebenen  Bat 
zu  befolgen. 

Die  Verwendung  der  Elbe. 

In  meinem  Zirkular  an  die  Mitglieder  des  schweize- 
rischen  Forstvereins  hatte  ich  auch  die  Frage  nach  dem 
forstlichen  Wert  der  Eibe  gestellt,  und  die  Antworten 
lauteten  ubereinstimmend,  dass  derselbe  so  ziemlich  gleich 
Null  zu  setzen  sei.  Das  kommt  in  erster  Linie  davon 
her,  dass  die  Eibe  von  alien  unseren  Waldbaumen  die 
langsamste  Holzproduktion  besitzt,  so  dass  ihre  Zucht 
auf  gutem  Boden  sich  niemals  lohnen  kann ;  auf  geringem 
Waldboden,  an  sehr  steilen  Abhangen  der  Bachschluchten 
usw.  kann  sie  vielleicht  doch  noch  rentabel  sein;  denn 
auch  heute  noch  findet  bei  uns  die  Eibe  vielfach  Ver- 
wendung. 

Friiher  freilich  hat  die  Eibe  eine  viel  grossere  Be- 
deutung  gehabt  als  heutzutage.  Sie  lieferte  das  wichtigste 
Rohmaterial  fur  Armbr ustbogen;  denn  ihr  Holz 
ist  sehr  zah  und  elastisch.  Die  Bogen  der  alteren  Zeit 
waren  alle  aus  Eibenholz  hergestellt,  so  dass  Eibe  und 
Bogen  geradezu  gleichbedeutend  sind.  Am  9.  Oktober 
1523  ladt  die  Stadt  Winterthur  z.  B.  zu  einem  Schiitzen- 
fest  ein  durch  „Ein  messif  vnd  Verkiindung  eines  Schiessens 
mit  den  Iben  oder  Bogenu  [112].  Auch  der  Name  Eiben- 
schtitz  =  Bogenschiitz  zeugt  in  gleicher  Eichtung. 

Eine  zeitlang,  namentlich  im  16.  Jahrhundert,  be- 
stand  ein  reger  Eibenexport  aus  der  Schweiz  nach  Eng- 
land.   So  schreibt  Prof.  Vetter1):  „In  Pellikans  drittem 


*)  Englische  Fliichtlinge  in  Zurich  wahrend  der  ersten  Half  to 
des  16.  Jahrhunderts.  (Neujahrsblatt  der  Stadtbibliotbek  in  Ziirich 
auf  das  Jahr  1893,  p.  5/6.) 


454 


Kostg&nger  treffen  wir  einen  Vertreter  der  englischen 
Nation  (William  Petersen),  der  auch  in  ernsten  Zeiten 
seinen  Handelstrieb  nicht  ganz  unterdriicken  kann.  — 
Das  Kaufmannische  zeigt  sich  in  dem  Versuche,  aus  der 
Schweiz  Holz,  welches  sich  zu  Bogen  verarbeiten  liess, 
nach  England  zu  importieren ;  aber  die  erste  Sendung, 
welche  aus  Glarus  kam  und  .in  Zurich  vorlaufig  zubereitet 
wurde,  befiiedigte  nicht,  und  so  wird  dem  vielbeschaftigten 
Bullinger  zugemutet,  sich  auch  solcher  Dinge  anzunehmen 
und  dafur  besorgt  zu  sein,  dass  eine  zweite  Lieferung 
besser  ausfalle.  In  der  Tat  scheint  der  stets  hulfsbereite 
Mann  sich  sogar  diesem  Freundschaftsdienst  unterzogen 
zu  haben;  sonst  wiirde  es  ein  anderer  Englander  zwei 
Jahre  spater  kaum  haben  wagen  durfen,  Bullinger  zu 
bitten,  er  mochte  den  Rat  von  Zurich  dazu  bestimmen, 
dass  er  in  einer  stadtischen  Waldung  das  Schlagen  von 
Holz  erlaube,  das  sich  besonders  gut  zu  Bogen  eignete.* 
An  einer  andern  Stelle  der  zahlreichen  Briefe  aus  jener 
Zeit  ist,  nach  Mitteilung  von  Herrn  Prof.  Vetter,  auch 
davon  die  Rede,  ein  Stuck  Wald  am  Albis,  in  welchem 
dieses  „Holz  fur  Bogen"  vorzuglich  gedeiht,  zu  erwerben. 
In  alien  diesen  Fallen  handelt  es  sich  naturlich  uin 
Eibenholz.  Doch  will  ich  nicht  Geschichte  schreiben, 
sondern  in  der  Gegenwart  bleiben ;  ich  verweise  iibrigens 
auf  Lowe  und  Jaennicke. 

Auch  heute  noch  weiss  man  bei  uns  die  Elastizitat 
des  Eibenholzes  zu  schatzen.  Die  Armbrust  ist  nicht 
mehr  die  Waffe  des  modernen  Schtitzen,  und  wo  sie  noch 
im  Sport  und  fur  Jugendschiessen  gebraucht  wird,  ist  der 
eibene  Bogen  meist  durch  Stahl  ersetzt ;  aber  viele  Schutzen 
scheinen  die  „Eibeu  immer  noch  vorzuziehen.  So  wird 
mir  aus  Affoltern  a.  A.  [68]  berichtet:   „Hier  werden 


465 


von  Ostermontag  bis  Auffahrt  oder  Pfingsten  nach  alter 
Sitte  die  ersten  Schiessiibungen  mit  der  Armbrust  fur 
die  Schulkinder  abgehalten.  Diese  Armbriiste  sind  meist 
mit  Eibenholzbogen  versehen,  und  werden  diese  Instru- 
mente  den  sogen.  Bolliger-Armbriisten  mit  Stahlbogen 
immer  noch  vorgezogen."  Auch  in  Nidwalden  spielt  der 
Eibenbogen  noch  eine  Rolle  [80].  Aus  dem  Thurgau 
schreibt  mir  ein  alter  Schiitze  [64]:  „Ich  schiesse  heut- 
zutage  —  als  67jahriger  —  mit  einer  „Eibeu  und  erziele 
Resultate  wie  mit  Stahl,  auf  30  m  Distanz  ein  Scheiben- 
bild  von  25  cm  Durchmesser  selten  fehlend."  So  ein 
Armbrustbogen  wird  aus  zwei  bis  drei  Auf lagen  schon 
gewachsenen  Eibenholzes  hergestellt  und  liefert  ein  gleich- 
massig  weittragendes  Instrument.  (Speicher  [16]). 

Ebenfalls  wegen  seiner  Elastizitat  ist  das  Eibenholz 
noch  heute  beliebt  fur  Peitschenstocke.  Junge,  grade 
gewachsene  „Eitannenu  werden,  wenn  sie  die  richtige 
Starke,  etwa  Daumendicke,  erreicht,  von  der  Jugend 
haufig  gefrevelt.  Vor  dreissig  Jahren  zahlte  man  in 
Olten  z.  B.  per  Stuck  derartiger  Stocke  16—25  Rappen 
[107].  Aus  dem  gleichen  Grunde  eignet  sich  das  Holz 
ausgezeichnet  fiir  Bergstocke.  „Dafiir  wurde  ein  ganzes, 
gerade  gewachsenes  Tannchen  mit  moglichst  wenig  Asten 
zur  Winterszeit  geschnitten.  Bis  zur  Verarbeitung  band 
man  dieselben  fest  an  eine  gerade  Stange,  bis  sie  aus- 
getrocknet  waren.  Diese  Bergstocke  waren  sehr  leicht, 
ausserst  zahe,  aber  doch  „wedleichu  (biegsam,  weiden- 
ahnlich),  was  namentlich  bei  Rutschpartien  angenehm 
war.  Dagegen  sprang  das  Holz  mitunter  durch  das 
Biegen  der  Lange  nach,  weshalb  wir  unten  einige  Eisen- 
ringe  in  einiger  Entfernung  anbrachten  und  zudem  die 
Stocke  vor  voraussichtlich  schwerem  Gebrauch  eine  Nacht 


456 


in  den  Brunnen  legten.a  Ein  weiterer  Vorfceil  der  eibenen 
Stocke  vor  denen  aus  andern  Holzarten  ist  ausser  der 
grosseren  Elastizitat  der  Umstand,  daas  sie  im  Winter 
sich  weniger  kalt  anfuhlen  [16]. 

"Wegen  des  langsamen  Wachstums  des  Baumes  wird 
das  Holz  dicht  und  fein;  dabei  bleibt  es  leicht  zu  ver- 
arbeiten  und  wird  deswegen  und  wegen  seiner  fein  orange- 
gelben  bis  tief  rotbraunen  Farbe  gem  zu  Drechsler- 
und  Schnitzarbeiten  aller  Art  verwendet.  Es  darf 
fiir  Kunsttischler,  Drechsler  etc.  als  eines  der  feinsten 
europaischen  Holzer  bezeichnet  werden.  „Es  versorgt  das 
Rebland  im  Jura  mit  Fasshahnen"  (Christ).  Fiir  Salat- 
bestecke,  Papiermesser,  Nadelbiichsen,  Strumpfkugeln, 
Zahnstocher,  Oberlanderhauschen  etc.  konsumiert  das 
Berner-Oberland  noch  heute  sehr  viel  Eibenholz.  Aus 
der  ganzen  Schweiz  werden  schone  Eibenstamme  von 
Brienz  und  Thun  aus  aufgekauft.  Ho  gehen  z.  B.  aus 
den  Stadtwaldungen  am  Hockler  bei  Zurich  jedes  Jahr 
einige  Kubikmeter  Eibenstamme  bester  Qualitat  nach 
Brienz  [84].  In  St.  Gallenkappel  wurden  vor  einigen 
Jahren  fiir  astreine  kernrote  Stamme  2  Fr.  per  60  kg 
von  Brienz  aus  bezahlt  [113],  Auch  Qui n ten  [140], 
Affoltern  a.  A.  [68],  Hugelshofen  [41],  Vevey  [115], 
Orbe  [124],  Boudry  [164]  sandten  und  senden  zum 
Teil  noch  ihre  schonsten  Stamme  bisweilen  in  ganzen 
Wagenladungen  dorthin. 

Eine  weitere  wertvolle  Eigenschaft  des  Eibenholzes 
ist  seine  Widerstandsf  ahigkeit  gegen  Faulnis.  Im  feuchten 
Boden  soil  es  mindestens  so  lange  oder  noch  langer  aus- 
halten  als  Eichenholz.  Grenzpfosten,  Zaunpfahle, 
Rebstickel  etc.  werden  deswegen  in  den  Eibengebieten 
aus  diesem  Holz  hergestellt.    Ein  eibener  Rebstickel  soil 


467 


100  Jahre  halten  [49]  oder  mindestens  3 — 4  tannene  iiber- 
dauern  [103].  Von  ca.  25  Orten,  aus  der  deutschen,  fran- 
zosischen  und  italienischen  Schweiz,  wurde  mir  von  dieser 
Art  der  Verwendung  berichtet.  Einige  Preisangaben 
haben  vielleicht  etwas  Interesse.  In  Morschwil  wurde 
der  Hagpfahl  von  1,5  m  Lange  und  ca.  5  cm  Dicke  mit 
1  Fr.  bezahlt  [81];  in  Wolfhalden  kostet  ein  gleich 
langerPfahl,  10-20  cm  dick,  1— 1,60  Fr.  [17];  in  Gru- 
yeres  wurden  fur  1,70  m  lange  und  10  —  20  cm  dicke 
sogar  2  Fr.  bezahlt  [74]. 

Soviel  ist  mir  bekannt  geworden  iiber  die  Verwertung 
des  Holzes  in  der  Schweiz.  Aber  auch  Eibenreisig 
findet  reichlich  Verwendung.  Die  dunkelgriinen  Zweige, 
die  zudem  leicht  biegsam  sind,  machen  ihn  wie  geschaffen 
zu  Dekorationszwecken.  Triumphbogen  aus  Eiben- 
reisig wurden  schon  aufgestellt  in  Bernhardzell  [81], 
Bazenheid  [82],  Pelagiberg  [121].  In  Vers  am  besteht 
die  Sitte,  dass  bei  Hochzeiten  die  Ture  der  Braut  mit 
Eibenkranzen  geschmiickt  wird  [93].  Fast  uberall  in 
katholischen  Gebieten  spielt  sie  auch  die  Rolle  der  Palme 
am  Palmsonntag  und  wird  deswegen  da  und  dort  direkt 
flP&lmeli"  genannt.  Und  zwar  herrscht  diese  Sitte  so- 
wohl  in  der  deutschen  Schweiz:  Risch  (Zug)  [63],  Unter- 
vatz  [168],  als  auch  in  der  franzosischen :  Attalens  [132], 
Gruyeres  [166].  In  der  Tat  konnen  wir  uns  neben  der 
Stechpalme  kaum  einen  Baum  denken,  der  an  diesem 
Festtage  die  Palme  so  gut  ersetzt  wie  die  Eibe. 

Noch  seien  zwei  recht  prosaische  Arten  der  Ver- 
wendung des  Eibenreisigs  angefuhrt.  Im  Zurcher  Ober- 
land  [64]  und  im  Fricktal  [7]  waren  namentlich  fruher 
Stubenbesen  aus  Eibenreisig  sehr  beliebt.  Die  bieg- 
samen  Aste  schmiegen  sich  dem  Boden  leicht  an  und  die 


468 


reichlichen  Nadeln  zeichnen  sich  dadurch  vorteilhaft  vor 
denen  der  Rottannen  aus,  dass  sie  nicht  abfallen.  An 
einigen  Orten,  z.  B.  Bazenheid  [82]  und  Hugelshofen  [41], 
braucht  man  Eibenreisigwasser,  urn  dem  Vieh  die  Lause 
zu  vertreiben. 

Bevor  wir  dieses  Kapitel  schliessen,  sei  wenigstens 
noch  hingewiesen  auf  die  Eibe  als  Zierbaum.  Es  gibt 
auch  heute  kaum  eine  grossere  Gartenanlage,  in  der  die 
Eibe  fehlt,  bald  in  normaler  Form,  bald  in  irgend  einer 
Spielart.  Im  wohltuenden  Gegensatz  zu  fruheren  Zeiten 
lasst  man  den  Eiben  heute  meistens  ihre  natiirliche  Ge- 
stalt.  Frtiher  wurde  sie  zu  phantastischen  Formen  zu- 
geschnitten.  Selbst  Statuen  und  Tiere  entstanden  da 
unter  der  Schere  des  Gartners.  Die  jetzige  und  fruhere 
Verwendung  der  Eibe  als  Zierbaum  beruht  hauptsachlich 
auf  ihrer  dichten  Benadelung;  sie  bildet  leicht  undurch- 
sichtige  Hecken  und  Gebiische. 

Seit  alter  Zeit  ist  die  Eibe  auch  ein  Baum  unserer 
Fried  hofe.  In  ihrem  dusteren  Gewande  ist  sie  wie 
geschaffen,  bei  uns  die  Cypresse  des  Sudens  zu  ersetzen. 
Wie  alt  dieser  Brauch  ist,  moge  Folgendes  zeigen:  „Gi- 
raldus  Cambrensis,  der  1184  Irland  besuchte,  hat  in 
seiner  Topographia  Hiberni®  bereits  dieser  Tatsache  ge- 
dacht,  wahrend  schon  Ossian  die  Eibe  als  einen  Trauer- 
baum  der  Kelten  bezeichnete.  In  Beziehung  damit  scheint 
der  eigentiimliche  Umstand  zu  stehen,  dass  alle  Adjektive, 
die  seit  fruhester  Zeit  und  namentlich  in  der  altenglischen 
Dichtung  mit  der  Eibe  in  Verbindung  gebracht  sind,  auf 
Trauer,  Sorge  und  Tod  sich  beziehen.  Nach  anderer 
Meinung  hatten  die  Druiden  den  Baum  in  ihren  heiligen 
Hainen  und   Opferkreisen  gepflanzt,  und  sei  diese  Sitte 


\ 


469 


in  christlicher  Zeit  auf  die  Friedli6fe  und  Tempel  uber- 
tragen  worden."  (Jaennicke.) 

Das  jetzige  Vorkommen  dor  Elbe  in  der  Schweiz. 

Taxtis  baccata  gehort,  wenn  auch  stellenweise  nur 
vereinzelt  vorkommend,  zu  den  verbreitetsten  Waldb&umen 
Mitteleuropas.  Ascherson  und  Grabner1)  umschreiben 
sein  Gebiet  folgendermassen :  „Er  erstreckt  sich  vorzugs- 
weise  liber  das  Bergland  Mittel-  und  Sliddeutschlands 
(inkl.  Belgien,  Oberschlesien  und  Slidpolen),  das  Alpen- 
und  Karpathen-System,  wo  der  Baum  vorzugsweise  auf 
kalkreichem  Boden  gedeiht,  und  bis  liber  1100  m  (in  den 
slidlichen  Karpathen  1600  m)  ansteigt.  Viel  weniger 
verbreitet  ist  er  im  nordlichen  Tiefland."  Ausserhalb 
dieser  Gebiete  findet  sich  der  Baum  noch  in  „Frankreich, 
britische  Inseln,  Danemark,  slidliches  Norwegen  bis  621/*, 
Schweden  bis  61  °,  Alands-Inseln,  westliches  Esthland 
und  Livland,  Kurland,  Russisch-Littauen,  Wolhynien, 
Polodien,  Krim,  Kaukasus,  untere  Donaulander,  Gebirge 
des  Mittelmeergebietes  in  Slideuropa,  Algerien,  Klein- 
asien,  Amanus  in  Nordsyrien.u 

Un8ere  Karte  stellt  also  nur  einen  kleinen  Ausschnitt 
aus  dem  ganzen  Gebiet  der  Eibe  dar;  aber  gewiss  nicht 
den  armsten.  Das  klarste  und  libersichtlichste  Bild  der 
Verbreitung  der  Eibe  in  der  Schweiz  gibt  ein  Blick  auf 
die  Karte !  Suchen  wir  sie  aber  doch  mit  einigen  Worten 
zu  charakterisieren.  Das  Mittelland  ist  verhaltnis- 
inassig  arm  an  Eiben;  viel  reicher  sind  die  ihm  zu- 
gekehrten  Abhange  unserer  beiden  Gebirgsketten.  Im 
Jura  zieht  sich  die  Eibe  von  Schaffhausen  bis  Genf; 
an  beiden  Enden  allerdings  nur  vereinzelt,  im  Gebiet  von 

*)  Synopsis  der  mitteleurop&ischen  Flora.    Leipzig  1896 — 98. 


460 


Baden  bis  Orbe  sehr  haufig.  Die  vorderste,  dem  Mittel- 
land  zugekehrte  Kette,  ist  die  reichste ;  je  tiefer  wir  ins 
Gebirge  eindringen,  urn  so  armer  an  Eiben  werden  die 
Walder. 

Ganz  ahnlich  verhalt  sie  sich  in  den  Alp  en.  Dem 
Innern  derselben  fehlt  sie  fast  vollstandig,  nur  im  Albulatal 
und  Rhonetal  dringt  sie  tiefer  ein;  sonst  beschrankt  sie 
sich  auf  die  Vorberge.  Am  nordwestlichen  Alpenrand 
treten  vierVerbreitungszentren  besonders  hervor :  St.Gallen- 
Appenzell ;  Vierwaldst&ttersee  -  Rigi ;  Thunersee ;  un teres 
Rhonetal.  Dazu  k&me  noch  mehr  im  Innern  der  Alpen: 
Walensee-Rheintal.  Am  Sudfusse  der  Alpen  bildet  der 
Sottocenere  ein  eigenes  Zentrum. 

Im  Mitt  el  land  zeigt  sich  eine  deutliche  Zunahme 
nach  Nordosten.  Von  Genf  bis  Aargau  nur  ganz  ver- 
einzelt,  tritt  die  Eibe  um  Zurich  (tltliberg-Albis)  plStzlich 
in  Massen  auf.  Winterthur-Tosstal-Toggenburg  bildet 
ein  grosses  zweites  Zentrum;  kleinere:  Immenberg-Wellen- 
berg  und  Nordabhang  des  Seeruckens. 

Es  ist  interessant,  nach  den  Griinden  zu  suchen, 
die  diese  doch  auffallige  Verteilung  der  Eibe  in  der 
Schweiz  bedingen.  In  erster  Linie  konnte  man  klima- 
tische  Ursachen  vermuten,  namentlich  Feuchtig- 
kei ts verhaltnisse.  Die  Eibe  ist  namlich  von  alien 
unsern  immergninen  Nadelholzern  am  wenigsten  gegen 
das  Austrocknen  geschiitzt.  Die  Epidermis  ihrer  Bl&tter 
ist  verhaltnismassig  schwach  verdickt.  Den  Spaltdffhungs- 
gruben  fehlen  die  bei  den  Tannen  etc.  vorkommenden 
Wachspfropfen  vollstandig.  Wir  werden  unsern  Baum 
also  von  vornherein  in  den  relativ  feuchten  Gebieten 
suchen. 

Ein  Yerg\e\c\i  m\V»  ^t  ftYVVwiUar'achan  Regenkarte 


Eiben  als  Felspflanzen  bei  Quinten  am  Walensee. 


461 


der  Schweiz  ergibt  nun  in  der  Tat,  dass  die  Eibe  den 
excessiv  trockenen  Gebieten  und  denen  mit  ausgepragt 
kontinentalem  Klima  fast  oder  vollstandig  fehlt:  inneres 
Wallis,  Biindner  Hochland,  Mittelland  l&ngs  dem  Jura. 
Die  Hauptverbreitungszentren  am  Alpenrand  liegen  wirk- 
lich.  im  Gebiet  relativ  reicher  Niederschl&ge ;  ebenao  ist 
im  Jura  die  Strecke  Olten-Solothurn,  wo  sie  besonders 
reichlich  vertreten  ist,  fur  den  Osthang  des  Jura  ver- 
haltnism&ssig  niederschlagsreich. 

Sobald  wir  aber  die  Niederschlagszahlen  herbeiziehen, 
sehen  wir,  dass  die  Feuchtigkeitsverh&ltnisse  zur  Er- 
klarung  der  Verbreitung  nicht  ausreichen.  Ich  gebe  zu- 
nacbst  die  Mittelzahlen  der  meteorologischen  Elemente1) 
(40jahriges  Mittel)  einzelner  Stationen  aus  den  Haupt- 
verbreitungszentren der  Eibe: 

Hoke         Niedrodilag        Mitteltemperatur  in  °  C. 

in  d  ii  on  Jihr  Juur  Jili 

Unteres  Rhonetal: 

Montreux  380         1107 

Thunersee : 

Beatenberg  1160  1453 
Vierwaldstattersee : 

Luzern  463         1153 

Ziirichsee : 

Zurich  719         1139 

Tosstal: 

Winterthur  445  1147 
Immenberg : 

Frauenfeld  427  1113 
St.  Gallon: 

St.  Gallen  703        1372  7,2      —2,0       16,6 

l)  Nach  gii tiger  Mitteilung  der  Meteorologischen  Zentral- 
station  in  Zurich. 


.0 

+  1,0 

19,4 

6 

-1,9 

14,6 

8,5 

-1,3 

18,3 

8,6 

-M 

18,4 

8,3 

-1,6 

18,1 

8,2 

-1,7 

17,9 

462 


Seerucken : 

Hobe 
in  m 

Ki<dm«iUg 

Mitteltemperatur 
Jahr             Jaiair 

in«  C 

Jili 

Kreuzlingen 

425 

1029 

8,6 

-1,3 

18,2 

Rheintal : 

Altstatten 

460 

1279 

8,6 

-1,7 

18.1 

Chur 

610 

836 

8,4 

-1,3 

17,6 

Jura: 

Chaumont 

1128 

999 

5,6 

—  2,2 

14,4 

Neuenburg 

488 

936 

8,9 

-0,9 

18,8 

Olten 

396 

1006 

8,7 

—  1;2 

18.4 

Sottocenere : 

Lugano 

275 

1708 

11,3 

+  1,3 

21,5 

Man  vergleiche  die  Niederschlagsmengen  von  Chur. 
Neuenburg,  Olten  einerseits  mit  Lugano,  Beatenberg, 
St.  Gallen  andrerseits,  um  sofort  zu  erkennen,  dass  in  den 
Niederschlagsverhaltnissen  allein  nicht  der  Grund  der  Be- 
schrankung  auf  diese  Zentren  liegen  kann ;  der  grosste 
Teil  der  librigen  Schweiz  liegt  zwischen  diesen  Extremen. 

Schon  aus  obiger  Tabelle  geht  auch  hervor,  dass 
nicht  die  Mitteltemperaturen  ein  ausschlaggebender 
Faktor  sind.  Das  wird  noch  einleuchtender  bei  Beriick- 
sichtigung  weiterer  Stationen  (fur  die  die  mittleren  Nieder- 
schlagszahlen  leider  fehlen)  aus  den  Eibengebieten : 

Sargans 

Seewis  (Prattigau) 
Wildhaus  (Toggenburg) 
Weissenstein  (Jura) 
Ebnat  (Toggenburg) 
Gersau  (Vierwaldstattersee) 

Das  heisst  also,  die  mittlere  Jahrestemperatur  bewegt 


Hone  ia  o 

Jakr 

Jili 

Juur 

607 

8,7 

17,7 

—  1.1 

950 

6,7 

16,6 

-2,3 

1116 

6,2 

14,8 

—  1.5 

1285 

4,5 

13,0 

-2,9 

649 

6,8 

16,5 

-3,0 

442 

9,3 

18,3 

+  0,2 

463 


rich  zwischeii  6  und  11°,  die  Julitemperatur  zwischen 
14  und  21  °,  die  Januartemperatur  zwischen  —  3,6  und 
+  l,3o. 

Fur  den  Pflanzengeographen  besitzen  die  obersten 
Standorte  einer  Art  ein  besonderes  Interesse.  Ich  stelle 
darum  hier  noch  die  „hochsten  Eiben"  aus  Alpen  und 
Jura  z  us  am  men. 

Alpen:  Weissiiifi  bei  Mutten  (am  Schynpass)     1700  m 
Siidabhang  der  Kurfirsten      ....     1700  m 

Ob  Troosen  (Santis) 1600  m 

Am  Schanielen-Bach  (Prattigau)  .  .  1600  m 
An  der  Albula  zu  Stuls  und  Bellaluna  1600  m 
Kobelwald  des  Schilztales  ....  1400  m 
Lamuz  am  Kunkelspass  (B.  Sch.  Bot. 

Ges.  XI.) 1400  m 

Jura:      La  Corne,   westlich   von   La  Br^vine 

(Neuchatel) 1200  m 

Nord westlich  von  Les  Ponts  ....     1160  m 

Siid westlich  von  Le  Locle     ....     1100  m 

Les  Planchettes  dessous  (Neuchatel)   .     1100  m 

(Weitere  hohe  Standorte  siehe  weiter  unten  im  Ver- 

zeichnis  samtlicher  Eibenstandorte.) 

Die  klimatischen  Bedingungen  fur  diese  extremen 
Standorte  lassen  sich  leider  nicht  genau  angeben,  da  sie 
meist  ziemlich  woit  von  der  nachsten  meteorologischen 
Station  entfernt  sind.  Fur  die  Temperatur  konnen 
immerhin  durch  Interpolation  aus  zwei  Stationen  der 
weitern  Umgebung  Naherungsziffern  erhalten  werden; 
fur  die  Regenmenge  ist  das  freilich  unmoglich.  Fur  die 
Alpenstandorte  berechnete  ich  folgende  Durchschnitts- 
temperaturen : 


Jitonhld 

Juitr 

Mi 

Mutten 

1700  m 

1,9 

-8,2 

11,3 

Curfirsten 

1700  m 

3,7 

-2,0 

11,9 

Troosen 

1600  m 

6,6 

-4,6 

12,9 

Schanielenbach 

1600  m 

3,5 

-4,2 

11,9 

Bellaluna 

1600  m 

3,1 

-7,0 

12,6 

464 


Iittrpobtrt  m 
fa  Aigifci  tm 

Char  and 

Davos 

Sargans 

undEbnat 

Ebnatund 

Wildhaua 

Char  and 

Seewis 

Char  and 

Davos. 

Die   hochsten   Jurastandorte  liegen    im   Gebiet  von 

LaBrevine  und  La  Chauxdef onds  allerdings  etwas 

hoher.     Die   Mitteltemperaturen   dieser  beiden   Stationen 

sind  genau  bekannt: 

Jihmaittd  Jtour  M 

La  BreWine  1080  m      4,5         —3,96       13,40 

La  Chauxdefonds         990  m       6,01       —2,76       16,42 

Die  Zahlen  von  La  Brevine  mogen  for  Locle  und 
Les  Planchettes  ann&hernd  gtiltig  sein.  For  La  Corni 
and  Les  ponts  erhalt  man  durch  Interpolation  aus  den 
beiden  B-eihen  ungefahr:  Jahresmittel  3  °,  Januar — 4,1°, 
Juli  11«. 

Demnach  macht  also  die  Eibe  erst  bei  einer  Jahres- 
mitteltemperatur  von  ca.  2°,  einem  Januarmittel  von 
—  7  bis  8°  und  einem  Julimittel  von  ca.  11,6°  definitiv 
halt;  mit  andern  Worten,  sie  ertragt  ein  ziemlich  kaltes 
Klima. 

Ein  ziemlich  ausgepragter  Zusammenhang  zeigt  sich 
zwischen  geologischer  Unterlage  und  Verbreitung 
der  Eibe.  Im  grossen  Ganzen  ist  sie  auf  die  Kalk- 
gebiete  beschrankt.     Der  Jura,  das  Mittelland,  der 


466 


ganze  Nordabfall  der  Alpen,  das  Bheintal  bis  hinauf  nach 
Filisur,  iiberall  sind  kalkreiche  Gesteine.  Leider  fehlen  mir 
ganz  genaue  Angaben,  was  fur  geologische  Schichten  im 
Einzelfalle  vorhanden,  und  aus  der  geologischen  Karte 
lasst  sich  wegen  der  Mor&nenschuttbedeckung  meist  nicht 
viel  dafur  herauslesen.  Die  Standorte  im  Innern  des 
Kantons  Wallis  widersprechen  einer  Annahme  von  Be- 
vorzugung  des  Kalkgesteins  durch  die  Eibe  auch  nicht 
direkt.  Im  ganzen  ist  sie  auch  dort  beschrankt  auf  den 
Siidabhang  der  Berneralpen,  also  in  der  Hauptsache  Kalk- 
gebiet.  Fur  das  Oberwallis  betont  Forstinspektor  Dela- 
coste  ausdrucklich :  ^CVest,  en  general,  le  long  des  bisses 
(Wasserleitungen)  sur  des  terrains  calcaires  bien  frais  et 
fertiles  que  Ton  le  rencontre  le  plus  frequemment." 

Einzig  die  zerstreuten  Standorte  in  den  Tessiner- 
alpen  liegen  zum  grossten  Teil  so  vollstandig  im  Gneiss- 
gebiet,  dass  die  Annahme,  die  Eibe  sei  in  der  Schweiz 
kalkstet,  nicht  zulassig  ist.  Immerbin  wiirde  eine  Unter- 
suchung  an  Ort  und  Stelle  vielleicht  doch  zeigen,  dass 
diese  zerstreuten  Standorte  in  Beziehung  zu  einzelnen 
Kalkbandern  stehen,  die  den  Tessinergneiss  da  und  dort 
durchziehen.  Fiir  ein  blosses  Bevorzugen  des  Kalkbodens 
spricht  auch  das  Verhalten  der  Eibe  in  Sottocenere. 
Herr  Forstinspektor  Freuler,  Lugano,  schreibt  mir 
daruber:  „Besonders  zahlreich  begegnet  man  den  Eiben 
auf  dem  Porphyr  (Brusio-Arsizio  z.  B.) ;  dann  kommt  die 
Eibe  in  auffallend  grosser  Zahl  auf  dem  Dolomitband 
vor,  das  bei  Rancate  im  Mendrisiotto  beginnend,  zum 
Monte  San  Giorgio  aufsteigt.  Zahlreich  und  in  sehr 
schonen  Exemplaren  erscheint  sie  im  weitern  auf  der 
Kalkbreccie  am  Fusse  des  Generoso  (Capolago).  Ver- 
haltnismassig  selten  ist  sie  auf  dem  Glimmerschiefer,  doch 

30 


466 


habe  ich  sie  auch  dort,  besonders  in  tiefern  Lagen.  fast 
in  alien  Talschaften  beobachtet." 

Nach  alien  diesen  Angaben  lasst  sich  also  die  Eibe 
in  der  Schweiz  entschieden  als  kalkliebend,  wenn  auch 
nioht  als  direkt  kalkfordernd  bezeichnen.  Und  bis  zu 
einem  gewissen  Grad  steht  gewiss  ihre  Verbreitung  mit 
dieser  Eigenschafb  zusammen.  Sie  erklart  uns  zum  min- 
desten,  warum  sie  in  ausgedehnten  Teilen  der  Alpen, 
deren  Klima  sie  nicht  direkt  ausschliessen  wiirde,  aber 
fur  sie  doch  nicht  als  besonders  giinstig  erscheint,  fehlt. 

Zur  Erkl&rung  der  liickenhaften  Verbreitung  der  Eibe 
in  der  Schweiz  konnte  man  auch  geneigt  sein,  die  An- 
nahme  zu  machen,  dass  sie  urspriinglich  fiber  das  ganze 
Gebiet  mehr  oder  weniger  gleichmassig  verteilt  gewesen 
sei;  dass  sie  mit  fortschreitender  Kultur  durch  die 
Axt  des  Menschen  auf  grosse  Strecken  ganz  ausgerottet 
worden  sei.  An  einer  stellenweisen  Vernichtung  diirfen 
wir  nicht  zweifeln,  namentlich  da  wir  wissen,  wie  oft  in 
den  unter  der  Axt  gehaltenen  Staatswaldern  die  Eibe 
fehlt,  wahrend  sie  in  den  bisweilen  weniger  „rationella 
bewirtschafteten  Privatwftldern  der  gleichen  Gebiete  noch 
haufig  ist.  Aber  diese  Einzelbeobachtungen  auf  grosse 
Gebiete  auszudehnen,  berechtigt  uns  nichts.  Die  Annahme 
eines  Zuriickdrangens  der  Eibe  im  grossen  durch  die 
Kultur  gibtuns  vor  allem  auch  keine  Antwort  auf  fol- 
gende  Fragen:  Warum  sind  die  doch  langer  unter  der 
Axt  stehenden  ausseren  Ketten  des  Jura  eibenreicher  als 
die  inneren?  Warum  das  nordliche  Mittelland  reicher 
als  das  siidliche? 

Wenn  wir  also  die  Frage  nach  den  Ursachen  der 
jetzigen  Verbreitung  zusammenfassend  beantworten  wolle^ 
so  konnen  wir  nur  anfuhren :  bis  zu  einem  gewissen  Grade 


467 


ist  sie  bedingt  in  erster  Linie  durch  die  geologische  Unter- 
lage  und  in  zweiter  durch  die  Niederschlagsverh&ltnisse. 
Eine  wirklich  geniigende  Erklarung  geben  aber  diese 
beiden  Faktoren  nicht. 

Ein  paar  Worte  wenigstens  verlangt  die  Art  des 
Vorkommen8  der  Eibe.  In  der  Eegel  bildet  sie  nur 
das  Unterholz,  wozu  sie  wegen  ihrer  Unempfindlichkeit 
gegen  Sohatten  und  die  Kronentraufe  geradezu  geschaffen 
ist.  Ak  vereinzelter  Einsprengling,  haufiger  aber  in 
grdsseren  oder  kleineren  Horsten  findet  sie  sich  innerhalb 
ihres  Verbreitungsgebietes  am  haufigsten.  Sie  scheint 
den  Nadel-  und  Mischwald  eher  vorzuziehen;  so  nach 
Christ  im  Jura.  Dm  St.  Gallen  herum  gedeiht  sie  tiberall 
im  Nadel-  und  Mischwald.  Doch  meidet  sie  auch  den 
Laubwald  nicht  vollstandig,  so  bei  Wegenstetten  [7], 
am  Seeriicken  [33]  und  im  Tessin. 

Ein  typisches  Bild  des  Auftretens  der  Eibe  bieten 
die  zahlreichen  Eibenvorkommnisse  um  St.  Gallen  herum. 
Bald  1  oder  2  Stuck,  bald  Gruppen  von  4 — 6  Stuck, 
dann  wieder  in  grosseren  Horsten;  ebenso  bei  Zurich. 
Zwischen  grossern  Horsten  und  eigentlichen  Bestanden 
gibt  es  keine  scharfe  Grenze.  Am  Nordufer  des  Thuner- 
sees  ist  sie  stellenweise  auf  grossere  Strecken  so  haufig, 
dass  sie  die  herrschende  Holzart  wird.  Eine  hubsche 
Schilderung  entwirfb  Freuler l)  von  einem  Eibenbestand 
in  der  Schlucht  des  Wildbaches  Cassone  bei  Lugano ;  ich 
gebe  ihm  zum  Schluss  dieses  Abschnittes  nochmals  das 
Wort:  „Aus  einiger  Entfernung  betrachtet,  glaubt  man 

!)  „Forstliche  Vegetationsbilder  aus  dem  Tessin."  (Atti  della 
Societa  elvetica  di  Scienze  naturali  86"1*  Session  e.  Locarno  1903. 
Auch  als  Nr.  2  der  botanischen  Exkursionen  und  pflanzengeogra- 
phischen  Monograpbien  in  der  Schweiz.) 


468 


es  hier  mit  einem  lockeren  Weisstannenwald  zu  tun  za 
haben.  Die  Eibe  stockt  hier  teils  auf  einer  kalkigen, 
lochrigen  Nagelfluhbank,  teils  auf  Bundnerschiefer.  In 
der  Hauptsache  halt  sie  sich  an  den  Nordabhang  der 
Schlucht,  steht  aber  auch  auf  der  Hohe,  sowie  auf  dem 
West-  und  Siidabfall  des  Nagelfluhfelsens.  Der  ganze 
Eibenwald  liegt  zwischen  390  und  560  m  ii.  M.  Im 
Gegensatz  zum  sonstigen  Auftreten  der  Eibe  bildet  sie 
hier  nicht  das  Unterholz  des  Laubwaldes,  sondern  das 
sorgsam  geschonte  Oberholz  eines  Ausschlagwaldes,  der 
sich  aus  Ostrya  carpinifolia,  Quercus  cerris  und  pubescefis, 
Corylus  avellana,  Celtis  australis,  Castanea  vulgaris.  Fiats 
carica,  Fraxinus  ornus  und  excelsior  etc.  etc.  zusammen- 
setzt.  Gegen  die  lithologische  Unterlage  scheint  die  Eibe 
hier  ganz  indifferent  zu  sein,  wie  auch  gegeniiber  dem 
Boden;  denn  sie  ist  bald  eine  Erd-,  bald  eine  Felsen- 
pflanze.  An  ausgewachsenen  Baumen  mogen  hier  etwas 
liber  hundertstehen,  deren  Brusthohendurchmesser  zwischen 
26  und  43  cm  schwankt;  die  Hohe  bewegt  sich  bei  den 
schoneren  Exemplaren  urn  die  10  Meter." 


469 


Liste  der  Eibenstandorte. 


In  der  folgenden,  nach  Kantonen  geordneten  Liste  sind  alle 
mir  bekannt  gewordenen  Standorte  aufgefuhrt.  Im  grossen  Ganzen 
musste  ich  mich  dabei  auf  schriflliche  Mitteilungen  stiitzen ;  die 
meisten  Kantonalfloren  geben  eben  nur  das  allgemeine  Vorkoinmen 
der  Eibe  ohne  genaue  Lokalitatsangaben.  Diejenigen  Arbeiten, 
denen  ftir  das  Verzeichnis  etwas  entnommen  werden  konnte,  sind 
an  der  Spitze  der  Kantone  angefuhrt.  Auf  die  Gewabrsmanner 
weisen  die  in  Klammer  beigeftigten  Ziffern  bin,  die  iibereinstimmen 
mit  der  am  Schlusse  der  Arbeit  gegebenen  Liste.  Auf  der  Karte 
habe  ich  so  genau,  als  der  Masstab  erlaubte,  die  Standorte  ein- 
getragen,  und  zwar  bedeutet  ein  Punkt  reichliches,  ein  Ring  ver- 
einzeltes  Vorkommen.  Da  die  Angaben  in  dieser  Richtung  nicht 
uberall  spezifiziert  waren,  ist  natilrlicb  die  Scheidung  keine  absolut 
zuverlassige. 

Vollstandigkeit  wird  niemand  von  mir  verlangen.  Immerhin 
glaube  ich  nicht,  dass  ausgedehntere  Eibenvorkommnisse  auf  der 
Karte  fehlen.  Zur  Sicherheit  habe  ich  die  meisten  Kantone  vor  der 
Publikation  noch  einigen  Forstmannern  vorgelegt.  Eine  Bitte 
sei  mir  endlich  noch  gestattet  an  alle  diejenigen,  welche 
sich  die  Miihe  nehmen,  das  Standorts-Verzeichnis  und 
die  Karte  zu  durchgehen:  Irrtiimer,  Auslassungen,  die 
sie  entdecken,  mttchten  sie  mir  direkt  mitteilen,  damit 
ein  spaterer  Nachtrag  dasFehlende  ergilnzen  kann.  Allen 
denen,  die  mich  bisher  mit  Mitteilungen  unterstiitzt  haben,  noch- 
mals  meinen  besten  Dank. 

1.  St.  Gallen-Appenzell. 

[Literatur :  Wartmann  und  Schlatter :  Getasspflanzen  von  St.  Gallen 
und  Appenzell;  Baumgartner:  Das  Curtirstengebiet.  1901.  Brief- 
liche  Mitteilungen  von:  1,  2,  7,  16,  17,  18,  25,  31,  39,  50.  55, 
67,  78,  81,  82,  97,  102,  110,  113,  114,  116,  118,  119,  121, 
131,  135,  140,  148,  149,  182,  183.] 
Eine  Hauptzone  sehr  dichter  Verbreitung  zieht  sich  von  Alt- 
statten-Rheineck  iiber  St.  Margrethen-Heiden-Rorschach-St.  Gallen 
bis  nach  Teufen-Herisau.  Im  iibrigen  Vorland  und  Toggenburg 
ist  die  Eibe  mehr  zerstreut;  reichlicher  wird  sie  im  Gebiet  des 
Wale n sees  und  der  Seez  bis  nach  Ragaz.    Im  obern  Rheintal,  den 


470 


alpinen  Gebieten  des  Oberlandes  und  der  Santiskette  mehr  ver- 
einzelt.  — 

Die  meisten  Standorte  liegen  an  den  Abhangen  der  tief  ein- 
geschnittenen  Tobel :  die  Eibe  kommt  aber  am  Nordufer  des  Walen- 
sees  auch  als  typische  Pelsenpflanze  [181]  vor;  in  den  leicht  zu- 
ganglichen  Waldern  mit  intensiver  Bewirtschaftung  scheint  sie 
durch  die  Forstkultur  vernichtet  zu  sein  ;  denn  wo  man  sie  in  Ruhe 
lasst,  verjiingt  sie  sich  tiberall  sehr  stark  selbstfindig. 

Als  hSchste  Standorte  werden  von  Wartmann  und  Schlatter 
angegeben:  im  Kobelwald  des  Schilztales  bei  1400  m,  ein  Exem- 
plar mit  20  cm  Durchmesser ;  ob  Troosen  als  Strauch  in  siidlicher 
Exposition  bis  1600  m,  am  Hfidernberg  bei  Alt  St.  Johann  bis 
1800  m.  Baumgartner  gibt  fur  den  Sudhang  der  Kurfirsten  1700  m 
als  oberste  Grenze  an. 

Standorte:  Rheintal:  UmTriibbach  und  Azmoos,  Sevelen- 
Buchs,  zwischen  Grabs  und  Wiidhaus,  von  Wildhaus  bis  Rati 
uberall  vereinzelt.  Riiti:  auf  der  Alp  Brunnenberg  (ein  grosses 
Exemplar,  junge  nicht  selten),  am  Hi rschen sprung  und  auf  dem 
St.  Valentinsberge  viele  [114].  Oberriet-Eichberg.  Unterhalb  Alt- 
statten  beginnend  bis  Rheineck  uberall:  Leuchingen,  Rebstein, 
Marbach,  Balgach,  Berneck,  Reute,  Walzenhausen ,  Oberegg, 
St.  Anton  [2,  7,  18,  31,  55,  78,  149,  182,  183]  mit  reichlichera 
Nachwuchs.    Ebenso  urn  Heiden  und  Wolfhalden. 

Goldach:  oberster  Standort  zwischen  Trogen  und  Ruppen 
[16],  von  Rehetobel  und  Eggersriet  bis  unterhalb  MOrsch- 
wil  massenhaft;  stellenweise  an  den  Tobelabh&ngen  fast  Bestand 
bildend  [1,  16,  116]. 

S  t  e  i  n  a  c  h :  Im  Galgentobel  in  Menge. 

Sittergebiet:  Am  Weissbach  [50] ,  Brandbach,  Gmunder- 
tobel  bei  Teufen.  Im  Tal  der  Sitter  unterhalb  Teufen  beginnend. 
und  ebenso  im  untern  Teil  des  Tales  der  Urnasch  haufig:  vom 
Kubelwerk  ab  warts  bis  gegen  Bischofszell  an  den  steilen  H&ngen 
der  Sitter  selbst  und  ihren  kleineren  Zuflussen  uberall,  bald  mehr 
vereinzelt,  bald  in  Menge  [16,  50,  81,  118,  121]. 

GebietderThur:  G 1  a  1 1  a  1 :  Sch  wellbrunn  (Nordabhang 
der  Risi),  ostlich  von  Herisau  und  Lutzenland,  Gossau,  Oberglatt, 
Flawil,  Degersheim  [16,  39,  102,  Wartmann  und  Schlatter]. 

T  og  g  e  n  b  u  r  g :  Hofstatt  und  Hfidernberg  bei  Alt  St.  Johann 
[Wartmann  und  Schlatter],  Schoriitti  bei  Ebnat  (an  dem  Hdhen- 
zug  vom  Speer  zur  Kreuzegg  ofter),  Kappel  an  den  Bacheingangen, 
Wattwil,  Lichtensteig.    Im  Untertoggenburg  einzeln  fast  in  alien 


471 


Waldern,  am  meisten  urn  Kirchberg  und  Liitisburg,  Brunnadern 
i^auf  einem  alten  Bergsturzgebiet  im  Schartenwald  yon  ca.  1  ha 
besteht  fast  saintliches  Unterholz  aus  Eiben  [182]),  Mogelsberg, 
Mosnang,  St.  Peterzell  [Wartmann  und  Schlatter,  16,  25,  82,  135, 
148,  182]. 

Seebezirk:  St.  Gallenkappel,  Kaltbrunn,  Schftnis,  Weesen, 
Schaniserberg  bis  1400  m,  einzelne  Exemplare  bei  Wurmsbach, 
Spitzenegg-Gauen  und  Nafleren- Kaltbrunn  [113,  182,  Wartmann 
und  Schlatter]. 

Oberland:  Am  Nordufer  des  Walensees  von  Quinten 
bis  Walenstadt  als  Felsenpflanze  fast  iiberall,  ferner  bei  Batlis  und 
Amden  [Wartmann  und  Schlatter,  67,  110,  119,  131,  140],  bei 
Quart  en,  Flums  (in  den  Gufferen,  Spanilohwand,  Kohlwerk, 
Graphing,  Grossberg,  Kleinberg  etc.),  Mels  (Gitzikopf  ob  Rag- 
natsch,  Ragnatschwald,  Palmenwand  etc.),  im  Seeztobel  gegen 
Weisstannen  (hauptsftchlich  bei  Vermol) ;  Sargans  (am  Gonzen  und 
Falinienbach),  Vilters  (im  Tobel  hinter  dem  Dorf),  Ragaz  (Bad- 
hotel)  [119];  Staatswaldungen  von  Niclausen  und  Valens-Bovel 
[140],  Taminaschlucht  hinter  Bad  Pfafers  [Wartmann  u.  Schlatter]. 

2.  Thurgau. 

[Brietliche  Mitteilungen  von  11,  20,  29,  33,  34,  36,  40,  41,  65, 
66,  81,  100,  141,  157,  184.] 

Im  Kanton  ist  die  Eibe  sehr  liickenhaft  verbreitet;  drei  Haupt- 
verbreitungsbezirke  treten  hervor:  1)  Nordabhang  des  Seerlickens 
von  Eschenz  bis  Tiigerwilen,  2)  nordliche  Abdachurig  des  Hohen- 
riickens  vom  Wellenberg  bis  Haarenwilen  und  des  Immenberges, 
8)  Hiigel  des  Hinterthurgaus.  Sonst  mehr  vereinzelt.  Den  aus- 
gedehnten  Laubwaldungen  des  Oberthurgaus  und  den  Abhangen 
gegen  den  Bodensee  fehlt  sie  vollstiindig  [141]. 

Standorte:  1.  Seeriicken-Nordabhang.  Tagerwilen, 
Fruthwilen,  Salenstein,  Berlingen,  Glarisegg,  Steckborn  (sehr  viele), 
Mammern,  Seehalde  ob  Neuburg  isehr  viel),  Gaishof  (Gemeinde 
Kaltenbach,  580  m,  Nordabhang  des  Stammheimerberges),  aufder 
Spitze  des  Rodenberges  (Bezirk  Diessenhofen)  [11,  20,  29,  33, 
41,  141,  157). 

2.  Wellenberg-Immenberg.  Uberall  in  den  Tobeln  von 
Wellhausen,  Mettendorf,  Hiittlingen,  Eschikofen,  Bietenhard, 
Haarenwilen,  Griesenberg  [11,  34,  36,  40,  100,  141]. 

3.  Hinterthurgau.  Dussnang,  Oberwangen,  Littenhaid 
[141],  Fischingen  [65],  Haselberg  (massenhaft)  [184]. 


i 


472 


4.  Weitere  Standorte.  Staatswaldtmgen  Kalchrain  und 
Steinegg  [34,  65],  Ittingerwald  [184],  am  Ottenberg,  am  Nord- 
abhang  (Gemeinde  Ottenberg  und  Hugelshofen)  [36,  41],  Horn- 
burgertobel  [184];  Aumuhle  bei  Frauenfeld  [66],  Lauftertobel  in 
der  Gemeinde  Gottshaus  bei  Bischofszell  und  dann  den  linksufrigen 
Sitterhang  aufwarts,  anschliessend  an  die  Eiben  im  St.  Galler- 
Sittertal  [81],  Roggwil  [184]. 

3.  Schaffhansen. 

[Literatur:  Meister:  Flora  von  Schaffhausen.  1887.  Briefliche 
Mitteilungen  von  49,  51,  95,  120,  157.] 
Die  Eibe  ist  sehr  selten.  Aus  dem  Hauptteil  des  Kantons 
stehen  mir  nur  folgende  Angaben  zur  Verfugung :  Nordabhang  des 
Hallauerberges  gegen  das  Wuttachtobel  einige  wenige  Exemplare 
[51,  120],  ferner  ein  Exemplar  bei  Teuggibuck  (Neunkirch)  am 
siidttstlichen  Ausl&ufer  des  Hinterhemmig,  ostlich  vom  Ergoltinger 
Tal  [95].  In  der  Gemeinde  Ramsen  im  Staffel,  westiich  des  Ein- 
flusses  der  Biber  in  den  Rhein  [157]  und  bei  Opfertshofen  [Meister]. 

4.  ZUrlch. 

[Literatur:  Keller:  Flora  von  Winterthur.  1896.    Briefliche  Mit- 
teilungen von  1,  4,  5,  6,  8,  21,  26,  32,  38,  45,  46,  54,  56,  57, 
58,  63,  64,  65,  75,  84,  94,  99,  103,  125,  134,  147,  158.] 
H.  H.  =  Herbarium  helveticum  Polyt.  helv. 
H.  T.  =  Hebarium  turicense  Univ.  turic. 

Im  Kanton  Zurich  besitzt  die  Eibe  zwei  Verbreitungszentren. 
Das  eine  umfasst  die  Abhange  des  TOsstales  von  Wald  bis  Winter- 
thur ;  an  den  weniger  leicht  zuganglichen  Stellen  und  in  den  Privat- 
waldungen  ist  sie  besonders  hauflg ;  iiberall  fruktifizierend  und  mit 
reichlichem  Jungwuchs.  Das  zweite  Zentrum  bildet  der  Ctliberg 
und  die  Albiskette,  wo  sie  stellenweise  fast  bestandbildend  auftritt. 
In  den  iibrigen  Gebieten  ist  die  Eibe  ein  ziemlich  seltener  Gast. 

Standorte:  Oberland:  Rtiti,  Diirnten,  Wald,  Allmann, 
Schnebelhorn,  Tfissstock,  Baretswil  bis  Bauma,  HSrnli,  Turbental 
gegen  Xeubrunn  und  Oberhofen,  Schauenberg  bis  Elgg,  Hegiberg 
gegen  Elsau,  Hegi,  Tossberg  gegen  Hohwiilflingen,  im  hintern 
Eschenberg  bei  Winterthur,  Kyburg,  Stadtwald  Winterthur  (und 
andere  Standorte  um  Winterthur  herum)  [Keller,  H.  T.,  4,  8,  26, 
38,  45,  54,  56,  57,  63,  64,  65,  84,  125,  147,  158]. 

Glatttal:  Hombrechtikon  (in  einem  Hoi zbe stand  bei  Rang- 
hausen  lauter  junge  Baume)  [21],  Wald  ob  Binz  bei  Maur  (ein 


473 


Exemplar  4  m  hoch),  Hoh-Geeren  bei  Diibendorf  ein  10  ra  hohes 
Exemplar  (vielleicht  jetzt  geschlagen)  [32]. 

Pfannenstielkette:  Nur  ganz  vereinzelt;  Obermeilen  l/« 
mid  */♦  Stunde  iiber  dem  See  je  ein  Exemplar,  nahe  bei  der  Oken- 
hfthe  eine  ganze  Allee,  ca.  50  Stuck,  mit  Nachwuchs  [1],  bei 
Mftnnedorf,  rechts  von  der  Strasse  nach  Krenzlen  ein  Exemplar 
[H.  H.],  bei  Zollikon  bis  ca.  1860  in  den  sogen.  Stocken  noch  eine 
Anzahl  [108].  Klissnacht  2  —  3  Stiick  im  Tobel  [75],  eine  kleine 
Kolonie  im  Tobel  des  Eleph  an  ten  baches  bei  Zurich ;  je  ein  Exem- 
plar stand  im  jetzigen  Dolderpark  und  im  Degenried. 

Sihltal  und  Albiskette:  Steilufer  der  Sihl  bei  Hutten  in 
grOsseren  Best&nden  [1],  Albis  von  der  Schnabellucke  bis  zum 
Ctliberg ;  im  untern  Teil  in  viel  grOsserer  Zahl  (Hochwacht,  Adlis- 
wil,  Pelsenegg,  Baldern,  HOckler  etc.  etc.)  [H.  H„  8,  46,  84]. 

Auf  der  vorderen  Kette:  Neuhalde,  Gemeinde  Hirzel  ob 
Horgen,  Wadenswil,  in  der  Lugwies  bei  der  Au  [5,  134]. 

Westabhang  des  Albis:  Bei  Affoltern  a.  A.  (am  Ostabhang 
des  sogen.  Muhleberges  bis  gegen  Wolfenhof  und  Turler-Augster- 
tal)  600 — 740  m,  ziemlich  zahlreich  ;  noch  weiter  talwarts  bis  zur 
Aumuhle  recht  gut  vertreten.  —  Auch  am  Westhang  der  Albiskette, 
selbst  am  Bergvorsprung  zwischen  Buchenegg  und  Tiirlersee  [58]. 

Am  Irchel  nur  wenige  Exemplare  [63]. 

Auf  der  Nordseite  der  Lagern  ein  Exemplar  [6]. 

5.  Glarus. 

[Literatur:  Wirz:  Flora  des  Kantons  Glarus.  1893/96.  Brietifche 
Mitteilungen  von  88,  173,  175.] 
Die  Eibe  ist  im  Kanton  Glarus  ein  seltener  Gast.  Wirz  gibt 
allgemein  an :  "W  alder  der  Bergregion  bis  950  m.  Genaue  Stand- 
ortsangaben  kamen  mir  nur  vier  zu:  Jm  Klontal-Vorauen,  auf 
Felssimsen ;  im  Gasi-Tschachen  rechts  vom  Escherkanal  (junger 
Anflug)  [88],  Sandwald  bei  Linthtal  1200  —  1300  m  [173];  in 
der  sogen.  Elgis  zwischen  Glarus  und  Netstal  auf  der  rechten  Seite 
der  Linth  in  Felskopfen  [175J.  Nach  Rhiner  auch  beim  Grenz- 
bach  Bilten. 

(>.  (wraubiinden. 

[Literatur:   Brugger  (Chur),  Killias  «. Unterengadin),  Geissler  und 

Fisch  (Davos),  Schroter  (St.  AntOnien),  Kaeser,  Schroter  und  Stebler 

(Avers),  Geiger  (Bergell).  Briefliche  Mitteilungen  von  14,  15,  35, 

42,  72,  77?  93,  101,  104,  131,  168,  173.] 


474 


Die  Eibe  fblgt  dem  Vorderrhein  bi9  Panix,  dem  Hinterrhein 
bis  zur  Viamala,  geht  von  dort  der  Albula  nach  bis  nach  Stuls : 
im  Prattigau  htfrt  sie  bei  Kiiblis  auf.  Die  grSsste  Hoh  en  quote  er- 
reicht  sie  im  Prattigau  an  der  Schaniela  mit  ca.  1600  m  [104]; 
im  Albulatal  steigt  sie  bis  1500  m  [35],  zwischen  Bellaluna 
und  Stuls  stehen  zwei  Exemplare  bei  1250  m  mit  einem  Stamm- 
umfang  am  Boden  von  2,10  resp.  2,45  m  [15];  in  Mutten  (am 
Schyn)  fand  Coaz  [178]  1864  noch  bei  1700  m  ii.  M.  ein  Exemplar 
von  42  cm  Durchmesser,  stockfaul;  das  hflchste  Exemplar  bei 
Flims  stent  am  Weg  im  Segnestobel  auf  1120  m  [15].  —  Dem 
iibrigen  Gebiet  nflrdlich  des  Alpenkammes  und  auch  dem  Engadin 
fehlt  sie  nach  Killias,  Geissler,  Schrflter  und  Kaser.  Aus  den 
transalpinen  Talern  habe  ich  nur  Angaben  aus  dem  Val  Calanca 
[101,  173]  mit  zwei  Standorten,  Misox  zwei  Standorte;  aus  dem 
Bergell  (Geiger),  dem  „von  verschiedenen  Seiten  das  Vorkommen 
der  Eibe  im  Luvertobel  und  Morengatobel  bei  Soglio  angegeben 
wurde " ,  der  aber  kein  Exemplar  mehr  fand,  so  dass  sie  mtfglicher- 
weise  jetzt  ausgestorben  ist. 

Standorte:  Rheintal:  Flasch  (Ellstein  dem  Rhein  nach 
und  Ausstein  ob  St.  Katharina),  Steigwald  (Maienfeld)  1  Exemplar, 
Jenins  (Tschurch,  Scheibenbiihl,  Kastenlatsch)  650  bis  800  ni 
hftufiger;  Malans  bis  950  m  uberall  einzeln  zu  treffen :  Igis,  Zizers 
bis  Trimmis.  Chur  (alterer  Teil  des  Schuttkegels  der  Skalararufi 
haufig  als  Unterholz,  starke  Verjiingung  600 — 750  m),  Pizokel 
800  m  (1  Exemplar),  siidlich  Ems,  rechte  Talseite  ziemlich  haufig. 
—  Rappenflub,  ca.  5 — 600  m,  bei  Mastrils,  Rappentobel,  Flidis- 
stem,  Fehrenwald  bei  Untervatz,  ein  Strauch  an  der  Ruine  Neuen- 
burg  bei  Haldenstein,  Felsberg  am  Fusse  des  Calanda  [168,  181]. 

Vorderrheintal :  Flimserwald  (Trins,  Flims,  Sagens, 
Versam)  uberall  [168,  93,  15,  173,  181),  Versam-Bnicke,  Versam 
( Aclatobel  bis  zur  Rabiusa)  haufig :  Langwald  Vallendas,  Felswand 
ob  Kastris ;  Ilanzerwald  bis  zur  Ruiser  Grenze,  zwischen  Ruis  und 
Panix  [173,  181]. 

Hinterrheintal:  Domleschg  und  Heinzenberg  vereinzeit: 
in  „pallen  fravi"  bei  Rhilziins.  Sils  und  Sklarans  in  den  Tobeln,  im 
Wald  iiber  der  Nolla  gegeniiber  Thusis:  am  Fusse  von  Hohen- 
Rhatien ;  Viamala  herwarts  dem  verlorenen  Loch  [98,  173,  181]. 
Schams  und  Rhein  wald  fehlt  sie. 

Albula:  beidseitig  des  Flusses  zei*streut;  Weissriife  bei 
Mutten  1700  m  [173].  Solisbnieke-Schynpass,  Walder  um  Filisur. 
Bellaluna  und  Stuls,  besonders  haufig  in  der  Nahe  von  Bellaluna 
[15,  35,  181]. 


475 


Pr&ttigau:  In  den  tiefeingeschnittenen  T&lern  der  Seiten- 
bftche  der  Landquart:  Schrankenbach  (Valzeina),  Faschinenbach 
(Grii8ch,  Seewis,  Fanas),  iiber  das  ganze  Revier  von  Schiers  1300 
bis  1650  m,  Scbanielentobel  (Luzein-Kiiblis)  zahlreich  bis  1600  m, 
Fideris  an  der  Felspartie  unterbalb  des  Kastels ;  Furna  und  Furna- 
tobel.  —  Von  Kiiblis  an  einwarts  fehlt  sie  [77,  104,  168,  181]. 

Scbanfigg:  Links  der  Plessur  nCrdlich  von  Prada  haufig,  bei 
Maladers  und  Castiel,  im  Pagigerwald-Lflschis  [181]. 

Transalpin :  Calanca :  tre  essemplari  si  trovano  sulla  mon- 
tagna  di  fronte  a  100—300  metri  dal  fondo  della  valle  a  870—1000 
metri  sul  mare  [101],  zwischen  Braggio  und  Arvigo  ca.  920  m 
[173,  181];  Misox:  auf  der  linken  Talseite  bei  Lostallo,  San 
Vittoriowald  bei  Roveredo  [181]. 

Bergell:  Ehemals  bei  Soglio  (Geiger). 

7.  Basel. 

[Litteratur:  Schneider:  Taschenbuch  der  Flora  von  Basel.  1880. 
Briefliche  Mitteilungen  von  128,  159.] 
In  Baselstadt  nur  als  Zierbaum  [128].    Auch  in  der  Land- 
schaft  sehr  selten.    Nach  Schneider :  Roggenfluh  und  Schlosshtfhe 
bei  Langenbruck. 

8.  Solo th urn. 

[Literatur:  Liischer:  Flora  des  Kan  tons  Solothurn.  1898.  Brief- 
liche Mitteilungen  von  9.  12,  37,  83,  107,  133,  161,  178.] 

Walder  der  Jurakamme  und  Fluhe  meist  vereinzelt,  nament- 
lich  in  den  vorderen  Ketten,  von  Grenchen  bis  01  ten.  Liischer 
gibt  folgende  Standorte  an :  Weissenstein,  Onsingen,  Roggenfluh, 
Schlosshohe  und  Alt-Bechburg  ob  Holderbank,  Kambenberg  am 
B6lchen,  Rumpel,  Mieseren,  Born,  Sali,  Engelberg,  Ifental,  Hard- 
fluh,  Halde  ob  SchOnenwerd,  Dottenberg,  Wartenfels  und  Rebenfluh 
bei  Lostorf,  Schafmatt,  Geissfluh,  Passwang,  Beinwil,  Barschwil. 

Die  iibrigen  Angaben  bestiitigen  diese  Standorte.  Dazu  kommen 
noch:  bei  Grenchen  in  der  zweiten  Jurakette,  Siidabhang  ob 
Ortschaft  Rotmund  2  bis  3  Exemplare  [83].  Bei  Grin  del  und 
Biisserach  (Jura  in  derNiihe  von  bernisch  Laufen)  ganze  Striche 
[12].  Beim  Weiler  Herrenmatt  (Gemeinde  Hochwald)  im  Schwarz- 
bubenland  eine  sch5ne  grosse  Eibe  [167].  Ganze  Kette  von  der 
Hasen matte  bis  zur  Rotifluh ;  ebenso  von  Gansbrunnen  bis  Balstal 
in  der  H5he  von  800—1100  m  [178]. 


4 


476 


9.  Aargan. 

[Literatur:  Miihlberg:  Standorte  und  Trivialnamen  der  Ge&ss- 

pflanzen  des  Aargaus.  1880.    Luscher:  Flora  von  Zofingen  und 

Umgebung.  1886.  Briefliche  Mitteilungen  von  7,  10,  43,  60,  87, 

143,  160,  161,  177.] 

Anschliessend  an  den  Kanton  Solothorn  hauptsachlich  in  den 
vordem  Ketten  des  Jura  bis  zur  Lfigern;  auch  in  der  Stilli  bis 
zum  Rhein.    Im  ubrigen  Kanton  nur  vereinzelt. 

Standorte:  Jura:  Erlinsbach,  Hausen,  MQlligen,  Kiittigen, 
Biberstein,  Auenstein,  Veltheim  [161],  Baden  [160],  linkes  Liminat- 
ufer  zwischen  Baden  und  Turgi  verh&ltnisma'ssig  sehr  viel  [177]. 

Stilli:  Westlicher  Abhang  des  Iberig  von  der  Station 
Siggental  bis  gegen  Wurenlingen  sehr  zahlreich  [43],  auf  dem 
Zurzacherberg,  im  Gemeindebann  Rekingen  zahlreich  [60].  — 
Bei  Leibstadt  am  Rhein  zahlreich  [10]. 

Fricktal :  Waldungen  von  Wegenstetten  und  Schupfart  ziem- 
lich  haufig  [7]. 

Mitt  el  land:  bei  Zofingen  (Heiternplatz  und  Brunngraben), 
[Luscher],  im  Griindel,  bei  Schongau  am  Lindenberg,  bei  Biitti- 
kon,  auf  der  Nordseite  des  Heitersberg  und  Martinsberg,  auf  der 
Westseite  des  Hundsbuck  [Miihlberg],  oberhalb  Dietikon  [77]. 

10.  Luzern. 

[Literatur:  Steiger:  Flora  des  Kantons  Luzern.  1860.  Briefliche 
Mitteilungen  von  109,  117.] 
Im  Kanton  scheint  die  Eibe  nicht  stark  verbreitet.  Vereinzelt 
zieht  sie  sich  von  Luzern  selbst  Qstlich  iiber  den  Dietschenberg. 
Hertenstein  (Weggis),  Liitzelau  und  Viznau,  dem  Siidfuss  des  Rigi 
entlang.  Am  linken  Seeufer  stent  sie  bei  Biregg  und  im  Haltiwald 
bei  Ennethorw.  — ••  Im  Entlebuch  hin  und  wieder.  Steiger  gibt 
an  :  Fliihli  in  der  Lamm,  Schwandenalpfluh  und  K  ray  en  berg ;  Ro- 
moos  in  Hintergadenstadt,  Entlebuch  im  Rossfarn.  —  Am  Napf 
selbst  und  im  Lutherntal  am  Fuss  desselben  [109]  wurde  sie  eben- 
falls  beobachtet.  —  Aus  dem  ubrigen  Kanton  kennt  Steiger  nur: 
Herrlisberg  in  der  Ehrlosen  (westlich  vom  Baldeggersee),  zwischen 
Hftmikon  und  Schongau  am  Lindenberg. 

11.  Zug. 

[Literatur:  Rhiner.  Briefliche  Mitteilungen  von  27,  53,  111,  130.] 
Nur  wenige   Standorte:    im   Tobel   der  Sihl   bei   Sihlbruck 


477 


[Rhiner],  in  der  Lorzeschlucht  bei  Baar  ziemlich  viele  [27],  zahl- 
reich  auf  der  Baarburg  [111],  im  sogen.  Kohlrain  an  der  Strasse 
von  Neu&geri  nach  Menzingen  viel  Jungwuchs  [130],  in  den 
Zweiern  bei  Risch  spfirlieh  [111,  53]. 

12.  Urkantone. 

[Literatur:  Rhiner:  Die  Gef&sspflanzen  der  Urkantone  und  von 
Zug.  1891/94.  Briefliche  Mitteilungen  von  22,  24,  48,  89,  179.] 

Rhiner  gibt  die  Verbreitung  im  allgemeinen  folgendermassen 
an :  An  felsigen,  waldigen  Talabh&ngen  nicht  haufig.  Von  Weggis 
bis  ins  Bisistal,  von  Sihlbrack  bis  ob  Biirglen. 

Standorte:  Schwyz:  Hinter  Siebneu,  Biltener  Grenzbach, 
Hochetzel,  Kalktluh  bei  Steinbach:  Guggerenfluh  [Rhiner].  Im 
Rigigebiet  sehr  haufig  (um  Art,  Goldauer  Bergsturz  [22]),  nament- 
lich  auf  den  Nagelfluhb&ndern  der  Nordseite ;  die  kleinste  Ritze 
geniigt[24].  Ziemlich  stark  vertreten  an  der  Rossberglehne  zwischen 
Arth  und  Walchwil ;  ebenso  an  der  Rigilehne  zwischen  Goldau 
und  Immensee  [179]. 

Uri:  Ob  Biirglen  [Rhiner],  Seelisberg  [24]. 

Unterwalden:  Gross- Em metten,  Biirgen,  Lopper,  Rotz- 
berg,  Mutterschwand,  St&dmeterberg,  Diegisbalm,  Amiband  Engel- 
berg  [Rhiner].  Diese  Angaben  werden  fiir  Nidwalden  von  89  be- 
st&tigt,  der  sie  folgendermassen  erganzt:  Selten  am  Nordabhang 
des  Pilatus  gegen  Hergiswil  und  Eigental ;  stark  vertreten  am 
Nordabhang  des  Lopperberges,  am  Siidabhang  selten :  in  gleicher 
Verteilung  am  Burgenstock,  gegen  die  Nase  zu  zahlreicher.  — 
Stanserhorn  Nordabhang  bis  1000  m,  Siidabhang  seltener;  zahl- 
reich  am  Nordabhang  des  Mutterschwanderberges  am  Alpnachsee; 
stark  vertreten  in  Kehrsiten  bis  600  m. 

13,  Bern. 

[Literatur:  Fischer:  GefUsspflanzen  des  Berner  Oberlandes.  1876 
und  If.  Flora  von  Bern.  1897.  Briefliche  Mitteilungen  von  3,  9, 
12,  23,  44,  47,  52,  70,  80,  83,  85,  90,  96,  108,  126,  129,  137, 
142,  162,  163,  164,  180.] 
In  diesem  Kanton  steht  die  grosste  Eibe  der  Schweiz,  die 
Eibe  auf  dem  Gerstler  bei  Burgdorf,  Eigentum  der  Schweizerischen 
Naturforschenden  Gesellschaft.  Im  Gebiet  des  schweizerischen 
Mittellandes  ist  sie  selten,  haufiger  in  den  vordern  Juraketten.  Ihr 
Hauptverbreitungszentrum  hat  sie  im  Oberland,  um  den  Thuner- 
see  herum. 


478 


Standorte:  1.  Oberland.  Am  ganzen  Nordufer  des 
Thunersees  von  Steffisburg  bis  Unterseen,  bis  1000  m.  Stellen- 
weise  fast  bestandbildend,  meist  aber  nur  als  Unterholz :  Steffis- 
burg-Rabbenfluh-Fuchsloch  [52].  Oberhofen-Hilterfingen,  am  Griisi- 
berg  ob  Thun,  in  den  Wildnissen  des  alten  Bergsturzes  ob  Ralligen, 
an  den  Abhangen  der  „spitzen  Fluh*  zur  vorderst  am  Sigriswiler- 
grat;  Beatenberg,  Nase  [44].  Nachtstall,  Balmholz  (Oberhofen) 
vom  Seespiegel  bis  1000  m,  Balm-  und  Gsteigenfluh,  Schwanen- 
hals,  Ruchenbiihl,  Birch,  ob  und  unter  Hohlen,  Faulenwasser, 
Kienberg,  Eiwald  (lttngs  des  Lambaches),  Lambachtal  hinter  dem 
Harder  [80]. 

Am  Siidufer  des  Thunersees  weniger  haufig;  Kander- 
grien  in  der  Nahe  von  Gtinteleymatt  und  im  Barenholz  [28],  im 
Glutschtal  bei  AUmendingen  [44].  Spiez-Au,  Faulensee,  Krattigen, 
Leissigen,  Darligen  bis  1000  m  [80],  Abendberg  bei  Interlaken 
[Fischer]. 

Ferner  im  untern  Simmental:  Wimmifluh,  Siidabhang  der 
Stockhornkette  bis  hinauf  nach  Mannenberg,  Ruine  Unspunn  [44]. 
Im  Suldtal,  Gemeinde  Aschi;  Nordseite  der  Niesenkette 
im  Frutigertal  ca.  700 — 1500  m,  einzeln  und  in  Gruppen  be- 
sonders  am  Eingang  der  Wildbttche.  Zuvorderst  im  Kiental  (720 
bis  800  m)  [80],  Lutschental;  Stockental ;  Ballenberg  bei  Brienz 
[Fischer].  Brienzersee  und  Aaretal  selten:  Kirche  Ringgenberg 
(alte  Burgruine),  zwischen  Brienz  und  Oberriet,  Cstlich  Brienzwiler, 
dstlich  und  westlich  von  Meiringen,  Prastiwald  gegeniiber  Mei- 
ringen,  Rumpel wald  bei  Unterbach,  Ranftwald  bis  Giessbach  [180]. 

2.  Jura.  Namentlich  vordere  Ketten:  Twannbachschlucht 
[96],  Taubenlochschlucht  [47],  iiber  Niederbipp  (9). 

Gemeinde  Wahlen  (Amt  Laufen)  einige  Exemplare :  Siid- 
seite  am  Fusse  des  sogen.  Sturm enkopfes  (zwischen  Wahlen  und 
Barschwil  [12]. 

Gorges  de  Moutier  et  Court  [164].  Valbalin,  commune 
de  Bessancourt  (Porrentruy)  [187].  Les  Bois  am  Doubs  noch 
ziemlich  zahlreich  [162]. 

3.  Mittelland.  Auf  dem  Gerstler  in  Heimiswil  bei  Burg- 
dorf;  Nordseite  des  Belpberges  (Seftigen)  [168];  zwischen  Miin- 
singen  und  Belp  [129],  Lindental  zw.  Krauchtal  und  Worb  [126, 
129].  St.  Petersinsel  im  Bielersee,  z.  Z.  haufig  als  Unterholz:  ob 
Riggisberg  (Gurnigelgebiet)  [85].  Roggwil  bei  Langental  ein 
Exemplar  mitten  im  Wald  [3] ;  im  Emmental  sehr  sparlich,  einzeln 
oder  in  Gruppen  (ohne  nllhere  Ortsangabe)  [142]. 


479 


14.  NeuchAtel. 

[Briefliche  Mitteilungen  von  62,  68,  69,  98,  151,  152,  153,  154, 

155,  156.] 

Das  Hauptverbreitungsgebiet  umfasst  die  vordere  Jurakette 
l&ngs  den  beiden  Seen;  von  da  strahlt  die  Eibe  aus  im  Val  Tra- 
vers  und  im  Val  de  Ruz.  In  den  weiter  riickwarts  liegenden  Ge- 
bieten  nur  ganz  vereinzelt. 

Standorte:  1.  Arrond. :  Im  allgemeinen  in  alien  Waldern 
der  untern  Region,  speziell  in  den  Schluchten  des  Seyon,  am  Chan- 
mont,  an  den  Felsen  von  St.  Blaise  und  Voens  [153]. 

2.  Arrond. :  In  den  Schluchten  der  Areuse  4 — 600  m  (Nord- 
exposition);  bei  Vaumarcus,  bei  Boudry  [154].  Umgebung  von 
Neuchatel :  forfit  des  Pierrabots,  sur  Peseux,  les  cotes  du  B6le  a 
Rochefort  [151];  im  Vallon  de  l'Eremitage  noch  vier  maehtige 
Baume  auf  ehemaligem  Waldboden  [68]. 

3.  Arrond.  (Val  Travers):  Sporadisch  in  fast  alien  Waldern, 
aber  meist  selten :  Combes  des  Cambudes,  Grandschamps  sur  Cou- 
vet,  au  Mont  de  Couvet  [155],  Creux  du  Van  [62,  69]. 

4.  Arrond.:  F6rets  cantonales  de  Valangin,  fdrets  com- 
munales  de  Valangin  et  Fenin  [156], 

5.  Arrond.:  Talfurche  des  Doubs  auf  Neuenburger  Gebiet 
nur  ein  Standort  (ein  ganz  kleines  Exemplar)  bei  les  Planchettes 
dessous  nahe  am  Felsabsturz  von  Morron  (1100  m).  —  Vereinzeltes 
Exemplar  auf  den  Hiigeln  siidwestlich  von  Locle  (1100  m);  ebenso 
nordw.  von  Les  Ponts  am  felsigen  Abhang  unterhalb  La  Rochette 
dessus  (1160  m).  —  Cernil  firard  ob  les  Brenets  Westabhang 
(1000  m) ;  a  la  Cornee,  westlich  von  La  Brevine,  im  scharfen 
Winkel  der  Grenze  gegen  Frankreich  (1200  m)  [98]. 

15.  FrlbourjEr. 

[Literatur:  Cottet  et  Castella:  Guide  du  botaniste.  1891.  Brief- 
liche Mitteilungen  von  74,  91,  105,   132,  145,  146,  166,  169.] 

Im  Kan  ton  Freiburg  ist  die  Eibe  sehr  selten ;  sie  fehlt  in  grossen 
Gebieten  vollstllndig :  so  im  Distrikt  de  la  Glane  et  de  la  Veveyse 
[105],  district  de  la  Sarine  et  de  la  Singine  [91],  im  Seebezirk  [145]. 

Relativ  am  hilufigsten  erscheint  sie  in  den  Alpen  des  Grey- 
erzerlandes :  la  Tine  pres  Montbovon,  les  Combes,  Gruyeres,  Al- 
beuve,  sous  Chets  et  les  Douves  (C.  et  C),  Charmey-Gruyeres  [74]; 
Vorgebirgsketten  der  Alpettes,  Noirmont  und  Berra;  stidlich 
BuUe  [145]. 


480 


Ferner:  Chatel  St.  Denis  [145];  Attalens  beaucoup  [182]. 
Perroyes  bei  Roraont  [169]. 

16.  Vaud. 

[Literatur:  Durand  et  Pittier:  Catalogue  de  la  flore  vaudoise; 
Aubert :  Flore  de  la  vallee  de  Joux.  Briefliche  Mitteilungen  von 
44,  71,  73,  76,  86,  92,  106,  115,  124,  136,  139,  145,  150,  174.] 

Hauptverbreitungsgebiet  der  Jura  zwiscben  St-Croix,  Orbe 
und  Vailorbe ;  im  iibrigen  Jura  mehr  vereinzelt.  Ein  zweites  Zen- 
trum  liegt  im  Rhonetal  von  Bex — Chexbres.  Im  Mittelland  ist  die 
Eibe  ein  sehr  seltener  Gast. 

Standorte.  l.Alpen:  Aigle,  Alpes  de  Bex,  la  Sionnaise, 
bois  de  la  Chenaux,  Bouillet,  bois  de  Salins,  roeailles  de  Hauta 
Siaz,  sous  Chamossaire  (1400  m);  Bois  sur  Roche,  marbriere  de 
Roches,  Chillon,  Souchaux,  Ghatelard  (D.  et  P.) ;  for^ts  du  mont 
d'Arvel  sur  Villeneuve  et  Roche,  sur  le  massif  montagneux  entre  la 
Grande-Eau  et  TAvencon  [71].  Planches,  Villeneuve,  Yvorne,  Cor- 
beyrier,  Veytaux,  Lepin,  Chillon  [115].  —  Selten:  alpes  de 
Chateau  d'Oex:  la  Vausseresse  1500  m,  le  Montiaux  1450  m,  les 
Chabloz  1300  m. 

2.  Mittelland:  Vevey  et  environs,  Puidoux,  Gourze,  Sau- 
vabin,  entre  Penthallaz  et  la  Vallee  de  la  Venoge  (D.  et  P.).  — 
Au  dessus  de  Vevey  sur  le  versant  sud-ouest  de  la  montagne  des 
Pleiades  900  —  1000  m  uberall  mit  starker  Selbstaussaat  [86].  — 
Ein  grosses  Exemplar  bei  Schloss  Lucens  [106,  145];  ein  statt- 
liches  einzelnes  Exemplar  fruktifizierend  mitten  in  einer  Wiese  bei 
Rolle  [76]. 

3.  Jura:  Croy,  Romainmotier.  Arnex,  pres  d'Orbe.  Agiez. 
Tine  de  Conflans,  pres  de  Bonmont.  —  Suchet,  Dent  de  Vaulion 
Noirmont,  sur  Rolle  (1).  et  P.).  Sehr  spezifizierte  Angaben  aus 
dem  Distrikt  d'Orbe  und  dem  Cercle  de  St-Croix  verdanke  ich 
Herni  Moreiilon,  Forstinspektor  [174]:  Envy  640  m,  Romain- 
motier 710  m,  Croy  700  m,  Arnex  605  m,  Agiez  540  m,  Clees 
600  m,  Montcherand  565  m,  St-Croix  600-950  m?  Vuitteboeuf 
1100  m,  Baulmes  (sous  les  Roches,  belles  Roches,  Torel)  650  bis 
1000  m,  Abergement  (Grande  -  Roche)  950—1180  m,  Vailorbe 
1080  m,  Vaulion  1150  m,  Bretonnieres  550—600  m,  Premier 
990  m.  —  Im  nordlichen  Teil  des  Jura:  La  Concise,  haufig  [174]. 

Weitere  Standorte  im  Jura:  Valine  de  Joux  1200  m;  au 
Solliat,  Piquet  dessus,  expos,  ouest.  Nous  avona  observe  deux  in- 


481 


dividus  settlement,  d'immigration  accidentelle  (oiseaux)  probable- 
ment  (Aubert). 

Dans  le  bois  de  la  Riffe  [136].  Bonmont  sur  Gingins  (650 
a  750  m),  a  Guinfard  pres  St-Cergues  [92].  —  Sehr  hftufig  auf 
dem  Riicken,  der  die  Vallee  de  Joux  trennt  vom  Vallon  de  Val- 
lorbes;  Abhange  des  Mont  d'Or  [150].  Bierre,  Cheserex  und  La 
Rippe  (sur  Nyon).  Coinsins  [174]. 

17.  OcnfeYe. 

[Literatur:  Reuter:  Catalogue  des  plantes  vasculaires.   1861.] 
Reuter  kennt  keinen  Standort  auf  Schweizerboden :  weitere 
Mitteilungen  habe  ich  auch  nicht  erbalten. 

18.  Valais. 

[Literatur:  Jaccard:  Catalogue  de  la  flore  Valaisanne.  1895.  Brief- 
liche  Mitteilungen  von  171,  176.] 

Aus  dem  Wallis  kamen  mir  nur  zwei  einzige  Mitteilungen  zu, 
die  die  Angaben  Jaccards  erganzten.  Jaceard  hat  die  Verbreitung 
bereits  ziemlich  vollstandig  angegeben,  mit  folgendem:  „Bois 
rocheux  des  montagnes  calcaires.  Commune  du  Lac  au  Catogne  et 
alaLizerne;  RR  et  disperse  ailleurs.  400—1400  m. 

1.  C.  de  la  plaine  aux  alpes:  St-Gingolph,  Bouveret-Vouvry 
et  montagnes.  C.  a  Vionnaz  et  Muraz,  Val  d'llliez,  sur  Verossaz, 
Mex,  CrGte,  vallee  du  Trient,  Ravoire.  —  Outre  Rh6ne,  la  Crottaz 
sur  Collonges. 

.  2.  SaUlon  (Torrent^),  sur  Leytron  RR.  val  Triquent,  C.  aux 
mayens  de  Mottelon.  —  Ayent ;  manque  plus  a  Test  dans  le  centre. 
—  Stegenwald  1000  m,  Hasehvald  de  Rarogne  1050  m.  (Doit  se 
trouver  dans  les  vallons  de  Bietsch  et  Baltschieder  ou  M.  Barbeiini 
en  a  vu  des  rameaux  coupes.)  —  Naters. 

3.  Durnand,  Champey  (1400  m),  Clou.  —  Aproz,  Val  Rechy. 
171  bestatigt:  Vallee  de  Baltschieder  et  de  Bietsch,  und  fugt  noch 
zu :  Vallee  de  Lou£che  et  de  la  Dala ;  la  presence  reste  douteuse 
pour  la  vallee  de  Lotsch.  176  in  zahlreichen  Exemplaren  bei  Raron 
im  Bietschtal. 

19.  Tessin. 

[Brief!.  MitteU.  von  131, 168,  170,  172,  185, 186, 187,  188, 189.] 

Die  Karte  zeigt  in  Sopracenere  ein  sehr  zerstreutes,  vereinzeltes 

Vorkommen ;  dagegen  ein  massenhaftes  Vorkommen  am  und  sud- 

31 


482 


lich  vom  Luganersee.  (tfber  Bodenanspriiche  und  Art  des  Vor- 
kommens  im  Sottocenere  vergl.  oben  pag.  465.) 

Vod  genauern  Standortsangaben  kann  ich  nur  folgende  an- 
fuhren:  Sopracenere:  Zwei  Exemplare,  ca.  400  Jahre  alt,  in  der 
Faura  dei  Morti  bei  Ambri,  1000  m,  flstiiche  Exposition;  Faido 
(Felsen  des  rechten  Bergabhanges),  namentlich  vertreten  am  Tici- 
netto  Chironico  [175];  bei  Giornico.  —  Valle  d'Orseiina,  di  Mer- 
goscia,  della  Navegna ;  einzeln  und  in  kleinen  Gruppen  durch  das 
Verzascatal,  bei  Frasco  bis  1250  m  [186].  An  einem  Gneissbloek 
zwischen  Brione  und  Chiosetto  [168];  zwischen  Contra  und  Mer- 
goscia  [172].  —  Zerstreut  von  Brissago  bis  Locarno-Solduno  und 
benachbarte  Taler;  langs  des  Isorno  (Loco  und  Auressio);  von 
Intragna  der  Melezza  nach ;  zahlreich  bei  Someo  (V.  Soladino)  und 
Avegno  (V.  del  Riale  Grande) ;  V.  Bavona  (S.  Carlo ;  Cavergno) ; 
V.  Lavizzara  (Prato)  Cevio-Linescio  ?  Cerentino  [187]. 

Sottocenere:  Taxuswald  am  Cassone  bei  Lugano  (vide 
pag.  467);  Brusio-Arsizio,  Rancate-San  Giorgio,  Capolago;  auf 
dem  Generso  bei  1207  m  ein  gepflanztes  Exemplar;  in  Arogno 
liber  dem  Hof  Canova  bei  1050 — 1100  m  viele  Exemplare.  — 
Miindung  der  Mera  oberhalb  Maroggia,  am  Nordabhang  des  Ar- 
bostora ;  Figino  Grancia,  ein  Exemplar  auf  der  Nordseite  des  Monte 
Caslano ;  zwei  alte  Exemplare  auf  dem  Sasso  dei  Nass,  Nordabhang 
des  Monte  Caprino ;  ein  Exemplar  beim  Roccolo  von  Suvigliana ; 
auf  dem  Nordhang  eines  Hiigels  oberhalb  Pazzalino  [170,  188]. 
—  Mezzovico,  Canobbio.  —  An  der  Grenze  bei  Gandria  [131]. 


483 


Rtickblick  und  Ausblick. 


Ich  habe  im  Vorstehenden  versucht,  das  jetzige  Ver- 
halten  der  Eibe  in  der  Schweiz  kurz  und  xibersichtlich 
darzustellen.  Es  hat  sich  dabei  ergeben,  dass  sie  bei 
uns  stellenweise  noch  recht  haufig  ist,  aber  eine  eigen- 
tumliche  Verbreitung  besitzt,  fur  die  eine  befriedigende 
Erklarung  noch  nicht  gegeben  werden  kann.  Das  aus- 
gedehnteste  zusammenhangende  Areal  der  Eibe 
beginnt  am  nordlichen  Abhang  der  Kantone  St.  Gallen 
und  Appenzell,  wo  sie  besonders  reichlich  entwickelt  ist. 
Von  da  zieht  sie  sich,  mehr  zerstreut,  einerseits  uber  die 
Berge  des  Toggenburgs  und  des  Tosstales  bis  gegen 
Winterthur  und  Rapperswil,  andrerseits  das  Rheintal  hin- 
auf  bis  iiber  Uanz  hinaus,  mit  Abzweigungen  an  den  Walen- 
see,  ins  Prattigau,  Schanfigg  und  Hinterrheintal.  Weitere 
Zentren  des  Alpenhanges  iinden  wir  am  Vierwald- 
stattersee,  Thunersee  und  Rhonetal  von  Martigny  bis  zum 
Genfersee.  Im  Jura  geht  ein  kontinuierlicher  Zug  langs 
dem  ganzen  Abfall  gegen  das  Mittelland;  da  und  dort 
auch  auf  die  inneren  Ketten  ubergreifend.  Das  Mittel- 
land ist  arm  an  Eiben.  Einzig  die  Albiskette  bei  Zurich 
bildet  ein  eigenes,  etwas  grosseres  Zentrum ;  zwei  kleinere 
finden  wir  noch  im  Thurgau :  Immenberg  und  Nordabhang 
des  Seeiiickens.  Im  transalpinen  Gebiet  ist  die  Eibe  zer- 
streut uber  die  Tessiner- Alpen ;  reichlich  vertreten  im 
Sottocenere. 

Die  Eibe  war  wohl  einmal  haufiger  bei  uns;  an  zahl- 
reichen  Orten  ist  sie  im  Laufe  der  Zeit  zuriickgedrangt 
worden.    Ihr  Verbreitungsgebiet  freilich  hat  sie  behaupten 


484 


konnen ;  es  sind  mir  wenigstens  gar  keine  Daten  bekannt 
geworden,  welche  auf  Standorte  schliessen  liessen  in  Ge- 
bieten,  wo  die  Eibe  jetzt  gar  nicht  mehr  vorkommt.  "Ober- 
all  lauten  die  Berichte  nur,  dass  der  Baum  fruher  haufiger 
gewesen,  jetzt  aber  selten  und  vereinzelt  geworden  sei. 
Studien  in  alten  Archiven  etc.  habe  ich  allerdings  nicht 
gemacht ;  es  kann  sich  also  wohl  noch  da  und  dort  eine 
Angabe  finden. 

Auch  die  Ortsnamen  lassen  kaum  auf  eine  fruhere 
grossere  Yerbreitung  schliessen.    Brandstetter1)  fiihrt 
43  solcher  aus  der  deutschen  Schweiz  auf. 
Dem  Gebiet  von  St. Gallen  gehdren  an: 

Ibach,  Hof  am  Neoker  SO  von  Ganterswil; 

Ibach,  Hof  auf  einer  H5he  W  von  Nesslau; 

Iental,  Gegend  SW  von  Nesslau; 

Iberg,  Burg  auf  einer  Anhdhe  bei  Wattwil. 
Wenn  wir  seine  Liste  durchgehen,  so  finden  wir 
keine  ausserhalb  des  jetzigen  Gebietes  der  Eibe.  Da  und 
dort  habe  ich  allerdings  gerade  von  der  betreffenden  Stelle 
keine  Standortsangabe ;  aber  in  der  weitern  Umgebung 
kommt  sie  meist  jetzt  noch  vor.  Der  Brandstetter' schen 
Liste  sind  noch  folgende  beizufugen:  bei  Eschenz  be- 
findet  sich  ein  Eibenhof  [20],  in  der  Gemeinde  Unter- 
seen  am  Nordufer  des  Thunersees  ein  Eiwald  [80]; 
im  Emmental  kehrt  der  Ortsname  Ey  (Dialektname  der 
Eibe)  vielfach  wieder  [142];  bei  Speicherschwendi  heisst 
ein  Abhang  Iberah  (oft  korrumpiert  zu  Wiberrah)  [19]. 
An  alien  diesen  Orten  kommt  die  Eibe  jetzt  noch  mehr 
oder  weniger  haufig  vor. 

l)  Die  Namen  der  Baume  und  Straucher  in  Ortsnamen  der 
deutschen  Schweiz.  (Beilage  zum  Jahresbericht  der  hoheren  Lehr- 
anstalt  in  Luzern  1901/02.) 


486 


Die  Eibe  hat  also  ihr  Gebiet  im  grossen  und  ganzen 
behaupten  kSnnen;  aber  innerhalb  desselben  ist  sie  arg 
dezimiert  worden.  Die  Ursachen  dafur  sind  nicht  schwer 
zu  finden.  Die  direkte  Verwertung  der  Eibe  nach  den 
verschiedenen  Richtungen  mag  ihr  da  und  dort  Eintrag 
getan  haben,  da  die  umgeschlagenen  wegen  des  langsamen 
Wachstums  des  Baumes  erst  nach  langer  Zeit  wieder  auf 
natiirlichem  Wege  ersetzt  wurden;  aber  dass  das  mflg- 
lich  isty  beweisen  die  zahlreichen  Angaben  liber  jungen 
Nachwuchs  aus  alien  Teilen  der  Schweiz. 

Viel  mehr  hat  ihr  die  stellenweise  systematisch  be- 
triebene  Ausrottung  geschadet.  Der  Landmann,  der  die 
Gefahrliohkeit  des  Baumes  fur  seine  Weide-  und  Zug- 
tiere  erkannte,  reutete  ihn  langs  der  Waldwege  aus.  Aber 
noch  radikaler  ging,  eine  zeitlang  wenigstens,  der  Forst- 
mann  vor.  Der  Wald  wird  vom  Unterholz  ges&ubert 
und  dabei  fallt  auch  die  Eibe  der  Axt  zum  Opfei*  Bei 
Neuaufforstungen  wird  ein  reiner  Bestand  oder  eine  be- 
stimmte  Misohung  von  Baumen  vorgezogen ;  aber  die  Eibe 
ist  nie  darunter.  Sie  produziert  zu  wenig  Holz ;  sie  rentiert 
nicht.  Aus  alien  diesen  Grtinden  ist  es  begreiflich,  dass 
die  Eibe  in  unsern  frisierten  Kulturwaldern  mehr  und 
mehr  verschwindet.  Es  ist  uberaus  charakteristisch,  dass 
iiberall  Privatwaldungen  noch  eibenreicher  sind  als  Staats- 
und  Gemeindeforste.  Der  Privatmann  erlaubt  sich  eben 
hie  und  da  von  dem  rationellen  Forstbetrieb  eine  Ab- 
weichung.  Ich  habe  in  manchen  Briefen  scharfe  An- 
griffe  lesen  miissen  gegen  die  Forster,  die  die  Poesie  des 
Waldes  mit  ihrer  Axt  zerstoren.  Es  muss  in  der  Tat 
eine  zeitlang  so  gewesen  sein;  aber  heute  diirften  jene 
„theoretischen  Griinrocke",  die  nur  dann  einen  Wald 
schdn  finden,  wenn  die  Rottannen  oder  Weisstannen  in 


486 


soldatisch  geraden  Reihen  dastehen  und  man  ein  paar 
hundert  Meter  weit  zwischen  ihnen  durchsehen  kann, 
bald  gezahlt  sein. 

Damit  sind  vielleieht  auch  wieder  bessere  Zeiten  fur 
unsere  Eibe  gekommen.  Yon  verschiedenen  Seiten  habe 
ich  Mitteilung  erhalten,  dass  man  anfangt,  sie  etwas  zu 
schonen,  da,  wo  sie  nicht  bessern  Holzarten  zu  viel  Raum 
und  zu  guten  Boden  streitig  macht.  Und  wenn  man 
auch  wohl  kaum  daran  denken  wird,  Eiben  in  grosserem 
Masstabe  gar  anzupflanzen,  so  ist  doch  damit  der  Gefahr 
einer  noch  weitern  Zurttckdrangung  des  Baumes  vor- 
gebeugt.  Sollte  aber  selbst  in  Zukunft  je  einmal  eine 
feindselige  Stimmung  gegen  den  dttsteren  Gesellen  unserer 
W alder  erwachen,  zum  Aussterben  wird  man  ihn  nicht 
so  leicht  bringen.  Als  Befestiger  der  Steilhange  unserer 
Schluchten  wird  ihn  der  Praktiker  immer  achten.  Vor- 
ubergehend  mag  die  Eibe  auf  diese  fast  unzuganglichen 
Orte  zuriickgewiesen  werden ;  aber  bei  ihrer  Lebenszahig- 
keit  und  ihrer  reichlichen  Fruktifikation  wird  sie  diese 
Posten  noch  lange  verteidigen  und  mit  Hilfe  der  V6gel 
immer  wieder  neue  Ausfalle  in  andere  Walder  unter- 
nehmen.  Eine  Gefahr  des  Aussterbens  der  Eibe  in  der 
Schweiz  existiert  heute  nicht  und  wird  nach  unserem  Er- 
messen  nicht  sobald  eintreten.  Das  ist  das  nicht  grossartige, 
aber  recht  erfreuliche  Resultat  meiner  kleinen  Studie. 


487 


Verzeichnis  der  Gewahrsm&niier. 

(Die  eingeklammerten  ZIffern  im  Text  bcziehcn  sich  auf  dieses  Yerzelchnls.) 


1.  Herr  Th.  Steinberg,  Meilen. 

2.  ,     EmanuelSturzenegger,Knollhausen,Reute,Kt.Appenzell. 

3.  „      W.  Christen,  Roggwil  bei  Langental. 

4.  „     Aug.  Zuppinger,  Lehrer,  Hegi,  Oberwinterthur. 

5.  ,     J.  Haab,  Landwirt,  Steinacher-Au  bei  Wadenswil. 

6.  „     H.  Angst,  Direktor  des  Scbweizerischen  Landesmuseums 

in  Zurich. 

7.  „      J.  Eichenberger,  Fortbildungslehrer.  Wegenstetten. 

8.  fl     A.  Niischeler,  Direktionssekretiir  der  Otlibergbahn  Zurich. 

9.  „     P.  Born.  Entomologe,  Herzogenbuchsee. 

10.  „     Peter  Vogeli,  Redakteur,  Leibstadt  a.  Rh. 

11.  ,     J.  Herzog,  Kunstmaler  in  Florenz. 

12.  ,      Benj.  Schmidlin,  Wahlen,  Berner  Jura. 

13.  „     Jos,  Tierarzt,  Wangen  a.  A. 

14.  „     A.  Henne,  Forstverwaltung  Chur. 

15.  „     Gustav  Bener,  Tngenieur  der  Rhatischen  Bahn,  Filisur. 

16.  „     Rud.  Zeller-Stahel,  Flawil. 

17.  „      Heinrich  Heller,  Landwirt  in  Hinterlochen,  Wolfhalden. 

18.  „      Iwan  Hohl,  Seidenweber  und  Landwirt,  Walzenhausen. 

19.  „      Professor  J.  Friih,  Zurich. 

20.  „      J.  Bachrnann,  Forstaufseher,  Diessenhofen. 

21.  „      Emil  Strickler,  Wydum-Hombrechtikon. 

22.  „      Dr.  Friedrich  Schreiber,  Rigi-Kulm. 

23.  Notiz  im  »Taglichen  Anzeiger",  Thun,  17.  Mai  1902. 

24.  Herr  C.  von  Segesser-Schwyzcr.  Luzern. 

25.  „      Th.  Mayer,  Gut  Auboden  bei  Brunnadern,  Toggenburg. 

26.  „      J.  J.  Ruppert,  Luzern. 

27.  „      Hermann  Keiser,  Kantonsschuler,  Zug. 

28.  „      J.  Zollinger,  Ziirich-Enge. 

29.  Frau  E.  Bftrlocher,  Zurich. 

30.  Herr  A.  Schwarzenbach-Furst,  Kilchberg-Ziirich. 

31.  „      Alb.  Zuberbubler.  Seidenweber,  Reute. 

32.  n      A.  Kuhn,  Zurich. 

33.  „      Joseph  Schiifli,  Mammem. 

34.  v     Gubler,  Staatsfbrster,  Oberhausen  bei  Tobel. 

35.  „      Sylv.  Victor  Sprecher,  Filisur. 


488 


36.  Herr  Jb.  Spiri,  Ottoberg,  Mfcrstetten. 

87.  „  Karl  Meyer,  Student,  Solothurn. 

38.  ,  J.  J.  Jucker,  Turbental. 

39.  „  Otto  Eichmann,  Gossau. 

40.  „  Jakob  Schmid,  Fflrster,  Wellhausen. 

41.  „  Jak.  Nater,  Landwirt,  Hugelsbofen  bei  M&rstetten. 

42.  ,  A.  Obrecht,  Griisch,  Graubunden. 

43.  „  Gottl.  Meyer,  Fflrster,  Wiirenlingen,  Aargau. 

44.  ,  Dr.  Ris,  Arzt,  Thun. 

45.  „  Hch.  Wettstein,  Landwirt,  Platten-Ruti,  Zurich. 

46.  t  C.  F.  Meyer,  Lehrer,  Adliswil. 

47.  „  H.  Stampfli,  Gemeindeschreiber,  Rumisberg. 

48.  ,  A.  Gyr-Wickart,  Zug. 

49.  ,  Hch.  Risch-Sigg,  Ddrflingen  (Schaffhausen). 

50.  ,  Bernhard  Huber,  Landwirt,  Herisau. 

51.  ,  J.  G.  Bringolf,  Baumgttrtner,  Unter-Hallau. 

52.  „  P.  Montandon,  Glockental  bei  Thun. 

53.  „  A.  Scherer,  Organist,  Thun. 

54.  ,  Alb.  Diggelmann,  Schulverwalter,  Bauernboden  am 

Schnebelhorn. 

55.  ,  J.  Kellenberger,  Bezirksschreiber,  Oberegg. 

56.  n  E.  Bodmer,  Kyburg. 

57.  „  Emil  Meier,  Griinau,  Adentswil,  Zurich. 

58.  ,  E.  Weiss-Meier,  Affoltern  a.  A. 

59.  ,  M.  Giinthardt,  Bezirksrichter,  Adliswil. 

60.  ,,  Hans  Hauenstein,  Rektor,  Zurzach. 

61.  „  Th.  Hahn,  Ennetbaden. 

62.  „  Alb.  v.  Riitte,  Pfarrer,  Bern. 

63.  ,  Anonymus. 

64.  „  Bernhard  Bliggensdorfer,  Neukirch-Egnach. 

65.  „  Wilhelm  Kressibucher,  alt  FSrster,  Weidhof  bei  Elgg. 

66.  ,  Jakob  Egg,  Aumiihle,  Frauenfeld. 

67.  „  Fidel  Linder,  Wallenstadt. 

68.  ,  Th.  Geiser,  Neuchatel. 

69.  „  Dr.  E.  Lardy,  Genf. 

70.  ,  A.  Kupferschmid,  pat.  Ober£b*rster,  Bern. 

71.  „  Charles  Martel,  Aigle. 

72.  ,  L.  Rimathe,  Kreisftirster,  Schuls. 

73.  „  F.  Grobet,  Morges. 

74.  ,  Retornaz,  garde-chasse,  Charmez-Gruyere. 

75.  ,  H.  Abegg,  Holzkorporation  Kiisnacht,  Zurich. 


489 


76.  Fran  Cecile  Scheup-Roessinger,  Rolle. 

77  Herr  Ulrich  Juklin,  Seminarist,  Fideris. 

78.  „  J.  Sonderegger,  Landwirt,  Berneck. 

79.  ,  Dr.  J.  Messikommer,  Wetzikon. 

80.  ,  C.  Risold,  Oberfbreter,  Spiez. 

81.  „  6.  Braun,  Stadtfttrster,  Bischofszell. 

82.  „  W.  Ammann,  Kreisfftrster,  Bazenhaid. 

83.  „  Cunier,  Oberffirster,  Aarberg. 

84.  ,  Riiedi,  Forstadjunkt,  Zurich. 

85.  „  W.  Schttdelin,  Oberftorster,  Bern. 

86.  „  H.  de  Blonay,  Lausanne. 

87.  „  C.  Mauchle,  Kreisffirster,  Baden. 

88.  „  H.  Seeli,  Kantonsoberffcrster,  Glarus. 

89.  „  J.  Lussi,  Revierffcrster,  Stans. 

90.  „  H.  Landolt,  Forstverwalter,  Biiren  a.  A.,  Bern. 

91.  .  Jos.  de  Week,  Insp.  forest.,  Fribourg. 

92.  „  Henri  Dubois,  Forestier  d'Arrond.,  Nyon. 
98.  „  Martin,  Reallehrer,  Thusis. 

94.  „  R.  Btflsterli,  Pfarrer,  Wangen  bei  Diibendorf. 

95.  ,  W.  Wildberger,  Oberlehrer,  Neunkireh,  Schaifhausen. 

96.  „  Dr.  Leo  Wehrli,  Geolog,  Zurich. 

97.  „  L.  A.  Zollikofer,  Regierungsrat,  St.  Gallen. 

98.  s  Pilliehody,  Insp.  des  forets,  Le  Locle. 

99.  „  Jk.  Burchler-Berchtold,  Zollikon,  Zurich. 

100.  ,  Emil  Bischof,  Holzhauer,  Thundorf  bei  Frauenfeld. 

101.  w  C.  Rigassi,  Revierfiirster,  Arvigo-Calanca,  Grigioni. 

102.  ,  H.  Gubler,  Reallehrer,  Herisau. 

103.  ,  Dr.  H.  Bruppacher,  Redaktetir  des  Schweiz.  Idiotikons, 

Zurich. 

104.  ,  Dr.  Krilttli,  Klosters-Dflrfli. 

105.  „  von  der  Weid,  lnsp.  des  forets,  Fribourg. 
100.  ,  Lucien  Briod,  Lucens,  Vaud. 

107.  „  Jules  Nilf,  Verwalter  der  Stadtkasse  Olten. 

108.  ,  Max  de  Diesbach,  Villars  les  Jones  pres  Fribourg. 

109.  j,  J.  Diiret,  Propst,  Luzern. 

110.  w  Joseph  Stossel,  Biitlis  (Walensee). 

111.  ,  Clem.  Zurcher,  Pfarrer,  Risch  (Zug). 

112.  ,  A.  Waldburger,  Pfarrer,  Martha] en. 

113.  ,  M.  Hofstetter,  Kreistttrster,  St.  Gallenkappel. 

114.  „  Wilhelm  Gachter  jun.,  Riiti,  St.  Gallen. 

115.  ,  H.  Badoux,  KreisfBrster,  Montreux. 


490 


116.  Herr  A.  Amstein,  alt  Theaterkassier,  St.  Gallen. 

117.  „  Spieler,  Forstadjunkt,  Luzern. 

118.  .  A.  Miiller-Kehl,  Lachen-Vonwil,  St.  Gallen. 

119.  ,  Franz  Eberle,  Waldarbeiter,  Mels. 

120.  ,  J.  G.  Pfund,  Archivar,  Unter-Hallau. 

121.  .  Sev.  Baumann,  Hand  lung,  Hagenwil-Amriswil. 

122.  „  Theodor  Felber,  Professor  am  Polytechnikum,  Zurich. 

123.  „  Jacques  Baur,  Geneve. 

124.  „  Curchod-Verdeil,  Insp.forest.de  la  com  munede  Lausanne. 

125.  „  Rud.  Riiegg,  Neutal-Bfcrentswil,  Zurich. 

126.  „  J.  Luginbtihl,  Sinneringen  bei  Bern. 

127.  „  J.  von  Siebental,  Chillon. 

128.  ,  S.  Bar,  FOrster,  Basel-Stadt. 

129.  .  Gottfr.  Stampfli,  Ornithologe,  Boll  bei  Bern. 

130.  „  Dr.  med.  J.  Hiirlimann,  Aegerisee. 

131.  „  H.  Brockmann,  Assistent,  Zurich. 

132.  w  Max  de  Diesbach,  Fribourg. 

133.  „  F.  Haller,  Postbeamter,  Basel. 

134.  „  Otmar  Schnyder,  Tierarzt,  Horgen. 

135.  „  Hch.  Schweizer,  Schmied,  WattwiL 

136.  „  V.  Charbonnier,  Mezieres,  Vaud. 

137.  „  Major  Jb.  Jolissaint,  Fribourg. 

138.  „  Gougginsberg,  Pharmacie,  Bussigny  (Lausanne). 

139.  „  F.  Isabel,  Instituteur,  Villars  sur  Ollon,  Vaud. 

140.  „  M.  Bachtold,  Bezirksftrster,  Ragaz. 

141.  „  P.  Etter,  Adjunkt  des  Kantonsffcrsters,  Frauenfeld. 

142.  „  G.  Ziircher,  Oberffcrster,  Sumiswald  (Emmental). 

143.  „  Zehnder,  Gemeindefb'rster,  Suhr  (Aargau). 

144.  „  J.  J.  Deduah  Advokat,  Chur. 

145.  »  Lieehti,  Forstverwaltung  Murten. 

146.  ,  Paul  Barras,  Oberftrster,  Bulle. 

147.  „  Gottlieb  Schneider,  Landwirt,  Durnten. 

148.  .  J.  J.  Boesch,  Fabrikant,  Kappel  (Toggenburg\ 

149.  „  R.  Rietmann,  Bezirksfftrster,  Rheintal. 

150.  „  Leop.  Piguet,  Horloger,  Sentier. 

151.  .  F.  G.  Borel.  aide  aux  Archives  de  l'Etat,  Xeuchatel. 

152.  ,  Roulet,  Tnsp.  general  des  forets,  Neuchatel. 

153.  .  J.  Jacot-Guillarmod,  forest.  d'Arrond..  Saint-Blaise. 

154.  „  Dupasquier,  forest.  d'Arrond.,  Areuse. 

155.  „  Biolley,  forest.  d'Arrond.,  Couvet. 

156.  „  Veillon,  forest.  d'Arrond.,  Cernier. 


491 


157.  Herr  Hartmann,  Oberfttrster,  Stein  a.  Rh. 

158.  „  M.  Triimpler-Pestalozzi,  Zurich. 

159.  „  A.  Garonne,  Forstverwalter,  Liestal. 

160.  j,  Albert  Frey,  Forstverwalter,  Baden. 

161.  „  Rud.  Heusler,  KreisfBrster,  Lenzburg. 

162.  Frl.  Bertha  Gouveron,  Les  Bois,  Jura  bernois. 

163.  Herr  H.  R.  Pulfer,  Forstdirektor  des  Kantons  Bern. 

164.  „  H.  Gobat,  Insp.  scol.,  Delemont. 

165.  „  H.  Kasser,  Direktor  des  Berner  Historischen  Museums. 

166.  „  F.  Castella,  cure\  Romont,  Fribourg. 

167.  „  Dr.  Fritz  Baur,  Basel. 

168.  ,  Josias  Braun,  Lotfstrasse,  Chur. 

169.  ,  Walter  Schmid,  pat.  Oberftrster,  Basel. 

170.  „  B.  Freuler,  insp.  forest,  Lugano. 

171.  „  F.  Delacoste,  insp.  forest.,  Visp  (Wallis). 

172.  Frl.  Dr.  Marie  Jerosch,  Zurich. 

173.  Herr  Dr.  Coaz,  Oberforstinspektor,  Bern. 

174.  „  Moreillon,  For.  d'Arrond.  Montcherand  s/Orbe. 

175.  ,  Seeli,  Kantonsoberfftrster,  Glarus. 

176.  „  Ed.  Barberini,  KreisfBrster,  Brieg. 

177.  ,  E.  Baldinger,  Oberftirster,  Aarau. 

178.  ,  von  Arx,  Oberffirster,  Solothurn. 

179.  „  Burn,  Forstinspektor,  Luzern. 

180.  „  Ad.  Miiller,  Oberfttrster,  Meiringen. 

181.  „  F.  Enderlin,  Kantonsoberfftrster,  Chur. 

182.  T  Hersche,  Bezirksffirster.  Uznach. 

183.  „  Sehnider,  Oberfbrster,  St.  Gallen. 

184.  „  Dr.  0.  Naegeli,  Zurich. 

185.  „  0.  Furrer,  Forstinspektor,  Faido. 

186.  „  Albisetti,  Forstinspektor,  Bellinzona. 

187.  „  Bezzola,  Forstinspektor,  Locarno. 

188.  „  Dr.  Bettelini,  Bellinzona. 

189.  „  F.  Merz.  Kantonsforstinspektor,  Bellinzona. 


XII. 

Notizen 


zur 


Naturgeschichte  des  Kantons  St.  Gallen. 

Von  J.  FrOh,  Zurich. 


I.  Isolierte  marine  Molasse  in  der  Rheinebene  Sstlich 
Blatten-Rorschach. 

Auf  einer  Eisenbahnfahrt  von  Staad  bei  Rorschach 
tiber  Bauriet  (^Bannriet"  bei  J.  Scheuchzer  1712)  be- 
obachtet  man  ostlich  Fuchsloch  zwischen  der  Bahnlinie 
und  der  Landstrasse  zwei  kleine  Hiigel.  Der  ca.  160  m 
lange  grossere  und  westliche  ist  der  „grosse  Studen- 
biichel"  mit  Cote  408  (Eidg.  top.  Atlas  Nr.  78),  der 
kleinere  ostliche  der  „kleine  Studenbiichel"  402,54  m 
(Top.  Atlas,  Bl.  Bauried,  Nr.  81).  Beide  fehlen  auf  der 
schweiz.  geolog.  Karte  1 :  100,000  (Blatt  V  Dufour)  und 
den  entsprechenden  „Beitragenu,  Lief.  XIX,  Teil  I,  Bern 
1883.  Veranlasst  durch  Untersuchungen  uber  die  Moore 
im  Rheintal,  ersuchte  ich  im  Mai  dieses  Jahres  das  Tit. 
Rheinbaubureau  um  einen  orientierenden  Augenschein, 
der  in  der  vielfach  erprobten  und  sehr  verdankenswerten 
Bereitwilligkeit  ausgefuhrt  wurde.  Ich  war  nicht  wenig 
iiberrascht,  in  dem  ausfuhrlichen  und  mit  Proben  be- 
gleiteten  Bericht  von  Herrn  Ingenieur  J.  Seitz  Belege  fur 
anstehende  Meeresmolasse  zu  finden. 

Ein   Besuch   meinerseits   best&tigte   alles.     Die  Tat- 


493 


sache  hat  ein  doppeltes  Interesse,   ein  geologisches  und 
ein  morphologisches. 

a)  In  beiden  Hugeln  erkennt  man  WSW  bis  ENE 
streichende  und  ca.  12°NNW  fallende  „Seelaffeu  mit 
Austern,  Cardien,  aber  weniger  reich  an  Mollusken  als 
der  kalkreiche  und  zu  Schotter  verwendete  obere  Muschel- 
sandstein  von  Blatten,  als  deren  direkte  Verlangerung 
die  Studenbiichel  zu  betrachten  sind ;  doch  fehlen  am 
gros8en  karrenahnliche  Verwitterungsformen  nicht.  Dieser 


Aus:  Topographischer  Atlas  der  Schweiz  1 :  26,000,  Blatt  78  und  81. 

letztere  erhebt  sich  etwa  3,6  m  uber  Terrain  und  ist  am 
15 — 20  m  breiten  Ostende  ca.  2  m  hoch  abgesprengt; 
in  den  obern  Partien  zeigen  sich  wellenformige  Schichten, 
stellenweise  mit  Tongerollen.  Der  „wilden",  mehr  massigen 
Beschaffenheit  des  Gesteins  hat  man  die  Erhaltung  der 
Hugel  zu  verdanken.  Der  kleine  Buchel  ist  ca.  16  m 
breit  und  1 — 1,5  m  uber  Terrain. 

Bereits  Herr  Seitz  erkannte  etwas  westlich  der  Land- 
strassenbrucke  tiber  den  Neugraben  noch  Felsreste.  In 
der  Tat  findet  man  dort  ca.  4  m  vom  siidlichen  Strassen- 
rande  bei  Repere  57a  (Blatt  Nr.  81,  Edition   1900)  von 


494 


E  nach  W  drei  rundbucklige,  0,2  bis  0,35  m  empor- 
ragende,  mit  Sedum  acre  oder  ausgedorrtem  Rasen  be- 
deckte  „SeeIaffenu,  wekhe  eine  gngammftnhAngftndft 
Platte  darstellen  mussen. 

Die  Molasse  lasst  sich  noch  weiter  nachweisen.  Der 
Steinbruch  Fuchsloch  ist  vor  etwa  100  Jahren  in  dea 
sogen.  „Blattenu,  d.  h.  den  die  Seelaffe  unterteufenden 
marinen  Banken  angelegt  worden.  Zwischen  den  Hausern 
Fuchsloch  and  dem  Bahnwfirterhauschen  verzeichnet  Bl.  78 
(mit  Nachtragen  bis  1891)  drei  Teiche,  d.  h.  ertrankte 
Bruche,  von  denen  der  westliche  ganz  zugefullt  und  nur 
der  nordostliche  noch  mehr  oder  weniger  gut  erhalten 
i8t,  mit  herrlichen  phytogenen  Verlandungszonen  (Nuphar, 
Nymphcea,  Scirpus  lacustris,  Arundo  Phragmites,  Typha  latif. 
etc.).  Vom  Bahnwarterhauschen  dem  Sudrand  der  Eisen- 
bahnlinie  entlang  auf  80  m  gegen  Osten  gehend,  konnte 
ich  an  dem  Graben  nur  Rheinalluvium  erkennen.  Das 
im  Winkel  zwischen  Bahnh&uschen  und  der  Nordseite 
der  Linie  erbaute  Wohnhaus  steht  nach  Aussage  von 
Bahnwarter  Herzig  teils  auf  Fels,  teils  auf  Pfahlen. 

Der  auf  Blatt  81  verzeichnete  Weg  von  diesem  Haus 
in  ostlicher  Bichtung  und  bis  ca.  11  m  westlich  des  von 
Biizel  herkommenden  Baches  fiihrt  auf  einer  von  Westen 
nach  Osten  von  0,6  bis  2  m  ansteigenden  Kante  von 
fossilienleeren  (?)  „Blattenu,  dem  Nordrande  ernes  auf  der 
Halfte  verlandeten  alten  Steinbruches,  welcher  1817 
an  einem  Mittag  plotzlich  samt  Werkzeugen  ertrunken 
sei.  Zwischen  dieser  Kante  und  dem  Wohnhaus  im  Siiden 
und  den  beiden  Studenbucheln  im  Norden  stehen  unter 
mehr  oder  weniger  r angel egtem  Land"  (Rheinsand  und 
Rheinletten !)  viele  kleine  Felskopfe  an,  d.  h.  vom  Haus 
Fuchsloch  erstreckt  sich  ein  1,6 — 2  Hektaren  grosser 


495 


und  ca.  450  m  langer,  mehr  odor  weniger  tief  erodierter 
Mola88e8porn  bis  zur  Landstrasse.  Wenn  er  bei  der 
1877 — 79  erfolgten  Kartierung  iibersehen  worden,  so  mag 
sich  das  daraus  erklaren,  dass  die  Blatter  Nr.  78  und  81 
des  eidgen.  topographischen  Atlas  erst  1885  resp.  1888 
erschienen  und  die  Hugel  auf  der  1840—46  aufgenommenen 
Eschmann'schen  Karte  1 :  25,000  fehlen  und  danach  auch 
auf  Dufour  V  (Ausgabe  1860). 

b)  Morphologisch  treten  als  drei  nordlichste  Sporne 
vor  dem  Bodensee  auf:  Buchberg-Blatten  (Halden)- 
Staudenbtichel  und  die  Eippen  Hurlibuck-Speck  bei  Staad. 
Der  Riicken  ostlich  Blatten  zeigt  nach  Osten  bis  zum 
Str&sschen  N— S  nach  „Haldena  eine  Stufe  von  16  m. 
Yon  hier  bis  zur  Eisenbahn  nach  Fuchsloch  und  nordlich 
„Haldena  breitet  sich  ein  schrag  abgeschliffenes  und  von 
der  Ebene  3 — 10  m  plotzlich  sich  abhebendes  Plateau 
aus  als  abgeschliffener  Grat,  das  linksufrige  Aquivalent 
der  aus  SeelafFe  bestehenden,  von  der  Eisenbahn  durch- 
schnittenen  und  mit  Gletscherschliffen  und  „Miihlenu  ver- 
sehenen  Riedenburg  bei  Bregenz. 

II.  Flugsand  (Diineii)  1m  Rheintal. 

a)  Bereits  an  anderer  Stelle l)  habe  ich  auf  die  zwei 
W — E  streichenden  asymmetrischen  D  tin  en  zwischen  der 
Eisenbahn  und  dem  Bhein  bei  B,iiti  aufmerksam  gemacht. 
Sie  liegen  im  Norden  eines  „Sandu  genannten  Gelandes 
und  erscheinen  auf  der  topographischen  Karte  (Blatt  239) 
als  zwei  kleine  mit  434  und  432  kotierte  Hugel. 

b)  Innerhalb   des  nordlichsten  Teiles  der  Gemeinde 

!)  Der  postglaciale  Loss  im  St.  Galler  Kheintal  mit  Beriick- 
Bichtignng  der  Lossfrage  im  allgemeinen  (Vierteljahrsschrift  der 
Naturwissenscbaftlichen  Gesellschaft  Zurich.  XXIV.  1899.  S.  188). 


496 


Ragaz  verzeichnet  Blatt  270  (Ausgabe  1886)  einige  iso- 
lierte  und  kotierte  Htigelchen: 

a)  „Bagola  407  m  NW  Malangga-St. Leonhard,  doroh 
Abbau  reduzierter  Sandhiigel  mit  1,5  m  relativer  H5he, 
von  SE  nach  NW  ansteigend,  direkt  auf  Geschieben  des 
Rheines  und  der  Tamina  aufgesetzt.  Der  grane  nn- 
geschichtete  Sand  enth&lt  noch  einen  erheblichen  Prozent- 
satz  grober  eckiger  Splitter  von  Biindnerschiefer,  Quarz, 
Calcit,  Glimmer  von  0,7  bis  1,5  mm,  welobe  auf  kurzen 
Weg  der  Verwehung  deuten.  Von  gebleiehten  Mollusken- 
gehausen  erkannte  ich  Helix  (Fruticicofa)  villosa  Drap., 
Patula  ruderata  (?)  Studer. 

P)  Nach  Aussage  von  Bahnwarter  Looher  in  Basch&r 
besteht  auch  Hxigel  600  in  der  unteren  Au  aus  1,6  m 
Sand,  ebenso  der  langliche  E  493  ostlich  Baschar  mit 
einer  relativen  Hohe  von  1  m.  Dagegen  ist  die  Erhebung 
499  E  „Heul68era  ein  altes  Schwellwuhr.  Nach  Analogie 
zu  Bagol  diirften  die  Erhebungen  600  und  E  493  Flug- 
sande,  vielleicht  Reste  grosserer  Diinen  sein.  Th.  Lorenz l) 
hebt  die  bis  5  m  machtigen  grauen  Dunensande  hervor, 
welche  sich  am  Fusse  des  Flascherbergea  zwischen 
Heidenschopf  und  Ellhorn  hinziehen. 

III.  Hochmoore  oberbalb  Plons  W  Mela. 

Gelegentlich  einer  Exkursion  streifte  ich  im  September 
dieses  Jahres  zwei  Hochmoore,  uber  die  hier  eine  kurze 
Notiz  niedergelegt  werden  mag.  Die  Hohlformen,  iiber- 
wiegend  Isoklinaltalchen,  beherbergen  in  hoheren  Lagen 
noch  vielfach  Streueboden  (Molinieta),  nicht  selten  Sphag- 
neta  bis  entwickelte  Hochmoore. 


*)  Beitr&ge  zur  geologischen  Karte  der  Schweiz,  Neue  Folge 
X.  1900.  S.  62. 


497 


a)  Das  TurbenrietEKapfeberg  1030  m,  ca.  400 
Meter  lang,  80 — 100  m  breit,  liegt  in  einer  ausgezeichneten 
Rundhockerlandschaft  und  zeigt  peripherisch,  besonders 
am  Ost-  und  Westrande,  Flaehmoorrasen,  im  iibrigen  ein 
ausgezeichnetes  Hochmoor,  das  zu  zwei  Dritteln  schon 
ziemlich  abgebaut  ist.  Die  Vegetationsdecke  ist  speziell 
an  letzteren  Stellen  verherrschend  eine  triefende  Torf- 
moosdecke  (Spliagnum  medium)  mit  eingestreutem  Erio- 
phonim  vaginatum,  Trichophorum  alpinum,  Aulacomnium 
palustre,  Drosera  rotundifolia,  Potentilla  Tormentilla,  junge 
Betula  pubescens,  Frangula  alnus,  Alnus  incana. 

Dazu  kommen  Drosera  rotundifolia,  Oxycoccus  palustris 
und  Andromeda  polifolia.  Weniger  feuchte  Stellen  be- 
herbergen  Trichophorum  cwspitosum,  Molinia,  Vaccinium 
myrtillus  und  V.  Yitis  Idcea  und  erhohte  Reste  des  nicht 
ausgebeuteten  Moores  weisen  ein  iippiges  Callunetum  auf 
mit  Besten  von  Vaccinium  tdiginosum,  Salix  nigricans, 
Aspidium  spinulosum,  Abies  eoccelsa.  Zahlreiche  flache,  alte 
Torfgruben  sind  mit  Rhynchospora  alba,  insbesondere  mit 
Lycopodium  inundatum  geschmuckt,  das  gelbgnine  Beete 
darstellt.  Wasserreiche  Stellen  und  Graben  sind  verlandet 
mit  Carex  rostrata  oder  Mmyanthes  trifoiiata  oder  Teppichen 
von  Sphagnum  cuspidatum.  Wahrscheinlich  dlirfte  Scheuch- 
zeria  palustris  gefunden  werden. 

Pinus  sylvestris,  das  Rundhocker  bewohnt,  erscheint 
stellenweise  auch  im  Moor;  im  ostlichen  Teil  ist  dafur 
noch  ziemlich  haufig  JPitius  montana  var.  lutcinata 
Ram.  in  1  —  6  m  hohen,  nicht  sehr  iippigen  Exemplaren. 
Ftinf  auf  der  topographischen  Karte  (Blatt  267)  nicht 
verzeichnete  kleine  Schuppen  dienten  der  Aufspeicherung 
des  Torfes.  Dieser  ist  Hochmoortorf,  0,3 — 1,5  m  machtig 
und  nach  seinen  wesentlichen  Komponenten  ein  Sphagneto- 


498 


Eriophoreto-Scheuchzerietum,  an  einer  Stelle  in  dieser  Form 
direkt  iiber  Verrucano  beobachtet.  Eine  Probe  zeigte 
unter  dem  Mikroskop  einen  Fasertorf  aus  Scheuchzeria 
palustris,  Eriophorum  vaginatum  mit  halb  humifizierten 
Stengelchen  und  Blattchen  von  Sphagnum  cuspidatum  und 
Sphagnum  cymbifol.  Ehrh.,  sowie  wenig  Vaccinien  und  in 
deren  Begleitung  Mykorrhiea&den.  Eingestreut  ziemlich 
viel  Sporen  von  Sphagneen,  Pollen  von  Alnus,  Betula, 
Pinus,  Picea,Tilia,  Mtickenskelete  und  ziemlich  viel  Mineral- 
splitter,  unter  welchen  die  mit  Rutiln&delchen  erfullten 
und  Mikrokrystalle  des  Rheinerraticums  nicht  selten  waren. 
b)  Zwischen  Kapfeberg  und  Alpnagelikopf, 
etwas  nordlich  „Turbenrietu  und  dem  rechten  Ufer  eines 
linken  Zuflusses  des  Schmelzibaches,  traf  ich  in  ca.  1000  m 
einen  vor  kurzer  Zeit  geschlagenen  Rottannenwald,  dessen 
Boden  durchaus  die  Komponenten  eines  Sphagneto-Erio- 
phoretums  zeigt:  Sphag.  cymb.  Ehrh.,  Sphag.  acut,  Aula- 
comnium,  Drosera  rot.,  Oxy coccus,  Voce.  Vitis  Idcea,  Yacc. 
myrtillus,  V.  uliginosum  mit  6 — 8  mm  grossen,  blau  be- 
reiften,  wohlschmeckenden  Beeren;  reichlich  Andromeda 
polifolia;  eingestreut  Rhododendron  ferrugineum,  Betula 
pubescens,  Lycopodium  annotinum  nebst  Erioph.  vag.,  Tricho- 
phorum  ecespitosum,  Molinia  etc.,  letztere  besonders  im  ost- 
lichen  Teil,  wo  immer  dichter  kiimmerliche  Exemplare  von 
0,8 — 2  m  hohen  Pinus  uncinata  auftreten.  Das  Ganze 
bietet  das  interessante  Bild  eines  durch  Hochmoorbildung 
gefahrdeten  bis  zerstorten  Rottannenwaldes. 


xm. 


Meteorologische  Beobachtungen. 

Jahr  1903. 

A. 
Station  Altst&tten  (450  M.  a.  M.). 

Beobachter:  J.  Haltner. 


1903 

i 
i 

! 

Lu 

ftdruck 

Mittel 

Minimum 

Tag 

Maximum 

Tag 

Januar 

726,5 

710.7 

11. 

736,5 

29. 

Februar 

730,5 

710,6 

2. 

739,8 

10. 

Marz 

724-,4 

704,1 

3. 

735,0 

20. 

April 

719,0 

700,5 

23. 

727,4 

6. 

Mai                 1 

720,9 

1      707,2 

4. 

730,7 

16. 

Juni                ; 

721,5 

1      712,9 

19. 

729,1 

27. 

Juli                 1 

723,5 

71t5.0 

17. 

729,5 

1. 

August            | 

724,3 

715,3 

14. 

731,5 

27. 

September      \ 

725,2 

1      710,9 

11. 

731,2 

23.  24. 

Oktober          | 

721,4 

712,4 

28. 

727,6 

19. 

November 

723,9 

!      697,2 

30. 

733,4 

23. 

Dezeraber 

718.8 

702,8 

1. 

733,7 

22. 

Jahr 

723,3 

1      697,2 

1 

II. 

739,8 

II. 

! 

Luftt 

empera 

tur 

1903         | 

— _  _ 

1 

lh                9h 

Bed.    j      M 

inimum          Maximum 

1 

Mittel  1 

Tag  j                 Tag 

Januar 

-3.4' 

i                      1 

1.4  —  1,7  - 

-  1,4,-1 

5,3 

19. 

15,3       9. 

Februar          ! 

—  0,8! 

5,5  I       1.7 

2.0  — 

8,5 

18. 

15,3     23. 

Marz               j 

3,5! 

ll,0i       5,5 

6,4  — 

3,7 

8. 

20,3  1  27. 

April               ' 

3,9, 

8,4  |       4,8  i 

5,5  — 

1.5 

18. ,  17,9     30. 

Mai 

11,2 

17,9,     11.9 

13,2 

6,3 

11. '  25,8     29. 

Juni                ', 

14,1, 

19,3 1     14,4 

15.6 

9,3 

8. ,  26,8     29. 

Juli                 , 

15,0  1 

2'».3       15,2 

16.4 

B,7  1     8. '  27,6  :     3. 

August            : 

14,8' 

21,3 '     15,8 

16,9 

9,5     16.    27,1       9. 

September 

11,2  1 

18,6  j     13,3 

14,1 

5,6  j  14.    26.8  1     2. 

Oktobe. 

8,3' 

13,7  |       9,0  , 

10.0  — 

[),7     20.    22,5  ■     6. 

November      , 
Dezember 

2.7  1 

6.3        3,8 

4.2  —  < 

4,2  ;     9.,  11,1 

3. 

-  2,3  j 

0,5  |—  2,0  - 

-  1.5  —  < 

Mi  31.    12,3 

13. 

Jahr            | 

6.5 1 

1 

12 

,0,      7*1 

!         1 

8,4  -11 

&,3 

I. 

27 

,6 

VI. 

4 


500 


Station  Altstatten. 


Relative  Feuchtigkeit 

BewAlkunp 

1903 

7* 

111 

»» 

11**1  j    MlDi^ 

7»-    1     lfc 

0b     MJU*1 

Jamiar 

!  90 

81 

86 

86 

81 

9. 

6,4  1  5,0 

4.7 

5,4 

Februar 

88       76 

82 

82 

39 

27., 

5,0      5,7 

+.5     5.1 

Marz 

i  79    1    53 

72 

68 

20 

2ii. 

3,8      4,5 

3,5     3,9 

April 

81    '   63 

76 

78 

30 

30.: 

7,7      8,3 

7,4  i  7,8 

Mai 

1  77   i   51 

69 

66 

27 

6  - 

4,6 

4.9 

4,4  {  4,6 

Juiii 

1  80   |   60 

75 

72 

36 

19.1 

6,0 

6,8 

7,0  i  6,6 

Juli 

86  '  68 

83 

79 

48 

16. 

6.8  i  6,6 

6.0     6,5 

August 

1  85      62 

80 

76 

37 

29.! 

5,6  I  5,4 

4,3     5.1 

September 

i  90   1   69 

87 

82 

54 

utx  ■ 

5,2     4.4 

3,8 

4.5 

Oktober 

87   i  68 

86 

80 

33 

28. 

5.6     6,3 

5,3 

5.7 

November 

i  90   1   78 

88 

85 

56 

20. 

8.1 

8.0 

8,5 

8.2 

December 

I  94  !  84 

1  «i :  pes 

1     1 

94 
81 

91 

78 

40 
SO 

13- 

8,6 

7,4 
6.1 

7.1 

7,7 
5.9 

liilir 

Ml. 

6,1 

Nieder^chlflg-                 Zahl  der  Tage  mit 

1903 

Bnmrn.1  U"Sm^ 

«m'.i  !**^W|iL  ,fbl' 

Htiltr      Trli 

]              1 

SO       8 

L    b. 

Januar 

3, 

7.  fl 

1    4 

0 

0 

8 

8        y 

Feb  mar 

57  l    15 

15. 

10.  £ 

6 

0 

0 

6 

9         8 

Milrz 

57  i    18 

3. 

8.   E 

1 

0 

0 

5  1 

12         5 

April 

.    104  1    19 

7. 

20.1? 

10       0 

0 

1  ' 

I   !     17 

Mai 

40  i     8 

17. 

12.  8 

1    0 

0 

2 

0 

11         8 

Jnni 

91      18      21. 

16.14     0 

0 

1 

0  i 

4  '     14 

Juli 

1    216  ,    43   |   19. 

^2.20 

0 

0 

3 

o  I 

6       12 

August 

1    156  >   58   '    15. 

His 

0 

0 

2 

0 

7         8 

September 

63     25      1& 

9,  E 

0 

0 

0 

2  ! 

11         9 

Oktober 

j    113  ,   19   1   12. 

20.16 

0 

0 

0 

0 

9 

11 

November 

1    115      16   ,  21. 

is.  ie 

8 

0 

1 

5 

1 

22 

December 

25  I    12        6. 

6.  4 

s 

0 

0 

12 

2 

i: 

■  l:i  hr 

1067  '  58  1 VIII- 

1 

161.  139 

1 

.  32 

— 

9 

89  , 

81     140 

i 

In  dor  A 

1       rl 

nbrik  „Zfthl  dor  Tig*  mit  N 

aderit 

bit*4 

gvfafiU 

df«  Zifl 

i 

tern  nnUr  * 

die  AtjJiftbl  d#r 

Tug*  bo,  bu  wtlchen  din  JilftdenBhUgiraepge  mind*it«ui  0,fl  mm. 

djrj«ntgen  antei 

b  j  ■•  i  i* 

,   fllJ   tt 

elehflu 

dieHltx 

i  ilj  uv 

GtlttDi 

1,0  nu 

m  tmlBht  h 

it 

601 


Station  Altstatten. 

1 

Windverteilung 

1903 

! 

Zahl  der  Beobachtungen : 

s 

NE 

B      '     SE     1      S      I    SW 

1                1               !                i 

w 

'  NW 

Calnn 

Januar 

11  i 

2 

o  ;  2  !  2  !  io  i 

7 

1      * 

55 

Februar 

2  ! 

5 

1    i     1     -     0     |      4    , 

5 

1     7 

59 

Man 

1      7  i 

12 

1    i     1     !     3     1      9 

10 

I  11 

39 

April 

U  | 

7 

1    :     2     '     3        12    ' 

6 

1  10 

35 

Mai 

17  i 

6 

4    !     1     !     4     1      6    i 

9 

14 

32 

Juni 

11 ' 

3 

2    '     3     i     4     i      6    1 

3 

11 

47 

Juli 

11 1 

7 

3        3         5          9 

7 

i  12 

36 

August 

'      7  I 

5 

1    1     2         4     !      5 

16 

i   e 

47 

September 

1      8  1 

2 

2    ,     2     '     1     !      4    1 

6 

4 

61 

Oktober 

1      7  i 

11 

2    '    2    !     7    :     8    , 

8 

1  10 

38 

November    i 

9  ! 

4 

0   '    0    i    2    ,     8   : 

9 

I    8 

50 

Dezember 

Jahr 

i 

2  ! 

8 

3    i    2     ,    2          0   ' 

2 

i    o 

74 

106  | 

i 

72 

20   .   21    i   37   |   81 

88 

•  97 

573 

B. 

Station  Ebnat  (649  M.  ii.  M.). 
Beobachter :  J.  J.  Kara  tie. 


1903 

|                                    Luftdruck 

1        «#ii.«~i         ■                Minimum                                Maximum 
|       M't,Sl        |                                T.K       |                                Tag 

Jaouar 

Februar 

Mara 

April 

Mai 

Juni 

Juli 

August 

September 

Oktober 

November 

Dezember 

Jahr 

1   1   1   1   1   1   1   !   1   1   1   1 

1  1  1  1  1  1  1  1  1  1  1  1 

1  1  1  1  i  1  1  II  1  1  1 
I  I  i  i  i  i  ;  I  ;  i  I  I 

i  i  i  i  i  i  M  '  1  1  I 

: 

i       ! 

602 


Station  Etana 


Luffctem 


1903 


9fc 


K«d. 
Miuet 


J ;  i  n  u  i  I  r 

Februar 

Morz 

April 

Miii 

Jani 

,hili 

August 

September 

Oktober 

November 

December 


Jahr 


-4,8 

-  1,7 
M 
1.8 
8,4 

11,2 

13,1 

12,9 

9,1 

6.2 

2,4 

-  4.3 


4,6 


1,5 

5,8 

9,3 

6,4 

16,6 

17,3 

19,2 

20,3 

17,3 

13,0 

5,2 

-0,7 


10,9 


-  3,2 
1,2 
3,2 
23 

9,2 

12,5 

13.9 

15,0 

11,3 

7,4 

3,1 

-3,7 


-  2,< 
M 
4,S 

10,£ 
13,4 

15,1 
15J 

12,< 

3^ 
-3,1 


6,1       ftfl 


1903 

R< 

slative  Feuchl 

,igke 

7t 

lb 

9t    IkimI    M|f" 

Jamiar 

tVbruar 

Mil-,-:. 

April 

Mai 

Juui 

Juli 

August 

September 

Oktober 

November 

Deaember 

— 

— 

— 

— 

— 

Jahr 

603 


Station  Ebnat. 


Niederschla^ 

/.:llll    Uei 

■  Ta 

ge  niit 

3903 

Sumiue 

Maximum 
Tig 

IE  Mill 

ScKihi 

HlEli 

wrttir 

Hibil 

Hittir 

Trdh 

k.    b. 

Jaguar 

94 

30  ,     2J;   6,    ft 

3 

0 

0 

0 

12 

fl 

Februaj 

72 

27 

15.     6.    6 

3 

0 

0 

0 

12 

6 

Mitral 

103 

33 

3.    10. 10 

4 

0 

0 

0 

9 

5 

April 

129 

21 

8.    18.  17 

10 

0 

0 

0 

0 

17 

Mai 

56 

15 

1.    10.10 

0 

0 

0 

0 

9 

5 

Juni 

187 

45 

12.  !  14.  13 

0 

0 

8 

0 

5 

13 

juli 

246 

46 

29.  i  21.  19 

0 

0 

2 

0 

5 

12 

Aaguat 

169 

48 

19.  1 14. 14 

0 

0 

1 

1 

7 

8 

S«pt ember 

63 

29 

13,  if   6.   6 

0 

0 

1 

% 

10 

7 

Oktober 

202 

23 

16.    17. 17 

0 

0 

0 

1 

7 

13 

November 

1*2 

29     25,  i  15. 14 

B 

0 

0 

2 

3 

22 

December 

43 

14 

6,,    6,    6 

ft 

0 
0~ 

0 
7? 

6 
18? 

5 

81 

12 
126 

Jalir 

1551 

• 

H 

Hi  I3S 

u 

Station  Heiden  (797  M.  a.  M.). 

Beobachter:  J.  J.  Niederer. 


Luftdruck 

1903 

Mittel 

Minimum 

Tag 

Maximum 
;                                Tag 

Januar 

695,8 

681,7 

11. 

703,3 

25. 

Februar 

699,9 

680,8 

2. 

709,2 

10. 

Marz 

694,4 

674,7 

3. 

704,2 

20. 

April 

689,1 

672,0 

23. 

696,8 

6 

Mai 

691,7 

678,7 

4. 

701,2 

22. 

Juni 

692,5 

684,4 

19. 

699,9 

26. 

Juli 

694,6 

687,9 

17. 

700.3 

1. 

August 

695,4 

687,4 

14. 

702,1 

26. 

September 

696,2 

682,6 

11. 

701,9 

23. 

Oktober 

691,8 

683,2 

28. 

696,9 

19. 

November 

693,6 

667,7 

30. 

703,1 

23. 

Dezember 

688,1 

672,7 

1. 

701,6 
709,2 

22. 

Jahr 

693,6 

667,7 

XI. 

11. 

I 


604 


Station  Heide 


Ltofttem 

1903 

7h 

lk          tfi 

Bed, 
BittUl 

Januar 

-  2,3 

2,4?-  3,9 

-  0,9 

Februar 

-  0,1 

5,4         1,1 

1,9 

MiLrz 

2,5 

7,3        2,9 

4,0 

April 

2,1 

5,5        2,3 

3.1 

Mai 

10,1 

15,6 1       8,6 

10,7 

Juni 

12,0.'     16,5]     11,1 

12,7 

Juli 

18£      17,6,     12,8 

14,2 

August 

14,1  j     18,7,     13,0 

14.7 

September 

10,6 

15,7 

10,4 

*M 

Oktober 

8,2 

12,0 

7,9  1 

9,0 

November 

2,1 

4,3 

u ! 

2,5 

December 

i-  3T3 

-0,4 

-8,4 

-  2,6 

Jahr 

6,8 

1<U 

6,6 

64 

Relative  Feuchttffke 

1903 

1~ 
!     7fc 

i* 

gb 

Mlttrt 

Mink 

Jammr 

75 

66 

74 

72 

as 

Februar 

70 

56 

70 

65 

26 

M    r.'- 

70 

54 

74 

66 

,   25 

April 

75 

60 

74 

70 

,   26 

Mai 

67 

49 

75 

64 

1  27 

■Tuns 

74 

59 

78 

70 

1   35 

JuK 

72 

60 

80 

71 

.   36 

August 

72 

57 

78 

69 

1   32 

September 

79   *   64 

83 

75 

1   38 

Oktober 

1   75       62 

77 

71 

1   35 

November 

M       79 

87 

£4 

34 

December 

89 

79 

87 

85 

35 

Jalir 

75 

62 

78 

72 

25 

605 


Station  Heiden. 


wm 


Niederscblag 

MftlllDUOl 


■  Summe 


T*g 


Zahl  der  Tage  in  it 

Mtir  L  Trlh 


,,is;iw-l"",|i 


Januar 

Februa  r 

Murz 

April 

Mai 

Juni 

Jnli 

Augrmt 

September 

Oktober 

November 

December 

Jahr 


j  I 

56  25  I2t 

87  ,    17  I  15. 

58  I    14  ;    6, 

.    142  |   24  7. 

52  U  !  17. 

135  ,    37  I  21. 

1    263  54  8. 

'    196  57  15. 

I     142  51  I  13. 

136 

162 

36 


!► 


24  12. 
28  25. 
23*!    6- 


7,    7 
11.  10  I 
11.    8 
22. 20 
12.10  1 
17.12 
23. 22  i 
17. 14 ' 

9.    9 

20.    16    ; 


1465     57     Mil 


21.17 
8.    6 


lit.  151. '  57  I 


5 1 

7  | 
16 
0 

0  . 
0  i 
0  : 

0 

2  ' 
12 

7  ! 


0 
0 
0 
0    I 

0  i 

0    I 

0 

o  ! 

o  I 

0 


I 

0  i     3 

o  i 

0 1 

0  ' 
3  i 


S1 
}! 

0 

o  I 
0 


12 
13 
13 

2 
12 

5 

E 

10 
13 

8 

a 

4 


7 
4 

3 

16 
6 
18 
10 
5 
7 
9 

20 
13 


0      21~i  24  1100  1 

I 


1903 


Januar 

Pebruur 

Man 

April 

Mai 

Juni 

Juli 

August 

September 

Oktober 

November 

Dezember 


Windverteilung 
Zabl  der  Beobachtungen; 


M. 


11     I 

SI 

9 

10  < 
16  I 
20  ! 
9  i 
15 

23 

5  , 
13 

29 


i 

2 

0 

i 

0     i 

1 

0    i 
0 

s 


>'■ 


15 

10 

14 

10 

7 

6 

9 

3 

1 

21 

5 

8 


svr 


sw  .citaw 


5  i 


6 

19 
16 
23 

10 
10 
24 


•lalir 


I     15 

8 

I     20 

30 


10 
11 

7 
7 

14 

16 

14 

9 

2 

2 


53 

45 
38 
34 
45 
38 
28 
«6 
38 
32 
38 
47 


163     10    i    16       84      109     19   '  180       96    472 


606 


D. 
Station  St  Gallen  (703  M.  a.  M.). 

Beobachter:  J.  G.  Kessler. 


1903 

L 

uftdruck 

Mittel 

1 

Minimum                !                Maximum 

Tag        !                                    Tag 

Januar 

!      704,1 

i 

! 

689,8 

11 

713,9 

i       29. 

Februar 

i      708,1 

688,7 

2 

717.5 

1       10. 

Marz 

i      702,5 

683,2 

a 

712i3 

20. 

April 

,      697;  I 

680,0 

2a 

704,8 

!    6.  10. 

Mai 

!      699,6 

686.2 

A 

708,8 

21.  22. 

.luni 

!      700,4 

692,1 

19 

707.9 

!       26. 

Jnli 

.      702,5 

1 

695,6 

17 

708,3 

1- 

August 

1      708,2 

i 

694,2 

14 

710,1 

,       26. 

September 

704,0 

689,9 

11 

709,9 

1       23. 

Oktober        J 

November 

Dezember 

699,8 

690.9 

28 

705,2 

,       19. 

701,8 

1 

675,7 

1      30 

711.1 

1      23. 

696,4 

1 

680,8 

1 

710,4 

22. 

Jahr       "| 

701,6 

i 

1 

i 

675,7 

~    XI 

.    ~       717.5 

in. 

i 

Lufttemp 

e  r  a  t  u  r 

1903 

7h 

1» 

9b 

Red. 
Mittel 

Minimum 
Tag 

Maximum 
Tag 

Januar          ! 

1 

-  2,6 

2.1 

-  1.7; 

-    1,0 

! 

— 12.0  1   19. 

13,8        9. 

Februar 

0,0, 

5,3 

1.4  ' 

2,0 

-11,0     17. 

14,6      28. 

Murz              ' 

8.0 

8.9 

3,6 

4,8 

-  4.3  1     8. 

19,0      27. 

April 

2.6, 

6,5 

2,8  ' 

3,7 

-  3,6  |  19. 

13.6        7. 

Mai 

10.4 

15,5 

9.9 

U.4 

4.4!     2. 

22,3      29. 

Juni 

12.6 

17,0 

11,9, 

13,4 

6,6  i     8. 

25.5      29. 

.Tuli 

14.5 

18.6 

13,5; 

15,0 

5,1  |     8. 

27,0        3. 

August 

14.7 

19,4 

14.4 

15,7 

9,2  j  19. 

25,2        9. 

September 

11,3 

16.4 

11,6 

12,8 

4,0     14. 

25.1        2. 

Oktober 

8.0 

12,4 

7.9: 

9,1 

-  2,1     20. 

22,1         7. 

November 

2.5 

4.9 

2,7 

3,2 

—  1,4  1  27. 

10,8      24. 

Dezember 

—  2.8  - 

1,0 

—  2,8  i- 

-  2,4 

-  9,5  1  31. 

6,3      10. 

Jahr 

6,2 

10,5 

"(SL8 

7,3 

-12,0 

I. 

~277o     VII. 

607 


Station  St.Gallen. 


1903 


Relative  Feuchtigkeit  'I      Bewdlkung 


7h 


lh     ,    9h     iMittel     MiuIm™    '  7h     |    lh     '    9h    !mM01 

I  i  i*g  ,,  |  | 


Januar 

Februar 

Marz 

April 

Mai 

Juni 

.Tali 

August 

September 

Oktober 

November 

Dezember 

Jahr 


79 
74 
75 

I  78 
70 
78 
77 
77 
86 
81 
88 
93 


67 

|  63 
!   55 

!   53 

!  61 
!  62 
58 
!  69 
.  67 
I  82 


75 

72 

,   74 

I  77 
1  72 
77 
|  80 
j  80 
I  87 
!   85 

I   93 


80  i  66  I  80 


I 


74 

70 
68 
73 
65 
72 
73 
72 
81 
78 
86 
91 


28  9. 

23  I  20. 

27  I  26. 

28  ,  21. 
31  I  6. 
39  26.29. 
43  I  3. 
35  '  14. 
55  :2.6. 
31  I  28. 
54  :  29. 
51  9. 


5,6 

ll  3,9 
4,3 

m 
m 

,5,3 

II  6,0 
5,7 

i|8,7 
8,7 


I 


5,0 
5,1 

4,8 
i  8,1 
4,5 
6,3 
6.5 

I  4'9 
1  4,1 

6,1 

8,0 

8,5 


4.6 
4,7 
3,9 
7,0 
5,1 
6,8 
6,4 
4,7 
3,8 
5,5 
8,0 
8,2 


5,1 
4,6 
4,3 
7,5 
5,0 
6,6 
6,5 
5,0 
4,6 
5,8 
8,2 
8,5 


75     23  I  II.  I!  6,2  >  6,0    5,7    6,0 


I 


1903 


Niederschlag 


Zahl  der  Tage  mit 


Summe1 


Maximum 
Tag 


!;*;;-  sch.„H.,.«  Jj-ri 


Nibil  :  Heitir  i  TrOk 


b.  I 


Januar 

Februar 

Marz 

April 

Mai 

Juni 

Juli 

August 

September 

Oktober 

November 

Dezember 

Jahr 


62  34  .  12. 

58  14  2. 

52'  13  3. 

109  18  7. 
42:  9  1. 

112  34  -  21. 

235  |  40  19. 

163  48  15. 

110  40  13. 
134  27  30. 
136  i  20  '.  17. 

32  19  I     6. 


I    a. 

8.    7|     5 

10.    81     8 
i;  10-    8,     6 

20.18     14 

12.10'     0 
1 16.  13  |     0 

21.21 
114.13 

10.    8 

20.  16 

19.16 
7.    4 


0  ' 
0 

0  i 
2 

12  l 

7  ' 


S! 
S 

0    , 

0    I 
0 


1 

Si 

ti 

4 

7  I 
4 
0 

0  I 
0  : 
0  I 


I 
5 

i  i 
o 

0  ■ 
0 

2  i 
1 

0  i 

3  i 

n 

13  ' 


10 

11 

10 

2 

10 

5 

5 

7 

10 
7 


10 

8 

5 

16 

10 

14 

14 

7 

10 
9 

1  ;  21 
0  |  22 


1245     48    VIII.  167.141 


i 


54  i   0      17     30     78    146 


508 


Station  St.  Gallon. 

Windverteilung 

1903 

»"" 

Zahl  der  Beobachtunge 

n: 

NB    |     B     |    8E     j      S          8W    j 

w 

KW 

Calati 

Januar 

4 

I'll, 

6    i      2  1     2    j      1    !      7  1 

6 

0 

!    65 

Februar 

2 

1          3       0          2    :     14  1 

5 

2 

•    55 

Marz 

1 

6    j      4  '     8    I      3    1     13  i 

2 

3 

;    53 

April 

3 

4          0  i     4     '      5    1     22  1 

7 

3 

i    42 

Mai 

2 

10    '     13  '     3     1     0          6  , 

5 

3 

51 

Juni 

3 

16    |     14  i     1     ,      3    i       4  i 

5 

4 

40 

Juli 

1 

5          9  ,     3     '    14    '       7  .' 

4 

7 

i    43 

August 

0 

4    !      9       16;       7  ! 

11 

7 

i    48 

September 

4 

4    j     17  i     0    ,      1          1  , 

7 

2 

54 

Oktober 

0 

2    i   '   8  i     2     1      5    1     12 

14 

4 

!    46 

November 

0 

b          4        0     |      2    ;     24 

2 

0 

53 

Dezeraber 

1      l 

.     6    i      2  '     0    |     0    '      3 

1          j                     1 

0 

0 

i    81 

Jahr 

1  21 

69      86     24   |   42   j  120  ; 

68 

35 

631 

E. 
Station  Santis  (2500  M.  a.  M.). 

Beobachter :  J.  Bommer. 


1903 

Luf tdruck 

i 

! 
Mittel        | 

i 

Minimum 

Tag 

Maximum 

Tag 

i 
Januar 

561,8      ! 

548.8 

I 

i      12' 

572,6 

27. 

Februar        i 

565.9      1 

548,1 

1        2. 

575,2 

21. 

Marz 

561.3      j 

545,3 

1        3. 

571,8 

22. 

April 

555.7      ' 

545.8 

23. 

562,0 

4. 

Mai 

561,7      ' 

551,8 

i         4. 

572,2 

22. 

Juni               i 

563.3 

556,6 

8. 

571,9 

29. 

Juli 

565.8      ' 

561.3 

,     7. 24. 

570,8 

1.  3. 

August 

567,0      , 

559.6 

1       19. 

572,7 

31. 

September 

566.S 

554,2 

1       lh 

574,0 

1. 

Oktober 

561,8 

555.5 

1      23. 

568,5 

7. 

November 

560,5 

537,7 

!      30. 

569,1 

8. 

Dezember 

555.5 

541,1 

i        I- 

567,8 

21. 

Jahr 

562,3 

5377 

II. 

575,2 

1       U. 

i 

609 


Station  Santis. 


r 

IL  _  _ .. 

Lufttemperatur 

1903 

__ 

_ 



_  ..  _ 

t  "    ' 

h   1 

9b 

Red.           Minimum 
Mittel                      Tag 

Maximum 
Tag 

Januar 

1 
'1                   ■ 
„-    7.9!- 

6,7  - 

■  7,7: 

1 

-  7,5  -17,2  ' 

13. 

0,3 

2 

Februar 

-  6,8  - 

4.7  - 

6,2 

-  5,8  -18,3  ' 

16. 

2,5 

23* 

Man 

-  7,0,- 

5.4- 

-  7,2  ! 

-  6,7  ,—15,1  i 

7. 

2,0 

23. 

April 

1'-  9,1  1- 

7,5,— 

■  8,9, 

-  8,6  -17.7  |  19. 

-0,4 

29. 

Mai 

i~  W 

0,9  - 

"  L2i 

-  0.7    -  8,2 

18. 

7,3 

29. 

Juni 

1,8 

3.9, 

1,4  1 

2,1  «-  3,7  i 

15. 

10,5 

28. 

Juli 

1      3,0; 

5.2 

3,0  i 

3.5  —  5,0 

8. 

11,8 

16. 

August 

4,1  • 

6,5 

4,4 

4,8  —  2,2  ««.». 

13,1 

9. 

September 

!       2.9, 

4.9 

2,5 

3,2  —  7.6 ! 

15. 

13,2 

2. 

Oktober 

—  1,2 

0,1  - 

-  0,9, 

-  0,7  -  8,4  , 

19. 

9,9 

8. 

November 

.—  5,8  - 

5,1  - 

5,9' 

-  5,7-13,6 

27. 

2.3 

4. 

Dezember 

.—  8,3  - 

6,7,- 

-  7,7 

1 

-  7,6  —14,1  1 

* 

-1,5 

19. 

Jahr 

-  2,9  - 

1            i 

"   1 

1,2  - 

1 

i 

2,9 

! 

-  275  i-lM  j 

1 
1 

11. 

13,2 

1x7 

||  Relatii 

re  Feucht 

i  g k  e  i  t           Hew 

Glkun 

g 

1903 

._ 



j    7h   '   lh 

J     9h 

Mittel 

Miuimum    ■    -  h 
Tag       7 

!    lh 

9b 

Mittel 

Januar 

!                1 

i|  80      82 

i 

:    79 

'     80 

1 

38  ,31.  ,  4,5 

'  4,C 

)     3,5 

4,0 

Februar 

i|   71  '    71 

1    75 

72 

22  ;  10.  IK. ;  4,8 

5,5 

>  .  5.0 

5,1 

Marz 

||   79  1    80 

,    80 

:     80 

41   ,  24.  "  5,5 

6i 

t     4,1 

5,3 

April 

!!  94  ;  95 

'    97 

95 

64  ;    4.  !|  8,2 

:  8,8 

\  '  8.2 

8,4 

Mai 

i|   88      88 

1    90 

89 

53     23.  ;i  6.5 

7,5 

>     5,5 

6,5 

Juni 

:;   85  '   88 

,    89 

87 

24  ■  27.     6,8 

,  8,8 

\     7,6 

7,7 

Juli 

91  1    90 

91 

91 

58  '■,  12.  !  7,2 

8,5 

>     7.3 

7,7 

August 

■j   84       85 

88 

86 

30     27.  '  6,0 

6,b 

5      6,1 

6,3 

September 

■'    78       86 

85 

83 

14     24.     4,7 

6,4 

[     4,0 

5,0 

Oktober 

'1   85  '    85 

86 

85 

36  !  20.  j  7,1 

7,1 

6,0 

6,7 

November 

■■;   86      86 

88 

87 

24       6.  '  6,2 

5,1 

\     5,6 

5,8 

Deezmber 

.83      78 
'!  84  i    85 

1    82 

86 

1 

81 

1  ~85 

1 

46  i  28.  ;  4,7 
18     IX .  1  6,0 

1            ; 

4,5 

1  6,; 

)     4,4 

r    5,6 

1 

4,7 

6,r 

Jahr 

510 


Station  Santis 

Nieder&chlag 

Zahl  der  Tage  mil 

1908 

«nmmrt     M»xliaam 

Mi  in  in  >                       _ 

Hlidir* 
tchltf 

ScfelM 

1    Ci- 
HiHl    ^'#r    tfibu    Htiiir     Ml 

a.    b 

Jamuar 

107 

39 

3.  !  10,    8 

10 

0 

0 

9      12  i     7 

Febmar 

12H 

36 

9.     15.11 

15 

0 

0 

13  I     8  '     * 

Milrz 

108 

22 

81.  IH5.12 

15 

0    i   0 

16  !     8       7 

April 

|    241 

33 

7.  f  26.  24 

26 

0       0 

26        0  (  20 

Mai 

i    113 

17 

15.  j  17. 14 

15 

9    '    5 

21        3      It 

.l>i  in 

154 

36 

21  J'  20,  17 

14 

0    ,    4 

24        1      17 

Joii 

446 

47 

29+    21.21 

12 

0       5      26        1      18 

Auguat 

3B4 

98 

19.  |)  19.  16 

6 

0    1    2 

20       6      14 

September 

61 

18 

7.  1  10.    8 

9 

0    :    I 

15        7        9 

Oktober 

389 

53 

16  J:  20.  19 

16 

0       0 

20       4      15 

November 

810 

43 

15.  ||  19. 16 

19 

0    i    0      19  i     7      13 

Dezember 

36 

13 

8,  !:   8.    5 

8 

0       0        6      10       6 

Jahr 

3472 

96 

viiLimm 

165 

"nirns'!  67    145 

i 

Wind 

vert 

eilung 

1903 

Zahl  der  Beobachtungen  : 

N      |    NK 

E          SE 

;     s 

>W        W       NW     Ciimi 

JtUlUUT 

1             4 

r 

6 

u 

44 

14    i     7          3 

Februar 

7    ;    11 

!      3 

1 

2 

36 

18        4          2 

M&rv. 

7          4 

i 

2 

15 

1     50 

9        4          1 

April 

7          4 

i    ° 

1 

1       5 

41 

22        6          4 

Mai 

6        11 

1      4 

8 

10 

18 

20        5          5 

Jun? 

9        U 

1    10 

11 

8 

1       * 

5       11         17 

Ju)i 

3         3 

1      1 

5 

17 

51 

5        1          7 

Auprunt 

0          0 

0 

7 

26 

58 

10          I 

September 

2         3 

:   4 

10 

24 

1     -4 

6         9          8 

Oktober 

0         1 

i 

4 

11 

55 

13        1          7 

November 

0        10 

i      4 

10 

4 

18 

28        8          8 

Dezem  ber 

0         5 

3 

13 

22 

i    SS 

7        3          5 

Jahr 

_ 42~ 

67 

sir 

i 

78 

153 

i 

;  438 

\ 
i 

i&T  59~     fi8 

i 

511 


F. 
Station  Sargans  (507  M.  ti.  M.). 

Beobachter:  J.  A.  Albrecht. 


1903 

j 

Lu 

ftdruci 

[ 

1         Bed. 

Minimum 

Maximum 

Mittel 

1 

Tag 

Tag 

Januar 

721,4 

1 

,      704,9 

11. 

731,2 

! 
1 

26. 

Februar 

725,2 

1      705,9 

2. 

734,6 

i 

10. 

Marz 

719.2 

.      699.8 

3. 

729,8 

j 

20. 

April 

1      713,8 

1      795,5 

23. 

721,7 

! 

6. 

Mai 

715,7 

1      702,4 

4. 

725,5 

i 

16. 

Juni 

716,1 

,      708,1 

19. 

723,9 

27. 

Juli 

718,4 

1      711,5 

17. 

724.4 

i 

1. 

August 

719,2 

1      711,3 

15. 

726,0 

I 

27. 

September 

720,1 

!      706,0 

11. 

726,3 

i 

24. 

Oktober 

716,4 

1      707,4 

12. 

722,2 

! 

19. 

November 

718,7 

i      692,1 

30. 

728,9 

i 

23. 

Dezember 

713,5 

697,9 

1. 

727,8 

i 

22. 

Jahr 

~  7iai 

'~~692,f 

1 

XI.  " 

734,6 

i 

i 

i 
i 

II.  "~ 

1903 

l  -^ 

!  7h  i 

Luftt 

empera 

tur 

lb              91»       j 

Red.    1      Minimum 
Mittel  '                  Tag  I 

Maximum 
Tag 

Januar 

1 
r-   1,6 

3,0  :—  0,7  ' 

0,0  -11,6,  18. 

15.4 

i 
11. 

Februar 

1,1! 

6,8        2,7 

3.3  -  ( 

5.5    18.  , 

15,6 

27. 

Marz 

4,1 

11,9        5,9' 

7.0-  5 

lf>  1    8. 

22.4 

1  23. 

April 

3,4  1 

8,4        4,7 

5,3 '—  \ 

2,3    19.  ; 

18,0 

30. 

Mai 

1     10,4, 

19,0  |     12,3  ! 

13.5 '      . 

5,7  i    2.: 

2«,5 

1  29. 

Juni 

13,1  1 

20,2 '     14,4 

15,5        i 

«.0      8.  | 

30,3 

1  29. 

Juli 

14,3, 

21,1  '     15,2 

16,5,      ( 

5,4  '     9. 

29,2 

1     3. 

August 

14,5  ' 
1     11,6, 

21,5 '     16.1 

17,0,       J 

).8    19. 

28,2 

1  23. 

September 

19,6       13.8 

14,7.       4.8  '  14.  I 

31,8 

1     2. 

Oktober 

8,7 

14,2 '       9,8 

10.6  ■ 

1,0    20. 

22,1 

:    8. 

November 

2,4; 

5,9  !      3,6  ; 

3,9  i— 

1,6  '  29.  1 

12,6 

;      2. 

Dezember 

j-  1,9  ■ 

0,9-  0,9  ! 

-    0,7  '-  ' 

7,6  !  30.  : 

9,3 

13. 

1 

Jahr 

6.7 ; 

1        ; 

i        1 

127       8,1 ; 

8,9pll,6l    1.  (" 

!            !        1 

313 

IX. 

! 

512 


Statior 

i  Sargaxis. 

Relative  Feuchtigkeit 

BewtHkung 

1903 

7* 

i*  1 

e> 

hunt  MlnlM™ 

7» 

lb     "    tfb      Mitl*l 

Januar 

i 

87   .   76   i 

86 

83 

38  '  11. 

4,6 

3,6  ,  3,7     4,0 

Februar 

80      63   , 

79 

74 

28  1  27, 

4,3 

4,4  i  4,2     4,3 

M&T2 

70   I  49  I 

70 

63 

20  f 

26. 

3,8 

4,5     8,9     4,1 

April 

83      63 

81 

76 

32 

30. 

7,7 

7,8  1  7.7     7,7 

Mai 

76   \  53   ! 

72 

67 

25 

6. 

4,4 

4,6  !  4,6  j  4,5 

Juni 

82  !,  62 

79 

74 

33 

Ml 

6,4 

6,1  i  7,2     6,6 

Juli 

86      «8 

86 

SO 

47 

18. 

5,8 

6,3     6,5     0,2 

August 

85   ,   69 

83 

79 

49 

23. 

5,5 

4.6  ,  4,9  '  5,0 

September 

83      67 

84 

78 

48      22, 

4,2 

3.9  1  3,7     3,9 

Oktober 

83   '   69   ' 

81 

78 

30 

26 

5,0 

5.5     5,5  i  5.3 

November 

90   i   82   | 

90 

87 

60 

9. 

7,2 

6,4     7,5     7,0 

December 

94   |   85   | 

91 

90 

38 

16+ 

7,4 

6,8  :  6,5     6,9 

Jahr 

8S  l~67~i 

i      i 

82 

77 

20 

! 

III. 

M 

i 
1 

1908 

1 

Niederjchlag 

Z a b  I  der  f t' a g e  m i  t 

1 

««.*    J    Maximum 
Salome                Tig 

icMt| 

Sennit 

*rt|JSi 

Nihil  |  Hlitlr    Trtl 

.1.(1  in;1  i 

57 

14 

4. 

t.     b. 
9.   7 

6 

0 

0 

2  '  11         7 

Fobru&r 

57 

23 

15. 

,   9.    7 

5 

0 

1 

3 

10        7 

Milrs 

58 

19 

31. 

1   9.    8 

3 

0 

0 

1 

12  ,     5 

April 

160  '   26 

17. 

18.15 

11 

0 

0 

0 

1       19 

Mai 

59     13 

1. 

12.10 

0 

0 

0 

0 

11        4 

Juni 

96,    17 

13. 

'  18,  14 

0 

0 

2 

9 

3  '  in 

Juli 

161  |   44 

19, 

,20.19 

0 

0 

s 

0 

4       13 

August 

126     50 

15. 

14.11 

0 

0 

& 

3 

9  1      9 

Sep  timber 

69     42 

13. 

7,   6 

1 

0 

0 

0 

15        8 

Oktober 

97  '   18 

30. 

1 18. 17 

0 

0 

0 

1 

7  i,    11 

November 

140     23 

17, 

1 16. 14 

? 

0 

0 

1 

4       16 

December 
Jahr 

37,   21 

1117,  60 

i 
i 

11. 
NIL 

±  4 

'  lit  m 

5 

0 

0 

9 

2  |    15 

38 

0 

9 

28 

89    124 

i 

513 


Station 

Sargans 

1 

i 

Wind  verteilung 

1903 

Zahl  der  Beobachtungen : 

N 

NE 

£ 

SB 

8      j    SW 

w 

NW 

Cilmu 

Januar 

0 

0 

19 

5    |     33  |    0 

10 

0 

26 

Februar 

0 

0 

12 

7    '      9|0 

18 

1 

37 

Marz 

0 

0 

9 

7 

16  !    0 

30 

0 

31 

April 
Mai 

0 

0 

0 

2 

14 

0    |    33 

4 

37 

1   0 

0 

8 

12 

23 

0    |    22 

1 

27 

Juni 

1    o 

0 

13 

8 

15 

0    I    32 

1 

21 

Juli 

i    0 

0 

1 

0 

19 

0    '    30 

0 

43 

August 

1  o 

0 

4 

1 

15 

0     l     25 

0 

48 

September 

i! 

0 

1    l    10 

17 

0    i     14 

0 

48 

Oktober 

0 

2    1      1 

22 

1     1     29 

o 

38 

November 

IS 

0 

14    1     3 

8 

0     ,     16 

2 

47 

Dezember 

o 

20         2 

11 

1     '     10 

i 

0 

49 

Jahr 

!• 

0 

103 

i   M 

302 

2 

1  209 

9 

452 

G. 

Station  Vattis  (951  M.  G.  M.) 

Beobachter:  J.  Graf. 


1 

Lu 

ftdruck 

1903        ' 

1 
i 

i 

Mittel        | 

Minimum 

Tag 

Maximum 

Tag 

i 
Januar 

683.4 

668.9 

12. 

693,9 

26. 

Februar 

687,4 

667,9 

2. 

696,8 

20. 

Marz             i 

681,8 

664,0 

3. 

692,0 

20. 

April             l 

676,2 

661,2 

23. 

683,6 

6. 

Mai               | 

679,3 

667,7 

4. 

688,7 

22. 

Juni 

679,8 

672  9 

19. 

687,3 

27. 

Juli               i 

682,2 

677,0 

17. 

687,6 

1. 

August 

683.1 

675,0 

19. 

689,6 

26. 

September 

683,7 

669,6 

11. 

690,0 

25. 

Oktober 

679,9 

672,4 

29. 

685,0 

19. 

November 

t      681,0 

655,2 

30. 

691,6 

23. 

Dezember 

675,5 

659,6 

1. 

689,5 

21. 

Jahr 

681,1 

655,2 

XI. 

696,8 

II. 

3& 


514 


Station  Vattis. 


Lnfttemperatur 

1903 

?h 

lh          »b 

lie  1 

Minimum 

Tig    ' 

Maximum 

Januar 

-3,6 

1,6 

-  2,3 

-   1,6  ! -16,5 

16. 

9,4 

10. 

Februar 

-  l.l 

4,8 

-  0,1 

0,9  —12,6 

17. 

11,5 

U 

Marz 

1,2 

8,3 

2.8 

3,8—  8,5 

8. 

17.2 

23, 

April 

1,2 

4,7 

1.2 

2,1  —  6,2 

19. 

14,2      3'i, 

Mai 

9,8 

15,0 

8,7 

10.5        1,6 

1. 

24.0   1  22. 

Juni 

i    11,6 

16,0 

1K2 

12,5        5,8 

15. 

25.8   1  29. 

Juli 

13,5 

17,5 

12,3 

13,9         45 

9, 

25,0  i     3, 

An  gust 

12,1 

18,6 

12,7 

14.0 :       7,5 

19. 

24,8  i  23, 

September 

9,7 

16,5 

10,3 

11,7        2,0 

14. 

26,:t   '     2. 

October 

6,7 

11,5 

7,3 

8,2        2,9 

20. 

20,4  j  u 

November 

-  0.4 

3,7 

0,6 ; 

l.l  -  6.2 

20 

106   |     2. 

Pezember 
Jahr 

-  2,6 

r  ** 

1,5 
10.0 

-  0,8  J 
5,3 

-  0,7  -11,8 

30. 

9.8 

18. 

6.4 

-16,5 

i 

2fc8~ 

IV 

iyo3 

Relative  Feucbt 

igkeit 

Be  w  tf 

I  k  u  n  p 

7  It         lh    !    flh 

Mitt*] 

Minimum 

7h 

ih 

9  fa      M(tt*! 

Januar 

69    !   h'6 

65       62 

21 

18. 

3,8 

4.4 

2,6  '  3.6 

Februar 

67    '   48 

67       61 

25 

27. 

4.0 

4,5 

4.1   ,  4.2 

Mara 

66      41    ,   67   i    58 

14 

23. 

4.1 

52 

4,0  '  4.4 

April 

76      56   !   77      70 

28 

2t. 

7,6 

8,0 

7,0     7,5 

Mai 

64       41       67   1   58 

25 

m. 

5,4 

5,1 

3.3     4.6 

Jtmi 

75   i    56   |    72   i   68 

30 

2. 

6,4 

6,9 

6,7  |  6.7 

Juli 

74       55       81       70 

31 

M.J 

5,9 

M 

6,0      6,1 

August 

84   '    56   1   83   '   74 

26 

2, 

5,5 

5.5 

4,4  [  5.1 

September 

7*       50   |   80      69 

16 

2. 

4,2 

3,7 

3,6  1  3,8 

Uktofoer 

75       m   \   75       69 

21 

26. 1 

5,7 

5,8 

4.6      5,4 

November 

90   i    74      91    1   85 

41 

9. 

6,1 

5,5 

6.9 

6,2 

December 
Jalir 

77   !    60   i    70   1 
75~,~54      74 "' 

i  ! 

69 

25 

3 

L0. 
1L 

4,4 

4,5 

5,1 

4,7 

68 

14 

1 

6,3 

5,5 

4>9 

5.2 

516 


Station  V&ttis. 


NieJerecblag 

Zahl  der  'fage  mit 

1903 

1  Niidir- 
tcMifl 

tdnn' 

HjQll 

-Sir""" 

Klrtir 

Trflb 

1 

a.  b. 

1 

Januar 

88  |    13 

4. 

1    7.   6 

4  ' 

0 

0    '    0 

13 

5 

Feb  mar 

50  .    17 

15. 

9.   8 

7  1 

0 

0    1    0 

12 

3 

Mans 

41   !    12 

3L 

1    7.    6 

4  1 

0 

0    '    0 

12 

8 

April 

1     88      17 

23. 

.17,15 

16  | 

0 

0    1    0 

2 

13 

Hal 

76  '    29 

9. 

111.   6 

1 

0 

0       0 

11 

6 

Juni 

i     81  ,    13 
!    115      21 

13, 

,17,  IB 

0  ' 

0 

2       0 

4 

14 

Juli 

29. 

1  15,  15 

0  1 

0 

5       0 

4 

11 

August 

1    149  i    63 

15, 

!  14. 10 

0  ' 

0 

1       0 

6 

7 

September 

71       47 

13. 

5+    5 

2  i 

0 

0       1 

16 

8 

Oktober 

77  '    16 

9.  1 

15.14 

4 

0 

0       0 

9 

10 

Not  ember 

109  i    23 

26. 

15.12 

13  I 

0 

0    1    1 

7 

14 

December 

42      27 

i 

11. 

7.   6 

6  1 

0 

0    '    0 

10 

9 

Jahr 

937      53 

i 

I'M. 

139,  It*. 

W| 

u 

8      2? 

1 
i 

106 

118 

Wind 

v  ert 

c  i  I  u 

>ng 

1903 

Za 

it  der 

Seobf 

8 

Lchtu 

ugen: 

N 

NK 

E 

BE 

1    BAN 

W    1  3 

sw 

Caimen 

Januar 

1     0 

U 

0 

0 

0 

1    27 

it 

0 

56 

Febraar 

0 

10 

0 

0 

0 

,    19 

] 

0 

54 

Mar* 

|    0        20 

0         0 

0 

26 

1     0     < 

0 

47 

April 

0    |    48 

0         0 

0 

22 

0 

0 

20 

Alui 

0        24 

0         0 

0 

.    21 

0     ' 

0 

48 

Juni 

0    |    39 

0         0 

0 

1    11 

0 

0 

40 

Juli 

0        Stl 

0         0 

0 

i  13 

1 

0 

46 

August 

0   i  ay 

0     |     0 

0 

1  ii 

1  1  1 

0 

53 

September 

0        26 

0         0 

0 

i  w 

0 

0 

54 

Oktober 

0    |    24 

0     |     0 

0 

i  :u 

3     1 

0 

33 

November 

0        24 

0        0 

0 

5 

1 

0 

60 

Dexembar 

0 

12 

0    |     0 

0 

,jte 

i     °     ' 

0 

49 

Jalir 

r 

301 

~" 0 

:  V 

0 

22? 

J  1     * 

1 

i    : 

0    | 

1 

1 

1 

559 

516 


H. 

Station  Wildliaus  (1115  M.  ii.  M.). 
Beobachter:  J.  Kir. 


i 

Luftd 

ruck 

1903 

1 

!       MiWel        |               Minimum^ 

Maximum 

Tag 

Januar 

! 

' 

Februar 

- 

1 



— 

Marz 

! 



— 

April 

i 



- 

Mai 

_ 

— 

-. 

Juni 



i 

:        — 

Juli 

' 

1 

-    - 

— 

August 

— 

1 

— 

1        ~ 

September 

-- 

— 

__       1 

— 

i 
i 

Oktober 

— 

-    i 

-■ 

'        — 

November 

— 

i 

-    - 

1 

Dezember 

— 

— 

1 "~ 

Jahr 

1903         I 

Lufttemp 

eratur 

1 

7h 

1  k            ok      I    Bed. 
lh      i      9b      '  Mittel 

Minimum 

Maximum 
Tag 

Januar 

1,9 

1.8 

—  1,2 

—  0,6 

-15,4 

16.  ' 

10.4  :         6. 

Februar 

0,5 

4,6 

1,0        1,8 

—10,5 

17.  I 

13.9  1  21. 

Marz 

1,6 

6,6'       1,9        3,0 

-  7,4 

8. 

16,4.  23. 

April              . 

0,0 

3,2        0.2 

0.9 

-  7,7 

19.  1 

11,8  !  30. 

Mai 

8.7 

12,8 1       8,0 

9,4 

1,5 

2.  ' 

20,2    29. 

Juni                1 

10,9 

14,4 1     10,0  j     11,3 

4,0 

8.  ' 

23,0,  29. 

Juli                 j 

12,5 

15,8 1     11,2       12,7 

1,4 

8.  , 

24,3 '     3. 

August 
September    " 

13,1 

17,2 '     12,7 1     13,9 

6.4 

lf.4t.tt. 

24,8     23. 

10,5 

14.7 1     10,6 

11,6 

1,0 

15.  , 

25,4 1     2. 

Oktober        j| 

6,9 

10,2 1       6,7 

7.6 

-  1.9 

20. 

20.2 !     8. 

November     | 

0,7 

2,9        0,7 

1,3 

-  4,5 

29.  j 

10,1     24. 

Dezember 

-  2,3 

0,5 
"~8,7 

-  1,1 

-  1,0 

-11,4 

29.  1 

8,0!   18. 

Jahr 

5,1 

6,0 

-15 

4 

I.    ' 

26,4 

n. 

617 


Station  Wildhaus. 


1903 


Relative  Feuchtigkeit 


i  i 

7  i.  j  u  yi.       M  ,11,-4 


MiUlJJjQlU 

Tag 


Bewfllkung 


7  1         I  b     I    0L       MlUel 


Januar 

Febrnar 

MtLrx 

April 

Mai 

Jinti 

Jul! 

August 

September 

Oktober 

November 

December 

Jahr 


;   -  i 


4,5 
4,5 
4,7 
8,1 
5,5 
7TG 
7,3 
fij 
3,9 
6,3 
7.7 
5.6 

5lT 


3,8 

5,7 
5,9 
8,6 
6,2 
7,6 
7,3 
5,7 
4,2 
6,6 
7,7 
6,3 


3,3 
4,2 
4,1 

8.2 
4,9 
7.2 
7,1 
6,1 
3,8 

M 

7,7 
5,0 


1  3,9 
4,8 
I  4.9 
8,8 
1  5,5 
i  7,3 
;  7,2 
1  6,0 
i  4,0 

I  7,7 

,  M 


U  ■  5,6  I  5,9 


1903 


Niederscblag 


Zahl  der  Tage  mit 


sttmme,  Mtoim™  I "j£   mJ  idm  ^V-tI  **"'  '  H,,t,ri Tflfc 


Jiiiniar 

Februar 

Marz 

April 

Mai 

Jmii 

Jnli 

August 

September 

Oktober 

November 

Dezeniher 

■lahr 


67 
94 
73 

203 

66 
115 
253 
174 

52 
167 
149 

30 


20 
30 
]  w 
i  35 
1  13 
I    16 

1    54 

,    25 

36 

1    21 
:   13 


*.n  8,  7 

I5.|  8.   8 

8..  9.    8 

8.  '  22. 17 

1.  I  1311 

30,  |  17.  16 

I    8.  21.21 

[  15  J  14.12 

1  13. ,  8,    8 

!  18.  18. 17 

21.  !  15.15 


1443      54 


4.   5 


VIII.   t^.  US 


H  I    0 


20  I  0 

ft  0 

0  I  1 

0  i  D 


0 
3 
6 

11 


0  ' 

o  i 

0  i 
0 

i : 

2  I 

»i 

o  ! 

2' 

o  i 

0  i 


3 

14 

6 

0 

10 

8 

I 

8 

6 

1 

0 

Id 

1 

4 

9 

5 

3 

16 

1 

2 

17 

1 

5 

9 

I 

14 

7 

3 

7 

13 

I 

3 

18 

B 

8 

12 

67     1   ,  10  '  37     78 


140 


518 


Station  "Wlldliaiis. 


j 

Wind 

verteilung 

1903 

i 

i 

Zahl  der 

Beobachtungen : 

!    N 

KE 

£      |    SB 

8     j    BW 

w 

NW 

Januar 

1  o 

2 

i 

27  i     12 

1 

0        25 

23 

0 

Februar 

i    0 

1 

26  i       5 

0    1     20 

30 

0  ; 

Marz 

0 

5 

16       11 

0        22 

36 

o  1 

April 

i    o 

3 

6  !      8 

o 

22 

50  i 

0 

Mai 

!    0 

4 

17       18 

0 

18 

30  ' 

0    i 

Jnni 

!   o 

5 

18  '     14 

0    i     25 

22 

0 

Juli 

i    0 

1 

2  |     18 

0    1     27 

41  i 

0 

AugQ8t 

i    0 

2 

4  .     16 

0    !     45 

18 

0 

September 

0 

3 

5  j    33 

0   1     32 

13 

0 

Oktober 

!       0 

9 

10       12 

0   !     23 

38 

0 

November 

i    o 

0 

2  !    30 

0 

13 

44 

0    . 

December 

1 

1 

5 

25  ;     30 

0 

23 

9I 

0  1 

Jahr 

40 

1G8  j  207 

__o~ 

296 

354    : 

1 

i 

0    i 

1 

1 
t 

1 

1 

HRBUCH 


i!;r 


St.  Gallischen 


Naturwissenschaftlichen  Gesellschaft 


fiir  das  Vereinyahr 
1003 

1VQ3) 


H7^@w 


Kedaktion:  Dr,  G.  Ambit  hi 


¥ 


UNIVERSITY  OF  MICHIGAN 

IIIJHIIIIIM 

3  9015  03546  3358