This is a digital copy of a book that was preserved for generations on library shelves before it was carefully scanned by Google as part of a project
to make the world's books discoverable online.
It has survived long enough for the copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject
to copyright or whose legal copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books
are our gateways to the past, representing a wealth of history, culture and knowledge that's often difficult to discover.
Marks, notations and other marginalia present in the original volume will appear in this file - a reminder of this book's long journey from the
publisher to a library and finally to you.
Usage guidelines
Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the
public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken steps to
prevent abuse by commercial parties, including placing technical restrictions on automated querying.
We also ask that you:
+ Make non-commercial use of the files We designed Google Book Search for use by individuals, and we request that you use these files for
personal, non-commercial purposes.
+ Refrain from automated querying Do not send automated queries of any sort to Google's system: If you are conducting research on machine
translation, optical character recognition or other areas where access to a large amount of text is helpful, please contact us. We encourage the
use of public domain materials for these purposes and may be able to help.
+ Maintain attribution The Google "watermark" you see on each file is essential for informing people about this project and helping them find
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it.
+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are responsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other
countries. Whether a book is still in copyright varies from country to country, and we can't offer guidance on whether any specific use of
any specific book is allowed. Please do not assume that a book's appearance in Google Book Search means it can be used in any manner
anywhere in the world. Copyright infringement liability can be quite severe.
About Google Book Search
Google's mission is to organize the world's information and to make it universally accessible and useful. Google Book Search helps readers
discover the world's books while helping authors and publishers reach new audiences. You can search through the full text of this book on the web
atjhttp : //books . qooqle . com/
Uber dieses Buch
Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Regalen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im
Rahmen eines Projekts, mit dem die Biicher dieser Welt online verfiigbar gemacht werden sollen, sorgfaltig gescannt wurde.
Das Buch hat das Urheberrecht uberdauert und kann nun offentlich zuganglich gemacht werden. Ein offentlich zugangliches Buch ist ein Buch,
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch offentlich zuganglich ist, kann
von Land zu Land unterschiedlich sein. Offentlich zugangliche Biicher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles
und wissenschaftliches Vermogen dar, das haufig nur schwierig zu entdecken ist.
Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei - eine Erin-
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat.
Nutzungsrichtlinien
Google ist stolz, mit Bibliotheken in partner schaftlicher Zusammenarbeit offentlich zugangliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse
zuganglich zu machen. Offentlich zugangliche Biicher gehoren der Offentlichkeit, und wir sind nur ihre Hitter. Nichtsdestotrotz ist diese
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfiigung stellen zu konnen, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch
kommerzielle Parteien zu verhindern. Dazu gehoren technische Einschrankungen fiir automatisierte Abfragen.
Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien:
+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche fiir Endanwender konzipiert und mochten, dass Sie diese
Dateien nur fiir personliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden.
+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen
liber maschinelle Ubersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchfiihren, in denen der Zugang zu Text in groBen Mengen
nutzlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fordern die Nutzung des offentlich zuganglichen Materials fiir diese Zwecke und konnen Ihnen
unter Umstanden helfen.
+ Beibehaltung von Google-Markenelementen Das "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information iiber
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material iiber Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht.
+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalitdt Unabhangig von Ihrem Verwendungszweck miissen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein,
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafiirhalten fiir Nutzer in den USA
offentlich zuganglich ist, auch fiir Nutzer in anderen Landern offentlich zuganglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist
von Land zu Land verschieden. Wir konnen keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulassig
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und uberall auf der
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben.
Uber Google Buchsuche
Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zuganglich zu machen. Google
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Biicher dieser Welt zu entdecken, und unterstutzt Autoren und Verleger dabei, neue Zielgruppen zu erreichen.
Den gesamten Buchtext konnen Sie im Internet unter http : //books . google . com durchsuchen.
~S 1L AS \VRIGHt itt'NN 1XG
BEQUEST
UNIVERSITY »k MICHIGAN
GENERAL LIBRARY
i
If
I
JAHRBUCH
do-
St. Gallischen
Naturwissenschaftlichen Gesellschaft
fur das Vereinsjahr
19014902.
Redaktion: Dr. G. Ambtihl.
$"«
St.Gallen.
Zollikofer'sthe Buchdruckerei.
Inhaltsverzeichnis.
Prof. Dr. Bern hard Wartmann
und ( .'haraktrrhild
Bikinis) ....
Museumsdirrktor.
von E in i 1 Bar. h 1 or.
Ein Lebons-
(Mit einein
Belte
1
I.
II.
III.
IV.
VI.
VII.
vui.
IX.
x.
XL
XII.
Jahresberirlit Ubcr das Voreinsjahr vom 1. Juli 1901
bis 30. Junl 1902, erstattrt an dor Hauptversammlun<r
vom 15. November 11)02, von Dr. G. Ambiihl . . . 122
Cbersicht iiber die im Jahre 1901/1902 gchaltonon Vor-
trUire. Xach den ProtokolUui zusammonirefasst vom
Aktuar Dr. H. Beh stein er 135
Verzoichnis dor zirkulierenden Zeitsehrlften .... 175
Berirht filer den Sehriftenaustausch und die Mappen-
zirkulation (1. Juli 1901 bis 31. Dezember 1902) vom
Bibliothekar dor Gesellschaft, Konservator E. Bstcbler 179
Akadornioii und Vereino. mit wclohen die St. Gallischo
Naturwissensrhaftl. Gesollsr.haft in Tauscbverbinduni?
steht 183
Vorzeichnis d«»r vom 1. Juli 1901 bis 31. Dezember 1902
eingo#anjrenon I) ruck soli rift en 189
Berieht fiber das naturhistorische Museum, die bota-
niselirn Anlasren, die Voliere und don Parkweihcr. Von
Konservator E. Bar. blur 200
Intersuchuntren iiber die Bodenfauna in den Alpen. Von
I>r. Konrad Diem 234
Die Pflanzenwrltdes h<dirnNordeiisiu ihron Btviolmn^ron
zu Klima und Bodenhesrhaftenheit. Von Dr. M. Kikli,
Ziirich. Narb einem am 17. Januar 1903 ^ohaltenen Vor-
trap. (Mit drri Tafeln) 415
tjberMeteorolo^ieund Influenza. Von Dr med. B.ZoIli-
kofor. Vortra«r vom 15. Miirz 1902 447
BeitrHare zur (<eolo«ric der rtug-ebunt? von St. Gallon.
Von Oh. Kalkncr und A. Ludwiu 474
iDuzu iiiu S-hliiMS «l»\s Hiiii<lt*s : Gi-ologisclu: Kitrt-o von St. Oulh'n
uihI I'ln^fliimi;.)
Meteoroloiriselie Beobaclituntren iJahr 1902 »:
A. In Altstiittrn. Heobarhtor: J. Halt nor . . . . 621
B. ,. Ebnar. Beobarhter: J. J. Kuratlo 623
C. ., Heiden. BriiharlitiM-: J. .L Niederer .... 625
I). .. St. Gallon. Beubarhtor: J. G. Kessler . . . 628
E. Aut' drm Sintis, Brnbacbter : J. Bommer . 630
F. In Saltans. Benbarhtrr : J. A. Albrocht. ... 633
G. „ Vartis. Bonhaehter: Graf 635
H. ., Wildhaus. Bmbachter: J. Na-f 638
Prof. Dr. Bernhard Wartmann,
Museu Misdirect or
Prof Dr. Bernhard Wartmann
Museumsdirektor.
Ein Lebens- und Charakterbild
Emil Bachler.
*, ^k. ..,<•
— «o Mit einem Bildnis. o. —
^ — ^ _^
Vorwort
Als mir der ehrenvolle Auftrag geworden, ein Lebens-
und Charakterbild des um seine Vaterstadt hochverdienten
Dir. Dr. Bernhard Wartmann sel. zu zeichnen, zogerte
ich wohl einen Augenblick, und legte mir die Frage vor,
ob ich der schwierigen Aufgabe gewachsen sein mochte in
Anbetracht meines ungeubten Stiftes und der verhaltnis-
massig kurzen Spanne Zeit, wiihrend welcher ich mit dem
teuren Dahingeschiedenen verkehrte. Doch bin ich ihm
in diesen funf Jahren, da ich tagtaglich mit ihm arbei-
tete, mit ihm dachte und fuhlte, naher getreten, als dies
in einem langern Zeitraume bei oberflachlicherem Verkehr
moglich gewesen ware. — Es war die herbste Zeit seines
ganzen Lebens, war er doch in steter Sorge um seine
schwer erkrankte Gattin, welche nach langen, bangen
Schmerzensstunden von ihm schied und deren Verlust an
seinem Herzen nagte. — In stillen Abendstunden hat er
dann und wann den Schleier der Vergangenheit vor mir
gehoben, mit Begeisterung die Bilder langst entschwun-
dener schoner Jugendtage nocli einmal erscheinen lassen
und mir erzahlt von seinen einstigen Zukunftsplanen,
ihrer Verwirklichung oder ihrem Misslingon, von Kampf
und Arbeit im Sonnenbrande des Mannesalters. lmmer
schloss er seine Worte mit toils angstlichem, teils wohlbe-
friedigtem Ausblicke auf das, was nach ihm kommen werde.
Das Fehlen einer geschriebenen Selbstbiographie, eines
Tagebuche6 und des grossten Teiles seiner eigenhandigen
1
Korrespondenz bedingten es, dass manche Liicken ofl
blieben. Nichtsdestoweniger ist mir viel Freude geworc
beim Studium der zahlreichen hinterlassenen Schriftstiic
welche einen Einblick gewahren in den Entwicklungsga
und das reiche Leben des lieben Verstorbenen. Wart ma:
war ein Mann, der sich und seinen Prinzipi
treu geblieben durch alien Wandel und Wech*
der Zeit, im Ausblicke auf die hochsten zu e
reichenden Ziele unseres irdischen Daseii
Mit besonderem Danke erwahne ich der freundlich
Mithilfe so mancher, welche dem Heimgegangenen nal
oder ferner gestanden, vor allem seiner nachsten Ang
hdrigen. Einer ganz wesentlichen TJnterstutzung erfrei
ich mich auch von Seite zweier seiner intimsten Freun
aus dem Kreise der Naturwissenschaftlichen Gresellscha
des Herrn Apotheker C. Rehsteiner-Zollikofer, som
des Herrn Professor H. Wegelin in Frauenfeld. Ausst
dem haben mich mit Beitragen verschiedener Art zu hei
lichem Danke verpflichtet die Herren Dr. Am buhl, Ret
schulvorsteher J. Brass el, Rektor Dr. A. Dick, Pn
Dr. L. Fischer sen. (Bern), Konrektor Giintensperge
Landammann Dr. A. Kaiser, Realschulvorsteher Kuste
Dr. M. Rickli (Zurich), Landammann Dir. A. Saxer, Rea
lehrer H. Schmid, Ratsschreiber Schwarzenbac)
Geheimrat Prof. Dr. S. Schwendener (Berlin), Schulrat
president E. Zollikofer.
Der ebenso liebe- wie pietatvoll gehaltene, anlasslich d<
Trauerfeier in der St. Leonhardskirche verlesene Nekroloj
verfasst von dem Bruder des Verstorbenen, Herrn D
Hermann Wartmann, ist in beinahe unverandertei
Wortlaut wiedergegeben. (nAusserer Lebensgang.")
St. Gallen, im Februar 1903. Der Verfasser.
Einleitung.
,,Leben hoisst Arbeiten !u
„Der Hinschied von Professor Wartmann ist fur die
Naturerforschung des Heimatkantons sowohl wie fur die-
jenige der gesamten Ostschweiz ein geradezu immenser
Verlust. Das fuhlte ich in weiter Feme ebenso deutlich,
wie jeder St. Galler daheim und sonst irgendwo in der
Welt draussen. Generationen schauen zu ihm auf als
ihrem Lehrer und ihrem geistigen Mentor; er war eine
treibende Kraft an dem regen kulturellen Leben, durch
das sich St. Gallen so vorteilhaft auszeichnete unter den
gesamten Schweizerstadten und das ihm eine Bedeutung
verlieh, welche von manchem Universitatssitz vorteilhaft
abstach.
rMit ihm verlieren wir einen Vertreter jener heute
immer seltener werdenden Klasse der Naturforscher alten
Schlages, welche iiber ein erstaunliches encyklopadisches
Wissen verfiigen und welche jedesmal hinter sich eine
Llicke leer lassen, die durch ihrer drei oder vier zusammen
von der neuen Schule und Richtung nicht eigentlich aus-
gefiillt werden kann. Spezifisch Wartmannisch aber war
nun eine hochgradig entwickelte Fahigkeit, dieses Wissen
auch umzusetzen und weitern Kreisen zuganglich zu
machen. Und anzuregen verstand er wie kaum ein zweiter!
Es war eine Freude, St. Galler zu heissen und zu sein —
schon seinetwegen!
f
i
„Wir konnen seinen Manen aber nicht passender
dienen, als durch pietatvolles Aufrechterhalten seiner
Traditionen und das Befolgen der ihm wahrend eines
reichlich bemessenen Lebensalters vorgezeichneten Bahnen
und Wege!"
Mit diesen treffenden Worten hat unser in der Wissen-
schaft beruhmt gewordene Landsinann, Prof. Dr. Emil
G 6 1 d i , Direktor des naturhistorisch-ethnographischen Mu-
seums in Para (Brasilien), dem Wartmann ein vaterlicher
Freund und warmer Gonner gewesen, desselben nach
seinem Tode gedacht. l)
Es durfte einen stattlichen Band ausfullen, wenn ich
ausfiihrlich schildern wollte, was der Verstorbene in seinen
verschiedenen Lebensstellungen als treibender Faktor
Dauerndes geschaffen und was „den innersten Nerv der
geistigen Individuality, die heute in sich vollendet vor
uns liegt", beriihrt. Es wird nicht moglich sein, den ge-
samten Inhalt seines zielbewussten Wirkens als Lehrer
und Forscher. seiner Tatigkeit als strammer Fiihrer der
Naturwissenschaftlichen Gesellschaft und als treuer Hiiter
der Schatze unseres Naturhistorischen Museums zu schil-
dern. Endlich ware so vieles zu sagen uber Wartmanns
Bedeutung fur das geistige Leben seiner Vaterstadt und
des Heimatkantons , sowie uber all das, was er seinen
jungen und alten Freund en und speziell seinen zahllosen
ehemaligen Schulern gewesen.
Ich will in den folgenden Blattern nur versuchen,
dem Mamie ein einfaches Denkmal der Dankbarkeit und
Verehrung zu setzen, der als scharf ausgepragter Charakter
mit wuchtiger Energie in rastloser Arbeit sein Ziel ver-
*) Kondolenzschreiben an die Naturwissenschaftliche Gesell-
schaft St. Gallen, datiert vom 5. Juli 1902.
folgte und der mit echtem Idealismus und vorbildlicher
Begeisterung fur seine Sache bis zum letzten Lebenstage
nach vorwarts strebte.
Ausserer Lebensgang.
F.riedrich Bernhard Wartmann erblickte das
Licht der Welt am 8. Dezember 1830 als Sohn des Jakob
Wartmann, V. D. M., Lehrer der Naturgeschichte an der
stadtischen Madchenschule in St. Gallen, nnd der Helene
Dorothea Wild, der Tochter des Stadtarztes und Stadt-
prasidenten, Dr. Bernhard Wild. *)
l) Die Familie Wartmann, urspriinglich in den Gemeinden
Wittenbach und Lommenswil ansassig, begann schon friihe nach
der Stadt einzuwandern. Ein Georg Wartmann bekleidete da-
selbst von 1702—1725 die Wiirde des Biirgermeisters. Von ihm
gingen zwei Linien aus. Ein Sohn von Georg III., Zunftmeister,
war Dr. med. Bernhard Wartmann (1739—1815), Stadtarzt
und Ratsherr, machte sich u. a. durch seine „Beschreibung und
Naturgeschichte des Blaufelchenu (C oregonus Wa r t-
manni), Berlin 1777, bekannt. (Es ist also nicht. wie vielfach
irrtumlich angenommen wird, unser Dr. phil. B. W. der Autor jener
Abhandlung iiber den Blaufelchen.) Die Linie. welcher unser W.
angehort. trifft: zwischen 1650 bis 1670 mit jener von Dr. mod.
B. Wartmann zusammen. Der Vater von Dir. Dr. Wartmann, geb.
7. III. 1803, gest. 17./VIII. 1873. als Sohn eines Buch binders, wuchs
in bescheidenen Verbaltnissen auf, war schon friibe voll Lernlust.
studierte Theologie, trat aber nicht in die praktische Laufbahn als
Geistlichor ein, sondern widmeto sich mit grossem Eifer und Er-
folge dem Lehrberufe. begann 1825 auf dem Ruhberg bei Tiibach
seine piidagogische Tatigkeit als Hauslehrer, ubernahm dann nach
einem kurzen Aufentbalt im Lippeschen Institut zu Lenzburg eine
St^lle an der Madchenschule seiner Vaterstadt St. Gallen, ver-
tauschte sie bald mit einer solclien an der Knaben-Realsohule
und erteilte nach dem Iiiicktritte seines Kollegen, Pfarrer Kunkler,
den Unterricht in Naturgeschichte und Geographie. Erstere bil-
dete sein Lieblingsfach , da er einen ausserst regen Sinn fiir die
Natur und ihre Lebewesen hatte; er gab verschiedene trefHiche
Lehrmittel iiber Naturgeschichte heraus, vBrdffentliohte 1847 die
8
Er war ein zartes Knablein von lebhaften und ein-
nehmenden Gesichtsziigen, die eine in seinen ersten Lebens-
jahren von Kunstlerhanden angefertigte Bleistiftzeichnung
uns erhalten hat.
Schon in der Primarschule muss er als hervorragend
guter Schiiler gegolten haben, sonst ware er nicht dazu
ausersehen worden, bei der Einweihung des neuen Schul-
hauses am Graben im Namen der Schiilerschaft einige
kindliche Worte an die Festversammlung zu richten.
Inzwischen war der Vater als Lehrer der deutschen
Sprache an die Knaben-Realschule gewahlt und die Amts-
wohnung in der Madchenschule mit einer solchen ini
„Knabenklosteru vertauscht worden.
Hier wuchs der Knabe heran und legte schon in
fruhem Alter eine ausgesprochene Vorliebe fur alles an
den Tag, was in das Gebiet der Naturkunde einschlug.
Es war diese Richtung gewissermassen ein Erbstiick von
vaterlicher und miitterlicher Seite. Hatte der Grossvater
„St. Gallische Flora", ein Verzeichnis jener Pflanzen, die im
Unikreise von zirka einer Stunde von St. Gallen zu treffen sind. 1825
trat er der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft bei, welcher ev
mit Feuereifer seine Dienste durch V"ortrap:e u. a. m. widmete, be-
kleidete 1843 — 1868 das Amt des Aktuars jenes Vereins und wab-
rend der folgenden zehn Jahre dasjenige des Prasidenten. Voik
1854 bis zu seinem Tode (1873) war er Direktor des Naturbistori-
schen Museums und Stadtbibliotbekar. Friedlich und rubig go-
stalteten sich die letzten Lebensjabre des arbeitsfreudigen Marines.
Der iiberaus gliicklicben Ehe (1829) mit Helen e Dorothea
Wild, einer ausserordentlicb regsamon, initiativen Frau, von der
wohi manche Eigenschaften auf unsern Verstorbenen iibergegangen.
entsprossen vier Kinder, drei Scibne, von denen Friedricb Bern-
hard dor iilteste war, dann Joachim Theodor, Maschinen-
ingenieur in St. (leorgen, J. Hermann, Dr. phil., Aktuar des
Kaufman nisc hen Direktoriums, liochverdienter Geschiclltslbrsche]•.
. und eine Tocbter, Anna Karolina. Letztere drei (Teschwister
beklagen beute mitSobn und Tocbter des lieben Heimgogangenon
den Verlust ihres treu besorgten Bruders und Vaters. E. li.
Wild erne reiche Bibliothek vorwiegend naturwissenschaft-
lichen Inhalts hinterlassen, so zog es den Vater mit aller
Macht zu literarischen Arbeiten naturkundlichen Charak-
ters. Seine Verehrung fur den Botaniker Linne war so
gross, dass er alien Ernstes seinen Erstgebomen auf diesen
Namen taufen lassen wollte und diese Absicht nur durch
den entschiedenen Widerspruch der Mutter nicht zur Aus-
fiihrung kam. Von den W&nden der vaterlichen Studier-
stube sahen die Bilder einer ganzen Beihe bcriihmter Natur-
forscher, darunter jene der Botaniker Linne, Decandoile,
Willdenow, auf das heranwachsende Sohnlein herab, das
nicht immer zur Freude der Mutter und zum gelegent-
lichen Schrecken angstlicher Dienstm&dchen gar bald eine
kleine Menagerie von allem laufenden, fliegenden und
kriechenden Getier anlegte, das ihm in die Hande fiel.
Auch Pllanzen und Mineralien wurden gesaminelt, so dass
man schon zurzeit, als der junge Naturforscher auf den
Banken der Realschule und des Gymnasiums sass, keinen
Augenblick dariiber zweifelhaft sein konnte, wohin sich
seine Studien wenden wurden.
Als Lehrer, denen er neben vaterlichem Einfluss die
meiste Anregung fur die eingeschlagene Bahn verdankte,
diirfen wohl die Herren Pfarrer Kunkler, damals Lehrer
der Naturkunde an den Stadtschulen, und Prof. Peter
Scheitlin, sein Oheim miitterlicher Seite, genannt wer-
den. Aber auch bei den Professoren der sprachlichen und
historischen Facher war er gut angeschrieben und liess
e» nicht an Interesse fur eine allgemeine Gymnasialbil-
dung fehlen- Immerhin folgte er dem damals allgemein
ublichen Beispiel der angehenden st. gallischen Mediziner
und verliess das Gymnasium als Schuler der zweitobersten
Klasse.
10
Tm Friihjahr 1849 bezog B. Wartmann die Uni-
versitat Zurich, um sich dort zum Lehrer der Natur-
wissenschaften auszubilden, wozu er sich eigentlich berufen
fiihlte und audi in der Tat berufen war. Seine Lehrgabe
darf eine ungewohnliche genannt werden, und nicht ge-
ringer war seine menschliche Teilnahme an dem Wohl
und Wehe aller seiner Schuler.
Der Zoologe Frei, der Physiker Mousson, der
Chemiker Lowig. der Physiologe Lud wig, der Geologe
Escher v. d. Linth und vor allem die Botaniker Heer
und N a g e 1 i regten alle seine Fahigkeiten an und er-
schlossen ihm vom Katheder aus ein reiches geistiges
Leben ; daneben erfuhr er in seiner Lieblingswissenschaft
vielfache Forderung durch Re gel, damals Direktor des
botanischen Gartens, und durch den Algen- und Flechten-
kenner Dr. Hepp (spater russischer Staatsrat), einen pfal-
zischen Fliichtling von grosser geistiger Begsamkeit, dessen
gastliches Haus jedem Gleiehstrebenden otfen stand.
Eine Freundschaft fiirs Leben verband den jungen
St. Galler Botaniker alsbald mit dem gleichaltrigen Zurcher
Karl Cramer, und ein gliicklicher Zufall fiigte es, dass die
beiden Freunde im Jahre 1852 ihren verehrten Lehrer, Prof.
Nageli, nach Freiburg i. Br. begleiten durft-en, als letz-
terer an die Professur der Botanik daselbst berufen wurde.
Tag fiir Tag arbeiteten sie am Mikroskop neben dem
Meister, und aus diesen gemeinsamen Studien ging die
epochemachende pflanzenphysiologische Schrift iiber die
Starke korner hervor. Aus ihnen erwuchs auch die
Doktordissertation B. Wartmanns iiber die Entwick-
lungsgeschichte der Algengattung Lemanea.
1m Jahre 1854 bestand er in Freiburg sein Examen s u m m a
cum laud e.
11
Aber nicht bloss filr sein wissenschaftliches Leben
hat der Oxeschiedene in Freiburg i. Br. die schonste Er-
fiilliing des in Zurich Begonnenen gefunden. In dem
Haase, wo er seine Wohnung aufgeschlagen hatte und
sich an Leib und Seele wohl versorgt fuhlte, fand er
anch seine treffl iche Lebensgefahrtin in Fraulein Marie
Herzog, dor Tochter der friih verwitweten Frau Regie-
rungsrat Herzog. Als Verlobter kehrte er 1866 mit Pro-
fessor Nageli, der die erste Professur der Botanik am
eidgenossischen Polytechnikum ubernommen hatte, nach
Zurich zuriick, nachdem er einen Buf nach St. Petersburg
als Assistant des Direktors am kaiserlich botanischen
Garten, seines friihern Zurcher Freundes Re gel, ausge-
schlagen hatte.
Mit grosser Freude und nicht geringerem Geschick
and Erfolg nahm B. Wartmann, nachdem er sich auch
als Privatdozent am Polytechnikum habilitiert hatte, neben
den Arbeiten der Assistentenstelle seine botanischen Vor-
lesungen *) an die Hand, und es ist wohl keinem Zweifel
unterworfen. dass er bleibenden Fuss als Dozent gefasst
hatte. wenn nicht im Spatjahr 1866 die Wahl zum Pro-
fessor der Naturkunde an die neugegriindete st. gallische
Kantonsschule auf ihn gefallen ware.
Er trat hier in gewissem Shine an die Stelle seines
Vaters. der seit langerer Zeit zum Lehrer der Naturwissen-
sehaften, der Geschichte und Geographie an den hohern
Stadtschulen vorgeriickt war und nun die Leitung der
Stadtbibliothek und des von ihm gegriindeten Naturwissen-
schaftlichen Museums in ihren neuen, schonen, mit dem
1; Im SonJiner 1856 las er: „Grundzuge der allgemeinen und
ipwiellen Botanik" ; 4 Stunden. K. B.
12
Kantonsschulgebaude in unmittelbarer Verbindung stehen-
den R¨ichkeiten tibernahm.
Mit Feuereifer und Herzenslust gab sich der 26-jah-
rige Professor in seiner Vaterstadt dem Schulberufe hin
und fuhrte im Herbst 1868 seine Braut heim.
Wie er sich vom ersten Tage an in seiner Stellung
zurechtfand und in kurzester Zeit das voile Vertrauen
der vorgesetzten Beh6rde, die Liebe seiner Schuler ge-
wann, davon konnten wohl noch manche erzahlen, die
damals auf den Banken der neuen Anstalt sassen. Dafur
zeugte vor allem seine Wahl zu ihrem zweiten Rektor,
als der erste, Herr Melchior Kraus, zurucktrat. 14 Jahre
lang (1863—1877) hat der Verstorbene in sturmischen
Zeiten das Steuer der Schule mit kraftiger Hand gefiihrt
und durch seine Wirksamkeit als Lehrer und Rektor nicht
wenig dazu beigetragen, der heftig angefeindeten Schopfung
das Ansehen und den guten Ruf zu erwerben, dessen sie
sich seit langem erfreut.
Dass sich der Vertreter der Naturvvissenschaften an
der Kantonsschule auch unverweilt mit aller ihm inne-
wohnenden Energie der St. Gallischen naturwissenschaft-
lichen Gesellschaft annahm, verstand sich von selbst.
10 Jahre lang stand er als vorwartsdrangender Aktuar
neben seinem Vater, der das Presidium fuhrte. Im Jahre
1867 loste er den Vater an dieser Stelle ab, wie er 6 Jahre
spater bei dessen Tode als Direktor des Naturwissenschaft-
lichen Museums sein Nachfolger geworden ist.
Diese drei Stellungen nun : die Professur an der Kan-
tonsschule, das Prasidium der Naturwissenschaftlichen Ge-
sellschaft und die Direktion des Naturwissenschaftlichen
Museums, haben von da an das Leben B. Wartmanns aus-
gefullt und ihm seinen Inhalt gegeben, soweit es sich
13
mcht in den Eaumen der Hauslichkeit abspielte, in denen
er zu jeder Zeit seine Erholung fand und in denen zwei
Kinder, eine Tochter und ein Sohn, zur Freude der Eltern
heranwuchsen.
tiber die reiche Fulle des Wissens und der Anregung,
die von ihm als Lehrer ausgegangen ist, fiber die unge-
wohnte Entwicklung, welche die Naturwissenschaftliche
Gesellschaft unter seiner Leitung erfahren hat, iiber die
Umgestaltungen und Erweiterungen des Naturwissenschaft-
lichen Museums unter seiner Direktion, auch tiber die
Anerkennungen, die ihm seine rastlose T&tigkeit in alien
drei Stellungen gebracht hat, miissen wir andere berichten
lassen.
Nicht mit Stillschweigen ubergangen werden darf aber
in diesem kurzen Lebensbilde seine eingreifende Beteili-
gung an der Leitung des st&dtischen SchuLwesens, seitdem
er im Jahre 1867 Mitglied des genossenbiirgerlichen Schul-
rates geworden und bei der Schulverschmelzung von 1880
in die neue stadtische Schulbehdrde iibergetreten war.
Als President der Realschulkommission, voriibergehend
auch der Fortbildungsschulkommission und als Vizepra-
sident der Behorde hat er hier mit einem auf reicher Er-
fahrung beruhenden Verstandnis und einer nie ermiidenden
Liebe zur Sache seines Amtes gewaltet, so dass vielleicht
die Lucke, die sein Scheiden hier zuriicklasst, am schwie-
rigsten gleichwertig auszufullen sein wird.
So zogen die Jahre und Jahrzehnte dahin in voller
Arbeits- nnd Schaffensfreude und ohne dass man eine
wesentliche Abnahme der Tatkraft, eine wesentliche Ande-
rang in dem immer noch jugendfrischen Gemiitsleben des
rustig dahinschreitenden Mannes gespiirt hatte. Es wurde
ihm die Freude zu teil, den Sohn nach erfolgreich be-
14
endeten Studien als vielbeschaftigten Arzt neben sich zu
sehen und mit ihm — der okonomischen Enge fruherer
Jahre entwachsen — ein eigenes Heim zu beziehen.
Furwahr, ein freundliches Geschick, das die sich nei-
genden Tage ungetrtibt dahinfliessen liess, bis eine schwere,
unheilbare Erkrankung der Gattin dunkle Schatten in
das stille Familienleben warf und nach langen, mit grosser
Seelenstarke ertragenen Leiden am 26. Marz 1898 ihren
Tod herbeifuhrte.
Trat auch fur die Leitung dos Hauswesens die dazu
trefflich ausgeriistete Tochter an die Stelle der daliinge-
gangenen Mutter, so konnte doch der verwitwete Gatte
diesen Schlag nie mehr ganz iibervvinden. Trotz der treue-
sten Fiirsorge beider Kinder kam seither ofters das Gefuhl
einer gewissen Vereinsamung iiber ihn. Die voile Freu-
digkeit des Wirkens erlitt allmahlich eine den Naher-
stehenden fuhlbare Abnahme, wenn auch vor den Schiilern
und im Kreise der Freunde wenig oder nichts davon zu
verspuren war. Dankbar anerkannte der Verstorbene die
Erleichterungen, welche ihm die Erziehungsbehorde ge-
wahrte, um ihm auch bei abnehmenden Kraften eine
ungestorte Wirksamkeit als Lehrer zu ermoglichen, an
der er mit ganzer Seele hing.
Der Gang nach der Schnle war Freitag den 30. Mai
1902 sein letzter Gang. Aus ihr schleppte er sich todmude
nach Hause, um Dienstag, den 3. Juni, morgens 6 Dhr,
einer Herzlahmung zu erliegen, die als Folge der sonst
nicht bosartig verlaufenden Krankheit ihn unvermutet imd
ohne schweren Todeskampf hinuberfuhrte, im Alter von
71 Jaliren und 6 Monaten.
15
Studienjahre.
Froh in die Zukunft blickend, reich an Planen und
Hofihungen, so treffen wir den wissensdurstigen, wohl-
geriisteten und mit besten Empfehlungen versehenen
lSVs-jahrigen Wartmann, wie er seine hoheren Studien
in Zurich beginnt. Am 24. April 1849 wurde er von
dem damaligen Rektor der Universitat, Professor Lowig,
in die philosophische Fakultat aufgenommen. ., Die Studien
bluhten ; es war eine Lust, zu lebenu unter der Agide so
vortreffticher Manner, wie sie bereits genannt wurden.
Zurich konnte sich damals einer Anzahl Gelehrter, speziell
Naturforscher, ruhmen, wie wohl kaum eine andere der
damaligen kleinern Universitaten.
Die Erinnerungen an jene herrlichen, gewinnbringen-
den Zurcherjahre blieben fortan der Sonnenglanz auf dem
Lebenswege des Verstorbenen. Je alter er wurde, desto
inniger hing er an der Vergangenheit und dem, was in
firohen Jugendtagen sein ganzes voiles Grluck gewesen.
Wartmann fuhlte sich am meisten zu drei Profes-
soren hingezogen, dem Geologen Arnold Escher von
der Linth i Sohn von Hans Konrad Escher, dem beruhmten
Erbauer des Linthkanales), und den Botanikern Oswald
Heer und Karl Wilh. Nageli. Wenn auch Wartmann
wabrend funf Semestern, d. h. bis zum Herbste 1851, alle
uber Xaturwissenschaften gelesene Kollegien mit gloichem
Eifer besuchte, so gab er schon wahrend dieser Zeit dor
Botanik entschieden den Vorzug, was gewiss uicht zum
geringsten dem Einflusse von Nageli und Heer zu ver-
danken war. Der Name des Zuletztgenannten besass im
16
Munde Wartmanns fortan einen hohen Klang, und wir
kennen ausser seinen Nachsten keinen Menschen, von dem
er mit grosserer Achtung, mit herzlicherer Verehrung und
Liebe gesprochen. Das Vertrauen war aber ein gegen-
seitiges. Es ist bekannt,1) dass Heer (1834—1882 Pro-
fessor an der Universitat Zurich) im Winter 1850/61 wohl
infolge zu grosser Anstrengung schwer erkrankte und
auf dringenden Rat der Arzte, die fur sein Leben fiirch-
teten, einen voriibergehenden Aufenthalt auf Madeira zu
nehmen gendtigt war. Schon fur das Sommersemester
1850, zu einer Zeit, da Wartmann eben erst in seinem
3. Semester (!) stand, hatte Heer unsern jungen, begeisterten
Naturfor8cher mit dem Auftrage beehrt, das durch Krank-
heit unterbrochene Kolleg liber s}Tstemati8che Botanik zu
Ende zu fiihren. Auch im folgenden Sommersemester leitete
er ofters die botanischen Exkursionen fur Professor Heer.
Wem es gegenwartig ist, wie Heer „den ganzen
Zauber seiner liebenswurdigen Personlichkeit" erst recht
entfaltete bei den wahrend den Sommermonaten allwochent-
lich unternommenen Exkursionen in der Nahe Ziirichs
(Katzensee, Greifensee, Uto, Robenhausen am Pfaffiker-
see), aber auch in weitere Entfernungen (Irchel, Hornli,
Hohe Rohnen) und auf zwei- bis zehntagigen Reisen selbst
in das Alpengebiet hinein (Glarnerland, St. Galler Ober-
land, Pilatus) u. a. a. 0., wobei er Ernst und Heiterkeit,
tlichtige Arbeit und frohe, ungebundene Musse in gliick-
lichste Verbindung zu bringen wusste, der begreift, dass
es fur Wartmann kein kleines gewesen, gerade hier
die Stelle des Meisters zu vertreten. Aber Wartmann
hat seine Aufgabe jeweilen glanzend gelost.
1) C. Schroter. Oswald Heor, Lebensbild eines Natur-
forschers; II, 435. Zttrich. 1887.
17
Unter den Zuhorern und Exkursionsteilnehmem Heers
befand sich. der Sohn eines Aarburger Webereibesitzers,
der als Student der Medizin eine ausserordentliche Vor-
liebe fur die Scientia Amabilis besass, und der sich durch
hervorragende Charaktereigenschaften sofort die voile
Sympathie unseres Wartmann zu erobern wusste. Es war
dies Jakob Jaggi (geboren den 25./I. 1829, gestorben
den 21.,'VL 1894), nachmals (seit 1870) der verdienstvolle
Konservator der botanischen Sammlungen des eidgenos-
sischen Polytechnikums, wohl einer der allertuchtigsten
Eenner unserer heimatlichen Pflanzenwelt. Wartmann sah
ihn immer als den Mann an, der dazu geschaffen sei, eine
alien Anforderungen entsprechende „Schweizer-Flora" za
verfassen. Jaggi hatte manchen Charakterzug mit Wart-
mann gemeinsam; beide waren beseelt von Gewissen-
haftigkeit und Sorgfalt, von Sinn fur Ordnung, von zaher
Ausdauer in der Durchfuhrung trockenster Arbeit, von
SchafFenslust, Arbeitskraft und Enthusiasmus in ihren
Amtern, und es muss uns nicht wundern, wenn gerade
diese zwei mit Cramer zeitlebens am engsten sich ver-
bunden fuhlten. Es ist ein wahrer Genuss, den Brief-
wechsel dieser Manner zu durchgehen, in dem ausser dem
Personlichen vorab die Wissenschaft : Notizen iibpr neue
Funde, Fortgang der wissenschaftlichen Arbeiten, ihren
Platz behauptet. Welche Freude empfand Wartmann, als
ihn Jaggi einmal im grauen Miillerkittel besuchte, nach-
dem er 1864 die medizinisehe Fakultat verlassen und
neben dem privaten Studium der Botanik die Leitung der
Mtihle, sowie die Verwaltung der Giiter seiner bejahrten
Tante in Kiittigen iibernommen hatte. !)
r) C. Schroter: Prof. Jakob Jaggi, Separatabdruck der
»Xeuen Ziircber-Zeitiing" vom 30./VI. und 2./VI1. 1894.
2
18
Dort in Ztirich war es iiberhaupt ein eigenes, gliick-
liches ZusammentrefFen von gleichgesinnten, mit gleicher
Energie dem namlichen Ziele zustrebenden jungen Mannern,
die zum herzlichen Freundschaftsbunde sich fanden und
in demselben lebenslang verblieben.
In den Vorlesungen Nagelis iiber Anatomie und
Physiologie der Grewachse, sowie solchen liber allgemeine
Botanik, dann aber besonders in seinen instruktiven
mikroskopischen Demonstrationen lernte Wartmann im
folgenden Sommer (1850) Carl Eduard Cramer von
Zurich, geb. 4. Marz 1831, kennen, dessen Vater Besitzer
der „Drakenmuhlea am Limmatquai gewesen war. Cramer,
neben Jaggi der beste Freund Wartmanns, war 1861 bis
zu seinem Tode (24. Nov. 1901) Professor der Botanik am
Polytechnikum und hat sich durch zahlreiche wissen-
schaftliche Arbeiten (iiber Algen etc.) einen bleibenden
Namen in der Wissenschaft erworben.
Nicht lange dauerte es, bis die beiden strebsamen
Freunde die Vergunstigung erhielten, bei Nageli zu ar-
beiten „so oft es ihnen beliebteal). 1852 trat dem Bunde
Ludwig Fischer von Bern, jetzt emeritierter Professor
der Botanik an der dortigen Universitat, bei.
Begleitet von seinen Freunden, unter denen auch der
frtiher erwahnte Lichenologe Dr. med. Hepp (gestorben
5./II. 1867) eine fiihrende Rolle spielte, unternahm Wart-
mann mannigfache Streifziige sowohl in die Ebene hin-
aus als hinauf und hinein ins Gebirge. Kryptogamen und
Phanerogamen fanden dabei gleiche Berucksichtigung.
Diese Exkursionen verschafften alien Teilnehmern un-
streitig die hochsten Genlisse, die man in jenen mehr oder
l) 0. C r a in e r : Loben und Wirken von C a r 1 "VV i 1 h e 1 m v o n
Nageli, Zurich 1896.
19
weniger ^bedurfnislosen" Tagen, wo die echten Ideale eine
intensive Pflege fanden, so recht zu sch&tzen wusste. Ein
Blick auf das riesige Material, das die jungen Manner da-
bei einheimsten, urn sich gegenseitig zu erganzen und alle
Intere8senten damit zu versorgen, der stets wiederholte
Hinweis auf die gemeinsam genossenen Freuden in Gottes
herrlicher Natur, die in Korrespondenzen wahrend langen
Jahren noch einen lebhaften Nachklang hinterlassen, be-
weist das zur Geniige.
Recht bezeichnend ist es, dass unser junger St. Galler
Forscher und Sammler schon damals vielfach um seine
scharfe Beobachtungsgabe namentlich fur pflanzliche Ob-
jekte, das rasche und sichere Erkennen einer Spezies, ilirer
Zugehorigkeit zum System, beneidet wurde. Durch treues
Sichversenken in ein sehr grosses Material hatte sich das
Auge des Forschers gescharft; allein es ist kein Zweifel
dariiber, dass sich bei ihm mit der Beobachttmg eine natiir-
liche Intuition gepaart hat. "Wir wissen von John Ray,
dem eigentlichen Urheber der neueren Pflanzensystematik,
,jWie er, indem er sich immer in den aussern Habitus einer
Pflanze — plantae facies exterior — versenkte", gleich-
sam ohne sich Rechenschaft dariiber geben zu konnen,
sofort die Einreihung eines Einzelobjektes in die systema-
tische Ordnung der Natur ahnte. Genau so bei Wart-
mann. Hatte er sich (in spatern Jahren) langere Zeit
hindurch nicht mehr mit der Gattung Carex oder mit
Grasern oder mit andern speziesreichen Genera und
Familien beschaftigt, so konnte er doch jedesmal beim
Zugesichtebekommen einer schwieriger erkennbaren Pflanze
rasch sagen; „das ist nicht die und die; sie gehort aber
sicher in jene Untergruppe.a
Von besonderer Denkwurdigkeit fur Wartmann scheint
20
ein Ausflug mit Fischer aufdie Sandalp (14. — 17. Juli
1862) gewesen zu sein, in dessen Verlaufe manch inter-
essante and seltene Pflanze entdeckt wurde. Eine ernste
Erkaltung wahrend jener Exkursion legte aber auch den
Grund zu der Abneigung gegen grossere Reisen und lan-
gere Abwesenheit von seiner Hauslichkeit, welche ihm von
Freanden und Fernerstehenden als besondere Eigenheit
gedeutet wurde. Schon 1865 schreibt Cramer an Wart-
mann, er scheme ihm in einen Baum verwandelt, der die
Scholle nicht mehr verlassen konne, der Wurzel wegen.
Die Klagen liber Unpasslichkeit infolge chronischer
Verdauungsstorungen und damit verbundener Schlaflosig-
keit ziehen manche Jahre durch die Korrespondenzen an
seine besten Freunde. In den letzten Dezennien machten
ihm xiberdies ziemlich starke Brustkatarrhe und Influenza-
erkrankungen nicht wenig zu schaffen. „ Grossere Ex-
kursionen zu Sammelzwecken darf ich leider voraus-
sichtlich lange keine unternehmen, da ich noch immer
von einem chronischen Magenkatarrh geplagt werde und
jede grossere korperliche Anstrengung absolut meiden
muss. Dass solche Storungen auch einen schlimmen Ein-
fluss auf die Gemutsstimmung haben, ist keine Neuigkeit,
und ich bedarf oft meiner ganzen Energie, um nicht
Melancholiker zu werden." (Brief an Jaggi).
Vielfache Anregung fanden die begeisterten jungen
Botaniker in dem zu jener Zeit bluhenden Botanischen
Kranzchen, und ein reger Tauschverkehr, bedingt durch
die fortgesetzte Aufnung der Privatherbarien, rief bereits
auch einer sehr ausgedehnten Korrespondenz mit einem
weitern Kreis in- und auslandischer Forscher und Freunde.
Wenn im ganzen die Jahre des Aufenthaltes in
-Limmatathen" einem ausserordentlich intensiven Schaffen
21
galten, so kam doch auch die gemiitliche Seite durchaus
zu ihrer vollen Entfaltung. ^Immer war der Feuerkopf
Wartmann ein gem gesehener Gast im Kreise seiner
Freunde; man musste ihn schon seiner Aufrichtigkeit,
seines decidierten Auftretens und seiner freimtitigen, un-
geschminkten Rede wegen schatzen and lieben.u Nie liess
er die Gelegenheit unbentitzt, den Einladungen in den
Familienkreis von Heer, Escher von der Linth, Hepp u. a.
Folge zu leisten, und bekam durch seinen Freund Carl
We gel in (nachmals praktischer Arzt in St. Gallen), Ein-
tritt in hochangesehene Zilrcherfamilien. Wie Wegelin,
so war auch Wartmann „kein zopfiger Philisteru; beide
genossen das frohliche Studentenleben wie es Brauch
und Recht ist und zahlten sich zu den eifrigsten Neu-
Zofingern.
Das Wintersemester 1851/62 verbrachte Wartmann
mit Privatstudien in St. Gallen. Aus einem sehr freund-
schaftlich gehaltenen Briefe von Professor Heer an Wart-
mann (22./UI. 1852) geht hervor, dass letzterer, nachdem
er vergeblich sich um eine Konservatorenstelle umgesehen,
bereits an die Ausarbeitung eines wissenschaftlichen Themas
zum Zwecke der Promotion dachte. Auch beabsichtigte
Wartmann nichts Geringeres, als in Paris, woselbst ein
grosseres Material fur Arbeit vorliege und bedeutende
geistige Mittel geboten wiirden, seine Studien zu vervoll-
standigen. Allein jener Plan sollte nicht zur Ausfuhrung
gelangen. Seine Eltern ermoglichten es ihm, noch ein
weiteres Semester in Zurich (Sommer 1863) zu speziellen
Privatstudien und Ubungen im Mikroskopieren bei Pro-
fessor Nageli zuzubringen.
Eben zu jener Zeit erhielt dieser einen Ruf nach
Freiburg i. Breisgau, welchem er im Herbste Folge leistete,
22
begleitet von Cramer als Mitarbeiter and Hausgenossen,
w&hrend Fischer nach Bern iibersiedelte, um sich dort
zu habilitieren. Bei diesem Anlasse bot Nageli Wartmann
die Stelle eines Assistenten bei ibm an, welche dieser ohne
Zogern und mit Freuden annahm. ,,In Frankreichs Haupt-
stadt hatte ich zwar gewiss viel mehr Interessantes und
Grossartiges gesehen ; allein es schien mir doch passender,
mich fur meinen wissenschaftlichen Beruf noch langere
Zeit in dem taglichen Umgang mit einem Manne auszu-
bilden, der zu den geistigen Celebritaten der wissen-
schaftlichen Botanik gehort." Er hatte seinen Entschluss
nicht zu bereuen.
Nicht ohne eine gewisse Genugtuung wies Wartmann
ofters auf jene glucklichen Freiburger-Jahre zuriick ;
denn neben manchen vorzugsweise mikroskopischen Ar-
beiten tiber Gefasspflanzen (u. a. betreffend die Anordnung
der Fibrovasalmassen) und solchen uber Kryptogamen,
war es ihm vor allem vergonnt, an den wissenschaftlichen
Untersuchungen Nagelis iiber Starke und Starke-
korner teilzunehmen. Wie sehr jener die trefflichen, von
grosser Gewandtheit, Genauigkeit und Zuverlassigkeit
zeugenden Leistungen seines Assistenten zu wiirdigen
wusste, das bezeugte er dadurch, dass er nicht zuriick-
hielt, neben demjenigen Cramers auch den Namen "Wart-
manns auf den Titel der genannten umfassenden Studien
zu setzen. L)
Wartmanns Anteil an der Nagelischen „Starkebibela,
wie ein spaterer Schuler dieses grossen Botanikers die um-
l) Die Starkekorner. Morphologische, physiologische,
chemisch-pbysikalische und systematisch-botanische Monographie.
Von Carl Nageli. Unter Mitwirkung von Dr. G. Cramer und
Dr. B. Wartmann. Zurich, 1858.
23
fangreiche Arbeit naniite, bezieht sich hauptsachlich auf
dieKapitel von der Verbreitung der Starkekorner
in den einzelnen Pflanzenfamilien und Pflanzen-
teilen, sowie der Form-, Grossen- und Struktur-
verhaltnisse der erstern. *) Cramer und Wartmann haben
also gewissermassen einen namhafben Teil der Bausteine
zosammengetragen, die dem Meister das Material zum
gefestigten wissenschaftlichen Gebaude lieferten.
Voll wahrer Hochachtung sprach Wartmann auch in
den letzten Jahren seines Lebens von seinem ehemaligen
Lehrer, Professor Nageli. Wie Cramer 2), so hob auch er
stets die geistige Eigenart desselben hervor, dessen streng
mathematischen Zug, „das Bestreben, die Dinge nach
Mass und Zahl, nach ihrer Lage im Raum so genau als
moglich zu erforschen, seine logische Scharfe des Gedanken-
ganges, die sich in alien seinen Arbeiten dokumentierte".
Ein anderer hervorstechender Zug, welcher Wartmann am
meisten imponierte, war seine Griindlichkeit des Schaffens,
das Prinzip, eine angefangene Arbeit unter alien Um-
standen zu beendigen und einen einmal tuchtig durch-
beratenen Plan ohne Zaudern zu realisieren. Ein Ziel ward
aufgesteckt, und es gait, demselben energisch zuzusteuern,
unbeachtet dessen, was links und rechts am Wege lag.
Dieser Zug war auch so recht ein Wartmannischer ;
wenn man heute das Geheimnis kennen lernen will, warum
der Verstorbene in seinem Leben so Eminentes geleistet,
so ist es dessen Zielbewusstheit, die Abneigung, vieles
*) Genauere Angaben finden sich in einem Referate Wart-
manos, publiziert im Oktober 1860 in Nr. 10 der „Oesterreichischen
botanischen Zeitschriftu.
•) Cramer, Leben und Wirken von Carl Wilh. v. Nageli.
Zurich, 1896.
24
miteinander zu beginnen, ganz besonders aber die Ten-
denz, einmal Begonnenes mit Wucht und ohne Rucksicht
auf Nebensachliches durchzufiihren. Dazu kommt die weise,
minutiose Ausniitzung der Zeit. Jede Halbheit war ihm
verhasst, ebenso wie er ein scharfes Urteil hatte iiber
Leute, die nie recht wu8sten, was sie wollten, die ohne
Plan und ohne Abschluss waren. Ihn selbst konnte man
nicht argerlicher sehen, als wenn einem seiner Arbeits-
programme Hindernisse, z. B. Zeitmangel, in den Weg
traten, nie aber hat er ein erstrebenswertes Ziel aus dem
Auge gelassen. Wie viele deren hat er erreicht, dank
seiner Zahigkeit und Ausdauer!
In anderer Beziehung standen und stehen sich Nageli
und Wartmann durchaus diametral gegenuber. Besass
ersterer eine ausgesprochene Neigung zu naturphilosophi-
schen Spekulationen, so konnte sich Wartmann nie ent-
schliessen, aufs ^Glatteis der Theorien, Hypothesen und
Spekulationen u sich zu wagen. Darliber spater einige
Ausfuhrungen.
Den kraftigsten Impuls zur Schaffensfreudigkeit Wart-
mannB in Freiburg mag aber neben den vielen herrlichen
Exkursionen in der Umgebung jener Stadt die innige Zu-
neigung und Liebe zu seiner reichbegabten, durch Tiefe
des Gemiites sich auszeichnenden spatern Lebensgefahrtin
gegeben haben. Diese war die Tochter der Regierungs-
ratswitwe Herzog, ;;einer herzensguten, liebenswiirdigen
Fraua, deren Hinschied im August 1880 trotz ihres hohen
Alters Wartmann sehr wehe tat. Fast schuchtern warb
er urn seine Auserwahlte des Herzens, wurde aber alsbald
durch ein freudiges „ Jau begliickt. Hatte er hier im tag-
lichen Verkehr mit Mutter und Tochter im so trauten
Familienkreise ein zweites Heim, eine zweite Jugendzeit
25
gefunden, so wurde Fr&ulein Marie Herzog, nachdem
sich seine Berufsverhaltnisse definitiv und giinstig gestaltet
hatten, seine hingebende und verstandnisvolle Gattin, die
Freud und Leid getreulich mit ihm teilte.
Dort in Freiburg beendigte er auch seine Doktor-
dissertation: rBeitrage zur Anatomie und Ent-
wicklungsgeschichte der Algengattung Lemanea."
Die Florideen, Rhodophyceen oder Rotalgen des stissen
Wassers, zu welchen Lemanea gehdrt, geben nur ein iiberaus
kunimerliches Bild dieser farbenprachtigen Algengruppe der
Meere. Die Gattung Lemanea Bory tritt mit einer kleinen
Zahl von Spezies auf und gleicht ausserlich feinen, im Wasser
geschwarzten Wiirzelchen.
Schon vor Wartmanns Untersuchungen hatte sich diese
komplizierte Sfisswasseralge der Aufmerksamkeit verschiedener
Forscher zu erfreuen gebabt und war lange Zeit der Gegen-
stand sehr verschiedener Ansichten sowohl seitens der Sy ste-
rn atiker, als auch der Pflanzenanatomon (Vaillant, Vauchor,
Bory, Agardh, Hassal, Kiitzing, Braun).
Eine eingehende Beschaftigung mit der gesamten Ana-
tomie uud der Entwicklungsgeschichte derselben schien desbalb
Wartmann durcbaus wunschenswert, und er bereute es nie.
dieses Thema fiir seine Dissertation gewahlt zu haben, indem
seine Untersuchungen, wie sich Ketel, der 1887 die namliche
Materie behandelte, ausdruckt, in anatomiscber Hinsicbt einen
wesentlichen Fortschritt bedeuteten. „Die ganze Abhandlung,
welche der Verfasser seinem Lebrer, Prof. Dr. Carl Nageli. ge-
widmet, ist das Resultat eigener, scharfer, aufmerksamer und
glucklicber Beobachtungen, die viel Neues, Zuerstgesehenes zu
Tage forderten.* •
Wartmann bat zuerst die Existenz einer Zentralaxe im
Thallus zweifellos nacbgewiesen, die vor ihm bald behauptet,
bald wieder geleugnet worden war. Er erkannte auch die vier
Stutzzelien und die Zahl und Anordnung der wandstandigen
Zellreihen bei der Untergattung Lemanea, und er gibt in seiner
Darstellung ein vollkommen ricbtiges Bild von dem Bau des
fertigen Thallus; ebenso bat er mit Bezug auf das Spitzen-
wachstum genaue Resultate erzielt (Ketel.) Nacb den spatern
Untersuchungen von Sirodot und Ketel bat sich wohl heraus-
gestellt, dass die von Wartmann speziell als Lemanea Huvia-
tilis bezeicbnete Spezies zur Untergattung Sacheria Srdt. gebort;
allein dies andert nichts an der Tatsache der ausserst sorg-
26
faltigen Untersuchungsweise Wartmanns, seiner ihn stets
charakterisierenden scharfen Beobachtungsgabe und der peinlicb
gewissenhaften Behandlung jedes wissenschaftlichen Gegen-
standes.
Dem ehrenvollen Ruf nach Petersburg (pag. 11) hat
Wartmann aus verschiedenen Gninden nicht Folge ge-
leistet. Die Hauptbedenken waren solche in Hinsicht auf
die unumganglich notwendige Erlernung der russiscken
Sprache, auf das Klima, auf die damaligen gesellschaft-
lichen Verhaltnisse und die politischen Konstellationen in
Bussland. Sodann zog er eine wissenschaftliche Betati-
gung in Deutschland oder in der Schweiz schon seiner
Braut zuliebe vor.
Die Hauptaufgabe Wartmanns nach der Ruckkehr
Nagelis nach Zurich (Friihling 1866) als Professor fur all-
gemeine Botanik am neugegnindeten Polytechnikum, wohin
ihn ersterer wiederum als Assistent begleitete, bestand
vorab in der Leitung der Exkursionen, in Anfertigung der
mikroskopischen Praparate und der Unterstiitzung Nagelis
bei dessen mikroskopischen Untersuchungen.
Zur namlichen Zeit war auch Simon Schwendener
von Buchs (seit 1878 Professor der Botanik an der Uni-
versitat Berlin, eine der gefeiertsten Koryphaen der bo-
tanischen Wissenschaft) in Zurich eingeriickt, wo er sich
eben auf das Doktorexamen vorbtereitete, das er im Sommer
1866 absolvierte. J) Nur wahrend kurzer Zeit konnten sich
die beiden jungen Forscher, welche nebeneinander in der
Privatwohnung Nagelis mikroskopierten, naher treten;
nichtsdestoweniger sind sie stetsfort in freundschafllichen
Beziehungen zueinander geblieben.
*) Nach giitiger brieflicher Mitteilung von Herrn Geheimrat
Prof. Dr. S. Schwendener. Anm. <L Verf.
27
Tatigkeit als Lehrer und Sehulmann.
„Wir konnen dem Staate keine grossern und bessern
Geschenke darbringen, als wenn wir die Jugend unter-
richten und erziehen.a Selten war sich ein Mensch der
Wahrheit dieser Worte so sehr bewusst, wie Wartmann.
Mit ausgesprochenem natiirlichem Talente fur Padagogik,
ohne vorhergegangenes langes Studium derselben, begann
er nach kurzer Tatigkeit als Privatdozent die ihm von
der Vaterstadt angebotene Lebensarbeit. Er setzte berech-
tigte Hoffnungen auf einen nach Jahren zu erlangenden
akademischen Lehrstuhl bei Seite und wandte sich dem
Gymnasium zu, gliicklich im Gedanken, dass ihm auch dort
eine hohe und edle Aufgabe als Jugenderzieher erwachse.
46 voile Jahre hindurch, fast ein halbes Jahrhundert,
ist ihm eine wahrhaft ideale AufFassung des Lehrerberufes
eigen geblieben; bis vier Tage vor seinem Tode hat er
seine besten Krafte der st. gallischen Kantonsschule ge-
widmet, mit einer Umsicht und Begeisterung, mit einer
Grrundlichkeit und Klarheit im Unterricht, wie sie ihres-
gleichen suchen und die ihm die Liebe und Anhanglich-
keit seiner Schuler fur das ganze Leben sicherten. „Wenn
heute die st. gallische Kantonsschule auf ehrenhafter Hohe
steht, wenn sie nach ihrer erzieherischen und wissenschafb-
lichen Tatigkeit allgemeine Achtung und Anerkennung
geniesst, so darf auf den verstorbenen Kollegen Wart-
mann in erster Linie hingewiesen werden, als auf einen
derjenigen, welche dazu den Grundstein gelegt haben. Seine
eminente und kostbare Gabe, die Jugend fur seine Wissen-
Bchaft und die Natur zu interessieren und zu begeistern;
28
verdankte er vor allem seinem reinen Gemiit, seiner nie
versiegenden Liebe zur Jugend, dem heiligen Feuer der
Begeisterung, das ihn durchgliihte und das auch seine Zu-
horer erwarmte and unwillkiirlich mit fortriss." l)
„Die Jugend ist und bleibt fur mich der Stimulus,
der mich jung erhalt, wenn auch der Winter des Lebens
sich langst auf meinem Haupte angemeldet ; nehmt mir
den Lehrberuf und ihr raubt mir das Leben selbst!" Von
nachster Seite ward ihm wohl angedeutet, dass er das
Becht besitze, seinen Lebensabend durch weise Musse sich
selbst zu verschonern, um die Frfichte dessen zu geniessen,
was er als treuer Saemann ausgestreut; allein er konnte
sich den Gedanken eines Abschiedes von seiner ihm ans
Herz gewachsenen Jugend nicht zurechtlegen, ohne in
eine triibselige, ja argerliche Stimmung zu verfallen. Mit
Wehmut erinnere ich mich der letzten Unterredung, am
Tage vor seinem Tode, da er mir den Auftrag gab, mit
der funften Gymnasialklasse unverzuglich die tJbungen
im „Pflanzenbestimmenu fortzusetzen, welche er ein paar
Wochen vorher an den bezaubernden Fruhlingsboten be-
gonnen hatte.
Wartmann war kein Freund von padagogischen
Klaubereien und Spitzfindigkeiten. „Wer ein Lehrer von
echtem Korne werden will, muss das Zeug schon friihe
in sich tragen. Begeisterung und Liebe zur Jugend weisen
dem Jugendbildner von selbst den Weg. An Stelle des
vielen Redens iiber P&dagogik treibe man niitzlichere
Dinge: Bereicherung der positiven Fachkenntnisse. Der
Lehrer trachte darnach, viel Einzelkenntnisse zu gewinnen,
er lerne griindlich sehen, beobachten, beschreiben. Im
tiichtigen Wissen des Lehrers, gepaart mit Konsequenz
') Aus der Grabrede von Rektor Dr. Dick.
29
in der Bebandlung der Schuler, liegt schon eine machtige,
geheimnisvoll-autoritative Kraft; sie bedingt zu einem
grossen Teil auch den Respekt, der den Lernenden von
selbst im Ziigel halt und vor disziplinarischen Ubertre-
tungen instinktiv bewahrt." Schon bei dem erstei^ent-
schiedenen Auftreten hatte der junge Lehrer mit einem
Schlage jene von der Jugend etwa versuchsweise in-
szenierten Storungen gebannt, urn so mehr, als er die
Geister durch Wort und Beispiel nicht nur in der intellek-
taellen, sondern auch in der ethischen Entwicklung zu
fordern verstand. „ Bei Wartmann war alles mauschenstill ;
wir wussten selbst nicht warum; es schien sich einfach
von selbst zu verstehen, dass wir ihn achteten und ihn
reepektieren mussten."
Wohl wenige der Schuler konnten sich nicht in seine
Art finden, versaumte er doch nicht, durch gelegentliche
f Gesprache allgemeiner Natur dem einzelnen in freund-
i schaftlicher Weise naher zu treten und an Leid und Freud
de88elben teilzunehmen. Daher die unbedingte Anhang-
lichkeit, welche ihm vor allem seine Schuler aus den ersten
Dezennien der Lehrtatigkeit bewiesen. Wer sich vertrauens-
voll an ihn wandte, der hatte zeitlebens einen kraftigen
Racken an ihm, und um das weitere Fortkommen brauchte
er sich nicht zu kummern. Immer stand Wartmann mit
seiner reichen Erfahrung den fruhern Schulern und vorab
den gewesenen Lehramtskandidaten als vaterlicher Berater
bei alien Dingen in uneigenniitzigster Weise zur Verfiigung;
mancher, der heute in gliicklich-bescheidener oder hoher
Position steht, verdankt ihm einen grossen Teil „des
f gutigen Geschickes".
Hunderte seiner ehemaligen Schuler bekleiden zur
Stonde das Amt eines Theologen, Arztes, Juristen, Staats-
}
30
bediensteten und Lehrers auf mittlerer und hdherer Schul-
stufe. Welch grosse Summe von Anregung haben sie
empfangen und hinausgetragen in das praktische Leben !
Unter jenen, die sich in der Praxis der akademischen
Laufbahn bereits einen Namen erworben, nenne ich hier:
Dr. E. Billwiller, Direktor der Schweizerischen meteoro-
logischen Zentralanstalt in Zurich; Dr. C. Correns, Pro-
fessor der Botanik an der Universitat Leipzig; Dr. K.
Hescheler, Privatdozent der Zoologie an der Universitat
Zurich; Dr. Hochreutiner, Privatdozent der Botanik
an der Universitat Genf. Sie alle wissen und anerkennen
es freudig und dankbar, was ihnen der teure Verstorbene
gewesen.
Sein herzliches Wohlwollen gegen strebsame, junge
Leute trat namentlich auch in den Abgangsprufungen zu
Tage. Nie erschien er ohne eigene gewissenhafte Vorberei-
tung im Examensaal; er verstand liebevoll einzugehen auf
das, was dem Kandidaten mehr oder weniger gelaufig war.
Die Schiiler wussten zwar sehr gut, dass Wartmann von
ihnen griindliche Vorbereitungsstudien verlangte und dass
„8ch6ne Redensartenu bei ihm nichts halfen; sie kannten
seine Gerechtigkeit im „Notengeben" ; aber sie freuten
sich selbst, wenn sie ihrem Lehrer Ehre machen konnten.
Ein besonderes Auge hatte er auf die Reallehramts-
kandidaten und deren Studiengang. Kein anderer als
Wartmann war es, welcher 1868 den ersten Anstoss gab
fiir eine bessere, zweckentsprechendere Ausbildung der-
selben, nachdem sie bis anhin bald an dieser, bald an
jener Abteilung der Kantonsschule muhsam ein Stuck
urn das andere fiir ihre Berufsvorbereitung herbeizuholen
gezwungen gewesen waren. Uberhaupt ging von jeher
sein Bestreben darauf hinaus, auf alien Schulstufen den
31
naturkundlictien Unterricht auf eine m6glichst breite
Basis zu stellen. Das unerschrookene Veto gegen jegliche
"Verkurzung und Beschneidung desselben ist ihm speziell
von seiner Oberbehorde stets gut vermerkt worden, am
so mehr, als diese seine Stellung zu alien iibrigen, nament-
lich den humanistischen, Fachern kannte. Horen wir ihn,
was die letztern anbetrifft, selbst in dem Gutachten des
Lehrerkonvents der Kantonsschule liber den Entwurf des
Kantonsschulgesetzes ( 1863) :
„Oder glaubt man etwa die klassische Bildung
leicht nehmen zu diirfen? Es tut wahrlich unserem in-
dustriell vermaterialisierten Geschlechte not, dass es der
masslosen Uberhebung der nackten Interessen gegenuber
wieder mehr rein geistigen Halt gewinne. Es steht schlecht
urn jede Nation, noch schlechter urn eine Republik, wenn
die bedeutsamst in ihr Geistesleben eingreifenden Stande
keinen Begriff und Sinn haben fur die rein menschliche,
herrliche Welt, die uns im Hellenismus aufgeht; wenn ihre
Sonne in der einseitigen Verschrobenheit gross wachsen,
die untertanigst und borniert den epbemeren Launen der
Zeit huldigt. Das Ewige ist unzerstorbar ; der Sturmwind
des Geistes wird wieder einmal die hohlen Gotzen zer-
schlagen, an die in unsern Zeiten Tausende und Tausende
ihr Herz und ihre Ehre verkaufen!u
Mit einer reichen Fiille von Lehrstunden bedacht,
welche sich auf alle Abteilungen der Kantonsschule und
des damaligen Lehrerseminars verteilten und welche die
Gebiete der Zoologie, Botanik und Mineralogie umfassten
(zu jener Zeit hatte er ohne grosse Bedenken auch Physik
and Chemie doziert), legte Wartmann vorerst seine auf
derUniversitat mit grossem Fleisse und scharfster Prazision
gefuhrten Kollegienhefte bei Seite, von der tlberzeugung
32
ausgehend, dass sich ihr Gang und Stoff selbst fur die
hochsten Stufen des Gymnasialunterrichtes nicht eignen
wtirden. „Wie der Hausvater jedem Kinde nach Alter
und Bedtirfnis die Portionen leiblicher Nahrung bemisst,
so handelte es sich far mich darum, in sorgfaltiger Pra-
paration die Lektionen zurechtzuschneiden und sie der
jeweiligen Stufe anzupassen." Auf diese Weise entstanden
jene umfangreichen, durch Klarheit der Definitionen sich
auszeichnenden Lehrg&nge und Stoffausarbeitungen fur
alle Disziplinen der Naturgeschichte. Noch in den letzten
Jahren hat Wartmann eine totale Neubearbeitung der
Botanik und Mineralogie seiner Vortragshefte durchgefiihrt
welche ohnehin von Kursus zu Kursus viele Zusatze und
Nachtrage (nach neuester Literatur) erhielten. Oft wurde
es als eine Eigentiimlichkeit Wartmanns gedeutet, dass er
sich beim Dozieren mit Konsequenz an den Inhalt und
Wortlaut des Manuskriptes gehalten und an seine Schiiler
die manchmal scheinbar weitgehende Forderung stellte,
denselben prazis wiederzugeben. Wer aber die eingehende
Fassung des Textes, speziell den scharfen klaren Ausdruck
der allgemeinen Teile desselben kennt, wer anderseits
weiss, wie leicht der Schiiler bei der Wiedergabe von Ge-
hortem ins Fabulieren gerat, der versteht auch unsern
Wartmann, wenn er sich ein fiir allemal zum Grundsatze
gemacht: „Meine Schiiler miissen etwas Rechtes, Be-
stiinmtes und Sicheres wissen."
„Sein Unterrichtszielu, schreibt mir Herr Reallehrer
Schmid, einer seiner tuchtigsten und speziell im Fache der
Botanik wohlbewanderten Schiiler, „war eine griindliche,
streng systematische Grundlage fur ein weiteres Studium,
speziell fiir dasjenige an der Hochschule. Gleichzeitig
sollten aber auch diejenigen, welche mit der Kantonsschule
33
ihren Bildungsgang abschlossen, eine Fiille richtiger Vor-
stellungen und die Fahigkeit tiichtiger Beobachtungsgabe
erwerben. Dieses Ziel bedingte auch seine Unterrichts-
methode. Klar und pragnant wusste er die Merkmale der
systematischen Einheiten hervorzuheben. Unsicherheiten
in den Antworten liess er nicht passieren ; sein gnindliches,
in die Details des Einzelwesens eindringendes Wissen
verunmoglichte jegliches Fabulieren. Besondern Wert legte
er auf die Kenntnis der einheimischen Tier- und Pflanzen-
welt, namentlich derjenigen, welche dem unbewaffheten
Auge im Laufe des Jahres sichtbar ist. Eine Verwechslung
von Habicht und Mausebussard, Immen und Fliegen,
Esparsette und Luzerne, konnte eine gerechte Entriistung
bei ihm bewirken, und es bedurfte dann energischer Ar-
beit von Seite des Schiilers, urn eine solche Scharte wieder
auszuwetzen."
Neben Somatologie und Oryktognosie, die Wartmann
mit besonderer Vorliebe betrieb, bildete die spezielle
Botanik, vor allem das Pflanzenbestimmen, den
Glanzpunkt seines Unterrichtes und es ist nicht zu viel ge-
sagt, wenn man behauptet, dass er mit Bezug auf das
zuletzt genannte Lehrobjekt kaum je iibertrofFen werden
kann. ^Eine tiefinnerliche Freude war es fiir ihn, wenn
der Lenz wieder ins Land gezogen kam und seine Schuler
Gelegenheit fanden, sich mit Floras Kindern bekannt zu
machen.u
«Wie leuchtete sein Auge, wenn aus den gninen Be-
haltern nicht gewohnliches „Heuu zum Vorschein kam,
sondern eine seltene Spezies, oder gar ein neuer Kan ton s-
biirger. Als Autoritat auf botanischem Gebiete konnte er
frei schalten und walten, und sein enormes Wissen erfiillte
die Lernenden mit Hochachtung. Das Pflanzenbestimmen
3
34
nach Qremli bildete in gewissen Klassen die Hauptarbeit
des Sommersemesters, wobei es sich durchaus nicht etwa
bloss urn den lateinischen und deutschen Namen einer
Pflanze handelte. Diese Einfuhrung in die wunderbare
Mannigfaltigkeit der einheimischen Pflanzenwelt ist seinen
Schiilern alien stets in angenehmster Erinnerung ge-
blieben und eine grosse Zahl derselben verdankt heute
ihr Interesse, ihre Liebe zur ewig schonen Natur und zu
ihren stillen lieblichen Kindern ihrem Meister. Wiewobl
er mit den Schiilern selbstkeine Exkursionen veranstaltete,
hat er sie nichtsdestoweniger zu Streifziigen durch Feld
und Wald ermuntert, hat sie hinaus- und hinaufgesandt
in die weite Ebene, ins majestatische Gebirge, damit sie
dort selbst die Anmut und Pracht der lebenden Pflanzchen
an ihren naturlichen Standorten kennen und bewundern
lernen. u
Wir schliessen die Notizen iiber die Lehrtatigkeit
Wartmanns, die einen Hauptteil seiner grossen Lebens-
arbeit ausgemacht, nicht ab, ohne nochmals darauf hin-
zuweisen, dass er seinen Unterricht vorzugsweise auf streng
systematischem Boden aufgebaut hat. Daneben linden sich
aber in seinen Lehrgangen sehr viele Angaben. welche in
einein modernen Lehrbuche unter die Titel ^Physiologie4*
und „Biologieu zu stehen kamen. Sehr wohl wusste er, dass
er sich mit manchen Ansichten der neueren Methodiker
im Widerspruche befand, insbesondere mit jenen, welche
der Biologic einen breiten Raum im Unterrichte zu ver-
schafFen bestrebt sind. Wahrend auf viele der „neuenu
Padagogen schon das Wort Biologie faszinierende Wirkung
ausiibt, stand er derselben immer etwas skeptisch gegen-
tiber. Er hatte es selbst erlebt, wie so manches, was
man s. Z. als unumstosslich zu betrachten gewohnt war,
35
mannigfache Modifikationen passieren musste. Deshalb hielt
er die Syatemaiik fur die solide Unterlage, auf welcher spater
mit Leichtigkeit weiter gebaut werden konne. Das Reden
fiber rein Biologisches artet gern in em zusammenhang-
loses Allerlei ans and fuhrt auf Nebenpfade; grosse Partien
dessen, was Wartmann nach genauer Prufung fur
durchaus notwendiges Wissen hielt, bleibt dabei
unbertihrt. Immer nur „Zuckerbrot" darreichen. verdirbt
den Magen und verleidet mit der Zeit durch das vielfache
Einerlei. Schliesslich weist auch die Biologie immer wieder
auf das ..Positive", dieOrgane und die Organisation zuriick.
Das grosseBucli der Natur hat wiejedes andere sein Alphabet,
ohne dessen griindliche Kenntnis das Studium des Textes
nicht moglich ist. Ausserdem arbeitet sich der Lernende in
den jiingern Jahren bei elastischem und kraftigem Gedachtnis
leichter in Nomenklaturen ein als dies spater geschieht. Im
reifern Studienalter aber sollen Physiologie und Biologie
zii ihrem vollen Rechte gelangen. Sie sind dazu angetan,
Hem Ganzen die verklarende Weihe zu geben.
1st es durchaus richtig, was Wartmanns Biograph in
der ^Neuen Ziircher Zeitungu schreibt, dass es noch in
den siebziger Jahren ein Leichtes gewesen ware, vom
st. gallischen Gymnasium weg direkt die naturwissen-
«jhaftlichen Priifungen eines eidgenossischen medizinischen
Pnipiideutikums zu bestehen, so ist es nicht weniger wahr,
dass die der Schnle Wartmanns entstammten Studierenden
nberall an hochstenUnterrichtsanstaltensoforteinegiinstige
und freudige Aufnahme fanden.
\ Es mag ja sein, dass Wartmann in seinen Befurch-
tungen etwas zu weit ging oder in den letzten Jahren seiner
Lehrpraxis sich konservativ gegeniiber neuen Stromungen
im Unterrichtswe8en verhielt. Was seine Stellung zur
f
36
Systematik, fur die er nun einmal lebte, anbetrifft, so darf
vielleicht daran erinnert werden, dass bei ihm selbst das
Feuer der Begeisterung fur die Natur und die Natur-
wissenschaften in jenen Tagen entfacht wurde, da das
System, d. i. „die Zusammenstellung der Naturkorper", in
der Wissenschaft dominierte. Im iibrigen lag es ihm feme,
auf ein System zu schworen, selbst auf ein solches, ndas
sich nicht nur auf e i n anatomisches Merkmal, sonderu
lediglich auf Merkmale aus dem verborgensten Innern
der Struktur stiitzte" (Naturliches System). Allein das
System besass trotz seines Charakters als Notbehelf und
Provisorium fiir ihn einen grossen Teil Naturwahrheit.
insofern, „als man auch durch dasselbe die Sprache der
Natur immer besser verstehe, deren ,naturlicheu Ordnung
wir ja zu ergriinden trachten.tt
Wartmann hat manches Wort der Geringschatzung iiber
die ^Systematik" gehort; es ging ihm nicht nahe, denn er
selbst hatte es miterlebt, dass die naturgemasse Systemati-
sierung geradezu den Anstoss gegeben, ,,dass Hunderte und
Tausende von neuenTatsachen durch sie bekannt geworden.
die alle „unwissenschaftliche" Beobachtung und alle In-
tuition der Welt dem Menschen niemals verraten hatten.u
„Sind etwa," schreibt er an Freund Jaggi, ^die Be-
sultate der jetzigen Anatomen, Physiologen und Biologen
grossartiger als jene der Systematiker? Verlieren sie sich
nicht auch in mannigfachen Spitzfindigkeiten!u Fiir seinen
Unterricht mag er in spatern Jahren die Schwierigkeiten
bemessen haben, dem system atischen und biologischen
Prinzipe gerecht zu werden.
Als Feind jeglichen Theoretisierens wollte Wartmann
seine Schiiler grundsatzlich nicht in die vielerlei natur-
wissenschaftlichen Hypothesen eingefiihrt wissen. „Das
37
sind Dinge, die sie in reiferen Jahren und auf hoheren
Stufen, nachdem ihnen ein 8olides Fundament gegeben,
studieren mogen.u
„Nichts ist torichter, als junge Leute mit wissen-
sichaftlichen Theorien abzu flit tern, die ja bestandig die
Gelehrten im Streite halten."
Dem obersten Grundsatze im Unterrichte: Veran-
s«haulichung dessen, was gelehrt und gelernt wird, gerecht
werdend, bestrebte sich Wartmann, das Naturalienkabinett
der Kantonsschule, welches sich vorziiglich aus den Ver-
trutern der einheimischen Tier-, Pflanzen- und Steinwelt,
nber auch den charakteristischen Reprasentanten fremder
Lander zusammensetzte, so viel als moglich zu erweitern.
Dazu kamen zahlreiche andere Lehrmittel, Tabellen, Bilder-
werke, Modelle. Fiir ein ausgedehnteres Studium standen
den Schiilern tiberdies die Museumssammlungen zur Ver-
lugung, auf welche er sie stetig verwies. Der von seinem
Vater verfasste, 1839 in 1. Auflage erschienene ^Leitfaden
zum Unterrichte in der Naturgeschichte", welcher sich
durch eine reicheFiille des StofFes, iibersichtliche analytisch-
systematische Darstellung und knappe, treffende Form des
Ausdruckes vor manchen andern Lehrmitteln jener Zeit
auszoichnete. wurde von der 7. Auflage an von Rektor
Wartmann herausgegeben und von ihm bis zur letzten
Auflage, der 1 lten (1900), fortwahrend verbessert. Er ver-
trat darin die namlichen Grundsatze, wie wir sie von seiner
Lehrmethode geschildert. Das trotz des Fehlens von Illu-
strationen vorzligliche Biichlein ist leider von verschiedenen
Seiten unrichtig beurteilt worden, weil es in den beiden
letzten Ausgaben dem biologischen Momente, das, vergessen
wir es nicht, noch recht jungen Datums ist, keinen breiteren
Raum gewahrte. Der ^Leitfaden" will in gedriingten Ziigen
38
die Grundlinien der Wissenschaft behandeln; er stiitzt sich
auf die Anschauung und will zum Beobachten anleiten,
nicht aber dem Lehrer und dem Schiller etwa Stoft* zu
reinen Ged&chtnisiibungen geben, welche den Unterricht
verleiden und dem Schuler die Liebe zur lebendigen Natur
rauben. Sorge der Lehrer daneben fur eine gute Sammlung
von Naturobjekten, Bilderwerken etc., wie sie Wartmann
fur jede Schule als unerlasslich betrachtete, trage er selbst
seine Liebe und Begeisterung fur das Fach der Natur-
geschichte in sich und der Erfolg wird nicht ausbleiben.
Jederzeit aber stehe der Lehrer hoch iiber Schulbuch und
Leitfaden !
Die Personlichkeit Wartmanns in Verbindung mit der
St. Gallischen Kantonsschule zu nennen, kann nie ge-
scbehen, ohne seines Amtes als Rektor derselben zu
gedenken, das er von 1863 — 1877 innehatte.
Die hochgehenden Wogen aufregender, schwerer
Kampfe um die Schaffung einer der Erziehung der Sohne
beider Konfessionen dienenden Mittelschule hatten sich
zwar bereits etwas gelegt. Doch stand der neue Fahr-
mann immer noch auf einem exponierten Posten. Seiner
grossen Umsicht und kuhnen Unerschrockenheit, seinem
Mannesmut und seiner Energie, der Offenheit, Geradheit
und Festigkeit seines Charakters, sowie seiner unverwiist-
lichen Uberzeugungstreue ist es zu danken, rwenn das
damals noch schwache Schiff der Schule an Klippen und
zahlreichen Anfechtungen vorbei siegreich in ruhiges Fahr-
wasser lenkte". Es gait, der neuen, unter harten Wehen
geborenen Schopfung nach innen und nach aussen einen
guten Ruf zu verschaffen und angstlich alles von ihr ab-
zuhalten, was ihr von Seite ihrer Feinde Schwierigkeiten
liatte bereiten konnen. Die Behorde war sich klar be-
39
wrest, dass Wartmann ihres vollen Vertrauens in hohein
Masse wurdig sei. Als er nach 14 Jahren das Szepter in
ihre Hand zuriickgab und die Schule in jeder Richtung
♦*hrenvoll dastand, wusste jedermann, wem das wesent-
lichste Verdienst dabei gebiihrte.
Wartmanns Ara kennzeichnet sich durch strenge Ord-
oung und straffe Disziplin. Wie konnte es auch anders sein
unter einem Manne, der an sich selbst und seine Leistungen
den strengsten Massstab anlegte! „Wohl mochte diesem
und jenem Schuler durch das drakonische Gesetz manch
ein lustig und luftig Planlein gekreuzt word en sein", aber
es gab auch dankbare, welche nach Jahren noch die Stunde
segneten. da sie in riehtige Bahnen gewiesen wurden.
Ganz besonders hervorzuheben ist das ausserst an-
genehme, schone, kollegiale Verhaltnis, das den Rektor
mit alien Lehrern verband. Bei der Behorde genoss er
den Vorzug einer Vertrauensperson. „lch freue mich,
daran erinnern zu durfen, dass unser gemeinsames, lang-
jahriges Arbeiten nie auch nur von einem Schatten ge-
trubt war, und dass Ihr treuer Rat und Ihre einsichtige
Cnterstutzung meine Beziehungen zur Kantonsschule un-
aasgesetzt ftrderten und erleichterten. Ebenso freue icli
mich. Ihre voile Lehrtatigkeit der Anstalt erhalten zu
sehen.a So schrieb dem Verstorbenen der damalige Chef des
Erziehungsdepartementes, der bekannte und hochverdiente
Staatsmann und Naturforscher Dr. Friedr. v. Tschudi,
anlasslich seiner Resignation auf das Rektorat (1877).
Nach Jahren noch, bis zu Wartmanns Tode, holte die
Behorde gerne die Meinung und das auf einer reichen
Erfahrung beruhende Urteil desselben tiber Schuleinrich-
tangen, Verordnungen, Reglemente etc. ein, wie sie ihn auch
mit der Rezension und der Begutachtung von Lehrmitteln,
40
80weit sie sein Wissensgebiet beschlugen, betraute. Sie
versaumte nicht, ihn bei bestimmten Anlassen ihrer Ge-
wogenheit zu versichern und gewahrte ihm mit grosster
Loyalit&t eine mit den Jahren fortschreitende Reduktion
seiner Lehrstunden, deren er zuletzt noch 17 (von der
III. — VII. Gymnasialklasse) zu erteilen hatte.
Endlich darf nicht unterlassen werden, der Verdienste
zu gedenken, welche der Entschlafene urn die Wit wen-,
Waisen- und Alterskasse der Lehrer an der
Kantonsschule St. Gallen besitzt. Diese fur alle An-
teilhaber so unschatzbare Institution, die Garantie eines
pekuniar sorgenfreien Alters nach treuer Arbeit, hat ihm
stets sehr am Herzen gelegen. Von ihrer Giiindung im
Jahre 1882 an — die Professoren Rehmke und Amrein
gaben den ersten Anstoss dazu — gehorte Wartmann zum
leitenden Ausschusse derselben und hat in dieser Eigen-
schaft manoh wichtiges Wort mitgesprochen. Er half ihre
Interessen in jeder Hinsicht kraftig fordern, und wenn
auch heute nach den versicherungstechnischen Berech-
nungen „die Kasse noch lange nicht alien Eventualitaten
gewachsen ist, die an sie herantreten konnen, so darf
doch mit voller Befriedigung auf das seit 21 Jahren an-
gesammelte Vermogen geschaut werden."
Die gliickliche Entwicklung der st.gallischen Kantons-
schule nnter dem schneidigenRegimente Wartmanns, dessen
organisatorisches Talent und seine griindliche Kenntnis des
gesamten Schulwesens mochten wohl schuld sein, dass
sehr bald auch die stadtischen Behorden und Burger
ein Auge auf ihn warfen und sich seiner dauernden Mit-
hilfe an der gedeihlichen Entwicklung des Gemeinde-
schulwesens versichern wollten. Bereits bestand der
grosse Plan, die Trennung der drei Schulgenossenschaften
41
in St. OaUeii. vorab jene nach den Konfessionen, aufzu-
heben, da im Verlaufe der Zeit allm&hlich Verbal tnisse
entstanden waren, welche sich infolge ungleicher Belastung
der gesonderten Teile zur Unhaltbarkeit steigerten. Wir
konnen hier raumbalber nicht eingehen auf die einzelnen
Etappen der Realisierung des genannten Vorhabens; so
viel aber ist sicher. dass unser Wartmann seit dem Ein-
tritte in den genossenbiirgerlichen Schulrat (1867)
mit seinen Kollegeu. Dekan Mayer und Landammann
A. Saxer, ein gat Teil dazu beigetragen hat, dass die
grosse und weitschichtige Aufgabe der Schulvereinigung
und der gesamte Aufbau der neuen Organisation, ein
schweres Stuck Arbeit, anno 1880 vollendet war.
tlberhaupt manifestierte sich in der Tatigkeit Wart-
manns als Schulrat „der ausdauernde Einsatz seiner besten
Kraft fur die in der Schule zum Ausdrucke gelangenden
grossen Zukunftsideale der Menschheit", fiir die er ailer-
ons lebhaft und uberzeugend eingetreten. Es war in der
Tat nicht zu viel gesagt, was der President des Gemeinde-
schulrates St. Gallen seinem eben zur Ruhe gebetteten
Kollegen nachrief1): ,,Wenn unsere Schulen, selbst iiber
die Stadtgrenzen hinaus, sich eines guten Rufes erfreuen,
so gebiihrt das Verdienst, sie auf diese Stufe gehoben zu
haben. nicht zam kleinsten Teile dem Manne, dessen be-
redter Muud sich nun fur immer gescnlossen hat.u Die
Piinktlichkeit. mit welcher Wartmann die Sitzungen des
Schulrates besuchte (ihre Zahl betrug neben jenen der ein-
zelnen Kommissionen durchschnittlich 30 per Jahr), ist
fast sprichwortlich geworden; nur Krankheit hielt ihn von
denselben fern. In alien Fragen hat er mitgesprochen :
1 Rede von Herrn President E. Z oil ikofe r- Wirt h.
42
Uber die Schaffung neuer Schulklassen und Parallelen,
Einfiihrung neuer Kurse, Revision der Lehrplane, fiber
Lehrmittel, permanente Schulausstellungen, Kadettenwesen,
Subvention des botanischen Gartens beim Museum, Schul-
hausbauten (St. Leonhard, Talhof, Blumenau), Einreihung
der Fortbildungsschule in den Organismus der stadtischen
Volksschule (1882) etc.
Gemeinnutzige und humane Bestrebungen fanden bei
ihm jederzeit warme Befiirwortung : die Witwen-, Waisen-
und Alterskasse der Lehrer, Lehrmittel fur arme Kinder,
Gratisverabreichung von Schreib- und Zeichnungsmate-
rialien, Unterstiitzung armer Sehulkinder, Ferienkolonien,
Spezialklassen fur Schwachbegabte. — Vieljahrige Er-
fahrungen hatten ihn in solchen Dingen etwas vorsichtig
gemacht; nicht immer schloss er sich Neuerungen unbe-
dingt und sofort an, oft hielt er zuriick, wo andere in
Begeisterung vorwarts zu stiirmen versuchten. Sein Wahl-
spruch war auch hier: „Grundliche Priifung, alsdann ener-
gisches Handeln!u
Als Mitglied und langere Zeit hindurch als President
der Jugendfestkommission arbeitete er stets darauf hin,
dem bei Arm und Reich tief eingewurzelten Freudentag
des Jugendfestes seinen althergebrachten, volkstumlichen
Charakter zu wahren. Er verlangte, um jeglicher Miss-
stimmung unter Klassengenossen und einer die Eltern be-
driickenden Begehrlichkeit der Kinder vorzubeugen, tun-
lichste Einfachheit, speziell auch in der Festbekieidung
und gehorte zu jenen, welche das Jugendfest fur alle
Kinder obligatorisch erklarten iseit 1880).
Nicht geringe Arbeit erwuchs ihm durch die Referate
iiber den padagogischen Stand der Schulen, die innern
und aussern Verhaltnisse der von ihm wahrend des Jahres
43
besuchten Abteilungen (M&dchen- und Knaben - Primar-
und Realschulen), Aufstellung von Thematen fiir die Prii-
fungen und die aktive Teilnahme an diesen selbst.
Vielleicht die wichtigste Rolle wurde Wartmann je-
weilen bei den Neuwahlen von Lehrkraften zugeteilt. Er
erwarb sich ein grosses Verdienst durch seine Bemiihungcn,
stets die anerkannt tuchtigsten Erzieher und Lehrer in die
Hauptstadt zu versetzen. Die Mehrzahl derselben zahlte
zu seinen ehemaligen Schiilern, und fiir diese besass er ein
gutes Gedachtnis, urn so mehr, als er ihren spatern Ent-
wicklungsgang mit wachsamem Auge verfolgte. Er sah es
gerne, wenn seine Jiinger die Lehrjahre der padagogischen
Praxis auf dem Lande draussen mit Erfolg bestanden; ,,sie
eignen sich dort eine gewisse Selbstandigkeit im Umgang
mit dem Volke an und werden in der Behandlung des
Unterriehtsstoffes vielseitig. Die Stadt bietet ihnen nachher
die gewunschte Gelegenheit, sich in das eint und andere
Fach mehr vertiefen zu konnen durch Lekture, wissen-
?chaftliche Vereine u. s. w.u
Wie er gegen sich selbst sehr strenge war, so legte
er auch einen strengen Massstab an die Leistungen der
Schule und jene der Lehrer. „Das spatere Leben verlangt
auf jedem Schritte Ernst, Anstrengung, Kampf. Wer in
der Jugend nicht auf jene hingeleitet wird, lernt das Leben
spater selten mehr richtig auffassen. Nur durch ernste,
tiichtige Arbeit, nicht durch blosse Unterhaltung und
Tandelei, kann die Jugend zur Arbeitsfreude und Arbeits-
tiichtigkeit erzogen werden. Die Arbeit ist nicht ein Joch,
nicht eine Last und ein Fluch, sondern eine Zierde des
Burgers: das Kostlichste im Menschenleben ist immer noch
Miihe und treue Pflichterfullung. Arbeitsamkeit bildet den
Verstand, gibt den Gefuhlen des Herzens Krafte, verhiitet
44
das ungesunde Schweifen der Sinne und bewahrt unsere
Natur vor Schwache."
Diese Pestalozzischen Worte sind der Spiegel der pada-
gogischen Grundsatze Wartmanns. „Der Lehrer muss in
erster Linie Begeisterung fur die ihm anvertraute Jugend
und das ganze grosse Werk der Erziehung besitzen, er
muss tiber ein tiichtiges Wissen und einen einwandfreien
Charakter verfugen ; er darf nicht unterlassen, unausgesetzt
an seiner Weiterbildung zu arbeiten, die ihn vor Stabilitat
und VerknScherung schutzt."
In den Schulen sah der gestrenge Herr Visitator auf
einen regen, frischen Geist im Gedankenaustausch von
Lehrer und Schuler, auf Klarheit und Griindlichkeit in
der Behandlung des StofFes und ganz besonders achtete
er auf die Handhabung einer flotten Disziplin, als der
Seele des Unterrichtes. „Eine Schule ohne Disziplin ist
wie eine Miihle ohne Wasser!" Wenn es Lehrern an einer
guten Schulfuhrung gebrach, bekamen sie bei Gelegenheit
die notigen klaren Winke, welche zwar nicht immer gut
aufgenommen wurden. Um so mehr aber dankten ihm
alle Pflichteifrigen fur jeden guten Rat, welchen er immer
in redlichster Absicht erteilte.
„Mit weitem Blick und warmem Herzen war er stets
aufrichtig und unentwegt bemiiht, die Interessen der Schule
zu wahren und alle Bestrebungen zu unterstiitzen, die
darauf hinzielten, dieselben zu fordern. Wie oft lenkte
der ehrwiirdige Greis schon vor Beginn seiner Tagesarbeit
die Schritte der Schule zu oder berief nach vollendeter
Arbeit seines Berufes in stillen Abendstunden ein Mitglied
der Lehrerschaft zu sich ins Studierzimmer, um ein Er-
eignis im Schulleben griindlich zu besprechen oder sich
Auskunft erteilen zu lassen, wobei er herzlich und wohl-
46
wollend nicht nur seine Meinung aussprach, sondern auch
gerne diejenige anderer anhorte und entgegennahm. Selbst
den kleinsten Vorfallen in der Schule schenkte er seine
voile Auf merksamkeit ; dieselben schienen ihm nicht zu
gering, sie eingehend zu priifen und zu erortern, um die
notigen Konsequenzen daraus zu ziehen.
Durch die unumwundene Offenheit und Geradheit in
seinem ganzen Wesen, die unbedingte Gerechtigkeit in
seinem Urteile, durch welche immer Wohl wollen schimmerte,
gewann er das stets wachsende Vertrauen seiner Unter-
gebenen und weiterer Kreise, die mit Hochachtung ihm
gegenuberstanden. Die Lehrerschaft durfte ihn als treu-
besorgten und vaterlichen Freund betrachten" (Vorsteher
K u s t e r).
Vielleicht durfte hier noch erwahnt werden, dass Wart-
mann sich als heftigen Gegner der korperlichen Ziichtigung
bekundete. Er betrachtete dieselbe im allgemeinen als un-
passend und wollte sie hochstens als Strafe fiir sittliche
Vergehen der Schiiler angewendet wissen, wenn alle andern
Disziplinarmittei sich als unwirksam erwiesen hatten. Wir
glauben nicht zu irren bei der Annahme, dass das soit 1885
vom Schulrate erlassene Verbot der korperlichen Ziichtigung,
speziell der Madchen, vorzugsweise dem Votum Wartmanns
zu verdanken ist. — ^Niemals darf das natlirliche Gefiihl der
Unverletzlichkeit des weiblichen Korpers zerstort werden !a
Bei Anlass der VII. Versammlung des schweizerischen
Lehrervereins in St. Gallen, im Oktober 1867, stand Wart-
mann an der Spitze der damit verbundenen Lehrmittel-
ausstellung und verfasste den durch Reichhaltigkeit und
angemessene Auswahl des Stoffes sich auszeichnenden
104seitigen Katalog derselben. 1887 war er Delegierter
des Schulrates am Lehrerfest.
46
So bedeutet die T&tigkeit Wartmanns im Dienste der
Jugend und damit in jenem des Staates ein hochwichtiges
Stuck in den Annalen seiner Lebensgeschichte und ein
ebenso schones Blatt ira Lorbeerkranze des nimmer-
miiden Mannes, „dem alle diejenigen, die seine Opfer-
freudigkeit fur die Schule und speziell fur die Kantons-
schule und die Realschule zu schatzen wussten, ein dank-
bares Andenken bewahren werden, das stets im Segen
bleiben wird, wenn in seinem Sinn und Geist die Ideale
auf dem reichen und fruchtverheissenden Gebiete der
Jugendbildung hochgehalten werden."
Wartmann als Museumsdirektor.1)
Die Griindung eines naturhistorischen Kabinetts in
St. Gallen datiert aus dem Jahre 1844, als die Herren
Apotheker Daniel Meyer und Stadtbibliothekar Pfarrer
Wartmann unter Mitwirkung aller Freunde wissenschaft-
licher und gemeinnutziger Bildung die iinanziellen Mittel
zum Ankauf der grossen Naturaliensammlung des Dr. Caspar
Tobias Zollikofer auftrieben. Sie bildete den Grundstock,
welchem schon im Laufe der folgenden Jahre zahlreiche
Beitrage von alien Seiten sich anreihten. Nachdem 1855
das hiefur bestimmte Lokal in dem eben aufgefiihrten
Kantonsschulgebaude bezogen war, wuchsen die Samm-
lungen, namentlich infolge Ankaufes der reichen Kol-
lektionen des selbst ausserhalb der Schweiz ehrenvoll
') Da in Balde eine eingehendf ,,Eiitwicklungsgesohichte des
naturhistorischen Museums der Stadt St. Gallen* im Drucke er-
scheinen wird. darf ich mich hier fiber die Tatigkeit Wartmanns.
als vieljahrigem Vorstand desselben, moglichster Kiirze beHeissen.
47
bekannten Botauikers, Pfarrer Rehsteiner so rasch an,
dass schon Mitte der Sechzigerjahre die Frage betreffend
Erstellung eines eigenen Museumsbaues ernsthaft diskutiert
werden musste. In diesem sollten gleichzeitig auch die
Schatze des Historischen und des Kunst-Vereins Aufnahme
tin den.
Es "war am 17. August 1873, als nach einem arbeits-
reichen Leben Herr Bibliothekar Wartmann starb; seit
den Tagen ihrer Gnindung hatte er der naturhistorischen
Sammlungmit ruhrender Anhanglichkeit und seltenerTreue
vorgestanden. In seine Fussstapfen konnte auch hier nie-
mand anders treten als sein Sohn, Rektor Dr. Wartmann,
welcher seit jenem Zeitpunkt neben einem vollgeriittelten
Mass von sonstiger Arbeit die Direktion dieses Institutes
besorgte und demselben sein grundliches Wissen, seine
reiche Erfahrung und beinahe samtliche Mussestunden
znr Verfiigung stellte.
Als dann am 8. Oktober 1877 die Pforten des neuen,
neben dem fruheren Scherrer'schen Gute im ^untern Briihl"
errichteten Museums, eines herrlichen Monumentes der
Opferwilligkeit von Behorden und Privaten der Stadt und
des Kantons St. Gallen (Bausumme Fr. 427,000), geoffnet
warden, hatte sich der Leiter die Ziele und Aufgaben des-
*elben schon langst festgesteckt. „Gegrundet zur Pflege
and Aafnung der Sammlungen fur Kunst und Wissen-
§ehaftu, sollte es vor allem sein „eine reiche Quelle edlen
Genusses und vielseitiger Belehrung fiir alle Klassen und
Stande der Bevolkerung".
Bereits zu Anfang wurde dem Direktor eine ausser-
ordentliche Freude zu teil. In einen der acht geraumigen,
bellen Sammlungssale des Parterres, welches den natur-
historischen Objekten reserviert ist, hielt die beruhmte
48
schweizerische Vogelkollektion seines Freundes und Schii-
lers, Dr. C. Stolker in St. Fiden, durch letzte Verfugung
des leider viel zu fruh verstorbenen, in wissenschaftlichen
Kreisen hochangesehenen Ornithologen, Einzug. Gleich-
zeitig folgte auch dessen grosse Eiersammlung, sowie eine
&usserst reichhaltige Kollektion von Papageien. Alle drei
sind wahre Juwele unseres Museums, und namentlich
erstere kann von Fachmannern nicht hoch genug geschatzt
werden wegen ihrer beispiellosen Vollstandigkeit , der
musterhaften Preparation und Aufstellung der Einzel-
objekte. Sie hat dem besten schweizerischen Monographen
der hoheren Tierwelt, Dr. Viktor Fatio in Genf, zu seinem
klassischen Werke nFaune des vertebras de la Suisse"
vorziigliche Dienste geleistet. „Was Dr. Stolkers Museum
vielleicht iiber alle andern derartigen Museen stellt", sagt
der Ornithologe Dr. A. Girtanner, „das ist seine vom ersten
bis zum letzten Vogel durchgefuhrte wissenschaftliche
Verwertbarkeit, indem in erster Linie nur in der Schweiz
selbst gefangene oder erlegte Exemplare sich darin be-
finden und iiber jedes derselben in einem eigenen Kata-
loge genaue Auskunft hinsichtlich des Gesclilechtes, Alters,
Herkunftortes, der Jahreszeit der Erlegung, sichere Aus-
kunft gegeben wird. Das Vorhandensein von zahlreichen
Gruppen, bestehend aus Individuen einer und derselben Art
in alien ihren Altersstadien, von manchen Spezies, die bis
auf Stolkers Sammolzeit als Bewohner und Besucher der
Schweiz gar nicht bekannt waren und solchen, welche in
ihren Nest- und Jugendkleidern nicht habhaft gemacht
werden konnten, verleihen dieser Sammlung einen hohen
Wert." — Das ausserordentlich freundschaftliche Verhalt-
nis, welches Stolker und Wartmann mit einander verband
(ersterer war noch einige Zeit ein begeisterter Schtiler des
49
ngen Professor Wartmann) mochte zu einem. grossen
eile echuld gewesen sein, dass Stolker sich schon lange
or seinem Tode emsthafb mit dem Gedanken trug, seine
Aturhistorischen Schatze dereinst dem Museum zu ver-
>ben.
Gleichsam als Pendant zum Stolker-Museum schuf
tan Dir. Wartmann eine eigene schweizerische Saugetier-
md Vogelsammlung, in welcher speziell die Vertreter der
tantonalen Fauna, ihrer Arten und Varietaten Aufnahme
anden, und hier war es ihm darum zu tun, absolute Voll-
tandigkeit zu erzielen, welches Prinzip er insbesondere
uch auf die Pflanzenwelt seiner Heimat ausdehnte und
ur die Minerale und Gesteine noch strenge durchzufuhren
jedachte. Komplette Lokalsammlungen zu besitzen, welche
amtliche Dokumente der naturhistorischen Verhaltnisse
q sich vereinigen, war stets sein hflchster Wunsch, und
rir vergegenwartigen uns die vielen freudigen Momente,
renn ihm eine Raritat zu Gesichte kam, die Begeiste-
•ung. mit der er Gleichgesinnten und Interessenten xiber
ftwas bisher noch nicht im Kanton Gefundenes berich-
ete. Mit grosser Spannung sah er allemal schon zum
roraus im Montierkabinett seines ehemaligen Schiilers,
fes um die Aufhung der einheimischen Vogel- und Sauge-
tiersammlung unstreitig verdienstvollsten Gonners, Herrn
Praparator Zollikofer, nach, was aus demselben fur sein
$eliebtes Museum wieder „abfallenu mochte. „Wer von
iu*warts kommt und unsere Sammlungen besucht, der
rill in denselben in allererster Linie die Tier- und Pflanzen-
r«lt, die mineralogischen und geologischen Verhaltnisse
inseres eigenen Landes vereinigt finden. Sehr reichhal-
ige KoJIektionen von exotischen Naturobjekten anzulegen,
st Sache der Museen grossen Stiles."
4
60
Was nun diese auslandischen Lebewesen anbelangt,
so vertrat er, urn eine gewisse Grenze zu ziehen, den
durchaus richtigen Grundsatz, nur das Charakteristische,
wirklich Typische und Belehrende, in den letzten Jahren
auch das biologisch Interessante, anzuschaffen (Entwick-
lungsreihen , Metamorphosen , besonders von Insekten ;
Schutzfarben und Schutzformen in der Tierwelt, Mimikry;
Dimorphismus und Polymorphismus der Tiergeschlechter,
Symbiose, Gesellschaftsleben der Tiere etc.). Daneben
unterliess er aber nicht, z. B. einzebien ausgezeichneten
Gruppen, wie Paradiesvogeln, Kolibris, Papageien, stets-
fort neue Vertreter zuzuweisen.
Mit Stolz wurden jedes Jahr in den ausfiihrlichen,
mit grosser Genauigkeit ausgearbeiteten Jahresberichten
iiber den Stand und den Fortgang des Museums, die
vielerlei kleinen und grossen Geschenke, welche ihm von
Freunden und Schiilern, von Interessenten und Forschern
zuflossen, verzeichnet, und wenn einmal ein Jahrgang
punkto Schenkungen zu wiinschen tibrig liess, bedurfte
es nur seines tiichtigen Appells, um die Quellen wieder
fliessen zu machen. Die grosste Freude bereiteten ihm
die in alien Erdteilen zerstreut weilenden St. Galler Kauf-
leute u. a., wenn sie das heimatliche Museum mit den
reichen Naturschatzen ferner Weltgegenden bedachten und
sich den Vater Tell zum Vorbild genommen, der niemals
heimzukehren pflegte, ohne „eine schone Blume, einen
seltenen Vogel oder ein Ammonshorn" mitzubringen.
Durch sie gelangte ein wesentlicher Teil der exotischen
Vogelwelt in unsere Sammlungen. Zum Bedauern des
Direktors hat dieser lobenswerte Brauch spater, nament-
lich in den letzten Jahren, wesentlich abgenommen. Wart-
mann schrieb die wenig erfreuliche Erscheinung einem
51
Uberhandnehmen des Materialismus zu, der keine Zeit
mehr finde for die Berucksichtigung ideeller Interessen.
Nicht hoch. genug konnte er desbalb die mannigfaltigen
,und ausserst wertvoUen Dedikationen seines Freundes und
Kollegen, Dir. Dr. Emil Goldi in Pari, schatzen. Dieser
beruhmte "Erforscher des Amazonenstromgebietes bezeugte
seit derGiiindung des von der dortigen Regierung nach
seinem Namen benannten naturhistorischen Institutes Jahr
for Jahr seine Anhanglichkeit an die Heimat durch wert-
volle Schenkungen.
Gait es einmal, grossere Prachtstucke fur das St. Gal-
lische Museum zu erwerben, so scheute Wartmann nicht
davor zuriick, selbst den „Bettelsack" umzuhangen; mit
Hilfe gleichgesinnter Preunde brachte er stets die notige
Samme zusammen, um das Gewiinschte zu erhalten und
sich den Arger zu ersparen, die fraglichen Objekte in
andere Hande wandern zu sehen. Ich erinnere beispiels-
weise nur an unsern stattlichen Eisbaren, an das Pracht-
exemplar des grossen Morionkristalls aus der Hohle ober-
halb des Tiefengletschers (TJri), an die herrliche Kollektion
von Steinkorallen aus den indischen Gewassern etc.
Manche seltene einheimische Spezies verdankt unser
Museum den Bemuhungen Wartmanns um Freipatente
fur ttichtige Jager und Kenner der schweizerischen Ornis.
Die offentlichen Sammlungen, insbesondere die Schul-
eammlungen, erhielten dadurch die zu einem gedeihlichen
Unterrichte notwendigen Typen und die fur wissenschaft-
liche Zwecke bedeutungsvollen Reprasentanten. — Mit
scharfem Aug' und Ohr verfolgte Wartmann allfallige
Nachrichten von interessanten Funden aus dem engern
Forschungsgebiete. Da gait es, rasch alle Hebel in Be-
wegung zu setzen, dass ihm nichts entrinnen mochte.
52
Dieeer Rfihrigkeit verdankt St. Gallen jenes tadellos-voll-
st&ndige Elentierskelett aus dem Torfmoor von Niederwil
bei Gossau, welches wohl als der kostbarste Gegenstand
all unserer Sammlungen angesehen werden darf.
Auf diese Weise und durch fortw&hrende Ank&ufe,
die aus finanziellen Mitteln der Stadt, Vermachtnissen und
Beitragen verschiedener Vereine, Privaten u. a. bestritten
wurden, haufte sich mit den Jahren ein ganz enormes
Material an, von dem zwar infolge des sich bereits zu
Ende des letzten Dezenniums fuhlbar machenden Platz-
mangels lange nicht mehr alles dem Publikum zugang-
lich ist; ebenso fehlte es teilweise an Zeit, die Schatze
wissenschaftlich zu bearbeiten und zu verwerten.
Welch enorme Fortschritte das Wachstum der Einzel-
kollektionen innert des Zeitraums von 1863 bis 1898 ge-
macht, zeigt u. a. folgende Zusammenstellung der Sauge-
tier- und Vogelspezies :
Saugetiere, Auslander 1863: 115
„ Schweizer 1863: 20
Vogel, Auslander 1863: 600
Schweizer 1863: 156
1898
1898
1898
1898
300
44
1830
272
Dass die Zahl der Exemplare eine ungleich hohere
ist, als die der Arten, versteht sich von selbst. Auf manche
Vogelspezies z. B. kommen 5—8 und mehr Einzelexemplare,
in den verschiedenen Geschlechtern, Jahresstufen, Alters-
stadien (Dunen-, Jugend-, Ubergangs-, Alterskleider). —
Ein grosser Kasten beherbergt eine hochinteressante Serie
von Aberrationen (Albinismus, Melanismus und sonstige
Farbenabweichungen ; Missbildungen von Schnabel, Beinen
etc.) aus der einheimischen Saugetier- und Vogelwelt.
Einem umfassenden Wissen ist es zuzuschreiben, dass
Dir. Wartmann alle Disziplinen der Museumstatigkeit mit
53
gleicher Exaktheit, Grlindlicheit und Liebe behandelte.
Auch besaas er in der Auswahl der anzuschaffenden Ob-
jekte einen ausserst sichern Griff, wobei jeweils die drei
Katurreiche mehr oder weniger gleichm&ssige Beriick-
sichtigung fanden.
Stets trachtete er darnach, fur Forschungen, die im
engem Gebiete einem bestimmten Ziel entgegenriickten,
die Belegexemplare fur das Museum zu gewinnen ; wir er-
innern nur an die Conchylien von Ulrich, die Hymenopteren
you Prof. Wegelin, die Lepidopteren von Mdller-Rutz, ferner
an die Belege zu den geologischen Untersuchungen von
Dr. Gutzwiller, Dr. R. Keller und A. Ludwig.
In den Sammlungen hielt Wartmann auf peinliche
Ordnung und gefallige Darstellung der Objekte. Hinsicht-
lich der Nomenklatur der Gegenst&nde folgte er einem
bewahrten System; Neuerungen gegenuber beobachtete
er eine gewisse Vorsicht und Zuriickhaltung, wohl wis-
send, dass Systeme eben nur Mittel zum Zwecke sind.
Eein Objekt kam in die Schaupulte und Vitrinen, ohne
eine griindliche Verifikation passiert zu haben, und
kaam hat je ein Fachmann einen groben Irrtum aufge-
deckt. Uber einheimische Tiere etc. wurde eine Art Pro-
tokoll mit Angabe der kleinsten Einzelheiten aufgenommen.
So war er Feind jeglicher Oberflachlichkeit. Interessante
Neuheiten fiir das Museum wanderten meist erst dann in
die Sammlungen, wenn sie vor dem Forum der Natur-
wissenschaftlichen Gesellschaft gehorige Besprechung ge-
fonden hatten.
Das Hauptverdienst um das Museum erwarb sich der
Veretorbene unzweifelhaft durch die Griindung und Auf-
nnng eines kantonalen Herbariums. Die Scientia amabilis
hat es ihm sein ganzes Leben hindurch angetan ; ihr gait
64
sein voiles Denken und Ftihlen; in ihr suohte und fand
er nach Erfiillung der iibrigen anstrengenden Berufs-
pflichten die „Erholungu, wie er sioh auszudrucken pflegte.
Sie wiirde auch die letzte Heimst&tte seines Wirkens ge-
wesen sein, wenn Gesundheitsriicksichten ihn zum Ruck*
tritt vom Schuldienst und zum Abschied von der ihm ans
Herz gewachsenen Jugend gezwungen batten.
Unter Mitwirkung zahlreioher, fur seine Sache be-
geisterter Schuler, welche dem sichtenden und ordnenden
„Meister an der Steinach" ein iiberreiches Material von
vielen Exkursionen durch alle Gegenden des Kantons
zufiihrten und nach Vereinigung und Durohsicht der
Herbarien tiichtiger st. gallischer Botaniker (Dr. Custer,
Dr. Zollikofer, Dekan Zollikofer, Pfarrer Rehsteiner,
Dr. Girtanner u. a.) schuf Dir. Wartmann jene herrliche
botanische Lokalsammlung von zirka 180 Faszikeln und
iiber 30,000 Pflanzenbogen. Sie war sein berechtigter
Stolz; wusste er doch, dass kaum eine zweite derartige
innerhalb der Gfcenzen seines Vaterlandes existierte. An
derselben arbeitete er mit peinlicher Sorgfalt und Gewissen*
haftigkeit, und seinem scharfen Auge entging kaum eine
unrichtige Determination. Bekanntlich enthalt dieses Her-
barium die Belege fur die von 1881 — 1888 von ihm und
seinem Mitarbeiter, dem ausgezeiohneten Botaniker, Er-
ziehungsrat Th. Schlatter, verfasste ^Kritische tJbersicht
der Gefasspflanzen der Kantone St. Gallen und Appenzell4*,
die von Fachleuten mit vollster Berechtigung als Muster-
arbeit im besten Sinne aufs freundlichste aufgenommen
wurde. Wir kommen spater auf dieselbe ausfiihrlicher
zu sprechen. Schwierigere Typen sandte er immer gerne
seinen lieben Ziircherfreunden Jaggi, Keller, Schinz und
SchrSter; die kritischen Genera wurden Spezialisten zur
55
Bestimmung und Yerifikation iibergeben (Rosa und Rubus:
Keller, Hieracium : Kaser, Salix: Buser). — Wer die Serien-
bogen des Wartmannschen Herbariums durchgeht, dem
muss die Sauberkeit, Exaktheit und Eleganz, mit der die
Einzelexemplare auf den Bogen angeordnet Bind, die pein-
lich genaue Einordnung nach Kantonsteilen, in grosse,
starke Kartonmappen, sofort angenehm in die Augen
springen. Die Objekte wurden nicht aufgeklebt, sondern
mit Stecknadeln und roten Papierstreifen auf ein solides,
bellbraunes Papier (Format: 6O/3OV2) gehefbet, damit
erstere jederzeit zu einer allfalligen Nachuntersuchung
losgelost werden konnten. Neben den gewohnlichen An-
gaben uber Name, Standort, Hohe, Finder etc. treffen wir
auf den Etiketten auch solche iiber Exposition. Bodenunter-
lage, sowie z. T. liber Vergesellschaftung u. s. w. Anfanger
auf dem Gebiete der Pflanzenkunde und Leute, „welche
keinen Sinn fur Ordnung und Exaktheit besassen", liess
er nie selbstandig „in seinem Werke blatternu, daftir war
es ihm zu wertvoll, sozusagen Bunantastbaru. Schon dar-
aus ergibt sich zur Evidenz, dass Wartmann die Pflanze
nicht als nHeuK betrachtete, sondern als etwas, das in
den Gesamtbereich der lebendigen Natur gehort.
Wahrend eines Zeitraumes von zehn Jahren riickte
abermals ein solch bedeutendes Material ein, dass er bald
wieder mit der Sichtung desselben zu einem Nachtrag fur
die st. gallische Flora sich beschafbigte. ^ — Nur sehr lang-
sam ging bei seiner minutiosen Treue in der Behand-
lung diese Arbeit vorwarts, gait es doch, Bogen um Bogen
genau zu studieren, zu vergleichen, Fehler zu korrigieren.
Dafur durfte er aber auch fur die Zuverlassigkeit und
Echtheit der Angaben einstehen. — Sein Herzenswunsch,
das Supplement in absehbarer Zeit fix und fertig vor sich
66
zu sehen, blieb unerfullt; mitten drin, eben bei einem der
Bchwierig8ten Genera (Hieracium) angelangt, blieb er stehen.
Was er bis heute fur die Floristik seines Heimatkantons
geleistet, wird ein schones Denkmal ausdauemder, ernster
Forscherarbeit bleiben.
1896 iibergab er geschenkweise dem stadtischen Mu-
seum sein grosses Privatherbarium, welches durch Kauf
und Tausch, namentlich aber durch personlichen Sammel-
eifer den respektabeln Umfang von 80 starken Mappen
mit zirka 3000 Genera, geordnet nach Endlicher, besitzt.
Bei Anlass der Zusammenstellung des st. galiisch-appen-
zellischen Herbariums und seiner Nachtrage hat dasselbe
fur Vergleichs- und Untersuchungszwecke ganz wesent-
liche Dienste geleistet, und Wartmann betrachtete es als
beinahe „unfehlbares" Pflanzenlexikon. — Es sollte spater,
bei der Erstellung und Ordnung einer allgemeinen
Pflanzensammlung, dieser letztern einverleibt werden, so
wie er bereits friiher seine kan tonal en Standortsexemplare
verwertet hatte.
Wartmanns Bestrebungen zum Wohle seines Museums,
ndem sprechendsten Monumente seiner unermudlichen
Tatigkeit", haben stets ihre voile Wurdigung gefunden.
Das bewiesen und beweisen heute noch die vielen im an-
erkennendston Sinne gehaltenen Urteile von Fachmannern
und Kennern aus alien Landern, das bezeugen alle jene,
welche die namlichen Institutionen anderer Stadte von
der Grosse St. Gallons kennen, und ein unzweideutiger
Beleg bildet der stets rege Besuch unserer Sammlungen
von jung und alt, von arm und reich. Wenn die kom-
menden Jahre, nach dem Wunsche dessen, der die Seele
des Ganzen gewesen, das biologische Moment allmah-
lioh mehr und mehr in den Vordergrund treten lassen,
67
10 wird die G-rundidee, aaf welch e das Ganze gebaut ist,
stets diejenige Wartmanns sein und bleiben: „Zu Nutz
nnd Frommen aller !u
Wartmann als Begriinder und Leiter
des botanischen Gartens und des Alpinums.
In innig8ter Beziehung zu den reichen Schatzen des
Naturhistorischen Museums steht der kleine botanische
6arten nebst einem Alpinum. Beide zeugen dafiir, dass
unser Verstorbener nicht nur Sinn fiir tote Pflanzen be-
sass. Selbst ein warmer Freund des Pflanzenlebens, wollte
er auch andern den lebendigen Organismus der liebreizen-
den Kinder Floras demonstrieren.
Gleichzeitig mit der Auffiihrung des monumentalen
Huseumsgebaudes wurde 1875 der im Osten an dasselbe
anstossende freie Raum gegen das „Burgli" hinunter mit
den Parkanlagen in harmonische Yerbindung gebracht
and fur die Erstellung eines ^botanischen Systems"
im Auge behalten. Acht grosse Beete, zu denen sich
spater zwei weitere gesellten, nahmen auf einem Flachen-
raum von zirka t>000 m2 die zahlreichen Vertreter aller
bedeutenden Pflanzenfamilien auf, wobei zwar sehr bald
die einjahrigen (annuellen) Gewachse von den ausdauern-
den (perennierenden) getrennt werden muss ten. Desgleichen
erfdhren die Handelspflanzen, sowie die offizinellen, die
gewurzliefernden Grewachse (Korbel, Dill, Coriander,
Fenchel etc.), sodann Gespinst-, Farbe-, Giftpflanzen, ferner
die Gretreidearten and Gemiise gesonderte Behandlung in
Extrabeeten.
Urn das Angenehme mit dem Niitzlichen und Not-
68
wendigen zu verbinden, fanden in diesem „ System", das
ja in erster Linie wissenschaftlichen Zwecken (den Be-
diirfnissen des botanischen Unterrichtes in den stadtischen
Schulen, vorab der Kantonsschule), dienen musste, be-
sonders auffallende, schone und biologisch interessante
Typen Beriicksichtigung. Den praktischen Wert dieser
Anlagen erkennend, suchten sich daselbst bald die Zog-
linge der Zeichnungsschule des Kaufmannischen Direk-
toriuins und spater des Gewerbemuseums die Modelle fur
ihre Arbeiten, selbst zu Entwiirfen von Stickereimustern.
Oft wurden per Sommer iiber 6000 frische, bliihende
Pflanzen fur derartige Zweoke abgegeben, gewiss ein
schflner Beweis der richtigen Wurdigung dieser Institu-
tion. Ausserdem stellten sich Kiinstler und Kunstlerinnen
mit Pinsel und Palette ein ; viele der hier gepflegten Neu-
heiten fanden Eingang in die Privatgarten unserer Stadt,
und jung und alt suchte dort unten Freude und Erholung.
Recht Vielen Freude zu bereiten und einen wahren
Genuss bieten zu konnen, war unsers Heimgegangenen
hflchstes Gliick, sein Stolz und seine Genugtuung. Nicht
nur an Sonn- und Festtagen sah man gar oft eine sehr
ansehnliohe Zahl von Interessenten aller Stande von Beet
zu Beet wandern; sogar an Werktagen, nach miihevoller
Arbeit, fanden sich so manche ein, die Erquickung fur
Auge, Herz und Genriit sich verschaffen wollten.
Der oft rasche Wechsel und das Abgehen der An-
nuellen (wozu vielleicht die etwas schwere Bodenart bei-
tragen mochte), der manchmal vorzeitig sich einstellende
Schneefall, sowie endlich das Bestreben, jedes Jahr fur
angenehme Abwechslung zu sorgen und dem Botanophilen
Neuheiten vor Auge zu fuhren, lasst die nicht geringe
Schwierigkeit bemessen, das System immer so sch5n zu
69
gert<en, wie es sich tatsachlich alljahrlich dem Besttcher
darbot.
Wollte jemand glauben, der Begrtinder des botani-
achen Gartens hatte seine ganze Aufmerksamkeit nur dem
, System" geschenkt und in diesem allein den Hauptzweck
der ganzen Parkanlage erblickt, der wiirde sich tauschen.
Ein kurzer Gang zur Sommerszeit durch samtliche Anlagen
bietet eine Fulle des Interessanten and Abwechslungs-
reichen dar. Topfpflanzen aller Art und aus alien Lan-
dem, herrliche Palmen, immergriine Straucher, Kultur- und
Zierpflanzen warmer Erdgegenden, eine selten schone, reich-
haltige Gruppe von Sukkulenten (Kakteen etc.) bilden einen
wahren Schmuck der nachsten Umgebung des Museums.
Die Erfahrungen haben gezeigt, dass das St. Galler Klima
vielfach besser ist als sein Ruf.
Man muss die „k6nigliche" Freude Wartmanns ge-
sehen haben, wenn ab und zu eine fur das hiesige Klima
sonst empfindliche Pflanze den Dankestribut durch treues
Ansharren leistete, wie jenes seltene 80 — 100-jahrige Ex-
emplar des Tulpenbaumes (Liriodendron), das sogar der
schweren Operation der ortlichen Versetzung stand hielt,
oder wenn die Himalaya-Ceder (Pinus Deodara) wahrend
Jahren bei uns im Freien vegetierte, wenn Bananen,
Agaven und jener 4 Meter hohe Saulenkaktus (Cereus
peruvianas) sogar zum herrlichen Bluhen gelangten. —
Auf unserer Rundreise durch die Anlagen begegnen wir
&ber auch prachtigen Schlingpflanzen, Sumpf- und Wasser-
gewachsen, reizenden Guirlanden von Rosen, Nadel- und
Laubholzbaumen selbst aus andern Klimaten, und im
Fruhling iiberrascht uns das schmucke Heer der Zwiebel-
pflinzen. Doch wie wollten wir hier alles aufzahlen konnen,
was das bunte Bild des Parkes abschliesst! Ein Blick in
60
die verschiedenen Gewachshauser (Kalt- und Warmhaus)
erschliesst uns hundert neue Farben- und Formenreize der
immer schaffenden und zeugenden Natur (Blattpflanzen,
Orohideen, insektenfressende Pflanzen u. a. m.). So war es
jedem Freunde der Pflanzenwelt vergonnt, einen Bliek
zu tun in ihre geheimnisvolle Werkstatte, zu sehen, „mit
welch lebendiger Kraft sie sich in den entferntesten Zonen
ihr ewig wechselndes farbiges Kleid zu wirken weiss, wie
sie immer jugendlich frisch, in niemals rastendem Zuge
sich reich und gewaltig entfaltet, voll von Kraft und
Leben, voll Glanz und Farbenschmelz, voll Dufl und
bunter Blfitenpracht."
Verhaltnismassig geringe finanzielle Mittel standen
dem zur Verfiigung, welcher das Ganze dirigierte (zirka
Fr. 600 per Jahr: Beitrage von Privaten, vom Gemeinde-
rat7 dem stadtischen Schulrat und der Studienkommission
der Kantonsschule). Vielfache grdssere Geschenke an
Pflanzen wurden ihm auch von seinen Freunden in Zurich,
Bern, Lausanne und von andern Orten zu teil.
Wartmann betrachtete den Park als unantastbares,
kostliches Juwel, dem er ohne irgendwelche Entschadi-
gung einen wesentlichen Teil seiner Mussestunden opferte
und ihm durch Entwtirfe und Verwirklichung von Planen,
durch Besorgung samtlicher Samereien, durch Inspektion
und phanologische Aufzeichnungen, fhiher selbst durch
Arbeit mit Spaten und Rechen seine voile Sympathie an-
gedeihen liess. Er wusste sehr genau, dass es Leute gab,
die aus nasthetischen Griinden" das botanische System ins
Pfefferland wiinschten, und andere, die den Park zu Bau-
zwecken verwendet wissen wollten. „AUeinu, ruft er ent-
riistet aus, „es ware eine Schande fur St. Gallen, wenn
derartige Zerstorungsplane gelingen sollten; wer solche
61
Plane lancieren will, begibt sich auf den Kriegspfad, und
wir werden nicht ermangeln, den Kampf mit gebtthrender
ZUiigkeit aufzunehmen l" —
Wohl im hochsten Grade erwarb sich die Aufmerk-
keit der Parkbesucher das Alpinum, das Miniaturbild jener
Pflanzenformationen, deren allerliebster Bliitenschmuck,
faren reizende Formen und wahrhaft berauschende Herr-
Bchkeit die Bewunderung auch der Gleichgiiltigsten heraus-
(ordert. „Sind sie nicht uns alien geradezu ans Herz
gtwachsen, diese kleinen Pioniere, durch den frischen,
frohlichen Mut, mit dem sie den Kampf mit Schnee und
Eis. mit Wind und Wetter, mit rollenden Steinen und
rinnenden Wassern so herzhaft aufnehmen und so sieg-
reich durchfuhren!u (Schroter.)
Unter tatkraftigster Initiative und Mithilfe unseres
trefflichen Botanikers Theodor Schlatter erhoben sich
schon ein Jahr nach der Fertiglegung des ^Systems" auf
der Nordseite des Museums verschiedene grosse Steinpar-
tien, teils aus Kalk- und Nagelfluhblocken, teils aus Silikat-
peteinen zusammengesetzt , damit den Bediirfnissen der
terschiedenen alpinen Herkommlinge Rechnung getragen
rerde. Die Besiedelung dieser Partien verursachte jedes
Jabr viel Mlihe; ist es doch eine allbekannte Tatsache,
s beinahe wahrend jeder Vegetationsperiode voile 25 °/o
der oft kaum akklimatisierbaren und rasch „ausartendenu
Pfleglinge zu Grunde gehen, trotz der relativ giinstigen
geographischen Lage St. Gallons. *)
l) Von den 800 — 1000 Spezies Alpenpflanzen unseres A Ipinums,
terra grosserer Teil in den schweizerischen und speziell at. gal-
frchen Alpen heimatberechtigt ist, haben zur Zoit der Hochsaison
miteinander stets etwa 260 Arten gebluht, und nicht selten ent-
koten ooch 45 den Scheidegruss des Blumenjahres. Mit Edelweiss.
fctpflanze, der Lin naea borealis sind gute Resultate erzielt worden.
62
Dieses innige Verwaohsensein mit all den Sprflss-
lingen aus Floras Reich mag es wohl bedingt haben, dass
Wartmanns liebster „Sommeraufenthalt" stets in „seinem
Garten" war. Wer hatte ihn dort nicht gesehen, den
strammen, nimmermuden Greis, inmitten all seiner Lieb-
linge, wo er sich niederbtickte bald zum einen, bald zam
andern, gleichsam fragend, gleichsam teilnehmend an
jedes einzelnen Geschick und Werdegang? Seit zwanzig
Jahren fiihrte er genaue Kontrolle, notierte die Zeit, den
Tag, wann schiichtern eines der Pflanzchen zum ersten-
mal sein tiefgriindiges Auge in der allbelebenden Sonne
spiegeln liess, wann weitgeoffnet es voll Stolz und Hoff-
nung in die Welt des Lichtes jubelte, und wann es end-
lich die miiden Lider zum letzten Schlummer senkte.
Wartmann als Leiter
der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft St. Gallen.
„Ein wichtiges Moment des Gedeihens irgend eines
Gemeinwesens liegt in der obersten Leitung, wenn das
nominelle stets auch das geistige Haupt und der urn-
sichtige Fuhrer zugleich der denkende Feldherr ist.a
Dieses Wort hat sich so recht bewahrheitet an der Natur-
wissenschaftlichen Gesellschaft St. Gallen, deren Grander,
Dr. Kaspar Tobias Zollikofer, am 29. Januar 1819 in
begeisternder Rede die Bedeutung der Naturwissenschaften1)
J) nDie Erforschung der Natur vcreinigt Sie, bochzuehrende
Herren, dieses Studium, welches den Menschen mit sich selbst7
mit der ihn umgebenden Korperwelt bekannt niacht; welches una
immer neue Quellen von geistigen und sinnlichen Geniissen er-
oifnet; welches in seiner Anwendung auf die dem Menschen un-
entbebrlichsten Kunste und Gewerbe die Erhaltung desselben
63
and die Ziele x) der genannten Gesellschaft darlegte. Die
Geschichte2) dieser Vereinigung und ihrer bluhenden Ent-
faltung ist ein sch6nes Gedenkblatt vorbildlicher mensch-
licher Ruhrigkeit, Ausdauer und Liebe zu einer edlen
Sache. ,,Wie die untergegangene Sonne ihre goldenen
Sparen am Abendgewolke zuriicklasst, so leuchten uns
aus der Abendstille der Vergangenheit die Werke und
Bestrebungen der langst dahingegangenen Griinder zu
einem neuen Geschlechte herauf, das dankbar ihrer ge-
denkt."
Geht man aber dereinst den „Energienu nach, welche
in der Entwicklung der St. Gallischen Naturwissenschaft-
lichen Gesellschaft gewirkt, dann wird man immer wieder
sichert, seinen Wohlstand erhebt und seine Versittlicbung befor-
dert; welches, wenn je eines, seinen Geist von den Vorurteilen
des Standes, des Volkes, des Zeitalters entfesselt und seine Ver-
nunft vor den dunkeln Irrwegen des Aberglaubens bewahrt; das
Studiuni, und das ist wohl sein erhabenstes Ziel, welches dem
Erechalfenen die geheime Werkstatte des Schopfers enthiillt,
welches dem Erdgeborenen die Krafte und Mittei entratselt, die
dem Universum der Schopfung zu Grande liegen, das Studium
endlich, welches, den menschlichen Verstand mit einem Funken
der gottlichen Intelligenz beleuchtend, ihn deren Zwecke und Ab-
sichten ahnen lasst."
J) „Beforderung des Studiums der vaterlandischen Natur-
kunde im allgemeinen, insbesondere aber Erweiterung der physi-
schen und naturhistorischen Kenntnis von unserm eigenen und
den nachstangrenzenden Kantonen ; Anwendung dieser erweiterten
Kenntnis auf die Erbaltung und Aufnung des Wohlstandes lin-
gerer Mitglieder im allgemeinen und auf die Vermehrung und Ver-
vollkommnung der einheimischen Natur- und Gewerbsorzeugnisse
insbesondere."
f) Wesentliche Beitrage zu einer solchen iinden wir in:
B. Wartmann: Eroffnungsrede, gehalten am 50-jahrigen Ju-
bilaurn der St. Gallischen Naturwissenschaftlichen Gesellschaft,
5. und 6/Vin. 1869.
G. Am buhl: Gedachtnisrede, gehalten an der 70. Stiftungs-
feier, 29./T. 1889.
J. Bra sb e 1: Rede, gehalten an der 80. Stiftungsfeier, 31./1. 1899.
64
auf den Mann zuritokkommen, der 34 Jahre ais President
ununterbrochen an ihrer Spitze gestanden. Wahrend
mancher Jahre war er ihr altestes Mitglied ; mehr als ihre
halbe Qeschichte hat W. personlich miterlebt ; die Gesell-
sehaft war eine seiner eigentlichen Arbeitsdomanen, ein
ungemein fruchtbares Feld seiner Lebensbetatigung, man
mochte sagen, die Expansion seines lebendigen, feurigen
Geistes. „Hier wie in der Schule ist er Idealist reinsten
Wassers und besten Schlages.u Zahllose Stunden seines
Lebens hat er den Interessen seines Vereins geopfert,
alles in aufrichtiger, enthusiastischer Verehrung der Natur-
wissenschaften. Die Beschaftigung mit der Natur trug
fur ihn etwas wahrhaft Bezauberndes in sich. In friihester
Jugend schon hatte ihn die Liebe zu derselben erfasst,
und bis zum letzten Atemzuge hielt sie ihn in ihrein
Banne. Mit seltenem Wissen ausgeriistet, iibersah er s&mt-
liche Gebiete des weiten Reiches; die griindliche natur-
wissenschaftliche Erforschung der engern Heimat aber
war das Gebiet seiner ureigensten Tatigkeit.
„Das Buch der Natur ist immer aufgeschlagen und
zwar fiir jeden, der darin lesen will, ohne Unterschied
der Person und des Herkommens. Es antwortet auf jede
richtig gestellte Frage, dem Kinde wie dem Manne, jedem
Geschlechte, jedem Alter und macht den Fragenden sou-
veran in seiner Beschaftigung. So teilt sich ihm allmah-
lich ein Gefuhl der Grosse seines Arbeitsfeldes mit, welches
ganz der Grosse der Natur entspricht. Im Umgange mit
der unverdorbenen Natur bleibt der Mensch selbst rein;
er bedarf der Tunche nicht, welche den innern Menschen
verbirgt, aber auch jedem ein gutes Teil seiner Indivi-
dualist raubt." So sagt Karl Mil Her von Halle1), dessen
J) Verfasser des „Antausu, Redaktor der Zeitschrift „Naturu.
66
hoehstes Verdienst wohl darin bestand, dass er in unzah-
ligen popular-wissenschaftlichen Abhandlungen die Ergeb-
nisse der Naturerforschung zum Gemeingute vielerzu machen
bestrebt war. Was dieser auf dem Wege publizistischer
Tatigkeit geleistet, das hat Wartmann durch seine Natur-
wissenschaftliche Gesellschaft getan. Die Popularisie-
rung der Naturwissenschaften im Kanton St. Gallen
durch den Verstorbenen ist der Hauptgrund fur das Ge-
deihen des Vereins gewesen.
Kaum ein halbes Rundert betrug die Zahl der Mit-
glieder, als der 26-jahrige Professor Wartmann 1856 dem
Bunde beigetreten. Er hatte damals noch keinen sehr
gunstigen Stand. „ Mitten in einem Lande, das gross-
artige Fabrikation und einen nach alien Punkten der Erde
sich erstreckenden Handel treibt, stent die Wissenschaft
auf einem nur wenig fur sie geebneten Boden. Fast alle
Mitglieder sind vielbeschaftigte Berufsmanner : Arzte,
Apotheker, Lehrer.u Wartmann beteiligte sich sofort aktiv
an den mehr rein-wissenschaftlich gehaltenen Verhand-
lungen und hielt in den beiden ersten Jahren nicht weniger
denn 8 Vorlesungen aus verschiedenen Gebieten der Natur-
geschichte (uber Starkekorner, Parthenogenesis, Feuer-
meteore etc.). Durch den gewaltigen Einfluss, den die
Naturwissenschaften auf Industrie, Gewerbe, Verkehr,
Landwirtschaft, uberhaupt auf das gesamte praktische
Leben auszuiiben begannen, machte sich mit Recht allmah-
lich in den Vereinstraktanden das populare Element gel-
tend. „Der Gelehrtenzopf ist abgeschnitten worden, damit
auch der Nichtfachmann mehr Genuss und Belehrung finde.
Unsere Gesellschaft muss immer mehr der Sammelpunkt
fur alle diejenigen werden, welche in Gottes herrlicher
Schopfung nicht bloss die Szenerie zu dem Leben und
66
Treiben des Menschengeschlechtes sehen, sondern diese
selber verstehen lemen wollen. „Die Wissenschaft muss
niitzlich seinu, und deshalb sollen auch die Gebildeten
aller St&nde teilnehmen an den Errungenschaften und
Fortschritten der Naturerforschung."
Unablassig hat er die Werbetrommel geriihrt ; immer
und immer wieder erklang sein Ruf nach Zuzug junger
Krafte, welche die Stiitze, die Hoffnung des Vereins sind.
„Das Arbeitsfeld ist gross und bedarf zur Bearbeitung
kraftiger aktiver Unterstiitzung. Wo viele sich redlich
in die Arbeit teilen, da werden die zu stark beschwerten
Sclmltern einzelner entlastet.a — Nicht selten schrieb W.
selbst den Leuten und munterte sie zum Beitritte auf;
selten nur erhielt er eine Absage. Der Tod hat ihm manchen
seiner Getreuen hinweggefuhrt; er konnte nicht mit ihm
rechten; wenn aber jemand ohne hinreichenden Grund
aus der Gesellschaft austrat, so schmerzte es ihn, und er
empfand die „Fahnenfluchtu beinahe als personliche Kran-
kung. Um so mehr hat er das Lob der Ausdauor derer
gesungen, die ihm treu zur Seite blieben. Zur Zeit des
BO. Stiftungstages belief sich der Bestand der Mitglieder
auf 234, 1879 auf deren 533, und bei seinem Tode xiber-
sah er das stattliche Heer von 723 (489 Stadt-, 234 Land-
bewohner, dazu noch 3B Ehrenmitglieder). Dadurch aber,
dass er selbst, oft gegen den eigenen, aber nach dem
Willen der Gesellschaft, immer wieder mit frischer Lust
und frohlichem Mut das niedergelegte Steuerruder in die
Hand genommen (die Kommission ist auf je drei Jahre
gewahlt), mochte er viele zum Ausharren veranlasst haben.
Je mehr die Mitgliederzahl wuchs, desto eher konnten
die finanziellen Hilfsmittel fiir die Drucklegung eines j&hr-
lichen Berichtes uber die gesamte Vereinstatigkeit be-
67
schafft werdeii. In demselben sollten auch naturwissen-
schaftliche A.bliandlungen aller Art, vorab die Ergebnisse
der Forschungen im engern Heimatkanton , Aufnahme
finden. Besass der erste „Berichta (1868 — 1860) einen
Umfang von 128 Seiten, so wuchs deren Zahl in der Folge
bis auf 500 und mehr. Wohl eine der brennendsten Sorgen
des heimgegangenen Pr&sidenten ist jene fur eine ange-
messene Ausstattung des Jahrbi^ches gewesen. Er hat seine
Redaktion nie leicht genommen. Schlagt man die von ihm
abgefasste „Systematische Ubersicht iiber samtliche Be-
richte* auf, so kann man sich davon iiberzeugen, dass seine
Bestrebungen vom besten Erfolge gekront waren.
Alle Gebiete der Naturwissenschaften, nicht nur der
Naturgeschichte, sind mit reichem Material vertreten;
keine Disziplin ist leer ausgegangen.
Von den Forschungen in der engern Heimat diirfen
wir hier, weil durch W. entweder angeregt oder doch
lebhaft unterstutzt, folgende nennen:
Naturgeschichte der Alpenseen (Asper und Heuscher,
Zurich); Kantonale Vogelfauna (Stolker, A. Girtanner,
Wartmann); Insektenfauna (Taschler, Wegelin in Frauen-
feld, Miiller-Rutz) ; Gefasspflanzen (Schlatter, Wartmann,
R. Keller, Winterthur) ; Moose (Jager, Culmann) ; Flechten
(Stizenberger, Konstanz) ; Tertiarflora (R. Keller, Winter-
thur); Geologische Untersuchungen in Diluvium, Tertiar,
Kreide, Jura (Gutz wilier, Ludwig, Falkner); Erratische
Blocke (Stein, Gutzwiller, Jlehsteiner) ; Meteorologische
Beobachtungen von 10 kantonalen Stationen.
Meisterhaft verstand es Wartmann, zahlreiche junge
Naturforscher fur seine Zwecke zu gewinnen, eine griind-
liche Erforschung des Kantons in naturwissenschaftlicher
Beziehung durchzufiihren. Er selbst trug mit seiner „Kri-
68
tischen Ubersicht der Gefasspflanzen" das Banner voran.
Machten sich einmal die Anzeichen einer voriibergehenden
Erlahmung der Krafte bemerkbar, dann weckte er alle
Schlummernden zum aktiven Leben auf ; denn um keinen
Preis durfte die Gesellschaft am Marasmus senilis zu
Grunde gehen.
Entschieden eine der mxihevollsten Aufgaben war es
fur Wartmann, Jahr um Jahr als Chronist der Gesell-
schaft zu funktionieren und ein gedrangtes Bild von ihrem
Leben und Treiben zu entwerfen, Licht- und Schatten-
seiten gleich stark betonend. Aber freudig und unver-
drossen tat er es, im Bewusstsein, dass das feste, zielbe-
wusste Vorgehen sich reichlich gelohnt habe.
So referiert er mit schneidiger Feder in den Priisidial-
berichten in zusamjnenhangender Weise iiber den all-
gemeinen Stand des Vereins, die Zahl der Sitzungen,
bespricht der Reihe nach die Vortrage und Demonstrationen
(kurze Inhaltsangabe) und lasst sich iiber Festanlasse im
Schosse der Gesellschaft (Hauptversammlung und Stif-
tungstag), sowie iiber Exkursionen aus. Er erwahnt im
fernern das Jahrbuch und den Tauschverkehr mit fremden
Gesellschaften, spricht von der Mappenzirkulation und
dem Lesestoff, gedenkt der Tatigkeit der leitenden Kom-
mission, beleuchtet das finanzielle „Solla und „Haben"
des Vereins, zieht an Hand von Zahlen die Bilanz des
Mitgliederbestandes und widmet verdienten Mitgliedern
einen tief empfundenen Nachruf. Weil das Naturhisto-
rische Museum im organischen Zusammenhange mit den
Interessen der Gesellschaft steht, wirft der Berichterstatter
einen Blick auf den Fortschritt desselben, zahlt aus Tier-,
Pflanzen- und Mineralreich die Ankaufe und Schenkungen
auf, nicht in trockener Zusammenstellung, sondern im
69
Hinweis auf die Wichtigkeit der Objekte, manchmal ziemlich
ausfuhrlich schildernd. Er unterlasst aber auch nicht, den
Fortgang der Arbeiten zu konstatieren, welche die wissen-
schaftliche Bearbeitung der Museumsschatze genommen.
Alsdann fiihrt er uns in die offentlichen Anlagen, den
Park, demonstriert uns da den Zuwachs zur Gruppe erra-
tischer Blocke und lasst uns einen Halt machen vor den
befiederten Bewohnern der Voliere und des Parkweihers.
Freud ig strahlt sein Antlitz, wenn er uns endlich als ge-
wandter Cicerone seine Lieblinge in ^System", Alpinum,
Gewachshausern und Arboretum vorstellt. Nichts ist da,
dem er seine Aufmerksamkeit entzoge!
Der Schluss ist dem Ausblioke in die Zukunft gewidmet.
Noch einmal ruft er alle Mann auf Deck, legt ihnen ihre
Rechte und Pflichten ans Herz und endigt mit einem
seiner charakteristischen Wahlspruche: „Wer da rastet,
der rostet!" oder: „Nunquam retrorsum!"
Als Anhang gleichsam folgt jeweilen ein Verzeichnis
der von Schwestergesellschaften, Gelehrten und Freunden
eingegangenen Schriften ; alle drei Jahre reihten sich dem-
selben auch eine vollstandige tJbersicht iiber die mit un-
serem Vereine in Verbindung stehenden naturwissenschaft-
lichen Institutionen, sowie ein neubereinigtes Mitglieder-
verzeichnis an.
Die Bedaktion der 42 Prftsidialberichte, welche unter
seiner Feder den respektabeln Umfang von iiber 2000
Seiten erreichten, war keine leichte Sache! Bei gleicher
Disposition ungefahr die namliche Materie behandelnd,
waren Wiederholungen kaum zu umgehen. Und doch ist
der Verfasser immer mannigfaltig; die verbindenden Glieder
und einleitenden Worte sind mit gewandter Sprachkenntnis
| gewechselt und modifiziert.
70
.Dementsprechend mangelte es Wartmann nie an un-
umwundener, neidloser Anerkennung von alien Seiten fiir
diese seine enorme Muhe und Arbeit. Jene hat es auch be-
wirkt, dass er alljahrlich mit der gleichen Freudigkeit seinen
„Berichtu verfasste, bei dessen Redaktion er nach seinem
eigenen Ausspruche „selbst nicht unbedeutend" lemte.
Es ware unnutz, wollte ich hier auch die vielen Worte
des Dankes und der Aufmunterung zitieren, welche ihm
fiir die Reichhaltigkeit und Gediegenheit des Jahrbuches
gespendet wurden : fiir ihn gewiss die schonste Belohnung
fiir so manche Stunde peinlicher Korrekturen und des
Briefwechsels betreffend BeschafFung der wissenschaft-
lichen Beitrage. Der krafbigste Beweis fiir den guten
Ruf des „Berichtesu liegt aber in der ansehnliohen Zahl
von Vereinen, welche denselben im Tauschverkehr ver-
langen. Vor Wartmanns Tode betrug sie genau 200.
Anno 1885 feierte der Verstorbene als Redaktor des Jahr-
buches mit diesem die silberne Hochzeit. Er hat seiner Freude
iiber die Verwirklichung „der Idee des jungen Sanguinikera
von 1860u im Berichte 1885/86 beredten Ausdruck verliehen.
Hohen Wert legte er auf die Mappe und deren Inhalt,
ein wichtiges Element fiir Fortbildung, Belehrung und
niitzliche Unterhaltung der Mitglieder (1867: 12 wissen-
schaftliche und 10 populare Zeitschriften ; 1900: 18 + 29,
nebst mancherlei popular-wissenschafblichen Werken, die
zum Teil in Lieferungen erschienen). Diese und die Gross-
zahl der Tauschzeitschriften, Berichte etc. wanderten nach
geleisteten Diensten in die Stadtbibliothek, wo sie der
allgemeinen Benutzung zuganglich sind.
Halten wir Umschau in den gewohnlichen Sitzungen
der ^Naturwissenschaftlichen", „der trefflichen Fortbil-
dungsschule fiir Alte und Junge, Laien und G-elehrte" !
71
,Es gibt kaum ein Gebiet des Naturerkennens, kaum
ein Feld seiner Anwendung auf das praktische Leben,
auf Kultur, Kunst und Gewerbe, kaum eine Tagesfrage,
die nicht in Vortragen und Demonstrationen gepflegt,
kaum ein neues Problem der Wissenschaft, das nicht be-
raten, kaum eine neue Entdeckung und Erfindung wichtiger
Art, die nicht vorgefuhrt oder besprochen worden ware."
Jeweils im vorausgehenden Sommer hatte der Pre-
sident der Naturwissenschafttichen Gesellschaft ein genaues
Arbeitsprogramm entworfen, und bei Beginn der Winter-
sitzungen war bis zum folgenden April jede Sitzung (es
fanden seit Jahren je deren 2 im Monat statt) mit dem
ihr zugehorenden Thema bedacht. Der Eingeweihte kennt
die nichts weniger als angenehme Aufgabe der Lektoren-
fursorge. „Die Interessen sind verschieden je nach Stand
und Beruf der Mitglieder ; darum ist reiche Abwechslung,
vielseitiger Charakter der Themata geboten; ausserdem
sollen einem grossern Vortrage kleinere Demonstrationen
folgen.* Diese letzteren hat Wartmann Jahrzehnte lang
beinahe allein ubernommen, als „Luckenbusseru, wie er
bescheiden sagt. An Stoff fehlte es ihm allerdings nie: meist
waren es neu eingegangene Objekte aus dem Museum,
aus dem botanischen Garten oder Seltenheiten der ein-
heimischen Flora und Fauna. Das im Anhange des Lebens-
bildes befindliche Verzeichnis gibt dariiber Aufschluss (im
Kleindruck).
Feurig, temperamentvoll leitete der Verstorbene die
geschaftlichen Traktanden der Sitzungen. Seine Rede blieb
vom Eroflhung8- bis zum Schlussworte die namliche: klar,
bestimmt, ohne besondern Schmuck, aber sie war getragen
von innerer Warme. Und so liebte er auch den Vortrag
des Lektors. Hatte dieser am Schlusse von Seite der Zu-
72
horer lebhafte Anerkennung gefunden, so fehlte es nicht
am aufrichtigen, herzlichen Danke des Pr&sidiums, ver-
bunden mit der dringenden Einladung zur baldigen Wieder-
beteiligung. Ganz meisterlich wusste W. die Diskussion
in Fluss zu bringen. Wollte sich anfanglich niemand dazu
melden, dann griff er selbst in den Gang ein mit Fragen
und Erg&nzungen. Dabei kam ihm die Vielseitigkeit seines
Wissens, die Kenntnis des historischen Werdens, des Ent-
wicklungsganges von Forschungen aller Art auf natur-
wissenschaftlichem Gebiete wohl zu statten, und vermochte
er damit manchem Zuhorer geradezu Bewunderung ab-
zunotigen. Ubrigens hat er sich, was wohl wenige wissen,
immer auf die Sitzungen seines Vereins mit grosser Ge-
wissenhaftigkeit und Intensitat vorbereitet.
Momente der Erinnerung und Tage der Selbster-
kenntnis sollten jeweils die Hauptversammlung (Ende
November) und der Stiftungstag (Ende Januar) sein, zwei
Festanlasse, von denen er keinen geschmalert oder auf-
gehoben wissen wollte. Den Interessen der bei solchen
Gelegenheiten zahlreicher Versammelten (bis 400 am Stif-
tungsfeste) Rechnung tragend, ward fiir dieselben gewohn-
lich ein Thema mehr allgemeiner Natur und Bedeutung
auserkoren.
An einem dieser Feste oder selbst an beiden erschien
als Referent gewohnlich ein Mann der Fachwissenschaft,
der von neuen Entdeckungen und Erfindungen auf seinem
Spezialgebiete berichtete, oder es entwarf ein weitgereister
Forscher farbenreiche, herrliche Bilder fremder Lander
und Volker.
Den Stunden ernster Arbeit schloss sich schon an
gewohnlichen Vereinsabenden ein gemutlicher „Nachsitza
a^n, welcher mit der Mitternachtsstunde aufgehoben wurde.
73
„Die alte urchige Frohlichkeit und Gemiitlichkeit gelangte
aber erst recht zum Durchbruchu bei den genannten Fest-
anlassen. Immer begleitete sie em flotter actus secundus.
flDie Pflege der Geselligkeit und Freundschaft besitzt eine
hohe Bedeutxing fur das rechte Gedeihen des Vereins-
lebens; ihre Vernachlassigung aber racht sich schwer!"
,,Alle Kunste", sagt W. bei Besprechung des 63. Stif-
tungstages, r half en sich im muntern Bund, und in freu-
digem Bestreben wurden manche Krafte kund. Der Musik
Macht, der Poesie Schwung, der Malerei Harmonie, der
Optik Trug — alle in trautem Zusammenhang arbeitend,
gestalteten den betreffenden Abend zu einem iiberaus ver-
gniigten.u Wieoft haben die Quartette des „Frohsinnu
und der ^Harmonie", die herrlichen Tone der Theater-
kapelle, die trefflichen Solovortrage von Meister Ochs, die
urgelungene Muse von Freund Griitter oder die inhalts-
reichen Reden von Ambiihl und Brassel sein und aller
Herz hoher schlagen lassen! „Solche Anlasse tragen auch
dazu bei, die Mitglieder fester an die Gesellschaft zu
binden und manche Desertionsgeluste schon im Keime zu
ersticken.tt Es muss uns nicht wundern, wenn die aus-
wartigen Gaste und Lektoren stetsfort die Versicherung
gaben, wie heimelig und wohl sie sich in unserm Kreise
gefiihlt, und dass sie mit hohem Respekt von dem schnei-
digen Haupte der Gesellschaft sprachen.
Eben bei derartigen Gelegenheiten verstarkten sich
auch die Beihen der ,,Getreuenu und wurden Fonde zur
Anschaffung grosser Museumsgegenstande (BiiflFel, Gorilla,
Haifisch) gegriindet, aus privaten Beitragen und aus dem
Erlos der ausgelosten oder versteigerten Zeitschriften.
1869, als das 60-jahrige Jubilaum des Bestandes der
Natiirwissenschaftlichen Gesellschaft gefeiert wurde, fand
74
gleichzeitig eine Ausstellung lebender Pflanzen und Vogel
statt, im Spatsommer 1875 eine solche lebender exotischer
Sing- und Ziervogel, an welch lotzterer W. neben Stolker
und E. Linden das Hauptverdienst besass und nolens vo-
lens auch das Prasidium zu iibernehmen hatte.
Grossere Beschwerden verursachte ihm das Zentral-
fest der Schweizerischen Naturforscher , welches 1879
innerhalb der Mauern St. Gallens sich abwickelte. Es war
ihm „langere Zeit nicht ganz wohl urns Herz", denn er
furchtete, das allgemeine Fest mochte die Interessen des
st. gallischen Vereins, seiner ^Spezialfamilie", beeintrach-
tigen. Immerhin liess er es sich nicht nehmen, zum voraus
auf eine sorgfaltige Vorbereitung und zweckmassige An-
ordnung des Festes hinzuarbeiten, „auf dass die Tage des-
selben in jeder Beziehung recht genussreich werden und
damit St. Gallens Ehre auch in dieser Hinsicht makellos
erhalten bleibe". Aber alle Bemiihungen, ihn zur Annahme
des Ehrenamtes eines Lokalprasidenten zu bewegen, blieben
fruchtlos. Erst als das eigene Schifflein sich gliicklich
zwischen den verschiedenen Klippen hindurch gefunden
und dabei keinerlei Schaden erlitten hatte, vermochte er
freudigen Herzens zuriickzublicken.
Zur lebendigen Anschauung der vielen Herrlichkeiten
und zu einem vertrautern Umgang mit der ewig jungen
Mutter Natur betrachtete auch der heimgegangene Pre-
sident gemeinschaftliche Exkursionen als sehr wichtig ; so-
fern er nicht unpasslich gewesen, hat er sich stets mit
Begeisterung denselben angeschlossen. Die letzten gros-
sern, die er mitgenossen, waren jene zur Besichtigung des
Rheindurchstiches und nach Wartau im Rheintal. Hier,
wie bei den vorgenannten Festanlassen fand er Gelegen-
heit, so recht aus dem Herzen zu sprechen iiber alles, was
75
dem Vereine zum Wohle gedeihe, was ihn zum starken,
festgewurzelten Baume mache mit weit ausladendem Ast-
and Blatterwerk, in dessen Schatten sich alle mit Recht
wohl fuhlen diirfen.
Viel Fibre und Anerkennung ist ihm im Kreise seiner
Gesellschaft geworden ; er hat sie angenommen mit grosster
Bescheidenheit im steten Hinweis darauf, dass er sich keine
schonere und edlere Pflicht denken konne, als ihr zu leben
mit seinem Herzblute.
Und wahrlich, wenn er auch kaum je daran gedacht,
den hundertsten Jahrgang erleben zu konnen, der sich zum
gesunden, kernhaften Stamme seines Vereines schliessen
wird, so durfte ihn vor alien der Gedanke erheben, „dass
der Hauch seines irdischen Daseins der Wissenschaft, dem
Vaterland, seinen Mitbiirgern nicht verloren gehe und
dass seine Aussaat auch jenseits der Vollendung hier
segensreiche Bliiten und Frtichte tragen werde".
Die Naturwissenschaftliche Gesellschafb St. Gallen aber
wird sich den Wahlspruch ihres im Silberhaare noch jugend-
lich begeisterten Prasidenten auf ihrer Fahne geschrieben
halten: ^Vorwarts und immer nur vorwarts!"
Wissensehaftliehe Arbeit
Angesichts der kleinen Zahl grosserer Elaborate aus
der Feder des Heimgegangenen hat man schon die Frage
aafgeworfen, ob unser so reich mit Wissen und einem
weiten Gresichtskreis ausgestattete Wartmann sich nicht
d&zu hatte verstehen sollen, publizistisch mehr an die
Offentlichkeit zu treten. — Aus seinem Munde wissen wir,
dass er auf den Ruhm, viel zu schreiben, wenig Wert
f
76
legte; er war vor allem der I?berproduktion abgeneigt,
die in nur zusammenfassender Weise von den Miihen an-
derer zehrt. Er liebte auch die flugblattahnlichen, ephemeren
Erscheinnngen literarischer Tatigkeit nicht und verurteilte
namentlich Publikationen, denen ein kaum oder nicht aus-
gereiftes Material zu Grunde lag, die in leichtfertiger
Weise zu fruhe in die Welt hinausgesandt wurden.
Wartmanns wissonschaftliche Arbeiten1) tragen alle
den Stempel des Wohlbegrundeten und Durchdachten in
Bezug auf Stoff und Darstellung. Mit absoluter Sachlich-
keit wurde ein Theina bis zu einem gewissen Grade in
konzentrierter Art erschopfend behandelt. Die Schreib-
weise zeichnet sich durch Einfachheit und grosste Sorg-
falt aus; eine tiichtige philologische Bildung kani dem
Autor immer sehr zu statten.
Wir besitzen von dem Verstorbenen eine geradezu
vorbildliche Abhandlung liber „Die Ivapflanze und Ivapro-
dukte", eine reizende Monographie dieses wichtigen, hoch-
alpinen Heilpflanzchens , welche das Obengesagte wohl
am raschesten zu bestatigen im stande ist. In derselben
beschreibt ihr Verfasser die morphologischen Merkmale; er
bespricht die Standortsverhaltnisse , die Familienange-
horigen, die chemischen Substanzen und Eigenschaften der
besagten Pflanze. Sodann folgen allerlei liebliche Sagen
uber das „ Wildfrauleinkraut*4, Angaben betr. die botanische
Geschichte, die praktische Verwendung desselben, seiner
Safte und der aus ihnen hergestellten Praparate.
l) Am Schlusse des Lebensbildes befindet sich das vollstandige
Verzeichnis samtlicher Publikationen Wartmanns. Das daselbst
Kleingedruckte enthalt die Titel der enormen Anzahl der in den
Berichten der Nat urwissenschaft lichen Gesellschaft nur mehr
protokollmassig aufgefilhrten nMitteilungen und Demonstrationen",
welche dor Verstorbene im Schosse jenes Vereins gebracht hat.
77
Im folgenden mochte ich etwas ausfiihrlicher der-
jenigen wissenschaftlichen Produkte Wartmanns gedenken,
welche fur die Forschung oder fur die Praxis von gros-
serer Bedeutung geworden.
1. Schweizerische Kryptogamen.
Exsiccatenwerk.
Schon im Jahre 1853 schloss sick Wartmann mit
vielen andern, unter denen Schweizer Forscher figurierten,
einem Riesenunternehmen des beriihmten Botanikers
Babenhorst in Dresden an, namlich der Herausgabe
einer Sammlung europaischer Kryptogamen. Ersterer
versprach dem grossen Meister insbesondere die spezielle
Bearbeitung der Siisswasseralgen, seiner Studienlieblinge.
Zu den Dekaden 1 — 100 der „Algen Sachsens, resp. Mittel-
europas" (Dresden 1860) lieferte W. beispielsweise 21 Spezies,
darunter auch die von ihm 1865 entdeckte und beschrie-
bene Lemanea Thyriana Wartm. vera. Von den bis zum
Jahre 1873 durch Rabenhorst zusammengestellten 2350
Algen tragen 12 den Autornamen Wartmanns, und Raben-
horst, der grosse Stucke auf den Verstorbenen hielt, be-
nannte ihm zu Ehren eine Scytonemacee Tolypothrix
I Wartmanniana Rabh.
| Kaum in die padagogische Laufbahn eingetreten,
j beschaftigte sich W. lebhaft mit der Realisierung eines
von ihm schon wahrend seiner Studienzeit entworfenen,
gross angelegten Planes, der Herausgabe eines Exsiccaten-
■ werkes der schweizerischen Kryptogamen, das
seinen Namen rasch in die Reihe „der Forscher von bestem
j Klang in der botanischen Weltu brachte.
Das Unternehmen gestaltete sich um so kuhner und
schwieriger, als er ausser einem tiichtigen Mitarbeiter,
78
dem Kunstgartner B. Schenk in Schaffhausen, nur
wenige ihn unterstiitzende Freunde zur Seite hatte und
er so beinahe isoliert dastand, nwo eine herkulische Arbeit
auf seinen Schultern lastete". Spater mehrte sich freilich
die Zahl der Unterstutzenden, und das Werk gedieh, bis
Schenk, der unverschuldeter Weise nach Jahren in be-
drangte Verhaltnisse geriet, seine Mithilfe, die in ausser-
ordentlich umfangreichem, intensivem Sammeln und den
mehr mechanischen Arbeiten bestand, entziehen musste.
Hiedurch, sowie infolge manchen Verdrusses und bitterer
Erfahrungen W's. trat nach Herausgabe der VII. Centurie
ein unliebsamer Unterbruch ein. Nach zwei Jahren, als
W. in dem auf dem gesamten Gebiet der Kryptogamen
wohlbewanderten, besonders aber fur die Pilze als Au-
toritat bekannten Dr. 6. Winter in Zurich (gestorben
16. August 1887) eine neue Hilfskraft gefunden, sandte
er von 1880 — 82 noch eine VIII. und IX. Centurie in die
wissenschaftliche Welt hinaus. Seit jener Zeit ruhte das
Werk ganzlich. Freilich erfolgte der Verzicht auf dessen
Fortsetzung nicht ohne schweren Kampf, „da so manche
kostbare Mussestunde geopfert worden war und es an
Aufmunterung, Beifall, Anerkennung und Beitragen nicht
gefehlt hatteu. Allein die Rucksicht auf seine Gesundheit
(er litt in jenen Jahren wiederholt an Magenbeschwerden,
nervoser Uberreizung und Schlaflosigkeit) forderte gebie-
terisch eine Entlastung von itbermassiger Beschaftigung.
Das trostliche Bewusstsein aber, nicht vergebens gearbeitet,
sondern den Anstoss zu einor von Lust und Liebe ge-
tragenen Erforschung unseres Schweizerlandes gegeben
zu haben, hob ihn uber die ersten Widerwartigkeiten des
Stillstandes hinweg. Andere, dankbare Arbeiten traten
an ihn heran.
79
Im November 1861 kiindigte W. das Erscheinen seiner
ffSchweizerischen Kryptogamen" an, die mit der Zeit sarntliche
wichtigeren Vertreter dieser Pflanzen in natura enthalten sollte.
Urn die Anschaffung derselben zu erleichtern, und eine gehorige
Bearbeitung des Material es zu ermoglichen, wurde die Bestim-
mung getroffen, jahrlich nur zwei Centurien erscheinen zu
lassen, in deren jeder moglichst alle Ordnungen der bliiten-
losen Gewachse Vertretung finden durften. Im fernern war
der Preis der Centurie auf Fr. 10. — in Grossoktav oder Fr. 15. —
in Folio festgesetzt und stand es jedem Subskribenten vollig
freiT zuriickzutreten, wann es ihm beliebte.
Einzeln auf freie Blatter starken, weissen Papieres be-
festigt, wurde jeder Spezies die den Namen, die Synonymen,
die genaue Standortsangabe, den konsequenten Hinweis auf
andere Sammlungen und die verbreitetsten Handbiicher, u. a.
wissenschaftliche Notizen enthaltende Etiquette beigegeben.
Jeder Faszikel kain in eine Mappe von 25 cm Hohe und 17 cm
Breite. Urn besonders jiingere Botaniker zur Teilnahme an der
Herausgabe der Sammlung anzuspornen, war jedem Einsender
von wenigstens 5 Spezies in 80—85 charakteristischen, wohl-
erhaltenen Exemplaren die Gratisverabreichung von je einer
Centurie in Aussicht gestellt.
Die scbon 1862 erscbienene erste Centurie, je 25 Pilze,
Algen, Flecbten, Moose fiihrend, alle in sehr schonen, reich-
lichen, belebrenden Exemplaren vertreten, fand eine uberaus
gunstige, ja sogar begeisterte Aufnahme. Hatte man doch schon
dainals die Wichtigkeit einer derartigen Sammlung auch als
Lehrmittel fur schweizerische Mittelschulen erkannt, in deren
naturkundlichem Unterricht der Hinweis auf die zahlreichen
Feinde der Okonomie, die vielen Menschen- und Tierfeinde
unter den Pilzen, auf die grosse Rolle der Moose im Hausbalte
der Natur etc. nur von grosstem Nutzen sein konnte.
Es versteht sicb von selbst, dass W., der die gesamte
weitlaufige Korrespondenz, die Auswahl samtlicber und die
Lieferung von 146 selbst gesammelten Spezies besorgte. die
Revision und teilweise Bestimmung einzelner Gruppen den
kom pet en test en Spezialisten ubergab.
Folgende Forscher standen ihm hierin neben der Bo-
schaffung von Material bereitwilligst zur Verfiigung: Prof.
Briigger, Chur; Prof. Dr. C. Cramer, Zurich (Algen); Prof.
Dr. L. Fischer, Bern; Pharmazeut Geheo b (Moose t; Dr. nied.
Hepp7 Ziirich (Flechten); Apotheker Jack, Konstanz (Moose);
Prof. J. J a g g i , Zurich ; Dr. K i 1 1 i a s, Chur ; Apotheker L e i n e r,
Konstanz (Moose); Prof. Dr. J. Muller, Argoviensis. Genf
(Flechten); Prof. Dr. Rabenhorst, Dresden (Pilze) u. a.
80
Nach Beendigung der VIII. Centurie stand Wartmann die
stattliche Zahl von mehr als 40 Mitarbeitern zur Seite. Unter
den 900 Nummern befinden sich Algen = 282, Pilze = 167,
Flecbten = 206, Moose = 238, Gefasskryptogamen = 7.
2. Beitrage zur st. gallischen Volksbotanik.
Im Jahre 1866 erschien von Carl Jakob Durheim
in Bern eine verdienstvolle Schrifb : „Schweizerisches
Pflanzen-Idiotikon", ein Worterbuch von Pflanzen-
benennungen in den verschiedenen Mundarten der deut-
schen, franzosischen und italienischen Schweiz, nebst den
lateinischen, franzosischen und deutschen Pilanzennamen.
Aus einer Reihe von Schweizerkantonen fanden sich darin
reichhaltige Belege fur mundartliche Benennungen von Ge-
wachsen; der Kan ton St. Gallen dagegen war nachWart-
manns Dafiirhalten recht stiefmutterlich behandelt worden.
Dieser Ausfall musste gut gemacht werden, und so treffen
wir den jungen Botaniker mit einem wahren Riesenfleiss
auf der Suche nach Dialektnamen seiner eigenen Heimat.
„Wir konnten ihmu, berichtet uns einer seiner eifrigsten
Schiiler des damaligen Lehrerseminars, ^keine grossere
Freude bereiten, als wenn wir in einer Bestimmungsstunde
fur Pflanzen unsere Kenntnisse an Vulgarnamen aus-
kramten, und sein Angesicht leuchtete auf, wenn er dabei
auf einen neuen Ausdruck stiess." Nach 3 Jahren (1861)
gelangten die Resultate emsigster Recherchen, das erste
Verzeichnis der Dialektnamen unter dein Titel: „ Bei-
trage zur st. gallischen Volksbotanik", zur Ver-
ofFentlichung.
Dieselben enthielten die Volksbezeichnungen von 347 ein-
beimischen und auch solcben Pflanzen, welcbe zu Nutz-, Zier-
und Heilzwecken in unsern Garten und Feldern eingefiihrt
waren, alle geordnet nacb den verscbiedenen Kantonsbezirken
und Landesteilen. Was dem in erster Auflage 43 Seiten uni-
fassenden Biicblein besondere Gunst bei Laien und Gelebrten
81
des In- und Auslandes verschaffte, ist der Umstand, dass bei
einer groasern Zahl der Namen die im Volke bekannten arznei-
lichen und technischen Verwendungen der betr. Pflanzen und
Ptianzenteile fur Menschen und Tiere namhaft gemacht wurden,
freilich ohne dass der Verfasser der „Volksbotanik" sie alle als
probat empfehlen wollte. Vollends erbielt letztere aber den
Charakter eines Unterhaltungsbiichleins im besten Sinne des
Wortes, da auch die auf gewisse Pflanzen sich beziehenden
Volkssagen genannt wurden. Die Absicht, von denselben so viel
als moglich zu sammeln, ist um so verdienstvoller gewesen,
als bekaontlich ein grosser Teil der bei unserem Volke noch
lebendig gebliebenen Sagen, denen ja so oft ein tiefer, gesunder
Kern innewohnt, mit der Zeit verscbwindet und kaum mehr
erbaltlich ist; die Leute befiirchten, bei Erzahlung derselben
als dumm oder aberglaubisch angeseben zu werden.
Mittlerweile erfullte sich des Verfassers Wunsch, von
vielen Seiten, insbesondere von Lehrern auf den Land-
schulen, weitere Unterstiitzung in der Aufnung der Dia-
lektnamensammlung zu finden, und so erschien dann 1874,
nach 13 Jahren, die zweite, stark vermehrte und total
umgearbeitete Auflage, welche W. diesmal dem um die
Popularisierung der Naturwissenschaften hochverdienten
Dr. Friedrich v. Tschudi, dem Verfasser des „Tier-
leben der Alpenwelt", widmete. Von liber 120 weitern
Arten folgten die Volksnamen, deren Zahl jetzt auf gegen
1800 anstieg ; dazu kam eine entsprechende Vermehrung
der Sagen und praktischen Anwendungen der Vegetabilien.
Ausserdem besass diese Ausgabe die vorteilhafte Neue-
nmg, dass nicht nur die lateinischen Pflanzennamen, son-
dern auch die Dialektbezeichnungen alphabetisch zu-
sammengestellt wurden, was die Auffindung des richtigen
botanischen Ausdruckes wesentlich erleichterte. Aber auch
nach dem Erscheinen der zweiten Auflage ruhte Wart-
mann nicht, das Verzeichnis weiterzufuhren ; aus den losen
Blattern, den vielen Einzelnotizen lasst sich fiir eine
spatere Bearbeitung viel Material heranziehen.
82
3. Ober unsere Fischerei.
Vor Jahrhunderten schon besass die Abtei St. Gallen
ein besonderes Jagd- und Fischereiregal *) ; es bestanden
auch von 1700 — 1772 Bestimmungen liber die Fischweiher-
zucht des Gotteshauses St. Gallen. Allein als nach der
Flucht des Furstabtes im Jahre 1798 und der Aufhebung
des Klosters nach mehr als 1000-jahrigem Bestande die
22 furstabtischen Klosterweiher in Privatbesitz iibergingen,
geriet die Fischerei infolge von Missbrauchen sozusagen
in Verfall. Trotz des darauffolgenden kantonalen Gesetzes-
erlasses liber die Auslibung der Fischerei vom Jahre 1842,
trotz verschiedener Vereinbarungen, Vorrechte, Fischerei-
ordnungen und Fischereigesetze 2), soweit sie auch das
Areal des Bodensees betrafen, herrschte vielerorts Willkiir
und verordnungswidrige Austibung des Fischfapges. Die
nachste Folge dieser Ubelstande war eine bedenkliche
Abnahme der Fische nach der Zahl der Individuen, was
sich u. a. auch auf dem damaligen Fischmarkte in St. Gallen
mit aller Unzweideutigkeit dokumentierte. Die Gelegen-
heit wahrnehmend, warf sich der 36-jahrige Professor an
der Kantonsschule auf das intensive Studium der Fische,
und im Berichte 1867/68 der Naturwissenschaftlichen Ge-
sellschaft erfolgte nach vorausgegangenem Vortrage in
ihrem Schosse genannte Publikation, die rasch das Auge
des Gesetzgebers auf sich lenkte. Eben beschaftigte man
sich namlich in dirigierenden Kreisen mit dem Entwurfe
zu einem neuen Gesetze liber Fischerei (1868 69), das
aber erst am 26. Januar 1871 in Kraft trat, nachdem
l) Wulpillier: St. Gallisches Fischereiwesen vom Mittelalter
bis auf die Gogenwart. Schweiz. Fischereizeitung 1896.
*) Klunzinger: Bodenseefische, deren Pflege und Fang.
Stuttgart 1892.
83
dem Yerfasser der ^Fischerei* die Ehre zu teil ge word en,
in beratender Weise an den Konferenzen mitzusprechen.
Dank der Riihrigkeit und Energie eines Landammann
Aepli, eines Dr. Fr .v. Tschudi u. a., und in neuester
Zeit des Herrn Landammann Schubiger, bekam das
Fischereiwesen im Kanton St. Gallen jene . Ausge-
staltung, welche ihm den Ruf der Musterhaftigkeit zu-
gezogen.
Der Raum verbietet uns hier, so interessant es ware,
<'inzugeben auf die seit 1871 erlassenen Gesetze, Vollzugs-
und Dienstverordnungen, Bekanntmachungen und Be-
schliisse der kantonaleh Behorde aus den Jahren 1876 bis
1900. Den Urheber der genannten Schrift freute es je
und je, dass so viele seiner Vorschlage einen kraftigen
Widerhall und die gewiinschte Verwirklichung gefunden
durch die Gesetzgebung ; er hatte damit einem grossen
Zwecke gedient und eine Frage von wichtiger, national-
okonomischer Bedeutung der Beantwortung nahergefiihrt.
Die Wartmannsche Arbeit liber die Fischerei lag auch
den eidgenossischen Gesetzgebern vor ; erstere wurde von
ihm viel verlangt, und es herrschte nur ein Lob liber die
Grundlichkeit derselben, sowie den klaren, scharfen Blick
ihres Verfassers. Seine Freude iiber das Zustandekommen
des ersten Bundesgesetzes vom 18. Herbstmonat 1875 war
keine geringe. "Wir konnen leider auch hier den Faden
nicht weiter spinnen; es geniigt, auf das neue Bundes-
gesetz von 1889, auf die tJbereinkunft betreffend die An-
wendung gleichartiger Bestimmungen fiir die Fischerei
im Bodensee, in E[raft getreten den 22. Dezember 1893,
sodann auch auf die Errichtung von staatlichen Brut-
aihjtalten und die Grundung von Fischereivereinen hin-
zuweisen.
84
An Hand von statistiscben Angaben wird in der Publi-
kation W?s. der jahrlicbe Ertrag, die hohe Rendite der Meer-
hscherei, insonderbeit jene der Ost- und Nordsee, nacbgewiesen.
Scblimm stebt es dagegen mit der Fiscberei in unsern
Siisswassern trotz des Reicbtums der Schweiz an solcben
und ungeachtet der gunstigen Vorbedingungen in Hinsicbt auf
die Zabl der Fiscbspezies in unserin Lande. Die Klagen iiber
eine .rapide Abnahme der Individuenzabl sind durcbaus be-
griindet; denn schon der fruber aucb in der Stadt St. Gallen
so wohlbekannte Ruf: „0b er Felcha wend?" ist beinabe zur
Seltenbeit geworden. Recht beklagenswert ist die Tatsache
einer Reduktion der so wicbtigen Forelle.
Die Ursacben dieser unerfreulicben Erscheinungen sind
wobl einzig im Tun und Treiben des Menschen, dem schonungs-
losen, scblimmsten Feind der Fischwelt, zu sucben : Rucksicbts-
lose Verfolgung der Fische obne Ersatz Mr das Abgegangene,
Abfang der „Hurlinge", d. i. der wenige Wochon alton Tiere,
sogar zu Diingungszwecken ; Anlage von Kunstbauten an Seen
und Flussen, da-init eine Verminderung der Zabl der Laich-
stellen ; Stoning des Laicbgescbaftes durcb Dampfscbiffe, Flos-
sereien u. s. w., wodurch der Rogen aufs trockene Strandgebiet
geworfen oder durcb den aufgeworfenen Sand und Schlanim
bedeckt wird; Herstellung von AVubren zu industriellen Zwecken,
welcb erstere den Fisoben die Wanderung erschweren, selbst
verunmoglichen ; Verunreinigung durcb die Abwasser vieler
Fabriken, Farbereien, Druckereien, die das Leben der Flossen-
trager beeintraclitigende Stoffe entbalten.
Dem Verfasser schwebten bei seiner Abhandlung nament-
lich die Mittel und Wege vor. durcb welcbe dem Verfall der
Fiscberei Einbalt getan werden konnte. — In Anbetracht des
Egoismus kurzsicbtiger Praktiker liisst sicb von blosser Beleb-
rung nichts erwarten ; das einzige Heil ist auf dem Wege der
Gesetzgebung (kantonale und Bundes-Gesetze) zu suchen.
Folgende Punkte sollen dabei Beriicksicbtigung iinden :
a) Ganzlicbes Verbot von Betaubungsmitteln und Fallen :
hi Verbot des Absperrens und Trockonlegens der Fiscbe, des
Scbiessens und Speerstecbens, des Fiscbens mit Netzen von
zu engen Mascben ;
c) Festsetzung einer Minimallange der zu fangenden und zum
Verkaufe kommenden Fiscbe ;
d) Bann- und Schonzeit fiir bestimrnte Fiscbarten (Salme) und
eventuell Verliingerung der erstern ;
e) ganzlicber Verzicht auf die unbeschrankte Freigebung der
fiscberei innerbalb der polizeiliclien Verordnungen ; Er-
klarung des Fiscbfanges als Regal, soweit nicht das Eigen-
86
turn an einem betreffenden Gewasser oder besondere Rechte
einzelner Gemeinden, Korporationen oder Privaten nachge-
wiesen werden konnen; immerhin mit Einschrankungen ;
f) Verbot des Verkaufs der betreffenden Fischarten wahrend
ibrer Bannzeit ; Schonung der Laicbstellen ;
*// Bestimmungen , dass die offentlicben Gewasser nicbt auf
eine der Fiscbzucbt nachteilige Weise zur Ableitung von
Giftstoffen beniitzt werden;
ht Vorricbtungen an Querwubren, Wasserfallen, durcb welche
den Fiscben eine Wanderung ermoglicht wird. (Traversen,
Fischleitern etc.)
Weitaus den grossten Erfolg zur Hebung der gesamten
Piscikultur verspricbt sich der Verfasser von der kiinstlicben
Fischzucht, die, von den Cbinesen langst gekannt und prak-
tiziert, bei uns erst in den Versucbsstadien liegt.
Unter Hinweis auf die tiichtige Scbrift von Carl Vogt:
„Cber die kiinstliche Fiscbzucbt" und auf die Anstalt in Hii-
ningen wird im besondern der Vermehrungs- und Entwicklungs-
art der Fiscbe gedacbt und der Bebandlung derselben bei der
kiinstlicben Aufzucht.
Sacbe des Staates sollte es sein, fur eigentliche Brutan-
s t alt en, fiir Neubevolkerung unserer Gewasser, auch der Alpen-
seen, durcb Einsetzen von bestimmten Arten zu sorgen.
Weniger Wert legt W. auf Verfugungen, welche das Abschiessen
des den Fiscben scbadlicben Raubzeuges, auch ausserhalb der
Jagdzeit. beschlagen, da die scblinimsten Feinde der Flossen-
triiger eben zu einer Zeit bei uns einkehren, wo die Jagd ge-
offnet ist.
4. Krrlische Obersicht Ober die Gefasspflanzen der Kantone
St. Gallen und Appenzell.
Bereits wahrend der Studienzeit hatte es Wartmann
vielfach recht unangenehm beriihrt, dass seine engere
Heimat, die Kantone St. Gallen und Appenzell, in botani-
scher Hinsicht weit weniger bekannt waren als die meisten
andern Schweizerkantone. — Bedingte doch schon der in
topographischer und geologischer Hinsicht so mannig-
faltige Bau des Gtebietes, die verschiedenartige Zusammen-
setzung und der Eeichtum der Formationen, die Hohen-
differenzen von 400—3300 m ii. M. ein abwechslungsvolles
86
Bild der an und fur sich zwar nicht eigentumlichen oder
selbstandigen Flora. Sodann fehlte es nicht an zahlreichen,
zerstreut im Lande herumliegenden Pilanzensammlungen
von Liebhabern und tiichtigen Botanikern, wie eines
Dr. C. T. Zollikofer, Dr. J. G. Custer u. a. Des-
gleichen beherbergte das stadtische Museum ein nicht
gering zu schatzendes Material in den Herbarien von
Dr. Girtanner sen., Apotheker Stein sen. und Pfarrer
Rehsteiner; endlich hatte der Bienenfleiss Wartmanns
in der Aufnung seines Privatherbariums hervorragenden
Erfolg gehabt.
Gab es da etwas Verdienstvolleres, als sich der schonen,
aber riesigen Aufgabe zu unterziehen, all die vorhandenen
Schatze aus ihrer Verborgenheit zu heben und dieselben
durch Publikation weitern Kreisen zuganglich zu machen,
dadurch die Wissenschaft zu fordern, die Liebe zur Heimat
durch ihre genauere Kenntnis zu wecken und einen Sporn
zu bilden zu noch gnindlicherer Erforschung des Landes
in alien seinen Teilen!
Allerdings existierten da und dort innerhalb des zu
bearbeitenden Florengebietes mehrere Gegenden, die noch
zur terra incognita gehorten. Deshalb sammelte W. urn sich
ein kleines Hauflein getreuer, begeisterter Schiiler (Am-
buhl, Feurer, Mil Her u. a.), an deren Spitze sich sein
Freund, unser mehrfach genannter Botaniker Th. Schlat-
ter befand. Sie waren es, welche als ausdauernde Pioniere
eine bedeutsame Zahl von planmassigen Exkursionen in die
Rietwiesen des Oberlandes, in das Gebiet der Grauen
Horner und Sardona, in die Churfirsten, das Toggenburg
u. a. 0. unternahnien. Von alien Seiten flossen Beitrage
in Hiille und Fiille herbei; Freunde, ehemalige Schiiler,
Lehrer (Kaiser, Ragaz ; Meli, Sargans u. v. a.), Interessenten
87
aller Art iiberhauften formlich den Meister, so dass er,
der wahrend 30 Jahren speziell die ebeneren Teile des
Kantons botanisch abgesucht, kaum die Sichtung und
Bearbeitung des reichen Stoffes zu bewaltigen vermochte.
Da war es wieder der unermiidliche Th. Schlatter, welcher
ihm in uneigenniitzigster Weise, mit grosser Energie und
vollster Sachkenntnis zur Seite stand — voile 20 Jahre
hindurch. — Viel Unterstiitzung mit schriftlichen und
mundlichen Mitteilungen wurde dem Werke durch Pro-
fessor Brtigger in Chur und Dekan Zollikofer in
Marbach zu teil.
Nicht allzurasch, aber griindlich, ausserordentlich
gewissenhaft wurde gearbeitet. Um so genauere Resul-
tate zeitigten als reife Frucht die jahrelangen Unter-
suchungen, so dass sich der Titel der Arbeit vollauf recht-
fertigte. Die spater hinzugekommenen Nachtrage liefern
den schlagendsten Beweis ! Nur wenige ganz neue Typen
sind im Laufe der folgenden Jahre gefunden worden;
sie gehoren zum grossern Teile jener Adventivflora an,
deren Vertreter sich aus Gartenfliichtlingen, Einwanderern
durch unsere Transportmittel u. a. rekrutieren. Wieder-
holt wurde von Fachleuten die grosse Zuverlassigkeit der
Angaben in der Wartmann-Schlatter'schen Flora riihmend
hervorgehoben, und so ist sie „der kundige Cicerone, der
mit Namen die friedlichen, stillen Bewohner unseres viel-
gestaltigen heimatlichen Bodens nenntu, sowie eine Quelle
reinen geistigen Genusses fiir Viele geworden.
Im Zeitraum von sieben Jahren (1879 — 1886) erschien die
„Kritiscbe "Dbersicht" in 3 Bandchen (568 Seitenj: 1879 80 ■=
Eleutheropetalse ; 1882/83 = [Sympotalse; 1886/87 = Mono-
chlamydett, Monocotyledones, Gymnosperm», Cryptogamw.
Sie umfas8t folgende Zahl von einbeimischen Plianzen-
spezies (Bastarde nicht mitgerechnet) :
88
A. Phanerogamen 1352 Spezies
I. Angiospermen 1342
a) Dikotyledonen .... 1032
1. Eleutheropetalen . 475
2. Sympetalen . . . 457
3. Monochlamyden . 100
b) Monokotyledonen . . . 310
II. Gymnospermen 10
B. Gefass-Kryptogamen 44 „
1396 Spezies
Die Verfasser der „Kritischen Ubersicht" konnten
sich mit einer blossen Aufzahlung der im Forschungs-
gebiete wirklich vorkommenden Pflanzen nicht zufrieden
geben; sie trachteten danach, dem grossen Werke einen
hohern Wert zu verleihen durch die genauen Angaben
iiber horizontale und vertikale Verbreitung, uber Stand-
ortslage und geologischen Untergrund, Haufigkeit oder
Seltenheit einer Spezies, Begleitpflanzen etc. Im fernern
kennzeichnet diese Hauptarbeit aus der Feder Wartmanns
einen bestimmten wissenschaftlichen Standpunkt, den er
in Bezug auf die Auffassung der „Arta im Pflanzensystem
einnimmt. Gegenuber der in neuerer Zeit oft zu Ungunsten
der Systematik sich geltend machenden „Speziesfabri-
kation" und der Zersplitterung der Arten hielt er sich,
dem Beispiele Neilreichs (Flora von Niederosterreich)
folgend, konsequent mehr an die alten Linne'schen Arten
und hatte dafur schwerwiegende Grunde, die er jenen
nicht vorenthielt, die ihm den Vorwurf machen wollten,
„er ziehe zu stark zusammen".
Es darf hier nicht unterlassen werden, der grossen
Verdienste von Direktor Jaggi in Zurich zu gedenken,
welche sich derselbe um das Zustandekommen der st. gal-
lischen „Florau, der Erfullung des Jugendtraumes von W.,
erworben hat. Das Urteil Jaggis besass stets eine mass-
89
gebende Bedeutung far die Determination schwieriger
Spezies; anderseits hat derselbe die Auffassung W.'s be-
ziiglich der Pflanzensystematik durchaus geteilt.
Die Gattungen Rubus, Rosa, Hieracium, Salix,
diese ,,Cruces botanicorum", dann auch Alchemilla und
Euphrasia fanden erst spater Bearbeitung durch Spezia-
listen. Der rNachtrag" zur „Kritischen Ubersicht" wird
jener besonders gedenken miissen.
Unter den 1396 Pflanzenarten der St. Galler Flora
figuriert jenes allerliebste kleine Vergissmeinnicht der
Strandzone des Bodensees, jenes Teiles des flachen Ufer-
sandbodens, der wahrend der Sommermonate bestandig
uberschwemmt, im Winter und Fruhling (vor der Schnee-
schmelze) aber trocken gelegt ist. In kleinern oder gros-
sera Rasen bedeckt dieses Pflanzchen bestimmte Lokali-
taten, so schweizerischerseits von Speck bei Staad iiber
Rorschach, Horn, Arbon bis zur Badanstalt Kreuzlingen x)
und entziickt daselbst jedes Fnihjahr von Mitte April bis
Mitte Mai das Auge des Beobachters durch sein wunder-
hiibsches Rosenrot und Blau der zarten Korolle. Unser
Wartmann kannte die Pflanze schon von seinen Jugend-
exkursionen her unter dem Namen einer besondern Form,
einer Unterart des Sumpfvergissmeinnichts, als My o sot is
palustris var. caespititia Dec, und seine alljahrlichen
Beobachtungen, sowie Zuchtversuche mit derselben im
St. Galler Alpinum, Prufung auf die Konstanz, haben ihn
bewogen, sie als eigentliche Art anzuerkennen und benannte
er sie zu Ehren des verdienten Botanikers, Pfarrer Reh-
steiner, Myosotis Rehsteineri Wartm. Uber die Er-
hebung zur Art rechtfertigt er sich folgendermassen :
') Schroter: „Die Vegetation des Bodensees", in den Boden-
seeforschungen. 1902. IX. Abschnitt, 2. Teil.
90
,,1846, als 16-jahriger Gymnasiast, w&re ich nicht so
frech gewesen, einer mir allerdings schon bekannten, sehr
auffallenden Pflanzenform einen neuen Namen zu geben.
Ich glaube indessen doch, dass ich spater dazu berechtigt
war, denn ich halte M. Rehsteineri fur eine ebenso gute
Spezies wie eine Menge anderer, die allgemein als solche
anerkannt sind. Ganz besonders wurde ich in meiner
Ansicht dadurch bestarkt, dass sich die charakteristischen
Eigentiimlichkeiten auch bei aus Samen gezogenen
Individuen erhalten haben (Nachweis von Siindermann und
Wartmann). De Candolles Namen „caespititiau eignet sich,
wie ich glaube, schon deshalb nicht als Artbezeichnung,
damit keine Verwechslungen mit M. caespitosa Schultz
vorkommen. Mir kann's iibrigens sehr gleichgiiltig sein;
die Hauptsache ist mir das, dass die wunderhiibsche Pflanze
endlich allgemeiner bekannt wurde und jetzt iiberall in
Garten den lebhaftesten Anklang findet. In den letzten
Jahren (1896) sind derselben in den verschiedensten Fach-
journalen eine ganze Anzahl teilweise recht ausfuhrlicher
Artikel gewidmet worden!"1)
Die vielseitige Tatigkeit des Verewigten rief natur-
gemass auch einer ausgedehnten Korrespondenz mit For-
schern und Naturfreunden. Ich kann hier nur einen
kleinern Teil derselben auffuhren und nenne in erster
Linie die Fachmanner der Botanik:
Ascherson, Schwendener (Berlin); Cramer, Heer, Jaggi,
l) Sch rotor, a. a. 0. pag. 48, betrachtet M. Rehsteineri, trotz-
dem von demselbon am Bodensee keine €Tbergange zu M. palu-
stris getrofFen worden, weil solche aber am Ufer des Langensees
bei Locarno vorkommen. wiederum als gut ausgepragte Unterart
von M. palustris. „Es haben in diesem Falle die eigenartigen Be-
dingungen dieses Stundortes eine ausgepragte konstante Unterart
zu ziichten, vielleicht sogar zu erzeugen, vermocht."
91
Schroter, Schinz (Zurich); De Bary (Freiburg und Strass-
burg); Caspary (Konigsberg); Brugger, Killias (Chur);
Jack, Leiner, Stizenberger (Konstanz) ; R. Keller (Winter-
thur); L. Fischer sen. (Bern); Gremli (Vevey); J&ger,
Sauerbeck (Freiburg i. Br.); Buser, Miiller Argoviensis
• Genf); Rabenhorst (Dresden); Kegel (Petersburg); Rhiner
(Schwyz).
Das Amt als Museumsdirektor und als President der
Naturwissenschaftlichen Gesellschaft bedingte auch einen
lebhaften Briefwechsel mit Zoologen, Geologen und andern
Forschern, von welchen wiederum nur wenige hier Er-
wahnung finden konnen:
Asper, Heuscher, H. Meyer, C. Keller (Zurich) ; Fatio,
Frey-Gessner (Genf); Goldi (Para); Kaiser (Arbon-Berlin) ;
Kerz, Krauss (Stuttgart) ; v. Maltzan, v. Martens (Berlin) ;
Muller (Bregenz); Riitimeyer, Schneider (Basel): Stierlin
(Schaffhausen); Wullschlegel (Lenzburg).
Bertschinger, Billwiller, Escher, Frilh, Heim, Maillard,
Mayer-Eymar, Alexander Wettstein (Zurich) ; E. v. Fellen-
berg (Bern): Gutzwiller (Basel); Miihlberg (Aarau); Theo-
bald (Chur); Jul. Weber (Winterthur).
Anderseits konnte es nicht ausbleiben, dass unserm
Heimgegangenen mannigfache Ehrungen zuteilwurden
sowohl aus dem Kreise einzelner Vertreter der Wissenschaft,
als auch von Seite wissenschaftlicher und gemeinniitziger
Vereinigungen. Im Anhange zum „Lebens- und Charakter-
bildtf gebe ich eine Zusammenstellung der nach dem Ver-
storbenen benannten botanischen und zoologischen Objekte,
sowie der Gesellschaften, deren Ehren- oder korrespon-
dierendes Mitglied Wartmann war.
92
Wartmann als Personliehkeit
Im Vorausgegangenen begleiteten wir unsern Wart-
mann aus glucklicher Kinderzeit durch die Jahre der
korperlichen und geistigen Entwicklung. Ich habe ver-
sucht, ein Bild zu geben vornehmlich seiner intensiven
Arbeit, der unverdrossenen Tatigkeit im Dienste der Ju-
gend, zum Wohle der Gesamtheit, wobei ich Gelegenheit
fand, die eint und andere typische Eigenschaft seines
^Ichs" zu charakterisieren.
So leicht es immer ist, die aussern Lebensschicksale
eines Mannes in grossen Ziigen zu schildern, so schwer
wird die Aufgabe, wenn es sich darum handelt, seine ur-
eigene Personliehkeit der Nachwelt vor Augen zu fuhren.
Wer vermag so ganz ins Innerste eines Menschen zu
blicken, wer ergrlindet die geheimsten Triebfedern seines
Denkens und Handelns?
Wenn mir der teure Dahingeschiedene bis zu seiner
letzten Stunde als vaterlicher Freund und treuer Berater
sehr nahe gestanden, so bin ich mir gerade bei diesem
Kapitel, das eine Skizze der Person Wartmanns sein soil,
des verantwortungsvollen Unternehmens so recht bewusst
geworden. Wie kann ich einem so reichen, so vielge-
stalteten Leben von 70 und mehr Jahren in alien Teilen
gerecht werden?
Ein erleichternder Umstand kommt mir allerdings zu
Hilfe; das ist die unwandelbare Treue des Heimgegan-
genen gegen sich selbst, die Tatsache, dass er wahrend
seiner irdischen Pilgerschaft ein und derselbe gewesen,
der gleiche Zielbewusste, der nie Erkaltende, nie Erschlaf-
93
fende. Indem wir ihm naher treten, werden wir so vieles
linden, was ihn uns immer und immer wieder lieb ge-
winnen und verehren lasst, weit libers Grab hinaus.
Schon das Aussere Wartmanns, auf das er nicht mehr
Wert legte, als je notwendig war, flosste Respekt ein:
eine markige, gedrungen-breite Gestalt, kaum von Mittel-
grosse. Stets trug er das grosse, zuletzt mit schneeweissem
Haar und Bart versehene Haupt gehoben. „In den festen,
charaktervollen Kopf mit seinen scharf geschnittenen Ge-
sichtsztigen hatte das Leben nicht die Furchen eingegraben,
welche Genusse und Leidenschaften hinterlassen ; nur die
geistige Arbeit hatte ihre edlen Linien auf seine breite,
hohe Stirn und um die ernsten Augen gezogen.u
Festen, sichern Schrittes trat er einher, mehr elastisch
als schwer; von Gebucktsein war trotz der 71 Jahre keine
Spur bemerkbar. Dazu kam eine kraftige, wohltonende,
mit Besonanz versehene Stimme, mit accentuierter Sprache.
Wenn seine Mutter fur musikalisch, mit grossem Talent
fur den Gesang, gegolten, so hat er seine Singstimme nur
im Chor oder Unisono bei den festlichen Anlassen der
XaturwissenschaftlichenGesellschaft ertonenlassen. Dessen-
ungeachtet bekundete er sich als grosser Freund des ge-
diegenen Jugend- und Volksgesanges und einer nicht zu
komplizierten Instrumentalmusik. Einfachheit, Melodie-
reichtum tat ihm hier am wohlsten.
Den Graphologen mag es interessieren, zu vernehmen,
dass die Handschrift des Verstorbenen stets die namliche
gebheben, ob wir einen Brief des Achtzehnjahrigen oder
ein Schriftstiick des Greisen zum Vergleiche herbeiziehen.
JRecht lebhaft bedauerte er stets, nicht ein Kiinstler im
Zeichnen zu sein, welchen Vorzug anderer er namentlich
in der Schule oft schwer vermisste. „Dank mehrjahriger
94
Ubung bringe ich es allerdings fertig, Bilder nach dem
Mikroskope wenigstens so darzustellen, dass man weiss,
was sie bedeuten sollen." So berichtet er schon Regel
nach Petersburg, der, falls W. die dortige Stelle accep-
tiere, ihm sehr empfahl, bei Schlumberger nach guter An-
weisung Blumen zeichnen zu lernen. Nie versaumte W.,
die Ausstellungen von Zeichnungen in der Fortbildungs-
schule, der Kantonsschule und den ubrigen stadtischen
Lehranstalten, sowie die jeweiligen schweizerischen Turnus-
ausstellungen der Maler oder Neuheiten im Kunstsaale
des Museums grundlich anzusehen.
Als Freund von Ordnung, Symmetric und Harmonie
ging ihm also &sthetischer Sinn durchaus nicht ab; nament-
lich empfand er Freude bei Betrachtung von Kunstformen
in der Natur, einer schonen Aussicht in die Bergland-
schaft seiner Heimat, einer auffallenden Beleuchtung des
Himmels. Seine vielen Erholungsausfluge in der Um-
gebung der Stadt hat er kaum je unternommen ohne
Fernglas oder Lupe. Die Freude am Schonen blieb aber
immer eine spezifisch innerliche. Wo andere ihrer Be-
wunderung durch begeisterte, gewahlte Worte Ausdruck
verliehen, da geniigte ihm ein einfaches: „Das ist herr-
lich, prachtig, grossartig!" Man wusste, was damit gesagt
sein sollte. — Mehr als Konzerte besuchte er, wenigstens
in friihern Jahren, das Theater, bevorzugte heitere, von
sittlichem Ernst getragene Darstellungen oder die Wieder-
gabe der Klassiker, wenn das Theaterpersonal als gut
bekannt oder ein illustrer Gast dabei tatig war.
"Wahre, tiefe Sittlichkeit hochhaltend, finden wir ihn
doch wieder jeglicher Priiderie abhold. „Die Natur ist
gut; moge der Mensch sie richtig interpretieren und sie
selbst als weisen Ratgeber beniitzen.^ wDie Verheissung
95
des Lebens und der Zukunft gehort auch nach Natur-
gesetzen nur dem Guten.u W. beurteilte den Menschen
nach seinem Streben, nach den vorgesteckten Zielen und
Idealen. ^Es tut einem im Herzen wehe, heutzutage die
Teilnakmlosigkeit so vieler junger Leute mitansehen zu
mussen, die sich gegeniiber hohen Bestrebungen passiv
verhalten, die nur Freude an Spiel und Ergotzung, wenn
nicht an Schlimmerem haben, denen die Natur ein inhalts-
lo>e* Buch ist, oder die da meinen, der Zweck des Lebens
liege im Hasten und Jagen nach Geld und Gut!" Wart-
mann rhatte Achtung vor der Arbeit, in welcher Gestalt
auch immer sie ihm entgegentrat, sei es als geistiges
Schaffen, sei es als physisches Wirken : er wusste es, dass
ohne sie die Menschen verkummern und dass mussige
Rahe das Grab des Gliickes sei.u
Selbst eine Kernnatur, gab er auf die Schale, die
luch bei ihm zeitweise hart und rauh gewesen, ganz be-
sonders, wo sie mit Unmannlichkeit, Unentschiedenheit
und Unlauterkeit in Beriihrung kam, wenig. Im Grunde
genommen hat er nie Personen gehasst, wohl aber das
Schlimme am Menschen. Da war sein Urteil scharf und
schneidend. Kriecherei und Schontuerei verabscheuend,
verlangte er Offenheit, absolute Wahrhaftigkeit, Mann-
haftigkeit und Gerechtigkeit, Tugenden, die er in hohem
Grade selbst besass. Es war voll und ganz berechtigt,
wenn ihm einer seiner liebsten Freunde und Kollegen zur
Feier des 70. Geburtstages schrieb: „Ihre wahre, echte,
jeder Schmeichelei und jeder Streberei abholde Natur ist
ein Goldkorn in der Sandwtiste flacher Alltagsnaturen
unserer Tage!" Er respektierte daher auch ein freies, un-
geschminktes, entschiedenes Auftreten anderer, wenn ihm
deren Interessen und Ansichten persdnlich nicht entsprachen.
96
Zu den Worten des Heimgegangenen bedurfte man keines
Kommentars ; „man wusste stets; woran man mit ihm
war", und nie hat man ihn erfunden als solchen, der einem
gegebenen Worte untreu geworden.
Einen strengen Begriff hatte W. von der Freund-
schaft, die bei ihm wohl selten einmal nur vom „Bier-
tische" her stammte. „Die Sch&rfe seines Verstandes schied
auch hier sofort die Spreu vom Weizen.a — Gab es Zeiten,
wo er infolge Unpasslichkeit eine gewisse Empfindlichkeit
an den Tag legte, so konnte man ihm schon urn seiner
grossen Vorzuge willen nicht dauernd gram sein. Trat
einmal eine vonibergehende Missstimmung ein, dann war
er nicht der Letzte, der zum Frieden rief. Er hielt aber
nie zuriick, Freunden so recht die Wahrheit ins Gesicht
zu sagen, sofern ihm deren Benehmen nicht zu imponieren
vermochte. ,,Dass mich aber Dein offenes Wort gefreut,
herzlich gefreut, dessen sei versichert. Sprich mir nur
immer so zu — dazu hat man seine Freunde ! " antwortete
ihm einer seiner Intimen auf einen sehr rezent gehaltenen
Brief.
In Gesellschaft suchte W. die ungezwungene Froh-
lichkeit. „Bei der tiefernsten Auffassung, mit der er an
alles herantrat, was die Pflicht, diese unverbriichliche
Richtschnur seines Lebens, ihm gebot, war der Humor
ihm stets willkommen." Kopfhangerei und Philistertum
blieben ihm zeitlebens ein Greuel. — Ovationen und Hul-
digungen, welche seiner Person galten, entzog er sich,
wenn irgend moglich und feierte seine „Festeu am liebsten
in aller Zuriickgezogenheit, im trauten Kreise seiner Lieben
daheim. Zwar freute er sich, wenn er Anerkennung fand,
aber er suchte und verlangte sie nicht.
Unvergesslich wird es mir bleiben, wie seelenvergniigt
97
er an der stillen Feier seines vollendeten 70. Altersjahres
gewesen, inmitten eines wahren Blumentempels, den ihm
Dankbarkeit und aufrichtige Verehrung stifteten. Von
alien Seiten str6mten die herzlichsten Gliickwunsche herbei;
keiner hat den jugendlich fiischen Jubelgreis wohl mehr
gernhrt als jener, welchen ihm die damals eben in Bern
tagende Kommission der Schweizer Kryptogamiker gesandt.
Gelang es seinen Preunden, ihn mit einer wohlver-
dienten Ehrung zu tiberraschen, so schien er bei aller
Bewegtheit fast mehr gedriickt zu sein, dankte kurz und
herzlich und schrieb von den Verdiensten, die man ihm
beimass, den Grossteil denen zu, die ihn durch tatkraf-
tige-i gemeinsame Mithilfe zum Schaffen und zur Ausdauer
angespornt. „Es fireut mich von ganzem Herzen, dass es
mir bei gesundem Geiste vergonnt war, meine Pflicht zu
erfullen; mehr habe ich nioht getan!" In seinem Dankes-
worte anlasslich des 25jahrigen Jubil&ums als President der
Xaturwissenschafttichen Gesellschaft St. Gallen (25. Juli
1893) sagt er: „Wenn diese Gesellschaft sieh einen ehren-
vollen Namen im In- und Auslande errungen, so verdankt
sie das den Mitarbeitern, die den Yorstand stets gerne
nnd freudig unterstiitzten. Im Yertrauen auf sie werde ich
auf meinem Posten ausharren, bis mir einst eine jiingere
Kraft die Arbeit abnimmt."
Wir erinnern uns alle des 80. Stiftungsfestes der
Naturwissenschaftlichen Gesellschaft , als Bankdirektor
Grutter in einem sinnigen Huldigungsakte speziell der
grossen Yerdienste seines Freimdes Wartmann gedachte.
War es nicht riihrend, mitanzusehen, wie der Gefeierte
rasch den Lorbeerkranz vom Haupte nahm, den ihm die
ewig junge Dame in griechischer Gewandung — Natur-
wissenschsft — aufgediiickt mit den Worten:
7
98
„Zuin Schluss ein Wortlein noch zu Dir;
Doch nein — die Taten sprechen:
Dein Lob durch eine Redebluzn1
Brauch' ich Dir nicht zu brechen.
Ninim drum aus der Botanik Hand,
Was Liebe und Verehrung wand —
Als Dank und auss're Ehrung!"
Oftmal8 ist mit Verwunderung dariiber gesprochen
worden, dass W. bei seiner angebornen Energie nicht auf
dem Felde der offentlichen Politik sich betatigte, da es
doch an Versuchen nie gefehlt, ihn in letztere hineinzu-
ziehen. Allein eben hier stossen wir wiederum so recht
auf die grosse Prinzipientreue des Verstorbenen, auf jenen
Grundsatz, sich vor Zersplitterung zu hiiten. Als solche
und dazu als absolut ungerechtfertigten und nicht zu ver-
antwortenden tJbergriff betrachtete er es, wenn der Jugend-
erzieher und der Mann der Wissenschaft sich dazu her-
geben wurde, in Politik zu machen oder sogar agitatorisch
aufzutreten. „Letztere gehort weder in die Schule, die
notwendigere Dinge kennt, noch in die Sphare eines
Vereins, dessen Zwecke fernab von jeglicher Politik liegen.u
So wenig man von W. sagen konnte, er hatte auch nur
einmal vor seinen Schulern oder in seiner Gesellschaft
irgendwie einen politischen oder religiosen Standpunkt
zum Motiv einer Auslassung gemacht, so hiitete er sich
ebenso sehr davor, seine eigene Uberzeugung in diesen
Beziehungen and era aufzudrangen. Seine Propaganda
gait allein den Naturwissenschafben. Er zahlte sich selbst
aber mit Stolz zur liberalen Partei und hat je und je treu
zu ihrer Fahne gestanden. ^Er war echter Demokrat,
freisinnig in des Wortes schonster Bedeutung.a
* *
Wir haben Gelegenheit gehabt, zu sehen, in welch
mannigfaltiger Weise W. sein Wissen und sein Konnen
99
in den Dienst offentlicher Interessen gestellt. Neben den
erwahnten Amtern bekleidete er auch jene eines Mitgliedes
der Park- und der Wildparkkommission und war eine
zeitlang Experte der Kommission zur Bekampfung und
Verhiitung der Reblausinvasion. Vom Jahre 1873 an bis
zu seinem Tode leistete er der grossen stadtischen Lese-
gesellschafb ^Busch" als Aktuar ausgezeichnete Dienste
and besass fur dieselbe eine unbeschrankte Sympatbie,
weil er sie als krftftige und wirksame Forderung der Volks-
bildung betrachtete. Bei ihm stand eben der Glaube fest,
rdass ein Volk nur durch Bildung zur wahren Freiheit
gelangt, und nur derjenige wahrhaft frei genannt werden
kann, der es nicht nur nach dem Korper, sondern auch
nach dem Geiste ista.
Dem verstorbenen "Wartmann war das Gliick be-
schieden, schon zu Lebzeiten fur sein hochverdienstliches
Schaffen Dank und Anerkennung von alien Seiten zu
finden. Wo immer er mit seiner bekannten Energie etwas
angestrebt, fand er auch rasch die Zustimmung von
Freunden und Behorden, selbst dann, wenn grossere ma-
terielle Unterstutzungen zur Inscenierung eines Vorhabens
notig wurden.
* *
Gleich wie der aussere Lebensgang des Yerblichenen
ein im ganzen ruhiger gewesen, so blieb das Leben im
hauslichen Blreise, in der Familie, bis an sein Ende ein
einfaches und bescheidenes. Von Jugend auf an eine ge-
wisse Bedurfnislosigkeit gewohnt, sagte ihm die Atmo-
sphare altbiirgerlicher Soliditat am besten zu. „Die oft
als altmodisch belachelte Strenge und evangelische Ein-
fachheit trug dem Verstorbenen auch in seinem Hause
scheme Frucht." — In seiner Gattin und seinen beiden
100
Eindern lag sein hochstes Qltick geborgen, und diese hin-
wiederum haben alles getan, dem vielbesch&ftigten und
treubesorgten Familienhaupte sein Heim zu einem trau-
lichen zu gestalten. Mit welch grosser Gewissenhaftigkeit
und Liebe hat er iiber das Wohl der Seinen und der Er-
ziehung von Sohn und Tochter gewacht!
Friihe schon offenbarte sich bei W. ein streng okono-
mischer Sinn. Weil er selbst kein grdsseres Vermogen
besass, lag es in der Natur der gegebenen Verhaltnisse,
dass er — namentlich in den ersten Jahren der Berufs-
praxis — mit dem damals sehr bescheidenen Einkommen
nach Kr&ften haushalten musste. Aber auch in spatern
Jahren vermied er sorgsam jegliche unnotige, vor allem
jede Luxusausgabe. Dennoch hatte er immer die finan-
ziellen Mittel zur Verfiigung, wenn es gait, in stiller Weise
Gutes zu tun, oder wo es notig wurde, einer edlen Sache
zur Existenz zu verhelfen. „Zum gliicklichen Gedeihen
einer jeden Institution, sei sie Familie, Verein oder Staat,
gehtirt nicht zum mindesten ein einigermassen geordnetes
okonomisches Fundament.* Der ansehnliche Reservefond,
den heute die Natarwissenschaftliche Gesellschaft St. Gallen
ftir alle Falle ihr eigen nennt, ist wohl der krafbigste
Beweis fiir das Talent Wartmanns, besonders mit fremden,
anvertrauten Geldern in richtigem Masse sparen zu kdnnen.
Anno 1890 bezog der Verblichene mit seinen Ange-
horigen in der Museumsstrasse ein eigenes Haus. „Wie
freue ich mich, endlich festzusitzen, unter meinen Fenstern
den botanischen Garten und daneben mein liebes Museum
zu sehen!" Jetzt fiihlte er sich so recht behaglich und
glucklich. In seinem kleinen und einfachen Studierzimmer,
das er nicht an den grossten Arbeitsraum getauscht hatte,
fuhrte er ein Leben intensiver Betatigung. Neben einer
101
wohlerlesenen Bibliothek standen dort immer einige Be-
hausungen gefiederter Sanger, welche seine Gedanken-
gange oft angenehm unterbrachen. Auf seinem Arbeits-
tische fanden sich je und je die schmucken Kinderchen
der neuerwachenden Natur oder ein von dankbarer Hand
gestifteter Bliitenstrauss, die seinem Zimmer „einen Hauch
stiller Freundlichkeit verliehen". Was konnte dieses
heimelige Stubchen nicht alles erzahlen! Da war es, wo
er seine ausgedehnte Korrespondenz mit teuren Freunden
und Schulern, mit Behorden und Lehrern, mit naturwissen-
schaftlichen Instituten und Gesellschaften, mit Gelehrten
und Forschern erledigte; hier, wenn nicht im Museum
driiben, empfing er die zahlreichen Besuche von Schul-
vorstehern und ehemaligen Schulern ; hier ward so manches
intime Wort gesprochen, so mancher Lebensplan entworfen.
Freudige Abwechslung boten jeweilen die Anlasse,
wenn einer seiner auswartigen Freunde oder weitgereiste
Forscher u. a. mit den Ergebnissen ihrer Studien und dem
reichen Schatze ihrer Erfahrungen und Erlebnisse in
fremden Zonen im Kreise der Naturwissenschafblichen
Gesellschaft uns unterhielten. Sie alle haben jeweilen die
Gastfreundschaft des Wartmannschen Hauses in vollen
Ziigen genossen. Die Weitgewanderten und das, was sie
erzahlten, boten ihm wohltuenden Ersatz fur den Ausfall
eigener grosserer Forschungsreisen, und wenn man die
Wiedergabe des Gehorten aus dem Munde Wartmanns ver-
uahm, war es einem oft, als ob er selbst an jenen Aben-
teuern teilgenommen hatte.
Zu einer Zeit, da seine Gattin sich noch der besten
Gestmdheit erfreute, unternahm er sozusagen stets mit
ihr tagliche regelmassige Spaziergange in die nahere oder
fernere Umgebung der Stadt. Oft finden wir ihn dabei in
102
Begleitung guter Freunde, namentlich der Herren Vor-
steher Kaufmann und Schlaginhaufen. Alljahrlich
fuhr er ein- oder zweimal, besonders zur Blfitezeit, in den
Obstgarten des benachbarten Thurgau oder an die freund-
lichen Gestade des Bodensees hinunter, nach Arbon, Horn
und Rorschach. Beinahe jeden Friihling wurde auch eine
Fusswanderung veranstaltet zu jener t)berschwemmungs-
zone des Sees, wo er seiner von ihm als Art beschriebenen
Lieblingspflanze (pag. 89) den Willkommgruss entbot.
Nicht selten entschloss er sich zu einem ^Blitzbesuch"
bei seinen alten Studienfreunden in Zurich. „Welche
Stunden seligen Geniessens, welche Freude der Wieder-
auffrischung langstvergangenen Jugendgluckes ! Wir hatten
uns so viel zu sagen von Familie und Beruf, von Neue-
rungen und Fortschritten in der Wissenschaft!u
*
* *
Obwohl ein Schuler Nagelis, ging W. philosophi-
schen, bezw. naturphilosophischen Erorterungen sorgsam
aus dem Wege und besass, gleich unserm grossen schwei-
zerischen Zoologen und vergleichenden Anatomen Riiti-
meyer, zeitlebens „einen wahren Horror vor der Zwangs-
jacke jeglicher Theorie". nVon der Hochflut der Hypo-
thesen fallt so wenig Fruchtbares fur das Erdreich unsers
realen und geistigen Lebens ab% schreibt er einem seiner
Studienfreunde. „Ich halte es in der Wissenschaft mit
dem, was unsere Sinne wahrnehmen, mit dem Positiven,
mit dem, was klar und wahr und sicher ist!u Man wurde
sich aber tauschen, wollte man annehmen, W. hatte sich
durch sein langes Forscherleben hindurch keine Welt-
anschauung herauskristallisieren lassen, wenn er auch
nur ungerne und nur in ganz vertrauten Kreisen daruber
je gesprochen. Weder mit seinen Schlilern, noch in den
103
Diskussionen der Vortrage in der Naturwissenschaftlichen
Gesellschaft, wo vielleicht einmal ein metaphysisches
Theorem gestreift wurde, liess er sich in langere Dispute ein.
In religioser Beziehung zeichnete sich der Heimge-
gangene durch eine weitgehende Toleranz aus. ^Religion
ist Sache des Gemutes; sie soil aber dem Denken nicht
widersprechen. Die innerliohe Lebensbetatigung des Glau-
bens stirbt ab, wo Notigung, Menschenfurcht nnd Politik
ins Spiel kommen. Die Sittlichkeit als allgemeines Gesetz
steht uber Dogmen und religiosen Satzungen." Diese
Worte Paulsens bezeichnen die tJberzeugungen Wart-
manns. Auch war es ganz in seinem Sinne, was Dr. Sonder-
egger und Papa Scheitlin gesprochen: „Der Naturforcher
vor alien kennt die Grenze seines Wissens ; er riihrt grund-
satzlich nicht an das religiose Gefuhl seiner Mitmenschen,
halt sich aber desto fester an die sichtbare Leistung, an
die gute Tat. Er steht im Leben, wie Moses auf dem
Sinai, und zu ihm spricht der Ewige: Mein Angesicht
kannst du nicht sehen, wenn ich aber voriibergegangen
bin, wirst du mir nachsehen."
Von der Gewissheit durchdrungen, dass unser Leben
nie „ohne Rest aufgehe", behielt er sich von vorneherein
eine saubere Trennung dessen vor, was Wissenschaft und
Glauben sind. Die Wissenschaft und die Lehre von der
Entwicklung stehen dem Glauben nicht feindlich gegen-
uber, im Gegenteil : solange die Forschung in ihrem Streben
nach Wahrheit bestehen wird, durfen wir immer noch
-still verehren, was unerforschlich ist". Trotz unserer
heutzutage so bedeutend gesteigerten Erkenntnis von der
Welt stehen wir ihr als Ganzem immer noch als einem
grossen Ratsel gegeniiber. Wir werden auch in alle Zu-
kunft nie begreifen, was uber das Irdische hinausgeht.
104
Jede Losung ernes Problems bringt neue Fragen; wir
kommen im Makro- und im Mikrokosmos nicht zum Ende.
„Allein die uns zug&ngliche Welt bietet uns einen so
unersch6pflichen Reichtum an Erscheinungen und in ihrer
Schonheit und dem harmonischen Ineinandergreifen der
zahllosen Rader ihres wundersamen, unbegreiflich ver-
wickelten Getriebes einen so hohen und nie versagenden
Genuss, dass seine Erforschung wahrlich wohl wert ist,
unser Leben auszufullen."
„Die Naturforschung hat die beobachteten Vorgange
in der Entwicklungswelt zur Grundlage; ihr Ausgangs-
punkt ist immer das fcusserlich gegebene, materielle Sein
mit seinen dem Mass und der Zahl unterworfenen, der
Beobachtung oder dem Experiment zuganglichen Kraften.
Der Glaube dagegen besitzt seinen selbstandigen Grund
und seine eigentlichen Lebenswurzeln in der Geschichte
und der unmittelbaren innern Erfahrung wahrend unsers
irdischen Daseins. Alles in der Welt geht mit natiirlichen
Dingen zu, vieles lasst sich aus natiirlichen, gesetzmassigen
Ur8achen erklaren. Wunderbares gibt es in Hulle und
Fiille, Unerklartes iiberall. Aber dem Naturverlauf wider-
sprechende oder die natiirlichen Krafte und Ursachen iiber-
schlagende Vorgange gibt es nicht. Neben den uns be-
kannten Kraften existieren noch dirigierende, das Prinzip
der Ordnung und Gesetzmassigkeit verfolgende, liber die
wir aber nichts wissen konnen, weil sie uber unserm eng-
begrenzten Horizont liegen. So muss alles im grossen
Zusammenhang eines wirklichen, streng geordneten Welt-
daseins beurteilt werden."
Das eben Ausgefiihrte darf fuglich als die Quintessenz
der Anschauungen Wartmanns bezeichnet werden, und
ich vergegenwartige mir die sichtliche Freude, die er bei
106
der Besprechung dee 1901 erschienenen, von Reinke in Kiel
verfassten, bedeutsamen Baches: „DieWelt als Tat" be-
kundete. Den Ubertreibungen des Darwinismus war W.
niemals hold, and es iflt bezeichnend, dass er von Anfang
an. als die Theorie des glanzenden Forschers ihren Sieges-
zug durch die Wissenschaft hielt, derselben ungefehr die
Bedentong zugemessen hat, welche sie heute, nachdem die
kritische und positive Richtung contra Darwin die wunden
Punkte ans Lieut gezogen, in Anspruch zu nehmen be-
rechtigt ist. Wartmann betracbtete den Darwinismus als
eine wissenschaftliche Hypothese, freilich als eine solche,
welcher ein mit grossem Fleiss und Scharfsinn zusammen-
getragenes Material zu Grunde liegt. Wenn er speziell dem
f£ntwicklungsprinzipu zugetan war, den Tatsachen der
Morphologic und Embryologie, und besonders jener der
rudimentaren Organe sein voiles Interesse entgegenbrachte,
so war er doch weit entfernt von der Annahme, als ob
durch die Lehre Darwins die Weltratsel gelost waren und
als ob alles, selbst die kompliziertesten Lebenserschei-
nungen, rein mechanisch, d. h. physikalisch-chemisch sich
erklaren liessen.
In den verschiedenen Nekrologen, welche die st. gal-
lischen Blatter dem hochgeachteten Dahiugeschiedenen
widmeten, wurde mit vollem Rechte betont, dass mit Pro-
fessor Dr. Wartmann ein charakteristisches Stuck des alten
st. gallischen Stadtbiirgertums zu Grabe gestiegen ist. —
Wenn wir uns zum Schlusse fragen: Was hat den Ver-
storbenen bewogen, seinideales Wirken und Streben auf den
Altar seiner Vat erst ad t zu legen? so diirfen wir ruhig
bekennen: Es war seine unwandelbare Liebe zu
ihr. die Liebe zur Heimat! Darum hater sie auch
106
gekannt wie kaum ein anderer. Ihm mogen die Worte
seines alten Freundes, Hofrat Leiner in Konstanz, gelten,
der wenige Monate vor Wartmann sein iiberaus tatiges
und hochverdienstliches Wirken beschloss:
„Nur wer die Heimat kennt, der kann sie lieben;
Wer sich von ihr getrennt, ist fremd geblieben:
Ein Fremd ling immer in dem eig'nen Haus.
Der aber fiihlt sich froh und wohl zu Haus,
Der, wie sich selbst, auch kennt, was um ihn lebet.
Was die Natur und was Geschichte beut,
Und weiss, wie's herrlich ineinander webet,
Und wie sich's immer wechselnd wieder neut
Und immer doch sein liebes Heim geblieben.
Nur wer die Heimat kennt, der kann sie lieben !u
Wie von Riitimeyer, so lasst sich auch von Wart-
mann sagen, „dass die iiberaus innige Anhanglichkeit an
die heimische Natur seinem ganzen Wesen jene kraftvolle
Originalitat verlieh, welche einen bleibenden und wich-
tigen Faktor seines Lebens ausmachtea. Das aber, was
wir an dem Heimgegangenen immer und immer wieder
als originell bewundern und verehren, und was das eigent-
lich Unersetzliche ist, wird fortleben selbst dann, wenn
die Spuren seines Wirkens, die charaktervollen Ziige seines
Antlitzes dem vergesslichen Gedachtnis unsers Geschlechtes
entschwinden.
* *
In voller, zaher Schaffenskraft, gerxistet mit unver-
wustlichem Arbeitsmut, finden wir den Verewigten wenige
Tage vor seinem Tode: Immer noch die gleiche „typische
Erscheinung im st. gallischen Leben, eine so ausgesprochene,
dass man in Verlegenheit kam, sich den Mann vorzustellen,
der nach Wartmanns Tode in alle entstandenen Llicken
eintreten und sie mit der wuchtigen Kraft seiner in sich
geschlossenen Personlichkeit ersetzen konnte". Mancherlei
PlSLne hatten noch ihre Realisierung finden sollen, vor
107
allem jene der Ausgestaltung des Naturhistorischen Mu-
seums and des botanischen Gartens. Er fuhlte kaum ge-
schwachte Kraft, die Burden zu tragen, welche seit so
vielen Jahren auf seinen starken Schultern ruhten. —
Sein ganzes Leben hindurch hatte er keine ^Ferien* ge-
kannt. „Ich wtinschte nichts Besseres, als dass mein letzter
Arbeitstag das Zeichen zum raschen Aufbruch zu jener
Reise in das unbekannte Land w&re.u
Gegen Ende des Maimonates 1902, nachdem W. mit
froher Zuversicht und grosser Arbeitsfrische seine Lehr-
stunden am Gymnasium wieder aufgenommen, stellte sich
bei ihm ein hartnackiger Brustkatarrh ein. Freitag den
30. Mai nahm er mit den Sekundarlehramtskandidaten
Ubungen im nPflanzenbestimmeng vor. Schon in der ersten
Stunde beklagte er sich tiber Unwohlsein, setzte sich in
seinen Stuhl und schlummerte leicht. Um 9 Uhr vormit-
tags ging er nach Hause und begab sich bald zu Bette.
Niemand ahnte Schlimmeres, um so mehr, als sein Zu-
stand wahrend der folgenden Tage keinen gefahrlichen
Charakter annahm. Montag Mittag sah ich ihn zum letzten
Mai in seinem Leben. Er liess mich zu sich an sein
Krankenlager kommen. Seine letzte Sorge gait der Schule,
dem Museum und der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft.
Am Abend taten sich Unregelmassigkeiten in der Herz-
tatigkeit kund, und in der Morgenfriihe des 3. Juni trat
der Tod zu ihm; mit milder Hand beriihrte er den
schlummernden Greis. Ohne Kampf und ohne das Ende
zu fuhlen, ging seine Seele still und friedlich hinxiber,
am auszuruhen von den Anstrengungen eines 71-jahrigen,
erfolggekronten Daseins.
Auf seinem Antlitz aber lag noch jene Kraft und
Energie, wie wir sie am Lebenden gekannt, ein tiefer
108
Friede und der Abglanz eines innern, fast heitern Gltickes.
Furwahr, ihm ist ein freundliches Los beschieden gewesen !
Mitten aus rastloser Tatigkeit weggerufen zu werden, ver-
schont zu bleiben von den Priifungen eines langen, taten-
losen Schmerzenslagers, umgeben zu sein von kindlicher
Liebe und Dankbarkeit: das war die liebliche Erfullung
eines heissen Wunsches!
„Eines solchen Menschen Hingang wird den Freunden
zur Erbauung ; denn es ist ein Grosses, sich zunickzuver-
setzen in eine Erscheinung, von der einem hinterher nur
immer klarer wird, dass an ihr trotz der menschlichen
Schwachen, denen keiner entgeht, der Kern vom edelsten
Stoffe war." „Als reiche Garbe1), gereift im Sonnenbrand
und Sturm des Lebens, ist er heimgefuhrt worden, nach-
dem er ein Quell mannigfachen Segens fur die Seinen,
wie fur unser offentliches Leben gewesen; uns alien ein
Vorbild in treuer Pflege und Ausnutzung der von Gott
verliehenen Gaben!"
^In stiller Grosse steht der nun ruhende Arbeiter vor
uns, der einfache Mann mit dem feinen Gewissen, dem
unbeugsamen Rechtssinn, durchdrungen von absoluter
"Wahrhaftigkeit und von selbstloser Hingabe an alles Hohe
und Edle.u
Als letztes sinniges Lebewohl hat ihm sein Nach-
folger in der Naturwissenschaftliohen Gesellschaft eine
Hand voll buntfarbiger, lieblicher Kinder Floras mit ins
Grab gegeben. — Ein Hauch stiller Trauer lag iiber all
den schmueken Blumenkopfchen und den Pflanzchen, die
drunten im Park eben „zum sonnenlichtfreudigen DaseinL
l) Gedachtnisrede von Herrn Pfarrer E. Brandli, St. Leon-
hard. (Text: Hiob V, 26.)
109
erwachten. Sie hatten ihren besten Freund, ihren treuesten
Pfleger und Beschiitzer verloren.
Aber wie unter den Strahlen der Lenzessonne die
unsterbliche Natur immer und immer wieder neues Leben
und tausend Farben aus ihrem unerschopflichen Fullhorn
schnttet, so wird auch das Andenken an Direktor Dr.
Wartmann weiter leben und dessen Wirken ein leuch-
tendes Vorbild bleiben fort und fort! —
Den Manen Dr. B. Wartmanns.
Ein Baum, festwurzelnd in der Heimat Grund,
An Fruchten reich und bis ins Mark gesund,
So stand er da, die Freude seiner Freunde,
Urn ihn die wissensdurstige Gemeinde,
Die oft getrunken aus der Weisheit Quell,
Der seinem Geist entstromte wahrheitshell.
Da kam ein Frublingssturm, der warf ibn nieder,
Den Mann der Arbeit, knorrig-fest, docb bieder
Und g'rad' wie einer Wettertanne Staram.
Und als der Tod den Freund von hinnen nabm,
Da war mir, traun, als rauscbte Scbwangefieder
Hoch uberm Grab, als stiegen Lercbenlieder
Gen Himmel und als w ein ten Blumen leis
Im naben Anger zu des Forscbers Preis. —
Und summt und singt es wieder in den Luften,
Und ruft der Lenz den Blumen aus den Griiften,
Dann kunden sie in still bewegtem Wort:
In seiner Arbeit lebt der Edle fort.
Johannes Brasset.
Verzeiehnis
samtlicher Publikationen von Dir. Dr. Wartmann .*)
Botanik.
Beitrage zur Anatomie und Entwicklungsgeschiehte der
Algengattung Lemanea. Inauguraldissertation. 4°. St.
Gallen, 1854; Scheitlin und Zollikofer.
Mitwirkung an dem Werke von C. v. Nageli: Die Starke-
korner. Zurich, 1868. 4°.
Verbreitung, Form-, GrSssen- und Strukturverhaltnisse der
St&rkekorner. Referat in „Osterreich. botanische Zeit-
schrift" 1860, X. Jahrgang, Nr. 10, pag. 309—320.
Schweizeri8che8 Kryptogamen- Verzeiehnis der Spezies und
Varietaten, welche in den Centurien I — V enthalten sind.
Alphabetisch zusammengestellt; 11 Seiten. St. Gallen
1865. Zollikofer8che Buchdruckerei.
Beitrage zur st. gallischenVolksbotanik
Botanische Notizen
Blechnum spicant., Calendula offici-
nalis, Geum rivale X urbanum, Geum
rivale, Prunus avium, Pyrus communis,
Sambucus nigra, Veronica Anagallis.
Vergrunte Kleebluten
Weiss bliihendes Bittersuss, weisse Heidel-
beeren, Addje piddo (Telfairia pedata) .
Aldrovanda vesiculosa
Ivapflanze und Ivaprodukte ....
1872/73
1860/61
64/65
74/75
76/77
1876/77
237—349
81-96
8-9
18-19
194—210
*) Wo nichts weiteres bemerkt ist, beziehen sich die Jahrgang-
zif f ern nebst Seitenzahlen auf die Jahresberichte der St. Gallischen
Naturwissenschaftlichen Gesellschaft, in welchen beinahe samt-
liche Arbeiten Wartmanns erschienen sind.
Ill
Selaginella lepidophylla
Abnorme Blattbildungen (Bohnenbaum,
Erie, Esche)
Elodea canadensis
Quersehnitte je durch einen Eichen-,Weiss-
tannen- und Lindenstamm
Direktor Jaggis Monographie der Wasser-
nuss
Wellingtonia gigantea, Weisstannen-Quer-
sohnitt
Zapfen von Araucaria imbricata ....
Besueh der Chilitanne im „Weinberg" un-
terhalb Walzenhausen
Zierkurbisse
Salvia Horminum und Salvia Sclarea, ver-
grosserte, auffallend gefarbte Deck-
blatter
Nicotian a Spezies
Kaktus-Dahlien, mit zugespitzten Zungen-
bliiten
Seltenheiten aus der einheimischen
Pflanzenwelt:
Dreigliedrige Paris -Exemplare, Matri-
caria discoidea, Caucalis daucoides,
Anthemis tinctoria, Erysimum orien-
tale. Centaurea nigra, Campanula lati-
folia. Diplotaxis muralis
Sorbus aucuparia X Aria, Scirpus seta-
eeus, Meum athamanticum
Galium tricorne, Orchis mascula X morio,
Muscari comosum, Ornithopus sativus
(nicht perpusillus)
Feuerbohne mit riibenartiger Wurzel, Spelz
mit verastelter Ahre, grannenlose zwei-
zeilige Gerste
Anemone nemorosa. Monstrositat ....
Phyteuma Halleri, mit Seitentrieb, der ein
Blutenkopfchen tragt
fingerhutbliite mit 8 Kronlappen und 8
Staubgefassen
1879/80
82/83
82/83
82/83
83/84
86/87
89/90
96/97
99/1900
1900/01
1900/01
1900/01
1894/95
96/97
98/99
97 98
99/1900
99/1900
99 1900
8^9
14
14—15
45
13-14
60
55
14-15
108
11
126
126
13—14
43
71
108
108
108
112
Bupleurum rotundifolium mit durchwach-
senen Blattern
B. Wartmann und Th. Schlatter
Kritische Ubersicht iiber die Gefass-
pflanzen der Kantone St. Gallen und
Appenzell
Eleutheropetalae
Sympetalae
Monochlamyde®
Monocotyledones
GymnospermsB
Cryptogam* vasculares
Nachtrag
Inhaltsverzeichnis
Riesen-Staubpilz
Essbare und giftige Schwamme ....
Falsche Triiff eln (Elaphomyees granulatus)
Der Gitterrost der Birnbaume
Eine eigentumliche Erkrankung der Wein-
rebe
Zoologie.
Ausstellung von lebenden exotischen
Sing- und Ziervogeln
Ein Spitzhund mit vollig verkummerten
Vorderbeinen
Gartenschlafer von Alt-St. Johann . . .
Barenschadel aus dem Werdenberg. . .
Elentierskelett von Niederwil
Weisses Exemplar von Mustela vulgaris .
Die Tabakmaus
Partieller Albino der Gemse
Lepus timidus X variabilis
Sorex pygmaeus, Zwergspitzmaus aus
Graubunden
Beitrage zu unserer Vogelfauna
Ardeacomata, Albino vonHirundorustica
1900/01
10
J79/80
61-
82/83
159-
86/87
247-
284-
393-
414-
429
430-
72/73
8
76/77
19
84/85
14—1
92/93
91
80/81
11
81/82
9
87/88 i 13—1
1874/76
90/91
51
91/92
30
93/94
45
93/94
46—3
95/96
42
95/96
42
97/98
38
97/98
38—^
1900/01
1881/82 42
27-
126
113
Aquila clanga, Circaetus gallicus, Corvus
eorax, Sterna nigra, Colymbus glacialis
Milvus niger, Anser Bernicla, Somateria
mollissima, Strix dasypus, Pyrrhocorax
alpinus, P. graculus, Circus cyaneus,
Anas acuta, Odemia fusca, Machetes
pugnax, Picus martius, P. tridacty lus etc.
Ardea purpurea, Pernis apivorus, Anas
acuta, Picus martius, Tichodroma mu-
raria etc
Turdus saxatilis, Plectrophanes nivalis,
Carbo Cormoranus, Strix scops, Falco
subbuteo, Circus cyaneus, Nucifraga
caryocatactes, Lagopus alpinus, Galli-
nula porzana
Calidris arenaria, Loxia leucoptera, So-
materia mollissima, Anas tadorna,
Sterna nigra, Picus canus. Circus cya-
neus, Falco peregrinus
Tetrao Urogallus 9> Tringa minuta, Li-
mosa aegocephala, Harelda glacialis,
Fuligula marila, Mergus serrator . .
Xumenius phaBopus, Anthus campestris,
Emberiza hortulana, Strix scops, Parus
palustris var., Calidris arenaria, Chara-
drius hiaticula
Circus cineraceus, Numenius arquatus,
Odemia fusca, Tichodroma muraria,
Fregilus graculus, Cucuius canorus,
Coracias garrula
Tetrao medius, Corvus corone X comix,
Strix passerina, Columba turtur, Actitis
hypoleucos, Numenius arquatus, Larus
minutus, Anas penelope, Picus martius,
Fuligula marila, Nucifraga carry oca-
actes var. leptorhyncha
Podiceps minor (Albino), P. rubricollis,
Bombycilla garrula
Milvus ater, Buteo vulgaris var., Limosa
segocephala, Somateria mollissima, La-
rus tridactylus
1882/83 39-40
86/87
87/88
88.89
90,91
91 92
92/93
9394
94/95
95 96
53-56
51 — 53
44—46
89/90 49-51
54 56
33—34
38—39
48-50
! 51—52
45—46
8
114
Falco rufipes, Nyctale Tengmalmi, Frin-
gilla nivalis, Ardea minuta, Cinclus
aquaticus
Anas strepera, Hirundo riparia, Embe-
riza cia, Turdus torquatus, Podiceps
nigricollis, Mergus serrator. Albino von
Turdus viscivorus, Ardetta minuta und
Corvus Corone mit Kreuzschnabelbil-
dung
Erythropus vespertinus, Miliaria europaa,
Podiceps rubricollis, Aquila f ulva, Otus
vulgaris, Mergus serrator, Tringa al-
pina (einbeinig)
Referat iiber die Ausstellung lebender
Vogel in der Reitbahn
Vipera Redii bei Villigen
Pelias berus im Obertoggenburg ....
„ ,, von Weisstannen
Chelonia caretta
Schildkroteneier (Emys europaea) . . .
Vorweisung zweier lebender Axolotl . .
Unsere Fischerei
Hecht von 107, Wels von 167 cm Lange .
Regenbogenforelle (Salmo irideus) . . .
Petromyzon Planeri von Uznach ....
Esox lucius, Chondrostoma Xasus, Blicca
Bjorkna, Blicca Bjorkna X Leuciscus
rutilus, Cottus gobio
Ptinus hololeucus
Erbsen-Riisselkafer (Brucbus Pisi) . . .
Coloradokafer (Doryphora decemlineata) .
Bostrychus dispar
Callidium variabile im Dachgebalk eines
hiesigen Hauses
Auftreten des Rebenfallkafers (Eumolpus
Vitis) im Rheintal
Die schwarze Espenblattwespe (Tenthredo
nigerrima)
Catocala Fraxini und Saturn ia Pyri im
Stadtpark
Springschwanze (schwarzer Schnee) . .
1896/97
97/98
98/99
35
44-47
54—57
88/89
70/71
70/71
91/92
71/72
10-
7
7
36
7
-11
72/73
79/80
5
5—6
67/68
133-
-16(
82/83
41
94/95
54 — 55
95'96
49
97/98
51-
-52
75/76
76,77
9
16-
-17
77/78
9
8889
12
89/90
17-
-18
94 95
9
77/78
13
89/90
69/70
17
4
115
Schwarzer Schnee
Wanderheuschrecke im Kanton St. Gallen
Phylloxera vastatrix
Tetranichus telarius
Uber die Herkunft der Eingeweidewurmer
des Menschen
Trichinen und Trichinenmikroskop . . .
Anodonta cygnea
Xineralogie und Geologie.
Erratische Blocke
Strahlkies und hexaedrischer Eisenkies aus
den Appenzelleralpen
Physik.
Demonstrationsmikroskop von Leitz in
Wetzlar
Referat Uber den Besuch des Billwiller'-
schen Elektrizitatswerkes im Erlenholz
Eikursion nach dem Elektrizitatswerk
Kubel
Meteorologie.
Errichtung von meteorologischen Stationen
im Kanton St. Gallen
Errichtung einer meteorologischen Saule
auf dem alten Rathausplatz
Das Projekt der Errichtung einer meteoro-
logischen Station auf dem Santis . . .
Pflanzen- und Tierwelt im Februar
1867
St Gallen
Flusskorrektionen.
Referat uber die Besichtigung der Rhein-
korrektionsarbeiten stidlich vom Mon-
stein
376/77
i 16
74/75
71/72
77/78
75/76
5
5
10 13
9
78 79
12-13
80/81
7677
8—9
17
[e.
69/70
14
71/72
72/73
29—30
18—24
73/74
7475
23
22-24
88/89
21
90/91
95/96
98 99
60.61
79/80
6667
26
22-23
17-18
4—6
77/78 23—24
97.98
14—15
265-267
16-18
116
Besichtigung der Rheinkorrektionsarbeiten
vom Monstein bis zum Bodensee . . .
Landwirtechaft.
Der Gitterrost der Birnbaurae
Eine eigentiimliche Erkrankung der Wein-
rebe
1898/99
80/81
81/82
87/88
19—22
11
9
13—14
Nekrologe und Lebensbilder.
Pfarrer Rehsteiner, Osterr. botan. Zeit-
schrift, 1860, 2. Heft.
Dr. Philipp Hepp
Prof. Karl Deicke
Prof. 0. Bietmann
Escher von der Linth
Dr. Rheiner -Wetter
Reallehrer Vogler
Dr. Hungerbiihler
Guido v. Gonzenbach
Jakob Wartmann
Dr. Karl Wild
Prof. Alexander Braun
Albert Adolf Wegelin
Dr. Aug. Jaeger
Dr. Karl Stolker
Heinrich Szadrowsky
Dr. Karl Wegelin
Lebrecht Nageli
Apotheker Gustav Ad. Scheitlin . .
Ratsherr Peter Merian
Prof. Osw. Heer
Prof. Delabar
Prof. C. F. Dalang
Verwaltungsrat J. J. Vonwiller . . .
Landammann Dr. Tschudi
1866/67
11-
-13
69/70
384-
-402
69/70
402-
-426
71/72
37-
-40
40-
-43
43-
-44
44-
-45
72/73
30-
-32
32-
-38
38-
-43
76/77
37
37-
-40
40-
-44
77/78
33-
-44
46-
-48
48-
-55
81/82
30-
-33
33-
-36
82/83
28-
-29
29-
-32
83/84
31-
-32
32-
-33
84/86
34
85/86
40-
-42
117
Konsul Labhart-Lutz
Schulvorsteher Tobias Kaufmann .
Prof. Dr. R. "Wolf
Prof. J. Jaggi
Dekan Georg Kaspar Zollikofer
Dr. E. Stizenberger
Karl Haase .
Prof. Dr. Ludwig Rutimeyer . . .
Th. A. Bruhin
Dr. Jakob Lanter
Dr. 0. Fraas
Reallehrer Meli
J. Bhiner, Philolog und Botaniker
Architekt Kunkler-Merz
Prof. Chr. Briigger
Apotheker Ludwig Leiner ....
Dr. Jos. B. Jack
1886/87
93/94
9495
96/96
96/97
97/98 :
98/99
1900/01
37-41
42—45
34—35
35—38
31-35
35—39
39-43
33
34
24—25
26—27
27-30
30-32
35-38
38—46
29-32
32—35
! 97
Naturhlstorlsches Museum und Parkanlagen.
a) Entwicklung der naturhistorischen Sammlungen.
B. Wartmann.
Bericht 60-61 pag. 9—10; Bericht 61—62 pag. 7
63—64
*
10—12;
65-66
*>
12;
67—68
n
13—15;
69—70
7)
23-25;
71-72
i*
46-50;
73—74
n
35—41;
75—76
»
32—40;
77—78
n
66-67;
79-80
..
33—46;
81-82
V
38—50;
83—84
r>
38—48;
85—86
j«
46—60;
87—88
V
47-64;
64—65
66-67
10-
15-
68—69 - 21-
7u— 71
72-73
74-75
76-77
78—79
80-81
82—83
84-85
86-87
88—89
30—
47-
42-
50-
37-
34-
35-
38-
49—
39-
—8:
ii;
■17;
24;
33;
51;
50;
61:
49;
45;
48:
51;
65;
58;
118
Bericht 89— 90 pag. 44—61;
Bericht 90— 91 pag. 49-
91-92 „ 27—46
, , 92—93 „ 30-
93—94 „ 42-61
, 94-96 „ 46—
96-96 n 40-68
„ 96—97 „ 29—
„ 97—98 „ 36—63
98—99 „ 50—
„ 99-1900 „ 33—58-
„ 1900—01 , 38-
b) Geb&ude fOr die wissenschafl lichen Sammlungen.
B. Wartmann.
Bericht 68-69 pag. 24; Bericht 69—70 pag. 22-
n
70—71
n
29-30
; „ 71-72 „
51—
n
72-73
n
51-63
, „ 73-74 . 41-
7)
74—75
n
60;
75-76 „ 40-
n
76—77
n
49—50
; „ 77-78 „ 67-
n
79—80
n
46.
c) Parkanlagen.*)
Bericht
77—78 ]
pag
. 69—70;
Bericht 7
'8—79 pag. 49-
n
79-80
n
46—60
,, 80—81 r 45—
n
81-82
n
60—53
, 82—83 „ 48-
n
83—84
fl
49—52
„ 84—85 „ 51-
•n
85—86
V
60—63
, 86—87 „ 65—
n
87—88
n
64-67
; „ 88-89 „ 58—
71
89-90
n
61—66
., 90—91 „ 66—
n
91-92
n
46—53
, B 92—93 „ 61—
r>
93-94
n
61—71
, , 94—96 n 65—
71
95—96
n
58—67
, 96-97 „ 47-
})
97—98
n
63—76
, B 98—99 „ 78—
n
99—1900
n
58-67
, „ 1900—01 „ 67—
Rede
n etc.
Eroffnungsrede,
gehalten air
i fiinfzig-
jahrig
;en Jubilaum
(5. und <
3. August
1869)
1868/69
1—3
*) Von 1891—1892 an wurden bei den Referaten nicht b
die botanischen Anlagen berucksichtigt, sondern auch die
wohner der Voliere und des Parkweihers.
119
Keferat tiber die Feier des 70jahrigen Be- I
standes der Gesellschaft ' 1888 89
Feier des 80jahrigen Bestandes der Gesell-
schaft (Geburtstaglied von J. B. Griitter) 98/99
Varia.
25 27
22—26
St. Gallens Naturalienkabinett, geschildert von Prof.
Dr. B. Wartmann. St. Gallen 1863, 25 S. 4°.
Katalog der auslandischen Zier- und Singvogel.
30 S. St. Gallen 1875. Zollikofer'sche Buchdruckerei.
Systematische Ubersicht iiber die Mitteilungen in den
40 von 1860 — lDOOerschienenen „Berichtena. Zusammen-
gestellt von Chr. Walkmeister und Dr. B. Wartmann.
Bericht der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft 1898/99.
Seite 306—353.
Katalog der Lehrmittel-Ausstellung in St. Gallen
bei Anlass des schweiz. Lehrervereins. Oktober 1867.
104 S. St. Gallen, Zollikofer'sche Buchdruckerei.
Leitfaden zum Unterricht in der Naturgeschichte.
Fur hohere Volksschulen, untere Gymnasien, Sekundar-
und Realschulen. St. Gallen, Verlag von Huber & Cie.
E. Fehr). 1. Auflage 1839, herausgegeben von Jak. Wart-
mann, Lehrer der Naturgeschichte. 7. — 11. Aufl. (1900)
besorgt von Prof. Dr. B. Wartmann.
Saturkalender. In „Ziiricher Post", 1879: 30. Sept.,
U. Okt.; 1880: 22.-27. Mai, 17. Juni.
Ehrungen Wartmanns.
A.ZuseinenEhrenbenannte botanische und zoologische Spezies:
Tolypothrix Wartmanniana Rab. in Rabenhorst,
Algen Europa8, Nr. 769.
Rhamnus Wartmanni spec, nova (in Robert Keller,
Beitrage zur Tertiarflora des Kantons St. Gallen, III. Mit-
teilung. Bericht der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft
St. Gallen 1894/95, pag. 318).
120
Annuraea stipitata E, var. Wartmanni [Rota-
toria] (siehe Asper und Heuscher: „Zur Naturgeschichte
der Alpenseen, II. a im Jahrbuch der Naturwissenschaft-
lichen Gesellschaft St. Gallon 1887/88, pag. 257).
EhrenmJtglied:
1. Zurcher Naturforschende Gesellschaft.
2. Naturforschonde Gesellschaft Graubiindens.
3. Schweizerischer Apothekerverein.
4. La Society de Physique et d'Histoire naturelle de
Geneve.
5. Pollichia, naturwissenschaftlicher Verein der bay-
rischen Rheinpfalz.
6. Lesegesellschaft ^Biisch" St. Gallen.
7. Ornithologischer Verein St. Gallen.
8. Handwerkergesellschaft St. Gallen.
9. Allgemeiner Arbeiterbildungsverein St. Gallen.
C. Korrespondierendes Mitglied:
1. Wetterauische Gesellschaft fiir die gesamte Natur-
kunde.
2. K.k.geologischeReiehsanstaltWienfKorrespondent).
3. Schlesische Gesellschaft fiir vaterlandische Kultur.
D. Auswartiges Mitglied:
Ostpreuss. physikalisch-okonoraische Gesellschaft zu
Konigsberg.
Vorzeichnis derjenitren Al^en,
welche in Rabenhorsts Exsiccatenwerk rDie Algen
Europas" (1873) den Autornamen Wartmann tragen.
Aphanothece Nagelii Wartm No. 1093
Chroococcus turgidus var. rufescens Wartm. . „ 631
Cymbella variabilis Wartm „ 803
Encyonema maximus Wartm „ 1248
Ej>ithemia Rabcnhorsti Wartm „ 1088
121
Epithemia Zebra var. intermedia Wartm. . . No. 1089
Glceocapsa dubia Wartm r 1092
„ saxicola Wartm „ 813
Hydruru8 subramosus Wartm „ 1094
Xostoc irregulare Wartm „ 1091
Phormidium versicolor Wartm „ 1090
Ulothrix thermarum Wartm „ 665
Jahresbericht
fiber das Vereinsjahr vom i. Juli 190 1 bis 30. Juni 1902
erstattet an der
Hauptversammlung vom IS. November 1902
von
Dr. G. AmbQhl.
Kurz vor Ablauf des ruhig und gleichmassig fort-
schreitenden 83. Vereinsjahres erlitt das Gesellschaftsleben
einen jahen Unterbmch.
Am 5. Juni 1902 begleiteten wir die sterbliche Hiille
unseres Prasidenten, Professor und Direktor Dr. B. Wart-
mann, zu Grabe, der am 3. Juni nach kurzer Krankheit
aus dem Leben geschieden war. Wir gedenken auch an
dieser Stelle in dankbarer Anerkennung der grossen Ver-
dienste, die sich der Verstorbene um alle naturwissen-
schaftlichen Bestrebungen seiner engern und weitern
Heimat, als Lehrer der Jugend, als Berater und Freund
der Studierenden , als Griinder, AeufFner und Ordner
unseres Museums, als fleissiger und erfolgreicherbotanischer
Forscher, als begeistertes und anregendes Mitglied unserer
Gesellschaft und als ihr treuer Fuhrer wahrend 34 Jahren,
ein ganzes Menschenalter hindurck, erworben hat.
Es wird Aufgabe der Feder eines ihm wahrend seiner
letzten Lebensjahre beruflich nahe gestandenen jiingern
Mitarbeiters sein, fiir unser nachstes Jahrbuch ein voll-
standiges Lebensbild des Verblichenen zu entwerfen, das
uns noch einmal alles das in Erinnerung rufen wird, was
123
Wartmann w&hrend eines langen, mit Gesundheit, Arbeits-
kraft, Arbeitsfreudigkeit und reichen Erfolgen gesegneten
Lebens fur seine Mitmenschen geleistet hat.
Sein Hinschied bedeutet fur unsere Gesellschaft einen
schweren, in seiner Einheit kaum jemals zu ersetzenden
Yerlust. Sein geistiges Erbe wird auf eine Mehrzahl seiner
jungern Freunde und Schtiler iibergehen, von denen jeder
einen Teil der Last auf sich nimmt, die vordem seine
markige Gestalt allein getragen hat. Wir haben an seinem
Sarge, alle seine vielen Verehrer, Freunde und Schiller,
das feierliche Gelobnis abgelegt, dass wir das uns anver-
traute Erbe, die St. Gallische Naturwissenschaftliche Ge-
sellschaft, in seinem Sinn hegen und pflegen, weiterfuhren
und ausbauen wollen, jeder an seiner Stelle und soviel er
mit seinen schwachen Kraften vermag. An dieses Gelob-
nis wollen wir uns gegenseitig erinnern, die wir heute
zum erstenmal ohne unsern altgewohnten, schneidigen
Fuhrer und Prasidenten zur Jahresversammlung beisam-
men sind.
Die tiefe Lucke, die Wartmanns Hinschied in unsere
Gesellschaft gerissen hat, macht sich bereits in der Art
der heutigen Berichterstattung geltend. Es war ihm am
7. Dezember 1901, zum letzten Mai in einer Reihe von
Jahren, ein mit grosser Miihe erkauftes Vergniigen, seiner
heben Gesellschaft den sorgfaltig gearbeiteten gedruckten
Jahresbericht vorzulegen, der die Mitglieder eingehend
mit alien Lebensmomenten unserer Vereinigung wahrend
des abgelaufenen Zeitabschnittes, aber auch mit dem
Wachstum des ihm unterstellten Museums und des Werdens
und Wachsens seiner Lieblinge im Stadtparke bekannt
machte. Das wird in nachster Zukunft in gleicher Weise
kaum mehr geschehen konnen, da nur ein Wartmann alle
124
diese Aufgaben in einer Person vereinigen konnte.
An Stelle der Einheit ist die Arbeitsteilung getreten: der
Interims-Prasident bietet der Gesellschaft einen sehr sum-
marisch gehaltenen Bericht iiber das abgelaufene Arbeits-
jahr; aus der Feder des protokollierenden Aktuars er-
warten wir eine gedrangte Ubersicht der gehaltenen Vor-
trage als selbstandigen Teil des nachsten Jahrbuches und
der im Museum an Wartmanns Stelle amtierende Konser-
vator wird seinen Amtsbericht ebenfalls dem Jahrbuch
einverleiben. Von einer doppelten Drucklegung dieser
drei Teilberichte will Ihre Kommission fur die nachste
Zeit absehen ; dagegen wird sie bestrebt sein, jeweilen auf
den Tag der Hauptversammlung wie heute ein neues Jahr-
buch prasentieren zu konnen.
Als letzten Gruss des verstorbenen Prasidenten, von
seiner Hand beinahe vollstandig zusammengestellt und
redigiert, iiberreichen wir heute den an wesenden Mitgliedern
das Jahrbuch fur das Vereinsjahr 1900/01. Sein Mitarbeiter,
Herr Konservator E. Bachler, hat sich durch die Fertig-
stellung und Herausgabe des nach unserer Ansicht sich
wurdig an seine Vorganger anreihenden Bandes um unsere
Gesellschaft verdient gemacht.
Von der Wand herunter blickt heute das Bild des
verstorbenen Prasidenten, so wie er in unser aller Er-
innerung lebt, als weisslockiger Greis mit energischen,
aber wohlwollenden Ziigen, auf die Schar seiner Getreuen
hernieder; es wird spater als Geschenk unserer Gesell-
schaft die Raume zieren, in denen er einen Grossteil seines
Lebens dem Studium der belebten Natur gewidmet hat.
Indem wir noch dem tief empfundenen Wunsch Aus-
druck verleihen, dass sein Geist, seine Ideale und seine
Opferfreudigkeit in unserer Gesellschaft fortleben mogenT
125
nehmen wir Abschied von unserm verehrten Freund und
Prasidenten und rollen noch ein gedrangtes Bild dessen
auf, was unter seiner Fuhrung im Vereinsjahr 1901/02
getan worden ist.
Die Haupttatigkeit unserer Gesellschaft liegt in der
Yeranstaltung von Zusammenklinften zur Anhorung teils
wissenschaftlicher, teils mehr volkstumlicher Vortrage
seitens der eigenen, hiezu berufenen Mitglieder, oder
Mannern der Wissenschaft von den benachbarten Hoch-
schulen. An 14 iiber das Jahr zerstreuten Abenden ver-
sammelten wir uns in kleinerer oder grosserer Anzahl,
von 26 Mann am 9. Mai 1902 bis zur stattlichen Ge-
meinde von iiber 200 am 25. Marz, als Prof. Dr. Mooser
uber die Kometen sprach, und einer ebenso grossen Teil-
nehmerzahl am 28. Januar 1902, als am 83. Gedenktag
der Gnindung unserer Gesellschaft. Im Mittel besuchten
jeweilen 76 Mitglieder diese Anlasse zur Unterhaltung und
zur Bereicherung ihrer naturwissenschaftlichen Kenntnisse.
Was wir ihnen aus den verschiedenen Gebieten der Natur-
kenntnis bieten konnten, ersehen wir aus der nachstehen-
den Aufzahlung der gehaltenen Vortrage und Demon-
strationen7 nach den einzelnen Disziplinen geordnet:
1. Physik.
Prof. Dr. Kopp: Die gebrauchlichen Method en zur Be-
stimmung des Heizwertes verschiedener Brennmaterialien.
2. Chemle.
Dr. J. Werder: tJber das Goldschmid^sche Verfahren
zur Erzeugung hoher Temperaturen.
Dr. Arthur Hausmann: Die Rolle des Fettes im Haus-
halte der Natur.
126
3. Astronomic
Prof. Dr. Mooser: Uber die Kometen.
Konservator E. Bachler: Ein Meteorstein aus dem Sudan.
4. Geographic
Dr. J. J. David aus Basel: Eine Reise im agyptischen
Sudan und in Aquatoria.
Dr. Leo Wehrli aus Zurich: Altes und Neues aus Siid-
amerika.
5. Zoologic
Med. Dr. E. Fischer aus Zurich: Naturliche und kiinst-
liche Umformung der Lebewesen. Im Jahrbuch er-
schienen.
Prof. Dr. C. Keller aus Zurich: Die antike Kunst im
Dienste der Zoologie.
Dr. B. Wartmann: Demonstrationen :
a) Steinsperling, Schneehuhn im Sommerkleid, Eider-
gans, Albino von Podiceps cristatus vom Bodensee.
b) Nachbildung eines Moa-Eies.
Kessler-Steiger,- Handelsgartner: Demonstrationen aus
seinem Vivarium; Flussschildkrote, Waran-Eidechse,
Scheltopusik, Katzennatter und Chamaeleon.
Konservator E. Bachler: Demonstrationen aus dem
Museum: Hornviper und Nashornviper, Chelys fimbriata,
Mata-Mata-Schildkrote und Arran-Schildkrote (Podoc-
nemis expansa), beide Schildkroten Geschenke des Herrn
Dr. Goldi in Para ; Molchfisch (Protoptans annectus).
6. Botanik.
Dr. Adolf Dreyer: Uber den Russtau (Capnodium sali-
cinum). Im Jahrbuch erschienen.
H. Schmid, Reallehrer: Uber die Flora der Torfmoore.
Im Jahrbuch erschienen.
127
F. Hahn, Gartner: Demonstrationen: Olweide (Elaeagnus
edulis), Trifolium pratense mit abnormen Bliiten.
Dr. B. Wartmann: Demonstration von uberwinterten
Sprossen der Utricularia intermedia.
M. Wild, Forstverwalter: Die Aste des Baumes.
7. Mineralogie.
Konservator E. Bachler: Demonstrationen aus dem
Museum :
a) Schweizerische Vorkommen von Fuchsit und Arra-
gonit.
b) Kalk-Inkrustation eines Nadelholzzweiges aus dem
Eisenbahntunnel bei Walenstadt.
8. Geologic.
Konservator E. Bachler: 1. Uber Vulkane. 2. Das
Vulkangebiet des Hegaus.
J. U. Friih, Lehrer: Der geologische Bau des Rigi.
9. Hygiene und Xedizln.
Dr. Richard Zollikofer: Meteorologie und Influenza.
10. Land- und Forstwirtschaft.
M. Wild, Forstverwalter: 1. Uber das Eichhornchen in
Wald und Feld. 2. Nasse Wiesen und Walder.
Nahere Wiirdigung und Beleuchtung dieses mannig-
faltigen Vortragsstoffes werden wir dem nachfolgenden
Aktuariatsbericht entnehmen konnen.
Allen Lektoren und Referenten, die sich an diesem
Zweige unserer Vereinstatigkeit aktiv beteiligt haben, sei
hiemit im Namen der Gesellschaft herzlicher Dank aus-
gesprochen. Wir appellieren auch fur die Zukunft an ihre
Mitarbeit, an die sich eine ganze Schar heranreifendor
jungerer Krafte anschliessen moge.
128
Dem Grundsatze getreu, dass wir auch die lebendige
Natur selbst zu uns sprechen lassen sollen, fuhr am 29. Juni
1902, einem schonen, duftigen Sonntag-Morgen, em Fahn-
lein von 40 Mann uber Winterthur und Schaffhausen nach
Singen am Fusse des Hohentwiel, urn sodann unter Fiih-
rung des Herrn Konservator E. Bachler die geologischen
Erscheinungen andiesem uralten, sagenumwobenen Vulkan-
kegel in Augenschein zu nehmen. Es war eine wohlge-
lungene Exkursion, die alien Teilnehmern Naturgenuss
und Anregung in Fulle einbrachte und uns bestarkte in
der Absicht, Jahr fur Jalir kleinere und grossere solcher
Wanderfahrten zu arrangieren, damit wir allmahlich die
Natur unseres engern Vaterlandes und seiner nachsten
Umgebung so recht von Grund aus kennen lernen.
Ausser an diesem Ausflug kam die Geselligkeit
in unsern Reihen zur Geltung an der Hauptversammlung
vom 7. Dezember 1901 und an der Stiftungsfeier vom
28. Januar 1902, die in altgewohnter, einfacher, aber ge-
inutlicher Art bei Festreden und musikalischen Geniissen
ihren frohlichen Verlauf nahmen und wiederum dazu bei-
trugen, die Bande der Freundschaft und des eintrachtigen
Zusammenwirkens auf dem neutralen Boden der Natur-
wissenschaft enger zu kniipfen. Es war ein eigenartiges,
in der Erinnerung wehmiitig stimmendes Motiv, als wir
am 7. Dezember nachts beim zwolften Stundenschlage
unserem Prasidenten den Gliickwunsch zum soeben an-
gebrochenen 71. Geburtstage darbrachten. Wer hatte da-
mals geahnt, dass der so riistige und geistesfrische Mann
libers Jahr nicht mehr unter uns weilen sollte!
Ein weiterer Hauptzweig unserer Vereinsaufgabe be-
steht in der Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse
durch die Zirkulation von Zeitschriften und abgeschlossenen
129
neuen Werken unter den Mitgliedern. Wir diirfen die Tat-
sache mit Genugtuung regis trieren, dass unsere Gesell-
schaft ein ungemein reichhaltiges Material, teils streng
wissenschaftlicher, teils mehr popularer Natur unter ihre
llitglieder bringt. Es waren im Berichtsjahr 19 wissen-
schaftliche und 28 populare Zeitschriften, die in 80 Exem-
plaren in den Mappen zirkulierten, nebst einer Reihe kleiner
Bticher und Einzellieferungen grosserer Werke.
Unter der Obhut und Registratur unseres fleissigen
Bibliothekars nahm diese Mappenzirkulation ihren regel-
rechten Gang, ohne allzu grosse Reibung und ohne arge
Yerstflsse der Mitglieder gegen die Satzungen des Zeit-
schriften-Reglementes. Ein Beweis hiefiir ist die minime
Summe von Pr. 5.90 an Lesebusson der stadtischen und
Fr. 12.10 an Lesebussen der auswartigen Mitglieder. Wenn
es auch nicht moglich ist, dass dem Wunsche jedes ein-
zelnen Mitgliedes beziiglich seiner Einreihung in die Zir-
kulationslisten entsprochen werden kann, so bestrebt sich
der Bibliothekar doch stets, berechtigten Wtinschen nach
Moglichkeit nachzukommen. Wir mochten an dieser Stelle
namentlich darauf hinweisen, dass wir solchen unter unsern
Mitgliedern, welche eine wissenschaftliche Zeitschrift so-
fort nach ihrem Erscheinen fiir ihre Studien benotigen,
dieselbe bereitwilligst fiir einige Tage zustellen, bevor sie
in die Zirkulation geht; ebenso geme wird die Kommission
Gesuche entgegennehmen, neue Erscheinungen auf dem
Buchermarkte, die den Studien einzelner Mitglieder dien-
lich sind, entweder ganz oder teilweise auf Vereinskosten
anzuschafien, wenn solche Bucher spater auf der Stadt-
bibliothek auch andern Mitgliedern von Vorteil sein konnen.
Das letzte Jahrbuch in einer langen Reihe, die
vom verstorbenen Pr&sidenten Wartmann als Redaktor
9
130
signiert sind, hat in den letzten Tagen seine Fahrt zu
den auswartigen Mitgliedern angetreten und wird heute
den anwesenden stadtischen Mitgliedern iibergeben.
Die erste Seite tragt Trauer um denjenigen, der sich
unendlich um die Sammlung der einzelnen Beitrage ge-
muht, sie geordnet und an manche unter ihnen die letzte
glattende und ausgleichende Feile angelegt hat. Das Jahr-
buch bildet den Abschluss der schriftstellerischen Tatig-
keit des verdienten Mannes und eine unvergangliche Er-
innerung an ihn.
Allen Mitgliedern und Freunden, die sich mit Bei-
tragen beteiligt haben, speziell den Herren Apotheker
C. Rehsteiner, Reallehrer H. Schmid, Reallehrer Dr. A.
Dreyer, Max Taschler, Photograph, Prof. Dr. Bigler und
Dr. E. Fischer in Zurich entbieten wir hiemit den besten
Dank der Gesellschaft ! Schon sind wir wieder mit der
Sammlung von Beitragen fur eine nachste Ausgabe be-
schaftigt und bentitzen gerne den Anlass, unsere alteren
und speziell auch unsere jungern, heranwachsenden Natur-
forscher zu ersuchen, die Resultate eigener Studien, soweit
sie namentlich unser Vereinsgebiet, die Kantone St. Gallen
und Appenzell betreffen, unserm eigenen Publikations-
organ, dem Jahrbuch, zuwenden zu w611en, damit ihm
auch in der Folge sein wissenschaftliches Ansehen im In-
und Auslande gewahrt bleiben moge.
Das Jahrbuch vermittelt unsern regen Tausch-
verkehr mit den auswartigen Gesellschaften
gleichen Strebens. Ihre Zahl hat sich wieder um zwei
vermehrt und belief sich im Berichtsjahr auf 202, deren
Sendungen uns Briefmarken fast aller Herren Lander ein-
bringen und der Stadtbibliothek neben zahlreichen Schriften
von lokalem und ephemerem Wert auch bedeutende wissen-
131
schaftliche Werke zuftihren. Unter den Biichergeschenken,
die uns seitens auswartiger Freunde und Gonner zuteil wur-
den? heben wir besonders das f arbenprachtige Werk liber slid
amerikanische Vogel des Herrn Direktor Goldi in Para und
das Beisewerk unsereszweiten Landsmanns A. Kaiser hervor.
Zum Rechnungswesen unserer Gesellschaft uber-
gehend, konstatieren wir mit Befiiedigung, dass unser
getreuer Geldverwalter seine Rechnung nicht mit einem
Defizit, sondern mit einem faktischen Pius von Fr. 490.20
abschliessen konnte. Allerdings haben die regelmassigen
Einnahmen nicht gemigt, samtliche Ausgaben zu bestreiten
und musste hiefiir auch ein Teil des Kapitalzinses Ver-
wendung finden. Wir verdanken der angstlich soliden
Finanzgebarung unseres verstorbenen Prasidenten den
Inhalt eines ^wahrschaften Sparhafensu, der uns jetzt mit-
hilft, Vereinsaufgaben zu losen, denen friiher unsere
Finanzkraft nicht gewachsen war ; wir konnen gegeniiber
friiher das Jahrbuch reicher ausstatten, gelegentlich jungen
Forschern behulflich sein, fur sie unerschwinglich hohe
Druckkosten mitzutragen, oder ihnen Lokalstudien zu er-
moglichen, die grossere Reiseauslagen erheischen. Auch
hiefiir wollen wir unserm geschiedenen Freund und Fiihrer
dankbar sein und seine Lehren auch in der Zukunft be-
herzigen. Jetzt erst versteht der Berichterstatter die Wart-
mann'sche Tendenz so recht, der Gesellschaft immer zahl-
reichere Mitglieder zu werben; mit dieser quantitativen
Ausdehnung wird nicht bloss den idealen Zwecken der
Gesellschaft gedient, sondern sie gewinnt auch vermehrte
Finanzkraft, ohne welche selbst den idealsten Regungen
die Schwingen gelahmt sind; sie gewinnt die Mittel, einem
Teil ihrer Aufgabe, der Durchforschung des Vereinsge-
8, in vermehrtem Masse gerecht werden zu konnen.
132
Neben den verdankenswerten and uns hochst will-
kommenen Subventionen der kantonalenRegierung (Fr. 300>
des Verwaltungsrates der Stadt St. Gallen (Fr. 600) und
des Kaufmannischen Direktoriums (Fr. 400) sind es die
Beitrage der Mitglieder, die mit Fr. 6065. — den
Hauptteil unserer Einnahmen ausmachen. Jedes Hundert
neuer Mitglieder bringt uns nicht nur die willkommene
Vermehrung unserer Mitarbeiter, Mitleser und Zuhorer,
sondern auch bare tausend Franken Beitrage, wenn es
„Stadtlertf, oder wenigstens funfhundert Franken, wenn
es Landleute sind. Es ergibt sich aus diesem Satz, den
auch ein anderer geschrieben haben konnte, wie eine An-
schauung gelegentlich an Orten Schule macht, wo man sie
friiher kaum erwartet hatte!
Die Erkenntnis, dass die Finanzkraft unserer G-esell-
schaft im direkten Verhaltnis zu ihrer Mitgliederzahl steht,
leitet uns logischerweise zum Personalbestand hiniiber.
Eine Gresellschaft mit einem Bestande von iiber 700
Mitgliedern erwachsenen, zum Teil stillstehenden, zum Teil
betagten Alters, ist keinen Tag sicher, Verluste durch den
Tod, durch Austritte infolge Alters, Krankheit, geschaft-
liche oder berufliche Anderung oder Wegzug zu erleiden.
Das ist denn auch im Berichtsjahr bei uns in Mehrzahl
eingetroffen. Wir haben durch den Tod die folgenden
Mitglieder verloren, deren wir heute ehrend gedenken
wollen :
i. Ehrenmitglieder.
Prof. Dr. Cramer, Zurich.
Prof. Wolfgang, Metz.
2. Ordentliche Mitglieder.
Jack, Apotheker, Konstanz.
Wirth-Sand, Prasident der V.S.B., St. Gallen.
133
Miiller, Gemeindeammann, St. Gallen.
Wanner, Stefan, Prof., Zurich.
Friih, J. U., Lehrer, St. Gallen.
Gachter, Simon, Lehrer, Riithi.
Hosii, Dekorationsmaler, Azmoos.
Kaiser, Flavian, Reallehrer, Ragaz.
Dr. Gsell, Robert, Bezirksammann, St. Gallen.
Ruffini, Subdirektor der Helvetia, St. Gallen.
Dr. Wartmann, Bernhard, Professor und Museumsdirektor,
St. Gallen.
Das Andenken aller dieser dahingegangenen Mitglieder
bleibe unter uns in Ehren und im Segen!
Aus irgend einem def angefuhrten moglichen Griinde
sind ferner 22 Mitglieder aus unserem Verbande ausge-
schieden, so dass sich der Gesamtverlust auf 35 Mitglieder
stellt. Dem gegeniiber steht aber ein Zuwachs von 41
neu aufgenommenen Mitgliedern, so dass wir uns am
Schlusse des Berichtsjahres (30. Juni 1902) einer Ver-
mehrung um 6 Mitglieder und eines Personalbestandes
von 731 Mitgliedern erfreuen durften.
Die Tatsache, dass der Bestand heute, am Tage der
Berichterstattung, 4 Mann weniger ausmacht, soil uns um
so mehr anspornen, der riieklaufigen Tendenz zu begegnen
und in alien Kreisen der Bevolkerung neue Jiinger zur
Pflege der Naturwissenschaften zu suchen und zu werben.
Wir stehen heute an einem ernsten Wendepunkte in
der Geschichte unserer Gesellschaft. Einem Manne, der
sein ganzes Sein, Sinnen und Denken ihrem Wohle und
ihrem Gedeihen gewidmet hat, ein ganzes Menschenalter
hind arch, ist das Steuer entf alien ; andere Manner, die
nicht seine Kraft und seine Eigenart besitzen, sollen be-
rufen werden, die Nachfolge am Steuer anzutreten. Nur
134
dann kann unsere Gesellschaft auf der von Wartmann
ihr vorgezeichneten Bahn gedeihlich weiter schreiten, wenn
alle ihre Mitglieder ohne Ausnahme, denen Studien, Nei-
gung und Lebensberuf gestatten, naturwissenschaftlich
tatig zu sein, sich vereinigen zu gemeinsamer treuer Ar-
beit, die da sein soil: Erforsohung der Natur unserer
engern Heimat und Verbreitung der Resultate der fort-
schreitendeu Naturerkenntnis in alien Kreisen unseres
Volkes!
n.
Obersicht
uber die im Jahre 1901/02 gehaltenen Vortrage.
Nach den Protokollon zusammengefasst
vom
Aktuar Dr. H. Rehsteiner.
Eines der treuesten Mitglieder unserer Gesellschaft,
das allezeit sein Wissen bereitwillig in den Dienst der-
selben stellte, ist in Herrn Lehrer J. U. Friih uns ent-
rissen word en. Vornehmlich waren es Fragen geologischen
und geographischen Inhalts, deren Studium ihn anzog.
Seine letzte diesbeztigliche Arbeit liber den geologischen
Ban des Rigi fusst auf dem Studium von Riitimeyers
Rigi und den Beitragen zur geologischen Karte von Kauf-
mann.
Bei wenigen Bergen ist der innere Aufbau so leicht
erkennbar wie beim Rigi. G-egen Kiissnacht hin prasen-
tieren sich seine machtigen Schichten in horizontalen
Iinien, indessen sie, von Siiden her betrachtet, unter einem
Winkel von 30 ° gegen den See zu abfallen. Diese Schichten
bestehen aus Nagelfluh, mit der Sandsteine und Mergel-
lager wechseln. Eine solche Komposition, aus horizon-
talen oder schwach geneigten Schichten verschiedener
Resistenz gebildet, muss naturgemass zu mannigfachen
Erdrutschungen und Bergstiirzen Veranlassung geben, wie
sie in der Tat in jener Gegend von Alters her bekannt sind.
Das Material zu der enormen Aufschichtung des Rigi wurde
136
in grauer Vorzeit durch Fliisse herbeigetragen und in das
zwischen den Alpen und dem Jura sich ausbreitende Meer
abgelagert. Der Wechsel von Mergel- und Sandstein-
schichten mit Nagelfluh kann nur daher ruhren, dass die
betreffenden Stellen sich bald unter dem Einfluss ruhen-
den, bald unter dem sich bewegenden Wassers befanden.
Der Rigi gehort mit dem Speer, Hornli und zahlreichen
andern Hohen des Voralpenlandes zu den jungern geo-
logischen Schopfungen; denn die Bildung der Nagelfluh fallt
in das der Gletscherzeit unmittelbar vorangehende Tertiar.
Jura und Alpen hatten sich damals schon iiber den Meeres-
spiegel erhoben und wo Land sichtbar wurde, herrschte
eine subtropische Natur. Dieser eben besprochenen Mo-
lasse formation gehort jedoch nur der westliche und
mittlere Teil des Rigi, vom Kulm bis und mit Scheidegg,
an; der ostlich daran schliessende pyramidenformige Vitz-
nauerstock und die zackige Hochfluhkette bestehen aus
Kreidekalk wie der Santis und sind somit viel altern
Datums. Zu dem geschichteten Material kommen noch
als weitere Bestandteile die Schuttmassen, eine Folge der
Verwitterung. Aus solchen entstanden die Deltas, auf
denen heute die Dorfer Gersau, Vitznau und Weggis stehen.
Neben diesen Produkten langsamer Verwitterung ist das
Rigigebiet reich an Uberresten kleinerer und grosserer
Bergstiirze. 1674 crlebte Vitznau die Schrecken eines
solchen, im Sommer 1795 verwiistete ein Schlammstrom
einen Teil des Oberdorfes von Weggis und noch im Juni
1870 erfolgte oberhalb Vitznau ein Absturz, der glucklicher-
weise das Tal nicht erreichte. Noch weit grossere Massen
harren der Stunde, die sie in die Tiefe sturzen l&sst.
Zu diesen Aufschuttungen, deren Material am Rigi
selbst seinen Ursprung hat, kommen als weitere Depositen
I
137
die fremden Ablagerungen aus der Eiszeit, die in der
Hauptsache auf den Reussgletscher zurlickzufuhren sind.
Gotthardgranite findet man bis zur Hohe von 1340 m Ii. M.
Zur Zeit des hochsten Eisstandes ragte demnach kaum
der dritte Teil des Berges als kahle Felseninsel liber das
Eismeer hinaus. Auf der Ostseite des Rigi finden sich
aach Tavigliannazgesteine aas dem Schachentale, sowie
Ealkblocke aus dem Muottatal. Moranenschutt tritt man-
cherorts zu Tage, eine besonders schone Seitenmorane urn-
saumt den Band der Seebodenterrasse gegen das Tal hin.
Wahrend Gletscher und Bergstlirze Material aufge-
hauft haben, arbeiten umgekehrt die zahlreichen Bache
an der Wegfuhr desselben und weiteten in ungemessenen
Zeitraumen ihr Bett zu Talchen und Schluchten aus. Wo
harteres Gestein dem Wasser jeweilen grosseren Wider-
stand in der Ausfeilung des Untergrundes bot, kam es
hinter solchen Stellen zur Bildung von Kesseln, in denen
vom Wasser in kreisende Bewegung gesetzte Steine zur
weiteren Vertiefung beitrugen. Bei Gross-Grubis an der
Vitznauerbahn sind wohl dreissig solcher Kessel durch
Wasserfalle miteinander verbunden.
Zum Schlusse wirft der Lektor noch einige Streif-
lichter auf die Umgebung des Rigi. Eine geringe Niveau-
erhohung des Wasserspiegels wiirde genligen, um die den
Rigi umgebenden Seen zu einem ringformigen Bassin zu-
sammenzuschliessen. Das vielgestaltige Becken des Vier-
waldstattersees besteht nicht aus einem , sondern aus
mehreren zufallig zusammengekommenen Talern. Ur-
sprtinglich ging die Reuss liber Brunnen hinaus durch die
Taler des Lowerzer- und Zugersees und mlindete bei Walds-
hut in den Rhein. Der heutige Flusslauf, der den Umweg
uber Luzern macht, ist aber schon sehr alt und muss
138
bereits zur Eiszeit bestanden haben, was aus den bezlig-
lichen Uberresten mit Sicherheit hervorgeht.
Dem erhohten Interesse gegeniiber tellurischen Er-
scheinungen, das durch die aussergewohnlich heftigen vul-
kanischen Eruptionen des vergangenen Jahres wachgerufen
wurde, kam Herr Konservator Bachler mit seinen Vor-
tragen iiber Vulkane im allgemeinen und das Vulkan-
gebiet des Hegaus im speziellen entgegen.
Neben Wind und Wasser, die von aussen her das
Antlitz der Erde bestandig verandern, indem sie die Un-
ebenheiten nivellieren, wirken von innen heraus Krafte,
welche in den aussern Eindenpartien der Erde Uneben-
heiten aufturmen (Vulkanismus und heisse Quellen). Die
vulkanischen Erscheinungen sind Ausserungen der im Erd-
innern eingeschlossenen, unter hohem Drucke stehenden
Gase, Dampfe und gluhendfliissigen Massen gegen die
Erdoberflache, die das Bestreben haben, sich irgendwo ge-
waltsam einen Durchbruch zu verschaffen.
Vulkane konnen wir als „Wunden der Erdkrustetf
auffassen, die durch einen Kanal mit dem Erdinnern in
Verbindung stehen, aus welchem, Berge aufturmend, glut-
fllissige Lava, Blocke, Bomben, Lapillis, Asche und Sande
empordringen. Von letztern werden u. a. vom Berge weg-
fallende Schichten gebildet (Typus der SoHicht- oder
Stratovulkane). Sie zeigen infolge der Kraterbildung
die Form eines abgestumpften Kegels. Wiederholte heftige
Ausbriiche konnen die Krater zerstoren ; ruhige Tatigkeit
dagegen wirkt auf bauend. Oft wird nicht mehr der alte
Auswurfsgang benlitzt, besonders wenn er verstopft ist;
es offnen sich dann schwachere Durchbruchspunkte, bei
welchem Anlasse der alte Krater teilweise zusammenfallt
139
oder in die Loft fliegt. (Monte Somma des Vesuv mit
der Ebene le piane). 1767 besass der Vesuv drei Krater-
kragen, von welchen die beiden innern 1822 zusammen-
sturzten. Zwischen altem und neuem Krater entstehen
Kessel und Schuttebenen, wie z. B. das Atrio del Cavallo
am Vesuv.
Steigen die glutflussigen Laven ohne grossere Wirk-
samkeit von Dampfen in die Hohe, so stauen sie sich,
sofern sie zahfliissige Beschaffenheit haben, zu glocken-,
dom- und picformigen Kuppen auf(Typus der Mas sen -
vulkane). Neben reinen Schicht- und Massenvulkanen
gibt es auch gemischte, bei denen die Lava in Gangen,
Stromen und Banken die lockeren Massen durchdringt.
Die meisten Vulkane haben zum Untergrunde entweder
Sedimentgesteine oder selbst das Urgebirge. Bei Erup-
tionen werden solche dem Kanal anliegende Gesteine
mitgerissen und oft wesentlich verandert. Die Grund-
schichten sind meist blasig aufgetriebenes Erdreich, da
sie haufig gegen den Schlot hin einfallen. Sonach hat sich
der Vulkan selbst aufgeschuttet. Dagegen sind gleich-
massige Hebungen des gesamten Untergrundes von
Vulkangebieten bekannt, z. B. am Atna, der Serapistempel
bei Pozzuoli, viele vulkanische Inseln u. s. w.
In erloschenen Vulkangegenden finden sich Kessel-
krater oder Mare, die meist mit Wasser gefiillt sind. Es
sind dies durch Dampfexplosionen entstandene Spreng-
locher. Zu diesen gehoren die 125 Vulkanembryonen
Schwabens, die Mare der Eifel, der Laachersee und viele
andere.
Nur wenige Vulkane arbeiten in fortwahrend gleich-
ma8sigen Eruptionen wie der Stromboli, der Sangai in
Ecuador, der per Stunde 267 Ausbrtiche zahlt ; die Gross-
140
zahl ist intermittierend. Dann aber folgen nach langerer
Ruhepause meist sehr heftige Ausbruche. Vorboten der
letztern sind oft stundenlange Erdbeben, Brum men, Rollen,
Donnern, Briillen, Tieferfarbung des Rauches, Versiegen
der Quellen u. s. w. Die Eruption leitet mit der Explosion
der freiwerdenden Gase und Dampfe ein, dichte Wolken-
ballen steigen unter pfeifendem Gerausch in rasender Eile
empor und reissen Asche, herruhrend von „zerschossenentt
Laven und Gesteinen, mit sich. Hdher und hoher steigt
die Dampf- und Aschensaule und breitet sich zur „Piniea
aus. Die schweren Teile fallen in der Nahe des Kraters
nieder, wahrend die Asche oft weithin zerstreut oder vom
Regen in die Tiefe gerissen wird, urn als verheerender
Schlammstrom liber die Abhange sich zu ergiessen.
Oft treten die Laven aus der Seite des Vulkans in
weissgluhendemZustandeheraus. Leichtflfissige Lava bildet
dann Lavaseen, ganze Decken oder auch Katarakte (Hawai-
Vulkane), zahfltissige staut sich und bildet Wulste, Dome etc.
Am Vesuv kommen Geschwindigkeiten bis zu 5 Kilometer
per Stunde vor. Auf ihrer Talfahrt erstarrt die Lava
aussen, wahrend sie im Innern noch monate-, ja jahrelang
gliihendflussig bleibt. Erfolgt die Abkiihlung unter starker
Dampfentwicklung, so entsteht die Block- oder S c h o 1-
lenlava; geschieht sie aber langsam, ohne wesentliche
Dampf bildung, so bildet sich Fladen-, Platten- oder
Gekroselava.
In Aschen und Laven finden sich oft Mineralien von
wunderbarem Farbenglanz, so Kochsalz, Soda, Salmiak,
Alaun, Eisenchlorid, Schwefel, Gips, Eisenglanz, Eisen-
glimmer und zahlreiche prachtige Silikate. Als Nach-
klange vulkanischer Tatigkeit sind die Gasaushauchungen
zu betrachten, wie wir sie in Solfataren (Pozzuoli), Mofetten
141
mit Kohlensaure (Hundsgrotte in Neapel), Sauerquellen u.s. w.
treffen.
Reine Ascheneruptionen sind bekannt vom Monte
Nuovo bei Neapel, der plotzlich innert drei Tagen zu
fiber 100 Meter Hdhe anwuchs, vom Gunung Tambora
anf Sumbawa, wobei 6000 Menschen ihr Leben verloren ;
reine Lavaergusse sind charakteristisch for das grossartige
Gebiet der Hawai-Vulkane. Blosse Dampfausbruchespreng-
ten beim Bandai-San eine Bergmasse von 1200 Millionen
Knbikmeter weg. Der Krakatau-Ausbruch (23. August
1883) jagte den grossten Teil des Berges formlich in die
Luft. Grosse Spaltenergiisse weist Island auf.
Die Zahl der tatigen Yulkane (ca. 360) ist nicht leicht
zu bestimmen, da ein seit Jahrhunderten erloschener
Vulkan plotzlich wieder tatig werden kann (Vesuv).
Auffallend ist ihre reihenfbrmige Gruppierung auf der
Erde, besonders langs den Kiisten und in den Inselreichen.
Wir wissen aber, dass Kiisten und selbst Vulkangegenden,
die heute weit vom Meere entfernt sind, Bruchlinien, d. h.
die dunnsten Stellen der Erdrinde sind, wo also das Wasser
am ehesten Zutritt findet und die Expansivkrafte sich am
leichtesten Luft verscbaffen konnen. Der Vulkanis-
mus ist also eine direkte Folge der Gebirgs-
bildung, und nicht umgekehrt.
Vulkanausbruche unter Meer sind von Seebeben,
Flutwellen, Wassersaulen, porosen Auswurflingen, z. B.
von Bimsstein begleitet.
Erlischt der Vulkan, dann sinkt die Lava in den
Schlot zuriick und bildet, erstarrt, einen soliden Pfropfen
im Kanal. Verwitterung und die Arbeit des Wassers
tragen im Laufe langer Zeiten zuerst den lockeren Tuff-
mantel ab, schliesslich ragen die Lavagesteine (Basalt,
142
Trachyte, Phonolithe) als Kuppen aus der Landschafb
empor, wie im Hegau, am Kaiserstuhl, in der Auvergne,
an der Eifel etc. Eigenartig sind die Erstarrungsformen
dieser Ergussgesteine. Neben der gewohnlichen kristal-
linischen Absonderung sind es teils saulige (Island, Fin-
galshohle etc.), teils fiederformige, wie der Humboldtfelsen
bei Aussig in Bohmen. oder kugelschalige, glasige (Ob-
sidian der Liparisehen Inseln) und endlich selbst plattige,
bankartige, wie am Hohentwiel und Hohenkrahen.
In den vulkanischen Kraften erblicken wir nicht nur
riicksichtslose Zerstorer bliihenden Lebens, sondern auch
die Erzeuger fruchtbarer Kulturboden. Die dunkeln Vul-
kankegel mit ihrer erhabenen Stille und Einsamkeit, sie
wirken wie Erzahlungen aus langst vergangenen Tagen,
die das ewige Gesetz von dem steten Wechsel in allem
Geschaffenen und die Wahrheit des Spruches verkiinden:
„Und neues Leben bliiht aus den Ruinen.u
Der 2. Vortrag beschaftigte sich eingehend mit dem
Hohentwiel, dem Ziele einer mit bestem Erfolge durch-
gefuhrten Exkursion unserer Gesellschaft.
Der steil aus der Ebene aufstrebende Hohentwiel ist
der erstarrte Lavakern eines nach der Bildung der Mo-
lassesandsteine und vor Beginn der Eiszeit noch tatigen,
seither aber erloschenen Vulkans. Die unter hohem Drucke
stehenden Gase im Erdinnern traten an einer Bruchstelle
der Erde aus, einen vielleicht mehr als 3000 Meter tiefen
Vulkanschacht bildend. Yon seinen Wanden mitgerissene,
sowie aus zerstaubter, zerschossener Lava bestehende Ge-
steinsmaterialien flogen in die Luft und setzten sich rings
um den Krater ab, wobei sie von den die Eruption be-
gleitenden Regengussen verschwemmt und als vulkanische
Tufte geschichtet wurden.
143
Am Schlussc der Eruption fullte sich der Schlot mit
feuerflussiger Lava, welche im Krater erstarrte und eine
Art von festem Zapfen bildete, wie ihn der Hohentwiel,
der Hohenkrahen etc. in ihrem Phonolith oder Klingstein
zur Anschauung bringen. Das ausgeworfene Aschen-
material, das heftige Winde verwehten, findet sich heute
noch in den dem festen Klingstein des Hohentwiel im
Suden und Westen sich anlehnenden, rebenbepflanzten
Tuffriicken. Auf der ostlichen Seite sind die Aschen-
massen von den einstigen Wassern des Rheingletschers
in Jahrhunderte langer Arbeit weggefegt worden.
Der auf der Sudseite des Hohentwiel gelegene Stein-
bruch gewahrt einen Einb.lick in die Schichtung der zu
ganzen Banken abgelagerten Tuffe, sowie in die denselben
eingelagerten Gesteine von den tiefliegenden, herauf-
gerissenen Graniten, Gneisen und Buntsandsteinen bis
zu den weiter oben liegenden Kalken des untern und
obern Jura und des Molassesandsteins. Weil erratische
Gesteine aus den Alpen im Tuffe fehlen, muss der Aus-
bruch des Hohentwiel vor der Eiszeit stattgefunden haben.
Solche Erratica liegen iiberall auf den Tuffen und selbst
auf dem Plateau des Berges. Im gleichen Steinbruche
lassen sich auch die interessanten, in und auf den Aschen
gebildeten Siisswasserkalke nachweisen, die in der Nahe
von Hohenkrahen reich an Versteinerungen sind.
Vor dem Festungseingang, auf den siidlichen Schan-
zen, trifft man den dem Tuff hier anstehenden Phonolith
oder Klingstein, den acht verschiedene Minerale zusammen-
setzen. An den Felsen des festen Hohentwielgesteins lasst
sich deutlich eine schalige Absonderung erkennen. Wie
Glocken liegen die Schalen ineinander, in denen sich
Bisse erkennen lassen, welche radial zum Vulkanmittel-
144
punkt verlaufen. Eine Folge des Erstarrungsprozesses
der fliissigen Lava sind offenbar die zwei Hauptspalten
(Barrancas), welche am Phonolithklotze wahrgenommen
werden.
Eine gewisse Beriihratheit hatte seinerzeit die Natro-
lith-Nische beim alten Soldaten - Friedhof erlangt. Ein
Produkt der chemischen Umwandlung des Phonoliths,
durchsetzt der Natrolith die Spalten und Kliifte desselben.
Im Anfang des XVIII. Jahrhunderts liess der damalige
Kurfiirst von Wiirttemberg die Nische ausbeuten. Die
Natrolithe wurden geschliffen und zieren heute mit ihren
prachtigen, radialstrahligen, seidenglanzenden Zeichnungen
den Treppenaufgang und mehrere Gemacher des konig-
lichen Schlosses in Stuttgart.
Das Vulkangebiet selbst befindet sich in einer teller-
formigen Senkung der in jener Gegend aus Jurakalk ge-
bildeten Erdrinde. Der Bruch erstreckt sich 10 — 12 km
weit von der Schweizergrenze bis gegen Anselfingen,
Engen und Aach hin, wo die Schichten des dem Randen
entsprechenden Tafeljuras wieder zu finden sind. Dieses
Einbrechen der Erdrinde war die Ursache, dass sich im
Hegau zwei lange Vulkanspalten bildeten, auf denen nach-
her die Ausbriiche stattfanden. Wahrscheinlich fanden
die ersten Eruptionen auf der westlichen Hauptspalte
statt, wo sich die hochsten Vulkane (Hohenstoffel und
Hohenhowen) mit dem bekannten schwarzen Basaltgestein
bildeten.
Die ostliche Hauptspalte tragt die Vulkane des Hohen-
krahen (645 m) und Hohentwiel (691 m) nebst dem Bosen-
ackerberg, der aber nur TuiFe enthalt, die direkt auf der
obern Siisswassermolasse liegen, ein frappanter Beleg fur
die Zeit des Ausbruches. Das wellenfbrmige Gtelande mit
145
den farbenreichen, fruchtbaren Saatfeldern und Wiesen,
das sich zwischen den Phonolithvulkanen ausbreitet, be-
steht aus tlberresten der Aschenausbriiche, von denen ein
grosser Teil vom Schmelzwasser des Rheingletschers nach
Norden and Nordosten verschwemmt wurde. Alle auf
den Tuffen des Hegaugelandes liegenden alpinen Gerolle,
Moranen und Blocke stammen aus der Eiszeit.
Endlich wies Herr Bachler noch auf die interessanten
Quellverhaltnisse der das Yulkangebiet des Hegaus
durchfliessenden Aach hin, deren konstante Wasserkraft
von der Industrie in reichem Masse benutzt wird. Ihr
Quelltopf oder Quellensee befindet sich beim Dorfe Aach,
wo das Wasser aus einer breiten Felsspalte mit bedeuten-
dem Druck aus der Tiefe der Jurakalke hervorquillt. Bei
hohem Wasserstande betragt die Wassermenge 7000
Secunden-Liter = 420,000 Minuten-Liter, bei mittlerem
4000 Sec.-Liter. Das im Volksmunde schon lange be-
stehende Geriicht, es beziehe die Aach ihr Wasser aus
der ca. 16 Kilometer entfernten Donau, wurde 1877 von
Professor Knop aus Karlsruhe durch exakte qualitative
und quantitative Versuche vermittelst starkriechendem
Schieferol, Kochsalz und Fluorescein als Tatsache direkt
bewiesen. Dadurch wurde ein langer, zwischen den In-
dustriellen des obern Donaugebietes und der Aach schweben-
der Prozess zu Gunsten der letztern entschieden und zu-
gleich bewiesen, dass in trockenen Sommern der Oberlauf
der Donau in den Rhein und nicht ins Schwarze Meer fliesst.
Herr Dr. Wehrli aus Zurich, der bei uns von fruher
her noch in angenehmster Erinnerung steht, bot uns durch
semen Vortrag „Altes und Neues aus Sudamerikau
eine erganzende allgemeine Ubersicht uber Land und Be-
10
146
vfllkerung, insbesondere der chilenischen und argentinischen
Republiken.
Neun von ihm selbst entworfene Karten veranschau-
lichten in grossen Ziigen die topographischen, meteoro-
logischen, botanischen, zoologischen und volkswirtschaft-
lichen Verhaltnisse. Ausgedehnte Tieflander begleiten die
drei Hauptstrome Amazonas, La Plata und Orinoco; da-
riiber erheben sich als Plateaux das brasilianische, ein
kleineres siidlich des Orinoco und endlich als Ruckgrat
Siidamerikas die machtige Gebirgskette der Cordilleren
oder Anden. Klimatisch liegen die Isothermen fiir Juli
und Januar sehr weit auseinander, es besteht also zwischen
Winter und Sommer eine sehr grosse Differenz. Hin-
wiederum weist das ganze aquatoriale Amerika hinsicht-
lich der Monatsmittel fast keine Schwankungen, kaum 5
Grad auf, wahrend die Tagesschwankungen allerdings
sehr grosse sein konnen. Niederschlagsmenge und Vege-
tationscharakter gehen Hand in Hand. Der tropischen
Zone ontspricht die maximale Regenmenge von zwei
Metern im ganzen Amazonengebiet, sowie im Siiden ein
schmaler Kiistenstreifen, wahrend dem Streichen der An-
den eine Trockenzone folgt. Bezuglich der Tierverbreitung
umfassen die Colibris und Papageien beinahe den ganzen
Kontinent, Affen und Faultiere sind auf das Amazonen-
gebiet und den obern Orinoco beschrankt, Guanaco, Vi-
cugna und Condor auf die Anden. Der allgemeine Grund-
satz, dass grosse Flussgebiete grosse Verkehrswege be-
deuten, findet auch hier seine Bestatigung. Ausserst
schwach bevolkert, unter 1 Einwohner auf 1 Quadratkilo-
meter, sind die Pampas ; Maxima finden sich auf dem vor-
springenden, Europa zugekehrten nordostlichen Gtebiet, in
den Bergwerksgebieten und in den an Buenos Aires und
147
Montevideo angrenzenden Landstrichen. InengerWechsel-
beziehung mit der Volksdichte steht die Verbreitung der
Kulturpflanzen. Von ausserordentlicher Bedeutung ist die
Kaffeekultur in der Provinz Rio und deren Umgebung,
wo 4h der gesamten Produktion der Erde erzeugt werden.
Neben Baumwolle und Tabak spielt auch der Weinbau,
letzterer in Paraguay, Chile und Argentinien, eine Biolle.
Die allzu stiirmisch verlaufende Garung macht jedoch
den Wein nur wenig haltbar und es mag unsere Wein-
bauern eigentumlich anmuten, dass dort die Trauben-
garung mittelst Eismaschinen kiinstlich gehemmt werden
muss. Die Geschichte der Einwanderung spiegelt sich
noch heute in der Verteilung der Sprachen wieder : an der
Westkiiste, in Argentinien und Paraguay ist die spanische,
in Brasilien die portugiesische Sprache die vorherrschende.
Zu einem neuen Bilde iibergehend, begleiten wir den
Lektor auf seiner Wanderung nach dem im siidlichen Chile
unter dem 42. Grad siidlicher Breite gelegenen, ca. 1900
Meter hohen Vulkan Calbuco, der im November 1893 nach
langer Ruhe plotzlich wieder tatig wurde und das nahe-
gelegene Stadtchen Puerto Montt mit einem Aschenregen
heimsuchte. Die ausgeflossene, an ihrer untern Grenze zu
einem machtigen Wall erstarrte Lava ist phonolithischer
Natur, ahnlich der des Hohentwiel.
Von der lippigen subtropischen Vegetation Chiles iiber
die Anden zu den diirren Pampas niedersteigend, schildert
uns der Vortragende beim Zusammenfluss des Rio Limay
mit dem Rio Alarcon (beides Nebenfliisse des Rio Negro)
eine Stelle, die den Einfliissen der sandflihrenden Pampas-
winde besonders ausgesetzt ist. Dort fand er Gerolle,
ahnlich denen unserer Nagelfluh, die alle senkrecht zur
herrschenden Windrichtung eine polierte Flache aufwiesen.
148
An der prachtigen in Zirkulation gesetzten Sammlung
solcher Windschliffe liess sich erkennen, dass die Politur
desto vollkommener wird, je gleichmassiger das Gestein ist.
Dann versetzte uns das Skioptikon naoh den S tad ten
Buenos Aires, Santiago und La Plata mit ihren zum Teil
stilvollen Monumentalbauten. Die grossartige Oper in
Buenos Aires gibt dem Lektor Gelegenheit zu einer kost-
lichen Schilderung der argentinischen vornehmen Gesell-
schaft, ihres l&cherlich iibertriebenen Luxus bei geistiger
Hohlheit. In grellstem Kontrast steht dazu das eintonige
Leben des einsamen Mannes der Pampas, und unser Geologe
erwies sich nicht nur als gewandter Redner, sondern auch
als Klaviervirtuos beim Vortrage einiger jener traurig
monotonen Volksmelodien.
Zur fernern Charakteristik des Argentiniers, welcher
zwischen Melancholie und einer unglaublichen Leichtlebig-
keit schwankt, fiigt er ein zurzeit sehr beliebtes Musik-
stuck ^Las Dolores", an, eine eigentumliche Vermengung
der krankhaft melancholischen Pampaslieder mit den ge-
wohnlichsten Gassenhauern. Von La Plata, jener halb
in Triimmern liegenden modernen Stadt, die fur eine
Million Bewohner angelegt wurde, aber deren nur circa
90,000 z&hlt, interessiert uns namentlich das naturwissen-
schaftliche Museum mit seinen vorweltlichen Giirteltieren
(Glyptodonten) und einem Walfischskelett von 28 Meter
Lange, dessentwegen der eine Flugel so lang gebaut wurde.
Auf der Hoimreise fuhrt uns der Lektor nach den
kanarischen Inseln, Gran Canaria mit seiner Hauptstadt
Las Palmas im speziellen. Die Stadt ist regelmassig
terrassenformig angelegt mit machtigen Befestigungen,
zwischen denen sich Bananenplantagen hinziehen. In
schroffstem Gegensatz zu der iippigen Vegetation der dem
149
Meere zugekehrten Seite steht das durre Hinterland der
Insel.
Ein Grebiet, das schon seit Jahren die Kolonialmachte
in intensiver Weise besch&ftigt, iiber dessen intimere
Eigenart aber nur vereinzelte sparliche Kunde existierte,
weil es erst in neuester Zeit europaischen Reisenden wieder
zuganglich wurde, beleuchtete Herr Dr. David aus Basel
in einem fesselnden Vortrage liber seine Reisen im
egyptischen Sudan und in der Aquatoria.
Nach der im September 1898 erfolgten Niederwerfung
des Mahdi-Reiches durch Kitchener erwirkte sich der Vor-
tragende filr sich und seinen Bruder die Erlaubnis zu
einer Seise nach den siidlichen Nillandern, wobei er der
englischen Behorde einen sehr strengen Revers zu unter-
zeichnen hatte. Noch drohte im Osten Menelik und auch
die Derwische waren nicht beruhigt, trotzdem ihrer 16,000
noch unbeerdigt auf der Wahlstatt lagen. Unter diesen
Umstanden war das Gemiit der Reisenden aufs hochste
gespannt. Als sie den Nil bereisten, hatten sie ein zweites
Schreiben zu unterzeichnen, laut welchem sie von Faschoda
bis zum Victoria Nyanza nicht landen durfben. Sie wussten
indessen dieses Verbot zu umgehen, indem sie 2 Worter
einschalteten, welche ihnen das Betreten der Ufer ermog-
lichte. Am 1. Februar 1899 brachen sie von Dongola auf.
Durch fortgesetzte Abhartung waren sie in den Stand
gesetzt, mit der landesublichen Tracht, einem langen Baum-
wollhemd, auszukommen. Als Proviant diente Mehl, Hirse,
Datteln, Eakao, Reis und gedorrtes Gemiise. Die Kara-
wane bestand aus 27 Kamelen und 12 Arabern als
Begleitung. Es bedurfte grosser Uberredungskunst, um
die wilden, braunen Beduinen anzuwerben, denn seit etwa
160
15 Jahren hatte keine Karawane dieses Gebiet durch-
streift. Die Wustensohne trugen Baumwolltucher iiber
die Huften und waren mit Lanzen, Messern und einigen
alten Gewehren versehen. Als Nahrungsmittel bedarf der
Beduine Milch und Hirse. Die Kamele waren mit Tausch-
waren beladen. Der Zweck der Reise bestand einerseits
darin, authentische Berichte iiber die Handelsprodukte der
dortigen Gegenden zu sammeln, urn sie an englische
Hauser zu senden, anderseits hoffben die Reisenden fur
sich personlich einen Gewinn durch Eintauschen von
Gummi zu erzielen. Nach sieben Tagen waren sie in
Wadi Natron, dessen Soda- und Bittersalze einen wich-
tigen Handelsartikel bilden. (6000 Ctr. Natron jahrlich.)
Nach dem Wadi el Kab folgte der heisseste Wustengurtel
(46 ° C im Schatten) ; doch hatten die Reisenden infolge
ihrer Abh&rtung und ihrer Lebensweise nicht stark unter
der Hitze zu leiden. Von Dongola bis El Obeid, also
auf einer Strecke, die derjenigen von Calais nach Mar-
seille gleichkommt, trafen sie nur acht Brunnen, deren
Wasser zudem oft schmutzig war.
Nun begann die Vegetationsgrenze, und der Halt
richtete sich nach der Kamelsweide. Von Tag zu Tag
wurde die Vegetation hoher, und nach 18 Tagen waren
sie im Gummizentrum von Kordofan, einem kleinen Stadt-
chen, angelangt. Der arabische Gummi stammt von
Akazien (Acacia Senegal), deren Stamme von halbwiich-
sigen Knaben mittelst langer Lanzen geritzt werden, wo-
rauf der Gummi herausiliesst und zu glasglanzenden
Stiicken erhartet. Von den Eingebornen wird er als
Nahrungsmittel verwendet. Hier tauschten sie 2 Schalen
Gummi gegen eine Schale Korn, wozu Glasperlen und
Kupferringe als Geschenk fur die Frauen kamen, ein.
161
Schrecklich hatte hier der Mahdi gehaust, das Land ist
ausgehungert. Ein halbverhungertes Madchen, das ihnen,
jeglicher Subsistenzmittel bar, einen Tag lang durch die
Wiiste folgte, urn bei der abendlichen East einige Speise-
reste zu erhalten, stellten sie als Kochin an, da die mann-
lichen Diener aus Kairo alle desertiert waren. Sie hatten
sich in Kordofan hauslich niedergelassen, da dort infolge
des Kriege8 auf einen Mann 6 Frauen kamen.
Aus Jagdlust machte Dr. David mit seinem Bruder
einen Aosflng ins westlich gelegene Darfur. Morgens
fruh ritten sie der Karawane voraus, um Kudu-Antilopen,
die in der Feme Termitenhiigeln gleichen, zu erlegen.
Auch fiel ein Strauss in ihre Hande. Er durfte aber nicht
geschossen werden, um die kostbaren Federn nicht mit
Blut zu beschmutzen. Von alien Seiten umstellt, wurde er
von einem Araber erschlagen. Hiebei lernte Dr. David einen
Trick der schlauen Wustensohne kennen. Mit den Sehnen
and Darmen werden die Federn zusammengebunden, wo-
bei, um das Gewicht zu vermehren, Steinchen und Knochen-
stiicke dazwischen geschoben werden. Der Handels-
gepflogenheit gemass werden die Bundel erst in Triest
gedffhet.
An der Grenze von Darfur angelangt, traten ihnen
egyptische Kundschafber entgegen. Diese argwohnten in
ihnen Franzosen, gegen welche sie die Bevolkerung auf-
gestachelt hatten, sodass sie sich zur schleunigen Riick-
kehr gezwungen sahen. Mit mehreren Sacken Straussen-
federn kehrten sie gegen el Obeid zuruck, wobei sie einen
Tropenwald von machtigen Affenbrotbaumen passierten.
Ausser Tausenden von Jagdvogeln begegneten sie auch
einem Leoparden.
Mit 146 Kamelladungen Gummi kamen sie in El Obeid
152
an. Dort zahlte man fur den Zentner 34, in Kairo 60
Mark. Sie aber hatten den Zentner zu 5 — 10 Mark ein-
getauscht. Vertrauend auf die Ehrlichkeit der Leute,
tibergaben sie alien Gummi einem Araberstamm, der ihn
nach Chartum beforderte. Hier wird der Gummi gereinigt
und getrocknet. 20 Prozent davon erh< die anglo-
egyptische Regierung.
Wahrend der Bruder mit dem Gummi nach Kairo
ging, blieb Dr. David in Omdurman. Die beiden Schwester-
stadte Chartum und Omdurman stehen im scharfsten
Gegensatze zueinander. Ersteres ist eine pr&chtige Pal-
menstadt, Villen im Stile der Westminsterabtei leuchten
aus schmucken Garten hervor. Vor dem mahdischen An-
sturm zahlte die Stadt 60,000 Seelen. Das am linken
Nilufer gegenuberliegende Omdurman hingegen ist eine
richtige Wiistenstadt mit grauen fensterlosen Lehmhiitten.
Im Munde des Mahdi war sie eine heilige Stadt. Fruher
hatte sie liber 100,000 Einwohner, heute herrscht in ihr
zentralafrikanisches Leben. Jeder Beduinen-Stamm hat
seine eigenen Hutten und fiihrt ein Leben wie zu Hause.
Hier richtete sich Dr. David hauslich ein und schrieb
wahrend der funfmonatlichen Regenzeit sein Tagebuch
und eine Autobiographie. Inzwischen hatte Kitchener
die Eisenbahn- und Telegraphenlinie bis Chartum ver-
langert.
Im April 1900 trat der Vortragende seine zweite Reise
an. Ein egyptisches Kriegsschiff zog seine Segelbarke nil-
aufwarts, so dass er schon in 8 Tagen in Faschoda war.
Hier fand er zwei Dorfer und Garten mit europaischem
Gemuse, welches durch die Franzosen hieherkam. 60 Kilo-
meter siidlich haben die Englander ein neues Faschoda
fur Verwundete errichtet. Hier erlegte unser Reisende
153
den ersten L5wen. AIs er am Ufer des Sobat jagte,
schoss er auf einen zweiten, doch ohne ihn zu treffen,
dafiir erlegte er Krokodile und Nilpferde. Letztere wer-
den von den Negern harpuniert. Auch Elefanten werden
durch eigene mit einer Art Anker versehene Harpunen
getotet oder durch Fallblocke, die eine eiserne Spitze tragen,
erschlagen. Auf der Fahrt erbliokten sie vom Schiffe
aus eine ganze Herde Elefanten, auf welche ein englischer
Offizier zwecklose Schiisse abfeuerte.
In Lado sassen die Belgier, welche, vom Kongo her-
kommend, das Oebiet am obern Nil gepachtet haben.
Wegen der herrschenden Rinderpest, wozu sich noch ein
Aufstand gesellte und weil der Vertrag zwischen England,
Belgien und Prankreich noch nicht abgeschlossen war,
musste Dr. David umkehren. Fur den Handel fiel die
Reise nicht giinstig aus, dafiir hatte er viel neues gesehen.
In ethnographischer Hinsicht unterscheidet der Vor-
tragende in dem durchwanderten Grebiet drei Volkergruppen :
die Beduinen mit arabisch-semitischem Blute, die Bant u-
Neger und endlich die Schilluk und Dinka. Das Nil-
gebiet ist vom Wasser und den Menschen des obern Nils ab-
hangig. Seit 1600 v. Chr. liefert der obere Nil die Neger, und
zwischen den semitischen Beduinen der einen Kraftquelle
and den Negern der andern Kraftquelle liegt der Sudan
mit den Nubiern. Der Beduine lebt in Wollzelten auf
einer Anhohe. Die Manner treiben Handel, die Kinder
huten die Herde und die Frau besorgt das Zeltinnere.
Der Nubier wohnt in einem Gehofte, drinnen die Diener
und Sklaven, Kuhe, Schafe und Esel untergebracht sind.
Die Negerwohnungen sind im Kreise angeordnet. Alle
Verrichtungen, sogar die Toilette, vollziehen sich auf dem
Doriplatze. Im iibrigen herrscht, abgesehen vom Essen,
164
das nicht gemeinschaftlich eingenommen wird, ortschaft-
licher Kommunismus. Der Semit isst nie Fleisch, nur
Milchkost, der Nubier dagegen ist ein Allesfresser, der
Schilluk liebt Milch und Fisch und der Niam-Niam will
nur Fleisch. Alle Stamme bereiten aus Korn, Wasser
und gekautem Brot ein triibes Bier, das aussieht wie
weisser Sauser, aber doch gesund ist. Kannibalismus hat
er bei keinem Stamme beobachtet, doch hat er sagen ge-
hort, dass die Niam-Niam den Kriegsgefangenen erst die
Knochen zerschlagen, um sie dann noch lebend ins Wasser
zu werfen. Erst dann werden sie getotet und der Kiiche
ubergeben.
Der Beduine tragt nur Baumwolle und zwar blodes,
schlechtes Zeug aus England. Der Nubier dagegen pflanzt
selber Baumwolle und die Frauen spinnen und weben
einen guten Stoff. Der Neger aber geht mit Schmuck
und Schurz oder ganz nackt einher. Der Beduine schliesst
eine richtige Ehe. Der Nubier lebt polygam mit 2 bis
6 Frauen, die er gegen 4 bis 5 Lanzenspitzen und 8 bis
20 Kiihe eintauscht. Unter feierlichen Festen findet die
Hochzeit statt. Der Neger kennt nur die Einehe, doch
werden altere Frauen nach einigen Jahren durch jiingere
ersetzt.
Mit einem kurzen Uberblick liber die Geschichte des
Landes schloss Dr. David seinen Vortrag, den er an-
schliessend durch zahlreiche Skioptikonbilder illustrierte.
Herrn Professor Dr. C. Keller in Zurich gebiihrt
das Verdienst, zum ersten Mai bei der antiken Kunst Auf-
schliisse liber die Herkunft, Wanderung und Verbreitung
der gezahmten Tiere gesucht und gefunden zu haben.
Diese neuen interessanten Gesichtspunkte erlauterte er in
156
einem Vortrage liber die antike Kunst im Dienste
der Zoologie.
Wahrend schon behauptet wurde, die bildende Kunst
sei bei den allerprimitivsten Volkern zu finden, haben die
Basler Forscher Sarasin dargetan, dass z. B. die Weddas
anf der Insel Ceylon jeder bildenden Kunst entbehren;
dagegen ist es eine Tatsache, dass bei andern niederen
Volkern, wie z. B. bei den Eskimos und Buschmannern,
solche zu finden ist.
Haben sich bis in die jiingste Zeit nur die Ethno-
logie und Archaologie um die Entwicklung der Kunst
interessiert, so gesellt sich nun als weitere Wissenschaft
die Zoologie zu ihnen, die allerdings vor allem die Ob-
jekte betrachtet, die zur Darstellung gelangten. Hie-
bei ergibt es sich, dass als erster Gegenstand immer zu-
erst der Mensch in Betracht fallt, dann vor allem die
hohere Tierwelt, namentlich Jagdtiere, und erst zuletzt die
Pflanzenwelt. Wir sahen bei den vorgewiesenen Kunst-
dokumenten aus den verschiedensten Kulturkreisen wie
z. B. aus denen der Assyrer und Agypter manche Tiere
mit fast vollendeter Naturtreue dargestellt, wahrend ein-
relne Pflanzen oder Landschaften hochstprimitiv gezeichnet
sind. Auf hoheren Kulturstufen erhalt die bildende Kunst
einen Zug zum Stilisieren, wodurch die Darstellungen fiir
zoologische Studien wertlos werden.
Aus den altesten Kunstobjekten lassen sich, wie ein-
leitend bemerkt, Schlusse iiber die geographische Ver-
breitung der Tiere ziehen. Hiebei erinnert der Vortragende
an schweizerische Funde aus der Hohlenzeit mit Abbil-
dungen des Moschustieres und einer Pferdeform (Equus
hemionus), welche beide in Europa nicht mehr angetroffen
werden, damals aber bhne Zweifel existiert haben. Ferner
156
ist uns von den Assyrern eine aus dem Jahre 884 v. Chr.
8tammende Darstellung des Ur (Bos primigenius) erhalten
geblieben, welche beweist, dass diese Tierart einst bis ins
ostliche Asien verbreitet war, w&hrend sie spater in ganz
Asien verschwand.
Auf einer hoheren Entwicklungsstufe tritt in den ver-
schiedenen Kulturkreisen die bildliche Darstellung der
Haustiere in den Vordergrund, und diese Darstellungen
berechtigen zu Schliissen tiber die Abstammung der be-
treffenden Tiere. Immer beginnt der Haustierstand mit
einfachen Rassen, die der Wildform sehr nahe stehen.
Im altagyptischen Kulturkreis begegnen wir sehr
naturgetreuen Bildern aus der vierten, funften und sechsten
Dynastie. Aber auch aus der ersten Dynastie und sogar
aus pr&historischer Zeit stammen wertvolle Funde. Zu
den altesten und beruhmtesten gehoren zwei Schiefer-
platten, diejenige von Gizeh (Negadahzeit) und eine andere,
welche im Louvre in Paris aufbewahrt wird. Ungefahr
aus dem Jahre 6000 v. Chr. stammend, enthalten sie drei
verschiedene Formen gezahmter Tiere, namlich einen Esel,
ein Schaf und ein Rind, welche alle den wilden Rassen
noch sehr nahe stehen. So zeigt letzteres grosse tJberein-
stimmung mit dem Banteng (Bos banteng) aus Siidost-
asien, den der Vortragende fur die Stammform des Haus-
rindes halt. In den spatern Perioden folgen verschiedene
Rinderrassen aufeinander. Sehr interessant sind auch die
Abbildungen von Hunden aus der altagyptischen Zeit. Es
sind Windhunde, cleren Wildform im obern Niltal anzu-
treflfen ist. Letztere wurde seinerzeit von Riippel als Wolf
(Canis simensis) beschrieben.
Aus dem assyrischen Kulturkreis stammt vom
Jahre 746 v. Chr. ein kiinstlerisch ausgezeichnet ausge-
157
fuhrtes Dokument, das die Austreibung von Vieh aus einer
eroberten Stadt darstellt. Es enthalt u. a. ein Fettschwanz-
schaf, wie wir es heute nooh in Agypten und Siidafrika
antreffen und das damals jedenfalls in Assyrien schon ge-
ziichtet wurde. Ebenso geben uns diese Bilder Aufschliisse
iiber die Herkunffc des Pferdes, das damals noch eine be-
deutend langere Schwanzriibe besass, als das heutige, und
liber diejenige der Dogge. Wir finden die Dogge schon
im ersten Jahrtausend vor Christus in Assyrien, also zu
einer Zeit, da sie in Europa noch gar nicht bekannt war.
Durch Xerxes und Alexander den Grossen kam sie nach
Griechenland, von dort nach Rom. Mit den romischen
Heeren gelangten diese sogenannten Molosserhunde iiber
die Alpen. So fand man im Lager von Vindonissa ein
ganz treffliches Bild eines solchen Hundes, der ein Mittel-
ding zwischen einem Bernhardiner und Neufundlander
darstellt. Bei den Wanderungen iiber die Alpen blieben
Molosserhunde in den Bergpassen zuriick, wo sie weiter
gezuchtet wurden. Auf diese Weise entstand unsere heutige
Bernhardiner-Rasse.
Auch der mykenische Kulturkreis lieferte durch
seine bildlichen Darstellungen dem Forscher manch wert-
vollen zoologischen Aufschluss. Ferner sind die bildlichen
Darstellungen auf den Miinzen aus der Griechen- und
Romerzeit fur derartige Studien von ungemeinem Wert.
So findet sich auf einer solchen das sehr gelungene und
gut erhaltene Bild eines krummnasigen Schafes, wie wir
es noch heute im Biindnerlande antreffen. Selbstver-
standlich liefern in alien Fallen die Ergebnisse der ver-
gleicbenden Anatomie den Massstab fiir die Kritik. Har-
monieren Bild und Wissenschaft, dann sind in die Resultate
wohl keine Zweifel mehr zu setzen.
158
Ein dankbares Auditoriumfinden jeweilen die popularen
Vortr&ge des Herrn Professor Dr. Mooser iiber astro-
nomische Themate. In gewohnter klarer, leicht verstand-
licher Weise warf er einen Uberblick iiber den heutigen
Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis der Kometen,
der einst so gefiirchteten Himmelskorper.
Die Kometen, d. h. Haarsterne, von den Chinesen
„Besenu genannt, scheinen wegen ihrer Form, Grosse und
der Art ihrer Bewegung mit den iibrigen Gestirnen nichts
gemein zu haben. Sie wurden bis vor wenigen Jahr-
hunderten fur entztindete giftige Gase in den obem Luft-
regionen gehalten, weshalb die Menschen in ihnen etwas
Gefahrliches, moglicherweise etwas Weltzerstorendes er-
blickten. Erst im 16. Jahrhundert wurde durch Tycho
deBrahes Messungen die kosmische Natur der Kometen
erkannt. Seit etwa 200 Jahren hat man Methoden zur
Bestimmung ihrer Bahnen und seit 40 Jahren kann man
ihre stoffliche Zusammensetzung ermitteln. Heutzutage
ist das Wesen der Kometen vollig erkannt, es gibt an
ihrer Erscheinung nichts mehr, das nicht wissenschaftlich
erklart werden konnte.
An einem Kometen unterscheidet man Kopf und
Schweif. Der Kopf seinerseits besteht wieder aus einer
hellleuchtenden, zentral gelegenen Masse, dem Kern und
aus der den Kern umgebenden Hulle, der Haube. Ersterer
setzt sich aus fester und fliissiger Substanz zusammen,
letztere bildet sich aus Gasen und Dampfen, die dem
Kern entstromen. Der Schweif ist meist gekrummt und
rohrenformig; er enthalt die Gase des Kopfes in mit der
der Entfernung vom Kern zunehmender Verdunnung. Bei
der Bewegung der Kometen um die Sonne ist der Schweif
stets von der Sonne abgekehrt. Die Lange des Schweifes
159
nimmt mit der Annaherung des Kerns an die Sonne zu
and mit seiner Entfernung von ihr wieder ab.
Die Kometen konnen, wie ihre Bewegungen lehren,
nicht im Sonnensystem entstanden sein, sie miissen als
Fremdlinge angesehen werden, die, aus den interstellaren
Raumenkommend, in das Sonnensystem eindringen, langere
oder kurzere Zeit in demselben verweilen und in diesem
auch oft ihren Untergang finden. Kometen, welche, wie
das meist der Fall ist, in parabolischen oder hyperbolischen
Bahnen wandern, statten unserer Sonne nur einen ein-
zigen Besuch ab; andere, welche durch die Anziehungs-
krafte von Sonne und Planeten gezwungen wurden, eine
elliptische Bahn zu beschreiben, sind dem Sonnensystem
einverleibt worden. Eine solche Einverleibung nennt man
Kapturation. Bei elliptischen Bahnen steht die Sonne in
einem der beiden Brennpunkte; derjenige Punkt der Bahn.
welcher der Sonne am nachsten liegt, heisst das Peri-
helium, der diesem gegentiber gelegene Punkt das
Aphelium. Ein in elliptischer Bahn sich bewegender
Komet wird ein ^periodischer" genannt; seine Umlaufs-
zeit bleibt so lange konstant, als seine Bahnform keine
Anderungen erleidet. In unserm Sonnensystem gibt es
ca. 23 Kometen, deren Aphelien in der Nahe der Jupiter-
bahn liegen. Diese haben Umlaufszeiten von im Mittel
| etwa sechs Jahren. Die drei beriihmtesten Glieder der
Jupiterfamilie heissen der Enkesche, der Brorsensche
und der Bielasche Komet. Von den funf Kometen,
welche sich bis zur Bahn des Neptun von der Sonne ent-
fernen, ist der Halleysche der bemerkenswerteste, der
eine Umlaufszeit von etwa 76 Jahren hat und Mitte Mai
1910 wieder zum Perihel zuriickkehren wird. Die Aphelien
von mindestens vier Kometenbahnen liegen fast doppelt
160
so weit von der Sonne entfernt, ale Neptun, was zur
nahme der Existenz eines noch unbekannten Planets
jener Entfernung fiihrt.
Mit der spektralanalytischen Erforschung
Kometenlichtes beschaftigten sich namentlich die Ai
physiker Vogel and Hasselberg. Vogel fand, dass ha
sachlich Kohlenwasserstoffe und Kohlenoxyd, aber i
Wasserstoff, Cyan- und Natrium-Dampfe ja sogar Dai
von schweren Metallen im Kopf des Kometen vorkom
und dass diese Gase und Dampfe durch elektrische ]
kenentladungen zum Leuchten gebracht werden. Has
berg brachte die beim Erhitzen von Meteoriten gewo
nen Gase in Geissler'sche Rohren und erhielt von di
beim Durchleiten des elektrischen Funkens ein mit
Kometenspektrum identisches Spektrum. Schon aus di(
Grunde ist es sehr wahrscheinlich, dass die Meteoi
Stticke von Kometenkernen sind. Nahert sich eine Komc
masse der Sonne, so erwarmt sich die der Sonne zugeke
Oberflachenpartie so sehr, dass feste Stoffe schmelzen
verdampfen. Aus dem Innern der Kometenmasse
weichen hochgespannte Gase, die beim Ausstromen *
trisch werden. Durch die elektrisch geladene Sonne we
die gleichnamig elektrisch geladenen Gase des Komc
kopfs abgestossen und zur Schweifbildung veranl
Die gegenseitige Abstossung der einzelnen Teilchen
Schweifes bedingt die Rohrenform desselben. Je n
ein Komet der Sonne kommt, um so grosser ist die !
der zur Verdampfung gelangenden Stoffe des Kerns.
Ausstromen von Gasen aus dem Kern konnte teleskoj
direkt beobachtet werden. Manche Kometen zeigen met
Schweife, die aus verschiedenen Gasen, auf welche
Repulsivkraft der Sonne verschieden wirkt, bestehes
161
Die Masse eines Kometen ist klein im Vergleich zur
Masse der Planeten und Monde. Am geringsten ist die
Stoffmenge des Schweifs, die grosste Masse liegt in dem
aus festen und flussigen Substanzen bestehenden Kern.
Der mittelgrosse Loxell'sche Komet hatte eine Masse von
etwa 1 : 17,000 der Erdmasse ; dies hatte immerhin geniigt,
uin den ganzen Kontinent Australien zuzudeckon.
Infolge der Warmewirkung der Sonne werden die
Kometenkerne zur Zeit ihres Periheldurchganges oft durch
innere Explosionen zerrissen und in ein Konglomerat kleiner
fester Korper verwandelt, die sich nacli und nach iiber
die ganze Kometenbahn verteilen und dann einen Meteo-
ritenring um die Sonne bilden. Geht die Erde durch
einen solchen Ring, so sturzen die kleineren festen Teile
(k-sselben gegen die Oberflache der Erde, werden aber
meistens schon in der Atmosphare vollig verbrannt und
bringen dann die Erscheinung der Sternschnuppen hervor.
Der B i e 1 a'sche Komet, der im Jahre 1832 sehr nalie an
der Erde vorbeiging, war bei seiner nachsten Riickkehr
in 2 Teile gespalten und loste sich nachher in Meteoriten-
wolken auf, durch welche die Erde in den Jahren 1872
and 1SS5 gezogen ist. Die grossartigen Sternschnuppen-
fiille im November der genannten Jahre linden liierin ihre
Erklarung. Auf diese Weise nahm die Erde den grossten
Teil der Masse des Biela'schen Kometen in sich auf. Ein
Kometenkern kann nicht in kompakter Form auf einen
grossen Planeten fallen; er wird von ihm, bevor er seine
Oberflache beriihrt, durch die Wirkung der Anziehungskraft
in Stiicke aufgelost. Die Feuerkugeln sind als Stucke
▼on Kometenkernen aufzufassen, die beim Periheldurch-
gang des Kometen durch Explosionen in demselben fort-
geschleadert wurden. Ein etwaiger Zusammenstoss eines
ll
162
Kometen mit der Erde wird nicht fur die Existenz der
Erde, wohl aber fur die des Kometen verh&ngnisvoll.
Begleitet von zahlreichen frappanten Experimenten,
die aufs beste gelangen, erlauterte Hr. Dr. J. Werder ein
neues chemisches Verfahren, welches fur unsere schweize-
rische Industrie ganz speziell von grosser Bedeutung zu
werden verspricht. Sein Vortrag lautete : Uber die Ein-
wirkung von Aluminium aufMetallsauerstoff-
verbindungen bezw. das Goldschmidt'sche Ver-
fahren zur Erzeugung hoher Temperaturen,
zurHerstellung kohlenstofffreier Metalleund
zur Darstellung von kiinstlichem Korund.
Im Jahre 1898 wurde von Dr. Hans Goldschmidt
in Essen a. d. Ruhr ein Verfahren zur praktischen An-
wendung gebracht, das sich auf die ausserordentlich grosse
Aktionsfahigkeit des metallischen Aluminiums gegen-
tiber Metalloxyden griindet, indem das Aluminium diesen
den Sauerstoff entzieht. Die reduzierenden Eigenschaften
des Aluminiums sind gleich nach der Entdeckung des
Metalls durch Wohler (1827) erkannt worden und wurden
verschiedentlich zur Abscheidung von Metallen aus ihren
Sauerstoffverbindungen benutzt. Sohatnamentlich Claude
Vantin in London auf diesem Wege eine ganze Anzahl
von Metallen hergestellt. Ahnliche reduzierende Eigen-
schaften zeigt auch das Magnesium, mittelst welchem CI.
Winkler das Aluminium aus Tonerde herstellte. Sauer-
stoff entziehende Wirkung iiben ferner eine ganze Anzahl
chemischer Elemente, wie Wasserstoff, Kohlenstoff, Phos-
phor etc. aus. Die Reduktionswirkung des Aluminiums
erstreckt sich aber nicht nur auf die Metalloxyde, sondern
auch auf die Superoxyde, die Sulfate und Nitrate gewisser
163
Metalle. Namentlich die Superoxyde reagieren mit Alu-
minium ausserst energisch. So geniigt, wie aus den vor-
gefuhrten, fcusserst interessanten Experimenten hervorging,
bei einem Gemisch von Natriumsuperoxyd und fein ver-
teiltem Aluminium schon der blosse Zutritt von Feuchtig-
keit, urn das Gemisch unter blendender Licht- und hoher
Warmeentwicklung zur Verbrennung zu bringen. Gleich-
falls sehr heftig ist die Einwirkung von Aluminium auf
entwassertes Glaubersalz und auf gebrannten Gips, wah-
rend merkwiirdigerweise die Salze der sonst so leicht zer-
setzlichen Salpetersaure mit Aluminium nur schwach oder
gar nicht reagieren. Die ganz ausserordentlich hohe
Warmeentwicklung, die man bei der Einwirkung von
Aluminium auf Metalloxyde beobachtet, liegt teils in der
hohen Verbrennungswarme des Aluminiums (7140Kalorien),
teils in der schweren Zersetzlichkeit des Aluminiumoxyds
and dem maximal hohen NutzefFekt begriindet, mit wel-
chem das Aluminium verbrennt.
Erst Goldschmidt hat es verstanden, die Reaktion
zwischen Aluminium und Metalloxyden praktisch nutzbar
zu machen. Hiezu bedurfte es vor allem einer rationellen
Art der Einleitung der Reaktion. Statt, wie man diese
Yersuche friiher ausfuhrte, die zur Einleitung der Reaktion
erforderliche, nicht unbetr&chtliche Warme auf das ganze
Gemisch von Aluminium und Metalloxyd einwirken zu
lassen, wobei die Einwirkung mit explosionartiger Heftig-
keit ablief, liess Goldschmidt die Reaktion an einem
einzigen Punkte des Gemisches einleiten, worauf sie ruhig
nach und nach das ganze Gemisch ergriff. Jetzt war es
auch moglich, mit grosseren Quantitaten zu arbeiten und
die Reaktionsprodukte in nahezu voller quantitativer Aus-
beute zu erhalten. Diese sind nun in der Tat interessant
164
genug. Es gelang Goldschmidt auf diesem Wege, un-
beschrankt grosse Quantitaten vollstandig kohlenstofffreier
Metalle und Metallegierungen von namentlich fur die Stahl-
industrie ausserordentlichem technischem Werte herzu-
stellen.
Das bei diesem Prozesse sich bildende Aluminium-
oxyd, das als Schlacke auf dem flussigen Metall auf-
schwimmt, ist nichts anderes als kiinstlicher Korund und
bildet seiner ausserordentlichen Harte wegen ein brillantes
Schleif- und Poliermaterial, das den Schmirgel an Leistung
weit tibertrifft. Der Erfinder bringt dasselbe nach passen-
der Aufbereitung unter dem Namen „Corubin" in den
Handel. Eine dritte Art der Anwendung des Goldschmidt-
schen Verfahrens bedingt die bei der Einwirkung von
Aluminium auf Metalloxyde freiwerdende, grosse Warme,
wie sie bisher nur im elektrischen Lichtbogen erzeugt
werden konnte und deren Temperatur auf 2900 bis 3000
Grad geschatzt wird. Goldschmidt benutzte zu diesen
Versuchen ein Gemisch von Aluminium mit Eisenoxyd,
das er Thermit nennt. Zur Einleitung der Reaktion, die
in mit feuerfester Erde ausgekleideten Tontiegeln vor-
genommen wird, bestreut er eine, je nach dem Zwecke
wechselnde Menge (ein bis mehrere Kilogramm) Thermit
mit sogen. Entzundungsgemisch (Aluminium und Baryum-
superoxyd) und entziindet das ganze durch Auflegen und
Abbrennen eines Magnesiumstreifchens. Die Reaktion
setzt mit grosser Energie ein und bald ist der Inhalt des
Tiegels eine feurig-fliissige Masse, die eine ganz bedeutende
Lichtemission bositzt.
Obenauf schwimmt eine Schlacke von geschmolzenem
Korund, am Boden des Tigels befindet sich feurig-flussiges,
hocherhitztes, blauspiegelndes, metallisches Eisen. Giesst
■"1
165
man die Schlacke ab und lasst das fliissige Eisen auf eine
bis 1 cm dicke schmiedeiserne Platte fliessen, so ist man
imstande, in die Platte an dem Punkte, wo das Eisen
auffliesst, ein Loch zu schmelzen! Das Experiment ge-
lang dem Yortragenden an einer 6 Millimeter dicken
Eisenplatte innerhalb weniger Minuten.
Aber auch zum Schweissen von Eisenstucken,
Eisenrohren etc. eignet sich Thermit vorziiglich. In
einem der erw&hnten Tiegel brachte der Vortragende 1,7
Kilogramm Thermit zur Reaktion und war damit im-
stande, zwei Stticke von Eisenrohren, die in Formsand
eingebettet und mittelst eines Klemmapparates in ihrer
Lage festgehalten waren, ebenfalls in einigen Minuten
darch und durch zusammenzuschweissen.
Das Goldschmidt'sche Schweissverfahren eignet sich
namentlich zum Zusammenschweissen von Schienen elek-
trischer Bahnen, bei denen es im Interesse der Einheit-
lichkeit des Stromnetzes auf eine vollstandige Dichtigkoit
der Schweisss telle ankommt.
Der physiologischen Chemie, einem Gebiete, das in
onserer Gesellschaft noch selten zur Sprache kam, ent-
nahm Herr Dr. A. Hausmann seine interessanten Mit-
teilungen Tiber d i e Rolle des Fettes im Haushalte
der Natur.
Nachdem der Vortragende einleitend die Fette nach
ihrer physikalischen und chemischen Seite beleuchtet und
ihre industrielle Bedeutung hervorgehoben, tritt er zu-
nichst auf die Entstehung des Fettes, das sich aus
Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff aufbaut, naher
ein. In den Pflanzen entsteht das Fett aus Wasser und
Kohlensaure, und es wird dasselbe von ihnen wiederum
166
als Nahrung, d. h. als Kraft- und Warmespender oder als i
Baustoff beniitzt, indem es sicli in letzterem Falle in :
Starke und Cellulose verwandelt.
Anders bei den Tieren! Diese sind nicht imstande,
das Fett aus anorganischen Bestandteilen aufzubauen, ■
wir miissen dessen Herkunft vielmehr in der Nahrung
suchen. Diese besteht in Eiweiss, Kohlehydrate und Fett, :
die alle direkt oder indirekt aus Pflanzen stammen. Ver-
schiedene Versuche an Tieren haben unzweifelhaft dar-
getan, dass das Nahrungsfett als solches resorbiert wird
und in dem tierischen Korper zur Ablagerung gelangt ■
Weniger sicher ist die Frage entschieden, ob auch
aus dem Eiweiss Fett entstehe. Heute stehen sich, was
die hohern Tiere betrifft, einander widersprechende Ver-
suche gegeniiber, dagegen ist bei niedern Tieren die Ent-
stehung von Fett aus Eiweiss durch Hofmann unzweifel-
haft dargetan worden. Bei hohern Tieren ist sie nur
unter pathologischen Umstanden (fettige Degeneration)
so gut wie sicher nachgewiesen. Eine chemische Erkl&rung
der Bildung von Fett aus Eiweiss ist vorlaufig nicht mog-
lich; dagegen ist der exakte Beweis erbracht, dass sich
Kohlehydrate (Starke und Zucker) im tierischen Korper
in Fett umwandeln.
Hochst interessant sind die chemischen und physi-
kalischen Vorgange, welche durch die Sekrete der Bauch-
speicheldriise, des Darmes und der Leber (Gaile) hervor-
gerufen werden, die schliesslich dem Fette seinen Weg
durch die Epithelzellen des Darmes in den Blutkreislauf
ermoglichen. Mit dem Blute gelangen die winzigen Fett-
tropfchen in die Zellen des Bindegewebes, wo sie ab-
gelagert werden. Eine massige Fettanhaufung bei Men-
schen liber 50 Jahren gilt als etwas Normales. Es kann
167
sich jedoch der Fettansatz in ganz ungewohnlichem,
krankhafbem Masse steigern, wobei Fettleibigkeit und
Fettsucht entsteht. Hiebei konnen nicht bloss ganz enorme
Mengen Fett aufgespeichert werden, sondern es kann sich
auch das muskulose Gewebe in solches verwandeln.
Die Bedeutung des Fettes in der Ernahrung liegt
darin, dass es eiweisssparend wirkt. Versuche haben dar-
getan, dass man bei Futterung mit wenig Fleisch bei
Zusatz von Fett das gleiche Resultat erhalt, wie mit viel
Fleisch allein. Zudem dient das im Korper abgelagerte
Fett als Reservenahrung fur Zeiten der Not. Ein aus-
gemagerter Mensch erliegt dem Hunger friiher als ein
mittelfetter, selbst das Kamel vermag nur mit Htilfe seines
Fetthockers die Entbehrungen der langen Wiistenreise zu
ertragen. Das Fett dient sonach wahrscheinlich auch als
Quelle der Muskelkraft. Ganz sicher aber ist das Fett
die ergiebigste Warmequelle fur den Korper. Darum
nehmen die Bewohner der Polarlander viel mehr Fett
(Tran) zu sich, als die Bewohner der Tropen. Bei der
langsamen Verbrennung im Korper bemachtigt sich der
Sauerstoff der Wasserstoff- und Kohlenstoffatome und das
Fettmolekiil geht restlos in Wasser und Kohlensaure auf,
welche letztere wieder die Ausgangsmaterialien bilden,
aus denen die Pflanze das Fett auf baut.
Eine neue einfache und sinnreiche „Methode zur
Bestimmung des Heizwertes verschiedener
Brennmaterialien, vornehmlich derKohle"de-
monstrierte Herr Professor Dr. Kopp.
Bis vor kurzer Zeit hatte man zur Bestimmung solcher
Heizwerte entweder ungenaue oder sehr komplizierte In-
8trumente. Eine in besondern Fallen auch heute noch
168
angewandte Methode beruht auf einer chemischen Elemen-
taraiialyse der Kohle und nachheriger Berechnung des
Heizwertes nach der Dulongschen Formel. In neuerer Zeit
erfand der Chemiker Berthelot eine thermochemische
Methode; der betreffende Apparat, eine Gussstahl-Bombe
mit dicker Platinfutterung, kam jedoch auf circa 3000
Franken zu stehen. Die Ersetzung des teuren Platins
durch ein widerstandsfahiges Email durch Ingenieur
Mahler reduziert den Preis des Apparates auf ca. 1000
Franken. Diese Calorimeter-Bombe von Berthelot-
Mahler nahm Herr Professor Kopp zum Gegenstand
seiner Demonstration. Sie enthalt in ihrem Deckel zwei
Bohrungen zur Aufnahme eines isolierten Platindrahtes
einerseits, einer Sauerstoff-Zuleitung anderseits. Das zu
untersuchende Brennmaterial wird in ein Platinschiffchen
eingefullt, welches mittelst eines Platindrahtes am Deckel
der Bombe befestigt ist. Das ganze kommt in ein mit
2200 Gramm Wasser gefiilltes, gut isoliertes Messing-
gefass, das Calorimeter, zu stehen. Nachdem das Schiff-
chen mit einer genau gewogenen Menge Kohle (ca. 1 gr)
beschickt worden, wird der Deckel auf die Bombe auf-
geschraubt, dann reiner SauerstofF bis zu einem Druck
von ca. 25 Atmospharen eingeleitet. Hierauf bestimmt
man die Temperatur des Wassers im Calorimeter und
setzt den an seinem untern Ende durch einen diinnen
Eisendraht mit der Kohle verbundenen oben erwahnten
Platindraht mit einer galvanischen Batterie in Kontakt.
Der Strom entziindet den Eisendraht und dieser die Kohle,
welche im komprimierten SauerstofF momentan und voll-
standig verbrennt. Nach ca. drei Minuten hat sich die
Verbrennungswarine der Kohle dem Calorimeter- Wasser
mitgeteilt. Aus der Differenz der beiden Thermometer-
169
ablesungen kann durch eine einfache Bechnung unter Be-
rucksichtigung der durch die Metallteile des Apparatus,
sowie des Stickstoff- und Schwefelgehaltes der Kohle notigen
Eorrekturen die Verbrennungswarme der Kohle ermittelt
werden. Der vorgefuhrte Versuch mittels einer von Herrn
Oberingenieur Struppler in Zurich bereitwilligst zur Ver-
fugung gestellten Bombe gelang ausgezeichnet. Bei einer
gaten Kohle betragt der unverbrennliche Riickstand, die
Schlacke, ca. 3°/o, bei einer schlechten bis 10°/o. Die Vor-
teile der neuen Berthelot-Mahlerschen Methode beruhen
auf der einfachen Handhabung des Apparates, der kurzen
Dauer des Versuches und der grossen Genauigkeit der
Besultate. Die Hauptschwierigkeit bei diesem Verfahren
liegt in der Probenentnahme, d. h. darin, dass die zu
untersuchende Probe (1 gr Substanz) einen richtigen Mittel-
wert aus einer grossen Quantitat des betreffenden Brenn-
materials repr&sentiert, was durch successives Zerkleinern,
Vermengen und Teilen einer ganzen Wagenladung Kohle
z. B. erzielt werden kann.
Herr Professor Dr. Kopp hat nach dieser Methode
folgende mittlere Heizwerte erhalten:
45 Sorten Saarkohlen ergaben 6700 Kalorien.
57 „ Ruhrkohlen 7600 n
20 „ belgische Kohlen 7630 r
10 „ Ruhrbriquettes 7650 v
21 „ Coaks 6620 „
Beobachtungen und Erfahrungen, unmittelbar aus
seiner praktischen Tatigkeit geschopft, bot Herr Forstver-
walter Wild mit seinen Mitteilungen iiber die „Aste des
Baumes % „nasse Wiesen und Waldera und das nEich-
hornchen".
170
1. Die Aste des Baumes.
Ein freistehender Baum bekleidet sich mit einer
machtigen Krone. Mit der Blattflache proportional ist
seine Vegetationskraft, d. h. je mehr Blatter ein Baum
besitzt, desto grosser ist sein Wachstum, ferner: je auf-
wartsstrebender ein Zweig ist, desto starker ist sein Wachs-
tum. Diese Grundsatze finden in erster Linie Anwendung
im Zwergobstbau. Horizontale Zweige, wie man sie haufig
an altera Spalieren beobachten kann, bleiben im Wachs-
tum zuriick, sobald man aber die Enden derselben nach
oben richtet, hebt sich deren Wachstum und Produktions-
kraft. — Im geschlossenen finstern Hochwald ist das
Wachstum nur gering, immerhin sieht sich der Forster
veranlasst, dichte Bestande heranzuziehen, um astfreies
Holz zu erhalten. Die untern, dem Lichte entzogenen
Aste sterben ab. Laubholzer und Larche reinigen sich
selbst, indem ihre dunnen Aste bald abfallen. Anders ver-
halt es sich bei der Rottanne, deren zahe Aste allmalig
ins Holz hinein wachsen, ohne jedoch mit dem Stamm-
holz zu verwachsen und dann im Brett die bekannten
Astlocher verursachen, welche das Holz sehr entwerten.
Ein Abschneiden der durren Aste kann daher nur nutzlich
sein, vorausgesetzt, dass es mit der notigen Sachkenntnis
und Sorgfalt geschieht, d. h. mittelst eines scharfen Schnittes
moglichst nahe am Stamm. Beil oder Gertel sind hiebei
zu vermeiden. Solche Wunden vernarben rasch und schon
durch Uberwallung, wahrend abgesplitterte Aste unrein
uberwallen. Alle die genannten Vorkommnisse demon-
strierte Herr Forstverwalter Wild an pragnanten Bei-
spielen. — Der Baumziichter sieht sich veranlasst, auch
griine Aste abzuschneiden, um die Krone der jungen
Baume erst iiber Mannshohe zu bilden, des Weideviehs
171
wegen. Beim Versetzen junger B&ume gehen viele Wur-
zeln zu Grande und es muss aach deshalb die Krone ent-
sprechend zurtiokgesetzt werden. Diese Operation darf
nicht zur Saftzeit vorgenommen werden, ferner hemmt
ein Bestreichen der Wunden mit Teer die Pilzentwick-
lang. Das Zuriickstutzen junger B&ume verhindert auch
allzufruhen Fruchtansatz und macht sie dadurch kr&ftiger.
Zum Schlusse wendet sich der Lektor gegen das in unsern
Gebirgsgegenden gebrauchliche „ A u f a s t e n " ( Abhauen
der untern Aste), namentlich bei der gegen jede Verwun-
dang sehr empfindlichen Rottanne, welches haufig die
Rotfaule im Gefolge hat und die Ansiedlung des Borken-
kafers begunstigt.
2. Das Eichhornchen.
Im Friihjahr kann man haufig die Beobachtung machen,
dass Seitentriebe der Eottannen massenhaft am Boden
liegen. Als Urheber dieses Unfuges muss das Eichhornchen
angeklagt werden, das es auf die am Grunde der genannten
Zweige sitzenden Knospen abgesehen hat. Auch beim
besten Willen lasst sich dem niedlichen Tierchen irgend
ein Nutzen nicht wohl nachreden, selbst sein Fleisch ist
kaom geniessbar; wohl aber wird es mit vollem Recht
verschiedener Schadigungen bezichtigt. Der Vortragende
machte es sich zur Aufgabe, diese nach ihrem vollen
Werte abzuschatzen. Das erwahnte Abbeissen von Zweigen
schadet in der Regel den Tannen bei ihrer grossen Be-
laubong wenig. Schlimmer hausen die Tierchen ausnahms-
weise durch das Abnagen der Gipfeltriebe junger Baume.
Auch das Abbeissen der Zapfen kann ausser bei den Arven
kaom als Schadigung taxiert werden; dagegen bereitet
das Eichkatzchen dem Obstziichter zuweilen durch Auf-
beissen der sohdnsten Friichte grosses Argernis. Auch
172
wird ihm mit der schlimmen Nachrede des Nestraubes
von Eiern und jungen Vogeln kaum grosses Unrecht an-
getan. Alles zusammengenommen resultiert nicht gerade
ein Schaden in grossem Massstabe, und wenn man ver-
gleicht, wie viel das muntere Tierchen durch seine leb-
haften Spriinge und possierlichen Bewegungen zur Be-
lebung des Waldes beitragt, so uberwiegt die Freude daran
das angestiftete Unheil. Gegen allzu grosse Vermehrung
schutzt sich die Natur selbst durch gleichzeitige Vermeh-
rung seiner Feinde und nur in seltenen Fallen ist ein
Eingreifen des Menschen vonnoten.
3. Nasse Wiesen und Walder.
Das Wasser vermittelt den Wurzeln der Pflanzen die
Nahrstoffe, es befordert die chemische Zersetzung derselben
im Boden und unterstutzt die Vermehrung der Bakterien,
die bei der Aufschliessung des Erdreichs eine sehr wichtige
Rolle spielen. Wasseriiberfluss im Boden wirkt aber sehr
nachteilig, einmal durch Verdrangung des Luftsauerstofis,
anderseits durch Uberhandnahme von Humussauren, welche
direkt giftig auf die Pflanzen einwirken. An Beispielen
aus unserm Rheintal zeigt der Vortragende, wie nasse
Ebenen gefahrliche Froste erzeugen durch ihre grosse
Was8erverdun8tung. Verdunstung bindet Warme und diese
wird der nachsten Umgebung, den Rebgelanden an den
Hangen, entzogen. Nasser Boden entsteht entweder durch
Grundwa8ser, welches durch Stauung von Fliissen und
Bachen in den Ebenen sich ansammelt oder durch auf
undurchlassigem Grund entspringende Quellen, deren
Wasser nicht gehorig abgeleitet wird. Solchen, sei er
aus Leberfels, Lehmbanken oder Gletscherschutt gebildet,
trifil man in unserer Gegend vielerorts. Als erste Frucht
der Rheinregulierung gedenkt Herr Wild der enormen
173
Entwasserung durch den Binnenkanal, welche jetzt schon
scheme Erfolge zeitigt. Der Entwasserung muss einhaufiges
Umarbeiten des Bodens folgen, erst dadurch werden die
schadlichen Sauren neutralisiert und der fruchtbare Nolla-
schlamm aufgeschlossen und ertragfahig. Die Entwasse-
rung im Kleinen wird durch Ziehen von offenen oder mit
Kies oder Holzlatten ausgefullten Graben oder durch
Legen von Drainrohren bewerkstelligt. Letztere sollen
mindestens 1,20 m tief in den Boden zu liegen kommen
and nicht zu eng sein, sonst werden sie vollstandig von
einem dichten Wurzelgeflecht, den sog. BWurzelz6pfenu,
ausgefullt und ihr Nutzeffekt dadurch auf ein Minimum
reduziert. Land- und Forstwirtschaft ziehen in gleicher
Weise Vorteile aus rationell durchgeflihrten Entwasse-
rangen ; der Humus wird erst nach der Entwasserung f iir
die Pflanzen geniessbar, Sturm, Frostschaden und Schnee-
dnick verlieren an verderbender Wirkung.
Bis zum letzten Atemzuge hat Herr D ire k tor Dr.
B. Wartmann nicht nur die Leitung der ihm anver-
trauten Gesellschafb in zielbewusster Hand gehalten, son-
dern auch durch eigene Darbietungen zur Belebung der
Vereinsabende beigetragen. Noch in der Sitzung vom
9. Mai, der letzten, der er beiwohnte, demonstrierte er
onter erlauternden Bemerkungen eine Anzahl Vogel, die
das Museum in jiingster Zeit erhielt, so den Stein-
sperling, der bei uns Zugvogel, im biindnerischen Rhein-
tal, im Dnterwallis, Genf und Neuenburg dagegen Nist-
vogel ist, ein junges Schneehuhn im Sommerkleid,
eine Eidergans, welche von Herrn T o b 1 e r , Maler, bei
Rorschach erlegt wurde. Herr Praparator Zollikofer
schenkte dem Museum ein altes Mannchen der Eidergans
174
im Sommerkleid, das bereits leise Andeutungen an die
prachtvolle Winterrobe enthalt. Es wurde am 22. Oktober
1901 bei Horn lebend gefangen. Yom Bodensee stammen
ferner zwei hiibsche Haubentaucher im Sommer- und
Winterkleid. Von verschiedenen Seiten erhielt Herr Pra-
parator Zollikofer Junge im Daunenkleid. Auch ein makel-
loser Albino vom Haubensteisfuss konnte bei Horn am
5. Oktober vorigen Jahres lebend gefangen werden. Das
Museum besitzt einen zweiten Albino vom kleinen Steis-
fuss. Eine Zierde unserer Voliere bildete lange Zeit eine
aus Norddeutschland stammende weisse Dohle, welche
nach ihrem Ableben ein Platzlein im Museum erhalten hat.
III.
Verzeichnis
der zirkulierenden Zeitschriften.
A. Fur den wissenschaftlichen Lesekreis
bestimmte (je 1 Exemplar).
(19 wissenschaftliche Zeitschriften.)
1. Richet, Revue scientiiique.
2. Sklarek, Naturwissenschaftliche Rundschau. Wochent-
liche Berichte liber die Fortschritte auf dem Gesamt-
gebiete der Naturwissenschaften.
3. Milne Edwards et Van Tieghem, Annales des sciences
naturelles: Zoologie et Botanique.
4. Archives des sciences physiques et naturelles (Biblio-
theque universelle).
5. Bastian, Virchow und Voss, Zeitschrift fur Ethnologie.
6. Kiihne und Voit, Zeitschrift fur Biologie.
7. Kolliker und Ehlers, Zeitschrift fur wissenschaftliche
Zoologie.
8. Wettstein, Osterreichische botanische Zeitschrift.
9. Uhlworm und Kohl, Botanisches Zentralblatt.
10. Bauer, Koken und Liebisch, Neues Jahrbuch fur
Mineralogie, Geologie und Palaontologie.
11. Zentralblatt fiir Mineralogie, Geologie und Pala-
ontologie.
12. Krahmann, Zeitschrift fur praktische Geologie.
13. Wiedemann, Annalen der Physik.
H. Beiblatter zu den Annalen der Physik.
176
15. Arendt, Chemisches Zentralblatt.
16. Meyer, Journal fur praktische Chemie.
17. Hann und Hellmann, Meteorologische Zeitschrifb.
18. Virchow, Nachrichten iiber deutsche Altertumsfunde.
19. Revue Suisse de Zoologie.
B. Fiir den popularen Lesekreis bestimmte.
(28 populare Zeitschrif ten.)
1. Hesdtfrffer, Natur und Haus. Illustrierte Zeitschrift
fiir alle Naturfreunde. (4 Exemplare.)
2. Klein, G&a. Natur und Leben. Zentralorgan zur Ver-
breitung naturwissenschaftlioher und geographischer
Kenntnisse. (3 Ex.)
3. Koller, Neueste Erfindungen und Erfahrungen auf den
Gebieten der praktischen Technik, Elektrotechnik, der
Gewerbe, Industrie, Chemie, der Land- und Hauswirt-
schaft. (2 Ex.)
4. Schwahn, Himmel und Erde. Illustrierte naturwissen-
schaftliche Monatsschrift, herausgegeben von der Ge-
sellschaft Urania in Berlin. (2 Ex.)
6. Schweiger-Lerchenfeld, Der Stein der Weisen. Illu-
strierte Halbmonatsschrift fiir Haus u. Familie. (3 Ex.)
6. Witt, Prometheus. Illustrierte Wochenschrifb Tiber die
Fortschritte in Gewerbe, Industrie und Wissenschaft.
(3 Ex.)
7. Figuier, La science illustree. Journal hebdomadaire.
(1 Ex.)
8. Formentin, Le Magasin pittoresque. (3 Ex.)
9. Bibliotheque universelle et Revue Suisse. (2 Ex.)
10. Potonie, Naturwissenschaftliche Wochenschrift. (4 Ex.)
11. Westermanns illustrierte deutsche Monatshefte fiir das
gesamte geistige Leben der Gegenwart. (4 Ex.)
177
12. Andree, Globus. Dlustrierte Zeitschrift fur Lander-
und Volkerkunde. (3 Ex.)
13. Petermanns Mitteilungen aus Justus Perthes' geogra-
phischer Anstalt. Herausgegeben von Supan. (2 Ex.)
14. Brix, Gesundheit. Hygieinische und gesundheits-
technische Zeitschrift. (2 Ex.)
15. Custer, Schweizerische Blatter fur Gesundheitspflege.
Dem Schweizervolke gewidmet von der Gesellschaft
der Arzte des Kantons Zurich. (8 Ex.)
16. Sandoz, Feuilles d'Hygiene et de medecine populaires.
(4 Ex.)
17. Bottger, Der zoologische Garten. Zeitschrift fur Be-
obachtung, Pflege und Zucht der Tiere. Organ der
zoologischen Garten Deutschlands. (2 Ex.)
18. Stahlecker, Wild und Hund. (3 Ex.)
19. Beck-Corrodi, Schweizerische Blatter fur Ornithologie
und Kaninchenzucht. (4 Ex.)
20. Brodmann, Die Tierwelt. Zeitung fiir Ornithologie,
Gefliigel- und Kaninchenzucht. (3 Ex.)
21. Hennicke, Frenzel und Taschenberg, Monatsschrift des
deutschen Vereins zum Schutze der Vogelwelt. (2. Ex.)
22. Russ, Die gefiederte Welt. Wochenschrift fur Vogel-
liebhaber, -Ziichter und -Handler. (2 Ex.)
23. Muller-Thurgau und Lobner, Der schweizerische Garten-
bau. Ein praktischer Fuhrer fiir Gartner, Garten- und
Blumenfreunde. (4 Ex.)
24. Wittmack, Gartenflora. Zeitschrift fiir Garten- und
Blumenkunde. (2 Ex.)
25. Bourguignon, Revue horticole. (2 Ex.)
26. Stebler, Schweizerische landwirtschaftliche Zeitschrift.
Herausgegeben vom schweizerischen landwirtschaft-
lichen Verein. (3 Ex.)
12
178
27. Miiller-Thurgau und Zschokke, Schweizerische Zeit-
schrift fur Obst- und Weinbau. Organ des schweize-
rischen Obst- und Weinbauvereins, sowie der Ver-
suchsstation und Schule fur Obst-, Wein- und Garten-
bau in W&denswil. (4 Ex.)
28. Fankhauser, Schweizerische Zeitschrift fur das Forst-
wesen. Organ des schweizerischenForstvereins. (3 Ex.)
Vorschlage fiir Neuanschaffungen:
Fur den wissenschaftlichen Lesekreis:
1. Biologisches Zentralblatt von Rosental, Fr. 26 p. Jahr.
2. Zentralblatt fiir Anthropologie und Ethnologic, Fr. 15.
3. Acta mathematica von Mittag-Leffler, Fr. 20. — .
IV.
Bericht
fiber den Schriften-Austausch und die Mappenzirkulation
(1. Juli 1901 bis 31. Dezember 1902).
Vom Bibliothekar der Gesellschaf t :
Konservator E. Bachler.
Abermals floss ein reiches Material von Berichten,
Abhandlungen etc. der mit uns im Tauschverkehr stehen-
den wissen8chaftlichen Gesellschaften und Vereine herzu
(238 Sendungen). Die Gesamtzahl dieser Institute betragt
heute 207, woriiber das nachstehende Verzeichnis genauen
Aufschluss erteilt.
Neu hinzugekommen sind folgende:
Columbus (Ohio), Ohio State University,
Leiden (Holland), Chefredaktion des „Botanischen Zen-
tralblatt",
Liestal, Naturforschende Gesellschaft Baselland,
Montana, University of Montana,
New-York City, American Mathematical Society.
Mit besonderer Freude und verbindlichstem Danke
erwahnen wir wiederum mehrerer Dedikationen, welche
von Freunden und Gonnern unserer Gesellschaft iiber-
macht wurden, so von den HH. Prof. Dr. J. Friih (Zurich),
Prof. Dr. E. Goldi(Para), Prasident W. Gsell (St.Gallen),
Dr. G. Stierlin (Schaffhausen) und Prof. Dr. A. Wolfer
(Zurich).
Uber den Gang der Mappenzirkulation konnen
180
wir uns mehr oder weniger kurz fassen. — Wenn im
grossen Ganzen in den meisten Lesekreisen eine stramme
Ordnung herrschte, so machten sich in einzelnen derselben
Storungen empfindlichster Art geltend, namentlich infolge
von Mappenanhaufungen. Im Interesse der Bessergestal-
tung dieses einen Ubelstandes sahen wir uns veranlasst,
wahrend einer bestimmten Zeit in mehrere Kreise nur je
alle 14 Tage Lesestoff zu versenden. Dieses Vorgehen
hatte eine entschiedene Wirkung. Sehr viel konnen unsere
Regulatoren durch strikte Handhabung ihrer Kompetenzen
(Versandt von nur einer Mappe per Woche, in der
Reihenfolge der Speditionsnummern), die iibrigen Leser
unserer Mappen aber durch genaues Innehalten des „Lese-
reglementesa dazu beitragen, die Zirkulation zu einer far
alle Teile erfreulichen zu gestalten.
Wiederholt ist es vorgekommen, dass namentlich neu
eingetretene Leser nicht die voile Lesezeit von 7 Tagen,
sondern nur deren 4 — 6 eingetragen, andere dagegen die
Mappen 8 und mehr Tage behielten. Findet der Biblio-
thekar ein solches plus oder minus schwarz auf weiss
in den Listen aufgezeichnet, so muss er nach den Vor-
schriften des Reglementes die stets unwillkommene Busse
verhangen. Da wir in einem Separatschreiben an alle
unsere Leser gelangen werden, in welchem der eint und
andere Passus des Reglementes liber die Beniitzung der
Lesemappen weiter ausgefiihrt ist, verzichten wir hier auf
speziellere Auslassungen, wollen aber besonders noch her-
vorheben. dass in der jetzt bestehenden Reihenfolge der
Leser im kommenden Jahre eine Neuordnung geschaffen
werden muss.
Die Zahl der Leser unserer Mappen betrug im Be-
richtsjahre 280 ( — 1). Hie von fallen auf die wissen-
schaftliche Sektion 37, auf die populare deren 243. In dor
Sralt wohuun 171 i-r 5), auf d em Landi; 109 ( — 6) Loser.
Von den Zeitschriften sind das rArchiv fur
Xaturgeschichte" von Hilgendorf und die so beliebte
„Natur* in Wegfall gekommen. Ersteres ist mit den
Jahren in seinen verschieden voluminosen, zwanglos er-
scheinenden Banden so teuer geworden, dass wir die
Ausgaben fur dasselbe (Fr. 80 fur einen Band von circa
400 Seiten) nicht mehr zu rechtfertigen vermochten, um
so mehr, als diese Zeitschrift nur mehr ein Litteraturver-
zeichnis, teilweise auch mit kritischen Rezensionsberichten
und kurzen Inhaltsangaben ist. Wir haben vorgezogen,
an Stelle deraelben unsern Zwecken mehr entsprechende
Schriften, u. a. auch neuere, popular-wissenschaftlich ge-
haltene und streng wissenschaftliche Werke von allge-
meiner Bedeutung unsern Mappen einzuverleiben. Die
rNatura ist mit dem Jubilaumsjahr (51) eingegangen,
bezw. mit der im Verlage von Gustav Fischer in Jena
erscheinenden ^Naturwissenschaftlichen Wochenschrift " ,
herausgegeben von Prof. Dr. Potonie, vereinigt worden,
welch letztere wegen ihres gediegenen Inhaltes, ihrer
zahlreichen Originalarbeiten und des ausserordentlich billi-
gen Preises (Mark 1. 60 per Vierteljahr) nunmehr in 4
Eiemplaren gehalten wird.
Von Neujahr 1903 ab kommen als neu abonnierte
Zeitschriften fur die wissenschafthche Sektion hinzu:
Bosental: Biologisches Zentralblatt, und Mittag-
Leffler: Acta mathematica. Letztere haben wir auf
speziellen Wunsch unserer Mathematiker, welche zu den
eifrigsten Lesern der Mappen und den Forderern unserer
Vereinsinteressen zahlen, angeschaSl. Ausserdem sind im
verflossenen Jahre wiederum eine grossere Zahl von Ein-
182
zelschriften und in Lieferungen erscheinende Werke in
die Mappen gewandert. Wir erwahnen der Ktirze halber
nur folgende:
Kramer: Weltall und Menschheit.
Lamport: Die Volker der Erde.
Ratzel: Die Erde und das Leben.
Meyer: Der Untergang der Erde und die kosmischen
Katastrophen.
Meyer: Die Entstehung der Erde und des Irdischen.
Keller: Die Abstammung der altesten Haustiere.
Wir geben uns der Hoffhung hin, es mochten durch
Zuzug derartiger prachtiger litterarischer Erscheinungen
allmalig jene Klagen iiber den „altenu Lesestoff ver-
schwinden; tibrigens gibt es wohl wenige naturwissen-
schaftliche Gesellschaflen, welche eine solch reiche Aus-
wahl gediegener Zeitschrifben fuhren (49, namlich 21 rein
wissenschaftlichen und 28 mehr popularen Inhalts). Da-
gegen ist es unvermeidlich, dass eben in alien Lesekreisen
auch Hefte altern Datums zirkulieren, andernfalls miisste
fiir jeden derselben ein eigenes Exemplar angeschafil
werden, was aber z. B. bei 8 popularen Kreisen fur unsere
Kasse eine unerschwingliche Ausgabe bedeuten wiirde.
j
V.
Akademien und Vereine,
mit welchen
die St. Gallische Naturwissenschaftliche Gesellschaft
in Tauschverbindung steht.
Aarau. Aargauische Naturforschende Gesellschaft.
AUenburg. Naturforschende Gesellschaft d«s Osterlandes.
Augsburg. Naturhistorischer Verein fiir Schwaben und Neuburg.
Baltimore. Johns Hopkins University.
Bamberg. Naturforschende Gesellschaft.
Basel. Naturforschende Gesellschaft.
Bautzen. Naturwissenschaftliche Gesellschaft Isis.
Bergen. Museum.
Berlin. Botanischer Verein fiir die Provinz Brandenburg.
— Deutsche geologische Gesellschaft.
— Kgl. preussisches meteorologisches Institut.
Bern. Naturforschende Gesellschaft.
— Schweizerische naturforschende Gesellschaft.
Bdhmisch-Leipa. Nordbohmischer Exkursionsklub.
Bonn. Naturhistorischer Verein der preussischen Rheinlande,West-
falens und des Regierungsbezirks Osnabruck.
Boston. American Academy of Arts and Sciences.
— Society of Natural History.
— John Hopkins University.
Braunsberg (Ostpreussen). Botanisches Institut des konigl. Lyceum
Hosianum.
Braunschweig. Verein fur Naturwissenschaft.
Bremen. Meteorologisches Observatorium.
— Naturwissenschaftlicher Verein.
Breslau. Schlesische Gesellschaft fiir vaterlandische Kultur.
Brooklyn. Institute of Arts and Sciences.
Briinn. K. k. ma b rise he Landwirtschaftsgesellschaft.
— Museum Francisceum.
— Naturforschender Verein.
184
Briinn. Klub far Naturkunde.
Briissd. Academie royale des sciences, des lettres et des beaux-arts.
— Societe entomologique de Belgique.
— Society nialacologique de Belgique.
— Societe royale de Botanique de Belgique.
Budapest. Regia Societas Scientiarum Naturalium Hungarica.
— Ungarisches Nationalmuseum.
— Ungarische ornithologische Centrale.
Buenos-Ayrcs. Museo nacional.
— Academia nacional de Sciencias.
— Deutsche akademische Vereinigung.
Buffalo. Society of Natural Sciences.
Cambridge (Mass.). Museum of Comparative Zoology.
Cosset. Verein fur Naturkunde.
Cliapell Hill (North-Carolina). Elisha Mitchell Scientific Society.
Chemnitz. Naturwissenschaftliche G-esellschaft.
Cherbourg. Societe nationale des sciences naturellesetraathematiques.
Chicago. Academy of Sciences.
CJiur. Naturforschende Gesellschaft Graubundens.
Cincinnati (Ohio). Lloyd Library.
Colmar. Naturhistorische Gesellschaft.
Colorado Springs. Colorado College.
Columbus (Ohio). Ohio State University.
Cordoba (Rep. Argentina). Academia nacional de Ciencias.
Danzig. Naturforschende Gesellschaft.
Darmstadt. Mittelrheinischer geologischer Verein.
Davenport. Academy of Natural Sciences.
Denver (Colo.). Colorado Scientific Society.
Des Moines (Iowa). Geological Survey.
Donaueschingen. Verein fur Geschichte und Naturgeschichte der
Baar.
Dresden. Gesellschaft fur Natur- und Heilkunde.
— Naturwissenschaftliche Gesellschaft „Isis".
Dublin. Observatory of Trinity College.
Diirkheim a. d. Hardt. Pollichia, Naturwissenschaftlicher Verein
der Rheinpfalz.
Elberfeld. Naturwissenschaftlicher Verein.
Emden. Naturforschende Gesellschaft.
Erlangen. Physikalisch-medicinische Societat.
Florenz. Quarto Castello, Osservatorio.
Frankfurt a. M. Physikalischer Verein.
185
Frankfurt a. M. Senckenbergische Naturforschende Gesellschaft.
Frankfurt a. d. O. Naturwissenschaftlicher Verein des Regierungs-
bezirkes Frankfurt.
Frauenfeld. Thurgauische naturforschende Gesellschaft.
Freiburg i. B. Naturforschende Gesellschaft.
Freiburg (Schweiz). Societe des sciences naturelles.
Fnlda. Verein fur Naturkunde.
Gcnf. Institut national genevois.
- Societe botanique.
Society de Physique et d'Histoire naturelle.
— Conservatoire et Jardin botanique.
Gem. Gesellschaft von Freunden der Naturwissenschafton.
Giessen. Oberhessische Gesellschaft fur Natur- und Heilkunde.
Gbirus. Naturforschende Gesellschaft.
Gorlitz. Naturforschende Gesellschaft.
Graz. Naturwissenschaftlicher Verein fur Steiermark.
— Verein der Arzte in Steiermark.
Greifstcald. Geographische Gesellschaft.
— Naturwissenschaftlicher Verein von Neu -Vorpommern und
Riigen.
GOntrow. Verein der Freunde der Naturgeschichte in Mecklenburg.
Haarlem. Musee Tayler.
Halifax (Nova Scotia, Can.). Nova Scotia Institute of Natural Science.
Halle a. d. S. K. Leop.-Carol. Deutsche Akademie der Naturforscher.
— Naturwissenschaftl. Verein fiir Sachsen und Thuringen.
— Verein fiir Erdkunde.
Hamburg. Naturwissenschaftlicher Verein.
— Verein fiir naturwissenschaftliche Unterhaltung.
Hanau. Wetterauische Gesellschaft fiir die gesamte Naturkunde.
Hannover. Naturhistorische Gesellschaft.
Heidelberg. Naturhistorisch-medizinischer Verein.
Bdsingfors. Societas pro Fauna et Flora Fennica.
Hermannstadt. Siebenbiirgischer Verein fiir Naturwissenschafton-
Iglo. Ungarischer Karpathen-Verein.
Inruhruck. Ferdinandeum fur Tirol und Vorarlberg.
Karlsruhe. Naturwissenschaftlicher Verein.
Kami. Verein fiir Naturkunde.
Kiel. Naturwissenschaftlicher Verein fiir Schleswig-Holstein.
Klagenfurt. Naturhistorisches Landesmuseum von Karnten.
Klautenburg. Siebenbiirgischer Museumsverein (arztliche und natur-
wissenschaftliche Abteilung).
Konigsberg. Physikalisch-okonomische Gesellschaft.
186
Krefeld. Verein fur Naturkunde.
Landshut. Botanischer Verein.
La Plata (Rep. Argentina). Museo de la Plata.
Lausanne. Soci^te vaudoise des sciences naturelles.
Leiden. Chef-Redaktion des botanischen Zentralblattes, E. J. Brill.
Leipzig. Naturforschende Gesellschaft.
Liestal. Naturforschende Gesellschaft Baselland.
Linz. Museum Francisco-Carolinum.
— Verein fur Naturkunde in Osterreich ob der Enns.
Liineburg. Naturwissenschaftlicher Verein.
Luxemburg. Institut grand- ducal, section des sciences naturelles
et math6matiques.
— Verein Luxemburger Naturfreunde.
— Soci6t6 botanique.
Luzern. Naturforschende Gesellschaft.
Lyon. Societe Linn6enne.
Madison (Wisconsin). Academy of Sciences, Arts and Letters.
Magdeburg. Naturwissenschaftlicher Verein.
Marburg. Gesellschaft zur Beforderung der Naturwissenschaften.
Meriden (Conn.). Scientific Association.
Mexiko. Instituto geologico de Mexiko.
Milwaukee. Public Museum.
— Wisconsin Natural History Society.
Minneapolis (Minnesota). Academy of Natural Sciences.
Montana. University of Montana. Missoula (Mont.).
Montevideo. Museo Nacional.
Moskau. Societe Imperiale des Naturalistes.
Miinchen. Kgl. bayrische Akademie der Wissenschaften.
— Ornithologische Gesellschaft.
Miinster. Westfalischer Provinzial verein f iir Wissenschaft und Kunst.
Nancy. Societe des sciences.
Nantes. Societe des sciences naturelles de TOuest de la France.
Neisse. Wissenschaftliche Gesellschaft Pbilomathie.
NeucJidtel. Societe des sciences naturelles.
— Societe de Geographic.
Neustadt a. d. H. Pollichia, naturwissenschaftlicher Verein der
Rheinpfalz.
New-Haven (Connecticut). Academy of Arts and Sciences.
New-York. Academie of Sciences.
— American Museum of Natural History.
— American Mathematical Society.
187
Swrnberg. Naturhistorische Gesellschaft.
Odessa. Neu-russische Gesellschaft der Naturforscher.
Offenbach. Verein fur Naturkunde.
Osnabruck. Naturwissenschaftlicher Verein.
Pard (Brasilia n). Museu Paraense de Historia natural e Ethnographia.
Paris. Jeunes Naturalistes.
Passau. Naturhistorischer Verein.
Petersburg. Hortus Petropolitanus.
Philadelphia. Academy of Natural Sciences.
— American Philosophical Society.
— Wagner Free Institute of Science.
Pisa. Societa toscana di Scienze Naturali.
Prag. Kgl. bohmische Gesellschaft der Wissenschaften.
— „Loto8u, deutscher naturwissenschaftlich-medizinischer Ver-
ein fiir Bohmen.
Prtssburg. Verein fiir Natur- und Heilkunde.
Regensburg. Kgl. Botanische Gesellschaft.
— Naturwissenschaftlicher Verein.
Reichenberg (Bohmen). Verein fiir Naturfreunde.
Rio de Janeiro. Museu nacional.
Rock Island (111.). Augustana College.
Rochester (N. Y.). Academy of Science.
Rom. Ac cade mi a dei Lincei.
— Specola Vaticana.
Salem (Mass.). American Association for the Advancement of Science.
— Essex Institute.
Santiago (Chili). Societe scientifique du Chili.
St. Louis (Missouri). Academy of Science.
— Botanical Garden.
Sitten. Murithienne, Societe valaisanne des sciences naturelles.
Solothurn. Naturforschende Gesellschaft.
Springfield (111.). Illinois State Laboratory of Natural History.
Stavanger (Norwegen). Museum.
Stockholm. Entomologiska Foreningen.
Stuttgart. Verein fiir vaterlandische Naturkunde in Wurttemberg.
Topeka (Kansas). Kansas Academy of Science.
Trencsin (Ungarn). Naturwissenschaftlicher Verein des Troncsiner
Comitates.
Tricst. Societa Adriatica di Scienze Naturali.
— Museo civico di storia naturale.
Tromso. Museum.
188
Tufts College (Mass.).
Ulm. Verein fur Mathematik und Naturwissenschaften.
Upsala. Kgl. Universitatsbibliothek.
Urbana (111.). State Laboratory of Natural History.
Valparaiso. Deutscber wissenschaftl. Verein zu Santiago de Cbile.
Washington. Department of Agriculture.
— Smithsonian Institution.
— U. S. Geological Survey.
— U. S. National Museum.
Wemigerode. Naturwissenschaftlicher Verein des Harzes.
Wien. K. k. Zentralanstalt fiir Meteorologie und Erdmagnetismus.
— Entomologischer Verein.
— K. k. geologische Reichsanstalt.
— K. k. naturhistorisches Hof museum.
— Verein zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse.
— Zoologisch-botanische Gesellschaft.
Wiesbaden. Nassauischer Verein fiir Naturkunde.
Winterthur. Naturwissenschaftliche Gesellschaft.
WUrzburg. Physikalisch-medizinische Gesellschaft.
Zagreb (Agram, Kroatien). Societas Historico-Naturalis Croatica.
Zurich. Naturforschende Gesellschaft.
— Schweizerische botanische Gesellschaft.
— Physikalische Gesellschaft.
Zwickau. Verein fiir Naturkunde.
VI.
Verzeichnis
der
vom i. Juli iqoi bis 31. Dezember 1902 eingegangenen
Druckschriften.
Zusammengestellt vom Bibliothekar der Gesellschaft:
E. Bftchler.
A. Von Gesellschaften und Behorden:
Aarau. Aargauische Naturforschende Gesellschaft.
Mitteilungen. IX. Heft. 1901.
Alttnburg. Naturforschende Gesellschaft des Osterlandes.
Mitteilungen. Neue Folge. 10. Band. 1902.
Augsburg. Naturwissenscliaftlicher Verein fiir Schivaben und Neuburg.
35. Bericht. 1902.
Baltimore. John Hopkins University.
Circulars. Vol. XX, nos. 154—159.
Bamberg. Naturforschende Gesellschaft.
18. Bericht. 1901.
Carl Neupert. Mechanik des Himmels und der Molekiile.
Basel. Naturforschende Gesellschaft.
Verhandlungen. Band XIII, 1—3; Band XXIV.
Zur Erinnerung an Tycho de Brahe (von Fr. Burckhardt).
Namensverzeichnis und Sachregister der Bande VI bis XII
(1875—1900).
Bautzen. Naturwissenschaftliche Gesellschaft „Isis".
Sitzungsberichte und Abhandlungen. 1898 — 1901.
Bergen. Museum.
Sars. An account of the Crustacea of Norway. Vol. IV. Cope-
poda, part I — X.
Aarbog 1901. 1902, 1. und 2.
Aarsberetning for 1901.
Berlin. Botanischcr Yerein der Promnz Brandenburg.
Verhandlungen. 43. Jahrgang.
190
Berlin. Deutsche geologische Gesellschaft.
Zeitschrift. Band LIU, Heft 2 und 3; Band LIV, Heft 1 und 2.
E. Koken: Die deutscbe geologische Gesellschaft in den Jahren
1848—1898, mit einem Lebensabriss von Ernst Beyrich.
Berlin. Kgl. preussisches meteorologisches InstUut.
Bericht iiber die Tatigkeit im Jahre 1900 und 1901.
Ergebnisse der Beobachtungen an den Stationen 2. und 3. Ord-
nung im Jahre 1896, Heft 3; im Jahre 1900, Heft 2.
Abhandlungen. Band I, Nr. 6—8. Band H, Nr. 1.
Deutsches meteorologischos Institut fur 1901, Heft 1.
Ergebnisse der Niederschlagsbeobachtungen in den Jahren 1897
und 1898.
Regenkarte der Provinzen Brandenburg und Pommern.
„ „ „ Sachsen und Thuringen.
„ „ „ Schleswig-Holstein und Hannover.
Jahrbuch fiir 1901, Heft H; Preussen und benachbarte Staaten.
Bern. Naturforschende Gesellschaft.
Mitteilungen aus den Jahren 1900 und 1901.
Bern. Schweizerische naturforschende Gesellschaft.
Verhandlungen. 84. Jahresversammlung vom 4. bis 6. August
1901 in Zofingen.
Compte-rendu des travaux presentes a la 84me session reunie
a Zofingue.
Beitrage zur Kryptogamenflora der Schweiz. Band I, Heft 3.
Bbhmisch-Leipa. Nordbohmischer Exkursionsklub.
Mitteilungen. 24. Jahrgang, 4. Heft; 25. Jahrg., 1.— 4. Heft.
Bonn. Naturhistorischer Veiein dtr preussischen Rheinlande, West-
falens und des Begierungsbezirkes Osnabruek.
Verhandlungen. 58. Jahrgang. 59. Jahrgang, 1.' Halfte.
Sitzungsberichte der niederrheinischen Gesellschaft fiir Natur-
und Heilkunde. 1901. 1902.
Boston. American Academy of Arts and Sciences.
Proceedings Vol. 35; nos. 20—22. Vol.36; nos. 2— 29. Vol. 37;
nos. 1—22.
Braunschweig. Veiein fiir Naturwissenschaft.
12. Jahrosbericht. 1899-1901.
Bremen. Natunvissenschaf flicker Verein.
Abhandlungen. Band XVII, Heft 1.
Bre m e n. Meteor ologisches Obserratminm.
Jahrbuch XI und XII. 1900 und 1901.
191
Breslau. Schlesische Oesellschaft fiir vaterlandische Kultur.
78. und 79. Jahresbericht.
Beitrage zur Kenntnis der Verbreitung der Gefasspflanzen in
Scblesien.
Br iinn. Naturforschender Vertin.
Verbandlungen. Band XXXIX (1900).
XIX. Bericbt der meteorologiscben Kommission.
Brunn. Klub fur Naturkunde (Sektion des Briinner Lebrervereins).
Bericbte und Abhandlungen. Jabrgang III, 1900/01. Jabrg. IV
1901/02.
BrusseL Sociite entomologique de Belgique.
Memoires VIII.
Brussel. SociHe malacologique de Belgique.
Annales. 1900.
BrusseL Academic rot/ale des sciences, des lettres et des beaux-arts.
Annuaire. 1900. 1901. 1902.
Bulletins. 1899-1901. 1902, 1—5.
Budapest. Ungarische omithologische Zentrale.
Aquila, Journal f iir Ornitbologie VI-IX. Jabrgang, 1898—1902.
O. Hermann, tJber die Nutzlichkeit und Scbadlicbkeit der Vogel.
Budapest. Vngarisches Nationalmuseum.
Zeitscbrift. Vol. XXIV, part. Ill— IV; Vol. XXV, part. I— IV.
Budapest. Regia Societas Scientiarum Naturalium Hungarica.
Mathematisch - naturwissenscbaftlicher Bericbt von Ungarn;
14—16. Band.
Butnos-Ayres. Academia national de Ciencias en Cordoba.
Boletin. Tomo XVI, entr. 1»— 3»; XVII, entr. K
Butnos-Ayres. Museo National.
Communicaciones. Tomo I, nos. 9—10.
Butnos-Ayres. Deutsche akademische Vereinigung.
Veroffentlichungen. Band I, Heft 4 — 5.
Buffalo. Society of Natural Sciences.
Bulletin. Vol. VII, no 1.
Cambridge. Museum of Comparative Zoology.
Bulletin. Vol. XXXVII, nos. 3; Vol. XXXVIII, nos. 5-7;
Vol. XXXIX, nos. 3— 4; Vol. XL, nos. 2-3; Vol. XLI, no. 1.
Annual Report for 1900—1901.
Chapel Hill (N. C). Elisha Mitchell Scientific Society.
Journal. Seventeenth year, part second.
Chtrbourg. Societi nationale des sciences naturelles et mathematiqucs.
Memoires. Tome XXXII (1901—1902).
192
Chicago. Academy of Sciences.
Bulletin. Vol. II, Nr. 3 und Nr. 4, part. 1.
Chur. Naturforschende Gesellschaft Graubiindens.
Jahresbericht. Band XLIV. 1900—1901.
Cincinnati (Ohio). Lloyd Library.
Bulletin. 1902, Nr. 4 (Pharmacy Series, Nr. 1).
Col mar. Naturhistorische Gesellschaft.
Mitteilungen. Neue Folge. Band VI, 1901 und 1902.
Colorado Springs. Colorado College.
Studies. Vol. IX.
Columbus (Ohio). Ohio State University.
Thirtieth Annual Report. Bulletins, Series 5, Number 1.
Thirty-first Annual Report for the year ending June 30, 1901
(part. I — II), Series 6, Number 1.
Cordoba (Rep. Argentina). Academia Nacional de Ciencias.
Boletin. Tomo XVI, entr. 4\
Danzig. Naturforschende Gesellschaft.
Schriften. 10. Band, 2. und 3. Heft.
Darmstadt. Verein fur Erdkunde und Grossherzoglich Geologischt
Landesanstalt.
Notizblatt. IV. Folge, 21. Heft (1900); 22. Heft (1901).
Davenport. Academy of Natural Sciences.
Proceedings. Vol. VIII.
Denver. Colorado Scientific Society.
Proceedings. Vol. VI. 1897 1900.
Des Moines (Iowa). Geological Survey.
Annual Report 1900. Vol. XI.
Dresden. Naturwissenscliaftliche Gesellschaft Isis.
Sitzungsberichte und Abhandlungen. Jahrg. 1901. 1902, I. HefL
Dresden. Gesellschaft fur Natur- und Heilkunde*
Jahresbericht. 1899—1900, 1900—1901.
Diirkheim a. d. Hardt. Pollichia, Naturwissenschaftlicher Verein
der Rheinpfalz.
Mitteilungen. Nr. 16—17.
Km den. Naturforschende Gesellschaft.
86. Jahresbericht.
Erlangen. Physikaliseh-medizinischc Societal \
Sitzungsberichte. 33. Heft, 1901.
Frankfurt a. d. O. Naturioissenschaftlicher Verein des Regierungs-
bezirkes Frankfurt.
Helios. 19. Band.
Societatum Litterse. Jahrgang XV.
193
Frankfurt a. M. Physikalischer Verein.
Jahresbericht 1899—1900, 1900—1901.
Frankfurt a. M. Senckenbergische naturforschende GeseUschaft.
Bericht fur 1901 und 1902.
Freiburg (Breisgau). Naturforschende GeseUschaft.
Berichte. XII. Band (1902).
Freiburg (Schweiz). Socitte fribourgeoise des sciences naturelles.
Bulletin. Vol. IX.
Memoires. Chemie, Band I, Heft 3—4.
Botanik. Band I, Heft 2—3.
Geologie und Geographie. Band II, Heft 1—2.
Ful da. Yerein fur Naturkunde.
2. Erganzungsheft.
Genf Conservatoire et Jardin botanique.
Annuaire. 5me annee.
Gtnf. Societe de Physique et aVHistoire Naturelle.
Memoires. Tome XXXIV, fasc. 1—2.
G lessen. Oberhessisehe GeseUschaft fur Natur- utid Heilkunde.
33. Bericht. 1899—1902.
Graz. Naturwissenschaftlkher Verein fiir Steiermark.
Mitteilungen. Jahrgang 1900. 1901.
Graz. Verein der Arzte in Steiermark.
Mitteilungen. 37. Jahrgang. 1900.
Greifstcald. Naturwissenschaftlicher Verein von Neii -Vorpommem
utid Riigen.
Mitteilungen. 33. Jahrgang.
Gust row. Verein der Freunde der Naturgeschichte in Mecklenburg.
Archiv. 65. Jahrgang, 1. und 2. Halfte; 56. Jahrg., 1. Halfte.
Haarlem. Musee Teyler.
Archives. Serie II, Vol. II, 4me partie, Vol. VIII, Ire partie.
Halle a.d. S. K. Leopold.-Carol. Deutsche Akademie der Natur f or schet:
Leopoldina. Heft XXXVH, 8-12. Heft XXXVIH, 1—10.
Heft XXXIX, 1-2.
L. Cohn. Zur Anatomie und Systematik der Vogelcestoden.
Losener. Monographia Aquif oliacearum ; Pars I.
R. Burckhardt. Der Nestling von Psophia crepitans und das
Jugendkleid von Rbinochetus jubatus.
Halle a. d. S. Naturwissenschaftlicher Verein fiir Sachsen und
Thuringen.
Zeitschrift. 74. Band, Heft 1—6.
Halle a. d. S. Verein fUr Erdkttnde.
Mitteilungen. 1901. 1902.
13
194
Hamburg. Naturwissenschaftlicher Verein .
Verhandlungen. Dritte Folge. IX.
Hamburg. Yerein fur nuturwissenscliaftliche Unterhaltung.
Verhandlungen. 1898—1900.
Heidelberg. Naturhistoriseh-medizinischer Verein.
Verhandlungen. Neue Folget 7. Band, 1. und 2. Heft.
Helsingfors. Societas pro Fauna et Flora Fennica.
Acta. XVin-XIX.
Meddelanden 24—26.
Hermannstadt. Siebenbiirgischer Yerein fiir Naturwissenschaften.
Verhandlungen und Mitteilungen. 51. Band. 1901.
Iglo. Ungarisclier Karpathen -Verein.
Jahrbuch. 29. Jahrgang. 1902.
Innsbruck. Ferdinandeum fiir Tirol und Vorarlberg.
Zeitschrift. 3. Folge, 45. und 46. Heft.
Karlsruhe, Naturtcissemchaftliclier Verein.
Verhandlungen. 15. Band. 1901—1902.
Kbnigsberg. Physikalisch-bkonomische Gesellschaft.
Schriften derselben. 42. Jahrgang. 1901.
Kolozsvdr (Klausetiburg). Siebenbiirgischer Museumsvereiti.
Sitzungsberiehte der medizinisch-naturwissenschaftl. Sektion;
Jahrgang XXVII, 1902. XXIII. Band, arztliche Abteilung.
Lausanne. Societe vaudoise des sciences natureUes.
Bulletin. No. 141-144.
Leipzig. Xaturforschende Gesellschaft.
Sitzungsberiehte. 1899/1900.
Liestal. Naturforschende Gesellschaft Basellayid.
Tatigkeitsbericht, 1900 und 1901.
Linz. Museum Francisco- Carolinian.
59. und 60. Jahresbericht.
Linz. Verein fiir Naturkunde.
31. Jahresbericht.
Luxemburg. Verein der Luxemburger Xatnrfreunde.
Fauna. 11. Jahrgang. 1901.
Luxemburg. Institut Grand-Ducal, section des sciences naturelles et
mathematique*.
Publications. Tome XXVI.
Lyon. Societe Linmenne.
Annales. 46.-48. Jahrgang. 1899—1901.
Madison. Wisconsin Academy of Sciences, Arts and Letters.
Transactions. Vol. XIII, part I.
195
Magdeburg. Naturwissenschaftlicher Verein.
Jahresbericht und Abhandlungen 1901 — 1902.
Marburg. Gesellschaft zur Befbrderung der gesamten Naturwissen-
schaften.
Sitzungsberichte. Jahrgang 1901.
Milwaukee. Wisconsin Natural History Society.
Bulletin. Vol. II, nos. 1—3.
Minneapolis (Minnesota). Academy of Natural Sciences.
Bulletin. Vol. III., nos. 3.
Montana. University of Montana, Missoula (Mont.).
Bulletin, No. 3.
Montevideo. Museo Nacional.
Anales. Tom. in, entr.XX, XXI; Tom. IV, entr. XXII-XXIII
(fasc. I).
Moskau. SociHe Lnperiale des Naturalistes.
Bulletin. Annee 1900, no. 4. 1901, no. 1—4. 1902. no. 1-2.
Munch en. Mathematisch-physikalische Klasse der kgl. bayr. Akademie
der Wissenschaften.
Sitzungsberichte. 1901, Heft 3—4. 1902, Heft 1—2.
Miinchen. Omithologischer Verein.
2. Jahresbericht. 1899—1900.
Xancy. SociHe des sciences.
Bulletin. Serie HI, Tome II, fasc. II— IV.
„ HI, „ HI, „ I.
Xante s. SociHe des sciences naturelles de VOuest de la France.
Bulletin. Tome X, n° 4; XI, 1—4; XH, 1. Deuxieme Serie
Tome I. ler et 2n,« trimestres.
Table des matieres de la premiere serie, Tome la X.
Xtuchatel. Societe neuch&teloise de Geographic.
Bulletin. Tome XIV.
Xtuchatel. SociHe des sciences naturelles.
Bulletin. Tome XXVIH.
Xnc-York. Academy of Sciences.
Memoirs. Vol. IU, part III. Vol. II, part III.
Annals. Vol. XIV, part I— H. Vol. XV, part I.
Xtvc-York. American Museum of Natural History.
Bulletin. Vol. XVII, part I— II.
Annual Report. 1901.
Xiirnberg. Naturhistorische GeselUchaft.
Abhandlungen. Band XIV.
Jahresbericht. 1900.
Festschrift znr Sakularfeier 1901.
196
Offenbach. Verein fQr Naturkunde.
37.-42. Bericht. 1895-1901.
Para (Brasilieti). Museu paraense de Historia naturale e Ethnogtaphia.
Boletim. Vol. Ill, no. 2.
J. Huber. Iconographie des plantes spontanees et cultivees les
plus importantes de la region amazonienne, 1™ et 2m« decade.
Paris. Jeunes Naturalistes.
Feuilies. IVme serie. 1902, No. 375—385.
Petersburg. Hortus Petropolitanus.
Acta. Tom. XIX, fasc. 1-3. Tom. XX.
Philadelphia. Academy of Natural Sciences.
Proceedings. 1901, part I— III; 1902 part I.
Philadelphia. American Philosophical Society.
Proceedings. Nos. 165—169.
Memorial. Volume I.
Pisa. Societa toscanadi Scienze Naturali.
Processi verbali. Vol. XIII, pg. 1—40.
Memorie. Vol. XVIII.
Prag. Kgl. bohmische Gesellschaft der Wissenschaften.
Jahresbericht fur 1901.
Sitzungsbericlite (math.-naturwissenschaftliche Klasse) 1901.
Prag. Deutscher naturtvissenschaftlich-medizinischer Verein fur Bbhmen,
„ Lotos".
Neue Folge. XX. Band, 1900; XXI. Band, 1901.
Pressburg. Verein filr Natur- und Heilkunde.
Verhandlungen. Jahrgang 1901.
Quarto-Castello (Firenze). Osservatorio.
Bolletino Sismografico (Anno meteorico 1901 — 1902).
Regensburg. Naturwissenschaftlicher Verein.
Berichto. 8. Heft, 1900.
Reichetiberg. Verein fur Natnrfreunde.
Mitteilungen. 32. Jahrgang. 1901.
Rochester (N. Y.). Academy of Science.
Proceedings. Vol. IV, pp. 1 — 64.
Rom. Accademia dei Lincti.
Rondiconti. Serie quinta. Vol. X, 2° semestre, fasc. 4 — 12.
Vol. XI, 1° semestre, fasc. 1—12.
Rendiconti delT adunanza solenne del 1 Giugno 1902, Vol. I— II.
Rom. Spccola vaticana.
Communications scientifiques sur une hypothese sur la circu-
lation cyclonique de l'atmosphere dans l'hemisphere boreale.
197
Santiago de Chili. Deutscher unssenschaftlicher Verein.
Verhandlungen. Band IV, Heft 3-5.
Santiago de Chili. Societe scientifique du Chili.
Tome XII, 1-2.
Sitten. La Murithienne, sociHe valaisantie dcs sciences naturelles.
Bulletin des travaux. 1900. 1901. 1902.
Solothurn. Naturforschende Gesellschaft.
Mitteilungen. I. Heft, 1899—1902.
St. Louis (Missouri). Academy of Science.
Transactions. Vol. X, nos. 9—11; Vol. XI, nos. 1—11.
St. Louis (Miss.). Botanical Garden.
Twelfth Report 1901.
Stavanger (Norwegen). Museum.
Aarsheefte. 11. und 12. Jahrgang, 1900 und 1901.
Stockholm. Entomologiska Fbreningen.
Arg. 22, Haft 1—4.
Stuttgart. Verein fiir vaterldndische Naturkunde in Wiirttembeig.
Jahreshefte. 1901. 1902.
Top eh a (Kansas). Academy of Science.
Transactions of the Thirty-second and Thirty-third Meetings
(1899-1900). Vol. XVH.
Troms o. Museum.
Aareshefter 23 (1900).
Aarsberetning for 1899, 1900.
Tufts College (Mass.).
Studies. No. 7.
L'lm a.D. Verein fiir Mathematik und Natuncissenschaften.
Jahreshefte. 10. Jahrgang, 1901.
I'rbana. Illinois State Laboratory of Natural History.
Bulletin. Vol. VI, article I.
y<ilpara iso. Deutscher wissenschaftlfcher Verein zu Santiago de Chile.
Verhandlungen. IV. Band. Heft 5 (1901).
Washington. XJ. S. Department of Agriculture.
Yearbook. 1901.
North American Fauna. Nos. 20—22.
H'nthington. Department of the Interior. U.S. Geological Surrey.
Twenty-First Annual Report. 1899—1900, part. I, V, VI, VII
(inch maps).
Bulletin of the United States Geological Survey, Nos. 163—194.
Mineral Resources of the United States. 1900.
Reconnaissances in the Cape Nome and Norton Bay Regions
Alaska in 1900.
198
The Geology and Mineral Ressources of a portion of the Copper
River District Alaska.
Monographs XXXIX. Vaughan, the Eocen and Lower Oligo-
cene Coral Faunes of the United States etc.
Monographs XL.
Washington. Smithonian Institution.
Annual Report of the year ending June 30, 1897; 1899. 1900.
Report of the U. S. National Museum 1897. 1899.
Wien. Entomologischer Yerein.
Jahresbericht. XII.
Wien. K. k. Zentralanstalt fiir Meteorologie und Erdmagnetismus.
Jahrbucher. Neue Folge. Band XXXVI, Teil II. Bd. XXXVII.
Bd. XXXVIII. Bd. XXXIX. (1902.)
W i e n. K. k. geologische ReichsanstaU.
Jahrbuch. 1900, 4. Heft; 1901, 1. Heft; 1902, 1. Heft.
Verhandlungen. 1901, 9-12, 16-18. 1902, 1.— 15. Heft.
Wi en. K. k. Zoologisch-botanische GeseUschaft.
Verhandlungen. Band LI, 1901.
Wien. Verein zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse.
Schriften desselben. 41. und 42. Band.
Wi esbaden. Nassauischer Verein fiir Naiurkunde.
Jahrbucher. 54. Jahrgang. 1901.
Wi nterthur. NatunoissenscJiaftliche Gesellschaft.
Mitteilungen. III. Band. 1900/01.
WUrzburg. Physikalisch-medizinische Geselhchaft.
Sitzungsberichte. Jahrgang 1901.
Zagreb (Agram). Societas Historko-Naturalis Croatica.
Glasnik. Band XIII, Heft 1—6.
Ziirich. Geologische Kommission der scliweizer. naturforschendcn Gesell-
schaft.
Beitrage zur geologischenKarte der Schweiz. Neue Folge. Lfg. XI.
XIII. Lieferung: Rittener, Etude geologique de la C6te-aux-
Fees et des environs de St-Croix et Baulmes.
Karten : Rollier, Environs de Moutier et de Bellelay.
Miihlberg, Lagern, mit Erlauterungen.
Zurich. Naturforschcnde Geselhchaft.
Vierteljahrsschrift. 46. Jahrgang, 3. und 4. Heft; 47. Jahrg.,
1. und 2. Heft.
Neujahrsblatt auf das Jahr 1902.
Zurich. Schweizerische botanische Geselhchaft.
Berichte. Heft XII.
Beitrage zur Kryptogamenliora der Schweiz. Band I, Heft 3.
199
Zurich. Pkysikalische Gesellschaft.
Jahresbericht XI. 1899 und 1900.
Mitteilungen. 1901, Heft 1; 1902, Heft 2.
Z trick an i. S. Verein fiir Naturkundc.
Jahresbericht 1899. 1900.
B. Von einzelnen Gelehrten und Freunden der
Gesellschaft.
Para (Brazil). Prof. Dr. E. A. Goldi, Museumsdirektor.
Gueldi, Ensaio sobre o Dr. Alexandre R. Ferreira.
Gceldi, Zum Klima von Para.
Goeldi, O Park em 1900.
Gceldi und Hagmann, Die Eier von Tropidurus torquatus und
Ameiva Surinam ensis.
Gceldi, Naturwunder der Insel Maraj6 im Amazonenstrom.
Gceldi, Against tbe Destruction of White Herons and Red Ibises
on the Lower Amazon, especially on the Island of Marajo.
Para. Dr. G. Hagmann.
Der Zoologische Garten des Museums Goldi in Park.
St.Gallen. Prasident W.GstU.
IX. Jahresbericht der Versuchsstation und Schule fiir Obst-,
Wein- und Gartenbau in Wadensweil. 1898/99. (4 Exempl.)
S c h a ffh ausen. Dr. G. Stierlin.
Mitteilungen der schweizerischen entomologischen Gesellschaft
Vol. X, Heft 9.
Zurich. Prof. Dr. J. Frvh.
Jahresbericht der geographisch-ethnograpbischen Gesellschaft
Zurich, 1901/02. (Die Abbildung der vorherrschenden Winde
durch die Pflanzenwelt, von Prof. Dr. J. Fruh.)
Zurich. Prof. Dr. A. Wolfer.
Revision of Wolfs Sun-Spot relative numbers.
VII.
Bericht
iiber
das naturhistorische Museum, die botanischen Anlagen,
die Voltere und den Parkweiher.
Von Konservator E. Bftchler.
In unserm „Lebensbild" des verstorbenen Prasidenten
der naturwissenschaftlichen Gesellschaft haben wir aus-
fiihrlicher der grossen und bleibenden Verdienste gedacht,
welche er um das naturhistorische Museum und die bo-
tanischen Anlagen besitzt. Jahr fur Jahr gab er an dieser
Stelle eine oft bis ins Kleinste gehende Schilderung des
Standes und der Weiterentwicklung der genannten In-
stitutionen, wobei er, weil mit den Interessen derselben im
engsten Zusammenhang stehend, stets auch die lebendigen
Bewohner der Voliere der ornithologischen Gesellschaft in
den Rahmen seiner Berichterstattung hineinzog. — Es sei
uns heute gestattet, in seinem Sinn und Geiste dieses Amtes
zu walten.
Werfen wir vorerst einen Blick auf die Entwicklung der
naturhistorisehen Sammlunireii im Berichtsjahre 1901/02.
Wir beginnen mit der Tierwelt. Der Zuwachs zur hochsten
Grruppe der Wirbeltiere, namlich der Saugetiere, ist
im Vergleich zu domjenigen der Vorjahre etwas zuriick-
geblieben. Was die auslandischen Vertreter anbetrifll,
so hat sich einerseits weniger Gelegenheit zu geeigneten
Ankaufen geboten ; anderseits sind gerade diesmal wenig
201
Geschenke eingegangen. Immerhin erwahnen wir auch
heute wiederum eine freundliche Dedikation des unserem
Institute seit Jahren so wohlgesinnten hochherzigen Gon-
ners, Herni Dir. Dr. Emil Goldi in Para. In einer Sen-
dung von Fledermausen, die noch der Aufstellung
harren, hat er uns eine Anzahl typischer Formen dieser
Tiergruppe aus der Umgebung von Para (Brasilien) uber-
mittelt. — Unter den Ankaufen figurieren vor allem Mann-
chen und Weibchen der schwarzen Varietat des ge-
meinen Rehs (Cervus capreolus, var. niger, <j* et 9)»
welche in dem Westfalischen Bezirk Miinster und auch
anderswo nicht sehr selten vorzukommen scheint ; wie sie
denn in gleichfarbig sich fortpflanzenden Bestanden aus
dem Kurhessischen und aus der Gegend zwischen Harz*
und Teutoburgerwald schon langst bekannt ist.
Den Besucher unserer einheimischen Saugetier-
sammlung mag es angenehm beruhrt haben, dass die
Familien der Fledermause, Spitzmause, Mause und Wiihl-
mause durch den nimmermiiden Protektor derselben, Herrn
Praparator Zollikofer, in den letzten drei Jahren
eine vdllige Neuschaffung erfahren haben. An Stelle der
alten. schlechtpraparierten und ausserst mangelhaft ver-
tretenen Reprasentanten sind lebenswahre und nach bio-
logischen Prinzipien aufgestellte Gruppen getreten, die
eine rasche Orientierung innerhalb der einander in ihrem
Aeussern so ahnlichen Lebewesen ermoglichen. Von den
diesjahrigen Geschenken des Herrn Zollikofer, die z. T.
noch fehlende Spezies unseres Museums waren, nennen
^ir folgende: die langfiissige Fledermaus (Vesper-
tilio capacinii Bp.), 2 Exemplare von S. Martino bei
Lugano (12. XI. 01), welche, sonst nur aus Italien und
dem Banat bekannt, von dem kritischen Auge des Herrn
202
Praparator Ghidini in Lugano entdeckt, als vollig neu fiir
d ie Schweiz gelten muss ; die Bartfledermaus ( Ve s p e r-
tilio mystacinus) eine zwar nicht seltene, aber recht
charakteristische Spezies, ein cf , in Rehetobel (Appenzell
A.-Rh.) erbeutet. Ein unserer Hausratte (Mus rattus) sehr
nahe stehender, von neuesten Forschern aber nur als die
urspriingliche, oben braungraue, unten hellgrauweisse Form
der genannten bezeichneter Nager ist die agyptische
Ratte (Mus alexandrinus). Wir besitzen heute ein
<$ und ein 9 ) ersteres stammt von Sonvico, letzteres von
Comano. Den Wuhlmausen gesellte sich eine reizende Fa-
milie der Schneemaus (Arvioola nivalis) in zwei
weiblichen und einem mannlichen Exemplar bei. Das eine
der Weibchen wurde in der Klubhutte Tierwies am Santis
(15. VIII. 01), das andere, welches trachtig gewesen und
auf dem Transporte 4 Junge geworfen, im Santis-Obser-
vatorium (9. VIII. 01) gefangen; das Mannchen dagegen
wurde auf der Furkapasshohe (Uri) 25. IX. 1900 erwischt.
Von der kurzsch wanzigen Erdmaus (Arvicola
Savii Selys), einer fur unsere Sammlungen neuen Art,
erhielten wir ein Mannchen (Melano, Tessin, 17. V. 02),
sowie ein Weibchen (Comano, Tessin, 1. V. 02). Bis zum
Jahre 1869 war sie nach den Angaben von Blasius mit
Sioherheit nur auf dem Festland von Italien, nordlich bis
zur Lombard ei und im siidlichen Frankreich nachgewiesen;
seit jener Zeit wird sie von Fatio (Faune des vertebres,
Vol. I, appendice pg. VII) als Burger des siidlichen Tessin
aufgefiihrt. Im vorjahrigen Berichte wurde ausser den
Prachtstucken der Moschusochsenfamilie auch der so inte-
ressante Schiidel des mannlichen Tieres erwahnt; von
Herrn Konservator Sparre Schneider in Tromso bezogen
wir nachtraglich die Kopfskelette des Weibchens und des
203
Jungen. Der so wertvollen Zollikofer'schen Sammlung
einheimischer Sauger spendete deren Donator samtliche
Sch&delobjekte, welche bei der Bestimmung der betreffen-
den Arten von so ausschlaggebender Bedeutung sind.
J Einer wesentlichen Vermehrung erfreute sich ins-
besondere die exotische Vo g e 1 w e 1 1 unseres Museums.
In fruheren Berichten ist wiederholt beziiglioh derselben
der Grundsatz ausgesprochen worden, dass es sich fur
die st. gallischen Verhaltnisse nicht um eine komplette
Kollektion handeln kann, sondern dass bei der Aeufnung
speziell Vertreter interessanter, durch Organisation und
biologische Eigentumlichkeiten ausgezeichneter Gruppen
Berucksichtigung finden miissen. Die bereits ansehnliche
Sammlung von Para dies vogeln hat in folgenden An-
kaufen Zuwachs erhalten : Epimachus Meyeri ^ und
i,.Macgregoria pulchra ,^, Parotia Lawesi ^T,
! ' Diphyllodes Hunsteini cf, Manucodia atra,
L samtliche aus Neu-Guinea, dem Heimatland dieser herr-
\ lichen Gottervogel, stammend. Mit Vergniigen fuhren wir
; hier auch ein Geschenk auf von Hrn. Dr. Girtanner,
dem um das Museum vielverdienten Ornithologen, welcher
durch einen Reprasentanten der eigentlichen Paradies-
vogel, namlich mit Paradisea Fintschi cf, die Unter-
arten des gewohnlichen kleinen Paradiesvogels (Paradisea
minor) bereicherte. Der Familie der Pinguine, die in
unserer Sammlung noch wesentliche Llicken aufwies, sind
durch Kauf mehrere interessante Spezies zugekommen,
so Spheniscus chilensis tf ad (Cap Horn), Sph.
taeniatus oT und 9 a(i (Falklandinseln), Eudyptes
minor $ ad (Siidaustralien), E. catarractes tf ad
(Magelhaensstrasse). Besonders wertvoll ist die Erwerbung
dergrSssten Art der Schnepfenstrausse oder Kiwi,
204
jener eigenartigen Erscheinungen der neuseelandischen
Ornis, deren Fliigei so verkummert sind, dass ihre stummel-
artige Anlage z. T. nur noch im Skelett wahrnehmbar
ist. Herrn Professor Heim in Zurich, der bekannt-
lich vom Oktober 1901 bis April 1902 Neuseeland zu
geologischen Untersuchungen bereiste, ist es gelungen,
von den Eingebornen einige Exemplare des grossen
Kiwi (Apteryx maximus), auf dessen Schuss und
Fang heute eine hohe Strafe verhangt ist, samt den
Knochenteilen aufzutreiben. Wir danken ihm an dieser
Stelle, dass er speziell dem Museum seiner Yaterstadt zu-
erst Angebote gemacht, da die wenigen Arten von Kiwis
infolge schonungslosester Verfolgung durch trophaen-
siichtige England er sozusagen auf dem Aussterbe-Etat
stehen. Dem schon lange vorhandenen Argus fa san
(Argus giganteus) leistet heute sein auf Nord west-
Borneo lebender Vetter Argusianus Grayi cf und Q
Gesellschaft. Er unterscheidet sich im mannlichen Ge-
schlechte von ersterem durch die mehr ovalen „Augenu
auf den Prachtfedern und die rostrote Brust. Eine hubsche
Kollektion typischer Vogel aus der Fauna von Su-
matra konnte um sehr billigen Preis von Herrn Van Ter
Mer in Leiden bezogen werden ; von den 65 Stuck gehort
die Mehrzahl den Familien der Spechte, Kukuke, Eisvogel,
Wurger und Finken an. Ihre Preparation besorgt gegen-
wartig Herr Ghidini in Lugano, einer der tiichtigsten
Schiiler unseres Meisters Zollikofer und zugleich Natur-
forscher. Wenn es leider nicht moglich war, Herrn Ghi-
dini dauernd an St. Gallon zu fesseln, so diirfte es sich
doch sehr empfehlen, denselben auch kiinftighin mit einem
Teil unserer MontierauftriLge zu betrauen. Der bereits an-
sehnlichen Falkenkollektion hat bis dato ein charakteristi-
205
scher Bewohner der griechischen Inseln, der unserem
Baum- oder Lerchenfalken nahestehende Eleonoren-
falke (Palco Eleonorae) vollig gefehlt. Wir verdanken
es wiederum Herr Dr. Girtanner, dass wir heute im Besitze
je zweier Mannchen und Weibchen von Cerigo, zum Toil
mit interessanten Kleidern, sind. Die Ornithologische
Gesellschaft ist auch dieses Jahr mit Geschenken nicht
zurackgeblieben ; sie iibergab uns ein prachtiges M&nnchen
der Brautente (Aix sponsa), mit beginnender Ver-
farbung.
Beitrage zur Aeufnung der einheimischen, d. h.
der schweizerischen und der spezifisch st. gallisch-appen-
zellischen Vogelsammlung sind von jeher in erhohtem
Masse willkommen gewesen; soil doch hier speziell Voll-
standigkeit angestrebt werden nicht nur mit Bezug auf
die Artenzahl, sondern auch auf die einzelnen Altersstadien
and die verschiedenen Kleider der einzelnen Spezies. Ob-
wohl nicht auf Schweizerboden, bezw. in Schweizerluft
geschossen, gedenken wir vor allem, als einer Raritat, eines
alten Mannchens des Zwergadlers (Aquila pennata),
helle Varietat. Das Tier, ein Geschenk von Herrn P r se-
parator Zollikofer, dem opferfreudigen Forderer und
Ausbauer unserer kostbaren inlandischen Ornis, hat uns
bisher vollstandig gemangelt. Es stammt aus dem Monta-
fon im Vorarlberg (St. Gallenkirch, 9. Juni 1902), also
wenige Stunden vom Rheintal entfernt, dessen osterreichi-
sches und schweizerisches Gebiet ftir faunistische Beob-
achtungen stets zusammengezogen wird. Die Verbreitung
des Zwergadlers beschr&nkt sich im allgemeinen auf den
Siiden Europas (Siidfrankreich, Spanien, Oesterreich-Un-
garn und Griechenland) ; nur selten, als eine zufallige
Erscheinung, wird er aus Siiddeutschland gemeldet. In
206
der Sohweiz soil er in ganz wenigen Fallen beobachtet
worden sein, so 1846 in Sohwyz, 1870 im Tessin und auch
im Kan ton St.Gallen; allein alle diese Angaben scheinen
nicht vollig verbiirgt zu sein. Moglicherweise ist er wegen
seiner Aehnlichkeit mit dem Rauhfussbussard (Archibuteo
lagopus) mehr denn einmal iibersehen worden (Befiederung
bis zu den Zehen). Wir reihen also unser authentisches
Exemplar urn so mehr zu den st. gallischen Vogeln ein,
als es bei der grossen Beweglichkeit und dem haufigen
Wechsel des Standortes des Zwergadlers ja leicht denk-
bar ist, dass selbst dieser tatsachlich auf Schweizergebiet
tritt. — Neu fur unsere Kollektion ist auch der Stein-
sperling (Pyrgita petronia, Petronia stulta), ein
typischer Bewohner des Siidens, der aber auch im schwei-
zerischen Mittellande nistet. Herr Praparator Ghidini er-
hielt denselben vom Roccolo di Bugiolo bei S. Lucio, Val
Colla im Tessin, ca. 200 m von der Schweizergrenze entfernt.
(Donator: Herr Praparator Zollikofer.) Von letzterem
fuhre ich noch folgende giitige Beitrage auf: ein Schnee-
huhn (Lagopus alpinus), circa l1/* — 2 Monate alt, in
interessantem Uebergangsstadium vom Jugend- ins Alters-
kleid (Graubiinden, 18. IX. 01); Zwergreiher (Ardea
minuta), eine niedliche Gruppe der ganzen Familie, nam-
lich des alten cf und 9 > nebst 4 Jungen, letztere 2 — 3
Wochen alt, samt Originalnest (Egnach, hinter Schloss
Luxburg, 27. VII. und 5. VIII. 01), ferner ein altes Mann-
chen (cf) der Eiderente (Somateria mollissima)
in Mauser und Umfarbung zum Winter- oder Prachtkleid.
Dasselbe wurde in total abgemagertem Zustande lebend
ergriffen bei Horn am Bodensee, und es bedeutet fur uns
uin so mehr eine sehr erwiinschte Acquisition, als wir bis
zur Stunde ein alteres Mannchen in diesem Kleide, wel-
207
ches dem des jungen Mannchens oder des Weibchens
ahnlich ist, nicht besassen. Vom Teichrohrsanger
(Acrocephalus arundinaceus) dedizierte uns Herr
Zollikofer ein Junges, mit zierlichem Neste (Egnach,
22. VIL 01). Dem Jager am Bodensee ist die Seltenheit
der Heringsmove (Larus fuscus), die dem Norden
Europas angehort, nur ab und zu einmal weit sudlich im
Innern des Landes und am Bodensee auftritt, wohl be-
kannt. Von der zuletzt genannten Lokalitat besitzen wir
ganz wenige Exemplare ; um so freudiger haben wir denn
ein prachtiges Geschenk desHerrnKunstmaler Tobler
in hier entgegengenommen. Er schoss vom 25. — 27. Nov.
1901 zwei dieser, im graubunten Jugendkleid sich be-
findenden Moven, die eine zwischen dem alten und neuen
Bahnhof in Rorschach, die andere im „Rietleu. Sie sollen
von den gemeinen Moven (Larus ridibundus, Lachmove)
aufs heftigste verfolgt worden sein.
Abnormitaten aus der gefiederten Welt haben fur
den Naturfreund immer eine besondere Anziehungskraft.
Neuerdings sind einige sehr lehrreiche Beispiele einge-
gangen. Den aufmerksamen Beobachtern unserer Voliere-
insassen gefielen u. a. namentlich jene beiden schnee-
weissen Dohlen (Corvus monedula); leider ist ihnen
die Gefangenschafb nicht gut bekommen; eine derselben,
wahrscheinlich ein Weibchen, ziert jetzt unser Museum
(Geschenk der Ornitholog. Gesellschaft). Ein par-
tieller Albino des Eichelhehers (Garrulus glandarius)
zeichnet sich dadurch aus, dass die an dem normalen Tier
sonst graurostbraunen Federn, sowie der schwarze, breite,
dem Unterschnabel zulaufende Streifen zum grossten Teile
weiss gefarbt sind. Sehr hubsch prasentiert sich ein junges
Weibchen des Haubensteissfuss (Podiceps cri-
208
statu 8), mit beinahe totalem Albinismus. Dieses fing sich
in einem Fischnetz beim Bad Horn, am Bodensee (5. X. 01).
Donator des zuerst genannten Albinos ist wiederum Herr
Praparator Zollikofer.
Die osteologische Sammlung hat im verflossenen
Jahre durch eine Dedikation der Ornitholog. Gesellschaft,
bestehend in einem S k e 1 e 1 1 des weissen L 6 f f e 1 r e i h e r 8
(Platalea leucorodius) sehr erwunschte Erweiterung
gefunden.
Uebergehend zu der in den vorigen Berichten mehr-
fach erwahnten Eier sammlung nennen wir vorab den
Ankauf einer Artefaktes, des Eies von Euryapteryx
crassus, einer Spezies jener ausgestorbenen, straussen-
artigen Biesenvogel Neuseelands, welche allgemein ah
Moa-Vogel bezeichnet werden. Die Grflsse dieses Eies,
mit gelbbrauner Grundfarbe, ubertrifft diejenige des afri-
kanisohen Strausseneies urn ein Betrachtliches ; es ist be-
sonders charakteristisch dadurch, dass die Poren nicht
rund, wie bei alien andern Vogeleiern, sondern langlich,
kurzstrichartig sind. — Eine zweite Nachahmung (Gips-
abguss), namlich des Eies vom Riesenalk (A lea im-
pennis) verdanken wir der Gtite des Herrn Dr. Gir-
tanner. Der Brillenalk war noch zu Anfang des 19. Jahr-
hunderts als sogenannter Geyrfugl der Nordlander an den
Klisten von Island und Gronland haufig; seit 1844 ist er
aber ausgerottet. Sein Ei, dessen Grosse jener des neu-
holland. Strausses (Dromapus Novse Hollandiae) etwa gleich-
kommt, besitzt eine weisse Grundfarbe. Gegen den stumpfen
Pol zu haufen sich die sonyt beinahe tiber das ganze Ei
verbreiteten schwarzen und gelben, runden oder schnur-
formigen Fleckfm kranzartig an.
Die verschiedenen Separatkollektionen von Eiern, teils
209
Geschenke, tails Ank&ufe, sind im Berichtsjahr mit der
reichhaltigen, kostbaren Stolkersammlung nach dem Gray-
schen Katalog za einer grossen, allgemeinen Eier-
kollektion vereinigt worden. Die Vorarbeiten zum Haupt-
katalog sind beinabe vollendet ; die Reinschrift diirfte im
Laufe des kommenden Winters ausgefuhrt werden, wo-
durch die Zahl der vom Beriobterstatter erstellten Katalog-
bande sicb auf deren 9 belaufen wird.
Was die Reptilien und Amphibien anbetriift,
so sei bemerkt, dass in diesen Klassen nur wenige An-
schaflftingen von allgemeinem Interesse bier Erwahnung
finden konnen, so jeein Exemplar der eigentlichenKlapper-.
schlange (Crotalus horridus), aus Nord-Amerika (Ver-
einigte Staaten), der Brillenschlange (Naja tripu-
clians) aus Indien. Zu den Eidechsen, bezw. den Aga-
miden gebort der fliegende Drache (Draco volans)
der ostindiscben Inseln, ein in seiner Korperbildung unter
den Wirbeltieren einzig dastehendes Lebewesen, bei wel-
chem funf oder sechs der falschen Rippen gewaltig ver-
langert sind, die einer breiten, facberartig zusammen-
zuklappenden oder auszaspannenden Hautfalte zur Stiitze
dienen. Bekanntlicb scbiessen die auf Beute lauernden
iliniatordrachen mit gewaltigem Satze in die Lufb bin-
aus; durcb die fallscbirmartigen Hautlappen liberwinden
sie die Kraft des Sturzes und konnen sie sicb so auf den
nachstunteren Zweigen niederlassen. Leider zeigt der ab-
geplattete, tote Korper keine Spur mehr von den herr-
lichbunten Erregungsfarben, die im Leben den langlichen
Kehlsack und den Pallschirm, sowie diverse andere Haut-
anhange zieren. — Nicht ubergeben diirfen wir zwei Meta-
tnorphosenreihen des Axolotl (Amblyostoma mexi-
canam) und der Berg- oder Waldeidecbse (La-
14
210
certa vivipara), sowie zwei ausserst sorgfaltig gear-
beitete Praparate der Anatomie der gemeinen euro-
paischenSchildkr8te(EmyseuropaBa),wovoneines
mit prachtiger Injektion des Blutgefasssystems. — Fr&alein
Helens Hogger, eine eifrige Naturfreandin, welche
seit einiger Zeit ein eigenes Terrarium halt, spendete dem
Museum in freundlioher Weise einen Scheltopusik
(Pseudopus apus), jene bekannte, liber ganz Sudeuropa
und das stidwestliche Asien verbreitete Schleiche, des-
gleichen eine Perleidechse (Lacerta ocellata) aus
den sudlichen Teilen der iberischen Halbinsel. Die Katzen-
scblange (Tarbophis fallax s. vivax) schenkte uns
Herr Gftrtner Kessler, ein begeisterter Freund der
Tierwelt; eine Aesculap-Natter (Coluber Aescu-
lapii) ist von Hrn. Pr¶tor Ghidini aus Lugano
(San Martino, April 1902) eingegangen.
Ganz besondere Bereicherung hat auch dieses Jahr
die Sammlung derFische erfahren und zwar durch ein
reichhaltiges Geschenk des Herrn Dr. A. Dreyer in hier,
bestehend in 12 frisch von der Nordseekiiste bezogenen
Flossentragern, alles stattliche Exemplare. Recht sch6n
sind drei Knurrhahne (Trigla hirundo), h5chst eigen-
tlimliche Mitglieder derFamilie derPanzerwangen. Mittelst
der drei freien Strahlen vorn an den Brustflossen vermag
sich der Knurrhahn wie mit gegliederten Beinen auf dem
Boden zu bewegen. Nimmt man ihn aus dem Wasser, so
gibt er mit Hilfe der Schwimmblase und der sich jeder-
seits an sie anschmiegenden Muskelplatten einen knurren-
den oder grunzenden Ton von sich, welches Gerausch er
aber auch freiwillig, namentlich zur Fortpflanzungszeit,
an der Wasseroberflache hervorbringen kann. Von den
iibrigen Typen mogen im weitern aufgefiihrt werden:
211
der Heilbutt (Hippoglossus vulgaris), der Stein-
butt (Rhombus maximus), der Goldbutt (Platessa
vulgaris), die Zunge (Solea vulgaris), ferner Gold-
barsch, Roche, Tarbutt, Rotzunge, Hai u. s. w.
Durch Ankauf kamen in den Besitz des Museums ein j lin-
gerer Zitterwels (Malapterurus electricus) aus
dem Nil, der zwischen der Korperhaut ein gallertartiges
Gewebe besitzt, welches das Tier befahigt, elektrische
Schlage auszuteilen; ein Praparat eines streitsuchtigen,
lebhaften, kleinen Fisches, des Stichlings (Gastero-
steus aculeatus), dessen Mannchen an passender Stelle
ein aus Pflanzenstoffen und Schleim gefestigtes Nest baut,
in welches nacheinander verschiedene Weibchen je einzelne
(3 — 4) Eier legen, die das Mannchen aufs nachhaltigste
verteidigt gegen die Angriffe liisterner Genossen, was es
am so eher imstande ist, als es mehrere Stachelstrahlen
besitzt, mit welchen es selbst grosseren Fischen gefahrlich
werden kann. Viel Freude wird jene Darstellung des inte-
ressanten Bitterlings (Rhodeus amarus) bereiten.
Das Weibchen hat namlich eine eigentumliche, rotliche
Legerohre von mehreren cm Lange, durch die es zur
Laichzeit die Eier in die Kiemenspalten der Malermuschel
♦Unio) legt, wo sie bis zur Entwicklung der Jungen ver-
bleiben. Nach der Fortpflanzungsperiode schrumpft die
betreffende Rflhre wieder ein.
Betreten wir das grosse Reich der Gliedertiere
(Arthropoda), dessen Aeufnung und Ordnung in den kom-
menden Jahren eine Hauptaufgabe unseres Museums bil-
clen soil, wenn wir nicht hinter den gleichartigen Instituten
anderer Stadte zuiiickbleiben wollen. Vor allem handelt
es 8ich um die Aufstellung einer grossen europtiischen
Schmetterlings8ammlung, analog der durch die tat-
212
kraftige Unterstiitzung von Herrn Dr. Stierlin inSchaff-
hausen recht ansehnlich gewordenen Kafer-Kollektion.
Speziell fehlen uns aber Schausammlungen der ein-
heimischen Kafer, Schmetterlinge, Hautflugler, Gerad-
fltigler, Zweifliigler, Wanzen und Spinnen. Fur die beiden
erstgenannteii Gruppen steht uns schon ein erkleckliches
Material zu Gebote; was die letztern Gruppen dagegen an-
betrifft, so muss die kommende Spezialforschung in unserm
engsten Gebiete die einzelnen Vertreter liefern. Ihr heutiger
Berichterstatter wird sich mit Vergnugen in den Dienst
dieser grossen Aufgabe stellen, und wir wissen ganz sicher,
dabs uns sehr bewahrte Entomologen sofort in bereit-
willigster Weise unterstiitzen werden!
Wie in den Vorjahren, so bezogen wir auch heuer
einige recht hiibsche Serien charakteristisoher exotischer
Schmetterlinge, Kafer etc. von Herrn Heine, jetzt
in London. Auf deren Einzelbeschreibung einzugehen,
wiirde aber hier zu weit fuhren. Ganz besonderer Gunst
bei den Besuchern unserer Sammlungen erfreuen sich die
instruktiven Entwicklungsreihen (Metamorphosen)
der verschiedensten Gliedertiere. Nennen wir von den 16
in Spiritus fixierten Praparaten nur folgende: Hirsch-
kafer(Lucanuscervus), PechschwarzerKolben-
wasserkafer (Hydrophilus piceus), Palmbohrer
(Rhynchophorusschach), grosseWasserjungfer
(Aeschna grandis), gemeine Magen- oder Vieh-
bremse (Gastrophilus pecorum), deren Weibchen
ihre Eier an die Haare der Pferde etc. legen, von wo die
jungen Larven abgeleckt werden, in den Magen der Pferde
kommen, wo sie sich mit ihren Mundhaken befestigen und
wenn sie reif geworden, durch den Darm entleert werden;
Rosengallwespe (Rhodites rosse), welohe infolge
213
ihres Stiches und nachheriger Eiablage die sogen. Rosen-
gallapfel hervorruft. Ausserordentlich lehrreich ist aber
die prachtvolle Darstellung der Reblaus (Phylloxera
vastatrix). Nicht nur sind alle Entwicklungsstadien,
sowie die verschiedenen Formen dieses gefurchteten In-
fiektes, sondern namentlich auch die durch die Wirksam-
keit desselben erzeugten Veranderungen und Verwnstungen
an den einzelnen Pflanzenteilen (Reblausblattgallen, No-
dositaten, Tuberositaten etc.) sichtlich gemacht. In sechs
Trockenpraparaten mit jeweiligem ausfiihrlichem Text als
Erklarung haben nachstehende biologische Insektenent-
wicklungsreihen Aufnahme in die Sammlung gefunden:
die Riesenwaldameise (Formicaria herculeana),
die Maulwurfsgrille oder Werre (Gryllotalpa
vulgaris), der Tannenriisselkafer (Possodes pi-
ce®), der Kiefernschwarmer (Sphinx pinastri),
derKiefernspinner(Lasiocampa pini), dieNonne
(Psilura monacha). Seit zwei Jahren ergotzt sich an
unserer kleinen aber recht typischen Kollektion von Bei-
spielen fur die so ratselhaften und hochinteressanten Schutz-
farben und Schutzformen, sowie fur die wahre Mimikry
(Nacha£fung) Jung und Alt in solchem Masse, dass wir
es fur angezeigt hielten, diese Schaustiicke zu vermehren ;
rind sie doch so recht geeignet, uns den Sinn fur ein
ordnendes Prinzip mit Zielstrebigkeit und Zweckmassig-
keit in der Natur zu offnen. Zwei Kasten mit sogenannten
Geschlechts-Dimorphismus demonstrieren jene Eigen-
tumlichkeit in der Schmetterlingswelt, wonach Mannchen
and Weibchen in Farbe und Zeichnung, ja manchmal
aogar im Fliigelschnitt so vollstandig von einander ab-
weichen, dass der Nichteingeweihte sie fiir ganz verschie-
dene Arten zu halten geneigt ware. Ein Teil der Weib-
214
chen dieser Lepidopteren bildet zugleich die Belege fur
diejenigen Mimikryformen, die sich in Kolorit und Zeich-
nung an die sogen. geschiitzten, durch schlechten Geruch
und Geschmack immun gewordenen Arten angepasst haben
und damit selbst gegen Yerfolgung und Ausrottung ge-
sichert sind. Ein drittes Tableau enthalt Objekte fur den
Polymorphismu8, die Vielgestaltigkeit der Schmetter-
linge. W&hrend die Mftnnchen einer und derselben Art
von den verschiedensten Lokalitaten sich in Farbe und
Zeichnung mehr oder weniger gleich bleiben, sehen wir
die Weibchen je nach den Landern, in denen sie leben,
oft sehr wesentlich variieren. L&ngst beriihmt ist der
Einsiedlerkrebs (Pagurus Bernhardii), ein Be-
wohner des Meeres. Sein Hinterleib ist im Gegensatze
zu dem anderer hoherer Krebse sehr weichhautig; des-
halb birgt er denselben in einer leeren Schneckenschale.
Mit zunehmendem Wachstum wechselt er seine Wohnung.
Urn seine Nahrung miiheloser zu bekommen, vergesell-
schaftet er sich mit einer Koralle, einer Aktinie (Seerose,
Seeanemone) Adamsia, jenen herrlichen Zierden der See-
wasseraquarien. Mit den Nesselorganen vermag die Ak-
tinie hunderte von kleinern Tieren zu l&hmen, die ihr
als Nahrung dienen7 von welcher auch fiir den Krebs
noch geniigend abfallt. Aendert dieser notgedrungen seine
Wohnung, so lost er die auf seinem Geh&use ans&ssige See-
rose sorgfaltig los mit den Scheren und disloziert sie auf
die neue Behausung. Die Aktinie geniesst aber den Vor-
tcil, dass sie vom Krebse in moglichst viele Nahrbezirke
gefuhrt wird. Dieses Zusammenleben mit gegenseitiger
Dienstleistung nennt man Genossenschaftsleben, Sym-
biose oder auch Mutualismus zum Unterschiede vom
Parasitismus.
215
Geschenke aus der Gruppe der Gliederftlssler ver-
zeichnen wir mit Genugtuung auch dieses Jahr. Herr
Dir. Dr. E. Goldi in Pari bedachte uns mit je M&nn-
chen und Weibchen von vier Spezies sehr grosser Heu-
schrecken (Para, Brasilien); von Herrn Kaufmann
Heinr. G-uggenbuhl, dem im vorletzten Berichte auf-
gefuhrten gutigen Donator, bekamen wir einen merk-
wurdigen Geisselskorpion, der unter demNamen Tarantel-
skorpion (Phrynus lanatus) bekannt geworden. Das
spinnen&hnliche Geschopf hat als erstes Kieferpaar be-
dornte und in Klauen auslaufende Anne, das zweite Paar
ist zu langen Geisseln umgewandelt. Die Eieferfuhler
endigen ebenfalls in Klauen, welche das Gift bergen.
Herr Kaufmann Gutknecht, Eisenhandlung in hier,
ubermachte uns eine grossere Zahl von im Baselbiet ge-
sammelten Eafern, welche uns zur Kompletierung der
einheimischen Schausammlung wesentliche Dienste leisten
werden.
Steigen wir zu den niedersten Tierklassen
hinanter, und ilbergehen, weil dieses Jahr ohne namhafte
Beitr&ge geblieben, die Conchylien. Originelle Okto-
korallen, bezw. Fleischkorallen reprasentieren die See-
federn, deren Polypentrager federartig an einem Stiele
sitzen. Die rote Seefeder (Pennatula phosphorea),
aus dem Mittelmeer, ist imstande, in gereiztem Zustande
and bei Wellenschlag ein intensiv griinliches Licht auszu-
strahlen (Meeresleuchten!). Zur Ordnung der Federbusch-
schwamme und hier besonders der Glasschwamme
rechnet man die Hyalonema Sieboldii. Auf einem
Bundel spiralig gedrehter, weissglanzender? bis 60 cm
langer Wurzelschopfiaadeln sitzt der massige Schwamm
mit seinen zahlreichen Poren und Kanalen fiir die Wasser-
216
zirkulaiion. Symbiotisch lebt am obern Ende der Kiesel-
nadeln regelmassig eine betrachtliche Zahl von Polypen
(Polythoa fatua). Recht wiinschenswert waren schon
langst die beiden in unserem Siisswasser vegetierenden
Schwamme Spongilla fluviatilis tind Sp. lacu-
stris. Die Praparate zeigen, wie sie als weisse, leicht-
runzelige Kruste im Wasser stehendes, altes Holzwerk
iiberziehen. Ihre Vermehrung firidet durch Schwarm-
sporen statt, die sich nach einer gewissen Zeit des freien
Umherschwarmens sesshaft machen und zum Schwamm,
der Kolonie der Einzeltiere, heranwachsen. Herr Kauf-
mann H. Guggenbuhl in Portorico ist seinem uns
miindlich geausserten Versprechen, ab und zu etwas von
sich horen zu lassen, in promptester und verdankens-
wertester Weise nachgekommen. Gleichsam als Anhang
zum vorvorjahrigen recht ansehnlichen Geschenke sandte
er uns abermals eine sehr hiibsche Serie von Binden-
korallen und einen Axinella-Schwamm.
Sozusagen in jedem Berichte konnte auch eines Zu-
wachses zur Sammlung pflanzlicher Produkte, bezw, der
botanischen Objekte gedacht werden. Von den diversen
Gesclienken erwahnen wir vor allem ein solches eines
bewahrten langjahrigen Freundes des St. Galler Museums,
des Herrn Prof. Dr. Schroter in Zurich. Der grosse
botanische Garten zu Buitenzorg auf Java, welcher unter
der trefflichen Leitung von Dir. Treub zu hoher Bedeu*
tung fur okologische, physiologische und biologische Stu-
dien in der tropischen Pflanzenwelt geworden, hat ausser
einem vorzuglich eingerichteten Laboratorium auch grdssere
Versuchsgarten fiir Kulturpflanzen aller Art. So sollen
Theorie und Praxis einander erganzen. Herr Professor
Schroter sandte uns in Form von Herbariumsexemplaren
217
folgende Belege aas dem obgenannten Institute: Tranen-
gras (Coix Lac rim a J obis). Yon dieser Pflanze
stammen die falschlich als Samen bezeichneten Gebilde,
die elfenbeinartigen Blattscheiden, welche zu Ketten,
Rosenkranzen, Armbandern etc. Yerwertung find en. Die
Eami£pflanze (Boshmeria nivea), ein nicht „bren-
nendes" Nesselgewachs, urspninglich aus China stammend,
liefert den Sohstoff fur ein seidenglanzendes Gewebe,
sowie fur feste, im Wasser sehr dauerhafte Stricke. Bei
Humboldtia laurifolia, einer Papilionacee von Ceylon,
liessen sich symbiotische Erscheinungen nachweisen. Unter
den Bliitenstanden treffen wir namlich blasige Hohlraume ;
«ie dienen bissigen Ameisen zur Wohnung, welche die
Pflanze vor unberufenen Gasten in wirksamster Weise
schutzen. Der Cocastrauch (Erythroxylon Coca),
dessen Blatter von den Eingebornen schon seit uralten
Zeiten als Beizmittel geschatzt werden, ist der Lieferant
des in der europaischen Heilkunde vielfach angewendeten
Alkaloides Coca'in. Letzteres erzeugt bekanntlich auf den
Schleimh&uten eine ortliche Gefuhllosigkeit. Von einer
Labiate, Pogostemon Patchouly, gewinnt man das
durchdringend riechende, aber nicht allgemein beliebte
Patchouly - Parfiim. Von den weitern Geschenken des
Herrn Professor Schroter nennen wir kursorisch noch
nachstehende Kulturpflanzen : Muskatnuss (Myristica
iragrans), Zimmet (Cinnamomum Zeylanicum),
Kakaobaum (Theobroma Cacao), Theespezies
(Thea sinensis und Th. Assamica), Baros- oder
Borneo -Kampfer (Dryobalanops aromatic a),
endlich liberischer Kaffe (Coffea liberica).
Hinsichtlich der Herbarien und der sie beschla-
genden Sammlungsarbeiten verweisen wir auf die beiden
218
letzten Jahresberichte ; die Bemerkungen, die daselbst
angebracht sind, haben auch heute im vollen Umfange
Geltung. Herr Direktor Dr. Wartmann und der Bericht-
erstatter widmeten einen grossen Teil der disponiblen
Zeit der Revision und der Einordnung der st. gallisch-
appenzellischen Pflanzensammlung, namentlich fanden
griindliche Bearbeitung die zahlreichen Beitrage der
letzten 10 Jahre, die, wie Sie wissen, das Material zum
„Nachtrag fur die kritische Uebersicht iiber die Gefass-
pflanzen der Kan tone St. Gallen und Appenzell" bilden.
Wir sind bei der 60. Familie, den Compositen (Gattung
Hieracium), stehen geblieben, und wir erachten es als
einen Akt dankbarer Pietat, wenn wir uns schon diesen
Herbst an die Erfullung des Lieblingswunsches unseres
seligen Chefs, den Nachtrag successive abzuschliessen,
machen.
Relativ sehr giinstig gestaltete sich teils durch An-
kauf, teils aber namentlich durch Dedikationen die Ent-
wicklung der mineralogischen und petrographischen Ab-
teilung des Museums. Die Erstellung des zweibandigen,
voluminosen Kataloges der Minerale hat deutlich die ein-
zelnen Liicken gezeigt, die in diesem Naturreiche in unsern
Sammlungen vorhanden sind. Sie z. T. auszufullen war das
Ziel der Ankaufe. Das Bergbaubureau Christiania
sandte eine Reihe prachtvoller Typen, so 10 Stuck idealer
Rhombendodekaeder (oo 0) des Granats (Nordland), Mus-
co vit oder Kaliglimmer von tafeligem Habitus mit hexa-
gonalen Umrissen, grosse Turmaline (go P, oo Pa, R), Feld-
spathkristalle, welche vollig von Quarz umwachsen
sind. Aus der Auswahlsendung von Herrn Minod in Grenf
wurden circa 35 Stiick behalten, z. B. Granat (oo 0) in
Talkschiefer aus dem Oetztal im Tirol, Periklin vom
219
Ofenhorn, gelber Top as vom Ural, weissseidenglanzender
Dawsoni t (Canada), gesohliffener Achat von Oberstein
mit Bergkristalldruse, Bleiglanz (0. 00O00 !) aus Ungarn,
derber Molybdanglanz (Washington), Kieselzink-
erz oder Calamin in grunen kugeligen Gruppen (Laurion,
Griechenland), Silber (Chile), Parallelverwachsungen
von Klinochlor mit Biotit (Tirol), Pseudomor-
phosen von Brauneisenstein nach Quarz, von
RoteisenBtein nach Calcit (Es, von Iserlohn in West-
falen), Malachitnach Quarz (Friedrichssegen b. Ems),
endlich ein wahres Kabinettstiick von weissem Fluss-
spath (oo Ooo , Zwillinge nach 0) mit aufgelagerten Quarz-
kristallen und Zinkblende aus Cumberland. Zahlreiche
schweizerische Minerale von alten und neuen Fund-
stellen bilden eine willkommene Erganzung zu den bereits
vorhandenen : Marmor mit F u c h s i t (Chromglimmer), ein
neues Schweizermineral von Buccarischuna (Biinden), viele
neue Kalkspathformen aus der Hohle Kobelwies bei
Oberriet im Rheintal, Aragonit, kristallisiert und sinterig
(bienenwabenartig) von Eealta in Biinden, Flussspath,
grun, mit Calcit (Hohle westlich des y,Aescheru im Kanton
Appenzell), prachtvolle Rauchquarzgruppen (Val Giuf
Biinden), Grammatit (Campo longo, Tessin), Tremolith
(Buccarischuna), Cyanitkristalle in wunderschoner Aus-
bildung und Farbe (Pizzo Forno), Arsenkies (Engadin),
Eisenrose mit Rutil (Binnental, Wallis), Eisen-
8 path, R (Viesch im Wallis) etc. Einen ansehnlichen Teil
der obgenannten schweizerischen Minerale lieferte Herr
Koberle in hier, ein tuchtiger Mineralsammler. Ihm ver-
danken wir zahlreiche Geschenke, wie Cy a nit in Glimmer-
schiefer von Campo longo und Pizzo Forno, Aragonit,
faserig, mit sinterartiger Oberflache aus dem Domleschg,
220
Graphit (Chur), Hauptrogenstein and Calcit-
drusen (Muttenz), Calcit mit Eisenspath, letzterer
in Drehspanform, mehrere charakteristische Kalksinter-
gebilde und Calcitrhomboederkombinationen aus
der Kobelwies-Hohle. Herr Bezirkslehrer F.W.Sprecher
(S. A. C.) von Vattis erg&nzte in generosester Weise seine
vorjahrige wertvolle Sendung von Kabinetstucken in Cal-
citen etc. aus dem st. gallischen Taminatal durch eine
betrachtliche Zahl von KalkspathskalenoSdern, Berg-
kristall mit Chloriteinschluss, Markasit, Pyrit,
Fahlerz u. s. w. Ebenfalls vom St.Galler Oberlande be-
kamen wir von Herrn Posthalter Schmon in Mels,
einem unserm Museum wohlgesinnten Naturfreund, Citrin
mit durchgehender Gelbf arbung, ferner eine wundervolle
Kalkinkrustation eines Fichtenzweiges vom Walen-
stadter-Tunnel, die sich wie ein weisses Korallengeriist aus-
nimmt u. a. m. Abermals bereitete uns Herr Direktor Dr.
E. Vinassa in Lugano, der allzeit treueFreund und Gonner
unseres Institutes, von dem so manche schatzenswerte
Gabe gekommen, grosse Freude mit diversen Beispielen
von Lavezstein (Arcegno bei Ascona; Val Verzasca),
von Asbest (Valtellino) und mit zwei Stiicken Bauxit,
dem wasserhaltigen, stark verunreinigten Aluminiumoxyd,
das fur die Gewinnung des Aluminiums von technisch
hoher Bedeutung ist. Die Lokalitaten der zwei genannten
Belege sind neu. (Capo la Carmona, Monte Turchio, Pes-
cina in den Abruzzen.) Nachdem der Beriohterstatter s. Z.
seinem hochverehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. A. Heim
in Zurich, eine selbstgesammelte Serie der verschiedenen
mechanischen und chemischen Veranderungen an Nagel-
flubgesteinen der dislozierten Molasse aus der Zone von
St. Gallens Umgebung fiir das Polytechnikum dedizierte,
221
folgte von ihm als freundliche Gegengabe eine Anzahl
Minerale trad Gesteine, die in unsern Sammlungen noch
gefehlt hatten. Von den Mineralen nennen wir u. a. eine
Carneolinfiltration in Buntsandstein des Schwarz-
waldes, Fuchsit (Chromglimmer) im metam^rphosierten
Marmor der Biindnerschiefer. Als weitere Donatoren haben
sich verdient gemacht die Herren Oberfbrster Schnyder:
Horn stein mitB&nderavonQuinten,Kaufmann Vischer-
Schl&pfer: Pyritkugel in Kalkstein (Weisstannen-
tal), Otto Schefer: Molassekohle zwischen Sandstein
and Nagelflah (Steinbruch b. Riethausle, St. Gallen). Vor
ca. I1/* Jahren hat Herr Direktor Dr. Wartmann bei Herrn
Minod in Qenf auf die grosse schweizerische Gesteins-
sammlang abonniert. In letzter Stunde sind dann be-
reits 196 Typen, die verschiedensten Gruppen und For-
mationen vertretend, angelangt. Durch ihre Ausstellung
sind wir imstande, Interessenten ein klares Bild der Mannig-
faltigkeit der Zusammensetzung unseres Schweizerbodens
zu verschaffen. Unter den von Herrn Prof. Heim uns
geschenkten und sofort dem Museum ubergebenen Ge-
steinen dtirfen wir hier wohl einige aufflihren: Talk-
schiefer (Zoblitz i. S.), gequetschter Eisenoolith
(Windgalle), Dynamometamorpher Liasschiefer
f Juramulde zwischen Gotthard und Tessin), vor allem aber
eine geschliffene Platte gefaltelter Gneiss aus der
Schlucht von Dazio Grande im Tessin. Sie ist ein sprechen-
der Beweis dafiir, dass bei der Alpenfaltung nicht nur die
Sedimente, sondern auch die Urmassive in Mitleidenschaft
gezogen wurden. Ueberdies verzeichnen wir hier, wenn
auch schon mehr der geologischen Abteilung zuzuweisen,
zwei echte Fulgurite, Blitzspuren oder Blitzvergla-
8ungen. Die eine, auf Amphibolgneiss, kommt vom Gipfel
222
de8 Sustenhorn, die andere, an Juliergranit, vom Gipfel
des Piz Julier (Engadin). In unserem Bestreben, mit der
Zeit eine vollstandige Serie von st. gallischen Gesteinen
anzulegen, hat uns Herr Kreisforster J&ger in Vattis in
verdankenswertester Weise kraftig unterstiitzt. Von ihm
erhielten wir eine grosse Platte des herrlichen Korallen-
kalkes aus dem Malm des Calanda (Steinbruch an der
Stra88e von Vadura nach Vattis), sowie einen ansehnlichen
Block des einzigschonen rosenroten Rdtidolomites
vom Kreuzbachtobel bei Vattis. Unser Versprechen, durch
Zueignung einer selbstgesammelten Kollektion der vul-
kanischen und sedimentaren Gesteine des He-
gaus (Hohentwiel, Hohenhewen etc.) eine recht empfind-
liche Llicke auszufiillen, haben wir dadurch honoriert,
dass wir dem Museum dieser Tage unsere Handsammlung
von ca. 180 Stucken ubergaben (Phonolithe, Basalte,
beiderlei Tuffe, Sti s swasserkalke, Juranagel-
fluh, Susswasser-Molasse, Grobkalke, Erratica
u. 8. w.). Ebenso sind kaum mehr aufzufindende Natro-
lithe dadurch in den Besitz des Museums iibergegangen.
Zum Schlusse gedenken wir noch mehrerer Geschenke
in Petrefakten. Herr Erziehungsrat Dr. Mliller
tiberreichte uns ein Bruchstuck eines versteinerten Cala-
miten (St. Etienne, Frankreich), Herr Prof. Heim den
charakteristischen Conoclypus Ybergensis aus dem
Eoc&n der „Planggu bei Yberg (Schwyz) und Fraulein
Klara Sutter und Herr Pfarrer E. Schuster in Stett-
f urt erf reuten uns mit einer seltenen Seeigelversteine-
rung im Feuerstein der Insel Fohr.
Zu verschiedenen Malen hat der langjahrige Referent,
Herr Direktor Dr. Wartmann, in seinen Berichten den
durch das Wachstum der Sammlungen immer mehr sich
223
fuhlbar machenden Plutzmangel hervorgehoben. Sollen
in den nachsten Jahren vor allem die Lokalkollektionen
der Gesteine und Petrefakten, sowie die geologischen Ob-
jekte die langst notwendig gewordene Aufstellung finden,
so muss auf irgendwelche Weise auch fur den entsprechen-
den Raum gesorgt werden.
Dank der Liberalitat des loblichen Verwaltungsrates,
der den ndtigen Kredit gewahrte, ist die Anschaffung des
grossen Kataloges der Reptilien und Lurche von
Boalenger zur Neuordnung der betreffenden Tierklassen
moglich geworden; vom Katalog der Fische ist bis jetzt
nur der erste Band erschienen und beliefen sich die Kosten
fur die genannten Werke auf ca. Fr. 200. —
Was den Besuch des Museums von Seite des
Pablikums anbelangt, so ist derselbe auch im abgelaufenen
Zeitraume ein recht reger gewesen, was nicht zum mindesten
der neuen Verordnung betreffend die Besuchszeit zuge-
schrieben werden darf. Vom 16. April bis 22. Juni, wahrend
welcher Zeit in unsern Raumlichkeiten die schon langer
geplante Niederdruckdampf h eizung , ausgefuhrt
von den HH. Gebriider Sulzer in Winterthur, gebaut
wurde, blieben samtliche Sammlungen vollig geschlossen.
Eg ist nicht daran zu zweifeln, dass sich jene sehr er-
wunschte Neuerung sowohl fur die Objekte als namentlich
for den Besuch des Museums in segensreicher Weise be-
merkbar machen wird. Noch glauben wir anfuhren zu
durfen, dass die Erstellung der Centralheizung durchaus
mit keinerlei Unzuk5mmlichkeiten verbunden war; der
Staub, der sich geltend machte beim Durchbruch des Bodens
und der Decke, lag wohl fiber Kasten und Vitrinen, ver-
mochte aber nicht, in dieselben einzudringen.
Der diesjahrige Bericht hat gezeigt, wie das letzto
224
Amtsjahr von Herrn Direktor Ih\ Wartmann ein
jeder Hinsicht normales und giinstiges fiir die Weifc
entwicklung des st. gallischen naturhistorischen Museu:
gewesen ist. Wir danken dies vor allem den energiscb
Bemuhungen und der so liebevollen Hingabe des teui
Verstorbenen, insbesondere aber auch der vollen Sympatl
der loblichen Behorde und den vielen alten und jung<
begeisterten Freunden des Museums. Ihnen alien gilt unj
herzlichster Dank!
Das Fundament unserer Institution ist solid gebai
ein kraftiger Pfeiler um den andern ist darauf geset:
sorgen wir dafur, dass mit den neuen Perspektiven, (
sich aus den eminenten Fortschritten der Naturwisse
schaften unserer Zeit erschliessen, der Ausbau im Sii
und Geiste der Begriinder des grossen Werk
durchgefuhrtwerdezuihrerEhreund zuihre
Andenken! Darum gelte auch heute die alte, gt
Devise: „Mit vereinter Kraft rtistig vorwarts!"
Kaum wird man sich wundern, wenn der Berk
uber die botanischen Anlagen diesmal relativ knapp $
halten ist. Eine wesentliche Beeintrachtigung der A
beiten in denselben fand durch die sehr ungunstig
Witterungsverhaltnisse im Friihjahr und Vorsommer sta
So konnte z. B. erst Ende April mit dem Ansaen der G
treidearten begonnen werden und wiederholt eingetrete
Schneefalle (8. und 14. Mai) verursachten eine Verschiebuj
der ersten Anpflanzung hoherer Blutengewachse bis zi3
29. Mai. Ihren Abschluss fanden die genannten Arbeit
am 21. Juni.
Herr Stadtgartner Walz war, nebst seinen viel
andern Verpflichtungen fiir die iibrigen offentlichen A
lagen der Stadt, in erster Linie bestrebt, dem Park d
225
jenige Gestaltung zu verleihen, wie sie eine grosse Zahl
von Besuchern mit Rucksicht auch auf die Zier- und
Kunstgartnerei wissen mochte, wo das Notwendige mit
dem Angenehmen Hand in Hand geht. Wenn es von vorn-
herein schwer fallt, alien Anforderungen und Meinungen
gerecht zu sein, so darf urn so mehr anerkannt werden,
wie Herr Walz mit grosster Unverdrossenheit auf eine
bestmogliche Abwechslung bedacht war hinsichtlich der
Arrangements von Palmen, Bananen, Ziergrasern, Topf-
pflanzen und immergriinen Gewachsen. Die Teppich-
gartnerei blieb innerhalb bescheidener und berechtigter
Grenzen; das Vorhandene aber zeugte von grossem Ge-
schick und Geschmack und die Parkbesucher mochten es
jeweilen kaum erwarten, bis eine derartige Zusammen-
stellung ihre definitive Beendigung gefunden. Die von
Herrn Walz personlich behandelte prachtige Gruppe unserer
Sacculenten oder Kakteen gedieh wiederum vortrefflich,
und einheimische wie fremde Besucher des Parkes spende-
ten ihr stets voiles Lob. Einige der Riesensaulen-
kakteen, Cereus peruvianus, wiesen einen aussergewohn-
lich hohen Bliitenansatz auf; schade nur, dass die alsbald
eingetretene regnerische Witterung die Bltiten nicht zur
vollenEntwioklunggelangenliess. Eswaresehrzuwiinschen,
dass dieser hochinteressanten, als einem der frappantesten
lnpassungsbelege fiir die vielgestaltige Pflanzenwelt wohl
bekannten Familie noch weitere Reprasentanten zugefiihrt
wurden, so aus dem Genus 0 p u n t i a , von welchem, wie
wir horen, zwei Prachtexemplare im hiesigen Burgerspital
vorhanden sein sollen. Nebstdem gibt es noch mehrere
herrliche Typen, die uns nicht lange mehr fehlen diirften ;
taitzt sie doch schon die sonst viel bescheidenere Kakteen-
gruppe im Konstanzer Stadtgarten.
15
226
Der Adjunkt des Stadtg&rtners, Herr Habegger, hat
mit voller Liebe der Pflege des botanischen Systems
und des Alpinums obgelegen, einer nicht gerade leichten
Aufgabe, wenn man den bestandigen Weohsel und die
verschiedenerlei Bediirfnisse der einzelnen Insassen in
Betracht zieht. — Infolge Ablebens des treuen Huters
und kraftigen Beschiitzers der zuletzt genannten Anlagen
wurden keine Erweiterungen oder sonstige Veranderungen
in ihrem Bestande vorgenommen. Dagegen verzeichnen
wir hier ein generoses Geschenk des unserem Alpinum
seit kurzer Zeit wohlgesinnten Herrn Obergartner Schenk
vom botanischen Garten in Bern, bestehend in circa 100
Arten von Alpenpflanzen verschiedenster Herkunft. Sie
waren uns um so willkommener, als eine grossere Zahl
gerade der wichtigsten Vertreter mit den Jahren einge-
gangen ist. Herr Habegger fuhrte auch eine vollige Neu-
etiquettierung der Alpinumbewohner zu Ende; im fernern
wurde eine gehorige Raumung von ungebiihrlich den Platz
erobernden Arten, sowie eine reichliche Zufuhr von frischem
Nahrboden vorgenommen. Die gesamten Alpenpflanzen-
anlagen sollten — es ist dies kein neuer Wunsch — einer
totalen Neugestaltung bezw. einer Hoherlegung unter-
zogen werden. Bei diesem Anlasse wiirde der langst not-
wendig gewordene Bodenwechsel verwirklicht, anderseits
Hesse sich durch den Bau von zusammenhangenden Felsen-
komplexen, Mauern etc. den okologischen Prinzipien ge-
recht werden. Selir zu begriissen ware daneben die mehr
geographische Gliederung der Vertreter speziell unserer
einheimischen montanen und alpinen Flora.
Die Pflanzen des Warmhauses, welche keinen
nennenswerten Zuwachs von Neuheiten erfuhren, erfreuten
sich durchwegs eines guten Gedeihens. Besonders herr-
227
lich kam auch dieses Jahr jene wunderbare, fast aufdring-
lich vanillaartig duftende epiphytische Orchidee Stan-
hopea tigrina aus Mexiko zur Bliite. Leider haben sie nur
wenige gesehen, da ihre Infloreszenz von kurzer Dauer ist.
Zu beklagen ist der ganzliche Abgang der so interessanten
karnivoren Kannentrager (Nepenthes spec), welche ihre
Blatter in Kannen oder Becher umgestalten, „in denen sie
ihren Feinden totlichen Trunk kredenzen". Es ist wohl
keinem Zweifel unterworfen, dass die abgestorbenen Exem-
plare durch neue, lebenskrafbige Ersatz finden. Desgleichen
mochte die Haltung und Pflege einer Anzahl wichtigster
Eolonialpflanzen von hochst belehrendem Werte sein.
Im Laufe des vergangenen Sommers ist das im vor-
jahrigen Berichte erwahnte Kalthaus als Anbau zum
Turnhause auf dem Biirgliturnplatz erstellt worden und
dient dasselbe, weil recht giinstig ausgefuhrt, bereits
seinem Zwecke der Uberwinterung vieler immergriiner
Gewachse, die ehedem im Kellergeschosse des Museums-
gebaudes enggepfercht ein kummerliches Dasein fristeten.
Heute befinden sich jene unter gunstigen Luft-, Licht- und
Warmebedingungen stehenden maohtigen Lorbeerbaume
des Hrn. Minister Roth, die Dracaenen, Araucarien etc.
im besten Zustande. Sollte die Winterkalte allzu stark als
Eindringling fungieren, dann sorgt der stattliche eiserne
Ofen fur eine angemessene Temperierung (bis + 5° C).
Keine Veranderung ist im Arboretum, d. h. in den
Baum- und Strauchgruppen des Parkes vor sich gegangen.
Fallungen von altersschwachen oder insektenbedrohten
Baumen wurden nicht notwendig und die noch vorhan-
denen alten Eschen diirfen sich wahrscheinlich noch langere
Zeit ihres Daseins erfreuen, bis der junge Nachwuchs ein-
mal zum reichen Schattenspender geworden.
/
228
Gliicklicherweise wurde das Projekt, einen namhaften
Teil des Stadtparkes fiir den neuen „Saalbau" in Anspruch
zu nehmen, fallen gelassen, denn durch die Verwirklichung
desselben hatten unsere Anlagen eine ganz wesentliche
Einbusse erlitten.
Recht angenehm beriihrte jeden Besucher die stets
schneidige und peinliche Ordnung innerhalb des ganzen
Parkes. Trotzdem die Anlagen „dem Schutze des Pub-
likumsa empfohlen sind, so kommen doch ab und zu Dinge
vor, die sich mit der Ordnung nicht vertragen, wobei dann
selbst beim besten Willen Kontroversen entstehen, deren
Ergebnis stets auf die Schultern des ohnehin geplagten,
aufsichtfuhrenden Gartenpersonals abgeladen wird.
Einen Attraktionspunkt besonderer Art, der sich von
jeher sehr lebhafter Frequenz, namentlich von Seite unserer
lieben Jugend zu erfreuen hatte, bilden die Volidre und der
Parkweiher, die reichhaltige Gesellschaft lebender Vogel.
^Dieser lebendige Anschauungsunterrichttf , sagt einer ihrer
lebhaftesten Verehrer und Gonner mit Poesie und Tat.
„ist geradezu unbezahlbar fiir die Jugend, einzig schon
deshalb, weil auch er uns hinlenkt zur gutigen Mutter
Natur, deren Freuden ebenso unerschopflich als bildend
sind fur unser Gemut."
Der fortwahrend erhebliche Kosten verursachende
Unterhalt, die oft nicht kleinen MortalitatsziflTern, welche
eine bestandige NeuanschafFung und Erganzung bedingen,
die hauslichen Einrichtungen fiir die Parksanger, „ deren
Abonnementskonzerte bekanntlich gratis sindu, und die
noch nicht vollige Amortisation der Baukosten fiir die
Voliere ftihrten jedes Jahr eine wachsende Schuld und
ein unliebsames Defizit herbei, so dass tatsachlich die
Fortexistenz dieser so beliebten Institution in Frage stand.
229
Yon den mancherlei Vorschl&gen zur Beseitigung einer
Kalamitat worde schliesslich jener des Subskriptionsweges
acceptiert. Ein von unserm allzeit hilfsbereiten Hrn. Bank-
direktor Grtitter, dem begeisterten Freunde der Natur
an die Freunde der gefiederten Welt und die Besuche
des Stadtparkes gerichteter Aufruf, den er im Auftrage
der Ornithologischen Gesellschaft verfasste, hatte einen
geradezu unerwartet giinstigen Erfolg, welch letzterer aber-
mal8 ein schoner Beweis der st. gallischen Opferfreudig-
keit ist. War es schon die urgelungene Muse des Mottos,
welche auch dem verdriesslichsten der stets „angepumpta
werdenden Mitburger unwillkurlich einen Gold- oder Silber-
vogel aus der Tasche lockte, so ist es anderseits wohl
weniger der Aussicht auf den Orden „pour le merite",
als vielmehr der "Oberzeugung, einer guten und schonen
Sache wieder auf die Beine zu helfen, zuzuschreiben, dass
so namhafte Beitrage geflossen. Die Kollekte ergab den
schonen Betrag von ca. 3000 Fr., wodurch die Not fur
absehbare Zeit gehoben und die Erhaltung der Voltere
und des Parkweihers gesichert wurde.
Ihr Zustand gestaltete sich im Berichtsjahr zu einem
durchaus erfreulichen und normalen, und keinem der In-
Bassen mochte wohl die finanzielle Verlegenheit seiner Be-
schtitzer anzumerken sein. Die Bevolkerungsziffer betrug
for die Voli^re durchschnittlich 156 Exemplare mit 69
Arten, jener fur den Parkweiher 66 Exemplare mit 32
Arten.
Wir durfen hier um so eher auf eine detaillierte Be-
schreibung Verzicht leisten, da der von Herrn Haupt-
mann Gahwiller mit voller Sach- und Fachkenntnis
verfasste Katalog uber die Einzelobjekte geniigenden
Auf8chlas8 erteilt. Vielmehr beabsichtigen wir, der inter-
230
essantesten und wichtigsten Vorkommnisse und Muta-
tionen Erwahnung zu tun. Die Mortalitatsstatistik ist
innerhalb bescheidener Grenzen geblieben. Abermals be-
wahrt haben sich der prachtige Flamingo und einer
der weissen Loffelreiher. Dem im letzten Berichte
sehnlichst erwarteten und bald nachher eingetroffenen
weissen Storch gesellte sich Mitte September ein zweiter
bei, als einem freundlichen Geschenke des Herrn Pyro-
techniker Miiller in Emmishofen (Thurgau). Grosster
Beliebtheit erfreute sich unzweifelhaft der wegen seiner
hervorragenden Eigenschaften, besonders der ausserordent-
lichen Klugheit und Zahmheit sich auszeichnende gemeine
Kranich (Grus cinereus). Bekundete das hiibsche Mann-
chen durch die stete Annaherung an seine ihn oft scharen-
weise umgebenden Freunde und durch die gemiitvolle7
knarrende Stimme seine Anhanglichkeit und Zutraulich-
keit zu den Menschen, vorab den Kindern, so war es stets
ein kostlicher Anblick, wenn er, durch Verbeugungen, Hut-
abnehmen und Griissen, mittelst frappanter Gestikulationen
und Sprunge dazu aufgefordert, getreulich nachahmte,
was ihm moglich war und schliesslich, zum allgemeinen
Gelachter der Anwesenden, mit gehobenen Flugeln sich
um sich selbst drehte und meisterhaft zu tanzen begann. Be-
kanntlich werden namentlich jung aufgezogene Kraniche
sehr rasch zahm, gewohnen sich an eine strikte Haus-
ordnung und wenn man sie in Gesellschaft anderer Vogel,
ja selbst in eine solche von grossern Weidetieren bringtr
so ubernehmen sie gerne die Rolle eines Waiters und
pflichteifrigen Ordnungschaffers. Bei einer Viehherde ver-
sieht dieser intelligente Vogel die Funktionen des Hirten-
hundes und es gibt Falle, wo er sogar Ochsen meister-
haft im Zaune zu halten wusste. — Wir bitten also Be-
231
sucher des Parkweihers dringend, dem herrlichen Burschen
voile Sorgfalt und Liebe angedeihen zu lassen; iibrigens
weiss man, dass er unter Umstanden, namentlich nach
Beleidigungen, sich rasch und empfindlich zu revanchieren
versteht.
Ein wiederholter Versuch mit dem zierlichen, schlank
and grazios gebauten, in Asien, besonders in Indien, mit
dem gemeinen Kranich vorkommenden Jungfernkranich
(Grus virgo) ist leider auch dieses Jahr total missgluckt.
Es scheint beinahe sicher zu stehen, dass wir von der
Haltung dieser Art ein fur allemal abstehen miissen ; das
St. Galler Klima vor allem muss ihr nicht zutraglich sein.
Wir wollen im fernern nicht unerwahnt lassen einen
selbst in zoologischen Garten kaum zu Gesicht zu bekommen-
den Gast, der, als Geschenk von Herrn Praparator Zolli-
kofer , unsere Kollektion zierte. Es sind dies vier H auben-
steissfiisse (Podiceps cristatus), von welchen zwar zwei
Exemplare infolge absoluter Futterverweigerung schnell
eingingen; dagegen gewohnten sich die beiden anderen
schliesslich doch an die Nahrung und gediehen vortreff-
lich bis zur Zeit des Einfrierens. Zur Stunde lebt noch
ein Exemplar ; bedauerlicherweise ist auch bei diesem ein
Absterben zu befurchten, da ihm sein Lebenselement, das
Wasser, nicht in genugender Weise reserviert gehalten
werden kann.
Vor einigen Jahren beherbergte die Voliere eine seit-
her abgegangene Kolonie von Eulen; im Berichtsjahre
warden abwechslungsweise einmal vier Turmfalken
Palco tinnunculus) gehalten, welche sich zahlreiche Zu-
schauer anzuziehen wussten.
Weit mehr als diese interessierte aber die seit dem
Monat Joli errichtete Spechtabteilung (vier grosse
232
Buntspechte [Picus major] und zwei mittlere [Picus medius])
in der, nach sorgfaltiger Priifung, mehrere mit jenen sich
gut vertragende Spechtmeisen oder Kleiber (Sitta europaea)
Unterkunft fanden. Berindete * Baumstamme mit Asten
boten den ausserst muntern und klugen Gesellen die schonste
Gelegenheit, ihre Zimmermannskiinste zur Schau zu tragen,
und die Spechtmeisen, als die einzigen einheimischen
Vogel, welche imstande sind, auch stammab warts zu
klettern, erfreuten Jung und Alt mit ihren flinken Be-
wegungen. Allein der unter Spechten wohlbekannte Un-
vertraglichkeitssinn gelangte sehr rasch zum Durchbruch.
Einmal ganz erstarkt und die Mauser glucklich iiber-
standen, uberfielen sich die Spechte gegenseitig und heute
ist von der ganzen Sippe nur noch der einzige Sieger
fiber alle andern am Leben, der aber selbst kaum uber
Winter ausharren wird.
Es versteht sich von selbst, dass bei den Einrich-
tungen, die unsern Lieblingen geschaffen wurden, die
Bruterfolge eben nur als bescheidene bezeichnet wer-
den miissen. Immerhin lassen sich auch dieses Jahr eine
Anzahl giinstiger Falle von Bruten namhaft machen, so
besonders eine zweite der Mahnentaube (Columba nico-
barica) und zwei Bruten der Nymphensittiche. La-
bradorente, Bisamente, Brautente, Silber-
fasanen blieben ebenfalls nicht zuruck und die reizenden
Scharchen ihrer allerliebsten Kinderchen sind das Ent-
ziicken von jedermann gewesen. Mitte Juni erhielten die
weissen Schwane eine vom Publikum lebhaft begriisste
Nachkommenschaft; zwei der Jungen wuchsen rasch heran
und nachdem sie lange ihr dunkelgraubraunes Habit ge-
tragen, entschlossen sie sich allmahlich zur Ubernahme
des endgiltigen schneeweissen Gewandes.
W&hrend die schwarzen und weissen Schwane Tiber
die strengste Winterszeit draussen im Biirgerspital Unter-
kunft find en, hat seit Jahren Herr G&rtnereibesitzer
Kessler-Steiger in zuvorkommendster Weise die Uber-
winterung der grossern Sumpfvogel, wie Loffelreiher,
Kranich und Flamingo auf sich genommen, und seiner
liebevollen Fursorge ist es zu verdanken, wenn wir im
Fronting wiederum diese alten Bekannten in bestem Zu-
stande begriissen durfen.
vra.
Untersuchungen
iiber
die Bodenfauna in den Alpen
von
Konrad Diem.
I. Einleitung.
Was verstehen wir unter „Bodenfaunaa?
Wir haben, obwohl der Ausdruck „ Bodenfauna" in
der Literatur haufig anzutreffen ist, doch nirgends eine
genaue Umschreibung des Begriffes finden konnen.
Vom n Boden" gibt Nowacki (Lit. 44) eine auch vom
zoologischen Standpunkt annehmbare Definition, indem
er, mit Wasser bedeckte Flachen ausschliessend, sagt:
„Der Boden stellt eine lose gefugte Masse dar, in welcher
grossere und kleinere, bis verschwindend kleine Gesteins-
triimmer mit Mineralsalzen, Humussubstanzen, Wasser,
Luft, pflanzliehe und tierische Lebewesen zu einem in sich
beweglichen und veranderlichen Ganzen vereinigt sind."
Als Bodenfauna konnten wir demnach im allgemeinen
Sinn des Wortes die Gesamtheit der tierisohen Lebe-
wesen im Boden auffassen.
Wir glauben aber, im Interesse einer auf biologische
Eigentlimlichkeiten Eiicksicht nehmenden Definition den
Begriff enger fassen zu mussen.
Die zahlreichen Tierformen, die wir zu verschiedenen
Zeiten und an verschiedenen Orten im Boden antreflfen
konnen, stehen in sehr verschiedenen Abhangigkeitsver-
haltnissen zu demselben.
235
Wir finden:
a) solche Formen, die nur zufallig, aktiv oder passiv,
in den Boden gekommen sind oder die sich nur wahrend
kiirzerer, unbestimmter Zeit dort aufhalten. Ihre Ent-
wicklung vollzieht sich aber gewohnlich und natur-
gemass ausserhalb des Bodens; wir betrachten sie daher
nicht als Bodentiere;
b) Tiere, die wahrend einer bestimmten, begrenzten
Periode ihrer Entwicklung an den Boden gekniipft sind,
deren Auftreten an gewissen Stand orten aber oft durch
das Verhalten anderer Entwicklungsstadien bedingt ist
(z. B. Bakterien, Nemathelminthen, Mollusken (Eier) und
Arthropoden). Diese Gruppe kann als „Bodenfauna im
weitern Sinn" angesehen werden;
c) solche Tierformen , deren Existenz dauernd mit
dem Boden verkniipft ist, die aber zufallig, oder zur
Erfullung einer physiologischen Funktion regelmassig
an die Oberflache kommen (z. B. verschiedene Lumbri-
ciden und Myriapoden);
d) Tiere, die normaler Weise nur im Boden leben
iz. B. viele Enchytraeiden, Nematoden, Bakterien) ;
e) Tierformen, deren ganze Entwicklung sich ge-
wohnlieh im Boden vollzieht, welche aber ebenso gut
dauernd an andern Standorten zu leben vermogen (z. B.
verschiedene Oligochaeten : Lumbricus melibceus, nach
Bretscher amphibisch; Enchytraeiden unter Rinde oder
in faulendem Holz).
Als eigentliche Bodentiere, als Bodenfauna im engern
Sbne, konnen nur Tiere unter c, d, e aufgefasst werden,
in erster Linie also Nematoden, die terricolen Oligochaeten
mid verschiedene Myriapodenformen.
236
Die Kenntnis der Bodenfauna der Schweiz ist in
systematisch-tiergeographischer Hinsicht im Laufe der
letzten Jahre namentlich durch die Arbeiten von Bretscher
und Ribaucourt iiber Oligochaeten und von Rothenbtihler
iiber Myriapoden wesentlich gefordert worden.
Doch mit der Kenntnis der Formen und deren Ande-
rungen in verschiedenen Verbreitungsgebieten ist die Auf-
gabe der Tier geographic keineswegs erschopft; sie sucht
auch nach einer Erklarung; sie forscht nach dem ursach-
lichen Zusammenhang, nach den Wechselbeziehungen vom
Herkommen iiberhaupt, den Anpassungserscheinungen und
den aussern Lebensbedingungen — also nach dem Ein-
fluss der Standortsverhaltnisse auf die Tierformen und
deren Lebensweise ; nach dem gegenseitigen Verhalten der
verschiedenen Arten und Individuen und nach dem Ein-
fluss der verschiedenen Tiergruppen auf ihre Umgebung.
Der am haufigsten begangene Weg zum Studium der
Wechselbeziehungen zwischen Tier und Standort ist ge-
wissermassen ein synthetischer: der Forscher untersucht
die Einwirkung eines gesonderten aussern Faktors auf
den Organismus und die Lebensweise einer Tierform und
umgekehrt den Einfluss des gesonderten Tieres auf seine
Umgebung.
Bei solchen Versuchen zeigt es sich aber oft, dass
die Wirkung einzelner naturlicher Faktoren durch Ver-
suche iiberhaupt nicht exakt gemessen werden kann. Bei
Versuchen iiber die Lebensweise der Bregenwurmer und
iiber ihren Einfluss auf die Entwicklung der Pflanzen
kann z. B. nicht umgangen werden, die Versuchserde in
kiinstlich veranderter Struktur fur denVersuch bereit zu
stellen. Dadurch wird aber natiirlicherweise die tJbereiii-
stimmung der gebotenen Lebensbedingungen mit denen
237
in naturlichen Verhaltnissen gestort (vergleiche lit. 19,
pag. 15 und lit. 69).
Der Systematiker sucht durch spezielle tiergeographisch-
vergleichende Betrachtungen zum Ziele zu kommen. Dies
ist aber bei der Erforschung der Bodenfauna mit viel
grosseren Schwierigkeiten verbunden, als bei der mobilen
Luft- und Oberflachenfauna.
Die bestimmenden Lebensbedingungen dieser letz-
tern sind weniger lokalisiert, wie auch die Fauna selbst,
und sie sind auch leichter und rascher zu beobachten.
Dagegen stellt das Sammeln der Bodentiere an und
fur sich grossere Anforderungen ; die ungefahre relative
Tertretung und Verbreitung kann nicht durch blossen
Augenschein geschatzt werden; die Beobachtung aller
Existenzbedingungen, der Standortsverhaltnisse, verlangt
spezielle, dem Systematiker ferner liegende Studien.
Die Mannigfaltigkeit der klimatischen, der geologi-
schen, pedologischen und botanischen Verhaltnisse der
Schweiz erschwert die biographische Erforschung der
Bodenfauna noch besonders.
Diese Umstande fiihren uns darauf, eine bis heute
wenig beachtete Forschungsmethode zu Rate zu ziehen:
Die Bodentiere sind im allgemeinen sesshaft.
Passive Translokationen sind selten, und ihre Wirkungen
konnen in der Mehrzahl der F&lle geschatzt werden (Ver-
schleppung durch Vogel und andere Tiere, durch Erd- und
Pflanzentransporte, Erdrutsche, Lawmen, Uberschwein-
mungen, fliessende Gewasser). Ihre geringe Wanderungs-
tahigkeit, die grossen Gefahren bei ihren Wanderungen
veranlassen die Bodentiere, nur dann ihren Standort zu
wechseln, wenn die Existenzbedingungen ihnen nicht nielir
geniigen; den ungiinstigen Verhaltnissen aber konnen
rie nie entfliehen.
238
Unter dem Optimum von Lebensbedingungen werd
sie sich, weil ihre Entwicklung begunstigt, ihr Wandertr:
aber gering ist, in grosstmoglicher Anzahl ansamme
wahrend Ansiedelungen unter ungunstigen Verhaltniss
nur von kurzer Dauer sein werden.
Die zahlenmassige Vertretung der Formen c
Bodenfauna an einem Standort wird sich also in gewiss*
Masse proportional der Giinstigkeit der Lebensbedingung
gestalten ; wir werden durch vergleiohend-statistische Ai
lysen der Bodenfauna bei genauer, ausfiihrlicher Ermi
lung der aussern Verhaltnisse deren Einfluss auf die Ti<
feststellen konnen; wir werden dadurch Anhaltspunl
erhalten uber das Verhalten der verschiedenen Tiergrupj
und Arten zu einander und uber ihre Einwirkung i
ihre Umgebung.
Hiebei muss aber vorausgesetzt werden, dass die Stai
orte der Untersuchungen moglichst natiirliche sei
d. h. solche, die namentlich nicht haufigen, raschen u
unvermittelten Anderungen durch den Einfluss der Kul
ausgesetzt sind.
Aus diesem Grunde, sowie mit Rlicksicht auf •
Moglichkeit, auch vergleichende Beobachtungen versch
dener Hohenlagen machen zu konnen, erscheint es zwe<
massig, solche Untersuchungen in den Alpen durch:
fuhren, die am ehesten natiirliche, von der Kultur wei
beeinflusste Standorte bieten. —
Bei der Losung der uns gestellten Aufgabe — sta
stische Analysen der Bodenfauna in Verbindung mit I
trachtungen iiber die Standortsverhaltnisse — haben \
verschiedene Exkursionsgebiete gewahlt, teils run grdsse
auffallendere Unterschiede einzelner Faktoren zu erhalti
teils auch aus rein ausserlichen Griinden. —
239
Die statistische Analyse wird in ahnlichem Prinzipe
schon lange von Botanikern angewendet. Wir erwahnen
die Arbeiten von Sinclair, Lawes und Gilbert, Kuhn, Witt-
mack, Vogt, Schindler, Stebler und Schroter (lit. 60).
Von Zoologen dagegen sind bis heute nur wenige
derartige Erhebungen gemacht worden ; genaue Zahlungen
von Oligochaeten, jedoch ohne besondere Berucksichtigung
der aussern Verhaltnisse und ohne Einbeziehung anderer
Bodentiere, haben Hensen (lit. 30) und in neuerer Zeit
Bretscher (lit. 6 — 11) gemacht.
tber Standortsverhaitnlsse.
a) Boden.
Die Beziehungen der Bodenfauna zu ihrem eigent-
liehen "Wohnort, zum Boden, konnen direkte sein ; in dieser
Hinsicht haben wir zunachst die verschiedenen Boden-
verhaltnisse zu betrachten. Sodann aber miissen wir auch
benicksichtigen, dass klimatische Faktoren je nach Art
und Zusammensetzung des Bodens, je nach seiner Ex-
position und Neigung einen sehr verschiedenen Einfluss
auf ihn ausiiben, dass ferner durch den Boden auch die
Formation der Pflanzendecke mitbestimmt wird.
Wir haben bei unsern Untersuchungen Erhebungen
gemacht iiber die morphologischen Eigenschaften des
Bodens — Struktur und Schichtungsverhaltnisse — und
uber seine chemische Zusammensetzung; wir sind aber
gezwungen, das physikalische Verhalten der unter-
sachten Boden unter Anlehnung an spezielle bodenphysi-
kalische Versuche durch Kalkulation zu bestimmen.
Denn die physikalischen Eigenschaften des Bodens —
Bodenfeuchtigkeit und Bodentemperatur — sind durch
klimatische Bedingungen beeinflusst: sie wechseln ortlich
L
240
und zeitlich, und ihre Feststellung erfordert jahrelange '.
Beobachtungen.
Eine Zusammenfassung der Forschungen auf diesem
Gebiete der Bodenphysik ergibt folgende allgemeine
Grundsatze :
1. In bezug auf Feuchtigkeitsverhaltnisse:
a) Dichte Boden (Humus-, Ton-, Kalkerdeboden) sind
bei anhaltender Trockenheit (starken Luftstromungen)
trockener, bei kalterem, ruhigerem, feuchtem Wetter
feuchter, als lockere Boden (Quarz-, Kalksand- und
Steinboden).
Mit der Dichtigkeit wachsen demnach die S c h w a n-
kungen der Bodenfeuchtigkeit.
b) Der Wassergehalt ist am kleinsten bei Siidexposition,
grosser bei Ost-, dann Westexposition, am grossten
bei Nordexposition.
c) Mit dem Grade der Neigung nimmt der Wassergehalt
a b, in starkerem Masse bei bewachsenem Boden und
bei Siidexposition.
d) Die trocknende Wirkung des Windes macht sich in
tieferen Schichten weniger geltend, als in der ober-
flachlichen Schicht.
2. In bezug auf Bodentemperatur:
a) Die Temperaturmittelwerte werden hauptsachlich
vom Gang der Lufbtemperatur beeinflusst.
Temperaturschwankungeti nehmen im allge-
meinen mit der Tiefe ab ; tagliche Temperaturschwan-
kungen dringen hochstens 30 cm tief ein.
In den Monaten Oktober
bis Marz steigt
vom April bis September
fallt
die Tem-
peratur
von den oberflach-
lichen
zu tieferen Schichten.
241
b) Bei anhaltend hoher Lufttemperatur ist die Temperatur
der Boden mit Sand *) > Ton > Humus.
Umgekehrt bei niederer Lufttemperatur;
im feuchten Zustande aber ist Humus > Sand > Ton.
An heissen Tagen konnen die Temperaturdif-
ferenzeti. extremer Bodenkonstituenten auf
8,3° C. (bei 5 cm Tiefe) steigen :
(Humus < Biindnerschiefer, lit. 40).
r) Die Bodentemperatur ist bei Exposition gegen
Slid > Ost - West > Nord.
Die Differenz ist am grossten an heissen Tagen
(mittags 1 h. = 9° C. bei 5 und 15 cm Tiefe) bei Sud-
und Nordexposition.
Die Temperaturschwankungen sind bei Siid-
exposition grSsser als bei anderer Exposition.
Ebenso sind Temperaturunterschiede nach dem
Grade der Neigung bei Sfidexposition am gross-
ten (im Maximum 7 — 8°).
Mit grosserer Neigung ist die Temperatur des
Bodens bei Exposition nach
April-Oktober Noraibir-Mrz
Slid . . hoher , niedriger (rawhc Schncewhrnelie)
Nord . . niedriger j hoher.
Bei Ost- und Westexposition zeigen sich nur ge-
ringe Unterschiede.
d) Der Einfluss der Vegetations- und Schnee-
decke aussert sich in folgendem Masse:
Die Bodentemperatur ist bei bewachsenem
Boden (oder mit Schneedecke) geringern Schwan-
kungen unterworfen, als bei nacktem Boden, nament-
lich im Walde.
hoher > niedriger.
16
242
Im Walde ist sie niedriger (im Jahresmittel
5 — 10°) ah im Freiland; der Unterschied wachst mit
der Dichte des Bestandes.
Aus den Alpen sind uns nur die Erhebungen iiber
Bodentemperatur in Sils-Maria bekannt.
Sils-Maria liegt einem unserer Exkursionsgebiete,
dem Fextal, nahe.
Wir ftigen deshalb eine Zusammenstellung der Ergeb-
nisse der Beobachtungen bei1), zum Vergleich auch die
von Buus (Baselland); Haidenhaus8) (Thurgau), 696 m,
zeigt Ahnlichkeit mit Buus unter etwelcher Annaherung
an die Resultate von Sils.
Jahresmittel
Lull-
temperatur
Bodentemperatur ° C. 1— l'/i b. p.
Silt
Mi m
Buus
451 ■
Sils ! Bws
Hit ■ 4U ■
5 cm tief
Sils
Ins
Sils
Im
Sis las
|
30 cm tief
60 cm tief
120 «■ tief
1,"
8,4
5,12
10,3
4,66
15,1
8,8
4*»
8*
4,«
8,
11*
0,
littlerei Ma
—
—
20*
28,8
20*
13*
19,.'
15,4
littlerei Mid.
—
-3,«
-4,6
-1,
~2,o
0,7
2;>
Min. in der Periode
—
—
-6,.
-9,7
—2.9
— 6,0
— 0.S
U
Die Beobachtungen erstrecken sich: in Sils von 1894
bis 1899 (in einer Wiese), in Buus von 1895 bis 1901 (im
Garten).
Im allgemeinen bestatigen sich die frtiher ausgefuhrter
Grrundsatze auch fur die Alpen. Sie werden aber folgender-
dermassen erweitert:
*) Die Originaltabellen wurden uns von der meteorologischer
Zentralanstalt Zurich zur Bearbeitung giitigst zur Verfugung ge
stellt.
') Von der schweizerischen Zentralanstalt fur forstliches Ver
suchswesen und der meteorologiscben Zentralanstalt.
243
Die Bodentemperatur nimmt im Jahresmittel mit Zu-
nahme der Hohe iiber Meer in erheblich geringerem
Grade ab als die Lufttemperatur.
Wahrend im Flachlande die Temperatur schon bei
60 cm seltener unter 0° sinkt, treten in grosseren Hohen
selbst bei 120 cm noch Temperaturen unter 0° ein (Sils
bei 60 cm mittl. Min. von — 2,o°).
DasTemperatur-Minimum trittinSilsvomFebruar
bis Mai ein, in 120 cm. Tiefe.
In der Vegetationszeit, Mai bis September, zeigt
die Bodentemperatur in den Alpen eine Temperatur-
iiberlegenheit der obern Schichten (5 und 30 cm) nur
im Juni und Juli; in jeder Schicht kommen wahrend dieser
Zeit gleichwohl Temperaturen unter 0° vor.
b) Pflanzenbestand.
Vom Pflanzenbestand sind eine Reihe chemischer und
physikalischer Eigenschaften des Bodens beeinflusst, wie
wir im vorstehenden Abschnitt gezeigt haben.
Durch Darwins Versuche (lit. 18, pag. 18 ff.) ist nach-
gewiesen, dass der Regenwurm fiir besondere Pflanzen
und Pflanzenteile grosse Vorliebe zeigt, andere verschmaht;
ahnlich auch verschiedene Myriapoden (durch Plateau
lit. 45). Die Bodenfauna im weitern Sinne (Larven) wird
auf ahnliche Weise beeinflusst, oder indirekt dadurch, dass
ihre Imagines an einen bestimmten Typus der Pflanzen-
formation gebunden sind.
Durch die Tatigkeit der Wiirmer sind nach Hensen,
Darwin, Wollny, Djemil wiederum Entwicklung und
Gedeihen der Pflanzen in vielen Fallen beriihrt.
DieseTatsachen haben uns veranlasst, auch diePflanzen-
decke bei unseren Untersuchungen in Beriicksichtigung
244
zu ziehen. Ausserdem bietet uns die Flora oft ein wert-
volles HQfsmittel, um auf besondere Eigenschaften des
Bodens schliessen zu konnen und den Grad der Wirkung
klimatischer und wirtschaftlicher Faktoren beurteilen
zu konnen.
Nach den Gesamterscheinungen des Pflanzenbestandes
unterscheiden wir, unterZusammenfassung derverwandten,
von Stebler und Schroter aufgestellten „Pflanzengesell-
schaftena fur unsere Probestandorte folgende Bestandes-
formationen:
1 . Wi e 8 e (Fett wiese, Magermatte, Sumpf(Streu)- wiese).
2. Weide.
3. Wald (und Drosgebiisch).
4. Planggen.
Die Wiese. In der Fettwiese wird durch perio-
dische Zufuhr von meist animalischem Diinger der Humus-
gehalt des Bodens verandert. Die Entwicklung derPflanzen
ist einseitig: es bildet sich eine hohe, aber an Trieben
und Individ uen relativ arme, lockere Pflanzendecke.
Der Boden der Magermatte wird durch Heunutzung
ohne Ersatz der Pflanzennahrstoffe beraubt. Ein kompakter
Rasen und dichter Wurzelfilz unmittelbar unter der Ober-
flache hemmen den Zutritt der Atmosphaerilien zum
Boden; sie erschweren der Bodenfauna das Durchdringen
der obern Bodenschichten. Die Sumpf wiese, gewohn-
lich als Streuland beniitzt, auf n ass em Boden, zeigt be-
sonders charakteristischen Pflanzenbestand und meistens
,,saureu Humusdecke. Durch die grosse Bodenfeuchtig-
keit wird iiber der Sumpfwiese oft innerhalb desselben
Himmelsstriches ein kalteres, rauheres Klima bedingt.
In den Wiesen gelangen innert kiirzern oder langern
Perioden beim Mahen eine Menge den Humus bereichernde
245
oder der Bodenfauna als frische Nahrung dienende tote
Pflanzenteile auf und in den Boden.
Die Weide. Das Vieh lasst hier, sehr unregelmassig
verteilt, seine Exkremente — pflanzliche Euckst&nde der
Verdauung und tierische Stoffe — an begrenzten Stellen
fallen, „Kuhfladentt, welche der Bodenfauna besondere,
von den allgemeinen Verhaltnissen abweichende Existenz-
bedingungen bieten, aber nur wahrend kiirzerer Zeit
(Stellen, die von Oligochaeten oft gerne aufgesucht wer-
den, nach Bretscher lit. 11).
Durch den Weidgang wird der Boden unregelmassig
festgetreten („Kuhtrittea).
Der alpine Wald, grosstenteils Coniferengesell-
schaften, bietet gegeniiber den andern Pflanzenformationen
besondere Standortsbedingungen, sowohl in seinen klima-
tischen Bedingungen — grossere Luftfeuchtigkeit, gleich-
raassige Niederschlagsverteilung, gleichmassigere Tempe-
raturen, Windschutz — als auch hinsichtlich der Boden-
verhaltnisse (Waldhumus).
Die Planggen, Planklerrasen, sind in der Art ihrer
Zusammensetzung sehr mannigfaltig, weil die naturlichen
Terschiedenheiten (Lage, Hohe, Klima, geologisch-pedo-
logische Verhaltnisse) fast allein, ohne ausgleichende kultu-
relle Massregeln, zur Geltung kommen.
Eine uppige, wiirzige Flora, selten durch den „Zahn
der Tiereu gestort, bildet gewohnlich einen dichten, war-
raenden Pelz uber dem Boden.
c) Klima.
Die Unterschiede der klimatischen Verhaltnisse der
verschiedenen Exkursionsgebiete aussern sich in ihrer Ein-
wirkung auf die geschiitzte, verborgene Bodenfauna haupt-
246
8&chlich in verschiedener Hdhenlage, indirekt durch ihren
Einfluss auf andere Standortsbedingungen, wie Boden-
feuchtigkeit, Temperatur und Pflanzenbestand.
Aus unsern Exkursipnsgebieten stehen uns keine
meteorologischen Daten zur Verfiigung. "Wir mlissen uns
begndgen, an dieser Stelle die Lufttemperaturen der be-
nachbarten Stationen vergleichend gegenfiberzustellen:
i
3
o
. o
3
4
1
51
1 ^
5
r»
•9
i s
*~1
1
00
1
T
^
; e
cm
Ok
1
4
CM
1
g
ft
i
3
CM
•
•
of
••
1
s
g
s
"3
*
_
H.
' 2
•
a
3
■?
CO
iO
00
J8
1
e
OS
1
CO
1
-
*
w
S
: *
O
CO
1-*
CD
^
t^
1
t^
o
•
(4
*0
,
1
©
i 1
CM
X
oc*
*
CO
5
*H
1 .
^,
|
1 3
cf
go"
1
co~
1
s
of
e«
e«
*H
es
~.
X
»
$
„^
-a
CM
00
1
©
i
is e
I - s
*3§
.£ Q
«8 CM
T3 €8 —
OS
c
= ? =
lie
i
-^ CO
©9
~»
»
1
s
I .-
*-* ;
'd
i
o
247
Wir haben, um eine tJbersicht der Hohenlage der
Probestandorte zu wahren, fiir die in Betracht kommenden
Gebiete 3 Hohenregionen unterschieden (anlehnend an
ifiihry's klimatische Regioneneinteilung, lit. 42):
248
Wir erwahnen noch, dass mit grosserer Hohe zu-
nehmende Intensitat der Evaporation (Bodenoberflache
austrocknend !), aber auch gr6sserer Feuchtigkeitsgehalt
der Luft sich bemerkbar machen.
In den obern Regionen ist die Saturation im Sommer
grosser, im Jahresmittel dagegen kleiner.
Die mittlere Jahrestemperatur nimmt ab, ebenso die
Temperaturschwankungen im Jahresmittel; dagegen sind
die taglichen Fluktuationen, namentlich im Sommer,
grosser als in tiefern Lagen.
Der Ubergang vom Winter zum Friihling erfolgt in
der Hohe immer rascher.
III. Methode der von mir durchgefBhrten
Untersnchungen.
Bretscher hat bei seinen Zahlungen einzelner Erd-
aushube die Ergebnisse pro 1 m2 berechnet; er macht nur
bei einer Erdprobe von Avers -Cresta nahere Angaben
xiber das untersuchte Quantum Erde: 20X10>5 bei einer
untersuchten Tiefe von 8,5 cm (also ca. 1jbo m*). (Der Boden
selbst hatte eine grossere Machtigkeit.)
Er fugt ferner bei, dass die Untersuchungen „mit
starker Lupeu durchgefiihrt wurden.
Wir konnten uns demnach bei der praktischen Aus-
fuhrung der Bodenuntersuchungen nur wenig auf friihere
stiitzen.
In den meisten Fallen haben wir eine Flache von
25X25 cm = Via m2 untersucht.
Die Flachenmasse haben wir stets parallel der Ober-
flache des Bodens, die Tiefenmasse senkrecht zur Ober-
flache genommen, um die wirkliche Masse der Erde fest-
zustellen. Das horizontale Mass geneigter Oberflachen
249
wurde eine Verkleinerung der Probe gegenuber solchen
mit wagrechter Oberflache bedingen und beim Messen der
Bodenschichten (Humus, Gesamtmachtigkeit) in verti-
kaler Richtung wiirden deren Masse bei geneigter Ober-
flache grosser erscheinen, als sie in Wirklichkeit sind.
Die Abgrenzung und das Messen der einzelnen Boden-
schichten ist in manchen Fallen kaum moglich ; wir haben
dann festgestellt, wie weit die Hauptmasse der Wurzeln
reichte und wir bezeichnen diese Tiefe als „Wurzel-
region".
Nach den Erhebungen iiber Witterungsverhaltnisse,
Oberflachengestaltung, Pflanzenbestand, brachten wir die
Erde (bis zur felsigen oder steinigen Unterlage) auf Wachs-
papier und packten sie, um Verluste moglichst zu ver-
meiden, sofort in doppelter Umhiillung ein.
Die topographische Orientierung geschah nach dem
topographischen Atlas der Schweiz, diegeologische nach
den ortlichen Befunden unter Zuhilfenahme der rGeolo-
gischen Karten der Schweiz" (vide Literaturverz.). Zur
Feststellung der Oberflachengestaltung bedienten wir
uns der Geologenbussole.
Zur Ermittlung der Qualitat des Pflanzenbestandes
bestimmten wir die dominierenden Arten, die wir nach
den Angaben von Stebler und Schroter auch zur Boden-
bestimmung zu Hilfe zogen.
Der Bodenbestimmung legten wir NowackisKlassi-
fikation zu Grande.
Zur zoologischen Analyse der Bodenprobe ver-
wendete ich ein 2 mm Drahtsieb von 20 cm Durchmesser
und 2 cm hohem Band.
Ich brachte successive kleine Portionen der vorher
zerteilten und von grobern Steinen und Pflanzenteilen und
260
den grds8ern Lumbriciden befreiten Erde auf das Sieb
and siebte davon einen feinen Belag (ca. 1 mm dick) auf
schwarzes Wachstuch.
Das Aussuchen der Erde wollte zuerst nicht recht
gelingen.
Enchy traeiden und Nematoden und andere kleine Lebe-
wesen waren oft nicht oder nur schwer von pflanzlichen
Grebilden, wie Wurzelstuckchen, Gefassbiindelstrangen und
Staubfaden zu unterscheiden; ebenso konnten Tiere von
dunkler Farbe, wie einzelne Collembolen, kanin gefunden
werden, wenn sie sich ruhig verhielten.
Besseren Erfolg hatte ich, als ich begann, Tabak-
rauch iiber die feine Erdschicht zu blasen. In der vor-
her fast tot erscheinenden Masse erwachte reges Leben.
Nicht nur Enchytraeiden und Nematoden, auch Acariden,
Collembolen, selbst die kleinsten Arthropodenlarven und
-Puppen begannen sich lebhaft zu bewegen und zu kiiimmen.
Es wurde mir bei steter Anwendung des Tabakrauches
fortan leicht, der gesamten kleinen Bodenfauna habhaft
zu werden. Zur vollstandigen Durchsuchung bediente ich
mich zuletzt der Lupe.
Darwin verneint die Empfindlichkeit der Regenwiirmer
gegen Geriiche, spezielle Falle ausgenommen; er konnte
keine Empfindlichkeit gegen Tabaksgeruch erkennen (beim
Tabakkauen) [lit. 18, pag. 15 ff.].
Wir haben immer eine Reaktion, sowohl bei Lumbri-
ciden wie Enchytraeiden, wahrnehmen konnen; beiletztern
war sie allerdings immer rascher und energischer. Da-
gegen rcagierten die Enchytraeiden und Nematoden nur
wenig auf den .,Atemu und andere Windstromungen.
Den ini Siebe verbleibenden Riickstand, Steinchen,
Wurzelfilz etc. durchsuchten wir besonders, wobei dann
251
nicht nur grossere Tiere, sondern auch mit Teilen des
Riickstandes enger verbundene kleinere (an Wurzeln haf-
tende und in Wurzelstucke eingefressene Enchytraeiden
und Nematoden) zu einem grossen Teil herausgefunden
werden konnten.
Durch mehrere Kontrollversuche, mehrmaliges Durch-
sieben der gleichen Erde ohne weitere Funde, iiberzeugten
wir uns von der Richtigkeit der gewonnenen Resultate,
soweit sie sich auf mit der Lupe noch erkennbare Tiere
beziehen. Einzig einzelnen Collembolen gelang es, sich
durch einen lebhaften Sprung unserer Pincette zu ent-
ziehen. Einige Nematoden, die sich im Wurzelwerk ver-
steckt, verflochten hatten, mogen gleichfalls- entkommen
sein.
Auf den Rat von Herrn Dr. Grete machten wir auch
einen Versuch mit Abschl&mmen, aber ohne jeden Erfolg.
Das gefundene Material brachten wir, soweit es nicht
zuerst zu Versuchen verwendet wurde, zunachst in ver-
dunnten, dann in 70— 90% Alkohol.
Diese Art der Konservierung ist gegeben fiir Podu-
riden, Myriapoden, Gastropoden und auch, fur beschrankte
Zwecke, fur Lumbriciden. Sehr erschwert wird die Be-
stimmung von Enchytraeiden und Insektenlarven — sie
ist bei diesen in unserem Falle ausgeschlossen in Riick-
sicht auf die ungeheure Zahl der gesammelten Individuen.
Das angewendete Verfahren ist wohl auch das einzige,
das gestattet, die Untersuchungen ohne Materialverlust in
absehbarer Zeit durchzufuhren.
Die Verteilung der Bodenfauna auf die einzelnen
Bodentiefen und Schichten konnte zwar nicht statistisch,
durch gesondertes Sieben der einzelnen Schichten, aber
darch Sch&tzung beurteilt werden.
252
Die mobilen Wirbeltiere der Bodenfauna — Mause,
Maulwurf, Murmeltier — entgehen bei dieser Methode.
Wir haben gesucht, ihre Verbreitungsbezirke in den Alpen,
wo sie nur sehr lokal auftreten, tunlichst zu vermeiden.
Im Laboratorium haben wir zunachst eine Sonderung
des Materials in die einzelnen Tiergruppen vorgenommen
und deren zahlenmassige Vertretung ermittelt und nach-
her die einlassliche systematische Bearbeitung begonnen.
Die Lumbriciden sind von uns bestimmt und Yer-
treter der einzelnen Arten von Herrn Dr. Bretscher giitigst
revidiert worden.
Ladierte und nicht geschlechtsreife Individuen wurden
nach ihrem Habitus und einzelnen erkennbaren Merk-
raalen auf ihre wahrscheinliche Zugehorigkeit zu bestimm-
ten Typen beurteilt. Bruchstucke wurden soweit moglich
zu Individuen zusammengestellt. Die Angaben beziehen
sich also immer auf Individ uenzahl.
Die Bestimmungen machten wir nach Michaelsen
(lit. 38), zum Teil niit Benutzung der Lumbricidensamm-
lung des Polytechnikums.
In freundlicher Weise haben die Herren Dr. H. Rothen-
buhler die Myriapoden, Dr. J. Carl die Collemboliden und
Dr. Andre die Mollusken bestimmt.1)
Die Bodenfauna im weiteren Sinne (Larven, Puppen,
Bodenraupen) ist quantitativ untersucht und, soweit mog-
lich, gesondert worden in Kaferlarven, Dipterenlarven und
„Andere".
J) Die Encbytraeiden und Xeruatoden, Myriapoden, Collembo-
liden und Mollusken haben wir den zoologischen Sammlungen des
oidg. Polytechnikums iibergeben.
263
IV. Ergebnisse der Bodenaimlysen.
Die Reihenfolge der Proben ist innerhalb der ver-
schiedenen Exkursionsgebiete nach Hohenregionen und
Pflanzenformation geordnet.1)
A. Exkursionsgebiet Alpstein-Calfeusental.
a) Subalpine Region: 1300—1800 m.
aa) WIese.
Nr. 1. 6. VIII. 00, einige Tage regnerisch.
Calfeitsen. St. Martin 1350 m.
Magermatte: nur ausnahmsweise beweidet.
Pflamenbestand: locker, am Standort frisch gemaht.
Dactylis glomerata L. dl.
Deschampsia caespitosa Beau v. fl.
Heracleum Sphondyleum L. mf. dl.
Alchemilla fissa Schamm. mf. dl.
Ranunculus acris L. mf. dl.
Rumex arifolius All.
Boden: Geol.: Nummulitenbanke.
a Expos.: NNO— SSW. Neig.: 30°.
humushaltiger, frischer Lehm 10 cm Wurzelrtgion
feuchter lehmiger Ton 40 cm ^-20cm
stark feuchter Ton iiber 50 cm
Gesamtm&chtigkeit iiber 100 cm
b mit H CI kein Brausen in der 40 cm-Schicht — schwach
in der 10 cm-Schicht.
c ziemliche Feuchtigkeits- und Temperatur-
schwankungen (n. der Kornigkeit).
') Siehe auch Anliangl: Abkiirzungen und Beurteilungsskalen.
E 66
2
L 4
2
1
Mt 1
Bw. 16
G 5Ek
254
Fauna: im Untergrund nur vereinzelt (unter 10 cm)
N 10 ■
• & Typ. d. Helodrilus D. rubidus 2
Brs.: „ „ „ „
Scolopendrella notacantha Gerv.
a 6 (3 4 y 6
Arion hortensis Fer ljuv.
Hyalina spec? ljuv.
Helix (Arionta) arbustorum L 2
Zua lubrica Miill. var. minima
Siem. 1
bb) Welde.
Nr. 2. 2. VII. 00, einige Tage ohne Niederschli
Alpstein. BrUlenstein 1300 m.
Magerweide (Ziegen und Rindvieh-).
Pflanzenbestand: ziemlich locker.
Poa Alpina var. vivipara L. mf. (
Anthoxanthum odoratum L.
Trifolium montanum L.
Rumex arifolius All.
Alchemilla montana Willd.
Veronica fruticulosa L. ((
Ranunculus montanus Willd. fl.
Veratrum album L. mf.
Boden: Gcol.: Seewerkalk (hellgraue, knollige Platl
wenig verwittert.
a Expos.: SO — NW. Neig.: 12°.
255
Schuttboden: humoser mergeliger Lehm 2!/s/9 cm
Gesamtmachtigkeit.
Untergrund: Gerflll, mit wenig Erde untermengt.
b mit HC1: Untergrund starkes Brausen.
Krome kaum bemerkbares Brausen: wenig
Ca!
c im allgemeinen feucht, ziemliche Feuchtigkeits- und
Temperaturschwankungen.
Fauna: N 9
E 40
viele an Wurzelstocken von Alchemilla haftend.
L 6
Helodrilus D. rubidus Sav. 3
• d 2
Leptophyllum nanum Latzel 2
a 85 p 12 y 1 (Charaeas graminis)
Sira spec. 1 defect.
Mi 2
Bw 98
G P1) Eiirll
C 1
A 20
Xr. 3. 13. VII. 00, drei Tage ohne Niederschlage.
Alpst. Furgglen 1500 m.
Magerweide (Kuh-)
Pflanzenbe8tand: ziemlich locker.
Agrostis alpina Scop. tl dfl. H felsige Orte.
Trifolium Thalii Vill.
Lotus corniculatus L.
Pirola minor L.
Senecio abrotanifolius L.
Alchemilla montana Willd. bo.
') Glaschen zerbrochen.
256
Boden: Geol.: Gaultgeroll (quarziger, brauner Sandst
a Expos.: SO — NW. Neig.: 14°.
Dunkler, staubiger (Haide-) Humus 4!/a cm Gesa
machtigkeit.
Untergrund: Felsplatte, etwas erhaben, wenig ^
wittert.
6 m. HC1: Untergrund: kaum bemerkbares Brausei
Krume: keine Reaktion.
c feucht; zieml. wenig Feuchtigkeits- und Temperai
sch wankungen .
Fauna: N 51
E 179
•cf 2 L 2
Cylindroiulus nitidus Verh. 6
Mi 6
Ma 1
Geophilus spec. ljuv.
Bw 51
a 9 p 14 r 28
G 7 El
Hyalina (Polita) radiatula Gray 2
Helix (Vallonia) pulchella Mull. 3
Helix (Fruticicola) sericea Drap. 1
Zua lubrica Mull. var. minima Siem. 1 juv.
C 11
Podura minor Lubb. 1
Isotoma viridis Bourl. 10 Hauptform.
A 30
Xr. 4. 26. VII. 00. 3 Tage ohne Niederschl
Alpst. Gamsler am Roslen, 1630 m.
Weide (Kuh-) mit Drosgebiisch, von Pinus und Picea i
geben.
Pflanzenbestand: locker.
267
mf. dfl. Kih. H.
mf. dfl. Kih. H.
fl. dfl.
Eryngium alpinum L.
Vaccinium Myrtillus L.
Rhododendron ferrugineum L.
Ranunculus montanus Willd.
viel Moose (Sphagnum).
Boden: Geol.: Geroll v. Neocomien.
a Expos.: 0. Neig.: 0.
wenig mergeliger Haidehumus 3/5 cm.
humoser, mergeliger Steinboden 40 cm (mit Wurzeln
von Pinus und Picea).
Gesamtmachtigkeit ca. 45 cm.
b mit HC1: Krume, leichtes Brausen.
e kleine Feuchtigkeits- und Temperaturschwankungen,
feucht.
auna: N 30
hauptsachlich unmittelbar unter der Humus-
schicht E 115
L 15
in der Humusschicht.
Helodrilus D. rabidus Sav.
Octolasium cyaneum Sav.
Octolasium lacteum Oerley
1
1
2
• J Typ. Helodrilus D. rubidus
1
Typ. Octolasium cynaneum
Brs.
Cylindroiulu8 nitidus Verb..
6
4
10
M, 10
M2 6
Scolopendrella notacantha Gerv. 4
Scolopendrella immaculata Newport 1
a 62 p 18 y 7
Bw 87
17
258
G4
Hyalina (Euhyalina) cellaria Mull. 2 juv.
Helix (Fruticicola) villosa Drap. 2 juv.
C3
Podura (Tomocerus) n. spec. 1 defect.
Sminthurus luteus Lubb. Hauptform 2
A 47
Nr. 5. 12. VII. 00. Am 8. und 9. SchneefeU, am 10. Regen,
gestern und heute m&ssiger Sonnenschein.
Alpst. Kasten 1797 m.
Magerweide: (Kuh- und Ziegen-).
Pfianzenbestand: dicht.
Poa alpina var. vivipara L. mf. dfo.
Trifolium caespitosum Reyn. mf. Kin.
Alchemilla montana Willd.
Primula integrifolia L. fl. dfl.
Ranunculus montanus Willd. fl. dfl.
Boden: Geol.: Schrattenkalk.
a Expos.: SO (a. d. Kuppe). Neig.: 16°.
mergeliger, schwarzer Humus 10 cm.
mergeliger Steinboden (Grus) 30 cm.
Gesamtmachtigkeit 40 cm.
Untergrund: Steinboden, mit wenig mergeliger Erde.
/; mit HC1 Krume und Steine, schwaches Brausen.
c frisch, ziemliche Feuchtigkeits-, wenig Temperatur-
schwankungen.
Fauna: auf 10 cm-Schicht und untere Schicht ziemlich
gleichmassig verteilt.
N 41
E 655
L 32
hauptsachlich in der Tiefe von 6 — 10 cm.
269
Helodrilus D. octaedrus Sav. 1
Helodrilus D. rubidus Sav. 1
Octolasium cyaneum Sav. 16
Lumbricus rubellus Hoffm. 1
*° 3 Typ. d. Octolasium cyaneum 5
Helodrilus A. spec. 1
Helodr. (D. od. A.) spec. 1
Brs. 6
Cylindroiulus nitidus Verh. 7
Mt 7
Ma 3
Geophilus pusillus Verh. 3
in der 30 cm (untern!) Schicht.
Bw 31
a 3 p 16 y 12
G — Eierl
C 1
Sminthurus aureus Lubb. Hauptform 1
A 17
ee) Wald.
ir. 6. 6. VII. 00. Seit 3 Tagen regnerisch, neblig-kalt.
Jpst. BrUlenstein 1300 m.
Fkhtenwald (hochstammig).
Pflanzenbestand: vereinzelt.
Juncus filiformis L. fl.
Ranunculus montanus Willd. fl. dl.
Oxalis Acetosella L. fl.
Wurzeln von Picea excelsa.
Boden : G e o 1. : hellgrauer, stark verwitternder See werkal k .
<i Expos.: NO-SW (allgem. Expos. NO) Neig. 11°.
mergelig-lehmiger Waldhumus 12 cm
nasser, humushaltiger, mergeliger Lehm 40 cm
Gesamtmacbtigkeit 52 cm.
260
Untergrund: lehmig-mergeliger Grus- u. Steinboden.
b mit HC1: schwaches Brausen.
c wenig Feuchtigkeits- und Temperaturschwankungen,
feucht, ziemlich kalt.
Fauna: fast durchwegs in der Humusschicht. N 67
E 344
L 41
Eisenia rosea Sav. 2
Allolobophora aporata Bretsch. 2
m° 31
Brs. 6
Scolopendrella notacantha Gerv. 2
a 59 p 16 y 2 (Charaeas graminis)
Arion hortensis Fer 5
Helix (Arionta) arbustorum L. 1 juv.
M. 2
Bw 77
G 6
C 12
Podura minor Lubb. 8
Lepidocyrtus fucatus Uzel 2
Sminthurus fuscus (L.) Lubb. 2 Hauptform
A 54
Nr. 7. 7. VIII. 00. Nach langerer Trockenheit einige Tage
regnerisch.
Calf. St. Martin 1450 m.
Fichtenwald: hochstammig, looker.
Pflanzenbestand: 0. Wurzeln von Picea excelsa.
Boden: Geol.: Thonschiefer (-blocke) des Eocan.
a Expos.: O-W. Neig.: 18°.
feuchter Waldhumus 6 cm
trockener lehmiger Sand uber 60 cm (humushaltig)
Gesamtmachtigkeit iiber 55 cm
N 2
E 45
1
L 3
2
1
Mi 2
1
1
M2 1
Bw 16
A 17
261
b mit HC1: keine Reaktion.
c obere Schicht massig feucht, untere trocken; ziemliclie
Feuchtigkeits-, wenig Temperaturschwankungen.
rauna: hauptsachlich in der Humusschicht.
Bra.: Typus d. Octolasium lacteum
unbestimmt
Schizophyllum sabulosum Latzel
Cylindroiulus nitidus Verhoeff.
Scolopendrella notacantha Gerv.
a 12 p 4
Nr. 8. 9. VIII. 00. Einige Tage regnerisch, zeitweise starke
Niederschl&ge.
Calf. St. Martin 1560 m.
Lichter Mischwald (Lerchen, Bergahorn, Fichten).
Pflanzenbe8tand: sehr dicht.
starke Qrashorate (Nardus stricta L., Agrostis
alpina Scop.) tl. dfii. H.
Trisetum flavescens Beauv. mf. dl.
Veratrum album L. mf. dl.
Vincetoxicum officinale Monch.
Aconitum paniculatum Lam.
Bodeti: Geol.: Nummulitenblocke und Blocke von
Flyschschiefer.
a Expos.: S— N. Neig. 46°.
schiefirig^mergeliger, moderiger Humus 13 cm.
schiefriger, mergeliger Steinboden iiber 40 cm.
Gesamtmachtigkeit iiber 50 cm.
262
b mit HC1: sehr starkes Brausen in beiden Schi
c wenig Feuohtigkeits- und Temperaturschwank
(N expos.!), feucht.
Fauna: Alles in der Humusschicht.
w + Typ. d. Helodrilus octaedrus 4
Unbe8timmt 4
Cylindroiulus nitidus Verh. 16
Glomeris hexasticha Brandt 9
Glomeris transalpina C. Koch 4
Craspedosoma Rawlinsii Leach 1
Chord enuma nodulosum Verh. 2
Polyde8mus spec. (?) 1
Scolopendrella immaculata Newport 2
Scolioplanes acuminatus Leach 2
Geophilus spec. 10 juv.
Lithobius aulacopus Latzel 6
Lithobius spec. 7 Brs.
a 204 £ 4
G 74
Arion hortensis Fer 2
Vitrina diaphana Drap. 2
Hyalina (Euhyalina) allaria Mull. 27
Hyalina (Polita) pura Alder 31
Helix (Fruticicola) sericea Drap. 1
Helix (Trioclopsis) personata Lam. 2 juv.
Helix (Acanthinula) aculeata Miill. 1
Helix (Arionta) arbnstorum L. 2 juv.
Pupa (Alaea) substriata Jeffr. 1
263
Carychium minimum Mull. 4 |j£t^"UllI!!rt^
Acme polita Hartm. 1
A 12
fc. 9. 17. VII 00, seit lttngerer Zeit trocken.
Mpst. Zisler-Ebenalp 1724 m.
Lichtes Drosgebitech (vereinzelte Zwergfohren).
Pflanzenbestand; locker.
Vaccinium Myrtillus L. Kih. mf. dfl. H.
Vaccinium uliginosum L. fl. dfl. H.
Rhododendron ferrugineum L. Kih. mf. dfl.
Boden: Geol.: lockeres Ger6ll von Schrattenkalk.
a Expos.: freiliegend (Kuppe). Neig.: 0.
brauner Haidehumus 10 cm I
,. , „ n ! schwebend!
mergebger, schwarzer Humus 2 cm J
dann grosse Lucke.
Aus der Tiefe von 75 cm schwarzer, mergeliger Humus.
h mitHCl: oberste Schicht (Haidehumus) keineReaktion,
schwarzer Humus (2 cm Schicht und tiefste
Schicht) massig starkes Brausen.
c Obere Schichten : starkeFeuchtigkeits- und Temperatur-
schwankungen.
Unterste Schicht: mftssige Schwankungen , massig
feucht.
Fauna: E 2
in der (obern) Humusschicht
M* 2
unterste Humusschicht.
Scolopendrella immaculata Newport 1
GeophOus spec. 1
Bw 70
in der untersten Schicht ca. 1/s
264
a 13 pi y 56
G 1 Etor
Hyalina spec. (?) ljuv.
C 2
Sminthurus luteus Lubb. var. primosa Tullb. 1
Isotoma spec. (?) 1
A 2
dd) Planggen.
Nr. 10. 4. VII. 00, seit zwei Tagen regnerisch
Alpst. Ruhsitz 1450 m.
GhrosseTilcegelformiger Felsblock (fiirWeide unzuganglicfr
Pflanzenbestand: dicht.
Poa alpina, var. brevifoiia mf. dfo. (?
Myosotis alpestris Schmidt
Gentiana verna L. mf. df
Anemone alpina L. Kh. mf. df
Saxifraga Aizoon L.
Globularia cordifolia L.
viele Moose und Fleohten (Cladonia rangifera).
Boden: Geol. : weisser Schrattenkalk, stark in Ver
witterung.
a Expos.: S— N (allgem. Expos. N). Neig. 68°.
grusiger Humus 2 — 6 cm Gesamtmachtigkeit.
b mit HC1: wenig bemerkbares Brausen.
c starke Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen
Fauna: N 2
+
Leptophyllum nanum Latzel
E 1
L 1
Mi 2
265
Ms 2
Lithobius spec.
2
juv.
Bw 8
a 2 (3 3 y 3 (2 Charaeas graminis, ;
L Puppe von
PapilionidaB).
G 54 Eier 2
Patula rupestris Drap.
18
Pupa (Torquilla) secale Drap.
var. graciiior Kreyl
3
var. minor Kreyl
1
Pupa (Torquilla) avenacea Bruy
var. hordeuma Stud.
1
Pupa (Pupilla) triplicata Stud.
1
Clausilia (Pirostoma) parvula Stud.
var. minor Sohmid
24
Clausilia spec. (?)
6 ,
juv.
C 1
Isotoma sensibilis Tullb.
1
A 1
b) Alpine Region: 1800— 2300 m.
bb) Weide.
Xr. 11. 27. VII. 00, seit ca. 4 Tagen trocken, heiss.
Alpst. RuchbUhl-Kraialp 2080 m.
Magerweide (hauptachlich Schaf- und Kuhweide).
Pflamenbestand: ziemlich locker.
Poa alpina var. vivipara L. mf. dfo.
vorwiegend Oxytropis montana Dec. mf. dfl.
Meum Mutellina Gartn. Kh. mf. dl.
Polygonum viviparum L. mf.
Boden: Geol.: Obere Aptschichten.
aAUg. Expos.: SO— NW. Neig.: 0°.
mergelig-grusiger, filziger Humus 6 cm.
266
humushaltiger, steiniger Lehmmergel iiber30 cm (init
Wurzeln von Oxytropis).
Gesamtmachtigkeit iiber 36 cm.
Untergrund: lehmig-mergeliger Steinboden.
b mit H CI : in alien Tiefen massig starkes Brausen.
c massig feucht, zieml. Feuchtigkeits- und Temperatur-
schwankungen.
Fauna: haupts&chlich in der Humusschicht. N 28
viele im Lehmmergel E 461
alle in der Humusschicht L 4
Octolasium cyaneum Sav. 2
» 9 unbestimmt 1
Brs. 1
a 50 £ 7 y 10
Isotoma sensibilis Tullb. 3
Isotoma palliceps Utzel 1
Entomobrya lanuginosa Nic. 10 juv.
Orchesella rufescens Wulf.
var. pallida Reut. 1
Bw 67
C 15
A 25
Nr. 12. 19. VII. 00, seit einigen Tagen keine Niederschlage.
Alpst. flhrli 2150 m.
Magerweide (Schaf- und Ziegen-).
Pfianzenbestand: locker.
Poa alpina L. mf. dfo.
Anthoxanthum odoratum L. bv. u. a. Gramineen.
Leontodon incanus Schrank.
Boden: Geol.: schiefriger braunl. Mergel des Neocomien.
a Expos.: N-S. Neig.: 15°.
schiefrig-lehmiger Humus 6-10 cm I mit einzelnen
humoser schiefriger Mergel ca. 5 — lOcmj Ca-Steinen.
267
Gesamtm&chtigkeit ca. 15 cm.
b mit HC1: obere Schicht keine Reaktion (mit Aus-
nahme der Steine).
c wenig Feuchtigkeits- und Temperaturschwankungen,
massig feucht.
Fauna: N 12
E 376
L 16
N — E — L: die meisten in der Humusschicht.
Helodrilus D. octaSdrus Sav. 3
Octolasium lacteum Oerley 1
* 5. Typ. d. Helodrilus D. oetaedrus 5
Typ. d. Octolasium lacteum 2
Brs. 6
Scolopendrella notacantha Gerv. 4
? 84 (in der untern Schicht) y 36
Pupa (Edentulina) edentula Drap. 6
Pupa (Pupilla) muscorum L. 1 (?)
Clausilia spec, oder Pupilla spec. 1
Ms 4
Bw 120
G 8
A 20
ce) Wald.
Nr. 18. 18. VIII. 00, seit langer Zeit regnerisch.
Alpst Schraa-Wiesli 2090 m.
Arven-Fichtengruppe (Baumgrenze).
Pflamenbesta?id: 0.
Boden: Geol.: Flyschschieferblocke.
a Allg. Expos.: S-N. Neig.: 0°.
filzig-torfiger Humus 8 cm.
lehmiger, humoser Steinboden 20 cm.
268
humushaltiger, lehmiger Steinboden 15 cm.
Gesamtmachtigkeit ca. 43 cm (mit Wurzeln von
Picea excelsa und Pinus Cembra).
b mit HC1: keine Reaktion.
c feucht, wenig Feuchtigkeits- und Temperaturschwan-
kungen.
Fauna: E 22
Bw 44
a 44
C 2l.
Isotoma quadrioculata Tullb. 1
Entomobria multifasciata Tullb. 1
A 15
dd) Planggen.
Np. 14. 16. VIII. 00, seit langer Zeit regnerisch, kalt.
Calf. Heuberge 1797 m.
Felsgrasband.
Pflanzeribestand: vereinzelt.
Avena Scheuchzeri All. tl. dfl. H.
Trifolium alpinum L. Kih. mf. dfl.
Sempervivum montanum L.
Boden: Geol.: Flyschschieferfels (?).
a Expos.: NNO — SSW. Neig.: 50°.
humusreicher Lehm. 12 cm Gesamtmachtigkeit.
b mit HC1: keine Reaktion in der Krume; Fels: m&ssig
starkes Brausen.
c starke Feuchtigkeits- und Temperaturschwankungen.
Fauna: N 3
E 2
M* 2
lj Erstmalige Zahlung ergab 18, es muss auf irgendwelche
Weise ein Verlust entstanden sein.
269
Scolopendrella immaculata Newport 1
Lithobius spec. Brs. 1
a 4 £ 11 r 9
Patula rupestris Drap. 1
Helix (Fruticicola) sericea Drap. 5
Helix (Vallonia) pulchella Mull. 15
Zua lubrica Mull. var. minima Siem. 4
Pupa (Isthmia) opisthedon Bernhardt 4
Pupa (Torquilla) avenacea Bruy.
var. hordeuma Stud. 6
Clausilia (Pirostoma) parvula Stud.
var. minor Schmidt 1
Clausilia spec. 1
Bw 24
G 37 Dir fl
A 4
Nr. 15. 16. VIII. 00, seit langer Zeit regnerisch, kalt.
Calf. Heuberge 1800 m.
Fetegrasband (3 m ostlich von Nr. 14).
Pflanzenbestand: locker.
Avena Scheuchzeri All. tl. dfl. H.
Leucanthemum vulgare Dec. mf. dl.
Senecio Doronicum L. Kh. mf. dfl.
Chaerophyllum Villarsi Koch.
Dianthus silvestris Wulf.
Boden: Geol. : Flyschschieferplatten (Nummulitenkalke?)
a Expos.: NNO— SSW. Neig.: 50°.
sandig-staubiger, dunkler Humus 6 cm I Wuraelregion
steiniger Lehm 20 cm ) 10 cm
Gesamtmachtigkeit 26 cm.
b mit HC1: Krume kaum bemerkbares Brausen.
270
Fels (und Steine im Lehm): schwaches, andauerndes
Brausen.
c m&ssig frisch, zieml. Feuchtigkeits- und Temperatur-
schwankungen.
Fauna: N 3
E 5
L 1
Brs. unbestimmt 1
Cylindroiulus nitidus Verh. 8
Chordeuma sylvestre C. Koch 6
Glomeris hexasticha Brandt 2
Scolopendrella immaculata Newport 9
Lithobius spec. 1
a 25 0 6
Hyalina (Polita) pura Alder 9
Hyalina. (Polita) radiatula Gray 2
Helix (Vallonia) pulchella Mull. 5
Helix spec. (?) 2
Helix (Fruticicola) sericea Drap. 1 juv.
Zua lubrica Miill. var. minima Siem. 4
Mi 16
M* 10
Bw 31
G 23
A 3
Nr. 16. 28. VII. 00. Langere Zeit wenig Niederschlage.
Gestern Regen.
Alpst. Gamsler-Hundstein 1855 m.
Grassland im lichten Fohrenwald.
Pflanzeribestand: sehr dicht.
viel Festuca violacea Gaud. Kih. mf. dfl.
Trifolium badium Schreb. Kh. mf.
Pimpinella saxifraga L. tl.
viele Moose.
271
Boden: Geol.: obere Aptschichten — Felsplatten.
a Expos.: NW— SO. Neig.: 68°.
humusreicher, mergeliger Lehm, 8 — 10 cm Gesamt-
machtigkeit.
b mit HC1: schwaches Brausen.
c massig trocken — grosse Feuchtigkeits- und Tem-
peraturschwankungen.
Fauna: Mi 7
Leptophyllum nanum Latzel 6 juv.
Glomeris hexasticha 1 juv.
a 1 0 3 Y 3
Hyalina (Polita) pura Alder 1
Helix (Fruticicola) sericea Drap. 3
Zua lubrica Mull, var. minima Siem. 1
Pupa (Torquilla) avenacea Bruy.
var. hordeuma Stud. 3
Neuer Apterygotentypus.
c) Subnivale Region 2300—2700 m.
Bw 7
G 8
C 1
A 5
dd) Planggen.
Nr. 17. 20. VII. 00.
Alpst. Santis 2465 m.
Qrasband.
Pflanzenbe8tand: sehr dicht.
hauptsachlich Poa alpina, var. vivipara L. mf. dfo.
Nardus stricta (?) L. tl. dfl. H. Torfmoore.
Boden: Geol.: Korniges Urgonien.
a mergelig-sandiger, filziger, staubiger Humus, 13 cm
Gesamtmachtigkeit.
Untergrund: humushaltiger, sandiger Steinboden.
272
Expos.: SW— NO. Neig.: 22°.
b mit HC1: Humusschicht kurzes, schwaches Brausen.
Untergrundschicht massig starkes Brausen.
c grosse Feuchtigkeits- und Temperaturschwankungeii ;
im allgemeinen trocken.
Fauna:
al ?1
Lepidocyrtus fucatus Uzel
E 10
Bw 2
C 1
A 1
Nr. 18. 20. VII. 00.
Alpst. Santis 2480 m.
Grasfleck nordostlich der Spitze.
Pflamenbestand: sehr dichter Gramineenrasen.
Boden: Geol.: Knolliger Gault.
a Expos.: N, O, S. Neig.: 0°.
mergeliger, kompakter, gelbbrauner, staubig-filziger
Humus, 9 cm Gesamtmachtigkeit.
b mit HC1: kaum merkbares Brausen.
c trocken, grosse Feuchtigkeits- und Temperaturschwan-
kungen.
Fauna: (Stichprobe l;M m2.) N 1
E 4
B. Exkursionsgebiet Avers.
b) Alpine Region 1800—2300 m.
aa) Wicse.
Nr. 19. 28. VIII. 01. Gestern SchneefaU, heute starker Reif.
Ar. Juf 2145 m.
Fettwiese, etwas vorstehender Felsblock.
273
Pfiamenbestand : ziemlich locker, am Standort frisch
gemaht.
vorwiegend Grashorste, keine Kleearten.
Alchemilla alpina L. fl. dfl.
Ranunculus bulbosus L.
Boden: Geol.: Griiner Biindnerschiefer.
a Expos.: im allgem.: S exp. Neig.: 0°.
lehmiger Humus 2 cm
humoser, sandiger Lehm 15 cm
lehmiger Sand 5 cm
Gesamtmachtigkeit 22 cm
b mit HC1: keine Reaktion.
c im allgemeinen massig feucht; ziemliche Feuchtig-
keits- und Temperaturschwankungen.
Fauna: in den obern Schichten. N 35
E 165
L 2
Brs. unbestimmt 2
Bw 169
a 156 p 8 y 5
G — Eier?56
C 2
Sminthurus luteus Lubb. Hauptform 2
A 17
Sr. 20. 28. VIII. 01. Gestern Schneefall, heute Reif.
Av. Juf 2146 m.
Fettwiese.
Pfiamenbestand: locker, frischgemaht ; wenig Gra-
mineen,
vorwiegend Alchemilla montana und Ranunculus
bulbosus.
Boden: Geol.: Btindnerschiefer griin.
18
L
274
a Expos.: N— S. Neig.: 12°.
humoser Lehm 6 cm
humushaltiger, sandiger Lehm 30 cm
Gesamtmachtigkeit 36 cm
Untergrund: sandig-lehmiger Steinboden.
b auf HC1: keine Eeaktion.
c wenig Feuchtigkeits- und ziemliche Temperati
schwankungen; im allgemeinen frisch.
Fauna: N 120
E 740
Viele grossere Enchytr. an Wurzelstdcken
von Alchemilla eingebettet oder am Bul-
bus von Ranunculus. 1 E in Wurzel-
fragment eingefressen.
in der obersten Schicht.
Octolasium lacteum Oerley 1
Lumbricus rubellus Hoffm. 1
m W_ Typ. d. Octolasium lacteum 1
Typ. d. Lumbricus rubellus 2
Brs. 2
L 7
Scolopendrella notacantha Gerv.
a 4 ^ 10 r 6
M* 1
Bw 20
G — ?E1ii
Nr. 21. 19. VIII. 01. Seit einigen Tagen keine Niederschlaj
Av. Alpengaden 2160 m.
Sumpfige Magerwiese.
Pflanzeribestand: ziemlich locker.
Anthyllis Vulneraria L. Kh. fl. d
Campanula Scheuchzeri Vill, mf.
276
Potentilla aurea L. mf. dl.
Alchemilla montana Willd.
Veratrum album L. mf. dl.
Boden: Geol.: Biindnerschiefer.
a Expos.: NO— SW. Neig.: 9°.
lehmiger Humus 3 cm
humoser Lehm B cm
schwerer Lehm 12 cm
Gesamtmachtigkeit 20 cm
Untergrund: lehmiger Steinboden.
c obere Schichten feucht, untere nasskalt; geringe Tem-
peraturschwankungeii.
Fauna: Nur obere 2 Schichten untersucht! N 260
zum grossern Teil, wie auch E, in der untern Schicht.
E 127
L 10
alle in der Humusschicht.
Lumbricus rubellus Hoffm. 4
Helodrilus D. octaedrus Sav. 1
• & Typ. Helodrilus D. octraedrus 1
unbestimmt 1
Brs. 3
a 46 £ 16 y 2
Bw 64
G — EIk? 35
A 12
Nf. 22. 19. VIII. 01, seit einigen Tagen trocken.
At. Alpengaden 2140 m.
Strewwiese.
Pflawenbestand: dicht, starke Gramineen- u. Carexhorste.
Trifolium badium Kh. mf.
Alchemilla montana Willd.
276
Gentiana nivalis L.
Eriophorum angustifolium Roth.
Parnassia palusiris L. fl.
Boden: Geol.: Bundnerschiefer.
a Expos.: NO— SW. Neig.: 10°.
feuchter, lehmiger Humus 4 cm j
Wurzelregion 12 cm
nasskalter Lenm 2b cm )
Untergrund: nasser Steinboden.
c1) sumpfig, geringe Schwankungen der Feuchtigkeit
und der Temperatur.
Fauna: N 90
E 100
L 1
NEL hauptsachlich in der Humus schicht
Lumbricu8 rubellus Hoffm. 1
a 4 p 2
Leptocyrtus cyaneus Tullb.
Bw 6
G — Bir? 4
C 1
A 3
bb) Weide.
Nr. 23. 28. VHI. 01. Gestern Schneefall, heute Reif.
Av. Juf 2130 m.
Weide (Kuh-).
Pflanzeribestand: ziemlich locker.
viele Poa alpina var. vivipara L. mf. dfo.
Trifolium alpinum L. Kih. mf. dfl.
Alchemilla montana Willd.
Gentiana brachyphylla Frohl.
J) Wo nichts bemerkt ist unter b, zeigte der Boden keine
Reaktion auf HC1.
277
Boden: Geol.: Bundnerschiefer.
a Expos.: N — S. Neig.: 0° (Kuppe eines kleinen
Hockers).
lehmiger Humus 2 cm j Wurzelregion
humushaltiger,sandigerLehmikerlOO cm ] 12 cm
Gesamtmachtigkeit liber 100 cm.
Untergrund: Steinboden.
c geringe Feuchtigkeits- und Temperaturschwankungen,
im allgemeinen frisch.
Fauna:
a 1 p 5 y 6
Sminthurus luteus Lubb. Hauptform 1.
N
15
E 38
Bw
11
C
1
A
12
28. Vm. 01. Gestern Schneefall, heute Reif.
Juf 2125 m.
Nr. 24.
Av.
Magerweide.
Pflanzenbestand: dicht am Standort abgeweidet,
dichte Grashorate — Alchemilla montana Willd
Boden: Geol.: Bundnerschiefer.
a Expos.: S— N. Neig.: 5°.
sandiger Humus 3 cm
humushaltiger, lehmig-steiniger
Schiefersand 40 cm
Gesamtmachtigkeit 43 cm.
Untergrund: schiefriger Steinboden.
c zieml. grosse Feuchtigkeits- und Temperaturschwan-
kungen, zieml. trocken.
Fwna: N 1
E 3
Wurzelregion
8 cm
278
1 E in Stengelteil eingefressen.
Bw 12
P 2 y 10 ausschliessl. grosse (Puppen).
A 8
c) Subnivale Region: 2300—2700 m.
bb) Weide.
Np. 25. 22. VIII. 01, seit lftngerer Zeit trocken.
Av. Wfingahorn 2390 m.
Magerweide (Kuh- und Ziegen-) mit wenig Drosgebusch.
Pjlanzeribestand: zieml. locker — vereinzelie Grashorste,
vorwiegend Vaccinium uliginosum L. fl. dfl. H«
Phyteuma hemisphaBricum L.
zieml. viele Flechten, wenig Moose.
Boden: Geol.: Bundnerschiefer.
a Expos.: allgem. SSW— NNO. Neig.: 0°.
wenig lehmiger Haidehumus 4 cm.
humushaltiger, sandiger Lehm 20 cm.
feuchter, schiefrig-steiniger Lehm 40 cm.
Gesamtmachtigkeit 64 cm.
Untergrund: Schieferfels.
c obere Schichten zieml. Feuchtigkeits-, wenig Tempe-
raturschwankungen, unterste Schicht feucht-nass.
Fauna: N 70
kleine Individuen (Arten?) hauptsachlich in
der Humusschicht.
im feuchten Lehm 1 ca. 20 mm 1. N (Mermis?).
E 280
fast ausschliesslich in der Humusschicht.
Bw 11
a 1 £ 6 y 4
C 1
Isotoma cinerea (Nic.) Borner 1.
A 25
279
Nr. 26. 30. VIII. 01, vor 2 Tagen SchneefaU,
heute massig warm.
it-. Stallerberg-Juf 2410 m.
Magerweide (Ziegen-).
Pflamenbestand: locker — vereinz. Gras- u. Carexhorste.
Anthyllis Vulneraria L. Kh. fl. dfl.
Aster alpinus L.
Campanula Scheuchzeri Vill. mf.
Parnas8ia palustris L. sumpfige Orte.
Boden: GeoL: Gabbroblocke.
a Expos.: NNO-SSW. Neig.: 36°.
schwarzer, mollig-filziger Humus 4 cm J Wurzelregion
humushaltiger, schwerer Lehm 25 cm j 8 cm
nasser, schwerer Lehm uber 20 cm.
Ge8amtmachtigkeit iiber 50 cm.
Untergrund: Fels.
c feucht-nasskalt; wenig Schwankungen.
Fauna: N 6
E 14
N u. E unmittelbar unter der Hamusschicht,
1 30 mm N ca. 20 cm tief.
Bw 8
a 4 pi r 3
G 1
Pupa (Edentulina) edentula Drap. 1.
A 6
Nr.27. 30. VHI. 01, vor 2 Tagen SchneefaU,
heute m&ssig warm.
it. Stallerberg-Juf 2584 m.
Magerweide (Ziegen-).
Pflamenbestand: dichtes Polster verfaulender Gras- und
Carexhorste; wenige Moose (keine Flechten).
280
Boden: G-eol.: Blockmeer von griinem Biindnerschie:
und Gabbro.
a Expos.: S u. 0 (Kamm). Neig.: 0°.
sandig-lehmiger, mollig-filziger Humus 18 cm (dichl
Mergelfilz bis 8 cm) Gesamtmachtigkeit.
Untergrund: Felsblock.
c zieml. feucht, aber zieml. Schwankungen der Feuchti
keit und der Temperatur.
Fauna: ausschliessl. bis ca. 6 — 8 cm Tiefe. N :
E
Bw !
P 24 Y 2
Isotoma tigrina Nic. 2
C
Nr. 28. 30. Vin. 01, vor 2 Tagen Schneefc
seither m&ssig warm
Av. FlUhseen 2700 m.
Magerweide (Ziegen-).
Pflanzenbestand: zieml. locker; abgestorbene Grashorsl
viele Flechten (Cladonia).
Boden: Geol.: Serpentin.
a Expos.: NO— SW. Neig.: 14°.
sandiger, schwarzer Humus 5/6 cm j Wurzelregi
humushaltiger, sandiger Lehm tber 60 cm J 6/8 cm
Gesamtmachtigkeit liber 65 cm.
Untergrund: grobknolliger Steinboden.
c massig frisch, ziemliche Feuchtigkeits- u. Temperatr
schwankungen.
Fauna: im und unmittelbar unter dem Humus E 100
Bw 9
a 1 p 4 T 4
G — B
0 9
281
Sminthurus luteus Lubb. Hauptform 6
var. primosa Tullb. 2
Lepidocyrtus cyaneus Tullb. 1
A 14
Kh. fl. dfl.
18°.
Wurzelregion
ca. 15 cm
dd) Planggen.
Nr. 29. 22. Viil. 01, seitlanger Zeit keine Niederschlage, heiss.
Av. WSngahorn 2700 m.
Grasfleck auf Schntthalde (Ziegenweide).
Pflamenbestand: zieml. locker, starke vereinzelte Gras-
und Carexhorste (Carex dioica).
Flechten; Oxytropis campestris Dec.
Boden: Geol.: Biindnerschiefer.
a Expos.: SSW— NNO. Neig.
steiniger, sandiger Humus 5 cm
steiniger, humoser Lehm 8 cm
grusig-steimger Lehm 25 cm
Gesamtmachtigkeit 38 cm.
Untergrund: verwitternder Schieferfels (Platten).
c zieml. trocken, zieml. starke Feuchtigkeits- und Tem-
peraturschwankungen.
Fauna: fast ausschliessl. in den obern Schichten. N 15
E 16
Bw 16
p 10 r 6
G(l?) Verlutt
C 3
Sminthurus luteus Lubb. 3
A 8
Nr. SO. 22. VIII. 01, seit langer Zeit trocken.
At. Wangahorn 2700 m.
Orasfleck auf Schutthalde (Ziegenweide).
Pflamenbestand: zieml. locker, vereinz. dichte Grashorste.
282
Silene acaulis L. dfl.
Hutchinsia brevicaulis Hopp.
Draba Zahlbruckneri Host.
Boden: Geol.: Btindnerschiefer.
a Expos.: S— N. Neig.: 16°.
sandiger, filziger Humus 8 cm
humusarmer Schiefergrus 15 cm
Gesamtmachtigkeit 23 cm.
Untergrund: verwitternder Plattenschiefer.
c starke Feuchtigkeits- und Temperaturschwankungen ;
zieml. trocken.
Fauna:
Wurzelregion.
a: l!a Probe = 1,»2 ma.
N 37
E 34
Bw 21
p 20 r 1
C 1?
Lepidocyrtus cyaneus Tullb. 1.
A 11
C. Exkursionsgebiet Fextal im Oberengadin.
b) Alpine Region: 1800— 2300 m.
aa) WIese.
Nr. 3J. 26. VII. 01, seit einigen Tagen regnerisch.
Fex. Curtins 1920 m.
Fettwiese im Talboden.
Pflanzeyibestand: dicht.
Anthoxanthum odoratum L.
Schcenus nigricans L.
Trifolium repens L. mf. dl.
Trifolium alpinum L. Kih. mf. dfl.
288
Wurzelregion
12 cm
Silene inflata Sm.
Plantago alpina L. Kh. mf. dl.
Anemone alpina L. Kh. mf. dfl.
Boden: Geol.: Combination von Schwammland und
Schuttkegel; Triimmer von Glimmer- and Streifen-
schiefer and von Gneis.
a Expos.: SO und NW. Neig.: 0°.
humoser, lehmiger Sandboden mit viel
Gros 13 cm
lehmiger Grusboden 12 cm
Gesamtmftchtigkeit 25 cm .
Untergrund: Steinboden (grobknollig mit Grus).
b mit HC1: keine Reaktion.
c feucht, mit wenig Feuchtigkeitsschwankungen (weil
vom Fexbach befeuchtet), ziemliche Temperatur-
schwankangen.
Fauna: nur in der obern Schicht! N 30
hauptsachlich im Wurzelfilz.
E 18
M2 1
Scolopendrella notacantha Gerv. 1
a 2 p 3 Y &
Pupa (Papilla) spec, (species nova?) Stoll
Bw 10
G 1
A 2
Nr. 32. 26. VII. 01, seit einigen Tagen regnerisch.
Fex. Curtins 1920 m.
Fettwiese im Talboden, 3 m siidlich von Nr. 31
wie Nr. 31, aber grossere Wasserkapazit&t
(trocknet langsamer).
Fauna: N 33
E 36
284
* cf. unbestimmt 1
Bw i
a 1 S 1
A S
Nr. 33* 5. VIII. 01, lange regnerisch, heute m&ssig warm.
Fex. Curtins 1950 m.
Fettwiese an der Strasse.
Pfianzevbestand: dicht (am Standort frisch gemaht).
Anthoxqmthum odoratum L. bv
Dactylis glomerata L. dl
Trisetum flavescens Beauv. mf. dl
Trifolium repens L. mf. dl
Plantago alpina L. Kh mf. dl
Myosotis alpestris Schmidt.
Boden: Geol.: Trummer von Gneis und Glimmer
schiefer.
a Expos.: 0— W. Neig.: 6°.
humoser Lehm 7 cm
humushaltiger sandiger Lehm 20 cm
8teiniger Lehm 33 cm
Gesamtmachtigkeit 60 cm
Untergrund: steiniger schwerer Lehm (Ton?),wasser
fiihrend.
b mit HC1: keine Reaktion.
c massig feucht bis frisch; wenige Schwankungen dei
Temperatur und des Feuchtigkeitsgehaltes.
Fauna: N 60
E 1220
L 11
fast ausschliesslich im humosen Lehm
285
Lambricus rubellus Hoffm.
2
"? Typ. d. Octolasiam lactenm
4
Typ. d. Lumbricus rubellus
3
Brs. Typ. d. Lumbricus rubellus
2
a 91 p 30 r 6
Bw
G
127
— Bit? 4
Isotoma viridis Bourl. Hauptform
C
20
A
20
60
Nr. 34. 6. VIII. 01, lange regnerisch, heute massig warm.
Ffx. Curtins 1965 m.
Fettwiese an der Strasse.
Ppiiieenbestand: ziemlich locker (am Standort frisch ge-
maht-.
Voi Gnniueo hiiptnehlich Dactylis glomerata dl.
Trifolium repens L. mf. dl.
Taraxacum officinale Web. dfo.
Plantago alpina L. Kh. mf. dl.
Boden: Geol.: Triimmer von Glimmerschiefer u. Gneis.
a Expos.: O— W. Neig.: 7°.
humusreicher sandiger Lehm 6 cm
humoser sandiger Lehm (lehmiger Sand?) 14 cm
Gesamtmachtigkeit 20 cm
Untergrund: grobknolliger Steinboden.
b mit HC1: kaum bemerkbares Brausen.
c frisch; massige Feuchtigkeits- u. Temperaturschwan-
kungen.
Fauna: N 70
E 900
1 E hat sich durch ein Wurzelfragment durchge-
fressen (?) und steckt in der Wurzelhaut.
286
Lumbricus rubellus Hoffm. 1
"jf Typ. d. Lumbricus rubellus 1
Bra. unbe8timmt 1
a 125 0 60 r 12
Isotoma viridis Bourl. Hauptform 9
Bw 1
C
A
Nr. 35. 5. VIII. 01, lange Zeit regnerisch, heute ziemlich wa
Fex. Curtins 1970 m.
Fettwiese ob der Strasse.
Pflanzenbestand: dioht.
Vorwiegend Polygonum alpinum L.
Leucanthemum vulgare Dec. mf.
Phleum alpinum L. mf c
Daucus Carota L.
Boden: Geol.: Triimmer von Glimmerschiefer u. Gn
a Expos.: 0— W. Neig.: 5°.
humoser Lehm 8 cm
steinfreier, sandiger Lehm 17 cm
lehmiger Steinboden 25 cm
Gesamtm&chtigkeit 50 cm
Untergrund: Steinboden.
h mit HC1: keine Reaktion.
c frisch, massige Feuchtigkeits- u. Temperaturschw
kungen.
Fauna: N 90
E 290
N und E ziemlich gleichmassig in den obern Schichl
L 13
hauptsachlich im humosen Lie]
* 5. Typ. d. Lumbricus rubellus 10
287 _
firs, unbestimmt 3
Bw 33
a 10 p 18 r 6
G — Eltr? 27
C 2
Isotoma viridis Bourl. Hauptform 1
Sminthuru8 viridis (L.) Lubb. Hauptform 1
A 20
Sr. 36. 6. Vlli. 01, seit lange regnerisch, heute m&ssig warm.
Fez. Curtins 1970 m.
Fetttviese am „Bachbordtt.
Pflamenbestand: vereinzelte Gramineenhorste (frisch ge-
maht).
Boden: Geol.: Glimmerschiefer und Gneistriimmer.
a Expos.: 0— W. Neig.: 3°.
humu8haltiger, wenig lehmiger Sand 8 cm | Gesamt-
untere Schicht sandiger, loser Steinboden j keit
b keine Reaktion auf HC1.
c trocken, starke Temperaturschwankungen.
Fauna: nur in der obern Schicht. N B
E B8
Mi 2
Julus nigrofu8Cus Verh. 2
a 18 p 7 y 3
A 6
Sr.S7. 10. VIII. 01, 3 TageohneNiederschlage, vorher regnerisch.
hi. Crasta 1955 m.
Magerwiese im Lerchenwald (sehr lockerer Bestand).
Pflanzenbestand : ziemlich locker (am Standort frisch ge-
maht).
Trifolium repens L. mf. dl.
288
Arnica montana L. Kih. fl. dfu.
Antennaria dioica G-artn. fl. dfu.
Pirola minor L.
viele Sphagnum und Flechten.
Boden: Geol.: Talkschiefer (? -{- Glimmerschiefer).
a Expos.: SW— NO. Neig.: 0° (kkiner Hocker).
lehmiger Humus 6 cm
humoser Lehm 6 cm
steiniger, lehmiger Sand 13 cm
Gesamtmadhtigkeit 26 cm
Untergrund: Schiefer-Steinboden.
b mit HC1: keine Reaktion.
c zieml. trocken ; zieml. Feuchtigkeits- und Temperai
schwankungen.
Fauna: N 30
hauptsachlich in der Humusschi<
E 27
Bw 5
M t8
G — Eli
A 11
Nr. 38. 10. VIII. 01, seit 3 Tagen keine Niederschlftge, voi
lange regnerisch.
Fex. Crasta 1920 m.
Stremviese.
Pflanzeribestand: dicht.
Trisetum flavescens Beauv. mf.
Festuca rubra L. mf.
Molinia coerulea Monch.
viele Polygonum alpinum L.
und Rumex arifolius All.
Ranunculus alpestris L.
289
Boden: Geol.: Talk- (und Glimmer-?) schiefer.
a Expos.: SW— NO. Neig.: 12°.
steinfreier, humoser, sandiger Lehm 46 cm KKunilnfiw 13 m
Untergrund:- feuchter Lehm.
b keine Reaktion auf HCL
c feucht bis nass; geringe Feuchtigkeits- und Tempe-
rat urschwankungen .
Fauna: N 60
wenige unter der Wurzelregion (1 ganz grosser N)
E 630
hauptsachl. in den obern 2/5 der Wurzelregion
1 kleiner E in Wurzelfragment eingebohrt.
L 18
in dem obersten Vs der Wurzelregion, fast oberfl&chlich !
Eisenia rosea Sav. 2
Lumbricus rubellus Hoffm. 6
9 Typus der Eisenia rosea 4
Typus des Lumbricus rubellus 4
Brs. unbestimmt 2
Bw 177
a 116 (in dem untern Vs der Wurzelregion und darunter
ziemlich viele) ji 66 y 6
bb) Weide.
^r. 39. 10. VIII. 01, seit 3 Tagen milssig warm, vorher lange
regnerisch.
ft*. Crasta 1930 m.
Magerweide (Kuh-).
Bfiamenbestand: dicht: vorwiegend Silene inflata Sm.
und Campanula Scheuchzeri, Vill. mf. — viele Moose.
Boden: Geol.: Talkschiefer.
flExpoB.: SW-NO. Neig.: 26°.
19
290
sandiger humusreicher Lehm 5 cm
sandiger humoser Lehm 30 cm
Gesamtmachtigkeit 35 cm
Untergrund: schiefriger Steinboden.
b keine Beaktion auf HC1.
c massig frisch; wenig Feuchtigkeits-, ziemliche Tem-
peraturschwankungen .
Fauna: N 36
E 13E
Einige E unter der Binde eines morschen Lerchen-
zweiges im Boden!
Mi 1
Scolopendrella notacantha Gerv. 1
Bw 1£
a 3 S 8 v 2
A £
Nr. 40. 30. VH. 01, 8 Tage regnerisch, heute heU
Fex. Plaun Vadret 2080 m.
Magerweide.
Pflanzenbestand: dichter Carexrasen (Schoenus nigricans?
Boden: Geol.: Triimmer von Gneis, von Talk- unr
Glimmerschiefer.
a Expos.: SW— NO. Neig.: 0°.
sandiger, humusreicher Lehm 8 cm Wurzelregiot
humushaltiger sandiger Lehm 17 cm
Gesamtmachtigkeit 2B cm
Untergrund: grobknolliger und schiefriger Stein
boden.
b keine Beaktion auf HC1.
c feucht bis nasskalt, wenige Schwankungen im Feucb-
tigkeitsgehalt und in der Temperatur.
Fauna: V« Probe (— 1/m m2) N 2
L 2
_291_
Bra. unbestimmt 2
Bw 6
a 3 p 2
G — Eitr? 3
A 2
Xr. 41. 30. VII. 01, langere Zeit regnerisch, heute schfln.
Fex. Plaun Vadret 2140 m.
Magerweide.
Pflanzenbestand: vereinzelt. Standort zu *U ziemlich
frisch von Kuhfladen bedeckt.
Trifolium repens L. mf. dl.
Gentiana acaulis Jacq. Kh. mf. dfl.
Arnica montana L. Kih. fl. dfu. H.
Boden: Geol.: Triimmer von Talk- u. Glimmerschiefer.
a Expos.: NW— SO. Neig.: 40°.
humusreicher Lehm 4 cm
humushaltiger sandiger Lehm 20 cm
Gesamtmachtigkeit 24 cm
Untergrund: Grober Schiefergrus.
b keine Reaktion mit HC1.
c massig frisch; wenig Feuchtigkeits-, ziemliche Tem-
peraturschwankungen.
Fauna: N 3
E 4
L 1
Bra. unbestimmt 1
Bw 182
a 26 p 150 Y 6
P hauptsachlich in der obern Schicht.
A 7
^•42. 30. VII. 01, langere Zeit regnerisch, heute schon.
fa. Plaun Vadret 2140 m.
Magerweide, 3 m ostlich von Nr. 41.
292
Pflamenbestand: dicht; einzelne starke Gramineenhorste
Trifolium repens L. mf. dl
Campanula Scheuchzeri Vill. mf,
Gentiana acaulis Jacq. Kh. mf. dfl.
Anemone alpina L. Kh. mf. dfl.
Phyteuma hemisphaericum L.
Daphne striata Tratt.
Boden: Geol.: Triimmer von Talk- und Glimmerschiefer.
a Expos.: NW-SO. Neig.: 40°.
humusreicher Lehm 4 cm
humushaltiger, sandiger Lehm 26 cm
Gesamtmachtigkeit 30 cm
Untergrund: Schiefergrus- und grobknolliger Stein -
boden.
c mittel-frisch; wenig Feuchtigkeits-, ziemliche Tempe-
raturschwankungen.
Fauna: N 4
E 1
Bw 13
a 6 ^ 5 y 2
A 2
Nr. 43. 30. VII. 01, seit 8 Tagen regnerisch, heute hell.
Fex. Averts 2060 m.
Magerweide im lichten Lerchenwald.
Pflanzenbestand: dicht, aber nur wenige Gramineenhorste.
Trifolium montanum L. dfl.
Arnica montana L. Kih. fl. dftL H.
Plantago alpina L. Kh. mf. dL
Campanula Scheuchzeri Vill. mf-
Vaccinium Myrtillus L. Kih. mf. dfl. H.
Rhododendron ferrugineum L. Kih. mf. dfl. H.
Boden: Geol.: Talkschiefer.
293
a Expos.: W— 0. Neig.: 36°.
sandig-lehmiger Haidehumus 8 cm
sandiger Lehm 22 cm
Gesamtmachtigkeit 30 cm
Untergrund: Steinboden.
b keine Beaktion m. HC1.
c frisch, massige Feuchtigkeits- und Temperaturschwan-
kungen.
Fauna:
a:
N 15
E 48
«6 p3
Isotoma tigrina Nic.
Lepidocyrtus fucatus Uzel.
1
1
Bw 9
C 2
A 7
cc) Wald.
Nr. 44. 10. VIII. 01, lftngere Zeit regnerisch, seit 3 Tagen
keine Niederschlage.
Fex. Crasta 1950 m.
Lichier Lerchenwctid.
Pflanzenbestand: vereinzelt.
Vaccinium Myrtillus L. Kih. mf. dfl. H.
viele Flechten.
Boden: GeoL: Talkschiefer.
a Expos.: W und N und O. Neig.: 0°.
Haide-Waldhumus 5 cm
humoser Sand 11 cm
sandiger Lehm 4 cm
Gesamtmachtigkeit 20 cmmitWurzeln von
Abies Larix.
Untergrund: Steinboden.
294
b mit HC1 keine Reaktion.
c feucht, 8ehr wenig Feuchtigkeits-, massige Tempera!
schwankungen.
Fauna: mit Ausnahme von Bw. nur im Humus. N 30
E 46
1 E in Wurzelfragment ,,eingefressenu
Bw 7
a 1 p 4 r 2
G — EH
C lfle
A 16
Nr. 45. 30. VII. 01, l&ngere Zeit regnerisch, heute scl
Fex. Averts 2060 m.
Lichter LercJienwald.
Pflanzenbestand.'verQinzelte, aberstarkeGras- und Car
horste.
Plantago alpina L. Kh. mf.
Rhododendron ferrugineum L. Kih. mf. dfl.
Boden: GeoL: Talkschiefer.
a Expos.: W— 0. Neig.: 38°.
sandig-lehmiger rotlicher Humus 3 cm
sandiger Lehm 14 cm
sandiger, blaulicher Ton 13 cm
Gesamtmachtigkeit 30 cm
Untergrund: Steinboden.
b mit HC1 keine Reaktion.
c frisch, massige Feuchtigkeits- und Temperaturschwi
kungen.
Fauna: nur in den obern Schichten. N
E
B*
P2
296
Xr. 46. 80. VII. 01, 8 Tage regnerisch, heute hell.
Fez. Averts 2060 m.
Lichter Lerchenwald (auf einem erhabenen Felsblock).
Pflanzenbestand: dicht (Felsflora!)
Globularia cordifolia L.
Geum reptans L.
Gentiana excisa Presl.
Saxifraga bryo'ides L. und viele Moose.
Baden: Geol.: Talkschiefer.
a Expos.: O. Neig.: 0°.
ziemlich trockener, sandiger Rohhumus 8 cm
Grusboden 12 cm
Gesamtmachtigkeit 20 cm
b ohne Beaktion auf HC1.
c starke Feuchtigkeits- und Temperaturschwankungen.
Fauna: ziemlich beschrankt auf Humusschicht.
N 13
E 32
Bw 7
% 6 0 1
A 13
c) Subnivale Region: 2300—2700 m.
bb) Weide.
S'« 47. 24. VII. 01, einige Tage regnerisch, heute sch8n u. warm,
ft; Munts 2535 m.
Magerweide (Kuh-).
Pflawenbestand: zieml. locker7 abgestorbene Gramineen-
horste.
Boden: Geol.: griiner und roter Biindnerschiefer.
a Expos.: O. Neig.: 0°.
feuchter humoser Ton 4 cm
steinfreier nasskalter Ton 70 cm
296
darunter Grundwasser. Gesamtmachtigkeit ii
80 cm.
c feucht bis nasskalt ; geringe Temperatursch wankun^
Fauna: Probe bis ca. 20 cm Tiefe, Stichprobe bis 26
N 24
14 kleine Individuen in der humosen Schicht; 10 grosse
dividuen bis 14 cm lang, aas tiefern Schichten.
E 60
zum grossten Teil in der humosen Schit
L 3
nur in der humosen Schi<
m 9_ unbestimmt 1
Brs. „ 2
Bw 4
M Tl
C llHtl
A 3
Nr. 48. 24. VII. 01, einige Tage regnerisch, heute schOn u. wa
Fex. Lej Sgrischus 2640 m.
Steinige Magerweide (Kuh-, Schaf-, Ziegen-).
Pflanzenbestand: lockere niedere Grashorste.
Leucanthemum alpinum Lam.
Meum Mutellina G^rtn. Kh. mf.
Geum montanum L.
Ranunculus alpestris L.
Boden: Geol.: Talkschiefer.
a Expo 8.: frei nach S, W, O (Plateau). Neig.:
humoser, steiniger Lehm 3—18 cm, Wurzelreg
(filzig) 3 — 5 cm.
Untergrund: Fels.
b mit HC1 keine Reaktion.
c starke Feuchtigkeits- und Temperaturschwankung
297
Fauna: nur in der Wurzelregion.
N 3
E 1
Bw 2
A 1
Nr. 49.
24. VII. 01, einige Tage regnerisch, heute schtfn
und warm.
Fex. Piz ChUern 2694 m.
Magerweide (Kuh-, Schaf-, Ziegen-).
Pflanzenbestatid: ziemlich locker.
Poa alpina L. var. fructifera
Leucanthemum alpinum Lam.
Leontodon pyrenaeicus Gouan.
Ranunculus montanus Willd.
Lloydia serotina Bchb.
Boden: GeoL: Arlbergkalk ? Geroll.
a Expos.: N, 0, S, Wr-Kuppe.
mf. dfo. b. a. Granineen.
mf.
mf. dfl. h.
fl. dl.
scharf von
einander
getrennt.
Neig.: 0°.
lehmiger, heller Humus l1/* cm|Wurzel-
region
12.. pml 8cm
lehmiger, humoser Sand "27 cm j
sandiger, dunkler Humus 2 cm
(auf Gestein aufiiegend)
Gesamtmachtigkeit ca. 15 — 30 cm
Untergrund: Felsblock.
h mit HC1: keine Reaktion, auch Gestein nicht.
c ziemlich grosse Feuchtigkeits- und Temperatur-
schwankungen; mittelfrisch.
fwna: Nur in der Wurzelregion (nichts in der 3., untern
Humusschicht).
N 15
E 176
Bw 8
a 1 p 2 Y 6
C 1
293
Isotoma palustris Mull. var. pallida Schaff. 1
A 2
D. Exkursionsgebiet Bergell.
a)Subalpine Region: 1300— 1800 m.
aa) Wiese.
Nr. 50. 2. VI. 01, lange Zeit trocken, warm.
Ob. Bergell. 0b Rotticcio 1350 m.
Magermatte, ca. 30 cm vorstehender Felsblock.
Pfianzenbestand: dicht.
Poa alpina var. vivipara et fructifera L. mf.
Trisetum flavescens Beauv. mf. dl.
Anthyllis Vulneraria L. Kh. fl.
Viola tricolor L. mf.
Lychnis flos Jovis L.
Myosotis intermedia Link.
Cerastium trigynum Vill.
Bodm: Geol.: Schuttkegel von griinem Bundnerschiefer.
a Expos.: S. Neig.: 0°.
mit viel | trock., sandig-lehmiger, filziger Humus 6 cm
Grus | trock., sandig-lehmiger, staubig. Humus 6 cm
Gesamtmachtigkeit 12 cm
Untergrund: Schiefer-Steinboden.
*)c Sehr grosse Feuchtigkeits- und Temperaturschwan-
kungen.
Fauna: Mi 1
Julidae-Fragment 1
Bw 4
a i
viele Ameisen und Ameiseneier-
*) Wenn ohne Bemerkung, keine Reaktion auf HC1 (6).
299
Sr. 51. 1. VII. 01, an den 2 letzten Tagen starke Niederschlage.
Ob.Bergell. Asarina 1380 m.
Fettwiese.
Pflanzenbestand : sehr dicht.
Trisetum flavescens Beauv. mf. dl.
Dactylis glomerata L. dl.
Anthoxanthum odoratum
Trifolium pratense L. mf.
Trifolium montanum L. dfl.
Taraxacum officinale Web. dfo.
Silene inilata Sm.
Boden: Geol.: Schuttkegel von Talk- und Glimmerschiefer.
a Expos.: 0— W. Neig.: 18°.
lehmig-sandiger, wenig filziger Humus 3 — 4 cm
humoser, sandiger Lehm 22 cm
Gesamtmachtigkeit 25 cm
Untergrund: Steinboden.
c grosse Feuchtigkeits massige Temperaturschwan-
kungen.
Fauna:
E 24
M, 8
Bw 23
G — Elar?10
C 1 entkmin
A 3
Scolopendrella notacantha Gerv. 8
a 14 ? 6 r 4
fr. 52. 20. VI. 01, langere Zeit hiiiitige Niederschlage,
seit drei Tagen keine solchen.
Vnt. Bergell. Tombelo 1560 m.
Magenviese.
Pflamenbestand: sehr dicht.
Poa alpina L. var. fructifera mf. dfo.
300
Dactylis glomerata L. dl
Festuca ru^ra L. mf. dl
ovma
Trifolium pratense L. mf.
Taraxacum officinale Web. dfo
Boden: G-eol.: Glimmerschiefer.
a Expos.: N— S. Neig.: 20°.
humoser, sandiger Lehm 4 cm j Wurzelregioi
humushaltiger, sandiger Lehm 46 cm J 10 cm
Gesamtmachtigkeit ca. 50 cm
Untergrund: Fels.
c frisch; m&ssige Feuchtigkeits- und Temperaturschwan
kungen.
Fauna: Probe bis ca. 25 cm Tiefe; aus tieferen Schichtei
Stichprobe: diese leer.
N 35
viele 8ehr kleine Formen, deshalb Verlust
E 700
meistens in der Wurzelregion, tiefer fast keine. 1 E u
ein welkes Gramineenblatt eingefressen.
meist im humosen Lehm L 15
* 9 Typ. d. Lumbricus rubellus 6
unbestimmt 9
1 L ist durch 4 Julusringe gedrungen, die jetx
getrennt sind.
Mi ?
4 Julusringe.
Ms 5
Scolopendrella notacantha Gerv. 6
Bw 126
a 45 ^ 65 y 16
ebenfalls in den obersten Schichtex)
G 1
301
Helix (Vallonia) pulchella Mull.
C 2
A 16
Nr. 53. 2. VI. 01, langere Zeit trocken.
(*. Bergelh Rotticcio 1350 m.
Magerwiese.
Pflanzenbestand: sehr dicht.
Poa alpina L. fructifera et vivipara mf. dfo.
Anthoxanthum odoratum L.
Trifolium montanum L. Kh. dfl.
Salvia pratensis L. fl.
Primula officinalis Scop. fl.
Ranunculus bulbosus L.
Boden: Geol.: Schuttkegel von griinem Bundnerschiefer.
a Expos.: NNO— SSW. Neig.: 21°.
humoser Sand (sandiger Humus ?) 11 cm j Wurzelregion
stein., lehm., humushalt. Sand fiber 40 cm J ca. 20 cm
Gesamtm&chtigkeit iiber&Ocm
Untergrund: Stein- [Geroll] boden.
c ziemlich trocken; grosse Feuchtigkeits- und Tempe-
raturschwankungen.
fruna: fast ausschliesslich in der Humusschicht!
N 3
Brs.
1
E 2
L 1
Mt 43
Cylindroiulus Verhoeffi Broel.
43
fast alle
M8 10
juv.
Scolopendrella immaculata Newport
Geophilus spec.
3
7
juv.
Bw 65
302
a 16 0 14 r 25
G4IK
C 15
Helix (Vallonia) pulchella Mull. 1
Zua lubrica Mull. var. minima Siem. 1
Pupa (AlsBa) eumicra Bourg. 1
Isotoma viridis Bourl. Hauptform 10
Isotoma quadrioculata Tullb. 5
Nr. 54. 9. VII. 01, seit einigen Tagen keine Niederschl
Ob. Bergell. Casaccia 1470 m.
Magerwiese am Waldrand.
Pflanzenbestand: locker.
Trisetum flavescens L. mf.
Anthoxanthum odoratum L.
Trifolium repens L.
Lychnis flos Jovis L.
Smilacina bifolia Desf.
Boden: Geol.: Talk- und Streifenschiefer.
a Expos.: S— N. Neig.: 15°.
humusreicher Sand 10 cm
lehmiger Sand mit viel Grus 15 cm
Gesamtmachtigkeit 25 cm
Untergrund: schiefriger Steinboden.
c ziemlich frisch; ziemliche Feuchtigkeits- und T<
peraturschwankungen.
Fauna: nur in der humusreichen Schicht. N 3
? unbestimmt 1
Scolopendrella notacantha Gerv.
E 14
LI
M* 1
Bw 4
303
a 2 p 2
C 1 iRtkMien
A 6
Nr. 55. 17. VI. 01, seit 4 Tagen viel Regenfall.
Unt. Bergell. Ob Soglio 1555 m.
Magerwiese im Fichtenwald (sehr locker), Runse.
Pflawenbestand: sehr dichter Rasen verdorrter und z. t.
verfaulter Gramineen.
Boden: GeoL: Triimmer von Glimmerschiefer.
a Expos.: S. Neig.: 0°.
sandig-lehmiger, feucht-filziger Humus 15 — 25 cm.
Untergrund: Steinplatte.
c ziemliche Feuchtigkeits- u. Temperaturschwankungen ;
ziemlich feucht.
Fauna: N 6
E 43
L 7
Octolasium lacteum Oerley 1
• 2 Typ. d. Octolasium lacteum 1
Typ. d. Lumbricus rubellus 5
Julus Zinalensis Faes 13
6eophilu8 pygmseus Verh. 1
Scolopendrella immaculata Newport 1
Scolopendrella notacantha Gerv. 6
Mi 13
M* 8
Bw 38
a28 8 4 y 6
A 5
G — Eier? 10
^•56. 17. VI. 01, seit 4 Tagen regnerisch.
r"' Bergell. Ob Soglio 1 560 m.
Magerwiese im Fichtenwald.
Pflamenbestand: vereinzelt.
304
Gentiana excisa Presl. Bah. mf.
Viola biflora L.
Vaccinium Myrtillus L. mf. dfl.
Sphagnum.
Boden: Geol.: Schuttkegel von Glimmerschiefer
wenig Arlbergkalk.
a Expos.: N— S. Neig.: 40°.
wenig lehmiger, dunkler Waldhumus 13 cm j Wun
steiniger, sandiger Lenm 21 cm) 8 ci
Gesamtmachtigkeit 34 om
Untergrund: Steinboden.
b mit HC1: weder Krume noch Gestein Reaktion.
c feucht, wenig Feuchtigkeits- und Temperatursch^
kungen.
Fauna: N 10
E 44
einige an Wurzeln haftc
L 6
hauptsachlich in der Humusschi
Lumbricus rubellus Hoffm. 1
* ? Typ. d. Lumbricus rubellus 5
Cylindroiulus generosensis Verh. 5
Julus Zinalensis Faes 10
Scolopendrella notacantha Gerv. 7
Scolopendrella immaculata Newp. 1
Geophilus proximus C. Koch 1
Geophilus spec. 2 juv.
a 17 3 14 y 3
Mi 15
Ms 11
Bw 34
G — ft
A 2
306
Nr. 57. 9. VI. 01, seit einigen Tagen keine Niederschlftge.
Ob. BtrgelL Untere Blese 1590 m.
Magerwiese im lockern Fichtenwald.
Pflanzenbestand: dicht.
Anthoxanthum odoratum.
Carex Oederi Ehrh.
Trifoliam montanum dfl.
Trigonella monspeliaca L. fl.
Hippocrepis comosa L. fl.
Antennaria dioica Gartn. tl. dfl. H.
Boden: Geol.: Glimmerschiefer.
a Expos.: NNW— SSO. Neig.: 32°.
humusreicher, wenig lehmiger Sand 12 cm | Wurzeln
bis c&
fast steinfreier, lehmiger Sand 90 cm J 40 cm
Gesamtmachtigkeit uber 100cm
Untergrund: Fels (?)
c obere Schicht im allgemeinen ziemlich trocken, unter
60 cm Tiefe sehr trocken.
Fauna: Probe bis 20 cm Tiefe; Stichprobe bis 50 cm.
N 6
1 grosser N unter 20 cm Tiefe.
E 13
Bra. Typ. des Octolasium lacteum 1
Cylindroiulus Verhoeffi Broel. 4
Geophilus linearis C. Koch 1
Geophilus spec. 10 juv.
Scolopendrella immaculata Newport 1
a 2 p IB r 9
Helix spec. (?)
L
1
Mi
4
Ms
12
I in die Tiefe
bis
) ca. 35 cm
Bw
26
G
2 Eier 3
20
306 _
Zua lubrica Mull. var. minima Siem. 1
C —
A 4
Nr. 58. 6. VI. 01, seit langer Zeit trockenes Wet
Ob. Bergell. Ob Rotticcio 1380 m.
Natiirliche Rieselwiese (vom Bach bei hoherm Was:
stand berieselt).
Pflanzenbestand : dicht (unter dem Schatten von Al
nigricans).
Trigonella monspeliaca L.
Alchemilla montana Willd.
Primula farinosa L. fl.
Trollius europaeus L. fl.
Viola biflora L.
Equisetum palustre L. viele Mew
Boden: Geol.: Schuttkegel von grxinem Biindnerschie
a Expos.: S. Neig.:0°.
wenig lehmiger, filziger Humus.
3 — 12 cm Gesamtmachtigkeit.
Untergrund: Felsplatte.
c feucht-nass, selten trocknend; im allgemeinen ai
Temperaturschwankungen massig.
Fauna:
Helodrilus D. octaedrus Sav.
10 ? Typ. d. Helodrilus D. octaedrus
unbestimmt
r 5 p 65
Helix spec. (?) 1 Fragment.
Zua lubrica Mull. var. minima Siem. 1 juv.
N 0
E 26
L 4
1
2
1
Bw 70
G 2 E
C 3
307
Orchesella alticola Uzel. 3 (hrbemrietit).
A 8
Np. 59. 6. VI. 01, langere Zeit trockenes Wetter.
Ob. BergelL Ob Rotticcio 1410 m.
NatUrliche Rieselwiese (vom Bach berieselt).
Pflamenbestand: sehr dicht.
Carex Oederi Ehrh.
Plantago alpina L. Kh. mf. dfl.
Aichemilla montana Willd.
Trollius europseus L. fl. dfl.
Smilacina bifolia Desf.
Viola biflora L.
Vaccinium uliginosum L. fl. dfl. H.
viele dichte Sphagnum.
Boden: Geol.: Schuttkegel von Btindnerschiefer, griin
und rot.
a Expos.: S. Neig.: 0°.
lehmiger, feuchtmolliger Humus 10 cm
humoser, sandig-lehmiger Steinboden 12 cm
Gesamtm&chtigkeit 22 cm.
Untergrund: Steinboden.
c feucht-nass, selten nicht berieselt ; massige Tempera-
turschwankungen.
Fauna: N 45
E 415
hauptsachlich in der Humusschicht.
L 5
im obern, feuchtesten Teil des Humus.
Octolasium lacteum Oerley 1
" ^ Typus des Octolasium lacteum 2
Brs. derselbe Typus 2
Mi 18
308
Cylindroiulus Verhoeffi Broel. 11
Julus Zinalensis Faes 1
Julus spec. 6jung
G — Der
Bw 66
a 10 p 35 r 11
C 10? Ir
A 17
bb) Weide.
Nr. 60. 3. VI. 01, lftngere Zeit trockenes Wett<
Ob. BergelL Ob Altlbruno 1 680 m.
Magerweide (Kuh-).
Pflamenbestand: locker.
Poa alpina L. var. fructifera mf. di
Trifolium montanum L. d
Plantago alpina L. Kh. mf. c
Alchemilla montana Willd.
Anemone alpina sulfurea L. Kih. mf. d
Boden: Geol.: Bundnerschiefer, grtin und rot.
a Expos.: N— S. Neig.: 12°.
humushaltiger Sand 6 cm
sandig-lehmiger Steinboden 25 cm
Gesamtmachtigkeit 31 cm
Untergrund: lehmiger Steinboden.
c trocken, grosse Temperaturschwankungen.
Fauna: L
* £ unbestimmt 2
a 3 y 1
Nr. 61. 20. VI. 01, nach einigen Niederschlagen nun 8 T»
trocken.
Vnt. BergelL 0b Soglio 1320 m.
Schattige Waklweide (im Fichtenwald).
309
Pflanzenbestand: vereinzelt.
Trifolium repens L. mf. dl.
Viola biflora L.
viele Moose.
Boden: GeoL: Glimmerschiefer.
a) Expos.: S. Neig.: 0°.
lehmiger, wurzelfilziger Schiefergrus, 24 cm Gesamt-
machtigkeit.
Untergrund: lehmiger Steinboden.
c frisch-feucht; wenig Feuchtigkeits- und Temperatur-
schwankungen (im Walde !).
Fauna: N 15
E 15B
Fast ausschliesslich im Wurzelfilz und an den Wurzel-
stocken! B kleine E bis zur Halfte in morschem
Fichtenholz in der Erde eingefressen !
L 17
im Wurzelfilz und an Graswurzelstocken.
Euenia rosea Sav.
1
Octolasium cyaneum Sav.
? unbestimmt
1
10
?35 r 4
Bra. 5
Bw 39
G — Citr? IB
C 4
Isotoma palustris Miill. 3
Sminthurus luteusLubb.Hauptform 1
^•18. 9. VII. 01, seit einigen Tagen keine Niederschlage.
w- Bergeli. Suracana 1 560 m.
Woldweide im Mischwald.
Pfateenbestand: ziemlich locker.
Poa alpina L. var. fructifera mf. dfo.
310
Dactylis glomerata L.
Trifolium repens L. mf.
Taraxacum officinale Web. d
Plantago montana L. Kih. mf.
Silene inflata Sm.
Boden: Geol.: Streifenschiefer und Geroll von Virglor
kalk.
a Expos.: N. Neig.: 0°.
humushaltiger, sandiger Lehm mit viel Grus,
65cmGesamtmachtigkeit. Wurzelregion 15— 20c
Untergrund: Schieferfels.
c ziemlich trocken; wenig Feuchtigkeits-, ziemlic
Temperaturschwankungen.
Fauna: nur in der Wurzelregion und hier hauptsachl
bis zu 8 cm Tiefe. N 15
E 86
L 3
Luinbricus rubellus Hoffm. 1
Bruchst. Typ. Lumbricus rubellus 1
Typ. des Lumbricus terrestris 1
Julus nigrofuscus Verh. 2
a 6 p 2 y 10
cc) Wald.
Nr. 63. 1. VII. 01 , seit 2 Tagen regnerisch, vorher zieml. trocl
Ob. Bergell. Asarina 1360 m. .
Fichtenwahl docker).
Pflanzenbestaml: vereinzelt: Briza media L. Kh. if.
Boden: Geol.: Schuttkegel von hauptsachl. Talk- i
Glimmerschiefertrummern.
Mi
2
Bw
IS
C
1
ntt
A
14
311
a Expos.: W. Neig.: 0°.
sandiger, wenig filziger Waldhumus.
26 cm Gesamtmachtigkeit.
Untergrund: Steinboden mit Fichtenwurzeln.
c massig frisch; wenig Temperatur- und Feuchtigkeits-
schwankungen.
Fauna: N 3
E 4
Bw 10
Y 10
Podura minor Lubb. 1
Isotoma fimetaria L. Tullb. 3
C 4
Nr. 64. 1. VII. 01, seit 2 Tagen regnerisch, vorher
ziemlich trockenes Wetter.
Ob. BergelL Barga-Asarina 1360 m.
Fichtenwald.
Pflanzenbestayid: 0.
Boden: Geol.: Triimmer von Talk- u. griinem Biindner-
schiefer.
a Expos.: NW— SO. Neig.: 32°.
sandig-lehmiger, filziger Waldhumus 20 cm.
trockener, lehmiger Sand 15 cm.
Gesamtmachtigkeit 35 cm.
Untergrund: Geroll.
c frisch, massige Feuchtigkeits-, wenig Temperatur-
schwankungen.
Fauna: nur 1/ai mm (= 1/a Probe)
ausschliesslich im Humus!
Brs. unbestimmt
Scolopendrella notacantha Gerv.
N 21
E 33
L 2
2
m IB
14
(•rvptnps horttMisi.s Loach 1
Bw L z>
a 7 [5 3 r 2
AH
Nr. 65. 13. VI. 01, seit 4 Tagen regnerisch.
Unt Bergell. Sletna 1500 m.
Lichter Fichtenwald.
Pflanzeribestand: 0.
Boden: Geol.: Glimmerschiefer.
a Expos.: N— S. Neig.: 25°.
dunkler Waldhumus 2 cm | Wurzelregio**
lehmiger Sand mit viel Grus 13 cm J 8 cm
steiniger Sand 15 cm.
Gesamtmachtigkeit 30 cm.
Untergrund: Schiefer-Steinboden.
c zieml. trocken; zieml. Temperaturschwankungen.
Fauna: N 3
E 12
M» 5
Scolopendrella notacantha Gerv. 4
Geophilus spec. 1 juv.
N, E u. Mj in der lehmigen Sandschicht.
Bw 24
a 4 y 20. hauptsachl. in der Humusschicht.
C 6 .ft—
A 6
Nr. 66. 17. VI. 01, seit 4 Tagen regnerisch.
Unt. Bergell. Soglio 1570 m.
Fichtenwald.
Pflanzeribestand: vereinzelte Grashorste; viele Moose.
Boden: Geol. : Triimmer von Glimmerschiefer und wenig
Arlbergkalk.
313
a Expos.: N— S. Neig.: 41°.
lehmiger, dunkler, filziger Humus 10 cm
hamoser Lehm 15 cm
Gesamtm&chtigkeit 25 cm
Untergrund: Steinboden.
c frisch, wenig Feuchtigkeits- und Temperaturschwan-
kungen.
Fauna: N 6
E 90
viele im Wurzelfilz haftend, schwer herauszufinden.
L 7
Helodrilus D. octaedrus Sav.
Octolasium lacteum Oerley
Lumbricus terrestris
"jl unbestimmt
Cylindroiulu8 generosensis Verh.
Julus Zinalensis Faes
I
Scolopendrella notacantha Gerv.
« 30 p 7 r 20
1
1
1
4
37
M 60
23
oo
M4
20
£\J
Bw 67
G
Eier16?
A
11
Ar. 67. 3. VI. 01, wenig Gewitterregen.
Ob. Bergell. Ambruno 1610 m.
Fichtenwald (hoch-dicht).
Pflanzenbestand: 0.
Boden: Geol.: Schuttkegel von Biindnerschiefer, griin
und rot.
a Expos.: N— S. Neig.: 29°.
roter Waldhumus 3 cm
humoser Steinboden 15 cm
Gesamtmaohtigkeit 18 cm
314
Untergrund: Steinboden.
c wenig frisch, wenig Temperaturschwankungen.
Fauna: N 5
E 22
in der humosen und in der Humusschicht.
Mi 1
Cylindroiulus generosensis Verh. 1 juv.
M2 11
Scolopendrella notacantha Gerv. 10
Geophilus spec. 1 juv.
Bw 133
a 123, nur im Humus! p 10
zum Teil auch im Steinboden? C
A 9
Nr. 68. 20. VI. 01, seit 8 Tagen keine Niederschlftge.
Unt. Benjelh Soglio 1320 m.
Erlenwald (locker).
Pflanzenbestand: sehr locker, einzelne Gramineenhorste.
Keimpflanzen von Alnus incana.
Viola biflora L.
Fragaria vesca L.
Boden: Geol.: Glimmerschiefer (Rutschgebiet).
a Expos.: NNO— SSW. Neig.: 40°.
moderiger Humus 2 cm
lehmiger, dunkler Humus 8 cm
steiniger, sandiger Lehm 40 cm
Gesamtmachtigkeit 50 cm
Untergrund: Geroll.
c wenig feucht, massige Feuchtigkeits- unci Temperatur-
schwankungen.
Fauna: E 18
hauptsachlich nur in der obern Humusschicht.
315
L 5
+ Typus des Helodrilus D. rubidus
2
nnbeatimmt
3
Mi 3
Julas Zinaleneis Faes
1
Ms 1
Polydeanius spec.
2 (Mi)
Geophilus ferruginous C. Koch
1
(nur dieser
in der untersten Schicht).
Bw 10
p 6 Y 4
A 1
Nr. 69. 4. VII. 01, langere Zeit trockenes Wetter.
Ofr. Bergell. Barga 1390 m.
Erlengebiisch.
Pftamenbestand: locker,
vorwiegend Viola billora L.
Lychnis flos Jovis L.
Gteranium silvaticum L. fl. dl.
Paris quadrifolia L.
Boden: Geol.: griiner Biindnerschiefer.
a Expos.: NNW— SSO. Neig.: 18°.
feachter, sandig-lehmiger Humus 6 cm
humoser, sandiger Lehm 4 cm
trockener, steiniger, lehmiger Sand 25 cm
G-esamtmachtigkeit 35 cm
Untergrund: Steinboden.
c wenig Feuchtigkeits- und Temperaturunterschiede.
Fauna: N 8
E 290
hauptsachlich im humosen Lehm ; wenig in der untersten
Schicht.
L 7
316
" 9_ Typ. d. Lumbricua rubellus 3
Brs. unbestimmt 4
Mi
Julus Zinalensis Faes 2
M* 1
Scolopendrella notacantha Gerv. 2
Geophilus spec. 11 juv.
a 12 p 15 r 15
Bw 4
G
Hyalina (Polita) pura Alder 3
Hyalina spec. 1 fragm.
C
Orchesella spec. 1 defect.
A 1
b) Alpine Region: 1800—2300 m.
bb) Weide.
Nr. 70. 27. VI. 01, seit ca. 10 Tagen seltene Niederschlag*
Unt. BergelL Pianvest 1815 m.
Pflanzenbestand: ziemlich locker.
Poa alpina L. var. fructifera mf. dfi
Dactylis glomerata L. d
Festuca rubra Thuill. mf. d
Trifolium alpinum L. Kih. mf. d1
Alchemilla montana Willd.
ChaQrophyllum Villarsi Koch.
Boden: Geol.: Glimmerschiefer.
a Expos.: NNO-SSW. Neig.: 22°.
(sandiger Lehm) lehmiger, dunkler,
filziger, humusreicher Sand 12 cm
lehmiger Sand mit viel Grus 13 cm
Gesamtmachtigkeit 25 cm
Untergrund: sandig-lehmiger Steinboden.
317
c massig frisch - feucht ; ziemliche Feuchtigkeits- unci
Temperatiir8chwankungen.
Fauna: hauptsachlich nur bis 6 cm Tiefe.
tiefer nur einzelne E und Bw.
"? unbestimmt
Brs.
Cylindroiulus generosensis Verh.
Lithobius spec. Brs.
Geophilus spec. juv. et Brs.
a 40 £75 r 14
Helix (Vallonia) pulchella Mull.
Zua lubrica Mull. var. minima Siem. 1
Hyalina spec. (?)
Isotoma viridis Bourl. Hauptform
Cr. 71. 6. VII. 01, regnerisch-kalt.
>b. BergelL Forcella 1980 m.
r«de-Kuhtritt (Galtvieh-).
Pflanzenbestand: sehr dicht.
Poa alpina L. var. fructifera mf. dfo.
Anthoxanthum odoratum L.
Trifolium montanum L. dfl.
Trigonella monspeliaca L. tl.
Antennaria dioica G&rt. tl. dfl. H.
Plantago alpina L. Kh. mf. dl.
Eriophorum alpinum L.
Boden: Geol.: grtin-roter Blindnerschiefer.
a Expos.: NNO— SSW. Neig.: 24°.
N 103
E 1118
9
L 11
2
1
1
Mi 1
Ms 4
3
Bw 129
2
G 4
1
1 juv.
3
C 3
A 30
318
humo8er, lehmiger Sand 11 cm Wurzelregion
sandiger Lehm 12 cm
Gesamtmachtigkeit 23 cm
TJntergrand: Steinboden.
c frisch; ziemliche Feuchtigkeits- und Temperatur-
schwankungen.
Fauna: E 56
in der Wurzelregion
L 8
n u r bei 2 — 3 cm Tiefe, da, wo
humose Stoffe am dichtesten.
Lumbricus rubellus Hoffm.
8
Mi 2
Julus Zinalenais Faes
2
M» 2
Geophilus spec.
2 juv.
Bw 16
p 3 r 12
G 1 Etorll?
Zua lubrica Miill. var. minima
Siem. 1
A 5
Nr. 72. 19. VII. 01, in letzter Zeit nur selten kleine Niederschlftge.
Unt. Bergell. Planlo-ZoBchetta 1990 m.
Weide (Kuh- und Ziegen-).
Pflanzenbestand : ziemlich locker.
dichte (zahe) Grashorste (Nirdua stricto L.) Kih. tl. dfu. H.
Trigonella monspeliaca L. tl.
Trifolium alpinum L. Kih. mf. dfl.
Gentiana acaulis Jacq. Kh. mf. dfl.
Vaccinium Vitis Iduea L. mf. dfl. H.
Daphne striata Tratt. Kh.
Boden: Geol.: Glimmerschiefer.
a Expos.: NW-SO. Neig.: 18°.
319
humusreicher Lehm 13 cm |
. !- x i ftt I Wurzelregion 16 cm
humoser, sandiger Lehm 25 cm J
sandig-steiniger Lehm 20 cm
Gesamtmachtigkeit 58 cm
Untergrund: Schieferfels.
c frisch; wenig bis mittlere Schwankungen der Feuch-
tigkeit und der Temperatur.
Fauna; nur in der humusreichen, obern Lehmschicht.
N 20
Cylindroiulus Verhceffi Broel. 6
Scolopendrella notacantha Gerv. 13
E 12
Mi 5
M2 13
G — Eier? 7
Bw 8
a 5 y 3
A 9
Nr. 73, 8. VII. 01, seit einigen Tagen trockenes Wetter.
06. Bergell. Salecina 2155 m
Weide (Kuh-).
Pflanzenbestand: dichter Rasen von Carex Oederi Ehrh.
Vaccinium Myrtillus L. Kih. mf. dfl. H.
Empetrum nigrum L.
Boden: Geol.: Geroll von Hornblendeschiefer.
a Expos.: S— N. Neig.: 20°.
molliger (Haide-) Humus 12 — 15 cm
sandiger Humus — humusreicher Sand 12 cm
Gesamtmachtigkeit ca. 25 cm
c grosse Feuchtigkeits-, massige Temperaturschwan-
kungen.
Fauna: lU Probe (= lfa m2) N 5 E 69 Bw 4
P8 ^2 A2
320
Nr. 74. 8. VII. 01, seit einigen Tagen trockenes Wetter.
Ob. Bergell. SalecilM 2160 m.
Weide (Kuh-).
Pflanzeribesta'nd: zahe, dichte Carexnarbe (Carex Oederi
Ehrh.).
Boden: Geol.: Hornblendeschiefer.
a Expos.: 0, N, W. Neig.: 0° (Kuppe).
roher, sandiger Humus (Wurzelfilz), 10 cm Gesamt-
machtigkeit.
Untergrund, Steinplatte.
c sehr grosse Feuchtigkeits-, grosse Temperaturschwan-
kungen.
Fauna: Vu Probe (=1«4 m2) E 2
Bw 2
C 2 urtkMM.
A 1
Nr. 75. 13. VII. 01, lange Zeit trocken.
Ob. Bergell. Piz Campo 2250 m.
Weide (Galtvieh-).
Pflanzenbestand: dicht; zahe Grashorste (Sirdw strict* etc,).
Anthyllis Vulneraria L. Kh. tl. dfl.
Vaccinium Myrtillus L. Kih. mf. dfl. H.
Vacc. Vitis Idaea L. mf. dfl. H.
Anemone alpina sulfurea L. Kih. mf. dfl.
Trollius europaeus L. fl. dl.
Boden: Geol.: griiner Biindnerschiefer.
a Expos.: NW- SO. Neig.: 34°.
lehmiger, dunkler Humus 10 cm|
v T , or } Wurzelregion 20 cm
sandiger Lehm 35 cm|
Gesamtmachtigkeit 46 cm
Untergrund: Fels.
321
c massige Feachtigkeits- und Temperaturechwankungen ;
frisch.
Fau ia: N 18
E 70
L 5
9 unbestimmt 3
Brs. 2
Julus Zinalensis Faes 2
Craspedosoma Canestrini Fedr. 1
a 12 £ 5 y 3
Mi 3
Bw 20
G 9 Eltf7
Hyalina (Polita) pura Alder 2
Helix (Fruticicola) sericea Drap. 1
Helix (Arionta) arbustorum 1 Fragment
Zua lnbrica Mull. var. minima Siem. 5
A 17
cc) Wald.
Nr. 76. 27. VI. 01, seit langer Zeit trockenes Wetter.
Vnt. Bergell. Pianvest 1800 m.
Fichtenwald (locker— Waldgrenze).
Pflanzenbestand: dicht.
ake Borate von Nardus striota L. (?) Kih. tl. dfii. H.
Trifolium alpinum L. Kih. mf. dfl.
Gentiana excisa Presl. Kih. mf. dfl.
Vaccinium Myrtillus L. Kih. mf. dfl. H.
Boden: Geol. : Glimmerschiefer.
a Expos.: SW. Neig.: 0°.
schwarzer, filziger Waldhumus 3 cm
sandiger, filziger Humus 7 cm
humushaltiger, lehmiger Sand 30 cm
Gesamtmachtigkeit 40 cm
21
322
Untergrund: Felsplatte.
c wenig Feuchtigkeits- und Temperaturschwankungen ;
frisch-feucht.
Fauna: nur in den Humusschichten (Ausnahme 8. u.) N 6
E 36
L 2
in der obern Humusschicht.
Lumbricu8 rubellus Hoffm. 1
2 Typ. d. Lumbricus rubellus 1
M, 9
+
Cylindroiulus Verhoeffi Broel. 2
Cylindroiulus generosensis Verh. 3
Julus Zinalensis Faes 1
Julus spec. 3 juv.
M* 4
in der Sandschicht.
Scolopendrella notacantha Gerv. 3
Scolopendrella nivea Scop. 1
«12?7r6 »l*
Nr. 77. 19. VII. 01, lange Zeit trocken.
Unt. Bergen. Pianlo 1970 m.
Fichtenwald (locker).
Pflanzenbestand: locker; einzelne Grashorste (verfaulend).
Poa trivialis L. mf. dl.
Alcherailla montana Willd.
Aconitum Napellus L. fl. dl.
Boden: Geol.: Glimmerschiefer.
a Expos.: S. Neig.: 0°.
dunkler Wald humus 2 cm
lehmiger. hellor Humus 10 cm Wurzelregion
lohmiger, dunkler Humus 23 cm (yerfanlende FicMeifinelii)
Gesamtmiichtigkeit 35 cm
N 36
E 308
L 1
1
Mi 2
2
M» 1
1
Bw 17
G — Ehr 12?
A 29
323
Untergrund: lehmiger Schiefer-Steinboden.
c sehr wenig Fenchtigkeits- und Temperaturschwan-
kungen; feucht.
Fauna:
Bra. unbestimmt
Julus Zinalensis Faes
Scolopendrella DOtacantha Gerv.
a 8 p 6 y 4
Xr. 78. 4. VII. 01, seit einigen Tagen regnerisch.
06. Bergell. Blese grande 2010 m.
Lerchengruppe (locker — Waldgrenze).
Pflanzenbestand: locker.
Anthoxanthum odoratum L.
Anemone alpina sulfarea L. Kih. mf. dfl.
Fragaria vesca L.
Viola biflora L.
Boden: Geol.: Biindnerschiefer, grun-rot.
a Expos.: NW— SO. Neig.: 22°.
lehmiger, dunkler Humus 5 cm
humusreicher, lehmiger Sand 8 cm AVurzelrogion
lehmiger Sand liber 50 cm
Gesamtmachtigkeit iiber 60 cm
Untergrund: sandiger Lehm, steinig.
c massige Feuchtigkeits- und Temperaturschwankungen ;
frisch. ^—
324
Fauna: N 30
auch im lehmigen Sand.
E 68
nur wenige im lehmigen Sand,
hauptsachlich in den obern Schichten.
L 1
in der obersten Humusschicht.
Helodrilus D. octaedrus Sav. 1
M2 3
in der untersten Schicht (lehm. Sand).
Scolopendrella notacantha Qerv. 3
a 25 p 14 y 10
Bw 49
G — Eier? 10
C 2
Lepidocyrtus lanuginosus Nic. 2
A 6
Nr. 79. 8. VII. 01, seit einigen Tagen keine NiederschlMge.
Ob. Bergell. Salecina 2160 m.
Haide.
Pflanzeiibestand: ziemlich locker.
Vaccinium Myrtillus L. Kih. mf. dfl. H.
Rhododendron hirsutum Kh. tl. dfl.
Eriophorum angustifolium Roth.
Empetrum nigrum L. Kih. mf. dfo.
Boden: Geol.: Geroll von Hornblendeschiefer.
a Expos.: O, N, W. Neig.: 0° (Kuppe).
nasser, schwarzer Torfhumus 30 cm Wurzelregion 15 cm
humoser, steiniger Lehm 5 cm
Gesamtmachtigkeit 35 cm
Untergrund: Fels.
b Torfhumus sauer.
c nass; fast keine Feuchtigkeits-, wenig Temperatur-
schwankungen.
325
Fauna: alles in der Wurzelregion. E 51
Y 2 Bw 2
G — Eier? 9 A 10
dd) Planggen.
Hr. 80. 13. VII. 01, seit einigen Tagen trockenes Wetter.
Ob. BergelL Bei Piz Campo 2250 m.
Grasband.
Pflamenbestand: locker; dichte Moosbiische.
Gentiana verna L. mf. dfl.
Sempervivum spec.
JBoden: Qeol.: Biindnerschiefer, grim.
a Expos.: N— S. Neig.: 40°.
steiniger, filziger Humus. 15 cm Gesamtmachtig-
keit.
Untergrund: verwitternder Fels.
c zieml. Feuchtigkeits- und Temperaturschwankungen.
Fauna: N 18
E 91
Brs. unbestimmt 1 LI
Bw 18
G 4 Eier 2
a 14 p 2 r 2
Hyalina (Polita) pura Alder 1
Helix spec. 2 juv.
Zua lubrica Miill. (?) 1 Fragment.
A 22
Nr. 81. 8. VII. 01, seit einigen Tagen trockenes Wetter.
Ob. BergelL Bitabergo 1872 m.
Magerweide in engem Tobel. (Schnee bleibt sehr lange:
Schneefalchen ?)
Pflamenbestand: ziemlich locker.
haupts&chlich Plantago alpina L. Kh. mf. dl.
und Potentilla nivea L.
326
Boden: Geol.: Talkschiefer.
a Expos.: S— N. Neig.: 6°.
schwarzer (feuchter) humushaltiger Lehm 20 cm
heller, sandiger, wurzelreicher Lehm 15 cm
Gesamtm&chtigkeit 35 cm
Untergrund: Steinboden.
c feucht-frisch (kalt); wenig Feuchtigkeits- und Tempe-
raturschwankungen.
Fauna: in der Tiefe von ca. 5—8 cm. N 1
E 2
Y 1 Bw 1
c) Subnivale Region: 2300— 2700 m.
bb) Weide.
Nr. 82, 21. VII. 01, nach lftngerer Trockenheit heute starker
Gewitterregen.
Unt. Bergell. Pianlo-Duana 2340 m.
Magerweide (Ziegen-).
Pflanzenbestand: dichte Gramineen- und Carexhorste.
Gentiana verna L. mf. dfl.
Ranunculus montanus Willd. fl. dl.
viele Myosotis alpestris Schmidt.
Boden: Geol.: Geroll von Streifenschiefer und Virgloria-
kalk.
a Expos.: NNO— SSW. Neig.: 44°.
steiniger, sandig-lehmiger Humus. 10 cm Gesamt-
machtigkeit. Wurzelregion 6 — 8 cm.
Untergrund: Steinboden.
b Humuserde mit H CI kein Brausen ; die eingebetteten
Ca-Steine starkes Brausen.
c massig frisch; grosse Feuchtigkeits- und Temperatur-
schwankungen.
327
Fauna: '/t Probe (— Va* m2)
M T3
nur bis ca. 6-
N 3
E 70
-6 m Tiefe.
Bw 4
A 8
Nr. 83. 21. VII. 01, nach langerer Trockenheit starker
Gewitterregen.
Unt. Bergell. Pianlo-Duana 2370 m.
Magerweide (Ziegen-).
JPflamenbestand: dichte, zahe Narbe von
Gramineen- und Carexhorsten.
viele Ranunculus montanus Willd. fl. dl.
Gentiana verna L. mf. dfl.
Viola calcarata L. Kh. mf. dfl.
Myosotis alpestris Schmidt mf. dfl.
Boden: Geol.: Glimmerschiefer.
a Expos.: S. Neig.: 0° (kleine Mulde).
humoser dunkler Ton 8 cm (dichte Wurzeln bis 4 cm),
dann eisenhaltiger, dunkler, schwerer Ton fiber 70 cm
Gesamtmachtigkeit.
c feucht-nass; wenig Temperatur-, massige Feuchtig-
keitsschwankungen.
Fauna: L 1
1
'? unbestimmt
P 1
Bw 1
G — Eiir ?1
A 5
Nr. 84. 6. VII. 01, heute regnerisch, kalt.
Ob. Bergell. Val Forcella 2400 m.
Magerweide (Galtvieh-).
Pftanzenbestand: dicht; zahe Gramineenhorste.
Trifolium alpinum L. Kih. mf. dfl.
Primula viscosa All.
Gentiana excisa Presl. Kih. mf. dfl.
Anemone alpina sulfarea Kih. mf. dfl.
Geum reptans L.
Vacoinium Myrtillus L. Kih. mf. dfl. H.
Daphne striata Tratt.
Boden: Geol.: Geroll von Biindnerschiefer, griin-rot.
a Expos.: NNO— SSW. Neig.: 26°.
sandig-lehmiger, kompakter (filziger) Humus 6 cm) Wurul-
humusreicher, sandiger Lehm 10 cm) 12 Ci
lehmiger Sand 10 cm
Gesamtmachtigkeit 26 cm
Untergrund: Steinboden.
c ziemlich frisch; massige Schwankungen des Feuchtig-
keitsgehaltes und der Temperatur.
Fauna: in der Wurzelregion. N 44
E 23
a 1 J3 5 y 3 Bw9
C 2
Isotoma sensibilis Tullb. 1 (1 entkommen)
A 6
Xr. 85. 6. VII. 01, regnerisch-kalt.
Ob. BergelL Val Forcella 2400 m.
Magerweide (Galtvieh-) ca. 5 m von Nr. 84 entfernt.
Pflanzeribestand : dichte Gramineenhorste.
Trifolium alpinum L. Kih. mf. dfl.
Primula viscosa All.
Gentiana excisa Presl. Kih. mf. dfl.
Eanunculus pyrenacus L. fl.
Geum montanum L.
Bodcn: Geol.: Triimmer von grlin und rotem Biindner-
schiefer.
329
a Expos.: N— S. Neig.: 24°.
lehmiger kompakter Humus 7 cm ) Wurzelregion
humushaltiger lehmiger Sand 30 cm j 14 cm
Gesamtmachtigkeit 37 cm
Untergrund: Steinboden.
c frisch bis ziemlich frisch, massige Feuchtigkeits- und
Temperaturschwankungen.
Fauna: nur in der Wurzelregion. N 24
E 168
Bw 4
A 2
Nr. 86. 21. VII. 01, einige Gewitterregen nach lttngerer
Trockenheit.
Unt. Bergell. Pianlo Campo 2430 m.
Magerweide (Ziegen-).
Pflanzenbestand: dichte Gramineenhorste und einige
Carexhorste.
Oxytropis campestris Dec. Kh. tl. dfl.
Gentiana verna L. mf. dfl.
Androsace Chamaejasme Host. Kh. tl. dfl.
Boden: Geol.: Biindner- und Glimmerschiefer.
a Expos.: S, N, Neig: 0° (Sattel).
lehmiger, filziger, dunkler Humus 6 cml "Wurzel-
humusreicher, sandiger Lehm 10 cm j 12 cm
Gesamtmachtigkeit 1G cm
Untergrund: Fels.
c frisch; massige Feuchtigkeits- und Temperaturschwan-
kungen; kalt.
Fauna: N 1
E 3
L 1
in der Tiefe von ca. 5 cm.
330
Lumbricus rubellus Hoffin.
P 1
Bw 1
A 2
V. Bio-geographischc Vcrbreitung der gefundenen
Arten.
A. Lumbricidae.
Synonymen.1
Eisenia rosea Sav. Lumbricus communis Hoffm. (var. ana-
tomicus).
Allol. rosea Bosa = Allol. Danieli rosai Bibauc
Hdodrilus D. rubidus Sav. (var. subrubicunda Eisen).
(Allol. subrubicunda nach Mich, und Bretscher.)
Helodrilus D. octaedrus Sav. Allol. octaedra Bosa (von
Michaelsen, Bibauc, Bretscher).
A. octaed. var. alpinula, Bibauc.
Octolasium cyaneum Sav. Allol. cyanea var. studiosa Mich,
(v. Bibauc. und Bretscher).
Allol. cyanea var. profuga Bosa (v. Mich., Bibauc,
Bretscher).
Octolasium lacteum Oerley. Allol. cyanea subspec rubida
Oerley (v. Bibauc).
L. terrestris L. Lumbricus terrestris Bosa + L. Studeri Bib.
(v. Bibauc).
Lumbricus herculeus Sav. (v. Bretscher).'
Eisenia rosea Say.
Alpstein neu Nr. 6 1300 m Fichtenwald. Boden: feucht-
nass, humusreich. Ki.: 2 Exempl.
Fextal neu Nr. 38 1920 m Streuwiese. Boden: feucht,
humos, Ki.-reich: 2 (4)2.
1 Nach Litteratur der angefuhrten Autoren.
2 (4) = Anzahl der w y, oder Brs.
331
Bergell neu Nr. 61 1320 m Waldweide. Bo den: m&ssig
feucht, humo8, Ki.-reich: 1.
Bisher konstatiert:
Michaelsen: Sehr grosse geographische Verbreitung. „In
mehr oder weniger feuchter Erde, sowie im Sohlamm
von Susswasser.u
Ribaucourt: tlberall, aber in kleiner Anzahl; sowohl in
lehmiger, kieseliger Erde als auch in humusreicher Erde
(A. rosea Rosa).
Unter Brettern von Klubhiitten in den Berneralpen
(A. Danieli Rosai).
Bretscher: Umgebung von Zurich, Tierfehd (Glarus), Fur-
stenalp, Avers-Cresta (in Wiesen zahlreich), scheint
,.mit Vorliebe unter verwesendem Laub der W&lderu.
Helodrilus D. rnbidus Sar.
Calf, neu Nr. 1 1350 m Magermatte. Boden: massig
feucht, tiefgriindig, humushaltig: (4).
Alpst. neu Nr. 2 1300 m Magerweide. Boden: feucht,
flachgrlindig, humos, Ca: 3 (2).
Alpst. neu Nr. 4 1630 m Weide mit Dros. Boden: feucht,
mittelgriindig, humusreich, Ca: 1 (1).
Alpst. neu Nr. 5 1797 m Magerweide. Boden: frisch,
mittelgriindig, humusreich, Ca: 1.
Bergell neu Nr. 68 1320 m Erlenwald. Boden: massig
feucht, mittelgriindig, humusreich: (2).
Bisher konstatiert:
Michaelsen: Sicher bekannt von Sibirien, Irland, Deutsch-
land, Frankreich, Schweiz. (A. subrubicunda vom
Berninapass.)
BreUcher: Teufelskopf (Fiirstenalp), Goscheneralp. (A. sub-
rubicunda Avers- Weisshorn, in der Ostschweiz haufig).
Helodrilas D. oetaedras Say.
Calf, neu Nr. 8 1600 m Mischwald. Boden: feucht, tief-
griindig, humusreich: (4).
332
Alpst neu Nr. 5 1797 m Magerweide. Bod en: frisch,
mittelgrundig, humusreich: 1.
Alpst. neu Nr. 12 2150 m Magerweide. Boden: massig
feuoht, flachgrfindig, humos: 3 (5).
Avers Nr. 21 2160 m Magermatte. Boden: feuchtnass,
flachgrundig, humos: 1.
Ob. Bergell neu Nr. 58 1380 m Rieselwiese. Boden: feucht-
nass, flachgrundig, humusreich: 1 (2).
Tint. Bergell neu Nr. 66 1670m Fichtenwald. Boden:
frisch, mittelgrundig, humusreich: 1.
Ob. Bergell neu Nr. 78 2010 m Lerchengruppe. Boden:
frisch, tiefgriindig, humos: 1.
Bisher konstatiert:
Michaeteen: Sehr grosse geographische Verbreitung; am
Berninapass (A. oct.).
Eibaucourt: Sehr haufig im Wallis bei 2—3000 m, bei
3200 m ziemlich grosse Anzahl; nicht in den Berner-
alpen und im Jura.
Bretscher: Avers-Cresta (Wiese), Tierfehd (Glarus), Pragel-
pass (unter Rinde), Frutt, Hinter- und Obersandalp
(2100), Furstenalp (bis 2100), Goscheneralp, Talalp-
seegebiet. Steigt nicht in die Niederungen hinab
(Ribauc. und Bretscher).
Allolobophora aporata Brotsch.
(Helodrilus T>. rhenani Bnstsch.?)
Alpst. neu Nr. 6 1300 m Fichtenwald. Boden: feucht-
nass, tiefgriindig, humos: 2.
Bisher konstatiert:
Bretscher: Furstenalp-Trirumis (1700—2300 m).
Octolasium cvaiieum 8a v.
Alpst. neu Nr. 4 1630 m Weide mit Dros. Boden: feucht,
mittelgrundig, humos: 1 (6).
333
Alpst. neu Nr. 5 1797 m Magerweide. Bo den: frisch,
mittelgriindig, humos: 16 (5).
Alpst. neu Nr. 11 2080 m Magerweide. Bod en: m&ssig
feucht, mittelgriindig, humos: 2.
Unt. Bergell neu Nr. 61 1320 m Magerweide. Bo den:
frisch-feucht, mittelgriindig, humushaltig: 1.
Bisher konstatiert:
Michaelsen: Grosse geographische Verbreitung (Schweiz:
Zurich, Rigi), var. profuga: Weissbad.
Riban-court: All. cyanea — var. profuga: sehr verbreitet
in der Schweiz und in grosser Anzahl in humusreichen
Feldern bis 2000 m.
Var. studiosa Mich. : in Gesellschaft m. var. profuga,
weniger h&ufig; auch unter feuchtem Moos.
Bretscher: var. profuga: Zurich und Umgebung, nicht ge-
rade haufig.
var. studiosa: „eine Art, der man iiberall begegnen
kann" (?).
im "Wasser unter Steinen bei Zurich. Rusein sura
2200 m.
Octolasium lacteum Oerley.
Calf, neu Nr. 7 1460 m Fichtenwald. Bo den: massig
feucht, tiefgriindig, humos: (1).
Alpst. neu Nr. 4 1630 m Weide mit Dros. Boden: feucht,
mittelgriindig, humos: 2.
Alpst. neu Nr. 12 2150 m Magerweide. Boden: massig
feucht, flachgriindig, humos: 1 (2).
Avers neu Nr. 20 2146 m Fettwiese. Boden: frisch.
humos, mittelgriindig: 1 (1).
Fextal neu Nr. 33 1950 m Fettwiese. Boden: frisch-
feucht, tiefgriindig, humushaltig: (4).
334
Unt. Bergell neu Nr. 55 1555 m Magerwiese. B o d e n :
feucht-frisch, flachgrundig, humusreich : 1 (1).
Ob. Bergell neu Nr. 67 1590 m Magerwiese. Boden:
ziemlich trocken, tiefgrundig, humos: (1).
Ob. Bergell neu Nr. 69 1410 m Rieselwiese. Boden:
feucht-nass, mittelgriindig, humos: 1 (4).
Unt. Bergell neu Nr. 66 1570 m Fichtenwald. Boden:
frisch, mittelgriindig, humusreich: 1.
Bisher konstatiert:
Michaelsen: Grosse geographische Verbreitung!
Ribaucourt: (A. cyanea Rosa subspec. rubida Oerley) am
Chasseral (1609 m).
Bretscher: Hochwang (2400 m), Fiirstenalp-Teufelskopf.
Lumbricus terrestris L.
Ob. Bergell neu Nr. 62 1560 m Waldweide. Boden: zieml.
trocken, tiefgrundig, humushaltig: (1).
Unt. Bergell neu Nr. 66 1570 m Fichtenwald. Boden:
frisch, mittelgriindig, humos: 1.
Bisher: Grosse geograph. Verbreitung (Michaelsen).
Ribaucourt: „Sur les hauteurs il est rare d?en trouveru ; a
Morgins 2000 m 3 exempl.
Bretscher: Vorwiegend dem Flachlande angehorend.
Lumbricus rubellus Hoffm.
Alpst. neu Nr. 5 1797 m Magerweide. Boden: frisch,
mittelgriindig, humos: 1.
Avers Nr. 20 2146 m Fettwiese. Boden: frisch, mittel-
griindig, humos: 1 (2).
Avers Nr. 21 2160 m Magerwiese. Boden: feuchtnass,
mittelgriindig, humos: 4.
Avers Nr. 22 2140 m Streuwiese. Boden: nass, mittel-
griindig, humos: 1.
336
Boden: frisch-
B o d e n : frisch,
Boden: frisch,
Fextal neu Nr. 33 1950 m Fettwiese.
feucht, tiefgriindig, humos: 2 (5).
Fextal neu Nr. 34 1965 m Fettwiese.
mittelgrundig, humos: 1 (2).
Fextal neu Nr. 36 1970 m Fettwiese.
tiefgriindig, humushaltig : (10).
Fextal neu Nr. 38 1920 m Streuwiese. Boden: feucht-
nass, mittelgrundig, humushaltig: 6 (4).
Tint. Bergell Nr. 52 1660 m Magerwiese. Boden: frisch,
tiefgriindig, humos: (6).
Unt. Bergell Nr. 65 1555 m Magerwiese. Boden: feucht,
mittelgrundig, humos: (5).
Unt Bergell Nr. 56 1560 m Magerwiese. Boden: feucht,
mittelgrundig, humos: 1 (5).
Ob. Bergett Nr. 62 1560 m Waldweide. Boden: ziemlich
trocken, tiefgriindig, humushaltig: 1 (1).
Ob. Bergell Nr. 69 1390 m Erlengebiisch. Boden: feucht-
trocken, mittelgrundig, humushaltig: (3).
Ob. Bergell Nr. 71 1980 m Weide. Boden: frisch, mittel-
grundig, humos: 8.
Unt. Bergell Nr. 76 1800 m Fichtenwald. Boden: frisch-
feucht, mittelgrundig, humusreich: 1 (1).
Unt. Bergell Nr. 86 2430 m Magerweide. Boden: frisch,
flachgriindig, humusreich: 1.
Fur das Bergell neu.
Bisher konstatiert:
Michaelsen: Selir grosse geographische Verbreitung.
Im Oberengadin und beim Weissbad (Appenzell).
Ribaucourt: Im schweizer. Mittelland und in den Alpen
haufig.
Mont Geant (2600 m); Bliimlisalp (3200 m).
336
Bretscher: Findet fast iiberall genugende Existenzbedin-
gungen.
Uberall um Zurich; Tierfehd (Glarus), Kehlenalp,
Goscheneralp, Obstalden, Thusis, Avers (2500 m);
fehlte auf der Frutt.
Im Alpstein wurden neu nachgewiesen (,,wahrschein-
lich* wo nur *y_ oder Brs.!): Eisenia rosea Sav. (Nr. 6);
Helodrilus D. rubidus Sav. (Nr. 2, 4, B); Helodrilus D.
octaedrus Sav. (Nr. B, 12); Allolobophora aporata Bretsch.
(Nr. 6); Octolasium lacteum Oerley (Nr. 4, 12) ; Octolasium
cyaneum Sav. (Nr. 4, B, 11); Lumbricus rubellus Hoflm.
(Nr. 6).
Im Calfeusen: Helodrilus D. rubidus (Nr. 1); Helo-
drilus D. octaedrus (Nr. 8); Octolasium lacteum (Nr. 7).
Im Avers: Octolasium lacteum (Nr. 20).
Im Fextal: Eisenia rosea (Nr. 38); Octolasium lacteuni
(Nr. 33); Lumbricus rubellus (Nr. 33, 34, 3B, 38).
Im Bergell: Eisenia rosea (Nr. 61); Helodrilus D.
rubidus (Nr. 68); Helodrilus D. octaedrus (Nr. 58, 66, 78);
Octolasium cyaneum (Nr. 61); Octolasium lacteum (Nr. 55,
57, 59, 66); Lumbricus terrestris (Nr. 62, 66); Lumbricus
rubellus (Nr. 52, 55, 56, 62, 69, 71, 76, 86).
B. Myriapoden.
Diplopoden = Mi.
Fam.: Glome r id ae.
Glomeris hexasticha Brandt.
Calf, new Nr. 8 1560 m Mischwald. Bo den: feucht, tief-
griindig, mittelschwer, humusreich: 9.
Calf, neu Nr. 15 1800 m Grasband. Boden: frisch, mittel-
griindig, ziemlich leicht, humusreich: 2.
337
Bisher: nach Rothenbiihler1): Wie Glomeris trans-
alpina, aber nicht so haufig. An mehr trockenen Stand-
orten, Waldr&ndern, Gebiischhalden (sonnigen).
Glomeris transalpine! C. Koch.
Calf, neu Nr. 8 1B60 m Mischwald. Bo den: feucht, tief-
grundig, mittelschwer, humusreich: 4.
Bisher konstatiert: nach RotJienbiihler: auf Wallis,
Tessin, Blinden beschrankt, in Biinden allgemein. Am Faul-
horn (2000 m), Zentralalpen bis 2500 m. An feuchten Orten.
Nach v. Rath: Glomeridie mit Vorliebe in bergigen
Gegenden, an Stellen, die von Mittag- und Abendsonne
beschienen.
Fam.: PolydesmidsB.
Polydesmus spec. (?)
Calf, neu Nr. 8 1560 m Mischwald. Bod en: feucht, tief-
griindig, mittelschwer, humusreich: 1.
Unt. Bergell neu Nr. 68 1320 m Erlenwald. Bo den:
frisch, tiefgriindig, mittelschwer, humusreich: 2.
Nach v. Rath: Polydesmidae unter Baumrinde, aber
auch im Moos und unter Steinen.
Fam.: Chordeumidse.
Craspedosoma Rawlinsii Leach.
Calf, neu Nr. 8 1560 m Mischwald. Bod en: feucht, tief-
griindig, mittelschwer, humusreich: 1.
Nach Rothenbiihler: haufig unter Borke alter Baum-
stamme.
Craspedosoma Canestrinii Fedr.
0b. Bergell neu Nr. 75 2250 m Weide. Boden: frisch,
mittelgrundig, ziemlich schwer, humos: 1.
Nach RothenbiUiler: Engadin (Unt.-Engadin bis 2700m),
liebt feuchte Orte.
y) Lit. Nr. 48—50.
22
338
Craspedosoma nach Rath unter altem Holz und
Steinen.
Chordeuma nodulosum Verh.
Calf, neu Nr. 8 1560 m (siehe oben): 2.
Nach Rotheribitiiler: Engadin: Val Triazza (2000 m);
am Schwarzhorn (2300).
Chordeuma silvestre C. Koch.
Calf neu Nr. 15 1800 m Grasband. Bo den: frisch,
mittelgriindig, ziemlich leicht, humusreich: 6.
Nach Roihenbihhler : am Schwarzhorn auf Alpweiden
(2300 m) unter Steinen; auch im Engadin. Feuchte Platze:
tiefere Laubschichten, unter Moos und Steinen.
Fam.: Julidae.
Julus nigrofuscus Verh.
Fextal neu Nr. 36 1970 m Fettwiese. Bod en: trocken
bis frisch, flachgriindig, humushaltig: 2.
Oh Bergell neu Nr. 62 1560 m Waldweide. B o d e n :
trocken, tiefgriindig, humushaltig: 2.
Nach Rothmbiihler: im Engadin allgemein und zahl-
reich — bis (iber Schneegrenze (an feuchten wie mehr
trockenen Orten) ; im Miinstertal unter Moos und Steinen ;
im Lischanagebiet (2900 m).
Julus Zinalensis Faes (J. rheeticus, Dufourii, = Synon.).
Im Bergell neu nachgewiesen:
Tint. Bergell Nr. 55 1555 m Magerwiese. Bod en: feucht,
flach-niittelgrundig, humusreich: 13.
Unt. Bergell Nr. 56 1560 m Magerwiese. Bo den: feucht,
mittelgriindig, humusreich: 10.
Ob. Bergell Nr. 59 1410 m Rieselwiese. Bod en: nass,
mittelgriindig, humusreich, mittelschwer: 1.
Unt. Bergell Nr. 66 1570 m Fichtenwald. Boden: frisch,
mittelgriindig, humusreich, schwer: 23.
339
Unt. Bergdl Nr. 68 1320 m Erlenwald. Bod en: feucht,
tiefgriindig, mittelschwer, humusreich : 1.
Ob. Bergdl Nr. 69 1390 m Erlengebiisch. Bo den: feuoht,
mittelgriindig, mittelleicht, humusreich: 2.
Ob. Bergell Nr. 71 1980 m Weide. Boden: frisch, mittel-
griindig, mittelleicht, humushaltig: 2.
Ob. Bergell Nr. 75 2250 m Weide. Boden: frisch, mittel-
griindig, mittelschwer, humos: 2.
Unt. Bergell Nr. 76 1800 m Fichtenwald. Boden: frisch-
feucht, mittelgriindig, leicht, humusreich: 1.
Unt. Bergdl Nr. 77 1970 m Fichtenwald. Boden: feucht,
mittelgriindig, mittelschwer, Humus: 2.
Bisher gefunden: nov. d. Faes bei Zinal im Wallis;
d. Rothenbiihler : bei Campo im Blegnotal, Val Luzzono im
Blegnotalgebiet.
Cylindroiulus (Julus) nitidus Verh.
Alpst neu Nr. 3 1500 m Magerweide. Boden: feucht,
flachgrundig, Humus: 6.
Nr. 4 1630 m Weide mit Dros. Boden: feucht,
mittelgriindig, mittelschwer, humos: 10.
Nr. 5 1797 m Magerweide. Boden: frisch,
mittelgriindig, mittelschwer bis leicht, humus-
haltig: 7.
Calf, neu Nr. 7 1450 m Fichtenwald. Boden: frisch, tief-
griindig, mittelleicht, humushaltig: 1.
Nr. 8 1560 m Mischwald. Boden: feucht, tief-
griindig, mittelschwer, humos: 16.
Nr. 15 1800m Grasband. Boden: frisch. mittel-
griindig, mittelschwer, humos: 8.
Nach Rothenbiihler: soweit Buchenbestande gehen,
massenhaft in Laubschichten der Walder.
340
Cylindroitilus Verhoeffi Broel.
Neu fur das Bergell.
Ob. Bergell Nr. 53 1360 m Magerwiese. Bod en: ziemlich
trocken, tiefgriindig, leicht, humos: 43.
Ob. Bergell Nr. 57 1690 m Magerwiese. Bod en: ziemlich
trocken, tiefgriindig, leicht, humos: 4.
Ob. Bergell Nr. 69 1410 m Rieselwiese. Boden: feucht-
nass, mittelgrundig, mittelschwer, humusreich: 11.
Unt. Bergell Nr. 72 1990 m Weide. Boden: frisch, tief-
griindig, mittelschwer, humos: 5.
Unt. Bergell Nr. 76 1800 m Fichtenwald. Boden: frisch-
feucht, mittelleicht, humusreich: 2.
Cylindroiuhis generosemi* Verh.
Neu fur das Bergell.
Unt. Bergell Nr. 56 1660 m Magerwiese. Boden: feucht,
mittelgrundig, mittelschwer, humos: 5.
Unt. Bergell Nr. 66 1570 m Fichtenwald. Boden: frisch,
mittelgrundig, ziemlich schwer, humusreich: 37.
Ob. Bergell Nr. 67 1610 m Fichtenwald. Boden: wenig
frisch, flachgriindig, H.— humusreich: 1.
Unt. Bergell Nr. 70 1815 m Magerweide. Boden: frisch-
feucht, mittelgrundig, humos: 1.
Unt. Bergell Nr. 76 1800 m Fichtenwald. Boden: frisch-
feucht, mittelgrundig, mittelleicht, humusreich: 3.
Leptophyllum nanum Latzel.
(Syn.: Julus nanus Latz.)
Alpst. neu Nr. 2 1300 m Magerweide. Boden: feucht,
flachgriindig, mittelschwer, humos: 2.
Nr. 10 1450 m Felsgrasfleck. Boden: „veran-
derlich;i, flachgriindig, Humus: 2.
Nr. 16 1S55 m Grasband. Boden: ziemlich
trocken, flachgriindig, humusreich: 6.
341
Nach Rothenbiihler : im Malm eines alten Weiden-
stammes, im Laub auf Waldboden, unter Steinen, Moos
im Walde.
Schizophyllum sabulosum L.
(Syn.: Julus sabulosus L.)
Calf, neu Nr. 7 1460 m Fichtenwald. Bod en: frisch-
trocken, tiefgriindig, humos: 1.
Nach Rothenbilhler: im Berneroberland (2000 m), Jura,
"Wallis, Tessin, Engadin (im ganzen Engadin gemein);
meidet feuchte Waldbezirke. Unter Steinen zahlreich.
Julus vpec.
Ob, Bergell Nr. B9 1410 m Rieselwiese. B o d e n : feucht-
nass, mittelgrundig, humnsreich: 6.
Unt. Bergell Nr. 76 1800 m Fichtenwald. Boden: frisch-
feucht, mittelgrundig, humusreich: 3.
Chilopoden = Ma.
Fam.: Lithobid®.
Lithoblus aulacopus Latz.
Calf, neu Nr. 8 1560 m Mischwald. Boden: feucht, tief-
griindig, mittelleicht, humusreich: 6.
Rothenbiihler: im Jura (im Walde).
Li th obi us spec.
Calf Nr. 8 (vide oben): 7.
Nr. 14 1797 m Grasband. Boden: feucht-trocken,
mittelschwer, humusreich: 1.
Nr. IB 1800 m Grasband. Boden: frisch, mittel-
griindig, mittelschwer, humos: 1.
AlpsL neu Nr. 10 1450 m ^Felsgrasfleck". Boden: „ver-
anderlich*, flachgriindig. Humus (leichter): 2.
(Rothenbiihler: Lith. forficatus im Berneroberland bis
2100 m Hohe.)
342
Fam.: ScolopendridaB.
Cryptops hortensis Leach.
Ob. Bergell neu Nr. 64 1360 m Fichtenwald. Bod en:
frisch, mittelgrundig, mittelleicht, humusreich: 1.
Rothenbiihler : an alten Baumstriinken, anWaldrandern
unter Laub und Steinen.
Plateau: in leichter Erde!
Fam.: Geophilid.re.
Geophilus ferrugineus C. Koch.
Unt. Bergell neu Nr. 68 1320 m Erlenwald. Bod en: feucht-
frisch, tiefgriindig, mittelschwer, humos: 1.
Geophilus linearis C. Koch.
Ob. Bergell neu Nr. 57 1690 m Magerwiese. Bo den: ziem-
lich trocken, tiefgriindig, leicht, humos: 1.
Nach Eothenbiihler : versteckte Lebensweise: in Gar-
tenerde, in faulen Baumstriinken, im Walde unter Steinen
und in den tieferen Laubschichten.
Geophilus proximm C. Koch.
Unt Bergell neu Nr. 56 1560 m Magerwiese. B o d e n :
feucht, mittelgrundig, mittelschwer, humusreich: 1.
Geophilus pygmceus Latz.
Unt. Bergell neu Nr. 55 1555 m Magerwiese. B o d e n :
ziemlich feucht, flach-mittelgriindig, Humus: 1.
Geophilus pusillus Verh.
Alpst. neu Nr. 5 1797 m Magerweide. Bod en: frisch,
mittel-tiefgriindig, mittelleicht, humusreich: 3.
Geophilus spec.
Alpst. neu Nr. 3 1500 m Magerweide. Bod en: feucht,
flachgriindig, Humus: 1.
Nr. 9 1724 m Drosgebusch. Bod en: feucht-
trocken, tiefgriindig, locker, Humus: 1.
343
Calf, neu Nr. 8 1560 m Mischwald. Boden: feucht, tief-
grundig, mittelleicht, humusreich: 10.
Fur das Bergell neu:
Ob. Bergell Nr. 53 1360 m Magerwiese. Boden: ziemlich
trocken, tiefgrundig, leicht, humusreich: 7.
Unt Bergell Nr. 56 1560 m Magerwiese. Boden: feucht,
mittelgrundig, mittelschwer, humos: 2.
Ob. Bergell Nr. 57 1590 m Magerwiese. Boden: ziemlich
trocken, tiefgrundig, leicht, humos: 10.
Unt. Bergell Nr. 65 1500 m Fichtenwald. Boden: ziem-
lich trocken, mittelgriindig, leicht, humushaltig: 1.
Ob. Bergell Nr. 67 1610 m Fichtenwald. Boden: frisch,
flachgriindig, leicht, humusreich: 1.
Oh. Bergell Nr. 69 1390 m Erlengebiisch. Boden: feucht-
trocken, mittelgrundig, mittelleicht, humos: 11.
Unt. Bergell Nr. 70 1815 m Weide. Boden: frischfeucht,
mittelgrundig, mittelleicht, humos: 3.
Ob. Bergell Nr. 71 1980 m Weide. Boden: frisch, mittel-
griindig, leicht, humushaltig: 2.
Scolioplanes acuminatum Leach.
Calf, neu Nr. 8 1560 m Mischwald. Boden: feucht, tief-
grundig, mittelleicht, humusreich: 2.
Rothenbuhler : Jura, im Wald unter Steinen, in Bex in
alten Kastanienstrunken, in Villeneuve an feuchter Kalk-
sinterwand, im Val Triazza (Engad.) unter Steinen (2500m).
Symphila.
Fam.: Scolopendrellidae.
Scolopendrella nfcea Scopoli.
In der Schweiz bisher nicht nachgewiesen!
Unt. Bergell Nr. 76 1800 m Fichtenwald. Boden: frisch-
feucht, mittelgriindig, humusreich: 1.
344
Nach Rothenbiihler bekannt aus: Ungarn, Nieder-
osterreich, Galizien, Bdhmen, Steiermark, K&rnten.
Seolopendrella immaculata Newp.
Alpst. neu Nr. 4 1680 m Weide mit Dros. Boden: feucht,
mittelgrtindig, leicht, humos: 1.
Nr. 9 1724 m Drosgebtisch. Boden: feucht-
trocken, tiefgriindig, Humus: 1.
Calf, neu Nr. 8 1660 m Mischwald. Boden: feucht, tief-
griindig, mittelleicht, humos: 2.
Nr. 14 1797m Grasband. Boden: „schwankendu,
flachgrundig, mittelschwer, humusreich: 1.
Nr. 15 1800 m Grasband. Boden: frisch, mittel-
grundig, mittelschwer, humos: 9.
Ob. Bergell neu Nr. B3 1350 m Magerwiese. Boden:
trocken, tiefgriindig, leicht, humos: 3.
Unt. Bergell Nr. 55 1555 m Magerwiese. Boden: ziem-
lich feucht, flach-mittelgriindig, Humus: 1.
Unt. Bergell Nr. 56 1560 m Magerwiese. Boden: feucht,
mittelgrundig, mittelschwer, humusreich: 1.
Ob. Bergell Nr. 57 1590 m Magerwiese. Boden: ziemlich
trocken, tiefgrlindig, leicht, humusreich: 1.
Seolopendrella notacantha Gerv.
Neu fur alle Fundorte:
Calf. Nr. 1 1350 m Magermatte. Boden: feucht, tief-
griindig, ziemlich schwer, humushaltig: 1.
Nr. 7 1450 m Fichtenwald. Boden: feucht- trocken,
tiefgriindig, mittelschwer, humos: 1.
Alj)st. Nr. 4 1630 m Weide mit Dros. Boden: feucht,
mittelgrundig, mittelleicht, humusreich: 4.
Nr. 6 1300 m Fichtenwald. Boden: feucht, tief-
griindig, ziemlich schwer, humusreich: 2.
346
Alpst. Nr. 12 2150 m Magerweide. Boden: feucht, flach-
griindig, mittelschwer, humusreich: 4.
Fecctdl Nr. 31 1920 m Fettwiese. Boden: feucht, mittel-
griindig, leicht, humos: 1.
Fextal Nr. 39 1930 m Magerweide. Boden: ziemlich
frisch, mittelgriindig, mittelschwer, humusreich: 1.
Ob. Bergett Nr. 51 1380 m Fettwiese. Boden: „schwan-
kend", mittelgriindig, mittelschwer, humusreich: 8,
Unt. Bergell Nr. 62 1560 m Magerwiese. Boden: frisch.
tiefgriindig, mittelschwer, humos: 6.
Ob. Bergell Nr. 54 1470 m Magerwiese. Boden: frisch,
mittelgriindig, leicht, humos: 1.
Unt. Bergell Nr. 55 1655 m Magerwiese. Boden: ziem-
lich feucht, flach-mittelgriindig, Humus: 6.
Unt. Bergell Nr. 66 1560 m Magerwiese. Boden: feucht,
mittelgriindig, mittelschwer, humusreich: 7.
Ob. Bergell Nr. 64 1360 m Fichtenwald. Boden: frisch,
mittelgriindig, mittelleicht, humusreich: 14.
Unt. Bergell Nr. 65 1500 m Fichtenwald. Boden: ziem-
lich trocken, mittelgriindig, leicht, humos: 4.
Unt. Bergell Nr. 66 1570 m Fichtenwald. Boden: frisch,
mittelgriindig, ziemlich schwer, humusreich: 20.
Ob. Bergell Nr. 67 1610 m Fichtenwald. Boden: frisch-
trocken, flachgriindig, zieml. leicht, humusreich: 10.
Ob. Bergell Nr. 69 1390 m Erlengebusch. Boden: feuclit-
trocken, mittelgriindig, mittelleicht, humos: 2.
Unt. Bergell Nr. 72 1990 m Weide. Boden: frisch, tiol-
griindig, mittelschwer, humusreich: 13.
Unt. Bergell Nr. 76 1800 m Fichtenwald. Boden: frisch-
feucht, mittelgriindig, mittelleicht, humos: 3.
Unt. Bergell Nr. 77 1970 m Fichtenwald. Boden: feucht,
mittelgriindig, Humus: 1.
346
Ob. Bergdl Nr. 78 2010 m Lerchengruppe. Bod en: frisch,
tiefgrundig, mittelleicht, humusreich: 3.
Rothenbiihler fand Scolopendrella immaculata und
notacantha auf altem Schuttplatz (Bern?).
Myriapoden wurden in unsern Exkursionsgebieten
neu nachgewiesen:
Im Alpstein: Cylindroiulus nitidus, Leptophyllum na-
num, Lithobius spec, Geophilus pusillus (Nr. 5), Geophilus
spec. (Nr. 3, 9), Scolopendrella immaculata, Scolopendrella
notacantha.
Im Calfensental: Glomeris hexasticha, transalpina,
Polydesmus spec, Craspedosoma Rawlinsii, Chordeuma
nodulosum, silvestre, Cylindroiulus nitidus, Schizophyllum
sabulosum, Lithobius aulacopus (Nr. 8), Lithobius spec.
(Nr. 8, 14, 15), Geophilus spec (Nr. 8), Scolioplanes acumi-
natus, Scolopendrella immaculata, notacantha.
Im Fextal: Julus nigrofuscus, Scolopendrella nota-
cantha.
Im Bergell: Polydesmus spec, Craspedosoma Rawlinsii,
Julus nigrofuscus, Julus Zinalensis, Cylindroiulus Verhoeffi,
generosensis, Cryptops hortensis, Geophilus ferrugineus,
linearis, proximus, pygmaeus, Scolopendrella nivea, imma-
culata, notacantha.
Im Avers wurden keine Myriapoden gefunden!
C. Mollusca.
Fam.: Vitrinidae.
Vitrina diaphana Drap.
Calf, neu Nr. 8 1560 m Mischwald. Pflanzenbestand : dicht.
Ca, feucht, humusreich. N ex p.: 2.
347
Nach Am Stein: Graubiinden (Calanda ca. 2800 m).
Nach Martens: Santis, Wildhaus. Suter: am tJtliberg.
Nach Leunis: auch norddeutsche Ebene. Sehr feuchte
Orte, liebt Kalte.
Fam.: Zonitidso.
Hyalina (Euhydlina) cellar ia Mull.
Alpst. Nr. 4 1630 m Weide mit Dros. Pflanzenbestand :
locker. Ca, feucht, hamos. 0 exp.: 2.
Calf, neu Nr. 8 1560 m (vide oben): 27.
Nach Am Stein: Taminaschlucht; in Graubiinden ver-
breitet. Hochste Fundstelle Cresta bei Schuders (1100 ni).
Nach Martens: Briilltobel im Alpstein.
Sitter: Utliberg, Zurich; an feuchten Stellen; nicht
haufig.
Hyalina (Polita) radiatula Gray.
Alpst. neu Nr. 3, 1500 m Magerweide. Pflanzenbestand :
ziemlich locker; wenig Ca, feucht, Humus: 2.
Calf. Nr. 15 1800m Grasband. Pflanzenbestand: locker;
wenig Ca, frisch, humos: 2.
Nach Am Stein: Sardonagletscher, in Graubiinden
•Arosa 1800 m).
Nach Martens: Wildhaus. Nach Leunis: in den Alpen
bis 2000 m.
Hyalina (Polita J pura Aid.
Calf, neu Nr. 8 1560 m Mischwald. Pflanzenbestand: dich t
Ca feucht, humusreich: 3.
Nr. 15 1800 m Magerweide. Pflanzenbestand:
ziemlich locker, wenig Ca, feucht, Humus: 9.
Alpst. neu Nr. 16 1855 m Grasband im Wald. Pflanzen-
bestand: dicht, wenig Ca, ziemlich trocken,
humusreich: 1.
348
Bergell neu Nr. 69 1390 m Erlengebiisch. Pflanzenbestand:
locker, feucht, humusreich : 3.
Nr. 75 2260 m Weide. Pflanzenbestand: dicht,
frisch, humos: 2.
Nr. 80 2260 m Grasband. Pflanzenbestand:
locker, feucht- trocken, Humus: 1.
Nach Am Stein: in Graubiinden verbreitet, aber ver-
einzelt (nicht im Bergell).
Nach Martens: Rheintal. Sitter: Utliberg, in feuchten
Waldungen, selten.
Nach Leunis: besonders gebirgige Gegenden Deutsch-
lands, gern in feuchten Buchenwaldern.
Hyalina spec?
Calf. Nr. 1 1350 m Magermatte. Pflanzenbestand : locker,
feucht, humushaltig, wenig Ca: 1 juv.
Alpst. Nr. 9 1724 m Drosgebusch. Pflanzenbestand : locker,
feucht-trocken, Humus: 1 juv.
Bergell Nr.69 1390 m Erlengebiisch (siehe H. pura) : 1 Brs.
Nr. 70 1815 m Weide. Pflanzenbestand: ziemlich
locker, frisch, humos: 1 juv.
Fam. : P u p i d as.
Papa (Torquilla) secale Drap.
var. gracilior Kregl.
Alpst. Nr. 10 1450 m Felsgrasband. Pflanzenbestand : dicht,
feucht-trocken. Humus : 3.
var. minor Kregl.
Alpst. Nr. 10: 1.
Forma P. secale: nach Am Stein: in Graubiinden, Ragaz.
Nach Martens: in der ganzen Schweiz; im 6stlichen
Alpstein, Wildhaus.
Suter: in der Anschwemmung eines Wildbachs und
auf dem "Utliberg.
349
Pupa (Torquilla) avemcea Brug.
var. hordeum Stud.
Alpst. neu Nr. 10 1450 m (siehe oben): 1.
Nr. 16 1865m Grasband. Pflanzenbestand: dicht,
trocken, humusreich: 3.
Calf, neu Nr. 14 1797 m Grasband. Pflanzenbestand: ver-
einzelt, trocken-feucht, humusreich: 6.
Nach Am Stein: Chur und Malans, selte/i. Suter: auf
dem Utliberg.
Nach Martens: Murg, Pfafers (fonna P. avenacea:
ostlicher Alpstein, Wildhaus.
Pupa (Pupilla) trfplicata Stud.
Alpst. neu Nr. 10 1460m (siehe oben): 1.
Nach Am Stein: verschiedene Pundorte in Graubunden.
Pupa (Pupilla) muscorum L.
Alpst. Nr. 12 2150m Magerweide. Pflanzenbestand: locker,
feucht, humusreich: 1.
Nach Am Stein: in Graubunden viele Fundorte.
Nach Martens: in der ganzen Schweiz, Nordostfuss
des Santis, Wildhaus, Schlucht von Pfafers. Suter: Gras-
abhange beim Schanzengraben Zurich.
Pupa (Alcea) substriata Jeffr.
Calf, neu Nr. 8 1560 m Mischwald. Pflanzenbestand: dicht,
feucht, Humus, Ca, N exp.: 1.
Nach Martens: Wildhaus. Nach Leunis: in Deutschland
nor wenige Fundstellen.
Pupa (Akea) pygnuea Drap.
Calf, neu Nr. 7 1450 m Fichtenwald. Pflanzenbestand: 0,
feucht-trocken, Humus: 2.
Nach Am Stein: in Graubunden verschiedene Fund-
orte. Nach Martens: St. Gallen.
860
Nach Suter: am Utliberg in faulendem Holz. Nach
Leunis: in den Alpen bis fast 2000 m.
Pupa (Alcea) eumicra Bourg.
Ob. Bergett nea Nr. 53 1350 m Magerwiese. Pflanzenbe-
8tand: dicht, trocken, humos: 1.
Nach Am Stein: St. Moritz, nicht haufig.
Pupa (hthmia) opisthodon Reinh.
Calf, neu Nr. 14 1797 m Grasband, Pflanzenbestand :
vereinzelt, feucht-trocken, humusreich: 4.
Pupa (Edentula) edentulina Bourg.
Alpst. Nr. 12 2160 m Magerweide. Pflanzenbestand: looker,
feucht, humusreich: 6.
Avers neu Nr. 26 2410 m Magerweide. Pflanzenbestand :
locker, feucht, humusreich: 1.
Nach Am Stein: in Graubiinden (aber nicht im Hinter-
rheingebiet).
Nach Martens: Weissbad, St. Gallen, Rheintal. Suter:
Ziirichberg, selten (Hygromia edentula).
Clausilia (Pirostoma) parvula Stud.
var. minor Schmidt.
Alpst. neu Nr. 10 1450 m Felsband. Pflanzenbestand:
dicht, feucht-trocken, Humus, Ca: 24.
Calf, neu Nr. 14 1797 m Grasband. Pflanzenbestand: ver-
einz.elt, feucht-trocken, humusreich: 1. •
Suter: Ztirich-Utliberg haufig, an Mauern.
Forma Clausilia parvula : nach Martens: Schloss Appen-
zell, St. Gallen, Wildhaus, Nordostfuss des Santis, Schlucht
von Pfafers. Nach Am Stein: in Graubiinden.
Nach Leunis : deutsche Gebirgsgegenden an Kalkfelsen.
Clausilia (Pirostoma) plicatula Drap.
Calf, neu Nr. 7 1450 m Fichtenwald. Pflanzenbestand:
0, feucht, Humus: 1.
351
Nach Am Stein: in Graubiinden ziemlich haufig.
Nach Martens: Nordostfuss des Santis, Schwendi,
Walzenhausen, St.Gallen, Wildhaus, Dorf Pfafers, Tamina-
schlucht. Suter: in Laubholzwaldungen gemein.
Clausilia spec?
Alpst Nr. 10 : 6 juv.
Calf Nr 14 (8^e^e Clausilia parvula) m +
Clausilia spec, et Pupa spec.
Alpst. Nr. 12 2150 m Magerweide.
Fam.: Stenopyridae.
Zua (Chnella) lubrim Mull var. minima Siemaschko.
Calf, neu Nr. 1 1350 m Magermatte. Pflanzenbestand:
locker, feucht, humushaltig : 1.
Nr. 14 1797 m Grasband. Pflanzenbestand: ver-
einzelt, feucht-trocken, humusreich: 4.
Nr. 16 1800 m Grasband. Pflanzenbestand:
locker, frisch, Humus: 4.
Alpst. neu Nr. 3 1500 m Magerweide. Pflanzenbestand :
ziemlich locker, feucht, Humus, Ca: 1 juv.
Nr. 16 1855m Grasband. Pflanzenbestand: sehr
dicht} trocken, humusreich, Ca: 1.
0b. Bergell Nr. 63 1360 m Magerwiese. Pflanzenbestand:
sehr dicht, trocken, humusreich: 1.
Nr. 57 1690 m Magerwiese. Pflanzenbestand :
dicht, trocken, humusreich: 1.
Nr. 58 1380 m Rieselwiese. Pflanzenbestand :
dicht, feuchtnass. Humus: 1.
Unt. Bergell Nr. 70 1815m Weide. Pflanzenbestand: ziem-
lich locker, frisch, humusreich: 1.
0b. Bergell Nr. 71 1980 m Weide. Pflanzenbestand: sehr
dicht, frisch, humos: 1.
/
352
Ob. Bei-gell Nr. 75 2260 m Weide. Pflanzenbestand: dicht,
frisch, Humus: 5.
Nr. 80 2250 m Grasband. Pflanzenbestand:
locker, frisch-trocken, Humus: 1 Brs.
Nach Am Stein: in Graubiinden sehr verbreitet bis
hoch in die Berge. Nach Martens: ostl. Alp., Wildhaus,
Dorf Pfafers.
Fam.: Arionidae.
Avion hortensis F£r.
Calf, neu Nr. 1 1350 m Magerwiese. Pflanzenbestand:
locker, feucht, humushaltig, Ca: 1 juv.
Nr. 8 1560m Mischwald. Pflanzenbestand: sehr
dicht, feucht, humusreich, Ca: 2.
Alpst. Nr. 6 1300 m Fichtenwald. Pflanzenbestand : ver-
einzelt, feucht, Humus, Ca: 5.
Nach Am Stein: Zizers, St. Moritz, Maloja, Bergell
(bis ca. 1800 m).
Sitter: Zurich und Umgebung in Garten und Ackern,
nicht haufig.
Fam.: Helicidae.
Helix (Patula) rupestris Drap.
Alpst. Nr. 10 1450m Felsgrasfleck. Pflanzenbestand: dicht,
feucht-trocken, Humus, Ca: 18.
Calf, neu Nr. 14 1797 m Grasband. Pflanzenbestand: ver-
einzelt, feucht-trocken, humusreich: 1.
Nach Am Stein: in Graubiinden, im Bergell haufig,
auf dem Calanda.
Nach Martens: Schwendi, Weissbad, Schlucht von
Pfafers und an andern Orten.
Suter: an Nagelfluhfelsen des Utliberg (Punctum ru-
pestris Drap.).
353
Nach Leunis: in Ca-gebirgen Suddeutschlands ; am
Fusee von Kalkfelsen, bei Regen an diesen aufsteigend.
Helix (Triodopsis) personata Lam.
Calf, neu Nr. 8 1660 m Mischwald. Pflanzenbestand : sehr
dicht, feucht, humusreich, Ca: 2.
Nach Am Stein: Graubiinden, Ragaz, Pirminsberg.
Nach Martens: an Felsen uber dem Seealpsee (Alpst.),
Rheineck, Wildhaus, Pfafers.
Helix (Fruticicola) sericea Drap.
Alpst Nr. 3 1500 m Magerweide. Pflanzenbestand: ziem-
lich locker, feucht, Humus: 1.
Calf. Nr. 8 1660 m Mischwald. Pflanzenbestand : sehr
dicht, feucht, humusreich, Ca: 2.
Nr. 14 1797 m Grasband. Pflanzenbestand : verein-
zelt, feucht-trocken, humusreich: 5.
Nr..l5 1800m Grasband. Pflanzenbestand: locker,
frisch, humusreich, Ca: 1 juv.
Alpst. Nr. 16 1856 m Grasband. Pflanzenbestand: sehr
dicht, trocken, humusreich, Ca: 3.
Unt. Bergell neu Nr. 75 1800 m Fichtenwald. Pflanzen-
bestand: dicht, frisch, humusreich: 1.
Nach Am Stein: am Sardonaglotscher, haufig in Grau-
bunden (nicht im Bergell). Nach Martens: Schloss Appen-
zell, Nordostfuss des Santis, Wildhaus, St. Gallen, Arbon.
Nach Mousson: an der Churfirsten- und Santiskette. Suter:
an der Albiskette bis Egelsee an Stengelpflanzen und
niederem Gestrauch, Zurichberg seltener. Nach Leunis:
in Deutschland besonders Gebirgsgegenden.
Helix (Fruticicola) villosa Drap.
Alyst. Nr. 4 1630 m Weide mit Dros. Pflanzenbestand :
locker, feucht, humusreich, Ca: 1 juv.
23
354
TSach Am Stein: in Graubunden, Ragaz, Pfafers. Nach
Oeyer: Gloggeren im Alpstein. Nach Martens: Nordost-
fuss des Santis, Schwendi, Weissbad, Wildhaus, Seealp
und noch hoher. Suter: in alien Laubholzwaldungen haufig.
Helix (Arionta) arbustorum L.
Alpst. Nr. 6. 1300 m Fichtenwald. Pflanzenbestand : ver-
einzelt, feucht, Humus, Ca: 1 juv.
Calf, neu Nr. 1 1360 m Magermatte. Pflanzenbestand:
locker, feucht, humushaltig, Ca: 2.
Nr. 8 1560m Mischwald. Pflanzenbestand: sehr dicht,
feucht, Humus, Ca: 2 juv.
Ob. Bergell Nr. 75 2250 m Weide. Pflanzenbestand : dicht,
frisch, Humus: 1 Brs.
Nach Am Stein: Pfafers, Weisstannental, Avers-Cresta,
Maloja, Bergell (am Fuss des Septimer, Vicosoprano) bis
2400 m. Nach Martens: Schloss Appenzell, Schwendi, See-
alp und noch hoher. Ulrich : am Santis an feuchten Stellen
mit Moos (var. alpicola Fer.). Nach Leunis: besonders
haufig in hohern Gebirgen bis 2300 m.
Helix (Acanthimda) aculeata Mull.
Calf, neu Nr. 8 1660 m Mischwald. Pflanzenbestand: sehr
dicht, feucht, humusreich, Ca: 1.
Nach Am Stein: Zizers, im Malm kleiner Felsbander,
selten. Nach Leunis: in ganz Deutschland, aber selten,
in feuchten Waldungen.
Helix (Vallonia) pulchella Mull.
Alpst. Nr. 3 1500 m Magerweide. Pflanzenbestand: ziem-
lich locker, feucht, Humus: 3.
Calf, neu Nr. 14 1797 m Grasband. Pflanzenbestand: ver-
einzelt, feucht-trocken, humusreich: 15.
Nr. 15 1800 m Grasband. Pflanzenbestand: locker,
feucht-trocken, humusreich: 5.
356
Unt Bergell Nr. 52 1660 m Magerwiese. Pflanzenbestand :
sehr dicht, frisch, humos: 1.
Ob. Bergell Nr. 63 1360 m Magerwiese. Pflanzenbestand :
sehr dicht, trocken, humos: 1.
Unt Bergell Nr. 70 1815 m Weide. Pflanzenbestand: ziem-
lich locker, frisch, humusreich: 2.
Nach Am Stein: in Graubunden (aber nicht im Bergell).
Nach Martens: ;,Ende der Welta im Alpstein.
Helix 8})ec?
Calf. Nr. 15 1800 m (siehe H. pulchella) : 2.
Bergell Nr. 57 1590 m Magerwiese. Pflanzenbestand: dicht,
trocken, humusreich: 1.
Nr. 68 1380 m Eieselwiese. • Pflanzenbestand : dicht,
feucht-nass, Humus: 1.
Nr. 80 2260 m Grasband. Pflanzenbestand : locker,
feucht- trocken, Humus: 1.
Fam.: AuriculidaB.
Carychium minimum Mull.
Calf, neu Nr. 8 1560 m Mischwald. Pflanzenbestand: sehr
dicht, feucht, Humus, Ca: 4.
Nach Am Stein: hochster Fundort in Graubunden:
Maloja 1800 m an Graswurzeln. Suter: bei Zurich: iiber-
all auf Mauern, Hecken, Gras, meist mit Vallonia. Nach
Martens: Wildhaus, Rheineck.
Fam.: AciculidaB.
Acme (Acicula) polita Hartm.
Calf neu Nr. 8 (siehe oben).
Nach Martens: Staad. Suter: am Fusse des Utliberges,
sehr selten.
Wir haben in unsern Exkursionsgebieten gefunden,
zum Teil neu:
r
356
Im Alpstein: Hyalina cellaria, radiatula, pura, Pupa
secale var. gracilior und minor, P. avenacea var. hordeum,
P. triplicata, musoorum, Clausilia parvula var. minor, Zua
lubrica var. minima, Arion hortensis, Helix (Patula) ru-
pestris, H. sericea, villosa, arbustorum, pulchella.
Im CcUfeusental: Vitrina diaphana, Hyalina cellaria,
radiatula, pura, Pupa avenacea var. hordeum, P. substriata,
pygmaBa, opisthodon, Clausilia parvula var. minor, Clau-
silia plicatula, Zua lubrica var. minima, Arion hortensis,
Helix (Patula) rupestris, person ata, sericea, arbustorum,
aculeata, pulchella, Carychium minimum, Acme polita.
Im Avers: Pupa edentula.
Im Bergell: Hyalina pura, Pupa eumicra, Zua lubrica
var. minima, Helix sericea, arbustorum, pulchella.
Die Untersuchungen im Feoctal ergaben keine Mollusken-
funde mit Ausnahme von Pupa (spec, nova? Stoll) in Nr. 31.
D. Collembola.
Fam.: Entomobryidae.
Isotoma quadrioculata Tullb.
Calf. Nr. 13 2090 m Arven (Fichtengruppe). Pflanzen-
bestand: 0; feucht, mittelleicht, humos: 1.
Ob. Bergell Nr. 53 1350 m Magerwiese. Pflanzenbestand :
dicht; ziemlich trocken, leicht. humos: 5.
Carl*): if. (1400 m) an feuchten Stellen unter abge-
fallenen Asten.
Isotoma f met aria Tullb.
Ob. Bergell Nr. 63 1360 m Fichtenwald. Pflanzenbestand:
vereinzelt; frisch, Humus: 3.
*)Hieru. f.: Fundortc (hochste) nach Carl (Lit. 13) *4. = Alpen,
M. -- Mittelland, J. --^ Jura der Schweiz.
357
A. M. Einmal auf dem Gurten unter der Rinde eines
Baumstrunkes ; haufig unter Blum en top fen.
teotoma tigrina (Nic.) Tullb.
Avers Nr. 27 2584 m Magerweide. Pflanzenbestand : dicht;
feucht, Humus: 2.
Fextal Nr. 43 2060 m Magerweide. Pflanzenbestand: dicht;
frisch, mittelschwer. humusreich: 1.
A, J. M. (1400 m) auf Holzbank, im Zimmer unter
Blumentopfen.
Isotottia palustris Mttll.
var. pallida Sch&ffer.
Fextal Nr. 49 2694 m Magerweide. Pflanzenbestand: ziem-
lich locker; frisch, leicht, humusreich: 1.
Unt. Bergell Nr. 61 1320 m Waldweide. Pflanzenbestand:
vereinzelt; feucht, leicht, humushaltig: 3.
Carl: forma principalis: Fettan, Unt.-Engad. (1600m).
Isotoma virklfo Bourl.
Hauptform.
Alpst. Nr. 3 1500 m Magerweide. Pflanzenbestand: ziem-
lich locker; feucht, Humus: 10.
Fextal Nr. 33 1950 m Fettwiese. Pflanzenbestand: dicht;
frischfeucht, mittelschwer, humushaltig: 20.
Fextal Nr. 34 1965 m Fettwiese. Pflanzenbestand: ziem-
lich locker; frisch, mittelschwer, humusreich: 9.
Fextal Nr. 35 1970 m Fettwiese. Pflanzenbestand: dicht;
frisch, mittelleicht, humos: 1.
0b. Bergell Nr. 63 1350 m Magerwiese. Pflanzenbestand :
sehr dicht; ziemlich trocken, leicht, humos: 10.
Unt. Bergell Nr. 70 1875 m Weide. Pflanzenbestand : ziem-
lich locker; frischfeucht, mittelleicht, humos: 3.
A. M. (1600 m) auf schmelzendem Schnee (Marz,
368
April), unter Holzstiicken im Walde, auf feuchten Wiesen
unter allerlei Gegenstanden.
Isotoma cinerea (Xic.) BSrner.
Avers Nr. 26 2390 m Magerweide. Pflanzenbestand : ziem-
lich locker; feucht, mittelschwer, humusreich : 1.
J. M. Auf dem Gurten unter morscher Rinde. Im
M. nicht haufig. Bisher im Engadin nicht! Nicolet reichl.
Fund unter Baumrinde im Jura.
Isotoma sensibilis Tullb.
Alpst. Nr. 10 1460m „Felsflecka. Pflanzenbestand: dicht;
feucht-trocken, Humus: 1.
Nr. 11 2080 m Magerweide. Pflanzenbestand: ziem-
lich locker; feucht, mittelschwer, humusreich :. 3.
Ob. Bergell Nr. 84 2400 m Magerweide. Pflanzenbestand :
dicht; frisch, mittelschwer, humusreich: 1.
Isotoma jxilliceps Uzel.
Alpst. Nr. 11 2080 m Magerweide. Pflanzenbestand: ziem-
lich locker; feucht, mittelschwer, humusreich: 3.
Neu fur die Schweiz (Carl).
Isotoma spec. (?)
Alpst. Nr. 9 1724 m Drosgebusch.
Orchesella rufescens Lubb. (Wulf).
var. pallida Reuter.
Alpst. Nr. 11 2080 m (vide Isotoma palliceps): 1.
A. M. (1600 m) im Berner Mittelland (Walder) ge-
mein, auch auf Teichen. Im Engadin (1600 m) sehr haufig
am Boden, unter Rindenstucken.
Orchesella alt kola Uzel.
Farbenvarietat.
Ob. Bergell Nr. 68 1380 m Rieselwiese. Pflanzenbestand :
dicht; feuchtnass, Humus: 3.
A. (1300 m) Engadin unter Fohrenrinde und stag-
nierendem Wasser.
359
Orchesella sjtec.
Ob. Bergell Nr. 69 1390 m Erlengebusch. Pflanzenbestand:
locker; feucht-trocken, mittelschwer, humos: 1.
Entomobrya nivalis L.
Calf. Nr. 13 2090 m Arven (Fichten). Pflanzenbestand:
0; feucht, mittelleicht, humusreich: 1.
A. Im Engadin sehr haufig, auf Schnee und unter
Rinde.
Entomobrya lanuginosa Xic.
Alpst. Nr. 11 2080m Magerweide. Pflanzenbestand: ziem-
lich locker; feucht, mittelschwer, humos: 10.
J. M. (Bern), im Jura gemein.
Lepidocyrtus fucatus Uzel.
Alpst. Nr. 6 1300 m Fichten wald. Pflanzenbestand: ver-
einzelt; feucht, schwer, humos: 2.
Nr. 17 2465 m Grasband. Pflanzenbestand: sehr dicht;
• trocken, leicht, humos: 1.
Festal Nr. 43 2060 m Magerweide. Pflanzenbestand: dicht;
frisch, mittelschwer, humos: 1.
A. M. Im Unter-Engadin ■: 1600 m) zahlreich in Fels-
spalten in schattigen Schluchten. Auf feuchten Wiesen
unter Holzstiicken, Steinplatten ; unter Blumentopfen.
Lepirtocyrtw* lannyinoxus Nic.
Ob. Bergell Nr. 78 2010 m Lerchengruppe. Pflanzenbestand :
locker; frisch, mittelleicht, humusreich: 2.
A. M. Nicht haufig. Im Engadin, bei Chur, amGurten,
in Gewachshausern.
Lepidocyrtus cyaneus Tullb.
Avers Nr. 22 2140 m Streuwiese. Pflanzenbestand: dicht:
nasskalt, schwer, humos: 1.
Nr. 28 2700 m Magerweide. Pflanzenbestand : ziem-
lich locker; frisch, mittelschwer, humos: 1.
360
Avers Nr. 30 2700 m G-rasfleck. Pflanzenbestand : ziem-
lich looker; trocken, leicht, humos: 1.
A. M. (1700 m) Engadin an sonnigen Hangen (April\
bei Bern an alten Baumstammen, im Weidenmulm und
unter Moos.
Sira spec.
Alpst. Nr. 2 1300 m Magerweide. Pflanzenbestand: ziem-
lich locker; feucht, mittelschwer, humos: 1.
(Bis 1600 m.)
Tomocerus tridentiferus Tullb.
(Podura minor Lubb.)
Alpst. Nr. 3 1500 m Magerweide. Pflanzenbestand: ziern-
lich locker; feucht. Humus: 1.
Nr. 6 1300 m Wald. Pflanzenbestand: vereinzelt;
feucht, schwer, humusreich: 8.
Ob. Bergell Nr. 63 1360 m Fichtenwald. Pflanzenbestand :
vereinzelt: frisch, Humus (leicht): 1.
A. M. (1800 m). Im Engadin auf der rechten, be-
waldeten Seite bis 1800 m besonders im Herbst zahl-
reich, auf der linken Seite seltener. Sehr gemein, unter
Steinen, Brettern, Laub.
Tomocerus nor. spec. (J. Carl).
Alpst. Nr. 4 1630 m Weide mit Dros. Pflanzenbestand:
locker : feucht, mittelschwer, humusreich : 1 Ex. defect.
Fam.: Sminthurida?.
Sniinthurus fusciis (L) Lubb.
Forma principalis.
Alpst. Nr. 6 1300 m Fichtenwald. Pflanzenbestand: ver-
einzelt; feucht. schwer, humos: 1.
,/. M. Zahlreich im Berner Mittelland, im Nadelwald
an Baumstriinken.
361
Sminthurus viridis (L) Lubb.
Forma principalis.
Fextal Nr. 35 1970 m Fettwiese. Pflanzenbestand: dicht;
frisch, mittelschwer, humushaltig : 1.
A. J. M. In der ganzen Schweiz verbreitet.
Sminthurus aureus Lubb.
Forma principalis.
Alpst. Nr. 5 1797 m Magerweide. Pflanzenbestand: dicht;
frisch, mittelleicht, humos: 1.
M. von Carl 1 Exemplar bei Bern an einem Baum-
stamme.
Sminthurus luteus Lubb.
Forma principalis.
Alpst Nr. 4 1630 m Weide mit Dros. Pflanzenbestand:
locker; feucht, mittelleicht, humusreich: 2.
Avers Nr. 19 2145 m Wiese. Pflanzenbestand : ziemlich
locker; feucht, mittelschwer, humusreich: 2.
Nr. 23 2130 m Weide. Pflanzenbestand: ziemlich
locker; frisch, mittelschwer, humos: 1.
Nr. 28 2700 m Magerweide. Pflanzenbestand: ziem-
lich locker; frisch, mittelschwer, humos: 6.
Nr. 29 2700 m Grasfleck. Pflanzenbestand : ziemlich
locker; trocken, mittelleicht, humos: 1.
Unt. Bergdl Nr. 61 1320 m Wald weide. Pflanzenbestand:
vereinzelt; frischfeucht, leicht, humushaltig: 1.
A. M. (2340 m) sehr haufig auf Sumpfwiesen und im
Walde bei Bern; auch botan. Garten und bei Langnau
und Schaffhausen.
Sminthurus luteus, var. pruinosus Tullb.
Alpst. Nr. 9 1724m Drosgebusch. Pflanzenbestand: locker;
feucht- trocken, Humus: 1.
Avers Nr. 28 2700 m Magerweide. Pflanzenbestand: ziem-
lich locker; frisch, mittelschwer, humos: 2.
362
A. M. (2340 m). Kanton Bern und Engadin. Ober-
flache von stagnierendem Wasser, unter Steinen.
Neuer Apterygoten-Typm*)? (J '. Carl).
Alpst. Nr. 16 1855 m Grasband. Pflanzenbestand : sehr
dicht; trocken, mittelschwer, humusreich: 1.
Eine Zusammenfassung der Ergebnisse fiber Collem-
bolidenergibt: 1 neuer Apterygotentypus(?), eine neueTomo-
cerusart und neu fur die Schweiz : Isotoma palliceps Uzel.
Fur unsere Exkursionsgebiete wurden (samtliche neu!)
folgende Arten festgestellt :
Im Alpstein: Isotoma viridis Hauptform. I. sensibilis,
I. palliceps, Orchesella rufescens var. pallida, Entomobrya
lanuginosa, Lepidocyrtus fucatus, Sira spec, Tomocerus
tridentiferus, T. no v. spec, Sminthurus fuscus, Sm. aureus,
Sm. luteus (Hauptform) und var. pruinosus, neuer Aptery-
gotentypus (?).
Im Calfeusen: Isotoma quadrioculata, Entomobrya
multifaBciata.
Im Avers: Isotoma cinerea, Lepidocyrtus cyaneus, I.
tigrina, Sminthurus luteus (Hauptform und var. pruinosus).
Im Fextal: Isotoma tigrina, I. palustris var. pallida,
I. viridis, Lepidocyrtus fucatus, Sminthurus viridis.
Im Bergell: Isotoma quadrioculata, I. fimetaria, I. palu-
stris var. pallida, I. viridis, I. sensibilis, Orchesella alticola,
Lepidocyrtus lanuginosus, Tomocerus tridentiferus, Smin-
thurus luteus.
*) Herr Dr. Carl wiinscht zur Beschreibung dieser „bizarren
Formki abzuwarten, ob es meinen Xachforschungen event, gelingen
wird, eine grdssere Anzahl von Individuen zu finden.
363
VI. a) Zusammenstellune: der statistischen Resultate.
A. Alpstein-Calieusental.1)
| Standort
N E i L
M.
M*
Bw G C
l
A
1 Hihi ImtMi
Ir.
1 3
i *
1
10 66 4
—
1 16 o , — , —
i 1
2
3
7
5
9 40 | 5
2
_
10 |
7
— | 98 ?+«)[ 1 | 20
1 j 51 7 11 ' 30
5 87 4 3 47
3 31 — + 1 1 17
i I
51 179 2
30 115 ' 15
i
41 655 32
1300— 1
Will
6
7
8
9
67 344 41
i
2
&3
_
- j
2 ' 77 6 | 12
64 1
2 45 3
6 53 8
--' Y\ -
1
27
2
IB — i —
17 '
208 74 — 12
70 1 1 ! 2 ' 2 ;
m. i
a.
10
11
12
2 \ '
28 1 461 1 4
2
2 ! 8 ' 54 j 1 , 1 I
- 67 ' - 15 1 25 !
1 l_ J_
4 1 120 , 8 | — | 20 '
1
c 1 -
■ 1
12 ' 376 16
i
8 5
00 | *
13
— 22 —
— 1 44 1 - 2(1B?)| 15
: 1 1
§ j!
■ - 1 -
•o Z\""u~
01 1
14
3 2 —
3 | 5 1
i
i
1
2 ' 24 1 37 ! — ! 4 .
; 1 '
10 • 31 | 23 J - j 3 i
— 7 8,115'
— 2 j — ' 1 . 1
i • ;
15
16
17
-T10! -
7
...
18
3 ' 4 , -
i
~ i — i _
_ 1
l) Pro Vi« in*. 2) + jedoch „Eier":
364
B. Avers.
Standori
L
Mi
Mi
C
A
Hibfl
imtlon w'
N
E
Bw
G
s
i
19
so
35
105
2
169 -+
2
17
120
740
7
—
1
20
-+
—
12
2i
260
127
10
r
64
22
90
100
ll -
—
6
-+
1
3
a
m
15
38
—
—
—
11
—
1
12
i
24
1
3
—
—
—
12
—
—
8
s
8
8
> -I
1p
25
26
70
280
—
—
11
8
1
25
6
14
!
i
—
12
* '27
1
1 28
o
47
1
-•
26
i
2
100
9 U+
1
9
14
g 29
15
15
:
-
— 1 16 v
3
6
*
1
30
74
68
—
- I 42 | -
22
365
c.
Fextal
StsunUrt
N
£
L
Mi Mi
Bw
G
p
*
^ Fir-
■ ntiu
lr.
u «
1
31
:w
18
—
-i »
10
1
- 2
i
3S
33
:u;
1
11
—
—
2
—
._
2
i
33
GO
1220
—
—
127
— +
20
50
*
34
35
36
37
70
90
5
30
900
290
3
13
—
—
197
9
S3
—
—
33
28
5
-
— f
2
20
:
58
—
2
—
-+
:
6 1
11
-
)
:
)
27
—
—
—
38
39
40
41
50
r>30
18 1
-
177
—
-
8 :
4 1
*
36
4
135
_ 1
i
!3
_
2
"
15
-+
V
£
3
4
1
182
_
'i
42
43
4
15
48
-
.3
2
i i
9
—
—
2
44
45
30
4f>
7
-4
l i ifl i
mi
--
1 if
15
20
32
_ — . -
2
7
4
2
z
46
13
—
r.L13!
E
o
0
it
47
24
L
3
15
50
i
176
"
i
-
i
3
1
2
48
h-I-
1
49
_
366
D.
BergeU
Standort
N
E
L
Mi
M>
Bw
6
C
A
HBIl
For-
HltiM
Ir.
a
o
o
GO
(N
1
O
o
00
T-l
i
i
00
50
—
—
1
4
—
—
51
24
—
•
23
-+
1
3
15 1
6
5 |
52
35
700
15
?
5
126
1
2
53
54
55
"56
3
2
1 i 43
10
55
4 15
3
14
1
—
1
4
—
1
6
43
7 13
8
38
j
10
5
45
44
6
15
11
34
— h
—
2
1
4 i
57
13
26
415
1 1 4
4 1 —
5 | 18
12
26
70
2
2
—
58
3
8 ;
17
59
—
56 j— +
10
9
S
60
61
62
—
—
»:-
"
4
—
—
—
15
15
155
17 ; —
—
39
— H 4
86
3
2
—
18
—
1
14
2
63
3
4
2 -
30
5
20
10 ! —
4
—
64
65
66
42
3
6
66
24
—
—
22
12
90
—
60
24
57
-! 6
6
7
-+
11 1
67
68
69
5
22
—
1
11
1
13
133
—
—
9
1
18
5
3
2
10 1 -
—
8
290
7
42
4
1
12
367
D.
Bergell
| Standort
1
i
a 1 n
1
A 1
' Httl Bitten
lr.
N
t
L
Mi i M«
!
Bw G
1
c
i
70
103
1108
11
1 4 129
4
3
30 !
1
;
71
— 1 56 8
2
2
15
1 —
5
1 :' O
72
20
12
—
5
13
8
-+, -
9
i
4>
73
20
276
-
—
—
16
-
8!
1
IE'
74
- 1 8
1
—
—
—
8
—
8
*!
0— 230C
75
18
70
5
3
—
20
9
—
— i
17 1
76
6
36
2
9
4
25
— 5 '
1 i
1 o
i 00 '
77
36
30
308
1
2
1
3
17
49
-+
-+
— 1 29 '
j i
78
58 ' 1
2
6!
i
79
—
51 ' -
—
—
2
— f : -
io i
i
a
&
80
18
91
1
— ' 18
i
4 —
22 1
i —
a
81
1
2
- ! - 1 i\-\-
Is'
82
6 j 140
—
— —
8
-!-■»!
'8 ■.
83
— i — ' 1
-1 "
1
i
-+l -
1
1
5 i
'& i
84
44 23 ' — - - 9 i -
2
I
6 ,
18
£
i
85
24 1 158
-*-,-! 4 ~
1
- 1 3!
§
86
1 ■' 3 1 ! — 1 — ' 1 — 1 — ' 21
II'1 l
368
b) Ergebnisse nach den statistischen Resultaten,
nach Beobacktungen and Versuchen.
In den folgenden Betrachtungen fiber die Beziehungen
der Bodenfauna zum Standort untersuchen wir, gestiitzt
auf unsere statistischen Erhebungen und auf anderweitige
Beobachtungen, zunachst die Ergebnisse far jede einzelne
Tiergruppe, beziehungsweise fiir die Arten innerhalb der-
selben. Durch Vergleichungen werden wir dann das Ver-
halten der Bodenfauna insgesamt und die gegenseitigen
Beziehungen der verschiedenen Tierformen festzustellen
euchen.
Nematoden.
Friihere Erhebungen iiber ihr quantitatives Vorkom-
men im Boden sind uns keine bekannt.
Die absoluten Zahlen unserer Untersuchungsergebnisse
diirfen am allerwenigsten fur diese Gruppe der Boden-
fauna schablonenhaft aufgefasst werden; wenn auch nur
die von Auge oder mit der Lupe erkennbaren Individuen
in Betracht gezogen werden, ist es doch fast unmoglich,
bei der durchschnittlich sehr geringen Grosse alle zu
sammeln und zu beobachten.
Die Schwierigkeiten, die einer erschopfenden Durch-
suchung entgegentreten, machen sich aber uberall in fast
gleichem Masse geltend, so dass eine Vergleichung der
Ergebnisse doch ein zutretfendes Bild der tatsachlichen
Verhaltnisse geben wird. Aktive Veranderungen ihres
Standortes finden gerade der kloinen Grosse der Individuen
und ihrer geringen Wanderungsfahigkeit wegen in ganz
geringem Masse statt.
Die Nematoden bilden einen, zwar nach Quantum
und Zahl verhaltnismassig kleinen, aber fast uberall ver-
369
tretenen Bestandteil der Bodenfauna der untersuchten Ge-
biete. Nur in 14 von im ganzen 86 Proben fehiten sie
ganz: in 38 Proben finden sie sich aber nur in kleiner
Anzahl, 1 bis 15 Stiick; in 31 Proben finden sich 1G bis
90, in 3 Proben iiber 100 bis 260 Individuen.
Die weitaus am zahlreichsten vorkommenden kleinen
and mittelgrosson, bis 20 mm langen Bodennematoden
fanden wir meistens in der obersten, „humosenu Schicht,
in der Wurzelregion, von 2 bis ca. 10 cm Tiefe, bei vor-
handener diinner Humusschicht oft unmittelbar unter
dieser; die grossen Formen — Individuen oder Arten? —
von 2 — 14 cm und mehr Lange waren fast ausschliesslich
in grosseren Tiefen, bis 30 — 40 cm unter der Oberflache
und dann vornehmlich in feuchten oder nasskalten Schichten.
Ein charakteristisches Beispiel ist Nr. 25.
Ans dem Verhalten an unsern Probestandorten scheint
hervorzugehen, dass den Bodennematoden vor allem trockene
oder im Feuchtigkeitsgehalte stark schwankende Boden
schlecht behagon, also die staubigen, iilzigen Humusboden
and Humusschichten, dann audi die sand-, grus- und stein-
reichen Bodenarten. Diese, wie audi feuchte, schwere,
na3skalte Tonboden und im allgemeinen audi den feuchten
Waldhumus meiden sie entweder ganz oder sie finden sich
an solchen Standorten nur in kleiuer Zahl vor.
Am besten zusagend sind frische und feuchte, humoso,
wurzelreiche Lehm- und Mergelboden, audi mergelige
Humusboden, die verhaltnismassig geringe Feuchtigkeits-
schwankungen zeigen. Ausnahmen liievon — geringe An-
zahl bei giinstigen Boden vorhaltnissen, wie bei Nr. 40, 41,
43? 86 — scheinen durch besonders rauhe, kalte Lage be-
dingt zu sein.
Der Pflanzenbestand hat, ausgenommen durch Eut-
24
370
wicklung eines reichen Wurzelwerkes, keinen merklichen
Einfluss auf die Nematodenfauna, als Ganzes betrachtet,
ebensowenig die Gesamtmachtigkeit des Bodens. Nach
der H5henlage, nach Exposition und Neigung, nach der
chemisch-mineralogischen Zusammensetzung des Bodens
maohen sich ebenfalls keine auffalligen Unterschiede gel-
tend. Die geringen Verschiedenheiten der Proben aus
verschiedenen Exkursionsgebieten und etwelche Unter-
schiede nach Bestandesformation (Wiese — Wald) sind
wohl durch Bodenverhaltnisse hervorgerufen. Wir haben
z. B. im Fextal bei den meisten Proben zusagende Boden
und dabei auch grossere Haufigkeit der Nematoden als
wie im Bergell mit den vielen sandigen, steinigen und
Humusboden. Wo aber in letzterm Gebiete die oben fest-
gestellten giinstigen Bodenbedingungen sich finden, treten
die Nematoden sofort auch in grosserer Anzahl auf. —
Ebenso verhalt es sich bei den verschiedenen Pflanzen-
formationen.
Leider war es uns der haufigen Veranderung unseres
Stand quartieres wegen nur selten moglich, Versuche zu
machen. Folgende Resultate mogen hier erwahnt werden:
2 Nematoden aus Nr. 61, 30 mm lang, 0,6 bezw. 1 mm
Durchmesser; trage, schwache Reaktion auf Tabakrauch.
Sie zeigen, aus der Erde in reines Brunnenwasser
gebracht, nach 2 — 3 Stunden sehr lebhafte Bewegungen
und grossere Reizbarkeit. Einige Stunden spater ermatten
sie; nach zwei Tagen erfolgt eine Reaktion nur noch auf
Beruhrung mit der Pincette ; nach im ganzen 5 Tagen macht
ein Versuchstier bei Beruhrung noch lebhafte schlangelnde
Bewegungen; das andere, mit 1 mm Durchmesser, bewegt
nur langsam das Kopfende, wenn ich demselben den
brennenden Teil der Cigarre nahere.
371
Nach 61/* bezw. 6 Tagen zeigen beide kaum erkenn-
bare Bewegung und wenige Stunden sp&ter keine Lebens-
ausserungen mehr. — Das Wasser wurde jeden Tag zwei-
mal erneuert und die Tiere zur Untersuchung auf eine
feuchte Uhrschale gebracht.
Einige Nematoden aus der gleichen Probe, imschattigen
Zimmer auf eine trockene Uhrschale gelegt, gaben nach
weniger als einer halben Stunde auch in feuchter Erde
und im Brunnenwasser kein Lebenszeichen mehr.
Diese wenigen Beobachtungen deuten auf grosse An-
passung der entwickelten Individuen der Bodennematoden
an Feuchtigkeit — Transporte durch Wasser waren dem-
nach leicht moglich — und auf grosse Empfindlichkeit
gegen Trockenheit.
Das Fehlen der mittleren und kleineren Neniatoden-
formen in schweren, feuchten bis nasskalten Standorten
und Schichten muss demnach wahrscheinlich auf die Struk-
turverhaltnisse zuriickgefuhrt werden.
Uber die Ernahrung speziell der Bodennematoden
1st nichts Sicheres bekannt. Da sie in reichen Humus-
boden auch bei geniigend Feuchtigkeit nur sparlich ver-
treten sind, ist kaum anzunehmen, dass zersetzender Humus
ihre Nahrung bildet. Wir fanden sie bei zusagenden Boden-
verhaltnissen am haufigsten in unmittelbarer Nahe der
Wurzeln: oft haften sie an diesen; vielleicht ernahren
sich die Bodennematoden im allgemeinen von frischen
oder lebenden pflanzlichen Stoften, wie manche Kultur-
schadlinge ihrer Familie. Unsere "Versuche zeigen. dass
sie lange ohne solche Nahrung zu leben vermogcn.
Enchytraeiden.
„Terrestrische Reprasentanten"' dieser Familie iinden
«ich nach Michaelsen und anderen sowolil an mit Wasser
i
372
fSrmlich durchtrankten Orten, im Schlamm, an Wurzeln
von Siiss- und Salzwasserpflanzen, in Torfmooren, wie auch
in modernder Pflanzensubstanz (Baumstrunke, faulendes
Laub), in feuchter Erde, in Blumentopfen und auch in
trockenem, festerem Erdreich (Fridericia-AchaBta- [Ana-
chaeta] Arten) — vorzugsweise aber leben Enchytraeiden in
feuchter Erde an Pflanzenwurzeln und an von verwesen-
den Pflanzenresten stark durchsetzten Orten.
Besondero Vorliebe fur gewisse Pflanzen zeigt z. B.
Achseta (Anachseta) bohemica Vejd., nach Michaelsen
(Lit. 39) in wenig feuchter Erde an Wurzeln von Veilchen.
Vejdowski hat nach Bretscher Schadigungen der Zucker-
riiben — Friend solche der Aster- und Selleriekulturen
durch Enchytrauden nachgewiesen.
Bretschers Zahlungen von Enchytraeiden ergaben
(Lit. 6, 7, 9):
Avers-Cresta, Magermatte, 1950 m pro V*7 m2= 1620*
Stuck, berechnet auf V'ic m2 = 4860 Stuck.
Talin b. Trimmis, Fettwiese, 1000 m ? -= 40* Stlick,
berechnet auf 1''ni m2 32 Stiick.
Ungediingter Boden 1000 m enthielt keine.
^: Tannenwald ohne Humusschicht pro V* m2=--200O
•g Stiick; pro 1;'i6 m2 — 500 Stiick.
^ Baumgarten, steinig, aber tiefe Humusschicht pro
'% \i m2 415 Stiick; pro ,:,lim2 =104 Stiick.
In Avers-Cresta waren ausschliesslich Fridericia- Arten
vorhanden. Auf der Goscheneralp und Kehlenalp (2300 bis
2500 m) fand Bretscher keine, auf der Furstenalp — 1700
bis 2000 m, Biindnerschiefer, sandiger, kalkhaltigerLehm —
liberal 1 nur wenigc Exemplare (Lit. 7). Er fiihrt diese Tat-
* Bretsoher bezeichnet diese Zahlen wegon geringer Tiefe der
Erdproben als „nicht rnassgebendu.
373
sachen auf den Umstand zuriick, dass auf der Goschener-
alp die oberste Erdschicht sehr diinn, der Wurzelfilz der
Pflanzen ausserordentlich dicht und fest ist. Auf der
Fiirstenalp misst er den Feuchtigkeitsverhaltnissen — ge-
ringe Durchfeuchtung durch fliessende Wasser — die wich-
tigste Rolle bei (Lit. 7, pag. 191 und 192).
Nach unsern Ergebnissen kommen dieEnchytraeiden
mit noch viel grosserer Regelmassigkeit als die Nematoden
im Boden vor, aber mit weit grosseren Schwankungen in
der Zahl der Individtien.
Sie fehlten in 5 von 86 untersuchten Proben.
In 25 Proben waren 1—20 Stuck, in 32 Proben21— 100,
in 16 Proben 101—400 und in 8 Proben uber 400 Stiick.
In der von Bretscher festgestellten grossten Anzahl fanden
wir sie nirgends. Die grosste Menge weisen auf: Nr. 34
(1965 m) mit 900, Nr. 70 (1815 m) mit 1108 und Nr. 33
(1950 m) mit 1220 Enchytneiden.
Die grosste Zahl der Enchytraeiden befindet sick nach
unsern Beobachtungen in der obern humosen oder in der
Humusschicht, gcht aber auch in dieser bei grosser Mach-
tigkeit nur so tief, als die Hauptmasse der Wurzeln reicht
— im allgemeinen 2 — 8 cm — ; in kleinerer Zahl sind
Enchytraeiden haufig audi in den tiefern Schichten zu
treften. Bei wenig erdiger, reicher Humusdecko und
darauffolgender humusreicher, lehmiger oder mergoliger
Schicht ist die Hauptmenge der Enchytraiiden in dieser
letztern, unmittelbar unter der Himiusschicht. Boi sehr
giinstigen Bodenverhaltnissen ist die Verteilung bis zur
Tiefe von ca. 15 — 20 cm ziemlich gleichmiissig.
Wo unter der obersten Schicht soibrt trockene oder nass-
kalte Schichten folgen, sammeln sic:h dieEnchytradden noch
auff&lliger als gewohnlich in der humosen, obern Schicht.
374
Es ist geradezu auffallig, wie die quantitative Ver-
breitung der Enchytraeiden beeintrachtigt wird durch
trockene Boden und namentlich solche mit grossen Schwan-
kungen des Feuchtigkeitsgrades und durch schwere, kalte
oder nasskalte Boden. An solchen Standorten fehlen sie
ganz oder sie kommen nur in vereinzelten Exemplaren
vor. Sobald ihnen aber konstant ein gewisser Feuchtig-
keitsgrad zur Verfugung steht, siedeln sie sich in grosserer
Zahl an, selbst wenn sie diese Feuchtigkeit nur in ver-
haltnismassig diinner, oberflachlich oder tiefer gelegener
Schicht finden.
Enchytrseiden kommen, sofern der Wassergehalt ein
gunstiger ist, sowohl im molligen Wald- und Haidehumus,
im feuchtnassen Humus von Sumpf- und natiirlichen Biesel-
wiesen, wie auch in humosen oder lehmigen Sandschichten
vor. Ob ihr seltenes Vorkommen in feuchtnassen Lehm-
und Tonboden dadurch verursacht wird, dass die dichte
Struktur das Durchdringen durch den Boden ihnen er-
schwert oder durch den fast vollstandigen Luftabschluss
und die damit bedingte langsame, unvollstandige Zer-
setzung der Bodenbestandteile, vermogen wir nicht zu
entscheiden.
Am besten scheinen die gleichmassig frischen bis
feuchten, humusreichen und humosen Bodenarten den
Enchytraeiden zuzusagen, also mergelige und lehmige,
Mergel- und Lehmboden.
Die Gesamtmachtigkeit des Bodens kommt wahr-
scheinlich gar nicht in Betracht. — Trotz der sehr ver-
schiedenen chemisch - mineralogischen Zusammensetzung
der untersuchten Proben zeigen diese keine DifFerenzen
im Enchytraiidengehalt, die auf direkten Einfluss zuriick-
zufuhren waren.
376
Der Humusgehalt der meisten Boden ist fiir Enchy-
traeiden gentigend ; Standorte mit Gras- und Krauterhumus,
besonders mit vielen frischen Pflanzenresten, wie Wiesen
und Weiden, begiinstigen ihr Vorkommen sehr wahrschein-
lich ganz besonders, da sie bei sonst gleichen Verhaltnissen
sich hier viel zahlreicher finden als im Walde oder in
Planggen, wo Graser und Krautpflanzen nach vollendeter
Entwicklung sehr langsam verfaulen. — Exposition und
Neigung iiben nur indirekt — durch Unterschiede im
Feuchtigkeitsgehalt des Bodens — einen Einfluss aus.
Die Verschiedenheit in der Haufigkeit der Enchy-
traeiden nach der Hohenlage — etwas kleinere Anzahl in
grosser Hohe — scheint nur durch im allgemeinen ungiin-
stigere Feuchtigkeitsverhaltnisse und durch das Zuriick-
treten der Wiesen und Weiden, der Standorte mit frischen
Pflanzenresten bedingt zu sein; denn wenn auch die
hoheren Lagen grossere Luftfeuchtigkeit und grossere
Niederschlagsmengen aufweisen, sind doch die Schwan-
kungen der Bodenfeuchtigkeit nach Art der humosen Decke
und wegen geringerer Machtigkeit gewohnlich grosser.
Wir haben aber in sehr grossen Hohen (bei Beriick-
sichtigung des Kulminationspunktes des Exkursionsgebietes)
noch verhaltnismassig zahlreiches Vorkommen unter glin-
stigen Bodenbedingungen :
Alpstein Nr. 12, 2150 m- 376Sttick; Avers Nr. 25,
2390 m = 280 Stuck ; Bergell Nr. 85, 2400 m - 158 Stuck;
Fextal Nr. 49, 2694 m — 176 Stuck.
Die Entwicklung der Enchytraiden wird also kaum
wesentlich gehindert durch lang dauernde niedrige Boden-
temperaturen, durch erhebliche Verkiirzung der „Vege-
tationszeita. (Nach Michaelsen ist ihnen das polare Klima
sogar sehr guns tig.)
376
Eine Bevorzugung gewisser Pflanzen lasst sich mit
Bestimmtheit nicht erkennen; namentlich haufig waren
Enchytraeiden an Wurzelstocken von Alchemilla.
Wir konnen nicht feststellen, inwieweit diese Er-
hebungen auch fur das Verhalten der Arten zutreffen, ob
der Artenreichtum grosser ist bei grosser Individuenzahl
oder ob vielleicht selbst unter kleiner Anzahl von In-
dividuen verhaltnismassig viele Arten vorkommen.
Eine grossere Zahl von Versuchen mit EnchytraBiden
aus Nr. 52, 67 ergab:
Ein Individuum, 2,3 cm lang und 1,5 mm dick, 102
Stunden in frischem, reinem Brnnnenwasser gehalten, auf
trockene Erde gebracht, reagiert noch mit matter Bewe-
gung auf Tabakrauch.
Von 20 kleineren Enchytraeiden in Brunnenwasser
starb die Halfte nach 20 Stunden; nach 43 Stunden lebten
noch 6. Ein Enchytraeid lebte 4 Tage.
In alkalischem verdiinntem Mistwasser (von Kuhmist)
lebten die Enchytneiden nur 14 Stunden. In lufttrockener
Erde im schattigen Zimmer starben samtliche Enchytraeiden
nach ca. 8.'4 Stunden, auf trockener Uhrschale schon nach
7 — 10 Minuten.
700 bezw. 1000 Enchytraeiden, einige Zeit in mehr-
mals gewechsoltem Wasser durch selbsttatige Bewegung
und durch Schiitteln gereinigt und nachher in reines Wasser
gebracht, schieden einige Gramm von hauptsachlich aus
Mineraltriimmern bestehendem Bodensatz aus.
Die Enchytraeiden ernahren sich wohl — nach unsern
Untersuchungen und nach ihrem Darminhalt — haupt-
sachlich mit frischem bis stark zersetztem Pflanzendetritus
(siehe auch Anmerkungen von Nr. 2. 20, 24, 34, 38, 39,
45, 01).
377
Bei der Nahrungsaufnahine nehmen sie auch erheb-
liche Mengen mineralischer Bodenbestandteile auf und
treiben sie durch ihren Verdauungstraktus.
Lumbriciden.
Auch iiber die zahlenmassige Verbreitung der Lum-
briciden liegen nur wenige Angabon vor. Darwin, Hensen
und andere begnugen sich meist mit Schatzungen nach
der Zahl der Wurmrohren oder nach der Menge der durch
Berieselung mit schadlichen StofFen auf die Oberflache
getriebenen und getoteten Tiere. Hensen zahlt (Lit. 30,
pag. 673) im Garten 1 Individuum der „grossen Artu
[L. terrestris L.) auf 600 cm2 ; er bereclmet (Lit. 30, pag. 675)
nach Angaben von Lengerke fur eine Wiese 6 Stuck pro
Quadratfuss.
P. E. Mtiller sammelte (Lit. 30, pag. 677) in mildem
Buchenhumus Tausendo von Lumbricus purpureus (L. casta-
neus Sav.) pro Quadratfuss.
Nach Darwin fehlen Lumbriciden in trockener Haide,
trockenen, sandigen, kiesigen Orten und in braunom, fase-
rigem Torf, nach P. E. Muller (Lit. 30, pag. 678) in saurem
Buchenhumus, nach Bretscher in Moorboden und sauren
Humusboden ; „sehr wenige sincl in der freien Weide zu
finden" (Bretscher Lit. 9, pag. 707). Bretscher glaubt dies
auf Feuchtigkeits- und auf tagliche Temperaturschwan-
kungen, grossere Anzahl an flachen Stellen, Terrassen, in
den Alpen auf Schutz vor Kalte durch die Schneedecke
zuriickfuhren zu miissen (Lit. 9, ]>ag. 708).
Die Verhaltnisse iiber die Wanderungen dor Lumbri-
ciden sind noch nicht abgekliirt. Nach Hensen sollen
Lumbriciden nur bei starkem Rogen odor in abnormal(Mii
Oesundheitszustande wandern : nach Bretscher haben sie
378
unter gewissen Verhaltnissen einen formlichen Wander-
trieb, der durch das Bedurfnis, den Wohnort oder Futter-
platz zu wechseln (namentlich in den Alpen), mehr sogar
aber durch die Fortpflanzungsverhaltnisse bedingt ist
(Lit. 10, pag. 540—542).
Unter alien Umstanden glauben wir, nach der Starke
der Vertretung Folgerungen iiber ein bestimmtes Abhangig-
keitsverhaltnis von den Stand ortsbedingungen ableiten zu
durfen, zumal die ziemlich regelmassige grossere H&uiig-
keit unter Steinen, Steinpflaster, Kuhfladen (Lit. 10) und
d as vollstandige Fehlen an andern Standorten hief Sir sprechen .
Die genaueren Zahlungen Bretschers ergaben nach
einzelnen Ausgrabungen :
Bei Zurich (Lit. 9, pag. 709) Wiese 70—230*) pro m2, fur
unsere Probengrosse Vie m2=4 — 14; Acker 140 — 260
pro m2, pro Vie m2 = 9-16; Wald 70 pro m2, pro
Vie m2 — 6.
Am Zilrichberg (Lit. 10) Wiese — Humus 35 cm, Unter-
grund lehmig — 350 pro m2, pro 1/i6 m2=22. Wiese
— Humus 22 cm, Untergrund zaher Gletscherschutt
— 400 pro m2, pro Vie m2 = 25.
Avers-Cresta (Lit. 9) Wiese — Humus 15 cm, Untergrund
Fels — 1660—2000 pro m2, pro Vie m2- 104— 125.
Hier mag auch eine von land wirtschaftlichen Praktikern
(fur Hiihnerfutterung) angewandte Methode zur Sammlung
grosser Mengen Regenwurmer an einem Standort er-
wahnt werden (Schweiz. landwirtschaftl. Zeitschrift 1901,
pag. 1091) :
In 60 cm tiefe Gruben an feuchten, schattigen Stellen
stellt man Strohbiindel, mit Erde untermengt, begiesst sie
*) Nach kleineren Proben berechnet.
379
ufters unci deckt die Grube mit Stroh oder Brettern zu.
Nach einigen Wochen hat sich eine Masse von Regen-
wurmern angesiedelt.
An den von uns untersuchten Orten befanden sich
alle Regenwiirmer, alle Species in den obersten Boden-
schichten — in alien Bodenarten, auch bei m&chtigerer
Wurzelregion; bei jeder beliebigen Gesamtmachtigkeit, bei
jeder Witterung und jeder Tageszeit vom Morgen bis
Abend — meistens in 4 bis 8 cm Tiefe. Wo die obern
Schichten, besonders bei reichem Humus, sehr dichte Struk-
tur zeigten, oder wo die humose oder Humusschicht und
die Wurzelregion nur schwach entwickelt waren, hielten
sie sich in einer Tiefe von 3 — 6 cm, in der humusreichsten
Region auf. In feuchtem bis nasskaltem Boden, besonders
wenn die Nasse schon bei geringerer Tiefe sich fuhlbar
machte, lagen die Regenwiirmer unmittelbar unter der
Oberflache, oft beinahe an der Oberflache (z. B. Nr. 38, 47).
Nur bei Nr. 5, zwei Tage nach starkem Schneefall,
trafen wir die meisten ausnahmsweise tief, von 6—12 cm.
Wir vermogen noch nicht bestimmt zu sagen, ob
diese Wahl des Aufenthaltsortes in geringen Tiefen ihren
Grand in besonderem Luftbediirfnis hat — die oberflach-
liche Lage bei nassen Standorten scheint dies zu be-
statigen — oder ob dies durch klimatische Faktoren —
Bediirfnis nach Sonnenwarme wahrend der kurzen Lebens-
und Entwicklungszeit*) — bedingt ist, oder ob die Lum-
briciden damit den Ort des grossten Reichtums an frischen
und frisch zersetzenden vegetabilen Substanzen aufsuchen.
Fast immer hatten die Lumbriciden in den obern
Schichten eine mehr oder weniger wagrechte Lage. Wurm-
*) Oder vielleicht durch Fortpflanzungsverhaltnisse.
380
rohren nach unten haben wir nur selten, sozusagen fast nie
gefunden. Ein regelm&ssiges und haufiges Wechseln des
Aufenthaltsortes nach der Tiefe der Bodenschichten scheint
demnach bei der Lumbriciden fauna der Alpen nicht statt-
zufinden. — Wandernde Lumbriciden haben wir stets nur
bei Regenwetter — auf Wegen, an Wegrandern, auf mit
vielen Steinen bedecktem Terrain — beobachten konnen.
Auf Wiesen und im Walde konnten wir w&hrend des
Tages auch bei regnerischem Wetter trotz besonderer Auf-
merksamkeit nur ganz ausnahmsweise einen Regenwurni
auf der Wanderung finden.
Unsere Zahlungen der Lumbriciden zeigen, dass diese
weit grossere Anforderungen an ihren Standort zu stellen
scheinen — dass sie weniger haufig geniigende Lebens-
bedingungen vorfinden — denn die Regenwiirmer fehlen
an einer grossern Anzahl von Orten, an denen Nematoden
und Enchytneiden noch in grosserer Menge vorkommen.
Uberall aber, wo wir Lumbriciden fanden, war auch die
Anwesenheit von Nematoden oder Enchytrceiden zu kon-
statieren.
An 11 Standorten waren iiber 10 Regenwiirmer; an
37 Orten befanden sich 1 — 10 Stuck; ganz ohne Lumbri-
ciden waren 38 Proben.
Indem wir Standorte mit nur als „Brs.u — tot oder
verletzt — aufgefimdenen Tndividuen als nunsichere Auf-
enthaltsorte* autlassen, gelangen wirzufolgenden Schliissen:
Die Bodenvcrhaltnis.se haben auch auf die Menge
der Lumbriciden den bedeutendsten Einfluss. Die Regen-
wiirnier meidcn fast immer Boden mit trockener oberster
Schicht oder wenn diese grossc Fcuchtigkeitsschwankungen
aufweist. selbst wenn ihnen auch in tieferen Schichten
dauernd viel Feuchtigkeit geboten wird.
381
Wenig zusagend sind ferner stark sandige, grusige
oder SteinbSden in der obern Schicht, auch wenn diese
firisch bis feucht ist. Hiebei scheint also die Struktur
d i r e k t einen Einfluss auszuiiben, wahrscheinlich in erster
Linie durch die Kornigkeit. Aber sie finden sich auch
sehr selten an Orten ein, die bis zur Oberflache schwer
bis nasskalt sind. Boden mit gleichmassig frischem bis
feuchtem Humus oder solchen oberen humosen Sehichten
werden vor allem bevorzugt.
Die Machtigkeit des Bodens ist insofeni von Be-
deutung, als bei besonders geringer Gesamttiefe, unter
10 — 15 cm, Luinbriciden seltener vorkommen; bei einer
Bodenmachtigkeit von iiber 15 cm haben grossere oder
kleinere Tiefen und die Eigenschaften dieser untern
Sehichten wenig oder keinen Einfluss, so dass also die
Regenwiirmer in Boden mit nasskalten und in solchen
mit trockeneren sandigen untern Sehichten bei ahnlichen
obersten Sehichten annahernd gleich stark vertreten sind.
— Da tagliche Temperaturschwankungen bis 30 cm tief
eindringen, ist nicht anzunehmen, dass die Bedeutung der
Machtigkeit auf diesen beruht.
Eine besondere chemisch-mineralogische Zusammen-
setzung des Erdreichs, wesentlicher Kalkgehalt, scheint
— durch gunstige Beeinflussung der Struktur und des
Feuchtigkeitsgehaltes — etwelche Einwirkung auf die
Menge der Regenwiirmer auszuiiben. Weder Exposition
noch Neigung haben, sofern die andern Bodenverhaltnisse
zusagend sind, einen massgebenden Einflus.s. Wegen meistens
geringer Bodenmachtigkeit sind aber starke Neigungen
im allgemeinen arm an Luinbriciden.
Eine Standortswahl nach der Art des Pflanzenbestandes
ist nicht zu bemerken ; doch sind Regenwiirmer gewohnlich
382
eher zu treffen unter dichter Pflanzendecke und im Walde,
weil sie hier bessere Feuohtigkeitsbedingungen finden. —
Wiese, Weide und Wald weisen keine charakteristischen
Unterschiede auf beziiglich der Anzahl der sie bewohnen-
den Lumbriciden auf. Planggen haben nach unsern Unter-
suchungen iiberall nur vereinzelte Exemplare ; doch ist dies,
wie auch einzelne Unterschiede zwischen Wiese, Weide und
Wald, wahrscheinlich auf dieBodenfaktorenzurtickzufiihren.
Lumbriciden konnen nach unseren Ergebnissen selbst bis
zu 2150 in (Alpstein, Nr. 12) und 2160 m (Avers, Nr. 21)
sehr zahlreich vorkommen; meistens aber sind sie in
grosseren Hohen, uber 2000 m verhaltnismassig seltener
und wenig zahlreich, wohl der gewohnlich geringen Tiefe
des Bodens und der kornig-filzig-humosen Struktur wegen.
Die grossere Seltenheit der Regenwiirmer im hintern
Teile des Avers, im Fextal und in den obern Regionen
des Bergell ist einesteils durch in diesen Gebieten haufige
eigenttimliche, unglinstige Bodenbeschaffenheit begriindet
und andernteils durch die Hohenlage der untersuchten
Orte zu erklaren. Andere, fur die einzelnen Exkursions-
gebiete charakteristische Faktoren — Niederschlagsmengen,
Temperaturen, Windverhaltnisso — scheinen nicht in Be-
tracht zu kommen.
tiber die besondern Standorte der einzelnen Arten
geben die Zusammenstellungen in Kapitel V A Aufschluss.
Am haufigsten, auch in grosseren Hohen, sind Lumbricus
rubellus und Octolasium lacteum, dann Helodrilus (D.)
octaedrus zu treffen. Das sclion von Bretscher und Ribau-
court festgestellte, fast vollstandige Fehlen der „grossen
Arten" Lumbricus terrestris L., Helodrilus (A.) longus
Ude, und caliginosus Sav. in den Alpen, bestatigt sich.
Vergleichungen iiber das Verhaltnis zwischen Indivi-
383
duen- und Artenzahl werden durch die grosse Zahl un-
bestimmbarer, junger oder verletzter Exemplare sehr er-
schwert, die Befunde von Nr. 5, Nr. 38 und Nr. 71 zeigen
immerhin deutlich, dass auch bei grosser Menge die Arten-
zahl sehr verschieden, sogar sehr klein (Nr. 71 mit 8 ent-
wickelten Individuen nur eine Art) sein kann und dass
die Individuenzahl der vertretenen Arten sehr ungleich ist.
Diplopoden.
Das Lokomotionsvermogen der Diplopoden ist im all-
gemeinen grosser als das der Nematoden und Oligochaoten ;
die einzelnen Familien und Arten der Diplopoden ver-
halten sich jedoch sowohl hinsichtlich der Wahl ihres
Standortes als nach der Haufigkeit der Veranderung des-
selben etwas verschieden.
Nach litterarischen Angaben ist hauptsachlich folgen-
des konstatiert:
Alle Diplopoden haben versteckte Lebensart ; ihr Auf-
enthaltsort ist meistens der Boden. Nur Julus sabulosus
und Glomeris conspersa bewegen sich hin und wieder auf
Wegen oder sitzen auf Mauern oder Pflanzen (auch Julus
Parisiorum, nach Rothenbiihler). — Glomeriden bleiben
jahrelang kolonienweise an demselben Standorte, wenn sie
nicht gestort werden. Bei trockenem und heissem Wetter
scheinen sie sich tiefer zuruckzuziehen, das Weibchen auch
wahrend der Eiablage.
Diplopoden halten sich unter Rinde von Baumen,
unter Steinen, im Moos, in moderndem Laub, in den obern
Bodenschichten auf. Bei grosser Kalte verziehen sie sich
nach den tieferen Bodenschichten. Die Nahrungsaufnahme
ist im Winter minimal.
Juliden verzehren mit Vorliebe Blatter, Holz und
384
andere faulende Vegetabilien. Julus sabulosus scheint sehr
die Pilze zu lieben.
Die Lieblingskost der G-lomeriden sind modernde
Blatter und Moos. Die Polydesmiden verzehren anima-
lische Stoffe nur in starker Verwesung.
Die Fortpflanzungszeit ist fiir die Juliden Fnihjahr
bis Herbst (in warmen Gegenden der Winter), fiir Glome-
riden Friihjahr und Anfang des Soinmers (Rath, Lit. 46).
Nach Plateau (Lit. 45) leben Juliden hauptsachlich
von zersetzenden Pflanzenstoffen, „nie nur von griinen
Pflanzenteilen" (pag. 60). Sie und andere Diplopoden
konnen lange Zeit Nahrung entbehren.
Glomeriden fressen untere, grune, weiche Blatter.
^Les Jules avalent en memo temps que leur nourri-
ture une grande quantite de torre, grains de sable, debris
calcaires ou d'autres roches decomposers . . .a (pag. 61).
Die ist nach Brandt und Humbert auch bei Glomeriden
der Fall. — Rothenbuhler schreibt uns: „Polydesmiden
und Chordeumiden mtissen als ausgesprochene Feuchtig-
keitsbewohner besonders aufgesucht werden ; Juliden sind
resistent.u - Latzel (Lit. 36) sagt: Kalkgebirge ist im
allgemeinen rcicher an Gattungen und Arten (von Myria-
podeni als das Urgebirge; „doch mag diese Erscheinung
wohl in der grossern Zahl von Schlupfwinkeln und in dem
grossern Vorrat an tierischer und pflanzlicher Nahrung
ihre Erklitrung finden. — Die Myriapoden scheinen sich
wenig an vertikal tibereinander liegende Zonen und Re-
gionen zu bindenu (pag. 371).
Am Stein (Lit. 1) hat fur den nordlichen Teil von
Graubunden, bei Ghur und Priittigau, bestiitigt gefunden :
Abnahmo der Artenzahl nach der Polhohe, dagegen keine
oder nur ausnahmsweise Zunahme der Individuenzahl.
385
Nach Roth (Lit. 46 b) haben Juliden und Glomeriden
in Wasser 6 — 8 Stunden gelebt. Bei unsern Versuchen
Jebten Julus Zinalensis und Cylindroiulus generosensis (aus
Nr. 66 and 68) in Brunnen wasser 1/2— 4 Stunden, 1 In-
dividuum in wassrigem Mistwasser 1 U Stunde. Eingesperrte
Juliden haben wahrend drei Tagen zur Verfugung gestellte
frische Pflanzenteile nicht beruhrt. Nach Verfluss dieser
Zeit bewegten sie sich fast nicht mehr.
Die Exkremente dieser Juliden waren hauptsachlich
aus Quarzkornern mit wenig faserigen Pilanzenresten zu-
sammengesetzt; derDarminhaltbestand bei einigen (Juliden
aus Nr. 59) fast nur aus pflanzlichen Stoffen; bei andern
waren diese mit mehr oder weniger erdiger Substanz
untermengt. In der hintern Korperregion waren die minera-
lischen Stoffe stets in verhaltnismassig grosserer Menge
vorhanden. Bei kleinen javanischen und madagassischen
Juliden fanden wir ahnliche Verhaltnisso, wahrend grossere
Formen nur wenig oder keine mineralischo Substanzen
im Darme hatten.
Juliden scheinen demnach nicht unbedingt auf die
Aufnahme von erdigen mineralischen Stoffen angewiesen
zu sein.
Bei unseren Untersuchungen befanden sich die Diplo-
poden immer in den oberen, haufig in den obersten Boden-
schichten.
Ihr Vorkommen an den analysierten Standorten richtet
sich nach dem Verhalten der einzelnen Arten zu den
Bodenverhaltnissen und nach der geographischen Ver-
breitung derselben (siehe Kap. V).
Glomeriden haben wir nur an einem Standort in
grosser Menge und an einem Standort in kleiner Zahl
gefunden. Ersterer war im Wald bei Nordexposition, mit
25
386
ausgesprochen feuchtem und humusreichem Boden, der
letzterebeiSSW-Exposition, imFelsgrasband. BeideStand-
orte (Nr. 8 und 15) mit kalkhaltigem Boden.
Die wenigen Polydesmiden fanden sich in feuchtem,
humusreichem Waldboden, die Chordeumiden, ebenfalls
nur in wenigen Proben vertreten, an denselben Standorten
wie die Glomeriden, aber in umgekehrtemZahlenverhaltnis.
Nach den Fundorten der Juliden stellen diese je nach
der Spezies sehr verschiedene Anspriiche an den Aufent-
haltsort; wir finden Julidenarten in trockenem, flach-
griindigem, wenig humushaltigem Boden, andere in feuch-
tem, tiefgriindigem Boden und im feuchtnassen, milden
Humus der Rieselwiese. — In den Kalkboden des Alp-
steins und des Calfeusentales waren einzig Julus nitidus
und nanus, die dann im Bergell fehlen, stark vertreten,
wahrend im Bergell bei den sandigen, mittelschweren bis
leichten Boden Juliden im allgemeinen haufig und oft in
sehr grosser Anzahl (Nr. B5 43 Sttick, Nr. 66 37 Stuck)
vorkommen.
Besonders charakteristische Unterschiede der Stand-
orte mit und dorjenigen ohne Diplopoden sind im all-
gemeinen nicht vorhanden. In Hohen von iiber 1800 m
macht sich eine wesentliche Abnahme der Haufigkeit der
Diplopoden bemerkbar und schon iiber 2000 m haben wir
nur noch selten (Nr. 75) Diplopoden gefunden. Die grosse
Hohenlage des Avers und des Fextales mag Ursache sein,
dass wir in den Proben aus diesen Grebieten keine bezw.
nur in Nr. 36 Diplopoden nachweisen konnten. In den
subalpinen Regionen des Alpsteins und des Bergell sind
diese in 18 von 30 Proben vertreten gewesen, in der al-
pinen Region fehlten sie an der Halfte der Standorte.
387
Chilopoden.
..Sie (die hochst entwickelten Myriapoden) sind Rauberu
und nicht an bestimmte, eng umgrenzte Standorte ange-
wiesen (Latzel Lit. 36).
Nach Plateau (Lit. 45) nahren sie sich nicht von zer-
setzenden Pflanzenstoffen. Ferner: Les Lithobides „recher-
chent Thumidite par besoinu. Er weist experimentell nach,
dass sie trotz vorhandener Nahrung im Trockenen bald
sterben.
Nach Geoffroy (1762N, leben Lithobiden von Poduriden
und andern kleinen Jnsekten, nach de Geer auch von
Wiirmern, nacli Gervais von Insekten, Acariden und
Spinnen. Bei Versuchen von Plateau frass Lithobius for-
ficatus nur Fliegen und Miicken, niclit aber Staphyliniden
und kleine Spinnen. Lithobiden fressen aber auch
kleinere Individuen der eigenen Gattvng.
Scolopendriden leben von jungen Lumbriciden (L.
communis Hoffm.) u. a., Geophiliden von Poduriden und
kleinen Acariden, seltener von kleinen Spinnen und In-
sektenlarven. Sie fressen sowohl lebende Tiere wie Stiicke
von frischen Leichen. Im Magen von Himanterium Gervasii
Xol. hat Plateau neben zahem, klebrigem Material reich-
lich Sandkorner gefunden (pag. 46).
Cryptops sind hauptsachlich unter der Erde, Geophi-
liden meist in unteren Schichten, in 2Q — 40 cm Tiefe.
Nach Bothenbiihler sind Lithobiden, Geophiliden und
Scolopendrelliden ubiquitar.
Bei unseren Versuchen haben mehrere Scolopendrella
notacantha in Brunnenwasser, an der Oberfliiche schwim-
mend, bis 4 Stunden gelebt, wahrend Geophilus ferrugi-
neus schon nach einer Viertolstunde starb. — Die grosse
Beweglichkeit der meist kleinen Chilopoden erschwerte
388
Beobachtungen iiber ihren Aufenthalt in verschiedenen
Bodenschichten ; gewohnlich fanden wir sie — mit Aus-
iiahme der Geophiliden — in den obersten Schichten: doch
sind sie bis zu gewissen Tiefen haufiger anzutreffen als
todere Gruppen von Bodentieren.
Die sparlichen Funde und die Unbestimmbarkeit ein-
zelner Lithobiden und der Mehrzahl der Geophiliden geben
keinen sichern Aufschluss iiber die Standortswahl dieser
Gruppen. Sie scheinen an den von uns berucksichtigten
Orten seltener und meist in kleinerer Anzahl vorzukommen.
Filr Lithobius aulacopus bestatigt sich : Aufenthalt in
feuchtem, humusreichem Boden im Walde ; 4 Lithobiden
wurden auf Boden mit grossen Temperatur- und Feuchtig-
keitsschwankungen nachgewiesen.
Bei den Geophiliden scheint ein besonderes Feuchtig-
keitsbedlirfnis nicht zu existieren ; es ist moglich, dass die
einzelnen Arten sich diesbeziiglich verschieden verhalten,
da sowolil trockene wie feuchte Boden zahlreiche Indi-
viduen, wahrscheinlich aber je verschiedene Arten ent-
halten (vergleiche Kap. V, z. B. Nr. 56 und Nr. 67).
Von den Scolopendrelliden ist Scolopendrella imma-
culata in feuchtem wie in trockenem Boden im Walde, auf
der Plangge und auf der Wiese, meist aber nur in kleiner
Zahl anzutreffen; Scolopendrella notacantha ist haufiger in
grosser Menge, scheint aber feuchte, humusreiche Stand -
orte vorzuziehen. Grosse Anzahl von Scolopendrella nota-
cantha weisen namentlich Nr. 64, 66, 67 und 72 auf.
Nur die subalpine Region beherbergte eine grossere
Zahl von Chilopodenarten ; iiber 1800 m trafen wir wenige
Geophilus spec, und Scolopendrella notacantha ; vonletzterer
waren in Nr. 72, 1900 m, noch 13 Stlick, in Nr. 12, bei
2150 m 4 Stuck.
389
In Proben von grosseren Hohen konnten wir keine
Chilopoden mehr finden, ebensowenig im Avers uberhaupt,
im Fextal nur in Nr. 31 und 39, bei 1920 und 1930 m, je 1
Individuum von Scolopendrella notacantha.
Die Chilopoden zeigen hienach ahnliche Hohenverbrei-
tung an den untersuchten Standorten wie die Diplopoden.
Wenn damit auch die absolute obere Grenze ihres Vor-
kommens nicht bestimmt festgestellt ist, so weisen die
Befunde doch darauf hin, dass Diplopoden und Chilopoden
in der obern alpinen Region, iiber 2000 m bezw. 2200 m
im allgemeinen viel weniger haufig und vielleicht vorzugs-
weise an anderen Standorten, die von uns nicht unter-
sucht wurden, ihren Aufenthalt wahlen.
„Bodenfauna im weiteren Sinne".
Als solche sind Tierformen aufzufassen, die nur wah-
rend einer bestimmten, begrenzten Periode ihrer Entwick-
lung an den Aufenthalt im Boden gebunden sind, deren
Yorkommen an gewissen Orten auch mehr oder weniger
von dem Verhalten anderer Entwicklungsstadien ab-
hangig ist.
Fiir uns kommen hier hauptsachlich Jugendstadien
von Arthropoden in Betracht. Ihr Aufenthalt an be-
stimmten Standorten ist also zum Teil bedingt durch die
entwickelten Insekten, die fiir sich oder fiir ihre Larven
bald eine besondere Standortswahl treften. l)ald aber inner-
halb eines klimatischen Gebietes ihre Fortpflanzungs-
produkte an zufalligen Orten niederlegen; oder die Boden-
formen konnen aus eigenem Antrieb, aus Nahrungsriick-
$ichten oder fiir den Aufenthalt uberhaupt. einen be-
stimmten Standort aufsuchen. Die Faktoron, welche das
Vorkommen der Bodenfauna im weiteren Sinne bestimmen,
390
sincl demnach so mannigfaltig, dass es schwer fallen
muss, den Grad ihres Einflusses unter den jeweiligen Ver-
haltnissen festzustellen, namentlich soweit es sich um das
Abhangigkeitsverhaltnis der mitbestimmenden Luft- und
Oberflachenfauna handelt. Bei der Art und Weise unserer
Untersuchungen ist es ausserdem geradezu unmoglich, die
gesammelten, hieher gehorigen Tiere naher als nach der
Zugehorigkeit zu einzelnen Tiergruppen zu bestimmen.
Wir mussen uns daher mit Vergleichungen iiber das
Verhalten der Kafer- und Dipterenlarven und iiber das
Vorkommen der Bodenfauna im weiteren Sinne insgesamt,
begnugen.
Kafer- und Dipterenlarven sind ein ausserordentlich
haufiger, wenn auch oft wenig zahlreicher Bestandteil der
Bodenfauna. Erstere sind in der subalpinen Region haupt-
sachlich in feuchtem, humosem Boden, besonders im Walde>
auch bei geringer Machtigkeit, in grosser Zahl vorhanden
und fehlen fast nur an trockeneren oder nasskalten Orten
der oberen Regionen. Dipterenlarven fehlen nur in 7
Proben ; sie sind gegen Trockenheit resistenter als gegen
nasskalte Aufenthaltsorte. Im Walde sind ihrer viel weniger
als im Freilande. Sehr stark vertreten sind sie an wenigen
Standplatzen, so besonders in Nr. 41 (unter einem „Kuh-
fladenu); im Bergell und im Fextal finden wir grosse Ahn-
lichkeit mit dem Verhalten der (grossten) Enchytrjeiden-
zahlen.
Bcide Grnppen nehmen in grosseren Hohen an In-
divid uenzahl im allgemeinen ab ; Kaferlarven finden sich
in grosserer Menge nur bis 2000 — 2200 m, dagegen hat
Nr. 30 bei 2700 m noch eine grosse Anzahl Dipterenlarven.
Beinahe keine der untersuchten Standorte entbehren
der n Bodenfauna im weiteren Sinneu, obgleich die beziig-
391
lichen Tierformen und deren Menge stark differieren. Die
Unterschiede in der Individuenzahl lassen sich jedoch, mit
Ausnahme der fur Kafer- und Dipterenlarven oben fest-
gestellten F&lle, nur wenig durch charakteristische Eigen-
tumlichkeiten der Standorte erklaren ; sie scheinen durch
Unterschiede in der Verbreitung der entwickelten Tier-
formen der Oberflachenfauna hervorgerufen zu werden.
Ein sprechendes Beispiel hiefur ist wohl die relativ grossere
Vertretung der Kaferlarven im Walde, der Dipterenlarven
dagegen im Freilande.
Weide ist im allgemeinen armer an ^Bodenfauna im
weiteren Sinne" als Wald imd namentlich Wiese; am auf"
falligsten zeigt sich dies im Bergell, auch im Fextal, das
jedoch im ganzen ziemlich arm ist.
Feuchte, humusreiche Standorte enthalten gewohnlich
grossere Mengen als die trockenen Humusboden.
Die Abnahme der Individuenzahl in grosserer Hohe
zeigt sich auffallig im Bergell, mehr noch aber im Fex-
tal in der subnivalen Region, weniger dagegen im Avers.
Im Alpstein sind nur die Proben vom Santis, dem Kul-
minationspunkt (ca. 2600 m), sehr arm.
Der im grossen und ganzen bedeutendo Einfluss der
Hohenlage ist wohl nur ein indirekter, durch das Vor-
kommen der Luft- und Oberflachenfauna bedingt ; letztere
halt sich wegen ihrer Abhangigkeit von Klima und
Vegetationscharakter nur kiirzere Zeit und wahrscheinlich
noch seltener wahrend ihrer Fortpflanzungstatigkeit in den
oberen Regionen auf.
Ausnahmen hievon kommen aber vor, und dadurch nur
lasst sich die selten grosse Anzahl von Larven in Nr. 41
bei der Armut des Fextales, sowie die grosse Zahl der
Dipterenlarven bei 2700 m Hohe im Avers erklaren. —
392
In den Alpen fallt die Fortpflanzungszeit in die verkiirzte
warmere Periode. Wie auch aus unseren Untersuchungen
hervorgeht, bestehen deswegen im G-anzen wahrend der
kurzen Sommerszeit nach kleineren zeitlichen Unter-
schieden keine Verschiedenheiten im Auftreten der„Boden-
fauna im weiteren Sinne".
Mollusken, Collembolen und Acariden sind wohl kaum
zur Bodenfauna zu zahlen; ihre Lebensweise ist zwar zum
Teil noch nicht bekannt, aber die Mehrzahl ihrer Arten
halten sich wahrend der grossten Zeit ihres Lebens an
der Oberflache auf. Sie sind, wie audi die Ergebnisse
zeigen, nur in ganz geringem Grade von den Bod en ver-
bal tnissen, vielmehr in erster Linie von ausseren Stand-
ortsbedingungen, dem allgemeinen und dem Mikroklima,
zum Teil auch von den petrographischen Verhaltnissen
abhangig.
Weil Untersuchungen iiberdieBeziehungenzumStand-
orte noch wenige durchgefuhrt wurden, weil andererseits
Vergleichungen tiber ihr Verhalten und iiber ihr Vor-
kommen gegeniiber dem der Bodenfauna von Interesse
sein mussen, haben wir diese verhaltnismassig wenig
inobilen Oberflachentiere in unsere Arbeit einbezogen. Ihre
Beobachtung und das Sammeln Hess sich sehr leicht mit
unseren Untersuchungen verbinden.
Landmollusken finden sich je nach der Vorliebe
der einzelnen Arten an feuchten, schattigen, wie an
trockenen, steinigen, sonnigen Orten, in unserer Gegend
aber vorzugsweise an feuchten Pliitzen. Nur von wenigen
Arten ist fur entwickelte Individuen ausgesprochener Auf-
enthalt i m Boden nachgewiesen (Carychium minimum an
Graswurzeln, Lit. 2 b, Helix aculeata im Mulm kleiner
393
Felsb&nder, Lit. 2); die hartschaligon Eier aber werden
beinahe immer in die Erde vergraben.
Nach unseren Ergebnissen bestimmt zu entscheidcn,
inwieweit nahere Beziehungen zu den engern Standorts-,
den Bodenverhaltnissen, bestehen, ist unzulassig, da eine
grosse Zahl der gesammelten Individuen verletzt oder leer
war, so dass aus ihrem Vorkommen nicht ohne weiteres
geschlossen werden darf, dass sie am Fundort gelebt, oder
gar, dass dieser Fundort gunstige Lebensbedingungen ge-
boten habe. Auch muss beriicksichtigt werden, dass die
Probeentnahmen zu verschiedenen Tageszeiten und bei
verschiedener Witterung vorgenommen wurden, die Mol-
lusken aber gerade nach solchen Wechseln am haufigsten
Wanderungen unternehmen.
In die Augen fallend ist der Unterschied der Ex-
kursionsgebiete. Die fast regelmassige und meist starke Ver-
tretung und der Artenreichtum derMollusken in den Proben
vom Alpstein und von Calfeusen und ihr seltenes, fast aus-
nahmsweises Vorkommen an den Standorten der andern
Exkursionsgebiete (vergleiche Kap. V, 0) glauben wir da-
mit erklaren zu mussen, dass Arten, die sich im Alpstein-
Calfeusen an den von uns abgesuchten Standorten liaufig
aufhalten, hier seltener oder gar nicht vorkommen odor
dann meist andere Standorte bevorzugen. Das letztere
scheint eher der Fall zu sein, da Eier immer haufiger an-
zutreften waren. — Dieses verschiedeno Verhalten nach
verschiedenen Gegenden mag seine Ursache vielleicht in
den klimatischen oder in den allgemein petrographischen
Yerhaltnissen haben; namentlich das Calfeusental zeiclmet
sich ja durch haufige und starke Niederscliliige aus, und
hier wie im Alpstein bildet geologisch kalkbaltige Unter-
lage die Regel.
394
Em massgebender Einfluss der Bodenverhaltnisse ist
kaum zu erkennen. Beinahe alle Fundorte sind hunius-
reich. An nasskalten Standorten sind meist weder Mol-
lusken noch Eier vorhanden.
Bei den haufiger gefundenen Arten lasst sich folgendes
bemerken: Hyalina pura ist an feuchten, humusreichen
Fundorten iiberall in grosserer Zahl vertreten als an mehr
trockenen, wahrend Zua lubrica viel haufiger an trockenen
Orten, aber gewohnlich in kleiner Individuenzahl, zu finden
ist. Beide Arten finden sich von 1350 — 2250 m, wahrend
die nordische und alpine Helix sericea erst in Hohen von
iiber 1500 m, mit jenen vergesellschaftet, auftritt. Unsere
Proben iiber 2250 m weisen iiberhaupt keine Mollusken
mehr auf.
Von den durch Stoll (Lit. 57) namhaft gemachten
xerothermen Mollusken sind an den untersuchten Stand-
orten keine vertreten.
Collembolen.
Die Beobachtung ihrer Verteilung auf der Oberfliiche
und i n dem Boden war ihrer geringen Grosse wegen nicht
zuverlassig durehzufiihren. In einzelnen Fallen trafen wir
einige Individuen, hauptsachlich von Isotoma viridis und
Tomocerus tridentiferus in geringer Tiefe in der humosen
Schicht.
Einzelno Arten scheinen nach ihrem Vorkommen an
unseren Probestandorten (vergl. Kap. V, D) bestimmten
Pflanzenformationen den Vorzng zu geben ; Isotoma viridis
z. B. ist in grosser Anzahl in Wiese und Weide, nicht
aber im Wald ; Carl verzeichnet sie aber auch im Walde
unter faulenden Holzstticken. Mit Bestimmtheit ist ein
charakteristischer Einfluss der engernStandortsverhaltnisse
395
also nicht za erkennen, mit Ausnahme eiues etwelchen
Ubergewichtes feuchtfrischer Orte.
Dagegen sind wahrscheinlich einige Spezies in ihrer
Hohenverbreitung mehr oder weniger begrenzt.
Fur Collembolen im allgemeinen zeigen im Alpstein
die Hohenregionen keine wesentlichen Unterschiede ; im
Fextal mit sehr wenigen Collembolen fundorten weisen nur
zwei Standorte in der alpinen Region besonders grosse
Zahlen auf ; im Bergell sind die Proben aus der subalpinen
Region ziemlich reich, aus den oberen Regionen arm an
Vertretern der Collembola, wahrend sie im Avers an der
Grenze der subnivalen Region sogar zahlreicher sind als
in den tieferen Lagen.
Die hochsten Fundorte haben Isotoma palustris (Nr. 49
2694 m), Lepidocyrtus cyaneus (Nr. 28 und 30 bei 2700 m)
und Sminthurus luteus (Nr. 28 und 29 bei 2700 m).
Die Acariden nehmen wahrscheinlich eine Mittel-
stellung ein zwischen Bodenfauna und Oberflachenfauna.
Sie leben haufig in Erdlochern. Wir haben die meisten
auf der Oberflache und in der obersten Bodenschicht, oft
jedoch, namentlich in trockenem, leichtem Boden, auch
in tieferen Schichten gefunden.
Die Acariden bilden einen integrieronden Bestand-
teil der Oberflachen- bezw. der Bodenfauna. Nurwenige
(9) Standorte enthielten gar keine Acariden. Das Fehlen
an diesen Platzen mag ausserdem ein nur zulalliges sein,
da sich in keinem Exkursionsgebiet eine erkennbare Stand-
ortswahl geltend macht. — Nur die hochsten Probeorte
haben im Alpstein-Calfeusen, im Fextal und im Bergell
etwas seltener Acariden; im Avers aber gehen sie in
grossen Gesellschaften bis zur oberen Grenze der sub-
nivalen Region.
396
Darnach zeigen sich die Acariden als sehr resistent
gegeniiber alien Boden- und klimatischen Verhaltnissen.
Ober gegenseitige Beziehungen der Boden- und der
Oberflachenfauna.
Es sind uns nur wenige Arbeiten bekannt geworden,
die diesen Gegenstand auch nur andeutungsweise behan-
deln. ZahlenmassigeErhebungenuberverschiedeneGruppen
der Bodenfauna liegen, die Oligochaeten von Bretscher
ausgenommen, keine vor.
P. E. Muller hat nach Hensen (Lit. 30, pag? 676.77)
im milden Buchenliumus „Lumbricus terrestris L. und,
wo dieser nicht vorzukommen scheint, Lumbricus pur-
pureus Eisen, ausserdem reichlich Lumbricus communis
und daneben zahlreich die kleinen EncliytrsBiden-Arten*
festgestellt. „Dazu kommen natiirlich Insekten . . .L
,Jn und unter dem Buchenmoor felilt der Regenwurm
ganz, und das tierische Leben ist iiberhaupt hochst spar-
lich vertreten."
Hensen schreibt iiber die Tierbefunde in Gartenerde
(Lit. 30, pag. 696): „Die Zahl und Masse der gefundenen
andern Tiere (als der Regenwiirmer) ist sehr gering —
— — . Am zahlreichsten sind kleine, weisse Poduren. —
Eine kleine weisse Spinne. Geophilus subterraneus Leach
(wurmerfressendj, ferner haufig ein Julus. Ausserdem,
aber keineswegs haufig, ein kleiner Enchytraeus Perrieri,
Vejd. Yereinzelt werden auch eine Xurmis, eine Land-
planarie, sowie verschiedene Acariden gefunden."
Bretscher hat bei seinen Untersuchungen die Menge
der Enchytra?iden und der Lumbriciden festgestellt; er
397
zahlt ausserdem die vertretenen Arten derselben auf, aber
ohne deren Individuenzahl anzugeben.
Die Menge der an einem Standorte sich aufhaltenden
Tiere ist in erster Linie wohl von dem Grade der Gunstig-
keit derStandortsverhaltnisse fiir die einzelnen Tiergruppen
abhangig. Aber die Individuen der Bodenfauna und der
Oberflachenfauna konnen sich auch direkt gegenseitig be-
einflussen, indem besondere Formen als Feinde von andern
auftreten, diese vertilgen und dadurch an Zahl dezimieren.
Als gierige Eaub tiere zeigen sich die Chilopoden, be-
sonders die grosseren Arten. Sicher bekannt sind sie als
Feinde der Regenwiirmer, namentlich junger Tiere, ferner
als Feinde der Poduriden, Acariden und der kleineren In-
dividuen ihrer eigenen Gattung. In selteneren Fallen
fressen sie Insektenlarven. Es ist noch festzustellen, ob
Enchytraeiden und Nematoden von ihnen verschont bleiben.
— Die anderen Formen der Bodenfauna und der in unserer
Arbeit berucksichtigten Oberflachenfauna sind anscheinend
meist harmlose Vegetarier oder Humus- und Aasfresser.
Wir glauben aber, dass es nicht ausgeschlossen ist, dass
die grossen und gefrassigen Tiere unter ihnen, Lumbri-
ciden und Diplopoden, gleichwohl in gewissem Sinne als
Feinde der Enchytraeiden und Nematoden und kleinerer
Larven anzusehen sind. Denn sie werden kaum bei der
Aufnahme der grossen Quantitaten von humoser Erde
stets vermeiden konnen, die in dieser haufig vorkommenden
kleinsten Tiere mitzuverschlucken. Beobachtungen hier-
uber liegen bis heute keine vor. — Unter den Kaferlarven
sind sowohl phytophage wie riiuberische bekannt; worin
die Nahrung der letzteren hauptsachlich besteht, ist nicht
bestimmt festgestellt.
Bodentiere konnen endlich auch indirekt auf das Vor-
398
kommen anderer einwirken durch den vielen von ihnen
eigenen Einfluss auf Straktur und chemische Eigenschaften
des Bodens.
Die Tabellon in Kapitel VI beweisen nun aber, dass
keine der Tiergruppen in ihrem Zahlenverhaltnis wesent-
lich von einer anderen Gruppe abhangig ist, sondern dass
sich ihre Menge an einem Probestandorte und ihr Vor-
kommen iiberhaupt einzig und allein nach den Standorts-
verhaltnissen richtet.
Die einander ahnlichen Anforderungen der Nematoden
und der Oligochseten bedingen, dass die Haufigkeit ihres
Auflretens im allgemeinen grosse Ubereinstimmung zeigt.
dass aber nach der verschiedenen Empfindlichkeit der
Nematoden, der Enchytneiden und der Lumbriciden gegen-
iiber einzelnen Standortsbedingungen sich auch mehr oder
weniger grosse Fluktuationen in der Individuenzahl der
drei Gruppen bemerkbar machen.
Enchytrseiden, Acariden und die Bodenfaunaim weitern
Sinne insgesamt zeigen sich am meisten resistent. Sie
fehlen nur an selir wenigen Orten.
Mit fast gleicher Regelmassigkeit sind Nematoden
vorhanden, wahrend Lumbriciden, Myriapoden und Collem-
bolen weniger haufig, erstere beiden aber oft in grosser
Masse im, beziehungsweise auf dem Boden auftreten.
Chilopoden finden sich im ganzen etwas regelmassiger vor
als die Diplopoden. — Als verhaltnismassig sehr wenig
konstanter Bestandteil der Oberflachenfauna erscheinen
die Mollusken.
Die Oberflachenfauna ist viel weniger an die engern
Stand ortsverhaltnisse gebunden als die Bodenfauna; sie
ist aber mehr durch klimatische Faktoren und durch die
Pflanzenformation beeinflusst als diese.
399
Es ist langst festgestellt, dass bei der mobilen Ober-
flachen- und Luftfauna in den oberen Regionen der Alpen
die rauberischen Fleischfresser nach Individuen- und Arten-
zahl die Mehrzahl bilden. Bei der Bodenfauna sind auch
an der oberen Grenze der subnivalen Region fast aus-
schliesslich Pflanzen- und Humusfresser vorhanden.
Zusammenfassung.
Die Haufigkeit des Vorkommens und die Individuen-
zahl der Bodentiere sind am meisten von den Standorts-
verhaltnissen , namentlich den Bodenbedingungen, ab-
hangig. — Die Menge der Individuen ist keineswegs be-
stimmend fiir die Zahl der Arten. Die Zusammensetzung
nach Individuen- und Artenzahl an den einzelnen Stand-
orten richtet sich, mit wenigen Ausnahmen, jeweils nach
dem Grade der Giinstigkeit der vorliegenden Verhaltnisse
fiir die verschiedenen Formen der Boden- und der Ober-
flachenfauna. Die quantitative Vortretung dieser letztern
scheint aber in grossem Masse vom Zufall bedingt zu sein.
Von den Bodenbedingungen haben Feuchtigkeit und
der Gehalt an frischer bis verwesender organischer Sub-
stanz die grosste Bedeutung. — Strukturverhaltnisso, Ex-
position und Neigung spielen, insofern sie nicht besondere
physikalische und chemische Eigenschaften des Bodens
bedingen, eine untergeordnete Rolle, ebenso die minera-
logisch-chemische Zusammensetzung und Art und Dichte
des Pflanzenbestandes.
Der Gesamtmachtigkeit, den von dieser in hohem
Masse abhangenden Boden-Temperaturverhaltnissen ist nur
in sehr kleinem Grade eine gewisse Einwirkung auf die
Bodenfauna im allgemeinen zuzuschreiben. Sie aussert
/
400
sich nur auf Lumbriciden und auf die grossten Nematodes
formen.
Dagegen h&ngt das Vorkommen von einzelnen Tier-
gruppen und ihre Verteilung auf verschiedene Tiefen
wesentlich ab von der Machtigkeit und der Art der ver-
schiedenen Bodenschichten, hauptsachlich von den Eigen-
schaften der oberen humosen Decke und der nachstfolgen-
den Schicht. Die erstere enthalt, mit wenigen Ausnahmen,
wahrend der Sommermonate die Hauptmasse der Boden-
fauna.
DiePflanzenformation hat auf die verschiedenen Formen
verschieden grossen Einfluss ; insgesamt aber bestehen nur
wenige Unterschiede, die sich nicht auf bodenphysikalische
Verhaltnisse zuriickfuhren lassen.
Innerhalb des Bereiches unserer Untersuchungen —
1300—2700 m — ist die Bodenfauna in sehr verschiedenem
Grade von der Meereshohe der Standorte abhangig. Ein-
zelne Gruppen (Myriapoden, Mollusken) scheinen direkt
durch die Veranderung der klimatischen Verhaltnisse liber
bestimmten Hohen stark benachteiligt zu werden, andere
(Lumbriciden) mehr durch allgemeine Verschlechterung
der Bodenverhaltnisse, wahrend Nematoden, Enchytrseiden,
Coliembolen und Acariden nachgewiesenermassen bis zur
obern Grenze der subnivalen Region gunstige Lebens-
bedingungen finden konnen und sich dann noch in grossen
Massen ansammeln. Die Bodenfauna ist also in hoheren
Regionen oft nicht weniger zahlreich, wohl aber viel ein-
formiger als in der subalpinen und der untern alpinen
Region.
Die verschiedenen Exkursionsgebiete zeigen hinsicht-
lich einzelner Arten und Gruppen der Bodenfauna charakte-
ristische Unterschiede. Im allgemeinen aber, wenn wir
401
die Bodenfauna als Ganzes betrachten, scheinen sich in
gleichen Hohen Differenzen nur der Verschiedenheit der
Bodenverhaltnisse wegen gel tend zu machen. Ein gegen-
seitiger Einfluss der Bestandteile der Bodenfauna hinsicht-
lich ihres Vorkommens und ihrer Masse ist nirgends be-
merkbar.
Bodenfauna und Oberflachenfauna der Gebiete unserer
Unter8uchungen zeigen ausgesprochen alpin - nordischen,
beziehungsweise kosmopolitischen Charakter. Dies geht
nnzweifelhafb hervor aus der H&ufigkeit alpiner und alpin-
nordischer, wie auch resistenter Formen, aus der Bevor-
zugung der feuchten Stand orte durch die Bodenfauna im
ganzen, wahrend an trockeneren Orten nur resistente Tiere
sich finden.
Endemische thermophile Arten fehlen dagegen selbst
an trockenen, stark geneigten Sudhangen mit sporadisch
grosser Erwarmung.
Til. Der Einfluss der Bodenfauna in den Alpen
auf ihren Standort.
Die Arbeiten von Darwin (Lit. 18), Hensen (Lit. 29
und 30), Wollmy (Lit. 69) und Djemil (Lit. 19) haben
die Tatigkeit des „grossen Regenwurms", Lumbricus ter-
restris L., in Acker- und Gartenerde und seinen Einfluss
an diesen Orten auf die Entwicklung der Pflanzen unter-
sucht. Von der eidgenossischen Samenuntersuchungsanstalt
in Zurich wurden inneuesterZeitaufVeranlassung Bretschers
Vereuche eingeleitet zur Feststellung des Einflusses des
Regenwurmes auf den Ertrag und die Zusammensetzung
des Rasens.
26
i
C. Kellor (Lit. 84 1 ist audi auf Untersuchungen ein-
getreten liber den Einiiuss tieriscber Tatigkeit im allge-
meinen auf Hurausbildung und Bodenkultur.
Da aus unseren Untersuchungen sich verschiedene
Abweichungen ergeben im Verhalten der Bodenfauna in
den Alpen gegeniiber dem Flachlande, wird uns nahe-
gelegt, auf einige Betrachtungen iiber ihren Einfluss auf
den Standort in den Alpen einzugehen.
Die Bodenfauna und die bodenstandige Oberfl&chen-
fauna der Alpen besteht in ihrer Hauptmasse aus Oligo-
ehsBten, Myriapoden und Insektenlarven ; aber auch die
Tatigkeit der regelmassig vorhandenen Nematoden und
Acariden, der oft zahlreichen Collembolen und Mollusken
darf in Anbetracht der Sum me stetig dauernder kleiner
Wirkungen nicht zum vornherein gering geschatzt werden.
Die zum Teil von einander abweichenden Folgerungen
der oben genannten Autoren lassen sich nicht ohne weiteres
auf die Alpen iibertragen. Die verschiedenen Lumbri-
cidenarten, mit denen wir hier zu rechnen haben, unter-
scheiden sich in gewissen Beziehungen in ihren Lebens-
gewohnheiten vom grossen Regenwurm. Auch die Stand-
orts-, besonders die Bodenverhaltnisse sind hier andere
als im Tieflande.
Al8 auch in den Alpen zutreffend darf angenommen
werden, dass Oligochaeten, Diplopoden und eine grosse
Zahl von Larven, Collembolen und Acariden, vielleicht
auch Nematoden, wahrend der warmeren Jahreszeit eine
Menge von frischen und in Zersetzung begriffenen Pflanzen-
teilen, Mollusken und Collembolen*) auch lobende Pflanzen
in ihren Verdauungskanal aufnehmen und in einfacherer
*) tTber die Ernahrung der Collembolen finden sich nur wenige,
unsichere Angaben.
403
Form wieder ausscheiden. Hiedurch wird der Humus-
gehalt des Bodens vermehrt und raschere und vollstandigere
Zersetzung der organischen Bestandteile eingeleitet.
Eine Vermehrung des Humus wird auch bewirkt durch
die Absonderungen der Verdauungs- und der Harnorgane
und durch die abgestorbenen Tiere.
Die R&uber, unter den Bodentieren wenig zahlreich,
verandern animal ische Stoffe und beschleunigen deren
Verwesung.
Die Eegenwiirmer und sicher auch einige Diplopoden
(nach Plateau, Lit. 46) unterstiitzen durch ihre leicht sauren
Exkrete die chemische Verwitterung des Bodens.
Alle Bodentiere, welche mit ihrer Nahrung auch Erde
verschlucken, hauptsachlich also Oligochaaten und Myria-
poden, zerkleinern dabei die mineralischen Bestandteile
und vermischen sie innig mit der organischen Substanz.
Die kleineren Tiere erganzen hierin in vorteilhafter Weise
die Tatigkeit der grosseren und besonders in der Umgebung
der "Wurzeln. Die Exkrementhaufen werden an der Ober-
fliiche und in der humosen Schicht abgelagert, wo sie den
Atmospharilien am meisten ausgesetzt sind und wodurch
fiir die Wurzeln leicht erreichbare und leicht aufnehm-
bare Nahrung geschaffon wird.
Die Ablagerung vieler feiner Bodenbestandteile auf
der Oberflache hat, namentlich in den Alpcn bei haufigen
steilen Hangen, auch grossere Denudation zur Folge. In-
wieweit auch das Einsinken von Steinen bowirkt wird,
vermogen wir nicht zu entscheiden.
Die Wanderungen der Bodenfauna besehritnken sich
in den Alpen mehr als im Tief lando auf die oberen und
obersten Scliichten. Diese werden in alien Kichtungen
mit zahllosen, kleinen und grossen Gangen durchquert, und
404
namentlich Lumbriciden, Myriapoden und Larven schaffen
auch Verbindungen mit der Aussenwelt.
Wollmy hat durch Versuche bewiesen, dass hiedurch
die Luftkapazitat bedeutend erhoht, die Wasserkapazitat
vermindert wird. Die vermehrte Durchluftung des Bodens
bedingt wiederum schnelleren Umsatz der organischen
Bestandteile, Bereicherung des Bodens mit Kohlensaure
und grossere Intensitat der chemischen Verwitterung, also
auch Vergrosserung des Gehaltes an Pflanzenn&hrstoffen.
Wie Hensen, Wollmy und Dj6mil nachgewiesen haben,
dringen Wurzeln mit Vorliebe in die Regenwurmrohren
ein. Dies diirfte wohl der Fall sein bei den tierischen
Gangen im Boden iiberhaupt. Da sich Enchytraeiden und
Nematoden vorzugsweise in der Nahe von Wurzeln auf-
halten, werden durch sie namentlich Wege fur die feinsten
Faserwurzeln geoffnet.
Den Collembolen und Acariden dagegen kann kaum
ein wesentlicher Anteil an der mechanischen Bodenbear-
beitung zugeschrieben werden; sie bewegen sich in den
Rohren der genannten „Erdefresseru.
Die Tatigkeit der Bodenfauna insgesamt bereitet den
Boden vor fur die Samen, bereichert ihn an Pflanzennahr-
stoffen und unterstiitzt direkt und indirekt Entwicklung,
Kraftigung und Verdichtung des Wurzelwerkes in den
oberen Schichten.
Eine Aufschliessung der tiefern Bodenschichten findet
in den Alpen nur in ganz geringem Masse statt.
Die Bedeutung der Bodenfauna wird besonders erhoht
durch ihre Bevorzugung der feuchtfrischen Standorte,
welche im allgemeinen dicht, luftarm und wasserreich sind
und deren Boden nur geringe Garungserscheinungen und
langsame Verwitterung zeigt, wo sich deshalb der glinstige
406
Einfluss der tierischen Tatigkeit in viel grSsserem Masse
geltend macht.
Die Standorte, die nur einzelne Bestandteile der Boden-
fauna oder nor wenige Individuen enthalten, trockenere,
nasskalte oder in grosser Hohe gelegene, sind solche, die
der Bodenverhaltnisse wegen die Tatigkeit der Boden-
fauna leicht, sogar mit Vorteil entbehren konnen oder deren
Vegetation ganz besonderen, abweichenden Charakter tr>.
Schluss.
Wir mussten in unserer Arbeit von Versuchen iiber
die Lebensweise der alpinen Bodenfauna absehen und
nrassen uns daher an diesem Orte begniigen, einige Ge-
danken zu beriihren, die sich uns bei unsern vorliegenden
Ausfuhrungen aufgedrangt haben.
In den Alpen weist der Boden bis zu 30 cm Tiefe
selbst wahrend der kurzen Entwicklungs- (Vegetations-)
zeit, den Monaten Juni bis September, sehr niedrige Tem-
peraturen, sogar ziemlich oft unter 0°, auf. Diese kalten
Temperaturen sind die Folge der taglichen Fluktuationen
der Lufttemperatur und konnen sich nach den Messungen
von Sils-Maria nach einigen Stunden bis zur genannten
Tiefe (30 cm, vielleicht sogar tiefer) bemerkbar machen.
Meistens werden sie durch hohere Lufttemperatur am Tag
bald wieder erhoht.
Es bleibt Versuchen anheimgestellt, welchen Einfluss
diese rasch eintretenden Sommer-Temperaturschwankungen
auf die verschiedenen Bestandteile der Bodenfauna ausuben.
Es scheint aber sehr wahrscheinlich zu sein, dass die
Bodenfauna, die bei 2000 m (iiber der Hohe von Sils-
Maria) noch fast gleiche Menge und Mannigfaltigkeit auf-
weist, wie an der unteren Grenze der subalpinen Region,
406
von diesen Temperatureinfliissen wenig, fast gar nicht
beeintr&chtigt wird.
Denn selbst die Sudhange mit den st&rksten und am
wenigsten vermittelten Fluktuationen zeigen keinen Unter-
schied, dem Wald gegeniiber z. Bi? welcher ziemlich gleich-
m&ssige Temperaturen bildet.
W&hrend des Sommers entbehren sie meistens der
schiitzenden Schneedecke, welche im Tale diese niedrigen,
winterlichen Temperaturen von den untern Bodenschichten
abhalt.
Auch wiirde ein Entweichen in grossere Tiefen'kaum
moglich sein, da der Boden selten auch nur eine Machtig-
keit von 30 cm hat. Auf der Suche nach besser geschiitzten
Standorten aber mussten die Wanderer doch unfehlbar der
Kalte zum Opfer fallen.
Es ist festgestellt, dass Lumbricus terrestris ein Ge-
frieren bei langsamem Wiederauftauen ertr>. Die in
den Alpen lebenden Lumbricidenarten sind wohl in noch
erhohtem Grade widerstandsfahig.
Enchytraeiden und Nematoden, sicher bis zu 2700 m,
der untern Grenze der Schneeregion , in grosserer Zahl
nachgewiesen, gehen vielleicht in betrachtlich grossere
Hohon, soweit uberhaupt noch eigentlicher Boden zu
finden ist. Ebenso Collembolen und Acariden.
Sie mussen, wie viele Insektenlarvren, ein zeitweises
Aufheben, beziehungsweise ein Verschieben ihrer Fort-
ptlanzung auf mehrere Jahre hinaus ertragen kOnnen; oder
es sei denn, sie werden hierin durch auch w&hrend den
wenigen Sommermonaten haufig eintretende Nullpunkte
der Bodentemperatur nicht gestdrt.
Um iiber den von Bretscher den Lumbriciden zuge-
schriebenen .Wandertrieb" zur Befriedigung des Fort-
407
pflanzung8triebes vollige Klarheit zu gewinnen, miissen
nach unserem Erachten neue besondere Beobachtungen in
den Alpen gesammelt werden. Es erscheint uns zum
mindesten fraglich, dass die Regenwiirmer hier wirklich
in den meisten Fallen zur Ausiibung der geschlechtlichen
Funktionen grossere Wanderungen auf der Oberfl&che vor-
nehmen werden ; diese Wanderungen konnten, wegen der
Empfindlichkeit gegen Licht, nur Nachts stattfinden. Aber
selbst die Sommernachte weisen in den Alpen meist sehr
niedrige Lufttemperaturen auf, bei denen die Tiere nach
unserem heutigen Wissen in ihren samtlichen Lebens-
erscheinungen erschlaffen, in den ihnen eigentumlichen
^Kalteschlaf* sinken miissten, wenn sie sich der Luft-
teniperatur langere Zeit aussetzen wiirden durch dauernden
Aufenthalt auf der Oberflache.
Eine oberflachliche Begattung nahe benachbarter In-
dividuen durch momentanes odor nur teilweises Verlassen
der Rohren, wie sie im Flachlande haufig beobachtet wird,
kann wohl, namentlich in hoheren Regionen, nicht unter
alien XJmstanden stattfinden wegen der oft grossen Ent-
fenmng der einzelnen Individuen.
Es drangt sich un« daher die Frage auf, ob nicht
vielleicht dem Fortpflanzungstriebe bei unterirdischen Wan-
derungen Greniige geleistet werde. Leider miissen Versuche
hieriiber auf grosse technische Schwierigkeiten stossen.
Wir konnen durch die ausgefuhrten vorstehenden
Untersuchungen keine abschliessenden Resultate feststellen.
Hiezu ist die Zahl der Proben noch zu klein. Unsere Arbeit
kann und will nur einen Beit rag liefern zur Kenntnis der
Formen der Bodenfauna in den Alpen in ihren gegenseitigen
Verhaltnissen und in ihren Beziehungen zum Standort.
408
I. Anhang.
Abkflrzungen.
A 1 p 9 1. = Alpstein ; C a 1 f . = Calfeusental ; A v. = Avers ; F e x.
= Fextal; Bgl. = Bergell.
1. Pflanzeribestand.1)
Kh. = Kalkhold. fl. = feuchtigkeitliebend.
Kih. = Kieselhold. mf . = a. mittelfeuchtem, frischeni
Kis. = Kieselstet. Boden.
dfo. = dungerfordernd. tl. = trockenheitliebend.
dl. = diingerliebend. L. = H. = vorzngsweise in
dfl. =-= diingerfliehend. humusreichem Boden.
dfti. = dungerfiirchtend. bo. = bv. = bodenvage, fiberall.
Skala der Dichtigkeit: dicht — ziemlich locker — locker
— vereinzelt — fehlend = 0.
3. Boden.
Expos. = Exposition, nach S (Sud), 0 (Ost), N (Nord), W
(West).
Neig. =— Neigung. Geolog. = Geologischer Unter-
grund.
a = morphologische, b = chemische, c = physika-
lische Eigenschaften (soweit letztere nicht durch die Bodenbenen-
nung ausgedriickt sind).
Skala iiber Feuchtigkeitsverhaltnisse2) beim Befund:
Der Boden ist:
diirr, wenn er so wenig Feuchtigkeit hat, dass er staubt, wenn er
gut zerrieben ist ;
trocken, wenn er nicht staubt, aber doch die Handballe beim
Driicken mit der Hand nicht feuchtet ;
frisch, wenn er beim Driicken mit der Hand diese befeuchtet;
feucht, wenn dabei das Wasser tropfenweise abfliesst;
nass, wenn Wasser ohne Druck abfliesst.
Skala iiber Humusgehalt des Bodens:
humusarm — humushaltig — humos — humusreich — humus-
iiberreich — moorig — torfig.
l) Nach Stebler und Schroter, Lit. 55, pag. 26/27.
*) Stebler, Lit 56.
409
3. Fauna.
Abktirzungen and Zeichen.
N = Nematoden.
E = Enchytr®iden.
L = Lumbriciden.
Mi = Diplopoden.
M* = Chilopoden.
Bw = Bodenfauna im weitern Sinne (Larven, Puppen u. a.)
a = K&ferlarven.
p = Dipterenlarven.
y= tAndere* (und .ungewiss*).
G= Gastropoden.
C = Gollembolen.
A = Acariden.
* 9 = nicht geschlechtsreif (oder juv. == jung).
Brs. = Bruchstlicke, ladiert.
Die Zahlen beziehen sich auf Individuenanzahl.
Anhans: II.
Litteraturverzeichnis.
Nr. 1 Am Stein, J. H. : Myriapoden und Crustaceen Grau-
b lindens. Jahresbericht der Naturforschenden Gesellschaft
Graubundens 1857.
Nr. 2 a Verzeichnis der bisher bekannt gewordenen Mol-
lusken Graubundens. 1885 ibidem.
b Beitrftge zur Molluskenfauna Graubundens (Nach-
tr&ge 1884—1889) ibidem 1889.
Nr. 3 Annalen und Originaltabellen der schweizer. meteoro-
logischen Zentralanstalt 1896—1901.
Nr. 4 Beddard: A Monograph of the Order of Oligochsetae.
Oxford 1895.
Nr. 5 Bretscher, C: Die Oligochaeten von Zurich. Revue Suisse
de Zoologie 1895/96.
Nr. 6 Derselbe: Beitrag zur Kenntnis der Oligochaeten-
fauna der Schweiz ibidem #1899.
Nr. 7 Derselbe: Mitteilungen iiber die Oligochaeten -
fauna der Schweiz ibidem 1900.
410
Nr. 8 Derselbe: Siidschweizerische Oligoctiseten, ibidem,
1900.
Nr. 9 Derselbe: t)ber die Verbreitungsverhaltnisse der
Lumbriciden in der Schweiz. Biolog. Zentralblatt.
Band XX, 1900.
Nr. 10 Derselbe: ZurBiologie der Regenwiirmer, ibidem.
Bd. XXI, 1900.
Nr. 11 Derselbe: Beobachtungen iiber Oligochseten der
Schweiz. Revue Suisse de Zoologie 1901.
Nr. 12 Burckhardt, G.: Quantitative Studien iiber das Zoo-
plankton des Vierwaldst&ttersees. Mitteilungen der
Naturforschenden Gesellschaft Luzern. 3. Heft.
Nr. 13 Carl, J.: tlber Collembola der Schweiz. Verhandlungen
der Schweiz. Naturforschenden Gesellschaft. 81. Versamm-
lung.
Nr. 14 Claparede: Histologische Untersuchungen fiber den
Regenwurm. Zeitschrift fur wissenschaftliche Zoologie.
Band 19. 1869.
Nr. 15 Christ: Pflanzenleben der Schweiz. Zurich, 1879.
Nr. 16 Claus, C: tfbereinige im Humus lebende Anguillu-
lidae. Zeitschrift fur wissenschaftl. Zoologie. Bd. XII, 1862.
Nr. 17 von Dalle Torre: Anleitung zur Beobachtung der al-
pinen Tierwelt. Zeitschrift des Deutsch-Osterreichischen
Alpenvereins. 1881.
Nr. 18 Darwin, Chr.: Die Bildung der Ackererde durch die
Tatigkeit der Wiirmer. tTbersetzt von V. Carus. Stutt-
gart, 1882.
Nr. 19 Djemil Mehmed: Untersuchungen iiber den Einfluss
der Regenwiirmer auf die Entwicklung der Pflan-
zen. Halle, 1896.
Nr. 20 Dieffenbach: Anatomische und systematische Stu-
dien an Oligochfietaj limicolae. 24. Bericht der Ober-
hessischen Gesellschaft fiir Natur- und Heilkunde. 1886.
Nr. 21 Dreyer, A.: Beitrag zur Kenntnis der Funktion der
Schutzscheide. St. Gallen, 1892.
Nr. 22 Ebermayer, L.: Untersuchungen iiber das Verhalten
verschiedener Bodenarten gegen Wftrme. Ref. in
der Meteorolog. Zeitschrift. 1892.
Nr. 23 Geiger, E. : Das Bergell. Forstbotanische Studie. Chur,
1901.
Nr. 24 Gremli, A.: Exkursionsflora der Schweiz. Aarau, 1889.
411
Mr. 25 Heer, 0.: Beitr&ge zur Pflanzengeographie. Zurich,
1835.
Nr. 26 Derselbe: t)ber die obersten Grenzen des tierischen
und pflanzlichen Lebens in den Schweizeralpen.
Neujahrsblatt der Ziircher. Naturforschenden Gesellschaft.
1845.
Nr. 27 Derselbe: Geographische Verbreitung der Kftfer
in den Schweizeralpen. Mitteikmgen aus dem Gebiete
der theoretischen Erdkunde. Zurich, 1834.
Mr. 28 Heim, A.: Zur Geologie des Klubgebietes (Ringelspitz
und Graue HOrner). Jahrbuch des S. A. C. 1888.
Nr. 20 Hensen, V.: DieTatigkeit des Regenwurmes fiir die
Fruchtbarkeit des Erdbodens. Zeitschrift fiir wissen-
schaftliche Zoologie. Band 28, 1877.
Nr. 30 Derselbe: Fruchtbarkeit des Erdbodens in ihrer Ab-
h&ngigkeit von den Leistungen der Regen wurmer.
Landwirtschaffclichen Jahrbucher von Thiel. Band XI. 1882.
Berlin.
Nr. 31 Hensele, J. A.: Untersuchungen iiber den Einfluss
desWindesaufdenBoden. Mitteilungen des agrikultur-
phys. Laboratoriums der technischen Hochschule Miinchen,
1893.
Nr. 32 Hoffmeister, W. : Die bis jetzt bekannten Arten aus
der Familie der Regenwurmer. 1845.
Nr. 33 Kaltenbach: Die Pflanzenfeinde aus der Klasse der
Insekten. Stuttgart, 1874.
Nr. 34 Keller, C. : Humusbildung und Bodenkultur unter
dem Einfluss tierischer Tiitigkeit. 1887.
Nr. 35 Kramer: Acaridae. In: Das Tierreich. 3. und 4. Lieferung.
Berlin.
Nr. 36 Latzel, R.: Die Myriopoden der Qsterreichisch-un
garischen Monarchie. 2 Bande. Wien, 1880—1884.
Nr. 37 Leunis, J.: Synopsis der Tierkunde. Hannover 1883.
Nr. 38 Michaelsen, W.: Oligochseta. In: Das Tierreich. 10. Lie
ferung. Berlin, 1900.
Nr. 30 — : Synopsis der Enchytrseiden. 1889.
Nr. 40 Mitteilungen der schweiz. Zentralanstalt fiir forstlichet
Versuch8wesen. Band 3 und 4 (Berichte von Biihler und
Henne) und Originaltabellen tiber Bodentemperaturen
in Haidenhaus.
412
Nr. 41 Moesch, C: Das Tierreich (in der Schweiz) in Wirth's
Schweiz (vide L. 42).
Nr. 42 Muhry, A.: Allgemeines Klima der Schweiz intWirth,
Beschreibung and Statistik der Schweiz. 1871.
Nr. 43 Nttrdlinger: Wald und Bodenwarme. Ca. 1880.
Nr. 44 Nowacki, A. : Praktische Bodenkunde. Berlin, 1892.
Nr. 45 Plateau, F.: Recherches sur les Phrinomenes de la
digestion (etc.) chez les Myriopodes de Belgiqne.
Mem. de I'Acad. royale de Belgique. 1876.
Nr. 46 v. Bath, 0.: a) tfber die Fortpflanzung der Diplo-
poden (Chilognathen) (1889?); b) Zur Biologie der
Diplopoden. In: Bericht der Naturforschenden Gesell-
schaft Freiburg i. Br. Band V, 1891.
Nr. 47 Bibaucourt, Ed.: Etude sur la faune Lombricide de
la Suisse. Revue Suisse de Zoologie. 1896/97.
Nr. 48 Rothenbiihler, H. : Ein Beitrag zur Kenntnis der
Myriopodenfauna der Schweiz. Revue Suisse de Zoo-
logie. 1899.
Nr. 49 Rothenbiihler, H. : 2. Beitrag zur Kenntnis derDiplo-
podenfauna der Schweiz; ibid. 1900.
Nr. 50 Rothenbiihler, H.: Myriopoden Graubiindens; ibidem
1901.
Nr. 51 Schinz und Keller: Flora der Schweiz. Zurich, 1900.
Nr. 52 Schneider, L.: Monographie der Nematoden. Berlin,
1868.
Nr. 53 Scbrflter, C. und L.: Alpen flora. 1896.
Nr. 54 SchrSter, C: Das St. Antoniertal. Landwirtschaftliches
Jahrbuch der Schweiz. 1895.
Nr. 55 Stebler und Schr5ter : Die Alpenfutterpflanzen. Bern,
1889.
Nr. 56 Stebler und Schrtiter: Beitrage zur Kenntnis der Mat-
ten und Wei den der Schweiz. Im Landwirtschaftlichen
Jahrbuch der Schweiz. Band 1, 2, 6 — 11.
Nr. 57 Stoll, Otto: tTber xerothermische Relicten in der
Schweizer-Fauna der Wirbellosen. Festschrift der
Geographisch-EthnographischenGesellschaft. Zurich, 1901,
Nr. 58 Semper, C. : Ober die Aufgaben der modernen Tier-
geographie. Berlin, 1879.
Nr. 59 Semper, C: Beitrage zur Biologie der Oligochaeten.
Arbeiten des zool.-zootom. Instituts. Wiirzburg. Band 4.
1887.
413
Nr. 60 Sutter, H.: Verzeichnis der Mollusken Zurichs und
Umgebung. Revue Suisse de Zoologie. 1897/98.
Nr. 61 Theobald, G.: Piz Doan und das Albignagebirge im
BergelL Jahresbericht der Naturforschenden Gesellschaft
Graubtindeiis. 1858/59.
Hr. 62 Tschudi, F.: Tierleben der Alpenwelt. 11. Aufl., rev.
von Prof. Dr. C. Keller.
Nr. 63 Ulrich, A.: Beitrage zur Molluskenfauna der Kan-
tone Appenzell und St. Gallen. Bericht der St. Galler
Naturwissenschaftlichen Gesellschaft. 1892/93.
Hr. 64 Verhceff:BeitragezurDiplopodenfaunaderSchweiz.
Berliner Entom. Zeitschrift. 1894.
Hr. 65 Vejdowsky: Monographie der Enchytrseiden. 1879.
Hr. 66 Vejdowsky: System und Morphologie der Oligo-
chseten. 1884.
Hr. 67 Voges, E.: Beitrag zur Kenntnis der Juliden. Zeit-
schrift fur wissenschaftliche Zoologie. 1878.
Hr. 68 Vogtund Jung: Vergleichende Anatomie. Lieferung8,
1886.
Hr. 69 Wollmy, E.: Arbeiten tiber Physik des Bodens. In: For-
s^hungen auf dem Gebiete der Agrikulturphysik. Band V,
XVI, XIX, XX (1882-1898) und Landwirtschaftl. Jahr-
biicher, 5. Jahrgang. Berlin, 1876.
Hr. 70 Woeikof, A.: Bodentemperatur unter Schnee und
ohne Schnee. Meteorologische Zeitschrift. 1890.
Hr. 71 Zschokke, F.: Die Tierwelt der Hochgebirgsseen.
Zurich, 1900.
Hr. 72 Zschokke, F.: Die Tierwelt der Schweiz in ihren Be-
ziehungen zur Eiszeit. Basel, 1901.
Hr. 73 Livret-Guide de Geologique dans le Jura et les
Alpes de la Suisse. Lausanne, 1894.
Hr. 74 Beitrage zur Geologischen Karte der Schweiz. Lie-
ferung 8, 13, 25.
Hr. 75 v. Martens,E.: Die lebenden Mollusken in den Kan-
tonen Appenzell und St. Gallen. Jahresbericht der
St. Galler Naturwissenschaftlichen Gesellschaft. 1889/90.
Hr. 76 Stoll, O.: Zur Zoogeographie derlandbewohnenden
Wirbellosen. Vierteljahrsschrift der Naturforschenden
Gesellschaft Zurich. 3. und 4. Heft, 1895.
. ■ ;< ••■. '\ xiv. xx.
- ; - ■F-<:-.'tfig i!i.." M7. wo. r^j
V . S-.|i-i.i»iiii
II
a I
3 1
a
f
3
I
3
3
2' M
» s
2-1
&5
o
1
I
OB
IX.
Die Pflanzenwelt des hohen Nordens
in
ihren Beziehungen zu Elima und Bodenbeschaffenheit.
Von
Dr. M. Rikli, Zflrioh.
Xach einem am 17. Januar 1903 vor der at. gallischen
Naturwissenschaftl. Gesellschaft gehaltenen Vortrag.*)
Vor kaum drei Dezennien, in der ersten Halfke der
siebziger Jahre, wurden alle Eigentiimlichkeiten der ark-
tischen Flora auf den Einfluss der grossen Kalte
zuriickgefuhrt. Der Hauptvertreter dieser Richtung war
der hochverdiente Pflanzengeograph und Direktor de8
botanischen Gartens in Gottingen, A. Grisebach. In seiner
„ Vegetation der Erde* findet sich folgende fur die da-
inalige Auffassung bezeichnende S telle1): „Die auf das
„Ausserste getriebene Benutzung der Sonnenwarme und
rder Schutz gegen Kalte2) sind so sehr die uberwiegen-
rden Momente unter den Lebensbedingungen der ark-
^tischen Flora, dass alle iibrigen, Feuchtigkeit, bereite
y,NahrungS8toffe, angemessene physikalische BeschaiFenheit
rdes Erdreichs, dagegen kaum in Frage kommen. Nir-
Tg ends fe hit esan Wasser2), wo die Sonne bestandig
rdie Vorrate des Winters zu schmelzen hat und die raschen
_,Sprunge der Luftwarme den Niederschlag befordern."
*) Erweiterte Wiedergabe eines akademischen Rathaus-Vor-
trages in Zurich (am 6. Februar 1902).
l) A. Grisebach. Die Vegetation der Erde I, pag. 34 (1872).
*) Vom Autor gesperrt.
416
Diese Auffassung Orisebaclis ist jedoch nicht gerecht-
fertigt. Die Resultateder 12internationalen meteorologisch-
arktischen Stationen, die mit den besten Instrumenten ans-
gestattet, in den Jahren 1882/83 errichtet and nach einheit-
lichen Gesichtspunkten geleitet wurden, haben uns ein
klimati8che8 Bild der Arktis geliefert, das wesentlich von
der Grisebach'schen Schilderung abweicht.8)
Da der Mensch die ausserordentlich niederen Tempera-
turen des hohen Nordens nur bei lufbdichtester Bedeckung
zu ertragen vermag, dachte man sich auch die arktische
Vegetation als eine in hohem Masse an Kalte angepasste
Pflanzenwelt. Weder der morphologische, noch auch der
anatomische Bau der Polarpflanzen lassen aber diese Auf-
fassung als berechtigt erscheinen.
Bei unbefangener Beobachtung miissen wir vielmehr
zugeben, dass sehr viele arktische Pflanzen, ohne jeg-
liche in die Augen fallenden Schutzmittel, Monate
lang den grossten Kaltegraden ausgesetzt sind.
8) Diese 12, von 9 Kulturstaaten der Alten und Neuen Welt
ausgeriisteten und zum Teil noch im Betrieb stehenden inter-
nationalen Stationen sind nach der Nordpolarkarte von V. v. Haardt
im Massstab 1:5,000,000:
Alten (Bossekop), siidl. von Hammerfest (Norwegen) 69° 57' n. Br.
Sodankyla, Finnisch-Lappland (Finnland) .... 67° 27' „ „
Malija-Karmakulij, Ostkiiste der Siidinsel vonNowaja-
' Semlja (Russland) 72° 23' „ „
Dicksonshafen, Miindung des Jenissei (Russland) . 73° 30' 9 v
Sagastyr, Miindungsdelta der Lena (Russland) . . 73° 22' 9 r
Pt. Barrow, Nordspitze von Alaska (Union) . . . 71° 21' , „
Fort Rae am Sklavensee (England) 62° 39' „ „
Kingawa, Ostkiiste des Baffinland (Deutechland) . 66° 36' „ „
Godthaab, Danisch-Gronland (Danemark) .... 64° 11' „ n
Fort Conger an der Lady-Franklin-Bai (Union) . . 81° 44' „ ^
Cap Thordsen am Eisfjord, Spitzbergen (Schweden) 78° 28' „ „
Jan-Mayen (Osterreich) 71° „ n
Ferner J. Hann, Handbuch der Klimatologie, ed. II, Band III,
pag. 542 (1897).
417
Von besonderer Bedeutung fur die Frage des K<e-
schutzes der arktischen Flora ist die klassische Beobach-
tung von B. Kjellman an Cochlearia fenestrata bei
Pitlekaj auf derTschuktschenhalbinsel, dertJberwinterungs-
station der Vegaexpedition unter E. v. Nordenskiold 1878/79
geworden. Kjellman schreibt: „Es gibt wenige Oegenden
auf der Erde, welche ein so strenges Klima besitzen, wie
die Stelle, an welcher die Vega-Expedition iiberwinterte.
Die Kalte war sehr anhaltend und ging auf mehr als 46° C
herab. Das fragliche Exemplar von Cochlearia fenestrata
wuchs auf dem Gipfel eines ziemlich hohen Sandhugels
bei Pitlekaj, dem bestandigen und scharfen Nord- und
Nordostwind ausgesetzt. Es hatte seine Blute im Sommer
1878 begonnen, dieselbe aber, als der Winter kam und
seiner Entwicklung ein Ende bereitete, noch lange nicht
abgeschlossen. Das florale System enthielt daher Blttten-
knospen in verschiedenen Entwicklungsstadien, neuerdings
geoffnete Bliiten, verbliihte Bliiten und mehr oder weniger
reife Fruchte. Von den Rosettenblattern fanden sich nur
unbedeutende, zusammengeschrumpfbe Reste, aber die
oberen Blatter waren frisch und lebenskraftig. In diesem
Znstand wurde die Pflanze vom harten Winter be-
troffen und seiner ganzen Strenge ausgesetzt.4)
Man mochte nun wohl glaaben, dass sie vernichtet werden
masste. Dies war aber nicht der Fall. Als der Sommer
1879 kam, setzte die Pflanze ihre Ausbildung von
da an fort, wo sie zu Anfang des Winters unter-
brochen worden war4); die Bliitenknospen schlugen aus
und aus den Blattachseln der obern Stengel blatter schossen
neue frische Blfttenstftnde hervor."6)
*) Vom Verfasser gesperrt.
*) R. Kjettman. Aus dom Leben der Polarpflanzen:
27
418
Eine vergleichende Untersuchung der arktisohen Pflan-
zen auf ihre Anpassungserscheinungen an die niederem
winterlichen Minima hat ein durchaus negatives Besultat
ergeben.
Der Knospenschutz fehlt oft oder ist doch jeden-
falls nicht besser ausgebildet als bei der grossen Masse
der mitteleuropaischen Pflanzenwelt.
Dichte Behaarung, die auch vielfach als Kalte-
schutz gedeutet wird, ist innerhalb der arktischen Flora
geradezu eine Seltenheit, dagegen gibt es sehr viele Arten,
denen jegliche Behaarung fehlt.6)
Auch das Uberwiegen oberirdischer Organe,
welche spalierartig dem Boden angepresst, in allererster
Linie die niederen winterlichen Minima und zeitweise auch
Nordenskiold, Studien und Forschungen, veranlasst durch meine
Reise im hohen Norden. Leipzig, 1885 ; auch in W. Schimper, Pflanzen-
geographie (1898), pag. 43, mit der Wiedergabe der Abbildung der
Orignalpflanze Kjellmans (Fig. 37). Diese Beobachtung Kjellmans
ist wohl der einzige in der Literatur bekannt gewordene Fall, dass
eine in voller Anthese befindliche, krautartige Pflanze iiberwintert,
um nach Schluss des Winters den unterbrochenen Lebenscyklus
wiederfortzusetzen. Die CberwinterungsweiseunsererHochgebirgs-
flora ist ein noch sehr durftig bearbeitetes Gebiet der Biologie der
Alpenflora. Die Anregung Kjellmans, sowie der in den letzten
Jahren rasch gewaltige Dimensionen angenommene alpine Skisport
und die winterlichen Hochgebirgstouren werden unshoffentlichbald
die notigen Bausteine zu einer Winterbiologie der Alpenpflanzen
liefern.
6) Mehr oder woniger stark behaarte Arten finden sich be-
sonders unter den Gattungen Potentilla, Draba und Salix, wie z. B.
Potentilla pulchella, P. nivea v. multiflora Lehm; Draba hirta L.,
D. artica R. Br., altaica Bunge, nivalis Lilj, ferner unter den Sa-
lices, S. Lapponum und lanatum, auch Eritrichium villosum, Papa-
ver nudicaule sind roichlicher behaart. Eigentliche Filzpflanzen,
wie sie in der hoheren Alpenregion ( Androsace imbricata, Leonto-
podium,Antennarien, Artemisia spicata,Seneciouniflorus,carniolicus)
oder im Mittelmeergebiet (Labiaten, Artemisien, Helichrysen etc.)
419
rwchem Temperaturwechsel ausgesetzt Bind, ware noch
hervorzuheben.
Als all diese, als Anpassungserscheinungen an niedere
Teinperaturen gedenteten Merkmale versagten, wiea man
immer noch auf den Schneeschutz hin. Die arktische
Flora, welche selten iiber Spannhohe erreicht, sollte im
Polarwinter unter einer machtigen Schneedecke begraben,
vollstandig gegen die Kalte geschiitzt sein.
Werfen wir, um diesen Einwand auf seine Berech-
tigung zu priifen, einen Blick auf die Niederschlags-
und Schneeverhaltnisse der Polargebiete. Die
jahrliche Niederschlagsmenge nimmt in der Arktis von
Stiden nacb Norden stetig ab. Die Beobachtungen an der
Westkiiste GrTonlands, wo wir von mchreren Stationen iiber
die Kesultate einer kontimiier lichen, langjahrigen Beob-
achtungsreihe verfugen, aind in dieser Hinsicht besonders
lehrreich.7)
81° 44' n. Br. =
72° 47' „ r =
69° 13' n , =
64° U n , -
61° 12' .
Hie
rd"
"Fort Conger
j
i
Upernivik
Jakobshavn
|
i
Godthaab
3ud m
Ivigtut
10,0 »■)
21,4
m 21,7
m 65,4*")
= 124,1
jahrliche
Nieder-
schags-
menge
in cm
verbreitet sind, acbeinen im Gebiet der Arktotundra ganz zn fehlen.
Mebrere Arten Bind jedoch auch durch behaarte Varietaten ver-
treten, bo Cerastium alpinum *) lanatum; Alsine verna v. hirta;
Vaccininm uligijio&um v. pubescena, Arnieria vulgaris v. pubescens*
Deoigegeniiber ist, ganz abgeeehen van den kleinen, inimergrttnen
Hartlaubgewacbsen der Zworgstrauchheide, die Zahl der Arten ohne
jegliche Bebaarung sehr gross; apeziell die so uberaus widenstaiida-
fehigen Cochlearien Bind vollig kahh Wir warden wohl nicbt febl
E*b*nT wetin wir die Zahl vollstandiL' kahlor arktiweher Ptianzen
au! ca* 95°/o des gesainten Florenheatandea der Arktis schatzen.
fJ Bannf I c. Bd. in, pag- 584
••) Schimptr, L c. p. 702. »> Nacb Schimptr fOr 1882:835= 83,5 cm,
420
Da St. Gallen 130 cm9) jahrliche Niederschlagsmenge
hat, so wiirde die nordlichste Station Fort Conger erst
in dreizehn Jahren so viel Niederschlage erreichen als
St. Gallen in einem Jahre.
Besonders im Polarwinter sind die Niederschlage
ausserordentlich gering. Hann sagt: „Heiterer Winter-
himmel und Schneearmut10) sind sowohl fur das asia-
tische wie auch das amerikanische Polargebiet bezeich-
nend.un) Die Machtigkeit der Schneedecke ist in freien,
offenen Lagen, auf der Tundra, am Ende der Winters-
zeit nirgends bedeutend ; so war im Winterhafen der Mel-
ville-Insel die Schneedecke Ende Januar nur 2,6 — 5 cm
hoch, von Mitte Oktober an fiel der Schnee nur in Form
feinster Eisnadeln. Gewohnlich bringt der Schluss der
langen Polarnacht (Februar, Marz) und das Ende der Vege-
tationsperiode (Ende Juli bis Mitte September) die grosste
Niederschlagsmenge; diese erfolgt somit gleichzeitig mit
den grossten taglichen Temperaturschwankungen der in-
tensi vsten Entfaltung der Polarlichter und dem Vorherrschen
der heftigen Winde.
Der Schnee ist iibrigens in der Arktis ausserst un-
gleichmassigverteilt. In alien Vertiefungen,Schluchten,
Bachtalern, Mulden, vor steilen Halden kGnnen sich oft
fast unglaubliche Schneemassen ansammeln, indessen die
Plateaus, die ebenen Flachen, die Hiigel und Grate oft
nackt oder nur mit einer ausserst sparlichen Schneedecke
bedeckt sind. Die Ursache dieser ungleichen Verteilung
•) R. BUlwiller. Die geographische und jahreszeitliche Ver-
teilung der Regenmengen in der Schweiz (mit Karte). Schweiz.
Zeitschrift fur Forstwesen. Jahrgang 1897, Heft 6 und 7.
I0) Vom Verfasser gesperrt.
») Hann, 1. c. BcL III, pag. 476.
421
der Schneedecke sind die furchterlichen Schneestiirme, die
Burane, von denen uns Middendorff in seinem grossen
Reisewerk eine anschauliche Schilderung entwirft.12)
„Der Buran ist eine Eigenttimlichkeit der waldlosen
Fl&chen und der Tundren jenseits der klimatischen Wald-
grenze. Wer es nicht selbst erlebt hat, hat keinen Be-
griff von der unwiderstehlichen Gewalt, mit welcher der
Sturmwind in seiner aussersten Wut iiber diese waldlosen
nordischen Ebenen als Orkan dahinrast; mit grosster An-
strengung vermag man sich kaum auf den Beinen zu er-
halten ; statt von Luft wird man von Schneeteilchen urn-
wirbelt, welche aus alien moglichen Richtungen entgegen-
stieben; der Ausdruck, dass man die Hand nicht vor den
Augen sieht, ist viel zu schwach, denn das Peitschen der
Schneeteile gestattet nicht, die Augen zuoffnen; ja, man
kampft bisweilen mit der Furcht, zu ersticken, da der
wlitende Luftbrei das At men bedrangt. Es sind Schnee-
wirbelstiirme, deren Gewalt sich in einzelnen Fallen
bis zur Erzeugung von wahren Schneehosen steigert."
Alexander v. Bunge1*) schildert dieselbe Erscheinung
von Spitzbergen: „So furchtbar auch die Stlirme Sibiriens
sind, so stehen sie an Heftigkeit den Stiirmen auf Spitz-
bergen bei weitem nach. Haufig herrschte der Sturm
bereits einige Zeit auf dem Sunde, bevor er bei uns an-
hob; meist aber begann er, oline vorherige Warnung des
Barometers, mit einigen heftigen Windstossen aus ver-
M) Th. i\ Middendorff. Reiso in den aussersten Norden
und Osten Sibiriens. Bd. IV. L'bersicht der Natur Nord- und
Ost-Sibiriens. T. I, pag. 389 (1867).
,f) Alex. v. Bunge. Die Polarforschung und die schwe-
disch-russische Gradmessungs-Expedition nach Spitz-
bergen 1899 bis 1901. Velhagen & Klasings Monatshefte. 1902.
Bd. XVI, Heft 8, pag. 164—179.
i
422
schiedenen Richtungen, um dann in eine konstante Rich-
tung, meist Nordost, bei best&ndig wachsender Heftigkeit
uberzugehen. Die ganze Luft fiillt sich mit feinem Schnee-
staub, ein schreckliches Brausen und Tosen erfullt die Luft.
Das ganze Haus drohnt und zittert. Alles, was nicht niet-
und nagelfest ist, fliegt davon, Fasser, Kisten, Bretter.
So dauert das zwei, drei, vier, ja einmal sogar sechs Tage
hintereinander an." So kommt es? dass die Vegetation der
Arktis ohne jeglichen Schneeschutz oft wochen-
und monatelang der grossten Kalte und der austrocknen-
den Windwirkung ausgesetzt ist. Wenn die Pflanzen trotz-
dem nicht zu Grunde gehen, ja selbst, wie das Beispiel
von Cochlearia fenestrata lehrt, als ganze Pflanze, ohne
Schaden zu nehmen, den Polarwinter zu iiberdauern ver-
mogen, um im folgenden Jahr die Entwicklung an dem
Punkt wieder aufzunehmen und fortzusetzen, wo sie in der
vorhergehenden Vegetationsperiode unterbrochen wurde,
so werden wir wohl annehmen mlissen, dass die Schutz-
niittel der arktischen Flora gegen Kalte nur in
der molekularen Struktur des Protoplasmas 14) zu suchen
sind. Das Protoplasma dieser Pflanzen ist offenbar un-
empfindlicher, als bei den Vert-re tern unserer mitteleuro-
u) Wenn wir auch zugeben iniissen, dass mit dieser Erkliirung
die hochwichtipe Frajre noch keinoswegs gelost ist, sondern da-
durch nur die Kichtung. in der die weitere Erforschung einzusetzen
bar, angedeutet wird. so konnten vielleicbt docb zwei Vorgange
mit zur Abkliirung beitragen: einerseits diirfte die Umwandlung
von ReservestorrtMi in Zucker und dadurcb ein Herabsetzen des
(.Tt»friorpunktes in Betracbt koinmen, und anderseits ware voin
cbemiscben Standpunkt die Moglichkeit nicbt ganz von der Hand
zu weisen, dass die aktiven Eiweisse des Protoplasmas sich mit
dem in den Zellen vorhandenen Wasser chemisch als Kristall- oder
Konstitutionswasser verbinden, so dass das gebundene Wasser nun
einen ganz andern Cbarakter erbalt.
423
paischen Flora; eine solche Unempfindlichkeit des Proto-
plasmas macht naturlich als durchschlagendstes und
vollkommenstes Schutzmittel alien weitern Schutz
gegen Kalte vollstandig iiberflussig.
Wie wir bereits kennen gelernt haben, sagt Grise-
bach: ^Nirgends fehlt es an Wasser, wo die Sonne be-
standig die Vorrate des Winters zu schmelzen hat und
die raschen Spriinge der Luftwarme die Niederschlage be-
fbrdern.* Dass die Arktis durchaus nicht unter einem
Uberfluss von Niederschlagen zu leiden hat, haben wir
bereits gesehen, und dass es nirgends an Feuchtigkeit fehlt,
das kann der Botaniker bei Betrachtung des ausge-
sprochen xerophytischen Gesanitcharakters der
arktischen Pflanzenwelt auch nicht wohlglauben;
denn die arktische Flora tragt wie die Vegetation der
Felsen, der Steppen unci Wusten in hohera Grad den
Stempel des Transpirationsschutzes, d. h. die ganze Organi-
sation dieser Pflanzenwelt lasst darauf schliessen, dass
dieselbe mit dem ihr zur Verfugung stehenden Betriebs-
wasser sehr haushalterisch verfahren muss.
Manche Momente wirken in dieser Richtung; teils sind
es Faktoren, welche die Wasseraufnahme erschweren, teils
wieder Verhaltnisse, welche die Verdunstung beschleunigen.
I. Faktoren, welche die Wasseraiiftialiine erschweren.
Der weitaus wichtigste, die Wasseraufnahme beein-
trachtigende Faktor ist die niedere Bodentemperatur. In-
folge des hart gefrorenen Bodens ist die Wasserzufuhr
aus der Erde jahrlich wahrend acht bis zehn Monaten
nahezu verunmoglicht; es muss also dafur gesorgt werden,
dass in dieser Zeit moglichst wenig Feuchtigkeit durch
Verdunstung der oberirdischen Organe verloren geht.
424
Im Sommer ist zwar der Boden oberflachlich aufge-
taut, doch ist das Bodenwasser wegen der Nahe
dGsBodeneises meistvon recht niedriger Tem-
per at ur. Durch niedere Bodentemperaturen wird aber
der Transpirationsstrom der Pflanzen merklich verlang-
samt und die Wasseraufnahme bedeutend erschwert. Die
Versuche, welche in dieser Hinsicht von Sachs15), spater
auch von J. Vesque, Kohl und anderen Autoren gemacht
wurden, zeigen alle auf das uberzeugendste die Abhangig-
keit der Wasseraufnahme von der Temperatur des Wassers.
Sachs veranstaltete bereits 1859 mit Tabak, Kurbis und
Kohlarten die ersten Experimente; die Versuchspflanzen
begannen zu welken, als der wasserreiche Boden auf
-f-40 bis +2° C abgekiihlt wurde. Die Erwarmung der
Blumentopfe geniigte, um die Wasseraufnahme wieder so
weit zu steigern, dass die welken Blatter wieder turgescent
wurden.
Sehr anschaulich schildert Kihlmann1*) die Wirkung
einer solchen Abkiihlung auf die Vegetation infolge eines
Gewitters (Ende Mai 1890) in Helsingfors, der Hauptstadt
Finnlands. „NachmehrwochentlicherTrockenheitfielam22.
und23.MaietwasRegen(l,4mm),diegleichzeitigherr8chende
hohe Temperatur hatte die Baume zur friihzeitigen Laub-
entfaltung verlockt. Am 25. Mai nachmittags anderte sich
die Windrichtung auf 0 und steigerte sich bald zur Heftig-
keit eines Orkans. Wahrend des Unwetters fiel die Tem-
peratur nur auf 2, 1° C: durch den massenhaft herab-
1:>) Savhs, in: „Land\virtscliaftliche Versuchsstationenu
1879, Bd. I. pag. 238. und Vorlesungon uber Pflanzenphysiologie,
ed. II (1887), pajar. 243.
16i Kihlmann, Pf 1 anzenbiologiscbc St udien ausRussisch-
Lappland, in: Acta Sorietatis pro fauna et flora fennica, T. VI,
Nr. 3, pag. 94 If. (1890). [Abgekiirztes Zitat.]
425
strdmenden Begen (48,7 mm) wurde der Boden fast auf
den Nullpunkt abgekuhlt.
Alle Waldbaume, die an nicht genugend geschutzten
Stellen wuchsen, waren zum grossen Teil entlaubt. Am
meisten befremdend war aber, dass samtliche Blatter, die
noch vom Wasser formlich trieften, schlaff und welk herab-
hingen. Die Kronen der exponierten Baume hatten ganz
das Aussehen, als waren sie abgeschlagen worden und
hatten dann mehrere Stunden in brennender Sonnenhitze
gestanden. Die mechanische Wirkung des Windes erfolgte
erst, nachdem die Blatter durch das Welken den Turgor
verloren hatten. Die meisten Blatter konnten sich nicht
mehr erholen; es traten an ihnen vielmehr bald zahlreiche
braune Flecken auf. Die Braunfarbung begann gleich-
zeitig an unzahligen naheliegenden, aber doch isolierten
Stellen und zwar immer in der Mitte der Alveolen, d. h.
an den Stellen, welche am weitesten von den leitenden
Bahnen entfernt waren. Es kann sich demnach nur um
eine Erscheinung des Austrocknens handeln.a
Im April 1899 hatte ich in Basel Gelegenheit, an
einer jungen Rosskastanie eine ahnliche Beobachtung zu
machen. Kaum belaubt, tritt ein Temperatumickschlag
mit anhaltend kaltem Regen ein. Die Blatter werden
schlaff und welk, selbst einige Blattstiele beginnen eine
hangende Stellung einzunehmen; sobald aber wieder
warmeres Wetter kam, nahni das Laubwerk wieder das
normale Aussehen an. Die Rosskastanie, ein Baum der
sudlichen Balkanhalbinsel, zeigte sich viel empfindlicher
als unsere einheimischen Baumarten, an denen . dieser
Temperatumickschlag keine so augenfallige Veranderung
bewirkte.
Solche plotzliche Temperaturnickf&lle, verbunden mit
426
Schneefall und eiskaltem Regen, konnen aber in der Arktis
das Pflanzenleben auch selbst wahrend der kurzen Vege-
tationsperiode jederzeit uberraschen ; diese Verhaltnisse in
Verbindung mit der austrocknenden Windwirkung be-
dingen wohl hauptsachlich das ausserordentlich xerophile
Geprage der arktischen Flora; alle andern Faktoren sind
dagegen nur mehr von sekundarer oder lokaler Bedeutung.
II. Faktoren, welehe die Transpiration beschleunigen.
Unter diesen Faktoren kommen natiirlich in allererster
Linie die bereits erwahnten heftigen Winde bei gleich-
zeitigem Niederschlagsmangel in Betracht. Aber auch
die herrschende Trockenheit der Luft wird die
Verdunstungsgefahr erhohen. Payer und Weyprecht be-
richten16*), dass das schlimmste Leiden winterlicherSchlitten-
reisen im hohen Norden der Durst ist, der nur schwer be-
friedigt werden kann. Sobald aber die Sonne wieder er-
sclieint und den Schnee feucht macht, verschwindet das
peinigende Durstgefuhl augenblicklich. Die andauernde
Beleuchtung im Polarsommer und oft auch die
recht bedeutenden lokalen Erwarmungen 16b)
vermehren ebenfalls die Verdunstung.
Wenn man bei Beurteilung der Warmequellen, welehe
der arktischen Pilanzenwelt zur Verfugung stehen, nur
die Luftteni])eratur berucksichtigen wollte, so wtirde sich
daraus ein ganz falsches Bild ergeben.
Eine ganz hervorragende Warmequelle ist die direkte
Sonnenstrahlung und das Warmeabsorptions-
vermogendunklerKorper. Schon Afiddendorff sagt :
„Auf unmittelbar von der Sonne beschienenem Boden sah
,c^ Hann, 1. c. Bd. Ill, pap. 475.
16b) Siehe pag. 427.
427
ich wiederholt das Thermometer zu Anfang August bis
fiber 30° C steigen, so dass es wohl den dreifachen Be-
trag der Lufbtemperatur erreichen mochte."
In der Assistance-Bucht17), unter 74° 30' n. Br., be-
obachtete man schon im Marz bei einer Lufttemperatur
von — 31° bis — 33° C den Schnee im Schmelzen, wo er
fiber Steinen oder in der Nahe der dunklen Schiffskorper
lag. Von besonderer Bedeutung sind aber vor allem die
genauen Beobachtungen von Kjellman und Kihlmatu
Kjellman11*) machte auf dem Sandstrande von Pitle-
kaj, am 8. Juli 1879 vormittags 10 Uhr, folgende lehr-
reiche Versuche iiber gleichzeitige Luft- und Boden-
temperaturen:
Lufttemperatur 1 m iiber dem Boden = + 6,8° C
, an der Erdoberflache = + 14,5° C
Bodentemperatur in 10 cm Tiefe = + 23° C
„ in 15 cm Tiefe = + 17° C
Kihlmansllb) Beobachtungen in Woroninsk und Orlow
auf Kola bestatigten diese Ergebnisse vollstandig. Dieser
Forscher konstatierte einen durchschnittlichen Unterschied
von 8 — 10° C zwischen der schnell erwarmten Oberflache
und den 2 m hoheren Luftschichten. Dieser Betrag kann
sich aber noch ganz bedeutend steigern. Am 29. Juni wurde
bei Woroninsk eine DitFerenz von 18,7° C festgestellt.
Solche lokale Erwarmungen verursachen oft auch in
der Pflanzenwelt ganz aussergewohnliche Erscheinungen;
auf sie ist einerseits die iiberaus grosse Ungleichheit in
der Entwicklung einer und derselben Pflanzenart und die
von Polarfahrern ofters erwahnte Tatsache bliihender
Pflanzen mitten im Polarwinter zuriickzufiihren.
IT) Hann, 1. c. III., pag. 472.
1T*>In Schinipcr, Pflanzen geographic (1898), p. 699. 17b> J. c. p. 30/31
428
Die enorme Bedeutung der schnellen Erwarmung der
obersten Bodenschichten fur das Pflanzenleben in hohen
Breiten wurde bereits von Carl Ernst v. Bdr erkannt. „In
den unwirtlichen Einoden der nordischen Tundren konnen
oft nur diejenigen Sprosse und Wurzeln, welche sich der
Oberflache hart anschmiegen, ihre Vegetationszeit auf das
notige Mass ausdehnen und die Temperaturschwelle der ver-
schiedenen Entwicklungsphasen rechtzeitig xiberschreiten."
Die Feuchtigkeit oder Trockenheit des
Bod ens spielt bei der Entwicklungsfahigkeit der Flora
in diesen Zonen eine enorme Rolle. Wir erinnern nur an
die meist mehr oder weniger feuchten Tundren einerseits
und anderseits an die trockenen, geneigten Flachen in
den Flusstalern oder im Hintergrund der Fjorde, die mit
ihrem bunten Flor nicht selten an einen gut gepflegten
Garten erinnern; es sind das die lieblichsten Vegetations-
bilder, welche die Arktis hervorzuzaubern vermag. In
voller Bliite gewahrt die Zwergstrauchheide und die ark-
tische Mattenformation ein Bild, das lebhaft an unseren
herrlichen Alpenfriihling erinnert und Aug' und Herz er-
quickt. Leider treten aber solche Vegetationsbilder, die
C. E. v. Bar als die Warmeoasen der Arktis bezeichnet,
gegeniiber der unendlichen monotonen Charakterformation
der Arktotundra, den Fjeldformationen, ausserordentlich
stark zuruck, so class sie jeweilen nur ganz lokale Be-
deutung zu erlangen vermogen.lb)
Sehr viel Warme wird der Polarzone aber auch aus
fremden Gebieten zugefiihrt. Als solche fremde Warme-
quellen kommen hauptsachlich in Betracht:
u)M.Rikli, Die pflanzlichcn Formationen der Arktis
mit ein em Formation sprofil. Vierteljahrsschrift der Natur-
forschenden Gesellscbaft in Zurich. Bd. XL VI (1901), pag. 300—322.
429
1. Grosse Kontinentalstrdme, die ihr Quell-
gebiet in Gebirgen weit im Siiden haben. Die
Kiistengebiete yon ganz Nordasien erhalten auf diese Weise
aus siidlichen Breiten j&hrlich eine ganz bedeutende Warme-
menge zugeftihrt. Der Eisgang dieser Riesenstrome ist eine
Folge der fruhzeitigen Schneeschmelze im stidliclien Teil
ihrer Sammelgebiete; diese erfolgt schon zu einer Zeit,
wo der Norden noch in tiefstem Winterschlafe verharrt.
Die grosse Bedeutung dieser Katastrophe ergibt sich schon
aus der Tatsache, dass unmittelbar nach dem Eisgang die
Vegetation in wenigen Tagen erwacht und zwar zunachst
in den grossen Flusstalern, um von hier allmahlich land-
einwarts, gegen die offene Tundra, vorzuschreiten. Nach-
dem Seebohm die grossartige Erscheinung des Eisganges
des Jenissei geschildert, sagt er19): „Wir befanden uns nun
auf einmal mitten im heissen Sommer, pfliickten Blumen
von zahlreichen verschiedenen Pflanzen und taten uns giit-
lich an den Eiern zahlloser Vogel."
2. Von noch grosserer Bedeutung sind die Meeres-
stromungen; sie sind fiir den gesamten Haushalt der
Polarregion von allergrosster Wichtigkeit. Einerseits sind
es warme Strdmungen, welche aus der gemassigten und
subtropischen Zone kommen und der Arktis sehr grosse
Warmemengen zufuhren, sie bewirken ein friihzeitigeres
Aufbrechen und Abschmelzen der im Winter gebildeten
Eismassen. Anderseits sorgen die Polarstromungen fiir die
Abfuhr des aufgebrochenen Polareises und der losgelosten
Eisberge nach siidlicheren Breiten, in denen die Ab-
schmelzung dann rascher vor sich geht.
Es ist unzweifelhaft, dass der Verlauf der polaren
■■) The North Polar Basin by Henry Seebohm. Arctic Climate.
British Assoc Nottingham. Sept 1893. Geogr. Journal. Oct 1893.
430
Baumgrenze haupts&chlich von den im Polarbecken vor-
handenen grossen Meeresstromungen abhangig ist. Je
nachdem diese Lander von warmen oder kalten StrSmungen
bespiilt werden, wird die Baumgrenze nordwarts oder siid-
w&rts verschoben. Der Polarpunkt der arktischen Baum-
grenze liegt bei Lukino, an der unteren Chatanga, bei
72° 40', der Sudpunkt unter 51° n. Br. im nOrdlichsten
Neufundland; es ergibt sich somit eine Differenz von mehr
als 20 Breitegraden. Dies entspricht ungefahr dem Breiten-
unterschied Zurich-Hammerfest.
3. Von mehr lokalem Einfluss, obwohl in ihrer Wir-
kung keineswegs zu unterschatzen, sind endlich warme,
fShnartige Winde.19*) So besitzt Westgronland einen
Fallwind, der mit unserem Fohn in alien wesentlichen
Punkten ubereinstimmt. ffinkVJh) beschreibt ihn als einen
warmen, trockenen Ost- und Siidostwind, der tiber das
v5llig vergletscherte Innere Grdnlands heriiberkommt und
sturmisch auf die Fjorde einfallt. Nach Hoffmeyer19*) hat
der gronlandische Fohn dieselbe Entstehungsursache wie
unser Alpenfohn. Er herrscht jeweilen, wenn tiber der
Davisstrasse ein barometrisches Minimum und hoher Lufk-
druck im nordatlantischen Ozean, in der Gregend von Is-
land, vorhanden ist. Im Winter vermag dieser F6hn die
Temperatur durchschnittlich 12 — 20° C uber die mittlere
Monatstemperatur zu bringen und im Herbst und Friih-
ling immer noch um 8—12° C. Ahnliche Polarf&hne sind
audi von der Ostkuste Gronlands, von Island und auch
*••) Ilamu 1. c. Bd. I (1897), pag. 344.
19b) Rink, Physikal. Beschreibung von Nord- und Stidgronland.
Zeitschrift fiir Allgemeine Erdkunde. Bd. II, 1854.
19e> Hoffmcyer, Lo fophn du Gronland. Iteferat siehe Zeit-
schrift fur Meteorologie. Bd. XIII, 1878, pag. 65 und 70.
431
von Ostsibirien bekannt geworden. Gewohnlich halt dieser
Fohn allerdings nur wenige Tage an, in Westgronland ver-
mag er jedoch jeden Winter langere Zeit die Herrschaft
zu behaupten; im November und Dezember 1876 wehte
derselbe sogar 18 bis 20 Tage. Die bevorzugte Stellung
Westgronlands in der Polarregion ist wenigstens zum Teil
aof das haufige Einsetzen dieser fohnartigen Winde zuriick-
zufiihren.
Wenn die Temperaturverhaltnisse des hohen Nordens
gegenuber dem Mangel an Niederschlagen und der er-
schwerten Wasserzufuhr erst in zweiter Linie in Frage
kommen, so ist doch nicht zu verkennen, dass dieselben
fiir die Entfaltungsfahigkeit der Pflanzenwelt immerhin
entscheidend sind. Ohne Bedeutung sind die Minima; dies
lehrt uns schon der einfache Hinweis auf die Lage des
Kaltepols, der bei Werchojansk noch mitten im Waldgebiet
liegt; das verhaltnismassig milde ozeanische Klima der
Ktistengebiete und Inseln des Polarmeeres ermoglicht nur
eine ausserst dtirftige Pflanzenwelt, in denen die Flechten-
fjelde, besonders das Lecanoretum, und die Felsentundra
in ihren trostlosesten Ausbildungen vorherrschen, und
doch verzeichnen diese Gebiete keine so tiefen Minima
wie die inneren Teile des Landes. Als Erich der Rote (983)
das grosse arktische Land im Westen von Island entdeckte,
nannte er es Gronland, d. h. grimes Land, nicht um durch
falsche Vorspiegelungen Kolonisten zur Ansiedelung an-
zulocken, sondern um den Gegensatz zwischen dem oden
und unwirtlichen Kiistengebiet und dem frischen Griin
der tief einschneidenden Fjorde zum Ausdruck zu bringen.
In ihrem Hintergrund beherbergen dieselben neben herr-
lichen arktischen Matten und Zwergstrauchheiden selbst
noch kleine Buschwalder aus Salices, Erlen, Zwergbirken ^m
432
und Sorbus americana. Laube schreibt80) : „Das auf den
Aas3eninseln kaum oder gar nicht, an den Kxisten des
Festlandes nur sparlich gedeihende Zwergholz, Birken und
Weiden wird, je weiter man in die Fjorde hineinkommt,
desto kraftiger und starker, und das Ufer eines solchen
weit ins Land eingreifenden Meeresarmes birgt oft einen
recht ansehnlichen Bestand fast mannshohen Buschholzes."
Ein grosser Teil der arktischen Pflanzenwelt meidet
das Kii8tenklima; die reicbste Entwicklung der nordischen
Pflanzenwelt wird in den kontinentaleren Teilen der Arktis
erreicht. Bei Vergleichung der einzelnen Fjorde ergibt
sich, dass die tiefst eingeschnittenen in ihrem Hintergrund
auch die reichste Flora besitzen. Ausserordentlich lehr-
reich ist in dieser Hinsicht der Eisfjord auf Spitzbergen.
Von den 123 Bliitenpflanzen des ganzen grossen Archipels
konnen wir hier 113 Arten sammeln, so dass diesem kleinen
Gebiet nur 10 Arten der gesamten Inselgruppe fehlen.21)
Diese auffallende Tatsache findet ihre Erklarung in
der Verschiedenheit des Klimas der Ktistengebiete gegen-
iiber demjenigen des Binnenlandes. Das Klima ist im
Sommer durch haufige Wolken- und Nebelbildungen aus-
gezeichnet; dementsprechend ist die Insolation vermindert
und die Schneemassen verschwinden an der Xiiste viel
spater als im Innern. Die Einfahrt in einen solchen
Fjord bringt daher oft allerlei Uberraschungen. Herrscht
an der Kiiste noch der Winter, so ist der Hintergrund der
Fjorde nicht selten schon schneefrei und die Vegetation
bereits aus ihrer Winterruhe erwacht. Im hinteren Teil
*°) Die zweite deutsche Nordpolarfahrt in den Jahren 1869
und 1870 unter Fiihrung des Kapitans K. Koldewey. Bd. I (1873),
pa^r. 158.
") Engler, Botan. Jahrbticher. Bd. IV, pag. 439/443.
433
der Fjorde ist der Himinel weniger bewolkt, die Wirkung
der Sonnenstrahlen, die auf den Abhangen nahezu recht-
winklig einfallen konnen, ist bedeutend grosser und so
wird die Vegetationsperiode verlangert. Gegenuber diesen
Vorteilen haben die tieferen winterlichen Minima fur die
Vegetation nichts zu bedeuten.
Feuchtigkeit, Temperaturverhaltnisse und Bodenbe-
schaffenheit sind fur den wirtschaftlichen "Wert eines
Landes die drei ausschlaggebenden Faktoren. Die beiden
ersten Momente ergeben nun besonders infolge der niederen
Sommer temper aturen, der auffallend sparlichen Nieder-
schlage und der grossen Trockenheit der Luft fur die
Pflanzenwelt sehr ungunstige Lebensbedingungen. Zudem
ist das Klima in der ganzen Polarzone ausserst gleich-
massig; so kommt es, dass die wechselnde Bodenbeschaffen-
heit in der arktischen Natur die grossten Gegensatze her-
vorzubringen vermag. Es sei nur einmal daran erinnert,
was wir an anderer Stelle bereits iiber die verschiedenen
Charakter der Pflanzenwelt des feuchten und des trockenen
Bodens gesagt haben. Bei den iiberaus ungiinstigen, auf
weiten Gebieten sich nahezu gleichbleibenden klimatischen
Bedingungen der Polarregion, wird der jeweiligeLokal-
charakter, wie kaum in einer anderen Zone, fast aus-
schlieeslich durch die Bodenbeschaffenheit bedingt.
Der Einfluss des Bodens ist ein dreifacher:
1. die Neigung und Exposition,
2. die Durchlassigkeit,
3. die chemische Beschaffenheit.
A. Neigung und Exposition. Bei dem niederen Sonnen-
stand der Polarzone ist die Neigung des Bodens, welche
die Sonnenstrahlen unter gunstigerein Winkel, ja selbst
28
434
senkrecht einfallen lasst, fur das pflanzliche Leben von.
eminenter Bedeutung.
Die dadurch erreichten Vorteile sind von zweierlei Art z
a) Durch das mehr oder weniger senkrechte Einfallen
der Sonnenstrahlen erfolgt auf jede Flacheneinheit
eine erhohte Warmezufuhr. Die grossere Sonnen-
wirkung bringt Schnee und Eis rascher zum Schmelzen
und so werden solche Standorte frtihzeitiger schneefrei,
d. h. die Vegetationsperiode dieser Gebiete wird oft nicht
unerheblich verlangert.
b) Durch die Neigung des Bodens wird aber auch
das Schmelzwasser zum raschen Abfliessen ge-
notigt^ es bleibt in solchen Lagen nicht an Ort und
Stelle liegen, um bei nebligen Tagen oder infolge der
Nahe des Bodeneises wieder zu gefrieren, um spater neuer-
dings aufgetaut zu werden, wie das auf ebenen Flachen
mit dem Eisboden als Unterlage sich sehr leicht mehr-
mals wiederholen kann. An ebenen Stellen verrichtet da-
her die Sonne in der Arktis eine eigentliche Danaiden-
arbeit. Ihre Wirkung ist zudem bedeutend abgeschwacht,
da ja ihre Strahlen unter sehr schiefem Winkel einfallen.
Solche Gebiete werden daher oft erst gegen Schluss des
Polarsommers in den obersten Schichten schnee- und eis-
frei ; fur die Vegetation sind sie daher nahezu ohne Wert.
Die Befreiung von don Schnee- und Eismassen kann an
solchen Lokalitaten fast nur durch allmahliche Verdunstung
an Ort und Stelle erfolgen, ein Prozess, der bei den un-
gewohnlich ungiinstigen ausseren Bedingungen naturgemass
nur ausserordentlich langsam vor sich gehen kann.
Wenn aber bei geneigter Flache das Schmelzwasser
sogleich abfliesst, so wird der Boden rascher getrocknet ;
er ist nun erwarmungsfahig geworden, erst jetzt kommt
435
die Sommerwarme der Vegetation zu gut. So sind es zwei
Ursachen, welche zusammenwirken, dass die geneigte Fl&che
in der Polarregion dem Pflanzenwuchs giinstigere Verhalt-
nisse gewahrt.
Eigentliche Gebirgsformen wirken dagegen in den
arktischen Gebieten sehr ungunstig auf die Pflanzenwelt
ein, denn durch den tiefen Stand der Sonne wird der
Schattenkegel der Berge sehr stark verlangert und so auch
im Sommer grosse Flachen lange Zeit der Besonnung ganz
entzogen. Die Gebirge geben ferner, sobald sie die bei
kaum 300 m liegende Schneegrenze uberschreiten, Veran-
lassung zu bleibenden Ansammlungen von Schnee und Eis,
die jeweilen auch eine klimatische Depression der Nachbar-
gebiete bewirken. Indem endlich die Schnee- und Eis-
massen Abfluss nach der Niederung suchen, bedecken sie
ihrerseits wieder weite Gebiete, die sonst noch der Vege-
tation zuganglich waren.
Dass die Arktis somit nicht noch weit ungiinstigere
Vegetationsverhaltnisse zeigt, verdankt sie mithin haupt-
sachlich ihreni topographischen Charakter, d. h. dem Vor-
wiegen welliger Hiigellander; wo das Gelande sich zu
ioheren Formen erhebt, wie in Gronland, in Franz-Joseph-
Land und auch in einzelnen Teilen Spitzbergens, da bildet
sich gleich das allem Leben feindliche Inlandseis.
Topographisch werden also ebene Flachen und aus-
gesprochene Gebirgsformen, welche sich uber die ortliche
Schneegrenze erheben, ungiiiistige Verhaltnisse hervorrufen,
schwach geneigte Flachen und Hiigellander dagegen dem
vegetativen Leben die giinstigsten Bedingungen gewahren.
B. Durchlassigkeit des Bodens. Die mehr odor weniger
grosse Durchlassigkeit des Bodens ist nachst der Neigung
Qnd Exposition von ausschlaggebendem Einfluss. Ober-
436
flachlich schwereroder so gar undurchlassiger
Boden bedingt unter alien Umstanden sehr ungtinstige
Verhaltnisse, besonders wenn der Boden dazu noch eben
ist; in diesem Falle bleibt das Schmelzwasser liegen, um.
von unten immer wieder von neuem zu gefiieren. 1st der
Boden etwas geneigt, so kann das Eis in den oberflach-
lichen Schichten schon auftauen, das Schmelzwasser wird
aber jetzt von den Erdpartikelchen festgehalten und fliesst
nicht ab; der Boden muss dann wieder an Ort und Stelle
durch die Insolation trocken gelegt werden; so wird trotz
der geneigten Bodenlage die Vegetationsperiode wiederum
verzogert.
Haben wir dagegen oberflachlich durchlassigen Boden r
so kann das Schmelzwasser gleich in die Tiefe sickern
und der Boden wird dem vegetativen Leben fruhzeitig
zuganglich.
In einer anderen Hinsicht scheinen aber durchlassiger
und undurchlassiger Boden sich anders zu verhalten, nam-
lich in Bezug auf das Bodeneis. Im lockeren Boden
Sibiriens, z. B. bei Jakutsk, geht der Eisboden bis zu
200 m Tiefe22); in derselben Breite am Makenzie betragt
die Machtigkeit des Eisbodens in undurchlassiger, grani-
tischer Unterlage nur zwei Meter. Man darf sich aber
durch diese auffallenden Zahlen nicht irre fiihren lassen.
Dass die Machtigkeit des Eisbodens fur das pflanzliche
Leben ziemlich irrelevant sein muss, ergibt sich schon aus
der geographischen Verbreitung des Eisbodens; derselbe
reicht noch in die subarktische Region und damit in das
,2) In dem bis zu 116 m fretriebenen Scherginschacht bei Jakutsk
liat man don Eisboden noch nicht durchbrochen; nach der Warme-
zunalimo in diesem Schacht berechnete man die Tiefe des Boden-
eises auf 186 m.
437
Waldgebiet. Die Tiefengrenze des Eisbodens entspricht
der Bodenschicht, in der das Thermometer noch dauernd
auf dem Gefrierpunkt steht. Fiir das Pflanzenleben
kommen abernur die obersten Bodenschichten
in Betracht; wenn diese aufgetaut sind, so kann das
vegetative Leben beginnen, wenngleich in der Tiefe das
Bodeneis noch so machtig ist. Die arktischen Pflanzen
sind daher fast ausnahmslos flachwurzelig. Die Wur-
zeln dringen nur wenig in den Boden ein, um sich dann
oft unmittelbar unter der Oberflache nach alien Seiten
auszubreiten.
Der durchlassige Sandboden kann sich einzig genugend
erwarmen um, auch selbst im hohen Norden, eine etwas
reichere Vegetation zu erlauben; auf ihm dringen in den
grossen Flusstalern die Larchen am weitesten nach Norden.
Die Erhaltung des Bodeneises in den obersten Erd-
schichten kann aber auch noch durch den Charakter der
Vegetationsdecke begiinstigt werden. Es sind besonders
die Vergesellschaftungen von Moosen, welche durch ihre
grosse Hygroskopizitat den Boden lange Zeit vor der
direkten Erwarmung und damit das Bodeneis vor dem
Auftauen schiitzen.
C. Chemische Beschaffenheit des Bodens. In hohen
Breiten erfolgt nach Ramann die Verwitterung und damit
die TJrbarmachung des Bodens hauptsachlich durch die
Humussauren. Die Kohlensaure soil bei diesem wichtigen
Prozess nur eine sehr untergeordnete Rolle spielen. Diese
Art der Verwitterung findet sich in Mitteleuropa nur auf
ganz armen, torfigen Boden arten und im Hochgebirge.
Von hohem Interesse ist die Tatsache, dass die Kraft
der Dungung sich bis in aussersten Norden bewahrt.
(Jberall, wo die Polarvolker wahrend einiger Zeit ihre
438
Zeltlager aufgeschlagen hat ten, am Ausgang der Hohle des
Eisfuchses und ganz besonders auf den angeschwemmten,
jahrlich unter Wasser gesetzten, schlammreichen Niede-
rungen, den sogen. Laidy Middendorffs, zeigt die Vege-
tation ein ungewShnlich uppiges Aussehen.88) Auch Kihl-
man erwahnt solche Laidys als mit uppiger Grasvege-
tation eingenommene Schwemmlandbildungen am "Woronje
auf Kola.
Die Bareninsel im nordlichen atlantischen Ozean
besitzt ein ausserordentlich odes Aussehen. Nur die ins
Meer hinausragenden Felsklippen zeigen ofters kraftigeren
Graswuchs und viele dieser steilen Riffe sind mit iippig
wuchernder Cochlearia geschmiickt. Die Ursache dieser
seltsamen Erscheinung ist der unglaubliche Reichtum an
Seevogeln, denn nur wo diese nisten und wo dicke Lagen
von Vogelmist die Felsen bedecken, kann sich unter diesea
Breiten noch eine so uppige Vegetation entfalten.
Wie bereits betont, ist unter den klimatischen Faktoren
der Mangel an Feuchtigkeit fur die Pflanzenwelt ohne
Zweifel von entscheidendster Bedeutung. Welches sind
nun die Anpassungserscheinungen der arktischen Flora an
Trockenheit ? Dieselben beziehen sich sowohl auf den Bau
des Blattes wie auch auf die Sprossachsen ; ja sogar im
Bau des Wurzelsystems lassen sich bei vielen Arten Adap-
tionen erkennen.
Die grosste Sorgfalt wird auf die morphologisch-
anatomische Ausbildung derBlattorganegelegt.28*)
M) M. Rikli, 1. c. pag. 316—817, ferner pag. 320.
,3*^ In Bezug auf Nomenklatur und Autoren machen wir auf
die soeben im Erscheinen begrifleno Flora arctica ven C.H. Ostcn-
feld ((uiglisch) aufmerksam. Heft I (1902) enthalt die Pteridoplyten,
Gymnospermen und Monocotyledonen.
439
1. Verkleinerung der Blattfl&che. Die Kleinblattrigkeit
oder die Ausbildung microphyller Varietaten ist eine ganz
allgemein verbreitete Erscheinung. Nach Warming sind
fast alle gronlandischen Exemplare von Vacciniumuli-
ginosum der var. micro phyllum23b)zuzuzahlen. Die
Blatter von Rhododendron lapponicum sind die
kleinsten dieses Genus. Auch der Vergleich von Dry as
octopetala aus siidlicheren und nordlicheren Breiten
zeigt eine deutliche Verkleinerung der Blattflachen nach
dem hohen Norden; die nordische Varietat D. octopetala
v. integrifolia besitzt im hochsten Norden fast schuppen-
fbrmige Blattchen. Durchschnittlich sind die Blatter von
Ledum palustre v. decumbens viel kleiner als die
mittelschwedischen und deutschen Ledum-Exemplare. In
diesem Zusammenhange seien auch die Blatter von Em-
petrum und Phyllodoce erwahnt.
Die Natur wird gewiss nicht diejenigen Organe, von
denen die Ernahrung und ganze Entwicklung abhangig
ist, kleiner machen, als durchaus notwendig ist. Auch Van-
hoffen fuhrt diese erhebliche Verkleinerung der Vegetations-
organe auf die grosse Verdunstungsgefahr zuriick.
Doch nicht immer erfolgt eine solche Verkummerung
der Blattflache. Abromeit macht auf einige abweichende
Beispiele aufmerksam. Bei Alchemilla vulgaris sind
dfe Blatter so gross wie bei deutschen Exemplaren, auch
Rubus chamaemorus, die Moltebeere, hat recht statt-
liche Blatter. Potentilla Anserina f. groenlandica
entwickelt gelegentlich selbst noch grossere Blatter als
die bei uns vorkommenden Formen dieser Art; dasselbe
gilt fur Ledum palustre v. groenlandica. Doch ge-
horen all diese Arten mehr der Subarktis, der Ubergangs-
tundra oder den siidlichen Teilen der Arkto-Tundra an
Mb> Siehe Tafel pag. 444.
440
2. Grosse Verbreitung lederartiger, immergrOner Blfttt-
chen. Die meisten Vertreter der arktisohen Zwergatrauch-
heide sind diesem Typus zuzuzahlen. Es sei zunachst nur
an die zahlreichen nordischen Ericaceen erinnert: Loise-
leuria, Phyllodoce, Cassiope, Ledum, Oxycoocus, Rhodo-
dendron, Andromeda, ferner an Empetrum, Diapensia etc.
Die Blatter all dieser Pflanzen sind steif und hart und
besitzen eine aussergewohnlich starke Cuticula, die Ober-
flache dagegen ist trotzdem nicht selten schuppen- oder
nadelformig verkummert. Es sind alles zwerghafte Hart-
laubgewachse, welche befahigt sind, an schneefreien Lagen,
auch im Winter, die lokalen Erwarmungen sogleich aus-
zuniitzen; es ist dies um so wichtiger, als ja durch die
Reduktion der Blattflache die Assimilationst&tigkeit beein-
trachtigt wird.
3. Den Sprossachsen dachziegelartig anliegende Blfttter.
Die Stomata finden sich auf der Blattoberseite ; zwischen
Stengel und Blatt, an windgeschutzter Lage, sind sie gegen
zu weitgehende Wasserabgabe geschxitzt. Die beiden
Cassiope-Arten und Lycopodium annotinum v. pun-
gens sind fur diesen Fall besonders typische Beispiele.
4. Zusammenrollbarkeit des Blattes. Eine ganze Reihe
von Arten sind wie Steppengraser durch Gelenkapparate
ausgezeichnet, die bei eintretendem Wassermangel infolge
Turgorverlustes ein Zusammenrollen der Blatter ermdglichen
(Loiseleuria). Die Einrollung kann je nach der Lage des
Gelenkgewebes sowohl nach der Blattober- als auch nach
der Blattunterseite erfolgen. Im ersten Fall sind dann die
Spaltoffnungen auch auf der Oberseite des Blattes. Kihl-
man macht darauf auimerksam, wie durch Langsrillen-
bildungbei Carex vulgaris v. juncella und bei C. aqua-
til i s d ie Leistungsfahigkeit d ieses Apparats noch erhdht wird .
I
1
1
I
s
*1
15
e
1
1
a
4
S
i
s
B
UJ
I
to s
^
B
1
i
f
I
..
B
fa
if
> o
r
441
5. Neigung zur Sukkulenz, ein xerophiles Anpassungs-
merkmal, das in der arktischen Flora jedoch eine ziem-
lich untergeordnete Rolle spielt. Doch lassen sich auch
hier einige Beispiele auffuhren, mehrere Saxifragen sind
mehr oder weniger sukkulent. Typische Sukkulenten liefern
die genera Ehodiola, Eutrema, Amadenia; audi
die Cochlearien neigen zur Sukkulenz.
6. Die Trichophyllie, d. h. die dichte Behaarung der
Blatter (siehe pag. 4 und Adnota 6).
7. Ausbildung von einer Wachsschicht auf der Blattunter-
seite. Dies ist z. B. der Fall bei Andromeda polifolia,
Salix glauca und reticulata und bei Yaccinium uliginosum.
8. Ganz besondere Sorgfalt wird endlich auf die Aus-
bildung des Spaltdffnungsapparates verwendet. Die Anlage
der Stomata erfolgt immer an moglichst versteckten Lagen,
die Spaltoffnungszellen selbst zeigen r i ihren feineren Bau-
verhaltnissen zahlreiche Adaptionen, wie: starke ftussere
Yerdickungsleisten, Ausbildung von aussern und innern
Yorhofen, Auftreten innerer Atemh5hlen, welche mit
grossen,etwasderbwandigen,plasmaarmenZellenuberwolbt
sind (Uncina nach Kihlman); ferner sind die vertieften
Stomata ofters durch eine zottige Haarbedeckung (Ledum.
Loiseleuria, Phyllodoce, Dry as etc.) weiters geschiitzt.
An den Sprossachsen fallt uns zunachst
9. die meist starke VerkQrzung der Internodien auf; so
bekommen die Blatter eine dichte, gedrangte Stellung und
die Pflanzen einen ausserst gedrungenen Wuchs (Cassiope).
10. Bildung rasselnder, dQrrer HQIIen, die aus alien,
abgestorbenen Blattern bestehen und die jungen. zarten
Triebe nebst dem Vegetationspunkt schiitzend umgeben.
Schon C. E. v. Bar und Middendorff haben darauf hinge-
wiesen, dass die verdorrten Blattmassen oft jahrelang nocb
442
den lebenden Stammscheitel umgeben. Diese Erscheinung
ist fiir die meisten Polsterpflanzen, vor allem fur die
Diapensialapponica, bezeichnend, aber selbst einige
Sal ices (S. bogadinensis Nordasiens) und sogar Farren,
wie Aspidium fragrans zeigen diese Schutzvorrichtung.
1 1. Das Aufsuchen der Bodenw&rme. Nur auf der Lee-
seite von Felsen und grosseren Blocken, sowie im Wind-
schutz kleiner Hugelziige und Terrainwellen") vermogen
die polaren Weiden und Birken sich zu kleinen Spalier-
baumchen zu erheben ; ihre, die schiitzenden Blocke iiber-
ragenden Zweige werden von den austrocknenden Winden
jeweilen wieder abgetotet. In offenen Lagen sehen wir
dagegen nicht selten die Hauptsprossachsen im Boden und
nur die Seitenzweiglein dieser Zwergstraucher ragen uber
denselben bis Spannhohe empor. So verhalt sich z. B. die
Wollweide, Salix lanata; auf Nowaja Semlja kriecht sie
oft 4 m unmittelbar unter der Erdoberflache hin und er-
hebt sich kaum 25 cm uber dem Boden.26)
12. Bildung halbkugeliger Polster, welche bekanntlich
durch eine ausserordentlich reichliche und dicht stehende
Verzweigung aus kriechenden Hauptachsen zustande kommt,
ist im hohen Norden allgemein verbreitet. Solche Polster-
pflanzen sind besonders an moglichst windoffenen, unge-
schiitzten Standorten angesiedelt. Am Kap Tscheljuskin,
der Spitze Nordasiens, wurde von der Vegaexpedition bei
einer Ausbeute von nur 23 Bliitenpflanzen nicht weniger
als 13 Polsterpflanzen gezahlt.
a*) .7. Frith, Die Abbildung dor vorberrschenden Winde
durch die Pflanzenwolt. Jahresbericbt der geograpbisch-
etbno^rapbischen Gesellscbaft Zurich 1901/02, pag. Ill — 118.
M) A.Kirchhoff, Pf lanzen- und Tierverbreitung. Abt. Ill
von Hann, Hochstettcr, Pokornys allgemeine Landerkunde, ed. V
U899> pag. 141.
443
Wie wir bereits an anderer Stelle kennen gelernt
haben, zeigt selbst das Wurzelwerk durch seine unter der
Erdoberflache horizontale Ausbreitung eine zweckmassige
Anpassung an die xerophytischen Existenzbedingungen der
arktischen Flora; denn eine solche Entfaltung des Wurzel-
systems ist gleichbedeutend mit einer vermehrten Wasser-
absorptionsfahigkeit.
Die Polarpflanze verfugt somit liber eine stattliche
Zahl von Mitfeln, um zu demselben Ziel: ausgiebiger
Schutz vor zu weitgehender Abgabe von Wasser-
dampf, zu gelangen. So sehr wir aber all diese An-
passungserscheinungen in ihrer Zweckmassigkeit und voll-
endeten Ausbildung bewundern mogen, so miissen wir
doch immerbin zugeben, dass das arktische Klima auf die
gesamten Vegetationsorgane einen sehr ungunstigen Ein-
fluss ausiibt, indem es dieselben zu moglichster Material-
ersparnis und damit zu den weitgehendsten Reduktionen
notigt.
/
444
o
•a
00
©
o ~
1
O
>
sS
445
Erklarung der Tafel.
Diese Blattserie soil fur die Rauschbeere die Verkleinerung
der Blattflacbe im bohen Norden gegenuber den Blattern derselben
Art in unseren Breiten zur Darstellung bringen. Die Zeicbnungen
entsprecben den natiirlichen Grossenverbaltnissen ausgewacbsener
Blatter.
Xr.
Xr.
a) Blotter von Vacilnium uliginosum aus der Schwelz
Ton ca. 600-2300 m.
I f. macrophylla, Wachseldorn-Moos bei Heimenscbwand, leg.
C. Schroter.
II f. macrophylla, Waldmoore im Rosswald bei Wildhaus, circa
1250 m, leg. Chr. Briigger.
Xr. m Torfmoor von Hinwil, leg. E. Bcnz.
Xr. IV Hinterberg-Ried bei Schonenberg (Kt. Zurich), leg. Af. Rikli.
Xr. V Gipfel des Jagglishorn bei St. Antonien, Graubiinden, circa
2300 m, leg. M. Rikli,
b) Blatter Yon Yaecinium uliginosam aus der Arktis.
Xr. VI-— VIII Egedesminde an der Diskobucht in "Westgronland bei
ca. 68° n. Br. = f. microphylla.
Nr. VI sehr grosses Blatt.
Nr. VII mittlere Grosse ausgewachsener Blatter.
Nr. VIII kleines Blattcben, aber bereits ausgewacbsen.
446
Erklarung zu den beiden Chromotafeln.1)
Unsere beiden Chromotafeln bringen zwei der bezeichnend-
sten pflanzlichen Vergesellschaftungen des hohen Nordens zui
lebensvollen Darstellung : die arktische Mattenf ormatior
in ihrer hervorragenden Farbenpracht und die reizenden Typer
der arktischen Zwergstrauchheide. Um keine falscher
Vorstellungen zu erweeken, sei hervorgehoben, dass diese herr-
lichen Vegetationsbilder, die uns vielfach an unsern lieblicher
Alpenfruhling erinnern, in der Arktis gegenuber der unendlichen
monotonen Tundra sehr stark zurticktreten und nur auf den Ab-
hangen und Terra9sen der kliraatisch begiinstigten Flusstaler odei
im Hintergrund der geschutzten Fjorde einige physiognomischc
Bedeutung zu erlangen vermbgen. Und selbst an solchen Stand
orten werden die einzelnen Arten nur ausnahmsweise sich zi
so geschlossenen Formationen zusammenfinden. Bei den ge-
gebenen Grbssenverhiiltnissen der Bilder hatte aber unter Wie-
dergabe einer offeneren Bewachsung des Bodens die Darstellung
der einzelnen Pflanzen zu sehr gelitten. Ubrigens dtirften, wenig-
stens in den siidlichen Teilen der Arktis und in der Ubergangs*
tundra, solche mehr geschlossene Vegetationsbilder nieht gerade
zu den Seltenheiten gehoren. G. E. v. Bar schildert die Matte n
formation, diese Warme-Oasen des hohen Nordens, in beredter
Worten und sagt von ihnen, fman glaubt, kunstlich gepflegtc
Gartenbeete vor sich zu sehen*, und auf Nowaja Semlja be-
wundert er die „mit purpurfarbigen Blumen dichtbesetzten Raser
der Silenen und Saxifragen, gemisoht mit den azurnen Sterner
*) Die beiden Tafeln wurden ursprtinglieh, nach meinen Augaben, voi
Herrn Ludwig Schniter ausgefuhrt; in meinen pflanzengeographischen Vor
lesungen haben sie inir wiederholt wertvolle Dienste geleistet, so dass mehr
fach der WunHch genussert wurde, dieselben mochten durch Vervielfaltiguni
einem weitern Kreise zuganglich gemacht werden. Dera KUnatler, wie aucl
der Verlagsfirma bin ich fiir die verstandnisvolle Auffassung und Durohfuhrani
der gestellten Aufgabe, die mit nicht geringen Schwierigkeiten verbonden wat
zu grossem Dank verpflicbtet. I'm die einzelnen Arten in moglichster Xatur
treue wiederzugeben, wurde nicht nur eiu reichhaltiges, z. T. farbiges Bilder
material verwendet; auch das im botanisclien Museum des eidgenossisohei
Polytechnikum in Zurich aufbewahrte. von unserem hervorragenden Lands
mann O. Hoer angelegte arktische Herbarium lieferte viele Belegpflansen, di
besonders fur die richtige Darstellung der relativen Grdssenverhaltnisse stet
benutzt wurden.
446a
des Vergissmeinnicht, mit goldgelben Ranunkeln und Draben
und andern Bluten von blauen, weissen und hellroten Farben-
tonen, unter denen das Grtin, des sparliehen Laubes wegen, kaum
bemerkt wird." Verfasser veroffentlichte 1901 in der Vierteljahrs-
sehrift der naturforschenden Gesellschaft in Zurich (Jahrg. XLVI)
ein Forraationsprofil der arktischen Flora; in dem begleitenden
Text (pag. 300—322) findet sich auch eine kurze Charakterisierung
der beiden dargestellten Formationen.
Neben dem allgemeinen Vegetationscharakter und der Ver-
gesellschaftung bestimmter Arten zu scharf charakterisierten For-
mationen, veranschaulichen die beiden Tafeln endlich noch ge-
wisse pflanzengeographische Tatsachen, auf die wir hier auch
noch kurz verweisen mdchten.
I. ArktiMche flatten formation.
Nach den Verbreitungsverhaltnissen verteilen sich die zwolf
abgebildeten Vertreter dieser Formation wie folgt:
1. Arktisch-alpin (6) und zwar in den Alpen hauptsachlich
in der hoheren alpinen und nivalen Region verbreitet sind die
beiden zirkumpolaren Polsterpflanzen SileneacaulisL. und Saxifraga
oppositi folia L. Der Gletscherranunkel (Ranunculus glacialis L.), in
der hoheren Alpenregion allgemein verbreitet und von hier nach
den Karpathen und transsylvanischen Alpen ausstrahlend, ist im
Norden ausser der Fjeldregion Skandinaviens, Lapplands und
Kolas nur noch auf Island, Spitzbergen, Ost- und Westgronland,
bo wie in Labrador zu treffen. Ubrigens ist der nordische Gletscher-
ranunkel mit unserer alpinen Pflanze nicht ganz identisch ; ttber-
haupt zeigt diese Art eine aussergewohnliche Vielgestaltigkeit.
Im hohen Norden scheint Ranunculus glacialis hauptsachlich in
der Varietat genuinus aufzutreten; dieselbe ist besonders durch
ihre entschieden breitern Blattabschnitte ausgezeichnet. Diese
Varietat ist in den Alpen recht selten. Die alpinen Gletscher-
ranunkeln treten uns dagegen in zwei andern Formen entgegen :
als v ar. c r i t h m i f o 1 i u s, eine grossblutige Pflanze mit schmalen,
etwas tiefer eingeschnittenen, crithmumartigen und meist kahlen
Blattabschnitten und als var. holosericeus Gaud., eine in
alien Teilen kleinere Erscheinung, deren Blatter bfters noch mehr
zerteilt, deren Abschnitte jedoch gewohnlich mehr abgerundet
und in der Regel mehr oder weniger langhaarig sind. Beide Ab-
arten sind bald intensiv rot-, bald reinweissbliitig ; ubrigens
werden nicht selten an einem und demselben Stock gleichzeitig rote
446b
und weisse Bliiten beobachtet Die Vergleichung der nordischen
mit den alpinen Gletscherranunkeln ergibt somit, dass seit der
Eiszeit, wo die Pflanze ein einheitliches Verbreitungsareal be-
wohnte, in den nun getrennten Arealen sich eine beginnende
morphologische Differenzierung nachweisen lasst Ranunculus
pygmccus Wahlenbg. ist dagegen vollkommen zirkumpolar, im
Alpensystem jedoeh als Glacialrelikt auf einige, durch weite
Zwischenraume getrennte Stationen der Xivalregion beschrankt,
so in der hohen Tatra, in den hohen Tauern und als westlichster
Standort im Val Zeznina im Unterengadin.') In ihrer Verbreitung
mehr alpin, ja selbst subalpin, sind endlich Erigerm uniflorus L
und Primula farinota L. Beide scheinen grosseren Gebieten der
Arktis zu fehlen und da dieselben Gattungen angehoren, die im
Alpensystem besonders stark und in vielen Arten entwickelt sind.
durften wohl diese Arten im hohen Norden als sudliehe Ein-
wanderer aufzufassen sein.
2. Als arktisehe Florenelemente sind dagegen zu betrachten(5 :
Cochlearia fetustrata Br., bekannt durch ihre enorme Resistenz-
fahigkeit gegen die Angriffe des arktischen Winters. Papaver
radicatum Rottb., meist gelb, gelegentlich auch weiss, vollkommen
zirkumpolar und eine Hauptzierde aller Polarlander; nicht selten
wird er als erster Ansiedler auf Moranenschutt beobachtet, ja
selbst im Inlandseis des siidlichen Grbnlands ist er auf den Nuna-
taks, jenen steilen Felspyramiden, die sich aus der allgemeinen
Vereisung erheben, noch uberall anzutreffen. Beide Arten be-
sitzen jedoeh nahe Verwandte in den Alpen und zum Teil selbst
auch noch in den Gebirgen des mittleren und nordlichen Europas;
es sind: Cochlearia anglica L. und Papaver alpinum L., Pole-
monium pulchellum Bge. ist eine nordische, vikarisierende Art des
in der Gebirgsregion Mittel- und Nordeuropas eine weite Ver-
breitung besitzenden Polemonium cceruleuni L. Draba alpina L.,
eine zirkumpolare Polsterpflanze, welche einzig langs den grossen
Meridionalgebirgen, wie im Ural, in den Kjolen Skandinaviens und
an der Westkiiste Gronlands Vorstosse nach Suden macht, und
Calypso boreali8 Salisb. endlich ist eine der wenigen Orchideen
der arktischen Pflanzenwelt. Die iiusserst graziose, etwas tiber-
hangende Bltite gleicht einem Miniatur-Frauenschuh, indem das
Labellum sackartig ausgeweitet und durch zahlreiche rosarote
Saftmahle geziert ist.
*) AT. Hikli, Ranunculus pygnioeus Wahlenbg., eine neue Sohweizerpflanse.
Bericht der sohwelz. bo tan. GeseUschaft, Heft IX (1899), pag. 1— IS.
446c
3. Arktisch-zentralasiatisch ist SaxifragaJtagellarisW. mit ihren
rent Urn lichen Wandersprossen, die an ihren Enden jeweilen
len Ableger entwickeln. Auch diese Art ist nicht zirkumpolar.
i arktischen Asien allgemein verbreitet, f indet sie sich im nor-
ichen Europa nur noch sparlich auf Nowaja Semlja und Spitz-
rgen. Ihr zweites Hauptverbreitungszentrum liegt in den Ge-
"gen Zentralasiens (Tibet, Himalaya, Kaukasus). Da einige nahe-
thende Formen, sowie die fiinf nachstverwandten Arten im
malaya und Tibet endemisch sind, miissen wir wohl den Bil-
ngsherd dieser Pflanze in die zentralasiatischen Hochlander
rlegen.
II. Arktiache Zwergstrauchheide.
Die Zwergatrauchheide zeigt noch eine grossere Uberein-
mmiing zwischen dem hohen Norden und den hohern Alpen-
pionen, als wir dies bereits fur die Mattenformation nachge-
esen haben. Der Gesamtcharakter als ein dem Boden ange-
lmiegter, bald of fener, bald mehr geschlossener Teppich niederer
rergstrauchchen, welche in ihrem ganzen Aufbau die sorg-
tigste Anpassung an extrem xerophytische Lebensbedingungen
rraten, bleibt sich in den beiden, so weit auseinanderliegenden
bieten vollstandig gleich. Die Erieaceen und einige kleinere,
rwandte Familien, sowie die Gruppe der Gletscherweiden iiber-
egen.
Arktisch-alpin sind: Empetrum nigrum L., die Rauschbeere;
Iseleurin procumbens Desv., Vaccinium uliginosum L., Dryas octo-
ala L. Die Dryade findet sich aber im hochsten Norden noch
einer gut charakterisierten arktischen Varietat, die von ein-
Inen Autoren selbst als eigene Art unterschieden wird (D. inte-
folia): ferner Salix herbavea L. und reticulata L. Auch die Zwerg-
■ke, BeMa nana L. ist beiden Gebieten gemeinsam. Ihr zer-
senes Areal in Mitteleuropa lehrt, dass sie bei uns wohl als
lik ten pflanze aufzufassen ist. Die zahlreichen Funde von Zwerg-
'kenblattchen in glazialen, kalkigen Letten des schweizerischen
ttellandes, welche durch Muhlberg, Nathorst und Schroter be-
nnt geworden sind, hestiitigen diese pflanzengeographische
iitung. Hat sich Betula nana als Glazialrelikt bis in unsere
it noch an einzelnen Stellen zu erhalten vermocht, so ist eine
dere, allgemein verbreitete arktisehe Pflanze, die zur Eiszeit,
e subfossile Funde lehren, auch ein Burger unseres Landes
wesen war, Salix polaris Wahlenb., nun bei uns schon langst
nz verschwunden. Ledum palustre L., der Porst, noch in den
446*
norddeutschen Torfmooren stellenweise massenhaft auftreten
hat in der Arktis ebenfalls eine weite Verbreitung; er bildet s<
gar im hohen Norden einige mikrophylle Abarten. Wahrendde
aber der Porst im Gebiet seiner gegenwartigen SUdgrenze haup
sachlich eine Sumpfpflanze der Torfmoore ist, bevorzugt er i
Polargebiet entschieden sonnig-trockene Orte.
Endlich finden sich in den Teppichen der arktischen Zwer
strauchheide auch noch einige spezifisch nordisehe Typen (5) el
gestreut. Da sind es zunachst die zierlichen Gestalten der beidt
CWiope- Arten (C. tetragona Don. und C. hypnoides Don.), mit ihr<
dem Stengel angepressten schuppenartigenBlattchen und den iibe
aus zierlichen, vom Winde fast stets bewegten Glockchen, weld
wohl in erster Linie unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nehnu
werden; dort bewundern wir das leuchtende Rot der kleinsti
Alpenrose, des Rhododendron lapponicum Wahlenbg. mit fast myrte
artigen Blattchen; hier ragt aus ihrem nadelartigen Laubwe
eine weitere Ericacee hervor, es sind die grossen, purpurvioletto
Bliiten der Phyllodoce taxi folia Salisb. und auf jener kleinen Bode
schwelle sehen wir die weissen Bllitenballe der Diapcnsia lapponica 1
deren basale, schon langst abgestorbene Blatter oft noch jahr
langden zarten Vegetationspunkt mit einer raschelnden, schiitze
den Hulle umgeben.
X.
Uber Meteorologie und Influenza.
Von
Dr. med. R. Zollikofer.
Vortrag vom 15. Marz 1902.
Auf diesen Gegenstand wurde meine Aufmerksamkeit
durch einen Aufsatz gelenkt, welcher im Jahre 1898 in
der Zeitschrift fur physikalische und diatetische Therapie
erschien und der weit iiber die medizinischen Fachkreise
hinaus Aufsehen erregte. Nicht nur waren Referate iiber
seinen Inhalt in den Tagesblattern anzutreffen, sondern
man konnte auch Nicht-Mediziner iiber ihn reden horen,
und dieses, fur einen medizinisch-fachlichen Artikel unge-
wohnliche Interesse ist erklarlich, denn die Publikation
befasste sich mit der Entstehungsursache einer Volksseuche,
welche, wie seit Jahren keine andere hierzulande, alle Be-
volkerungsschichtenbetrofFen hatte, indem urns Neujahr 1890
innert wenigen Wochen ungef ahr drei Viertel aller Bewohner
unserer Gegend mehr oder weniger ernsthafte Wirkungen
der Krankheit an sich zu verspuren bekamen. Es ist be-
greiflich, dass diese gewaltige Erscheinung, die Influenza,
welche mit der Unwiderstehlichkeit eines grossen Natur-
ereignisses von Russland ausgehend westwarts iiber den
Kontingent flog, das Causalitatsbediirfnis, den Wunsch nach
Erklarung umso lebhafter anregte, als sie in soldier In-
tensitat fiir alle iiberraschend und fiir die meisten auch
vdllig unbekannt erschien. Denn es waren seit der letzten
448
grossen Influenza-Epidemie voile drei Jahrzehnte verflossen ;
sie hatte im Winter 1857/58 in der Schweiz gewiitet.
So wurde denn alles mit Begierde aufgefangen, was
die Erscheinung unserem Verstandnis naher zu bringen
verspraoh, und auch der erwahnte Aufsatz besonders leb-
haft begriisst, da er dem plotzlichen und weitausgebreiteten
Auflodern der Seuche ein unerwartet einfaches meteoro-
logisches Motiv zugrunde legte. Die neue Erklarung,
einmal ausgesprochen und auch auf andere Infektions-
krankheiten angewandt, war entschieden der tJberlegung
wert; und ganz nattirlich drangte sich die Frage auf, in-
wieweit die neue Hypothese, welche der Berliner Arzt
Ruhemann fur Berlin und andere deutsche Stadte fest-
gestellt zu haben glaubte, auch fur uns, fur St. Gallen,
ihre Geltung bewahre. Eine Nachprufung auf die Richtig-
keit fiir St. Gallen Hess sich unschwer durchfiihren an
Hand der meteorologischen Tabellen einerseits, die in den
Jahrbtichern der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft nie-
dergelegt sind, und den epidemiologischen Angaben ander-
seits, wie sie von der Sanitatskommission in den Jahres-
berichten iiber die Verwaltung des Medizinalwesens im
Kanton St. Gallen aufgezeichnet werden. Diese zumeist
zahlenmassigen Angaben sollen im folgenden den Ruhe-
mann'schen Aufzeichnungen zum Vergleich gegeniiber-
gestellt werden; in erster Linie aber ist es notig, die leiten-
den Gedanken und die Ergebnisse der Ruhemann'schen
Studien iiber die Abhangigkeit der Infektionskrankheiten
von meteorologischen Vrerhaltnissen sich noch einmal in
Klirze darzulegen.
Er sagt: Das epidemische Auftreten einer Anzahl von
Infektionskrankheiten ist nicht erklarlich allein aus der
Kenntnis der ansteckenden Keime und der Enipfanglich-
449
keit des Menschen fiir die betreffende Ansteckung. Denn
sowohl diese Keime, die Trager der Ansteckung, wie auch
die empfanglichen Menschen, konnen mehr oder weniger
bestandig beisammen sein, jahraus jahrein die einen neben
den andern, und dennoch sehen wir eine ganze Reihe von
infektiSsen Erkrankungen in ihrem Auftreten an bestimmte
Jahreszeiten gebunden ; so halten sieh manche Verdauungs-
krankheiten, die Kinderdiarrhoen z. B., vorwiegend an die
Sommermonate, indessen das Gros der Erkaltungskrank-
heiten, der Affektionen der Atmungsorgane, sich in der
kalten Jahreszeit abspielt. So sieht man sich, urn diese
Tatsache zu erklaren, zar Annahme eines weiteren ur-
sachlichen ilomentes genotigt, welches den Jahreszeiten
folgend, einem periodischen Wechsel unterworfen ist, und
somit nur zu gevvissen Zeiten seine Wirksamkeit aussert,
also wohl eines meteorologischen Momentes. Diesen
Schluss hatte man langst schon gezogen und in richtiger
Wiirdigung desselben zu erforschen gesucht, ob z. B. der
Abkuhlungdes Korpers durch niedrige Aussentemperaturen,
welchen man im Winter ausgesetzt ist, cine Rolle bci der
Entstehung der spezifischen Winterkrankheiten beizumessen
sei: zahlreiche Untersuchungen haben in der Tat auch be-
wiesen, dass Versuchstiere fiir alio moglichen Anstockungen
viel empfanglicher werden, wenn sie gowaltsam abgekiihlt
worden sind. Solche Beobachtungen stehen in bester Uber-
einstimmung mit den landlaufigen Anschauungcn uber die
Erkaltung und ihre Folgen. Hingegen wiirde die weitere
Annahme, dass die niedrigen Wintortemperaturen nun also
alle Erkaltungskrankheiten verschulden, mit der allbe-
kjannten Tatsache in Kontlikt geraten, dass diese Erkal-
tungskrankheiten durchaus niclit am massenhaftesten zur
Zeit der strengsten winterlichen Kalte, sondern vielmehr
29
450
erst sp&ter auftreten, wenn sich der Friihling bereits wieder
durch warmere Tage angekundigt hat. So gelangt Ruhe-
mann zum Schluss, dass keineswegs die K<e die aus-
Schlaggebende Rolle spiele, dass man sich vielmehr nach
einer anderen meteorologischen Erscheinung umsehen
miisse, welche sich ebenfalls mit den Jahreszeiten in
typischem Wechsel verandere.
Man hatte den Luftdruck, die Windrichtungen, die
Feuchtigkeit der Atmosphare zur Erklarung heranzuziehen
versucht, jedoch ohne uberzeugenden Erfolg. Hingegen
war man seit einiger Zeit auf die Sonnenstrahlen aufmerk-
sam geworden, die sich als einen in hohem Grade bak-
terienfeindlichen Faktor herausstellten. Besonders f&r den
ultravioletten, chemischen Teil des Sonnenspektrums lasst
sich eine bedeutende keimtotende Kraft experimentell be-
stimmt demonstrieren, und damit drangte sich die Frage
auf, ob die krankmachenden Bakterien deswegen in den
Wintermonaten so iippig gedeihen und sich besonders auf-
dringlich und gefahrlich erweisen, weil die ihnen feind-
liche Sonne zu dieser Zeit am haufigsten und langsten
durch Wolken und Nebel von ihnen ferngehalten wird.
Ruhemann, indem er dieser Vermutung naher trat, glaubte
in der Tat bald ihre Bestatigung zu finden und er konnte
deswegen seinen Aufsatz in den Worten gipfeln lassen:
„Wir finden, dass im grossen und ganzen ein umgekehrt
proportionales Verhaltnis zwischen Morbiditat, beziehungs-
weise Mortalitat und Sonnenscheindauer besteht."
Es wurde zur Stiitze dieser Behauptung von ihm nun
auch eine Reihe von Zahlen beigebracht, aus welchen zu
ersehen ist, dass der grossen europaischen Influenza-Epidemie,
die um die Jahreswende 1889/90 einsetzte, ein Dezember
voranging, der an Sonnenschein ungewohnlich arm war
461
im Vergleich mit den Dezembern von einer Anzahl an-
derer Jahre; diese Eigentiimlichkeit liess sich in Berlin
und in einer Reihe anderer europaischer Stadte feststellen.
Die Folgen, die ein solcher Ausfall an Sonnenbestrahlung
nach sich zieht, haben sich bei der Influenza am augen-
falligsten spiiren lassen; doch bleiben sie nicht auf diese
Krankheit beschrankt, sondern eine ganze Gruppe anderer
Infektionen nutzt den Sonnenmangel ebenfalls aus, und
Ruhemann glaubt, dass er in diesem letztern nun die beste
Verkdrperung des Genius epidemicus entdeckt habe und
dass sich, damit schliessen seine Auseinandersetzungen,
aus diesem Sonnenscheingesetze die praktisch wichtige
Nutzanwendung entwickeln lasse. dass man aus einer fort-
laufenden Beobachtung der Sonnenbestrahlung in die Mog-
lichkeit gesetzt werde, ein Urteil iiber die in nachster Zeit
zu erwartende Zahl von Erkrankungen zu gewinnen, das
Bevorstehen von Epidemien vorauszusagen und zeitig die-
jenigen Massnahmen einzuleiten, von denen eine Eindam-
mung der um sich greifenden Krankheiten erwartet wer-
den kann.
So lautet das durch seine Klarheit und Einfachheit
von vornherein einnehmende Ergebnis derunsbesch&ftigen-
den Publikation. Wenn die neue Hypothese auf der einen
Seite lebhafteste Anerkennung erfuhr, z. B. darin, dass
sie von der Gesellschaft der Arzte in Wien preisgekront
wurde, so hat andererseits die Kritik ihr doch nicht feme
bleiben konnen; bis jetzt habe ich allerdings erst eine
solche Stimme vernommen, welche vor der neuen Lehre
warnt; es ist Professor Nessler in Halle (klin. Vortrage
aus dem Gebiete der Otologie und Pharyngo-Bhinologie,
Band III, 8. Heft), welcher ohne jede theoretische Ab-
wagung, einzig gestlitzt auf Krankheitsstatistiken, zu dem
452
Schlusse gelangt, „ class ein direkter Zusammenhangzwischen
Witterung und Krankheit nicht bestehtu. Die grundsatz-
liche Wichtigkeit, welche der Frage zukommt, rechtfertigt
bei solchem Widerspruch der Meinungen auf jeden Fall
eine erneute Nachpnifung und dabei scheint es geboten,
zwei Wege einzuschlagen : einmal muss mit neuen Werten
die Probe auf Ruhemanns Lehre gemacht, d. h. festgestellt
werden, ob z. B. auch hier in unserer Stadt dieselben
meteorologischen Eigentumlichkeiten wie in Berlin etc.
vorherrschend waren zur Zeit, als die grosse Seuche (iber
uns weg zog; und weiter gilt es, nachzuforschen, ob die
Kette von Schlussen, die Ruhemann zur theoretischen
Begriindung seiner Lehre aneinander gereiht, auch in alien
ihren Gliedern haltbar sei.
Bei der Nachpnifung der ersten Frage ist es not-
wendig, beziiglich der Methodik moglichst genau in die
Fussstapfen des genannten Autors zu treten, damit sich
Werte ergeben, die mit den seinigen vergleichbar bleiben.
Er hat als Hauptparadigma fur die dem Sonnenschein-
gesetz gehorchenden Krankheiten die Influenza bei ihrem
epidemischen Auftreten iin Winter 1889 90 gewahlt und
den Monat Dezember, welcher der Seuche unraittelbar vor-
anging, fur die Epidemic verantwortlich erklart. Die
Messungen der Sonnenscheindauer nun, die ausschlag-
gebenden Beobachtungen, auf die unser Autor sich stiitzt,
waren direkt mittelst eines Sonnenschein-Autographen
(nach Campbell-Stokes) ausgefiihrt worden. Beobachtungen
mittelst einer solclien direkten Methode liegen nun fur
St. (j alien niclit vor; wohl aber linden sich in unseren
Tabellen Zahlen iiber das Mass der Bewolkung und
diese Zahlen haben im folgenden an Stelle von Sonnen-
schein werten Verwendung gefunden, naturlich im umge-
463
kehrten Sinne, ausgehend von der "Dberlegung, dass ein
umgekehrt proportionales Verhalten von Bewfllkung und
Sonnenschein a priori vorausgesetzt werden darf. Es w&re
nicht recht einzusehen, in welchem Sinne diese Proportionali-
tat gestort werden konnte und deswegen sind die Werte
ohne Korrektur hier heriibergenommen worden, so wie
sie im Jahrbuch vorliegen. In alien iibrigen Punkten ist
die Berechnung vollig gleich derjenigen Ruhemanns durch-
gefiihrt, so dass die Analogie der beidseitigen Berech-
nungen, wie ich hoffe, eine ungestorte geblieben ist. Neben
den Bewolkungszahlen sind mitbenicksichtigt die relative
Feuchtigkeit, Temperatur und Barometerstand und zwar
bedeutet jede Zahl ein Monatsmittel. In dieser Weise ist
Ausschau gehalten liber 16 Jahre, von 1885 bis 1900.
Dezember
1885
Barometer
706,7
Temperatur
-0,7
Feuchtigkeit
90
Bewolk i
7,6
1886
1887
1888
697,6
699,8
705,3
+ 0,7
-1,5
-1,0
84
88
90
8,1
8,1
6,3
1889
1890
707,0
700,6
— 3,6
-4,7
85
93
8,3
9,0
1891
704,6
— 0,3
82
6,6
1892
700,1
-2,6
88
7,6
1893
703,7
- 2,2
89
7,7
1894
702,2
— 2,1
87
7,5
1895
697,5
+ 0,2
87
8,9
1896
698,4
— 0,9
91
8.5
1897
1898
703,1
706,4
-0,3
-0,2
84
81
6f4
5,5
1899
698,9
— 3,1
84
7,5
1900
703,6
+ 1,5
79
6,6
454
Wie nimmt sich nun in dieser Beleuchtung der De-
zember 1889, welcher der grossen Influenzazeit voranging,
aus im Vergleich mit den funfzehn namlichen Monaten
des von uns tiberblickten Zeitraumes? Es war:
der Barometerstand : der hochste,
die Temperatur: am zweitniedrigsten,
die Feuchtigkeit : eher gering,
die Bewolkung: entschieden hoch, also geringe Sonnen-
scheindauer, doch nicht minimal, denn drei Jahre (1890,
1895, 1896) hatten noch sonnenarmere Dezember.
Der Dezember 1889 stellt sich demnach wirklich als
in meteorologischer Hinsicht etwas abnorm dar, nicht nur
beziiglich seines sparlichen Sonnenscheins, sondern auch
mit seiner ungewohnlich niedrigen Temperatur und dem
maximalen Luftdruck. Doch wir wollen daraus nicht ver-
friihte Schlusse ziehen, sondern die zweite, neuere In-
fluenza-Epidemie, die in St. Gallen noch in lebhaftester
Erinnerung steht, in gleicher Weise nachuntersuchen.
Sie hat uns im Februar 1900 iiberfallen und es muss also
der Januar desselben Jahres beziiglich seines Witterungs-
charakters ins Auge gefasst, d. h. mit den namlichen
Monaten frtiherer Jahre verglichen werden. (Unser Autor
hat dies in einer spatern Veroffentlichung [Berliner Klin.
Wochenschrift, Nr. 9, 1900] fur Berlin ebenfalls nachge-
pruft, wieder mit dem Ergebnis, dass sich fur den Januar
1900 oine minimale Sonnenbestrahlung registriert fand.)
Januar
Barometer
Temperatur
Feuchtigkeit
Bewolkung
1885
701,1
— 4,8
90
6,8
1886
696,6
-1,6
86
7,2
1887
704,1
-4,2
89
9,2
1888
707,8
-2,9
89
7,7
455
Januajr
Barometer
Temperatur Feuchtigkeit Bewolkung
1889
705,4
-3,4
88
8,0
1890
706,0
+ 0,7
89
6,8
1891
702,2
— 6,0
81
6,4
1892
698,2
-2,3
85
8,8
1893
700,0
— 6,9
90
8,4
1894
701,2
-3,4
85
7,3
1895
692,0
-5,1
80
8,0
1896
707,1
-2,9
90
7,4
1897
696,3
-3,1
91
8,5
1898
709,2
+ 0,9
86
7,0
1899
700,1
+ 1,2
80
6,7
1900
699,4
+ 0,2
85
8,6
Der Januar 1900 zeigt demnach punkto:
Barometer den funftniedrigsten,
Thermometer den vierthochsten,
Feuchtigkeit eher einen niedrigen,
Bewolkung wieder einen hohen (den dritthochsten) Wert.
Zusammengefasst erscheint also auch dieser Monat
wieder als etwas ungewohnlich, doch nicht im gleichen
Sinne, wie der Dezember 1889. Wohl ist, wie vor der
ersten Epidemie, die Bewolkung wieder sehr bedeutend;
doch verhalten Temperatur und Luftdruck sich gerade
umgekehrt wie im Dezember 1889 und deshalb durfen
wir dieselben ungesaumt von den fur die Epidemie mass-
gebenden Faktoren ausschliessen ; ebenso ist mit der Feuch-
tigkeit, die vom Mittelwerte nur unbedeutend abweicht,
nicht viel fur unsere Sache anzufangen, und es bleiben
uns nur noch die Bewolkungszahlen zu diskutieren iibrig,
welche sich in der Tat auch fur St. Gallen, wie in Berlin,
entschieden an die obere Grenze halten. Doch hier stosst
456
man auf einen wunden IJunkt. Gewiss sind, verglichen
mit dem Mittelwert aller sechzehn Jahre, die beiden vor-
epidemischen Monate an Sonnenschein ungewohnlich arm
gewesen; aber in dieser Eigenschaft wurden sie wieder-
holt von noch sonnenarmeren Monaten iibertrofFen. Wahrend
der sechzehn in Betracht gezogenen Jahre begegnet man
nicht weniger als vierzehn Monaten, deren Bewolkungs-
mittel demjenigen des Dezember 1889 (mit 8,3), gleich oder
uberlegen ist ; sechs davon ubertreffen sogar den Januar 1900
(mit 8,6), namlich November 1885 (8,9), Januar 1887 (9,2).
Februar 1889 (8,9), Dezember 1890 (9,0), Januar 1892 (8,8)
und Dezember 1895 (8,9). Warum ist denn diesen, an Sonne
noch armeren Monaten keine Epidemie gefolgt ? Das ist eine
Frage, welche sich angesichts solcher Zahlen aufdrangen
muss. Hat der Berliner Arzt nicht ahnliches auch selbst
beobachtet, wie wir hier? Wie dem auch sei, fur unsere
St. Galler Verhaltnisse kann von Proportionality zwischen
Bewolkung und Influenza-Morbiditat nicht die Rede sein,
wenn wir die Berechnungsweise nachahmen, dieRuhemann
zu seiner Lehre fuhrte. Ich wollte ubrigens, der Bemerkung
unseres Autors folgend, wonach der ersten Influenzaepidemie
nicht nur ein Monat, sondern eine bedeutend langere sonnen-
arme Zeit voranging, den Versuch machen, ein ganzes Quartal
in Berechnung zu ziehen, um eine maximale, unubertroffene
Bewolkungszahl herauszubringen, und der Versuch gliickte
tatsachlich: die letzten drei Monate des Jahres 1889 geben
eine in unsern sechzehn Jahren unerreichte Hohe der Be-
wolkung ; und wenn das ganze der Epidemie vorangehende
Jahr uborblickt wird, so stellt auch dieses sich als das sonnen-
armste dar (siehe Tabelle pag. 457).
Aber auch auf diesem Wege lasst sich das Sonnen-
scheingesetz nicht retten ; dem scheinbaren Triumph folgt
467
die Emuchterung nach, sobald man diese Art der Berech-
nung auf die neueste Epidemie anwendet; da stellt aich
namlich heraus, dass der Epidemie im Februar 1900 ein
Quartal vorausging, das keineswegs das sonnenarmste war,
sondern recht reich an Sonne; nur viermal war das ent-
sprechende Quartal noch sonniger; zehnmal hingegen
wurde es von starkerer Bewolkung fibertroffen und dies
oft in recht erheblichem Masse; und vollends steht die
Sache schlimm, wenn wir statt eines Quartals das ganze
vorepidemische Jahr in Betracht ziehen: wahrend 1889
das an Bewolkung reichste ist, erscheint das Jahr 1899
das anSonnenschein reichste, mit einziger Ausnahme
von 1886.
Bewolkungs-Mittelwerte
Quartal
Oil, in, Otz.
lot., Dbz., Jan.
des folgeaden Jikres
Jahresmittel
1885
7,8
7,9
6,57
1886
7,4
8,2
6,36
1887
7,7
7,7
6,34
1888
6,6
7,3
6,81
1889
8,4
7,9
7,38
1890
7,7
7,8
6,68
1891
6,0
7,3
6,98
1892
7,7
7,8
6,55#
1893
7,0
7,6
5,92
1894
7,2
7,5
6,29
1895
7,6
7,9
6,14
1896
7,5
8,3
6,91
1897
6,7
6,6
6,66
1898
7,0
6,8
6,23
1899
6,4
7,4
5,89
1900
6,8
—
6,58
/
468
So haben unsere St. Galler Beobachtungen uns also
beim Versuch, mit ihnen die Probe auf das Ruhemann'sche
Sonnenscheingesetz zu machen, nicht recht befriedigt; die
einen Zahlen stimmen mehr oder weniger gut, andere er-
weisen sich als ganz ungefugig. Was wir ihnen entnehmen
konnen, ist, dass unsern letzten beiden Influenza-Epidemien
eine kurzere oder langere sonnenarme Zeit vorausging,
dass aber umgekehrt durchaus nicht jede sonnenarme Zeit
von Influenza oder anderen Epidemien gefolgt wird. Von
einem proportionalen Verhalten der Morbiditat zur Be-
wolkung kann nicht die Rede sein; eine sonnenarme
Periode gestattet durchaus keine Voraussage vermehrter
epidemischer Erkrankungen. Ruhemann hat ausser der
Influenza noch eine, nur allzu stattliche, Reihe anderer
Infektionskrankheiten angegeben, die dem Sonnenschein-
gesetz ebenfalls unterstellt sein sollen, namlich Diphtherie,
Scharlach, Masern, auch Pneumonie, Pleuritis, Gelenk-
rheumatismus, Puerperalfieber bis zu einem gewissen Grade.
Ohne einen detaillierten Nachweis zu erbringen, mochte
ich summarisch angeben, dass nach hiesigen Aufzeich-
nungen auch diese Krankheiten die angegebene Verkntipfung
mit sonnenarmen Perioden nicht recht erkennen lassen,
und wenn andauernd bedecktes Wetter gelegentlich reich-
lich epidemische Erkrankungen nach sich ziehen mag, so
wird der Sonnenmangel in andern Fallen durch andere
Faktoren wieder vollstandig ausgeglichen und unschadlich
gemacht, und es ergibt sich die Tatsache, dass der Sonnen-
mangel fur die Morbiditat eben durchaus nicht allein aus-
schlaggebend, sondern hochstens neben andern Faktoren
mitbestimmend sein kann.
Unsere mit Hilfe der angefuhrten Statistiken ge-
wonnenen Schliisse sollen uns aber noch nicht veranlassen,
459
die neue Lehre ganzlich zu diskreditieren; denn es ist
immerhin noch moglich, dass die Zahlen nicht richtig ge-
handhabt wurden, dass die Methode, die wir befolgten,
mehr oder weniger verfehlt war. Es wiirde zu keinem
Ende fuhren, diese Methode zu kritisieren und vielleicht
neue Vorschlage der Berechnung zu bringen. Wohl aber
steht uns zur Beurteilung der neuen Hypothese noch ein
anderer Weg offen, namlich rein theoretische UberleguDgen
und Erwagungen iiber die Haltbarkeit der Schlusskette,
welche Ruhemann zu seiner Lehre fiihrte. Vielleicht
konnen diese uns dafur oder dawider stimmen.
Das Sonnenscheingesetz basiert auf der Pramisse, dass
die Infektionskeime der Influenza (und der andern unter
das Gesetz fallenden Ansteckungen) irgend eine Brutstatte
ausserhalb des menschlichen Leibes haben, in welcher sie
unter gewohnlichen Verhaltnissen ein mehr oder weniger
kummerliches Dasein fristen, so jedenfalls, dass sie nur
wenig Opfern etwas anhaben konnen. Unter besonders
giinstigen Umstanden aber, dann wenn sie fur eine langere
Zeitdauer vor der vernichtenden Wirkung der Sonnen-
strahlen durch Nebel und Wolken beschirmt worden sind,
ist ihnen Gelegenheit zu uppigerem Wachstum geboten;
sie entwickeln sich nunmehr massenhaft und zu grosster
Lebenskraft und werden sodann auf einmal befahigt, ihre
grossen Verheerungszuge anzutreten, epidemisch ihre Opfer
niederzuwerfen. Diese Anschauung, dass der Keim der
Influenza ein Miasma sei, d. h. ein aus dem Boden, aus
der Luft an den Menschen herantretender Ansteckungs-
stoff, ist nun aber keines wegs die herrschende ; die Schnellig-
keit, mit welcher die Seuche bei ihrem Aufbreten urns
Neujahr 1890 tiber Europa hinsturmte, der sprunghafte
Charakter ihrer Weiterverbreitung, das plotzliche Auflodern
460
von Massenerkrankungen an ortlich weit von einander ab-
liegenden Punkten liessen ja gewiss anfanglich daran
denken, dass ein solches Miasma, ein mit der Schnellig-
keit des Windes iiber weite Landerstrecken sich verbreiten-
der Krankheitskeim die Seuche weitertrage. Wenn aber
etwas in den vielen und sorgfaltigen Unterauchungen,
zu welchen die grosse Epidemie Veranlassung gab, ein
unanfeohtbares Ergebnis zutage gefordert wurde, so ist
es die Sicherstellung der anfanglich allerdings bestrittenen
Lehre von der kontagiosen Natur der Influenza, von
der Ansteckung von Person zu Person, der Ver-
breitung durch den menschlichen Verkehr. In der an-
scheinend unberechenbaren Sprunghaftigkeit des Auftretens
der Seuche liegt nichts besonderes — sie erklart sich ein-
fach aus der Sprunghaftigkeit des Weltverkehrs. Es sind
denn ja auch die grossen Verkehrszentren Berlin, Paris,
London viel fruher von der von Russland ausgehenden
Seuche erreicht worden, als zahlreiche Stadte Deutsch-
lands, die zwar viel n&her an der russischen Grenze, aber
abseits von den Adern des Weltverkehrs gelegen sind
(cit. nach Martius, Pathogenese innerer Krankheiten, z. T.
wortlich). Mit einer Fiille uberzeugender Beispiele hat
Schmid (Veroffentlichungen des schweizerischen Gesund-
heitsamtes 1895) fur die Ausbreitung der grossen Seuche
in der Schweiz nachgewiesen, wie einzig und allein auf
dem Wege des menschlichen Verkehrs die Influenza um
sich griff, in den Stadten beginnend und Schritt fiir Schritt
zu den abgelegeneren Orten weiter wandernd, bis schliess-
lich die obersten Bergdorfer auch erreicht wurden, aller-
dings erst vieleWochen spater als die verkehrsreichen Stadte.
Vom Momente xab, wo man diese Art der ftbertragung
durchschaut hat, wird die Annahme eines Miasma, eines
461
durch die Luft sich ausbreitenden Ansteckungsstoffes ent-
behrlich, oder richtiger gesagt, unhaltbar; denn zu dieser
Annahme hatte man eben zu einer Zeit gegriffen, da die
Ansteckung von Person zu Person noch unbewiesen war.
Wenn aber die miasmatische Natur des Influenzagiftes in
Zweifel gerat, so verliert gleichzeitig auch die Annahme
von Brutetatten jeden Halt, in welchen die Keime ausser-
halb des menschlichen Organismus auswachsen, und damit
ist naturlich die Lehre von der Einwirkung der Sonnen-
strahlen auf die hypothetischen Brutstatten gegenstands-
lo8 geworden. Es muss mimlich die Frage, ob die Keime
der Influenza denn jemals ausserhalb des Korpers, im
Boden oder Wasser, wirklich gefunden und gesehen worden
seien, durchaus verneint werden. Man darf daran umso
weniger denken, als unsere Kenntnisse von der Natur
dieser Keime noch jung und in manchen Beziehungen
nicht gehorig abgeklart sind. Anlasslich der Epidemie
vom Neujahr 1890 wurde natiirlich auf das Bakterium der
modernen Krankheit eifrig Jagd gemacht, anfanglich aber
ohne Erfolg. Erst 1893 konnte E, Pfeiffer in der Zeit-
schrift fiir Hygiene und Infektionskrankheiten liber seine
Entdeckung des wahrscheinlichen Erregers der Influenza
im Sekret der Atmungsorgane berichten, die Art und Weise
angeben, wie man ihn im Keagensglas ziichten kann und
zeigen, dass Affen, welchen man den kunstlich geziichteten
Parasiten in die Nase einblast, ganz iihnlich erkranken,
wie der Mensch. Von diesem Bazill, welchem zwar noch
nicht ganz einstimmig, aber doch von der grossen Mehr-
heit der Forscher eine ursachliche Rolle bei der Uber-
tragung der Krankheit und damit auch der Name Influenza-
bazill zuerkannt wird, interessieren uns an dieser Stelle
folgende, von Pfeiffer experimentell festgestellte Tatsachen :
462
der Bazill kann weder im Wasser noch in trockenem Staube
weiter existieren ; unter beiden Umstanden geht er sofort,
d. h. innert 1—2 Tagen zu Grunde. Einzig im feuchten,
vor Austrocknung geschxitzten Auswurf l&sst er sich etwa
14 Tage lang lebendig erhalten. Zur Weiterziichtung,
zur Kultivierung im Reagensglas geniigen ihm nicht die
gewohnlichen Nahrboden, wie Fleischbnihe, Gelatine, Milch,
Kartoffeln, auf welohen wir andere Bakterien wachsen
lassen ; er kommt nur auf Medien fort, die mit Blutfarb-
stoff versehen sind.*) Schliesslich ist sein Gedeihen an
ziemlich hohe Temperaturen gebunden; unterhalb 26 bis
27° C erlischt- jegliches Wachstum. Also haben wir es
hier mit einem ungewdhnlich heiklen und w&hlerischen
Parasiten zu tun und wie dieser mit alien den genannten
Anspriichen ein miasmatisches Dasein ausserhalb des
Menschen fuhren kann, ist schwer verstandlich. Geradezu
unvereinbar mit der Pfeiffer'schen Beobachtung, wonach
der Parasit erst in der tropischen Warme von 26—27° C
zu wachsen anfangt, ist die Annahme, dass jener Dezember
1889, der die ungewohnlich niedrige Durchschnittstempe-
ratur von — 3,6° aufwies, die Influenzabazillen ausser-
halb des menschlichen Organismus so massenhaft zur Ent-
wicklung bringen konnte. Die Sonnenscheintheorie mani-
puliert hier entschieden mit einem Krankheitserreger, den
man sich nach unseren jetzigen Kenntnissen unhandlicher
und ungeeigneter fiir die ihm zugemutete miasmatische Rolle
kaum auswahlen konnte. Und auch die andern Infektionen,
die dem Sonnenscheingesetz unterworfen sein sollen, ver-
*) Diese Behauptung ist neuerdings angefochten worden. Der
Bazill soil sich auch auf Nahrboden ohne Blutfarbstoff entwickeln,
sofern gleichzeitig neben ihm gewisse andere Bakterien wachsen,
welche als n Am men* dem Influenzabazill sein Nahrmaterial vor-
verdauen.
463
halten sich bei naherer Beleuchtung recht ahnlich; auch
fiir den Krankheitsstoff von Masern, Scharlach, Diphtherie,
Tuberkulose etc. ist nicht die geringste Beobachtung be-
kannt, welche die Annahme einer Fortentwicklung ausser-
halb des Korpers, einer Brutstatte im Boden oder Wasser
erlaubte; umso auffalliger kontrastiert damit die Tatsache,
dass Typhus und Cholera, bei welchen Pettenkofer und
seine Schule mit gewichtigen Argumenten fur eine Aus-
keimung der Bazillen im Boden oder Wasser eingetreten
sind, sich dem Sonnenscheingesetz entziehen konnen ; von
ihnen in erster Linie ware eine strikte Unterordnung zu
erwarten gewesen, und dass nicht einmal sie sich als ge-
fagig erweisen wollen, ist ein fiir die neue Lehre wenig
gunstiges Omen.
Dieser Einwand, dass die Ruhemann'sche Sonnen-
wirkung sich nam untauglichen Objekte" abspiele, ist
nicht der einzige. der sich vom theoretischen Standpunkt
gegen die neue Lehre erhebt. Abgesehen davon, dass
den Sonnenstrahlen ein Ziel gesetzt ist, das sie am an-
gegebenen Orte gar nicht zu finden vermogen, ist ein beim
Zustandekommen einer Krankheit unerlasslicher Teil wort-
lo8 ubergangen worden, der den Einfliissen der Sonne ganz
zweifellos in hohem Grade ausgesetzt sein kann. Wenn
uns die neue Hypothese in der Form, wie sie uns vor-
liegt, nicht zutreffend erscheint, soil damit keineswegs be-
hauptet werden, dass die Sonne fur Gesundheits- und
Krankenpflege entbehrlich geworden sei. Im Gegenteil
— wir ignorieren keineswegs die Wirkung der Sonne bei
Winterkuren im Hochgebirge, wo manche schwer er-
schutterte Konstitution sich neue Festigung und Belebung
holt, wir ignorieren ebensowenig den ganz unmittelbaren
Heilerfolg, welchen das Sonnenlicht auf Erkrankungen der
464
Haut, speziell tuberkuldser Natur, ausiibt, wenn man es
konzentriert auf die kranke Stelle einwirken lasst u. s. f.
So gern und unumwunden wir also dem Sonnenlicht als
Heilfaktor Anerkennung zpllen, so wenig braucht damit
em Zugestandnis an die Ruhemann'sche Bakterientotung
in ihren Brutstatten gemacht zu werden; denn die Ver-
nichtung der pathogenen Mikrobien ist keineswegs die
einzig denkbare Taktik im Kampfe gegen die Infektions-
krankheiten. Es hatte allerdings eine zeitlang beinahe
so scheinen mogen. Damals, als die junge Bakteriologie
mit unerhdrtem Erfolge einen Infektionsstoff nach dem
andern dem Auge vorfuhren und damit einen Jahrhunderte
alten Traum verwirklichen konnte, als sie diese lebendigen
Keime kiinstlich weiterziichten und bei Tieren neue Er-
krankungen in beliebiger Starke anzuregen gelernt hatte,
damals war man auf dem Punkte, die Parasiten als die
verkorperten Krankheiten selbst anzusehen, die Influenza
mit dem Influenzabazill zu identifizieren und die Be-
kampfung der Krankheiten in der Bekampfung der Bak-
terien aufgehen zu lassen. Nun, die meisten Forscher
haben den Riickzug von diesem extremen Standpunkt
langst wieder angetreten; denn Krankheit ist eben nicht
ein neues Etwas, das im menschlichen Korper sein Wesen
treibt, sondern sie ist eine veranderte, abnorme Lebens-
form des Korpers selbst, und der Infektionskeim ist nichts
mehr, als ein agent provocateur, der den Organismus frei-
lich zu allerhand ungewohnten Lebensausserungen an-
regen, aber nichts aus ihm herauslocken kann, wozu der
Korper nicht von jeher vorgebildet und eingerichtet war.
Dem Grundgesetze aller Kraftausserungen entsprechend
muss iiberall die Ursache der Wirkung Equivalent sein;
so konnen niemals die Parasiten den alleinigen, zureichen-
466
den Grand fur alle Krankheitserscheinungen abgeben, wie
sich ohne weiteres z. B. dann zeigt, wenn man sich die
gewaltigen Kraftleistungen vergegenwartigt, welche der
Tetanuskranke in seinen Krampfen vollfiihrt und ihnen
das mikroskopische Haufchen von Tetanusbazillen gegen-
uberstellt, das die Schuld am ganzen Vorgange tragen soil.
Da liegt es klar vor Augen, dass die Bazillen die in Aktion
kommenden Krafte nicht selbst aufbringen, dass diese
Krafte vielmehr zuvor schon im Korper schlummerten und
dann entfesselt wurden, als der Parasit den Anstoss gab.
Der Bazill stellt also das auslosende Moment, den eigen-
tumlichen Reiz dar, weloher das Spiel der sich umsetzen-
den Krafte anregt, der Krafte, die der angegriffene Korper
aber selber aufzubringen hat.
Wenn wir in solcher Weise die Rolle der krankheit-
erregenden Bakterien beim Zustandekommen einer in-
fektiosen Erkrankung auf das ihncn geblihrende Mass
zuruckfiihren, so ist damit zugleich gesagt, dass mit-
bestimmend fur den Ablauf der Erkrankung auch der
angegriffene Korper sein muss. Damit zu rechnen sind
wir langst gewohnt; wir kennen es als eine ganz typische
Encheinung bei jeder Epidemie, dass die Krankheit eine
gewisse Auswahl unter ihren Opfern trifft, dass sie manchen
anbehelligt lasst, der der Ansteckung augenscheinlich
ebenso sehr ausgesetzt war, wie alle andern, die bei ihrem
Ansturm stlirzten. Dieser Zustand der Unanfechtbarkeit,
der Immunitat, wo die Bakterien abprallen, auch wenn
es ihnen durchaus nicht an offensiver Kraft gefehlt hatte,
ist aufzufassen als eine Unempfindlichkeit des Organismus,
als ein Mangel an Reizbarkeit den Bakterien und ihren
Giften gegeniiber. Fiir den immunen Korper stellen die
Mikrobien keinen Stimulus, keine Plage mehr dar, auf
30
welehe (T mit Krankheitsiiusserungen reagieren muss: auf
eiuem solehen Wirt wird der Parasit zum gleichgiiltigeu
Saprophyten.
Wenn sich demnaoh ein Organismus einer Ansteckung
aussetzt, so wird das Zustandekommen einer Erkrankung
nicht allein abhangig sein von der Quantitat und Quali-
tat der infektiosen Keime, sondern mehr oder weniger
wird es auch vom Zustand des angegriffenen Organismus,
von der geringeren oder grosseren Empfanglichkeit fur
die Infektion abhangen, ob diese letztere Boden fassen
kann. Die Entstehungsgeschichte jeder Infektionskrank-
heit, jeder Seuche wird sich iiber das Mass der Empfang-
lichkeit der betroffenen Individuen aussprechen mtissen,
wenn sie den Ursachenkomplex in seiner Totalitat er-
schopfen will. Uber zahlreiche Schwierigkeiten in der
Deutung der Infektionen wird man sonst nicht hinweg-
kommen; man wird, urn mich speziell auf unsere Frage
zu beziehen, seine Rechnung nicht machen, solange man
die kausale Verkniipfung gewisser ansteckender Krank-
heiten mit der Witterung ausschliesslich in der begiinstigen-
den Wirkung erblickt, welche die Entwicklung der an-
steckenden Keime von bestimmten Witterungsverhaltnissen
erfahrt und ausser acht lasst, dass auch der der Ansteckung
ausgesetzte Mensch den Wechsel dieser Verhaltnisse sehr
intensiv mitempfindet. Wo eine meteorologische Erschei-
nung den Gang der Epidemien zu beeinflussen scheint,
da liegt es dem naturlichen Interesse ebenso nahe, sich
um allfallige Einwirkungen am menschlichen Korper zu
bekummern, wie iiber das Los der Parasiten nachzusinnen.
Dass Temperatur und Luftdruck, Feuchtigkeit und Be-
sonnung sich bald giinstig, bald unvorteilhaft in unserem
Befinden bemerkbar machen, ist denn doch eine alltagliche
467
Erfahrung. Wohl gibt es genug Falle, wo sich's ganz
8icher zum voraus bestimmen lasst, ob eine gewisse In-
fektion den Korper krank machen wird oder nicht, und
wo aussere Einfltisse, wie die Witterung, am ganzen Pro-
zess nichts zu andern vermogen. Hingegen bilden diese
Zustande von absoluter Immunitat einerseits und hochster
Empfanglichkeit auf der andern Seite die Minoritat. Weit
haufiger ist es, dass der Mensch zwischen Immunitat und
Empfanglichkeit drin steht und sieh bald mehr dem einen,
bald dem andern Extreme nahert. Hier lasst sich's nicht
zum voraus sagen, welches das Ende sein wird, wenn der
Mensch sich einer Ansteckung aussetzt; das aber leuchtet
ein, dass die Gefahr des Erliegens dann viel drohender
ist, wenn man von den Ansteckungskeimen in einem
schwachen Stundlein iiberrumpelt wird, zu einer Zeit, wo
der Organismus sich nicht im Vollbesitze seiner Wider-
standskrafte befindet. Das klassische Beispiel hiefur liefern
uns die sogen. Erkaltungskrankheiten; extreme Bakterio-
logen haben sie alle als Infektionskrankheiten proklamiert;
mit einem gewissen Recht, denn wohl fast immer sind
infektiose Keime mit im Spiel. Doch darf man sich iiber
die Tatsache nicht hinwegtauschen lassen, dass diese in-
fektiosen Keime, welche unsern Korper eben bestandig
belagern, erst dann zur Offensive ubergehen konnen, wenn
der Kdrper bereits erkaltet, d. h. durch meteorologische oder
andere Schadigungen augegriffen ist. Der ungeschwachte
Organismus verftigt iiber ausroichende Schutzkrafte, um
sich diese allgegenwartigen Mikrobien vom Leibe zu
halten; doch geht diese Immunitat eben gelegentlich in
die Briiche, sei es infolge von Entbehrung und Uber-
anstrengung, sei es durch die Ungunst der Witterung,
durch Kalte, Feuchtigkeit und Sonnenmangel; dann aller-
468
dings konnen die Bakterien der Erkaltungskrankheiten die
Oberhand gewinnen.
In diesem Sinne diirfen wir die Sonnenwirkung weiter
fassen, als es in der neuen Lehre geschehen ist, und wir
kehren damit zu Anschauungen zuiiick, welche nichts
weniger als neu sind. Es darf nicht zugegeben werden,
dass die Sonnenwirkung auf den beschrankten Zweck der
Bakterientotung in deren hypothetischen Brutnestern zu-
geschnitten werde; wir diirfen ihr ein reicheres Arbeits-
feld zumessen, ihr, wie auch den andern meteorologischen
Einfliissen, denen ihre alten Rechte streitig gemacht wer-
den sollten. Damit nun, dass wir dem Sonnenschein, der
Temperatur, der Feuchtigkeit u. s. f. einen doppelten An-
griffspunkt zuerkennen, namlich die Beeinflussung der
offensiven Kraft der Parasiten und der defensiven F&hig-
keiten des Mensohen, damit schwindet allerdings die M6g-
lichkeit, eine einfache Formel aufzustellen, aus welcher wir
Epidemien zum voraus prophezeien konnten. Der Verzicht
auf die Ruhemann'sche Formel aber wird nicht schwer fallen,
nachdem wir uns klargelegt, wie sie aufgebaut worden.
Kehren wir zur Influenza zunick, um diese allgemein-
pathologischen Anschauungen nun noch speziell auf unsere
Epidemien anzuwenden.
Erreger der Krankheit ist ein Mikro-Organismus, wahr-
scheinlich der Pfeiffer'sche Bazill ; ohne ihn entsteht keine
wirkliche Influenza. Er taucht nicht von ungefahr da
oder dort auf, sondern stammt immer aus dem Korper
eines influenzakranken Menschen; ein andererEntstehungs-
ort ist nicht bekannt. Wenn also Menschen von der In-
fluenza ergriffen werden, setzt das stets voraus, dass be-
reits vorher andere Influenzakranke vorhanden waren, von
welchen die Ansteckung ausging.
469
Empfanglichkeit des Korpers fur das Haften der In-
fektion ist die andere Bedingung fur das Zustandekommen
einer Erkrankung. Die Empfanglichkeit ist ursprunglich
eine ziemlich allgemeine, wie die Epidemie 1889/90 zeigte,
wo nur etwa ein Viertel unserer Bevolkerung der An-
steckung Widerstand leistete. Nack Uberstehen der Krank-
heit macht die Empfanglichkeit meist einer ausgesprochenen
Immunitat Platz, ahnlich wie bei Masern, Pocken etc.,
nur von kiirzerer Dauer. Wo von wiederholten Erkran-
kungen derselben Person in kurzen Intervallen berichtet
wird, ist es immer fraglich, ob nicht des Wohlklanges und
der Einfachheit halber der Name Influenza fur diesen oder
jenen Katarrh oder Schmerz gewahlt wurde. Natiirlich
bleibt es jedem unbenommen, alles das Influenza zu nennen,
was ihm beliebt; damit aber wird der Ausdruck Influenza
selbstverstandlich vollig inhaltslos. Solche Missbrauche
erschiittern natiirlich die Regel nicht, dass wirkliche In-
fluenza eine mehrjahrige Unempfanglichkeit hinterlasst.
Der Raum, der den Witterungseinfliissen im Ursachen-
komplex einer Influenzaepidemie iibrig bleibt, erssheint
nach dem Gesagten nicht mehr sehr breit, so dass man
sich fragen konnte. ob nicht vielleicht blosser Zufall unsere
beiden grossen Epidemien mit sonnenarmen Zeiten ver-
kniipft habe. So bestimmt wir es audi ablehnen, dass
der Sonnenmangel das Entstehen der Epidemien begiinstige,
indem er das Gedeihen der Influenzakeime befordert, so
sicher steht doch die Tatsache, dass die grossen Influenza-
epidemien in den Winter und nie in den Sommer fallen,
also an bestimmte meteorologische Verhaltnisse gebunden
sind. Diese Abhangigkeit der Epidemien von den meteoro-
logischen Einfliissen lasst sich einzig erklaron durch die
Annahme, dass die ungiinstigeren Witterungsverhaltnisse
470
der „schlechten Jahreszeit" den menschlichen Organismus
in seiner Widerstandsfahigkeit beeintrachtigen and damit
die Empfanglichkeit fur die Infektion vergrossern. So
war im Winter 1889/90 dank der vorausgegangenen sonnen-
armen Zeit die Empfanglichkeit in alien Schichten auf
den hochsten Punkt gesteigert, und wo immer die An-
steckungskeime hingelangten, da ziindeten sie, da loderte
die Epidemie heftig auf. Uberdies war der Boden fur
die Seuche auch dadurch aufs beste vorbereitet, dass seit
30 Jahren keine Epidemie mehr geherrscht und die Im-
munitat sich langst iiberall erschopft hatte. Ware die
Krankheit ein paar Jahre friiher oder spater eingeschleppt
worden, so hatte sie sicher auch ohne besondere Ungunst
der Witterung Boden gefasst, wenn auch nicht in so uni-
versellem Masse. Vereinzelte Falle, die der ersten Epidemie
entgangen waren, sorgten seit jener Zeit fur die Weiter-
erhaltung des Ansteckungsstoffes. Zu epidemischer Massen-
haftigkeit konnte die Zahl der Erkrankungen erst wieder
anwachsen, als die bei der ersten Epidemie erworbene
Immunitat ins Schwinden kam; dies muss im Jahre 1900
der Fall gewesen sein, also nach einem Dezennium; da-
mals kam es zu einem erneuten Ausbruch der Krankheit,
wobei ein schlechter Januar jedenfalls begunstigend mit-
wirkte.
Hat sich in diese Erklarung kein Fehler eingeschlichenr
so ist mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu erwarten,
dass nicht eher als wieder nach Ablauf eines Jahrzehnts,
vielleicht ein weniges friiher oder spater, die Immunitat
wiederum erschopft und jene Kreise der Bevolkerung, die
im Jahre 1900 krank gewesen, von neuem bereit sein
werden, der Influenza-Infektion anheimzufallen. Dass in
den nachsten paar Jahren bereits eine allgemeine Epidemie
471
auftrete, ist also nicht anzunehmen, mogen sich die "Witte-
rungsverh<nisse nun so oder anders gestalten. (Das Neu-
jahr 1903 hat uns allerdings sehr reichliche katarrhalische
Erkrankungen gebracht, doch war die Hauptmasse der
F&lle diesmal nicht Influenza.)
Ehe diese vermutete zehnjahrige Periodizitat der In-
fluenza-Epidemien als Hegel gelten darf, miissen natiirlich
weitere bestatigende Erfahrungen beigebracht werden. Als
solche mochte ich noch Aufzeichnungen aus den st. gallischen
Sanit&tsberichten anfuhren.
St.Gallen hatte im Jahre 1837 die erste grosseEpidemie
des Jahrhunderts, von welcher es heisst, dass sie nach
Neujahr begann, binnen kurzem eine erstaunliche Menge
von Menschen befiel und bis in den Marz und April hin-
aus wiitete. Elf Jahre spater, nach Neujahr 1848, erschien
die Influenza wieder, doch in massiger Starke, wahrend
gleichzeitig in Deutschland und andern europaischen Staaten
eine gewaltige Epidemie herrschte (Martius, 1. c). Wieder
nach einem Dezennium, im Jahre 1868, trat sie sehr ver-
breitet, doch in gutartiger Form bei uns auf ; auch da-
mate ging sie iiber ganz Europa (Schmid, 1. c, pag. 12).
Nachher wurden wahrend dreissig Jahren nur noch ein-
zelne Falle, keine epidemische Summation der Erkrankungen
mehr beobachtet.
Im Rheintal lagen die Verhaltnisse etwas anders. Urns
Neujahr 1833 hatte man von jenseits des Rheins her Kunde
von massenhaftem Erkranken an „Grippeu vernommen und
noch im Spatherbst desselben Jahres bekam man den Gast
imeigenen Lande sehr reichlich zu Gesicht; man berichtet
von familienweisen Erkrankungen im ganzen Rheintal,
auch in Wil und Neu-Toggenburg. An den gleichen Orten
zeigte sich auch zehn Jahre spater (1843) die Influenza
472
„ungemein haufig". Wieder ein Jahrzehnt spater berichtete
man nichts von ihr; einzig der Bezirk St. Gallen meldete
damals das Auftreten einer grippenartigen Affektion; hin-
gegen kam sie 1864 noch einmal ins Rheintal und Toggenburg.
So lauten die Sanitatsberichte und da druckt sich der
zehnjahrige Typus der Epidemienfolge doch mehrfach recht
deutlich aus. Eigenartig erscheint das Nebeneinanderlaufen
der beiden Epidemienserien ; die eine greift jeweilen aller-
dings ins Gebiet der andern iiber, so dass z. B. an der
grossen Seuche des Jahres 1837 fast der ganze Kanton
teilnahm. So wie die Aufzeichnungen sind, behalt man
aber doch den Eindrack, dass sich die beiden Epidemien-
cyklen unabhangig, an einem verschiedenen Menschen-
material abgewickelt haben, und dass es sich nicht urn
den Fortgang eines einzigen Cyklus mit funfjahrigen Inter-
vallen gehandelt habe. Immerhin ist hiertiber ein sicherer
Entscheid nicht moglich, da die damaligen Berichte iiber
die Influenza keineswegs auf ein systematisches epidemio-
logisches Studium hinzielten, sondern mehr beilaufig an-
deren Angaben beigefugt sind. Aus dem vorletzten Jahr-
hundert liegen Berichte vor von grossen Influenza-Epidemien
in den Jahren 1743, 1777 und 1788.
Die auffallende Periodizitat in der Wiederkehr der
Epidemien ist wohl das starkste Argument wider das
liuhemann'sche Sonnenscheingesetz; es ist ausgeschlossen,
dass das Verhalten der meteorologischen Erscheinungen
diesen periodischen Wechsel je mitgemacht habe. Dass
Empfanglichkeit und Immunitat gegeniiber der Influenza
diesen Wechsel zeigen, das hingegen liegt durchaus im
Rahmen der Moglichkeit; analoge Erscheinungen hiefiir
sind zur Geniige bekannt, am besten wohl von der Schutz-
pockenimpfung her.
473
Als praktische Konsequenz ergibt sioh jedenfalis das,
dass wir uns nicht in angstlicher Einschuchterung durch
die Sonnenscheinhypothese einer wehrlosen Panik und Ver-
zweiflung in die Arme zu werfen brauchen, wenn gelegent-
Hch wieder einmal die Sonne ihr Antlitz etwas langer als
gewohnlich verhiillt. Denn noch ist es nicht bewiesen,
dass dann die Parasiten der Influenza und aller moglichen
andern Infektionen dein Boden enteteigen und sich in
tiberwaltigender Menge und Bosartigkeit auf die Mensch-
heit 8tiirzen werden. Auch soil dann nicht jene Bazillen-
furcht uns am bewunderungswurdigsten erscheinen, die in
jedem Windhauch eine Legion gieriger Mikrobien wittert
und die keine andere Bettung kennt, als fliehen und sich
verkriechen. Gewiss werden fruher oder spater wieder
Epidemien iiber uns hereinbrechen, ob die Sonne lachelt
oder nicht. Mit den Schutzmitteln personlicher Hygiene,
mit Burste und Seife sich bewaffnen und im iibrigen mit
seinen Kraften doppelt haushalten, das ist fur Zeiten
drohender Krankheit auch eine Taktik, wohl meist ebenso
weise, sicherlich immer humaner.
XI.
Beitrage
zur
Geologie der Umgebung St. Gallens.
Von Ch. Falkner und A. Ludwig.
Vorbemerkung.
Die geologischen Verhaltnisse der Umgebung von
St. Gallen sind bereits von etlichen Forschern mehr oder
weniger ausfuhrlich behandelt worden. Wir gedenken da
der Arbeiten von Prof. Deicke und seiner Vorganger, ganz
besonders aber der systematischen Untersuchungen von
Prof. Dr. Gutzwiller, deren wertvolle Resultate in der 14.
und 19. Lieferung der „Beito*age zur geologischen Karte
der Schweizu veroffentlicht wurden, sowie der geistvollen
Arbeiten von Prof. Dr. Fruh, von denen mehrere in ein-
zelnen Partien sich auch mit unserem Gebiet beschaftigen.
Dennoch fehlte bisher eine in grosserem Massstabe aus-
gefuhrte geologische Lokalkarte. Zu jener Zeit, als Prof.
Dr. Gutzwiller seine umfassenden Aufnahmen machte,
waren die Siegfried blatter noch nicht erschienen und Esch-
mann 1 : 25,000 erwies sich fur Detailaufnahmen als zu
wenig genau. So kamen denn, was geologische Kartierung
unserer Gegend anbetrifft, nur die Blatter IV und IX der
im Massstab 1 : 100,000 gehaltenen geologischen Karte der
Schweiz und die im gleichen Massstab gehaltene Karte liber
das Verbreitungsgebiet des Santisgletschers von Gutzwiller
in Betracht. Wir fassten daher schon vor mehreren Jahren
die Erstellung einer geologischen Spezialkarte 1 : 25,000 far
die Umgebung von St. Gallen ins Auge und es fragte sich
nur noch, auf welchen Rayon wir sie ausdehnen wollten.
475
Als Heir Forstverwalter Wild seine Exkursionskarte
erscheinen liess ^Siegfriedblatt 79 und Telle der Blatter
76, 219 and 222), da schien uns ihre topographischeGrund-
lage auch fur unsere projektierte geologische Karte gut
za passen. Herr Wild besorgte tins in freundlichster Weise
sogleich einige der fur seine Karte verwendeten Uber-
dmcke, so wie auch etliche Exkursionskarten selbst und wir
sagen ihm hiefiirj wie anch fiir das Interesee, das er stets
an unserer Arbeit nahm und fiir die willkomnienen Mit-
teilungen, die er uns namentlich iiber erratische Blocke
machen konnte, auch an dieser S telle unsern verbindKchsten
Dank. Dasaelbe tun wir gegeniiber alien denen, die uns
durch giitige Winke, Anregungen und freundlich ge-
wid metes Interesse in unserer Arbeit gelordert haben, so
den Herren Prof. Dr. Fruh, Prof. Dr. Gutzwiller und Prof.
Dr. Heim, Ingenieur Studer und Ingenieur Konig in
St. Gallen, ferner den Herren Dr. Ambuhl, Rehsteiner-
Zollikofer, Dr. Rehsteiner und Prof. Dr. Steiger, iiberhaupt
der ganzen Kommission der st. gallischen naturwissen-
schaftlichenGesellschafb,welchedieVeroffentlichungunserer
I Arbeit durch Aufnahme ins Jahrbuch ermoglicht hat.
Karte und Text, die als Produkt mehrjahriger Studien
und Untersuchungen nun vorliegen, haben einen doppelten
| Zweck. Einmal sollen dadurch die wertvollen, aber in meist
schwer zuganglichen Publikationen mehr begrabenen als
veroffentlichten Resultate fruherer Forscher auch einem
nicht speziell fachmannischen Leserkreis bekannt gemacht
werden. Anderseits hoifen wir, in einigen Punkten durch
ErweiterungundErganzung des bisher Bekannten, wie auch
durch Konstatierung mehrerer neuer Tatsachen zur genauern
Kenntnis der Geologie unserer Gegend etwas beigetragen
zu haben.
476
A. Die Molasse.
(Miocen, Tertiar.)
Mit Molasse werden im Waadtlande die Sandsteine
bezeichnet. Heute ist der urspriinglich petrographische
(d. h. gesteinsbeschreibende oder gesteinsbezeichnende •
Name zu einem stratigraphischen (die Schichtstufe, bezw.
das Alter bezeichnenden) geworden. Man versteht da-
runter jene Ablagerungen, welche als jungstes Grlied der
Tertiarbildungen auf das Eocen (Flysch und Nummuliten)
folgen und, wohl 1j& des Gesamtareals der Schweiz urn-
fassend, den Untergrund des schweizerischen Mittellandes
bilden, in Speer und Rigi auch noch Gipfel von ansehn-
licher Hohe zusammensetzen, jedoch nirgends mehr in
das eigentliche Alpengebirge eindringen. Aus dem zuletzt
genannten Grunde ist es, beilaufig gesagt, vollkommen
zwecklos, wenn auf geologischen tJbersichtskarten kleineren
Massstabes die Molasse mit dem noch tief in die Alpen
bis in die Nahe der krystallinischen Zentralkamme ein-
dringenden Eocen stets unter derselben Farbe zusammen-
gefasst wird, nur deshalb, weil beide dem Tertiar ange-
horen. Wohl ist die Hauptfaltung des Alpengebirges erst
nach Ablagerung der Molasse erfolgt, aber doch war das
Alpengebiet schon Festland, als die Molasse gebildet wurde
und es ware darum viel lehrreicher und auch auf tJber-
sichtskarten kleinsten Massstabes gut durchfuhrbar, die
Molasse scharf von den altern Formationen abzusondern.
Nach der Zeitfolge der Ablagerung sind in der Mo-
lasse unseres Kartengebietes und in der Ostschweiz uber-
haupt folgende Stufen zu unterscheiden :
Untere Susswassermolasse,
477
Meeresmolasse (Helvetian),
obere Meeresmolasse (Oningerstufe).
Beriicksichtigt man hingegen auch die Verh<nisse
in der Westschweiz, so waren in der Molasse nicht nur
drei, sondern funf Abteilungen (Stufen) zu unterscheiden.
Darauf ist indessen hier nicht einzutreten.
Die Felsarten der Molasse sind Sandstein, Mergel and
Nagelfluh und zwar gilt dies fiir alle drei Molassestufen.
In vereinzelten, wenig machtigen Schichten tritt Siiss-
wasserkalk auf. Die Kohlenvorkommnisse sind nicht von
Bedeutung.
I. Die nntere Sttsswassermolasse.
Von den drei Molassestufen ist die untere Siisswasser-
molasse diejenige, welche die hochsten Bergriicken unseres
Kartengebietes bildet und zugleich am wenigsten von
Gletscherablagerungen bedeckt ist. Sandstein und Mergel
herrschen vor, w&hrend die Nagelfluh erst in den hohern,
der Meeresmolasse benachbarten Schichten bedeutenderen
Anteil am Aufbau nimmt und auch dies nur im west-
lichen, bezw. sudwestlichen Teil.
Die Sandsteine scheinen an Machtigkeit gegeniiber
den Mergeln entschieden das Ubergewicht zu haben. Wir
befinden uns hier in dem nordlich von der nordlichsten
Antiklinalen gelegenen Teile jener Sandstein- und Mergel-
zone, welche zwischen der dritten (Gabris-Hundwilerhohe-
Hochham) und vierten Nagelfluhzone (St. Gallen-Hornli)
in WSW Richtung sich erstreckt.
Die Sandsteine der untern Susswassermolasse unseres
Gebietes gehoren zum grossten Teil jenem kaum 2 km
breiten Streifen der granitischen Molasse an, welcher von
St. Margrethen im Rheintal bis nach Bollingen am Zurich-
478
see sich verfolgen lasst und nur nordlich der ndrdlichsten
Antiklinale am Sudrande der grossen Nagelfluhzone Hornli-
St. Gallen zu finden ist. (Siehe Gutzwiller, 14. Lieferung
der Beitrage zur geologischen Karte der Schweiz, Seite
34, und 19. Lieferung der Beitrage, Seite 8.)
Studer betrachtete die granitische Molasse als Ab-
anderung der gemeinen Molasse. Gutzwiller dagegen
schlug vor, die granitische Molasse wegen ihrer allge-
meinen Verwendung als Baustein und auch um der grossen
Verbreitung willen als ebenburtig neben die andern Haupt-
abanderungen des Sandsteins hinzustellen und unterschied
demgemass folgende Sandsteinarten :
1. Subalpine Molasse.
2. Granitische Molasse.
3. Gemeine Molasse.
4. Mergelmolasse.
5. Knauermolasse.
Die erstgenannte Hauptabanderung , der subalpine
Sandstein, tritt nur am aussersten sudostlichen Rande
unseres Kartengebietes auf, ohne indessen hier in er-
wahnenswerten Aufschliissen sich zu zeigen. Dagegen
lasst er sich in unmittelbarer Nahe, auf dem Riicken der
„Hohen Buche" schon beobachten. Das ausserlich gelb-
braune, innen blaugraue Gestein fallt uns schon durch
seine Harte auf. Auf den zahlreichen Kluftflachen sitzt
Kalkspat, mitunter sind ziemlich schone Kristalle vor-
handen. Das Gestein braust in Saure sehr stark, das
Bindemittel ist vorzugsweise kohlensaurer Kalk, die Korner
bestehen aus Quarz, Kieselkalk und kohlensaurem Kalk.
Der subalpine Sandstein ist meist grobkornig. Eine fein-
kornige Abanderung, welche von Fruh untersucht wurde,
zeigte einen aus Quarzsplittern , Glimmerblattcben und
479
Horn8teinsplittern bestehenden unloslichen Riickstand von
27 Vol. °/0.
Es ist eine auffallige Tatsache, dass der subalpine
Sandstein im allgemeinen nicht weiter nordlich reicht als
bis zur nordlichsten Antiklinallinie.
Gutzwiller (14. Lieferung, Seite 88) und Fruh (Neue
Denkschriften der Schweizer. Gesellschaft fur die Natur-
wissenschaften, Band XXX, Seite 71 und 56) betrachten
ubereinstimmend den subalpinen Sandstein als das sandige
Schlammprodukt der Kalknagelfluh.
In seiner Abhandlung uber das Verbreitungsgebiet
des Santisgletschers zur Eiszeit (Jahresbericht 1871/72 der
st.gallischennaturwissenschaftlichen Gesellschaft) hat Gutz-
willer die subalpine Molasse als Appenzeller-Sandstein be-
zeichnet. Dieser Name ware in der Tat vorzuziehen, denn
der Ausdruck ^subalpine Molasse * kann deshalb verwir-
rend wirken, weil seit Studers Zeiten (Monographie der
Molasse 1825) die Bezeichnung ^subalpine" oft in Gegen-
satz gestellt wird zu „subjurassischa und dann natiirlich
eine weit umfassendere Bedeutung erhalt.
Der granitische Sandstein. Diese zweite Hauptabande-
rung des Sandsteins ist in der Zusammensetzung und im
aussern Habitus ganzlich verschieden vom subalpinen Sand-
stein. Die granitische Molasse ist frisch gebrochen blau-
grau und ziemlich weich, wird an der Lufb hart und hell-
blaulichgrau bis hellgrau. Sie ist reich an roten Feld-
spatkornern, haufig sind auch weisse Glimmerblattchen
und Quarzk6rnchen? auch dunkle und blassgriine Kornchen
(z. T. Hornblende?) sind zahlreich. Das Gestein hat keine
scharf sich abhebende Verwitterungsrinde, ist innen und
aussen ziemlich gleichfarbig. Grobkornige, weniger feste,
480
leicht verwitternde Varietaten sind oft mit einer Lage von
Sand bedeckt.
In Saure braust der granitische Sandstein ganz wenig.
Friih erhielt von einer bei der „Spinnereiu in Trogen ge-
sammelten Gesteinsprobe einen unloslichen Riiokstand von
82 Vol. °/o (gegenuber 27 Vol. °/o beim subalpinen Sand-
stein !).
Gutzwiller hat erkannt (14. Lieferung der Beitrage,
Seite 88 und 19. Lieferung, Seite 8) und Fruh hat noch-
mals betont (Neue Denkschriften, XXX. Band, Seite 70/71),
dass der granitische Sandstein im Nordflugel der nord-
lichen Antiklinale als das ausgeschlammte feinere Material
der bunten Nagelfluh im Sudflugel der nOrdlichen und
mittleren Antiklinale, namlich der Gabris- und Kronberg-
zone aufzufassen sei. Das feinste Schlammprodukt stellen
die Mergel dar.
Ganz kurz kann also zusammenfassend gesagt wer-
den : der granitische Sandstein verhalt sich zum subalpinen
wie die bunte Nagelfluh zur Kalknagelfluh.
Wie schon erwahnt, herrscht der granitische Sand-
stein (auch St. Margrethener- oder Bollinger-Sandstein ge-
nannt) in der untern Siisswassermolasse unseres Karten-
gebietes vor. Doch ist die Sache nicht so zu verstehen,
dass innerhalb des genannten engbegrenzten Streifens nur
ausgepragt granitische Sandsteine zu finden wSren. Man
triffl in der genannten Zone vergesellschaftet mit der
typischen granitischen Molasse auch eine merklich ver-
schiedene Sandsteinabanderung, die da und dort gebrochen
und zur Pflasterung verwendet wird. Nach seinem aus-
gezeichneten Vorkommen bei Heiden wird er auch etwa
als Heidener - Pflasterstein bezeichnet. Dieser Sandstein
ist sehr hart, stark blaulichgrau und feinkornig. Manche
481
Ab&nderungen zeigen so feines Korn, dass man die ein-
zelnen Bestandteile mit der Lupe nicht mehr sicher unter-
scheiden kann. Die Verwitterungsrinde ist gelbbraun bis
rotlichgelb und hebt sich vom blaulichgrauen Kern scharf
ab. Solche Pflastersteine werden gewonnen in den Stein-
briichen bei Vorderhaus und Steinegg nordostlich von
Teufen und fehlen auch nicht dem Steinbruch im Horst,
der schon auf Blatt IX der geologischen Karte der Schweiz
verzeichnet ist.
Der Heidener Pflasterstein zeigt in mancher Beziehung?
z. B. hinsichtlich der Harte und der scharf sich abheben-
den Verwitterungsrinde, grosse Ahnlichkeit mit dem sub-
alpinen oder Appenzeller-Sand stein. Dass der Pflasterstein
in der Zone der granitischen Molasse vorkommt, wahrend
er doch weit mehi Ahnlichkeit mit dem siidlich der Anti-
klinale vorherrschenden subalpinen Sandstein aufweist,
erscheint zunachst sehr auffallig, kann aber als ein Ana-
logon zu der Tatsache betrachtet werden, dass die zweite
(Kronberg-Petersalp-Hochalp) und dritte Nagelfluhzone
(Gabris - Hundwilerhohe - Hochham) auch nicht in ihrer
ganzen Machtigkeit bunt sind, sondern im tieferen Teile
jeweilen Kalknagelfluhbanke aufweisen. Ja, auch in der
vierten Nagelfluhzone (St. Gallen-Hornli), in der die bunte
Nagelfluh absolut dominiert, finden sich, abgesehen von
der Abtwiler-Degersheimer Kalknagelfluh, einzelne Banke,
welche durch ein ganz ungewohnliches Zuriicktreten der
kristallinischen Silikatgesteine sich auszeichnen.
Abanderungen der granitischen Molasse und des Hei-
dener Pflastersteins sind natlirlich sehr haufig. So findet
8ich im Horststeinbruch eine etwas feinkornigere und zu-
gleich dunklere Varietat des granitischen Sandsteins. Auch
die bei Teufen gewonnen en Pflastersteine sind trotz &usser-
31
482
licher Ahnlichkeit von recht verschiedenem Korn. Neben
ausserst feinkornigen gibt es auch solche, welche dunkle
und rote Korner von blossom Auge erkennen lassen.
Die gemeine Molasse ist ein Sandstein von wenig
ausgepr>em Charakter, zeigt Ubergange zum subalpinen
und granitischen wie auch zum mergeligen Sandstein und
weist in Beziehung auf die Grosse der Korner, auf Farbe,
Zusammensetzung und Festigkeit solche Unterschiede auf,
dass eine genaue Beschreibung kaum moglich ist.
Die Mergelmolasse (mergeliger Sandstein), ein ton-
und kalkreicher, lockerer Sandstein, kommt in unserem
Gebiet ofters vor, besonders zwischen den Nagelfluh-
schichten der untern Stisswassermolasse.
Knauermolasse kommt in der untern Stisswasser-
molasse unseres Kartengebietes ebenfalls vor, dock wenig
ausgepragt und seltener, als in der obern Stisswasser-
molasse. Die Knauermolasse hat ihren Namen von eigen-
tiimlichen Verhartungen, welche als abgerundete Erhebungen
aus dem umgebenden weicheren Gestein hervortreten und
der Schichtung parallel laufen. Besonders auffallig sind
aber die Knauer da, wo der massig auftretende Sandstein
keine Neigung zu Absonderungen zeigt. ^In wunderbaren
Formen durchziehen sie dann die Molasse nach jeder Rich-
tung, zuweilen aufrecht stehenden Baumstammen ahnlich
mit abgeschnittenen Asten und Wurzeln, oder Riesenknochen
mit noch deutlichen Gelenken; zuweilen glaubt man die
Trummer eines in Sand begrabenen Saulenganges zu er-
blicken.a (Studer, Monographie der Molasse, Seite 97.)
Ungleicher Kalkgehalt des Bindemittels, resp. Kon-
zentration des Kalkleims auf gewisse Stellen mag wohl
die Hauptursache der Knauerbildung sein.
Die Mergel der untern Stisswassermolasse unterscheiden
483
sich schon durch ihre gelbliche, graugelbe bis braunliche
violette und rote Farbe von den blauen Mergeln der
Meeresmolasse. Die ausgesprochenen Mergel zeigen oft
Fettglanz, zerfallen in unregelmassige Bruchstiicke, so
dass es unmoglich ist, ein grosseres zusammenhangendes
Stuck herauszubringen und konnen ihrer Zusammensetzung
nach als feiner Ton bezeichnet werden.
Daneben aber entstehen durch Hinzutreten von Sand-
kornern und Kalk so mannigfache Ubergange, dass eine
Unterscheidung zwischen Mergeln und Sandstein oft
schwierig wird.
Schwarzliche bituminose Mergel, deren Bitumgehalt
von verwesten organischen Stoffen hernihrt, kommen hie
und da vor, sind aber bei weitem nicht so haufig, wie in
der obern Siisswassermolasse.
Die Kalkeinlagerungen der untern Siisswassermolasse
sind nicht von Bedeutung. Sie finden sich teils als diinne,
hochstens 1 m machtige Banke, teils nur als Knollen in
den Mergeln.
Diese Siisswasserkalke sind oft gelblich, blaulich, vio-
lett und rotlich gefleckt und sehen aus einiger Entfernung
oft bunten Mergeln tauschend ahnlich, unterscheiden sich
jedoch von ihnen durch ihre Harte, wie auch dadurch,
dass sie, im Gegensatz zu den Mergeln, aus dem Abriss
hervorragen.
Das bedeutendste Vorkommnis dieser Art findet sich
am Wenigerweier in dem bekannten Aufschluss unmittel-
bar nordlich des nach St. Georgen fuhrenden Strasschens.
Die Machtigkeit des gelblich bis violett und rotlich ge-
fleckten Kalkes betragt hier fast 1 m. Wir wurden auf
dieses Vorkommnis von Herrn Prof. Friih in Zurich auf-
merksam gemacht.
484
Eine ca. 30 cm m&chtige Schicht von Susswasserkalk
findet sich ferner in dem Steinbruch bei Hauschen ost-
lich von Fr6hlichsegg.
Susswasserkalk in Gestalt von meist ellipsoidischenr
den Mergeln eingelagerten Knollen trifft man nordlich
der Strasse von Speicher nach Teufen zwischen Schlatt
und Stelz. Auch auf der Westseite des von der Waldegg
dem Rande des Stuhleggwaldes entlang fiihrenden Strass-
chens kommt Susswasserkalk vor, der indessen ebenfalls
nicbt eine eigentliche Schicht zu bilden scheint, sondern
knollen- und knauerartig den Mergeln eingelagert ist.
Versteinerungen.
Die untere Siisswassermolasse ist im allgemeinen sehr
arm an Versteinerungen.
Kohlenspuren finden sich da und dort. Kohlenstreifen
von iiberhaupt erwahnenswerter Machtigkeit finden sich
indessen nur am rechten Ufer der Goldach, unter dem
Wege, der nach dem Scheibenstand fuhrt, in unmittel-
barer Nahe des Steges. Hier wurden in die grauen und
blaugrauen, Kohlen fiihrenden Mergel funf Stollen ge-
trieben, die sich ca. 2 — 4 m iiber dem Wasserspiegel der
Goldach befinden. Das machtigste der Kohlenbander,
deren man im grossten Stollen drei bemerkt, hat etwas
iiber 5 cm Dicke. Im Jahre 1892 hat Herr Huber, Wirt
zum „Schaugenbadliu, aus diesen Gruben ca. 300 Zentner
Kohle gewonnen, die, obwohl ziemlich viel Schlacken iibrig
lassend, doch gut sich verwerten liess. Vor zirka drei
Jahren wurde das Kohlenvorkommnis durch Herrn Berg-
werksinspektor Rocco einer f achmannischen Expertise unter-
worfen, welche ergab, dass an eine bergmannische Aus-
beutung der ungiinstigen Schichtung und der schwierigen
Transportverhaltnisse wegen nicht zu denken sei.
485
In den umgebenden Mergeln finden sich zahlreiche
Pflanzenreste. Ferner hat Prof. Friih dort folgende Ver-
steinerungen gefunden:
Planorbis cornu, Brogn.
Planorbis laevis, Klein.
LimnaBus dilatatus, Noul.
Melania Escheri, Brogn.
Helix sylvana, Klein.
Helix subcostata, Sandbg.
Pupa, sp. (?).
Ankniipfend an die in den Kohlenmergeln zahlreich
vorkommenden, wenn auch meist undeutlichen Pflanzen-
reste mag hier noch der ratselhafben, oft genannten pflan-
zenfnhrenden St. Galler Molasse-Findlinge gedacht werden.
Beim Bau des Biirgerspitals St. Gallen (1840) fand man
namlich in den dortigen Kies- und Sandablagerungen
leioht kenntliche rotbraune Mergel von ziemlicher Harte
und muscheligem bis splitterigem Bruch. Diese Mergel
enthielten Pflanzenabdriicke von einer fur unsere Gegend
ungewohnlichen Schonheit. Architekt Kunkler sammelte
wahrend drei Jahren diese Geschiebe und brachte so eine
hubsche Sammlung von Pflanzenresten zusammen. Es sind
wohl die schonsten fossilen Pflanzen, welche die st. gallisch-
appenzellische Molasse geliefert hat. Sie wurden von Prof.
Heer bestimmt und das Verzeichnis ist folgendes (siehe
Gutzwiller, 19. Lieferung, Seite 19):
Sphaeria Kunkleri, Heer.
Phacidium Eugeniarum, Heer.
auf Eugenia hseringiana.
Salvinia reticulata, Heer.
Pinus palceostrobus, Heer.
Phragmites oeningensis, A. Braun.
t
486
Myrica Studeri, Heer.
Planera Ungeri, Ett.
Cinnamomum Scheuchzeri, Heer.
Cinnamomum lanceolatum, Ung. sp.
Cinnamomum subrotundum, Heer.
Cinnamomum polymorphum, Heer.
Dryandroides arguta, Heer.
Andromeda vaccinifolia, Ung.
Vaccinium parvifolium, Heer.
Cornus Deickei, Heer.
Eugenia haaringiana, Ung.
Eugenia aizoon, Ung.
Eucalyptes oceanica, Ung.
Sapindus falcifolius, A. Braun.
Carya Heerii, Ett.
Robinia Regeli, Heer.
Robinia constricta, Heer.
Caesalpinia Falconeri, Heer.
Dahlbergia Scheitlii, Heer.
Leguminosites Tschudii, Heer.
Acacia parschlugiana, Ung.
Acacia cyclosperma, Heer.
Acacia Sotzkiana, Ung.
Acacia Gaudini, Heer.
Acacia microphylla, Ung.
Mimosa Wartmanni, Heer.
Hiezu kommt noch (Jahresbericht 1894/95 und 1890/9L
der st. gallischen naturwissenschaftlichen Gesellschaft):
Zanthoxyllum serratum, Heer, ebenfalls von Kunkler
beim Burgerspital gesammelt.
Palmacites helveticus, Heer.
Rhus Pyrrhae, Ung.
487
Das Kunkler'sche Gestein mit Cinnamomum lanceo-
Utum wurde von Mettler auch an der St. Georgenstrasse
I gefunden.
' Ferner haben wir selbst diese typischen rotbraunen
Mergel mit mehreren der oben erw&hnten Pflanzen in der
gTossen Kiesgrube des Herrn Stadelmann im Neudorf ge-
-funden, wenn auch nicht allzu haufig. Es ist absolut das
Seiche Gestein wie das von Kunkler beim Biirgerspital
Sresammelte; eine Verwechslung ist unmoglich und hier
'Wie dort enthalt es neben den Pflanzenabdriicken auch
Alelanien und Planorben.
Kunkler und Deicke haben lange nach dem Stamm-
ort dieser eigentiimlichen, sowohl nach den Fossilien als
xiach dem Gesteinscharakter der Molasse angehorigen Find-
Unge gesucht, aber ohne sichern Erfolg. Auch uns ist es
xxicht gelungon, den Ort des Anstehens dieser Mergel mit
Sicherheit zu konstatieren. Dagegen darf der Yermutung
Uaum gegeben werden, dass sie jenen Schichten der untern
Stisswassermolasse entstammen, welche am rechten Gold-
achufer die oben erwahnten Kohlenmergel fuhren. Zwar
finden sich dort keine so schonen Pflanzenabdrticke, aber
doch zeigt das Gestein entschiedene Anklange an die
Kunkler'schen Findlinge, enthalt ebenfalls Melanien und
Kanorben, und der Ort liegt, wie es die Gletscherbewegung
erfordert, ostlich von der Ablagerungsstatte. Da zudem
jene Kohle fuhrenden Schichten nur auf kurze Strecke ent-
blosst sind, so ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass man
in geringer Entfernung das Kunkler'sche Gestein unter
Schutt begraben anstehend fande.
Von andern Fundorten innerhalb der untern Suss-
wassermolasse fuhrt Gutzwiller folgende fossile Pflanzen
an (19. Lieferung, Seite 15/16):
488
Myrica salicina, Heer, Teufen.
Lauru8 princeps, Heer, Teufen.
Rhamnus Eridani, Ung., Teufen.
Juglans bilinica, Lortanne bei Teufen.
Die Bezeichnung „Teufena ist naturlich sehr unbe
stimmt. Vermutlich handelt es sich um den grossen Stein
bruch beim Horst, in welchem sehr zahlreiche Pflanzer
reste gefunden werden, jedoch nur ausnahmsweise i
ordentlichem Erhaltungszustande. Auch im Steinbruch b(
Vorderhaus N E Teufen findet man schlecht erhalten
fossile Pflanzen, sowie Kohlenspuren.
Obigem Verzeichnis ist noch beizufugen („Beitrag
zur Terti&rflora des Kantons St. Gallena von Dr. R. Kelle:
Jahresbericht 1890/91 der st. gallischen naturwissenschafl
lichen Gesellschaft) :
Populus latior, A. Braun, Niederteufen.
Fundstellen tierischer Fossilien sind uns, abgesehe
von den Kohlenmergeln am rechten Goldachufer, in de
untern Siisswassermolasse nur wenige bekannt. Im Steii
bruch von Hauschen ostlich von Frohlichsegg trifft ma
dunkle Mergel, unter welchen der schon erwahnte zirk
30 cm machtige Siisswasserkalk liegt, wahrend noch tiefe
zuerst diinnschieferiger und plattiger, sodann dickbankige
Sandstein folgt. Die Mergel werden iiberlagert von Sand
stein und gelblichen Mergeln. Die dunkeln Mergel sin
einige Meter miichtig und enthalten zahlreiche Schale
von Land- und Susswasserschnecken.
Fossile Schnecken wurden ferner gefunden beim Ba
der Wasserleitung nordwestlich vom Harzig (in der sue
ostlichen Ecke unseres Kartengebietes). Es gelang uii
aber nicht, die Stelle ausfindig zu machen.
Im Museum sind vorhanden:
489
Planorbis declivis, Dpd., Kubelmfthle.
Planorbis kevis, Kubelmiihle.
Columbella Borsoni, Bell., St. Georgen.
Melania Escheri, Brongn., Kubel.
Poromya quadrata, Hinds. (Corbula), Philosophental.
Unio flabellatus, Goldf., Kubel.1)
Die Nagelfluh.
Konsequenterweise mlisste fur jede der drei Molasse-
stufen die Nagelfluh in einem besondern Abschnitt be-
handelt werden, ahnlich wie Sandstein und Mergel. Es
empfiehlt sich hier indessen, von der tiblichen Ordnung
abzugehen und der Nagelfluh einen zusammenfassenden
Abschnitt zu widmen, auf welchen spater, wenn von der
Nagelfluh der einzelnen Stufen die Rede ist, einfach ver-
wiesen werden kann.
Jedermann kennt die Unterscheidung der Nagelfluh
in zwei Hauptarten: die Kalknagelfluh und die bunte
Nagelfluh. Die letztere enthalt neben immerhin vorwiegen-
den Sedimentgerollen (hauptsachlich Kalke) auch eine
namhafte Zahl von kristallinischen Silikatgesteinen. Ohne
dass hier eine exakte Prozentzahl angegeben wird, mag
ak bunte Nagelfluh jede Nagelfluh bezeichnet werden, in
welcher man auf den ersten Blick, ohne zu suchen,
mehrere kristallinische Silikatgesteine (Gneise, Granite,
Porphyre etc.) erkennen kann.
Wir haben es in unserem Gebiete hauptsachlich mit
der bunten Nagelfluh zu tun. Unsere St. Galler Nagelfluh
gehort der sogenannten vierten Zone (St. Gallon -Hornli)
an. Gutzwiller hat namlich, von den Alpen aus gerechnet,
l) Unio flabellatus kam uns in einem einzigen Exemplar auch
vom Steinbruch am Gstaldenbach zu.
490
in der ostschweizerischen Molasse folgende vier Nagelfluh-
zonen unterschieden (14. Lieferung der Beitrage):
1. Zone: Stockberg-Speer-Hirzli (wahre Kalknagelfluh)
2. Zone: Kronberg - Petersalp - Hochalp (im tiefern Tei
Kalknagelfluh, im hohern bunte Nagelfluh).
3. Zone: G&bris - Hundwilerhohe - Hochham (vorwiegen*
bunte Nagelfluh, die tiefern Schichten jedocl
auffallend arm an kristallinischen Gerollen).
4. Zone : St. Gallen-Hornli (bunte Nagelfluh).
Indes kommt die Kalknagelfluh auch in der viertei
Zone als Degersheimer- oder Abtwiler-Nagelfluh noch ein
mal auffallig zur Geltung und soil bei Behandlung de
obern Susswassermolasse naher erw&hnt werden.
An der Zusammensetzung der bunten Nagelfluh, di
als polygenes Konglomerat bezeichnet werden kann, be
teiligen sich hauptsachlich folgende Ge9teine:
Mergelkalke, Kieselkalke, gelbliche, graue und schwarz
liche Kalke, Dolomit, Kalkbreccien und Kalkkonglomerat*
Hornsteine, Quarzsandsteine, Quarzite, Porphyre, Gabbrc
Talkgneise, Gneise, Gneisgranite, rote und griine Granite
Das Bindemittel (Zement, Nagelfluhkitt) ist sandsteinartig
Wenn beim Zerschlagen der Nagelfluh die Gerolle oi
eher zerbrechen, als dass man sie ganz aus dem Zemen
herausbringt, so ist dies nicht immer ein Beweis fur di
Festigkeit des Bindemittels. Es ist zu berucksichtigec
dass viele Gerolle weit fortgeschrittene Verwitterung zeigen
Gerade aus diesem Grunde ist das Nagelfluhkies, wei
weniger widerstandsfahig, fur Strassenbeschotterung etc
lange nicht so geschatzt und begehrt, wie das Kies de
Gletscherablagerungen.
Besonders die Feldspatgesteine sind oft so verwitteri
dass sie beim Herausfallen zu Sand sich auflosen und mai
491
leicht zu falschen Schliissen gelangen kann, wenn man
nor die am Fusse einer Nagelfluhwand liegenden Gerolle
betrachtet.
Prof. Friih hat iiber das numerische Verh<nis der
Sedimentgesteine zu den Silikatgesteinen Erhebungen ge-
macht in der Weise, dass er in einer gut erhaltenen Nagel-
fluhschicht je einen Quadratmeter genau abgrenzte und
die innerhalb desselben gelegenen Gerolle z&hlte and zu-
gleich qualitativ notierte.
So erhielt er am Wenigerweier an zwei Lokalitaten
folgende Resultate (Neue Denkschriften, XXX. Band, S. 76) :
a) 462 Gerolle. Sedimentgesteine. . . . 430 ---96,1 °/o
Kristallinische Silikatgesteine 22= 4,9 °/o
(darunter rote Granite 9 = 2 °/0).
b) 690 Gerolle. Sedimentgesteine .... 557= 94,4 °/<>
Kristallinische Silikatgesteine 33= 6,6 °/o
(darunter rote Granite 6- l°/o).
Hiebei wurde der weissliche Quarzit zu den Silikat-
gesteinen, das verrucanoartige Gestein zu den Sediment-
gesteinen gez&hlt.
Es wird behauptet und trifft im grossen und ganzen
zu, dass die Grosse der Gerolle mit der Entfernung von
den Alpen abnimmt. In unserm Spezialgebiet zeigen die
grossten Gerolle eine Langendimension von 20—26 cm.
Ein merkbarer Unterschied in der Gerollgrosse lasst sich
indennordwestlichsten gegeniiber densiidostlichstenBanken
nicht nachweisen. So finden sich z. B. in der Nagelfluh
zwischen Gruben und Buhl bei Joosruti mindestens ebenso
viele, wo nicht mehr Gerolle von ansehnlicher Grosse
(20 cm und daruber), als in der Nagelfluh-Kiesgrube bei
Hinter-Horlen, sudostlich von St. Georgen.
Auffallig und allbekannt sind die Eindriicke, Rutsch-
492
streifen und Quetschungen der Gerolle, besonders schdii
zu beobachten am Wenigerweier und in der Grenznagel-
fluh zwischen Meeresmolasse und oberer Susswassermolasse.
Prof. Friih hat diese Erscheinungen in seiner spater
noch zu erwahnenden gekronten Preisschrift „Beitrage zur
Eenntnis der Nagelfluh" besonders einlasslich behandelt,
mit Verwertung der reichen Literatur, hauptsachlich aber
gestiitzt auf sehr zahlreiche exakte eigene Beobachtungen.
Das Gestein, welches die Eindriicke empfing, ist
meistens ein Kalk- oder Dolomitgestein. Das Gerdll, das
den Eindruck erzeugte, ist gewohnlich, aber nicht immer,
ein harteres Gestein, z. B. Quarzit. Als Erfahrungssatz
stellt Friih mit andern Forschern auf: Stossen zwei Ge-
rolle aneinander, so wird jenes den Eindruck hervorbringen,
welchem an der Beriihrungsstelle der kleinere Krummungs-
radius entspricht, hingegen nimmt jenes den Eindruck an,
welches den grossern Kriimmungsradius hat.
Die Eindriicke sind eiformig oder elliptisch, mehr oder
weniger schalenformig, mit scharfem Band, von wechseln-
der Tiefe. Sehr haufig sind polyedrische Eindriicke, her-
riihrend von den eckigen Kornern des Bindemittels.
Bei der Erklarung der Entstehung der glatten Ein-
driicke haben alle Forscher bis auf Friih ein ganz ent-
scheidendes Moment iibersehen, das doch schon von Deicke
beobachtet und von Sorby beriicksichtigt und betont worden
war. Es findet sich naralich in der Regel zwischen der
Eindrucksoberflache und dem eindriickenden Gerolle eine
Zwischenschicht, die sich von beiden unterscheidet und
oft mit einem Calcithautchen schleimartig bedeckt ist.
Nach langen und miihevollen Untersuchungen, wahrend
welcher Prof. Friih diese Hautchen als Residuum des Ge-
steins bei der Auflosung desselben mittelst Kohlensaure
493
betrachten lernte, gelangte er betreffend Bildung der Ein-
driicke zu folgenden Resultaten:
1. Die Carbonate enthaltenden Gesteine mit den
typischen Eindriicken mit ganzem, scharfem Band lassen
keine mechanisch-plastischen Umformungen durch Sprung-
systeme oder Breccienbildung erkennen.
2. Keine Carbonate ausgenommen, zeigt sich zwischen
den beiden Gerollen eine Zwischenschicht, welche in jeder
Beziehung nur aus den in Sauren unloslichen Gemeng-
teilen des den Eindruck empfangenden Gesteins besteht
and als das nicht dislozierbare, durch Druck zu einem
Granzen geformte Residuum einer durch Kohlensaure und
hohen Druck erfolgten chemischen Aushohlung zu be-
trachten ist.
In einem weiteren Kapitel behandelt Professor Frtih
weitergehende Formveranderungen an Gerollen, wobei
schon grSssere Bewegungen und Dislokationen aller Art
stattgef iinden haben (einseitig gebaute Eindrucke mit einem
scharfen konkaven Steilrand, resp. mit mehreren treppen-
und terrassenfbrmig aufeinanderfolgenden abgebrochenen
Steilrandern, Quetschungen mit Verwerfung der Gerolle,
sternformige Zerquetschung der Gerolle, Torsionen etc.).
Die Bruchstiicke von zerdriickten Gerollen sind meist durch
Calcit wieder verbunden.
In einem dritten Kapitel bespricht Prof. Fruh die
Ursachen, welche die Eindrucke, Rutschstreifen, Quet-
schungen etc. bewirkt haben. Er ist der Ansicht, dass
die fur die Nageltluhgerolle charakteristischen Oberflachen-
veranderungen sich zwanglos ohne Mithilfe der Gebirgs-
dislokation erklaren, d. h. ohne Mitwirkung jener Schub-
kraft, welche das Molassevorland und die Alpen faltete.
Ohne den Einfluss der Gebirgsdislokation abzuleugnen,
494
betrachtet er ihn doch mehr als einen graduellen und
dafiir, dass ihr von andern Forschern, wie Gutz wilier
Eothpletz, ein zu grosser Anteil an der Entstehung
Eindriioke etc. zugeschrieben worden set Naoh der
fassung von Prof. Friih w&ren diese Oberflachenvera
rungen durch Losung des Gesteins mit Kohlensaure i
Druck (d. h. unter der Last der Gerollmassen selbst)
standen.
Die grossten Ver&nderungen an Geschieben sind 3
in den steilen Schichten der Antiklinalzone, sonder
der Zone Wenigerweier mit ca. 26 ° NW Fallen gef a
worden und zwar sowohl von Gutzwiller als von I
Gegen einen bedeutsamen Einfluss der Gebirg
lokation spricht auch der Umstand, dass nach Friih su<
von Steckborn und am NW-Ende des Zurichberges
horizontal oder fast horizontal gelagerte Nagelfluh j
zende Eindriicke, glanzende Butschstreifen, ausgezeicl
Polituren, in Hautchen zerriebene Pyrite und Quetschu
zeigt.
Die vielumstrittene Frage der Herkunft der Nage
muss hier ebenfalls kurz gestreift werden. In seiner „]M
graphie der Molasse" (Seite 159) schrieb Studer: ,E
ist es moglich, der Betrachtung der Nagelfluhgebirge e:
Aufmerksamkeit zu widmen, ohne seine Gedanken ii
Gebiet der Hypothesen iiber die Ursachen und den Sta
ort dieser ungeheuren Geschiebeablagerung hini
schweifen zu lassen; aber die Schwierigkeiten, mit d
jeder Versuch zu kampfen hat, zeigen dann auch sogl
dass wir noch lange nicht genug Materialien besitzen
ein irgend haltbares Gebaude begninden zu konnen
Die angedeuteten Schwierigkeiten betreffen in e
Linie die kristallinischen Silikatgesteine. Wahrend ein
495
der Sedimentgerolle unschwer als aus den der Molasse be-
nachbarten Alpenketten stammend erkannt wurde, gelang
es nicht, den Ort des Anstehens der fremdartigen Granite,
Porphyre, Gneisgranite u. s. w. zu finden. Sie erwiesen
sich als so verschieden von den kristallinischen Silikat-
gesteinen der Alpen, dass man zu andern Erklarungen
griff. Studer dachte an eine Abstammung dieser fremd-
artigen Gerolle aus dem Sohwarzwald, kam aber spater
davon zuruck und stellte die bekannte Theorie von einem
abgetragenen granitischen Randgebirge auf. Heer hat die
teilweise tJbereinstimmung der Nagelfluhgerolle mit den
Gesteinen des Schwarzwaldes dadurch zu erklaren ver-
sucht, dass er einen Ausl&ufer des Sohwarzwaldgebirges
bis zum Napf sich erstrecken liess.
Arnold Escher von der Linth hielt die Nagelfluh-
gerolle ebenfalls fur Flussgeschiebe und liess sie, soweit
es sich um Kalkgeschiebe handelt, aus dem Alpengebiete
ostlich und sudostlich unserer Molasse herstammen. Schon
frfih hatte er erkannt, dass die Kalkgerolle der Nagelfluh
zum Teil durchaus identisch seien mit Gesteinen, welche
im Trias-Liasgebirge Vorarlbergs und den nordlich vor-
gelagerten Kreide- und Eocenketten der Schweiz und Vor-
arlbergs anstehend gefunden worden.
Gutzwiller vertrat ebenfalls die Ansicht Eschers und
ausserte den Gedanken, dass eine genaue Vergleichung der
kristallinischen Gesteine des ostlichen Teiles der Schweizer-
alpen, sowie der Ostalpen mit den kristallinischen Gesteinen
der Nagelfluh dasselbe Resultat liefern, d. h. auf stidost-
liche und ostliche Herkunft der Nagelfluh hindeuten werde.
Anno 1884 schrieb die allgemeine schweizerische natur-
forschende Gesellschaft auf einen zweijahrigen Termin
folgende Preisfrage aus:
496
Die Gesellschaft verlangt eine Zusammenstellung der
auf die miocene Nagelfluh beztiglichen Erscheinangent
welche iiber den Ursprung derselben, iiber die sie bilden-
den Stromungen und liber die Umstande, welche die
letzteren bestimmten, Aufschluss geben k6nnen.a
Als Antwort reichte Herr Prof. Dr. J. J. FrtLh eine
Arbeit ein, welche preisgekront unter dem Titel erschien:
Beitrage zur Kenntnis der Nagelfluh der Schweiz. Mit
17 in den Text gedruckten Figuren und 4 Tafeln. (Neue
Denkschriften der allgemeinen schweizerischen Gesellschaft
fur die gesamten Naturwissenschaften. Band XXX.)
Diese ausfiihrlichste, erschopfendste und lehrreichste
Arbeit, die wir iiber die Nagelfluh besitzen, fusst auf einem
ungeheuren Beobachtungsmaterial und ist zugleich von
grossen leitenden Gesichtspunkten aus geschrieben. Uber
den reichen Inhalt konnen hier selbstverstandlich nur kurze
Andeutungen gemacht werden.
Friih hat in den Sedimentgerollen der Nagelfluh fol-
gende Stufen und Felsarten nachgewiesen:
Flysch: Flyschsandkalk, Flyschsandstein, Flyschquarzit,
Flyschmergel und Flyschmergelkalk.
Nummulitenstufe: Nummulitenkalk und Lithothamnienkalke.
Kreide: Seewenerkalk (nicht absolut sicher).
Gault als glaukonitischer Sandstein.
Schrattenkalk (aufFalligerweise wurde niemals Ca-
protinenkalk gefunden).
Neocom und Valengien als Kieselkalke und Echino-
dermenbreccien.
Jura: Malmkalke.
Dogger fehlt.
Grauer Fleckenliaskalk und Fleckenmergel (Allgau-
schichten Giimbels).
497
Adnetherkalk und verschiedene andere Liaskalke.
Trias: Oberer Dachsteinkalk, Kflssenerschichten, Platten-
kalk, Hauptdolomit, alpiner Muschelkalk (letzterer
nicht ganz sicher).
Buntsandstein: Bote Sandsteine und gelbliche bis weisse
Quarzite.
Gerolle, welche mit den Melser Konglomeraten oder
gar mit den roten Ackersteinen (Sernifit) aus dem Glarner-
land iiberein8timmen wiirden, hat Herr Friih in der Nagel-
flah nie gefunden.
Erwahnenswert ist, dass nach Friih kein alpines For-
mationsglied so sehr mit einem ausseralpinen petrographisch
ubereinstimmt, als der nach Versteinerungen festgestellte
alpine Buntsandstein. Die typischen Yogesensandsteine der
Nagelfluh fand Friih nur im Vorarlberg, nie im Anstehen-
den des Verrucano der Schweiz.
Sehr haufig sind die oben erwahnten Liasfleckenkalke
and Fleckenmergel in unserer Nagelfluh. Sie stammen,
wie auch die Triasgerolle, aus den Sedimentketten Vorarl-
bergs. Westlich vom Bhein ist die stufenreiche alpine
Trias bekanntlich nicht mehr entwickelt, wird vielmehr
vertreten durch die Botistufe.
An Petrefakten wurden nach Friih in den Sediment-
gerollen der Nagelfluh bisher gefunden:
Flysch: Chondrites intricatus Brongn.
Chondrites Targionii Brongn.
Chondrites patulus Fischer.
TaBnidium Fischeri Heer.
Palseodictyon singulare Heer.
Spongiennadeln, Foraminiferen.
Nummuliten- Zahlreiche Arten Nummulina.
Stllfe: Lithothamnium nummuliticum Giimb.
32
498
Reste von Echinusschalen.
Echinodermenstachelri.
Ostrea.
Pecten.
Serpula.
Kreide: Korallen, Echinodermenstacheln, Bryozoen.
Jura: Fucoiden.
Belemniten.
Pentacrinus und Ecrinnus.
Aegoceras capricornu Schloth.
Arietites raricostatus Ziet.
Arietites spiratissimus Qu.
"Weisse Pentacriniten.
Ammonites spec?
Trias: Lithodendren.
Avicula contorta Portl.
Avicula spec?
Myophoria spec?
Mytilus minutus Jaks.
Cerithium.
Corbis (Corbula).
Terebrateln (Rissoa).
Fischzahn.
Bissoa alpina.
Gyroporella Giimb.
Die Untersuchung der Sedimentgerfllle zwingt zur An-
nahme einer Stromung von Siidosten her. Das Material haben
die damals noch nicht oder nur schwach gefalteten schwei-
zerisch-vorarlbergischen Sedimentketten (nordliche Kalk-
alpen) geliefert und es ist namentlich das vorarlberg. Trias-
Liasgebirge, das dortin eigenartiger, vondengleichalterigen
Bildungen der Schweiz ganzlich verschiedener Facies auf-
tritt, durch charakteristische Gerolle sicher nachgewiesen.
499
Bedeutend schwieriger war das Stadium der Silikat-
gesteine, ihrer Beschaffenheit und mutmasslichen Herkunft*
Prof. Fruh bespricht nacheinander die Gneise (Augen-
gneise, flaserig-knotige Gneise, Stengelgneise, diinnge-
schichtete und diinnflaserige Gneise etc.), sodann die Gra-
nite mit rotlichem Feldspat, mit weissem und grauem
Feldspat, die Granitporphyre und Porphyre und end-
lich die massigen Hornblende- und Augitgesteine (Diorit,
Dioritporphyr, Aphanitporphyr, Variolit, Gabbro etc.).
Nie hat Herr Fruh, obwohl er ganze Fuder Nagelfluh
untersucht hat, den so charakteristischen Puntaiglasgranit
aufgefunden. Das dortige Gebirge schlummerte zur Ablage-
ningszeit der Nagelfluh wohl nochuntereinerSedimentdecke.
Ferner fand er in der Nagelfluh niemals: Serpentin,
Amphibolit und Amphibolgneis.
Die miihsame Untersuchung der wichtigsten in der
Nagelfluh vorkommenden kristallinischen Felsarten brachte
Prof. Fruh zu der Uberzeugung, dass fur einen grossen
Teil derselben identische und fiir scheinbar exotische zum
mindesten sehr ahnliche anstehend gefunden werden in
einem siidostlich vom Ablagerungsgebiet gelegenen Areal,
von der Silvrettagruppe und Innerbiinden zu den Otztaler-
bergen und dem westlichen Etschgebiet iiber Unterengadin,
das siidostliche Graubiinden, Oberengadin und Oberhalb-
stein sich erstreckend.
So nennt er z. B. als Stammgebiete der Nagelfluh die
Talgebiete der Etsch und des Inn fur verschiedene Gneise,
Piz Minschun fiir Gneis, Berninagruppe fur Granite mit
rotlichem Feldspat, Piz Julier fiir grobkornige Granite
vom Wenigerweier, Nordrand des Brixener Granitmassivs
fur bunte Granitporphyre, Bernina-Heutal, Val Chiamuera
fur Felsitporphyr, ostliches und siidostliches Blinden fiir
500
Diorit und Dioritporphyr, Oberhalbstein f&r Gabbro und
Variolit, inneres Biinden (Biindner Schiefer) f&r Quarzite.
Besondere Bedenken gegen die alpine Abstammung
der kristallinischen Nagelfluh-Silikatgesteine verursachten
von jeher die auff&lligen roten Granite. Teller in Wien
hat indessen Prof. Friih mitgeteilt, dass die roten Granite
den Alpen nicht mehr so frenid seien, wie man anzu-
nehmen pflege und dass im Granitgebirge von Brixen
wiederholtGesteinsabanderungen beobachtet warden, welche
den von Prof. Friih eingesandten Proben sehr ahnlich
seien.
Ferner erinnert Prof. Friih an gewisse Berninagranite
mit r6tlichem Feldspat und betont im librigen naohdruck-
lich, dass die rote Farbung der Nagelfluh- Granite in vielen
Fallen nicht eine ursprungliche war, sondern durch Ver-
farbung entstanden sei.
Endlich darf als gewiss angenommen werden, dass
die Wasserscheide der Alpen in der vormiocenen Zeit und
vor erfolgter Hauptfaltung viel weiter nach StLden vor-
geschoben war als heute. Nach Friih bestand eine aus
eruptiven Felsarten (Granite, Granitporphyre, Porphyre)
zusammengesetzte Landmasse von Westtirol fiber das stid-
ostliche Biinden, die lombardischen Alpen, Lugano, Arona
bis Biella und er halt dafiir, dass die roten Granite und
Porphyre mit andern massigen Gesteinen grosstenteils von
diesem Eruptivgebiet Westtirol, Engadin, Veltlin bis Lago
Maggiore abstammen diirften. Sie k6nnen nicht von einem
verschwundenen granitischen Gebirge am Nordrande der
Schweizeralpen herriihren und es ist eine solche Hypothe6e
gar nicht notig, denn gerade die granitischen Vorkomm-
nisse in Westtirol und im siidostlichen Biinden sind noch
so wenig untersucht, dass hier noch uberraschende Auf-
601
8chlus8e zu erwarten sind und man vorlauflg nicht zur Theorie
von ver8chwundenen Vorbergen oder von ausseralpiner
Provenienz der bunten Nagelfluhgerolle zu greifen braucht.
Bei aller Anerkennung der klassischen and hoch-
wichtigen Arbeit von Prof. Fruh darf nicht verschwiegen
werden, dass gegen seine Auffassung von der Herkunft
der kristallinischen Silikatgesteine lebhafter Widerspruch
laut geworden ist. Prof. Baltzer (Bern) verwahrte sich
gegen die Anwendung der Fnih'schen Uesultate auf die
Berner Nagelfluh. Dr. Frey („Zur Heimatbestimmung der
Nagelfluh", Beilage zum Jahresbericht 1892 tiber das
stadtische Gymnasium in Bern) kam nach genauer Unter-
suchung der kristallinischen Gesteine der Guntenschlucht
am Thunersee und Vergleichung der dort vorkommenden
Gesteinstypen mit Gesteinen anderer Lokalitaten und
anderer in Betracht fallender Lander zu dem Schlusse,
dass die Gerolle der bunten Nagelfluh der Guntenschlucht
weder mit den Gesteinen der Berner Alpen, noch mit
denen der auslandischen Gebirge ubereinstimmen und dass
nur wenige kristallinische Gesteine von Gunten Affinitat
mit ostschweizerischen Gerollen aufweisen. Die fiir die
Ostschweiz vielleicht richtige Annahme des Herrn Dr. Fruh
konnte also fiir die Thunersee-Nagelfluh keine Anwendung
finden. Die Nagelfluh am Thunersee steht aber auch der-
jenigen vom Emmental fast fremd gegenuber. Deshalb
schloss Dr. Schardt auf die ganz lokale Ausbildung der
Nagelfluh und es wurde im weitern die Studer'sche Hypo-
these von dem verschwundenen Randgebirge wieder ernst-
lich in die Diskussion gestellt,
Was unsere personliche Anschauung betriflft, so konnen
wir den Friih'schen Satz von der slidostlichen Herkunft
der Nagelfluh nicht rundweg ablehnen, obwohl wir von
602
seiner Richtigkeit nicht vollkommen uberzeugt sind, so-
weit die kristallinischen Gesteine in Frage kommen.
Es gibt uns zu denken, dass Dr. Friih in derNagel-
fluh keinen Hornblendegneis fand, ein Gestein, das doch
80 machtigen Anteil am Aufbau der kristallinischen Zentral-
massive der Alpen nimmt. Damit fiele z. B. das gauze
gewaltige Silvrettamassiv fur die Herkunft der Nagelfluh
ausser Betracht. Es ist dies noch viel auffalliger, als das
Fehlen des Puntaiglas-Granits. Denn im Silvrettamassiv
bilden Hornblendegneise geradezu die hochsten Gipfel,
wahrend der Puntaiglas-Granit auch heute noch grdssten-
teils unter einer Sedimentdecke ruht und die hochsten
den Puntaiglasgletscher umgebenden Gipfel aus Sediment-
gesteinen bestehen (Bifertenstock 3426 m aus Nummuliten-
bildungen und Kreide, Piz Urlaun 3371 m und Piz Frisal
3295 m aus Hochgebirgskalk, Brigelserhorner 3217 m und
3251 m aus Rotidolomit und Verrucano), wahrend das
kristallinische Gestein seine grosste Hohe in dem mehrere
hundert Meter niedrigern Piz Ner (3070 m) erreicht.
Wenn ferner die Wasserscheide friiher wesentlich stid-
licher lag, so musste wohl auch die heutige Presanella-
und Adamellogruppe angeschnitten werden. Allein von
ihrem charakteristischen Gestein, dem prachtvollen Tonalit,
der ebenso schnell und leicht kenntlich ist, wie der Pun-
taiglas-Granit, findet man in der Nagelfluh keine Spur.
Wollte man dagegen einwenden, Silvretta und alien-
falls auch Adamello haben zur Zeit der Nagelfluhbildung
noch unter einer Sedimentdecke geruht, so musste dies
noch viel eher fiir alle heutigen kristallinischen Gebirge
Graubundens angenommen werden. Diese fielen somit fur
die Herkunft der Nagelfluh zu einem grossen Teil eben-
falls ausser Betracht, es sei denn, man wollte annehmen,
603
(rebirgsstocke von Eruptivgesteinen hatten inselartig aus
der Sedimentdecke emporgeragt, was zwar nicht undenk-
bar ware, aber doch nur in beschranktem Masse statige-
fanden haben kann, weil die grobkornigen roten Granite
der bstschweizerischen bunten Nagelfluh mindestens vom
Alter der Trias, wahrscheinlich alter sind.
Es blieben sodann als Heimat der bunten Nagelfluh-
gerolle noch die Gebirge Tirols iibrig und zwar auch
solche, welohe heute nach Siiden entwassert werden.
Wir haben die Stubaier- und Otztaleralpen, die Ortler-
gruppe, die Presanella- und Adamellogruppe bereist und
haben ferner fast s&mtliche Gebirgsketten des Kantons
Graubunden besucbt. Der Totaleindruck ist der, dass die
kristallinischen Gesteine aller dieser Gruppen von den
Stubaieralpen weg bis zur Adulagruppe den kristallinischen
Silikatgesteinen der Nagelfluh ebenso fremdartig gegen-
uberstehen, wie die Gesteine der weiter westlich gelegenen
schweizerischen Zentralmassive.
Allein es handelt sich eben nur urn einen Totalein-
druck, denn unsere Reisen in diese Gebirge verfolgten
touristische, nicht geologische Zwecke. Gang- und lager-
artig aufbretende granitische Gesteine von grosser Harte,
aber geringer Ausdehnung werden leicht ubersehen. Und
doch konnen gerade sie in dem Geroll miocaner Fliisse
verhaltnismassig viel zahlreicher erhalten geblieben sein,
als weniger widerstandsfahige, die Hauptmasse des ange-
8chnittenen G^ebirges zusammensetzende kristallinische
8chiefer. Prof. Fruh hat in dieser Hinsicht so viele Tat-
sachen vorgebracht, dass nicht nach einem Totaleindruck
aber die sudostliche Herkunft der Silikatgesteine ab-
ftprechend geurteilt werden darf.
Das Problem ist entschieden losbar, erfordert aber
504
eine muhevolle und zeitraubende UntersuchungderEruptiv-
gesteine Graubundens and West- and Sadtirols and Ver-
gleichang mit den kristallinischen Silikatgesteinen der
Nagelfluh.
Nicbt losbar aber ware das Problem, wenn bei der
Faltung der Alpen eine ganz wesentliche Metamorphose
der Gesteine der kristallinischen Zentralmassive stattge-
funden hatte.
Zur Herkanftsbestimmung der Nagelfluh konnen auch
aus der Schuttkegelstruktor innerhalb der Nagelfluhbanke
Schldsse gezogen werden, wenigstens auf die Eichtung
der ablagernden Stromung and unter der Voraussetzung,
dass eine grossere Anzahl solcher Stellen naehgewiesen
warden kann. In unserm Gebiet findet sich ein solcher
deutlich von der allgemeinen Schichtung sich abhebender
Gerollkegel innerhalb der Nagelfluh siidwestlich von Ober-
Hofstettent unweit der Menzlen. Er unterstiitzt allerdings
die Theorie des Herrn Friih, indem er auf von Sudosten
kommende Stromung schliessen lasst.
Die Nagelfluh ist nicht eine unserm Vaterlande allein
eigentiimliche Bildung. Sie ist nach Friih bekannt in den
Westalpen nordlich von Marseille und am Lac de Bourget,
ferner in Karnten und Steiermark, wo sie sicher von den
benachbarten Gebirgen stammt. Ebenso findet sich Mo-
lasse mit Nagelfluh am Nordrande der Pyrenaen and selbst
im Molassevorland des hochsten Kettengebirges, am Siid-
fusse des Himalaya fehlt die Nagelfluh nicht.
Die untere Siisswassermolasse unseres Kartengebietes
zeigt an der Goldach nur zwei Nagelfluhbanke, von denen
die obere, wenig machtige und aus auffallend kleinen G^e-
rollen bestehende jene schnurgerade Kante bildet, welche
vom Heimwesen ^Kasten" in WSW- Eichtung nach der
605
Qoldach hinabzieht, wahrend die tiefere, sehr machtige
Bank von der Ruine Rappenstein nach dem rechten Steil-
afer der Goldach hinubersetzt und sich iiber Eggersriet
noch weit nach Osten verfolgen lasst.
An der Sitter dagegen zahlt die untere Susswasser-
xnolasse neon Nagelfluhbanke, ungerechnet diejenigen in
den Susswasserschichten innerbalb der beiden Abteilungen
der Meeresniolasse.
Die Gegend, in welcher neue Nagelfluhbanke auf-
tauchen, liegt NE, N und NW von Teufen.
Der Zu8ammenhang zwischen Aufschlussen derselben
Bank ist oft auf weite Strecken ganzlich durch Vegetation
und Schutt verdeokt und wurde in solchen Fallen, ob-
wohl der mutmassliche Verlauf unschwer zu erraten ist,
in der Karte nicht eingetragen.
Von besonderem Interesse ist die Zone der Weniger-
weier-Nagelfluh, da sie annahernd die Grenze zwischen
unterer Siisswassermolasse und Meeresmolasse bildet und
aus der Gegend von Herisau durch unser ganzes Gebiet
bis iiber die Goldach hinaus fast ununterbrochen verfolgt
werden kann.
Auskeilen einer Nagelfluhbank lasst sich beobachten
am Wege im Brandtobel, nicht weit oberhalb der Gaiser
Bahnlinie.
II. Die Meeresniolasse von St. Gallon.
(Helvetian.)
Die Meeresmolasse oder marine Molasse ist es, welche
unsere Dmgebung stratigraphisch interessanter und reicher
gegliedert erscheinen lasst, als die westlich und sudwestlich
von Herisau gelegenen Teile des st. gallisch-appenzellischen
Molassegebidtes. Der grosse Reichtum an Petrefakten
606
musste schon fruhe in die Augen fallen und so ist denn
erklarlich, dass die alteste unsere Gegend betreffende geo-
logische Litteratur sich mit der marinen Molasse befasst.
(Dr. Schlapfer, Neue Alpina, 1821 : tfber die bei St. Gallen
befindlichen Versteinerungen.)
Gesteine der Meeresmolasse. Die Sandsteine dieser Zone
gehoren vorwiegend der sogenannten gemeinen Molasse an.
Als Abandoning derselben bezeichnet Studer die platten-
tormige Molasse. Letztere fallt indessen so sehr in die
Augen und ist zudem, weil an mehreren Stellen ausge-
beutet, so wichtig, dass wir sie fur diese Stufe als be-
sondere Varietat des Sandsteins aufstellen mochten. Als
besonders charakteristisches Gestein kommt sodann noch
die Seelaffe (Muschelsandstein) hinzu.
Wir hatten also fur die marine Molasse von St. Gallen
zu unterscheiden :
1. Gemeine Molasse.
2. Plattensandstein.
3. Seelaffe.
4. Mergeliger Sandstein.
Die gemeine Molasse ist ein Sandstein, der in Korn-
grosse, Festigkeit und Zusammensetzung sehr variiert und
mannigfache Ubergange zum granitischen und zum sub-
alpinen, wie auch zum mergeligen Sandstein zeigt. Fur
die fragestehende marine Zone mag unter gemeiner Mo-
lasse jeder einigermassen feste Sandstein verstanden wer-
den, der nicht ausgesprochen plattigen Charakter zeigt.
Der Plattensandstein findet sich an der Goldach im
obern Teil des obern Helvetians und wurde hier fruher
ausgebeutet. Die Steinbriiche bei P. 602 und gegeniiber
an der Strasse nach Untereggen sind jetzt verlassen. Aber
auch im mittlern Helvetian findet sich an der Goldach unter
607
der Seelaffe ein machtiger Komplex nahezu fossilleerer
Platten. In diesen Schichten ist Sstlich von P. 623 an der
Strasse nach Eggersriet ein Steinbruch angelegt. Platten-
sandsteine gewinnt man ferner in den Steinbriichen bei
Notkersegg und bei Beckenhalden. Die Platten in der
Umgebung von St. Gallen sind freilich nieht von ganz
gleich guter Quaiitat wie diejenigen von Rorschach.
Die Plattensandsteine der marinen Molasse von St. Gallen
sind meistens in 0,2—0,4 m dicken Schichten abgelagert.
Sie zeigen oft den Wellenschlag. Innen sind sie blaugrau.
Uberhaupt unterscheiden sich die marinen Gesteine durch
ihre blaugraue Farbe — es gilt dies auch fur die Mergel —
scharf von den gelbgrauen, gelblichen, ja oft r5tlichen
und schwarzlichen Felsarten der obern und untern Siisa-
wassermolasse. Die Anwitterung der Plattensandsteine ist
meist gelblichgrau.
Eigentliche ausgepragte Knauermolasse kommt in der
Meeresmolasse von St. Gallen nicht vor. Dagegen beob-
achtet man in der Zone der Platten oft eigentumliche
Auswitterungsformen in Gestalt von Lochern, dieimVertikal-
schnitt dreieckige bis elliptische und rechteckige Form
zeigen. Besonders schon sind diese an Wabenformen er-
innernden Hdhlungen an einem Felskopf am linken Ufer
der Goldach unmittelbar S der Martinsbriicke zu beob-
achten, ferner in der Plattenregion der obersten Meeres-
molasse am linken Goldachufer bei P. 602 und auch in
der tiefsten Meeresmolasse an der grossen Felswand S
Unter-Ebne am rechten Ufer der Goldach. Diese Fels-
locher werden an den genannten Lokalitaten mitunter von
Raubvogeln als Niststatten benutzt.
Nach dem Reichtum an Muscheln undMuscheltrummern
kdnnte man in der marinen Molasse zwei verschiedene
508
Horizdnte von Muschelsandstein unterscheiden. D<
wfrre in der oberaten, versteinerungsreichen Partie de
Meeresmolasse zu suchen. Es mag indessen hier n
demjenigen Muschelsandstein gesprochen werden,
der Gk)ldach in dem tiefern Teil der Meeresmolas*
tritt und sich als die direkte Fortsetzung der Seela
Blatten zwischen Staad und Buchen nachweisen li
Typische Seelaffe : Verwitterungsrinde brau
Inneres blaugrau. Grobkorniges bis nagelfluhahi
sehr hartes und zahes Gestein, mit Geschiebe-Einscl
(Kiesel, Hornstein, Granit, Kalk). Lost in Saure si
vollstandig auf. Zahlreiche Muscheltriimmer, vorw
Cardien, sodann Ostrea orasissima und Haifischzahnc
halt bei der Martinsbriicke auch etwas Kohle.
Die Seelaffe an der Goldach tr> indessen schoi
etwas modifizierten Charakter, Der Kalkgehalt u
Festigkeit sind bedeutend geringer. Haifischzahn
hier sehr selten? Cardien und Austern aber in grossc
vorhanden. Nahert die typische Seelaffe von Blatt
sich hinsichtlich der Zusammensetzung mehr einem
stein, so zeigt diejenige an der Goldach eher den Chi
des Sandsteins. Es ist diese Abandoning um so bem<
werter, als im nachsten ostlichen, schon ausserha
Kartengebietes gelegenen Aufschluss auf Eggersri<
E des Strasschens von Eggersriet nach Unteregg*
Seelaffe schon weit entschiedener den ostlichen
reprasentiert. Wir haben hier eine Faciesanderui
kurze Distanz.
Uber die Verbreitung der Seelaffe an der Gold
1 bis hochstens 6 m machtige Schicht gibt die Karl
schluss. Uber ihre vermutliche Erstreckung nach ^
ist an anderer Stelle geredet worden und iiber die "W
509
keit der noch in kleinen Geschieben charakteristischen
Seelaffe als Erratikum findet man das Notige in dem Ab-
schnitt uber die Olazialbildungen und in der Karte.
Mergelige Molasse (nach Studer), d.h. mergeliger Sand-
stein, ist in der Meeresmolasse ziemlich haufig, nament-
lich in den obem,vereteinerungsfuhrendenSchichten. tJber-
gange zwischen Sandstein und Mergel finden sich nicht
selten und kftnnen zum Teil als Scbiefermergel bezeicbnet
werden, wie z. B. diejenigen am rechten Ufer der Gold-
ach, welche das Material zum dortigen Bergsturz geliefert
haben.
Die eigentlichen Mergel der Meeresmolasse unter-
scheiden sich durch ihre blaugraue Farbe leicht von den
bunten Mergeln der Siisswassermolasse.
Kalkeinlagerungen sind selten. Bei St. Georgen findet
sich an der Nordseite des SW von Kamelenberg gelegenen
Weierchens zwischen diinnen Kohlenbandern eine Schicht
von sehr hartem dunklem Kalk. Zerdnickte Planorben
beweisen die Siisswassernatur dieser Bildung. In den dar-
Gber folgenden Sandsteinen sind Cardien sehr haufig. Ver-
einzelt finden sich solche nach Gutzwiller auch in den
unter den Kohlenstreifen gelegenen schiefrigen Mergeln.
Die Nagelfluh der Meeresmolasse ist, abgesehen von der
machtigen obern Grenzschicht, an der Goldach nur noch
in einigen schwachen Gerollbandern vorhanden. Nach
WSW nehmen Zahl und Machtigkeit der Nagelfluhbanke
zu. Die Gegend, in welcher neue Riffe auftauchen, liegt
zwischen Notkersegg und dem Oberlauf der Steinach (Philo-
Bophental). Schon in der Gegend Bernegg-Ringelsberg
zahlen wir in der Meeresmolasse mindestens acht Nagelfluh-
banke, die sich, zum Teil an Machtigkeit noch zunehmend,
bis an die Sitter und Urnasch und gegen Herisau verfolgen
510
lassen. Je starker die Nagelfiuh sich geltend macht,
mehr nimmt die Meeresmolasse nach Weston hin an Mac
keit ab und es muss zwischen diesen zwei Tatsaoheu
ein kausaler Zusammenhang vorhanden sein.
Gliederung. Auf unserer Karte stellt die Meeresm<
sich dar als ein von Ostnordost nach "Westsudwes
mahlich sich verschmalernder Streifen, dessen Abweic
von der Ostrichtung nach Norden (oder von der
richtung nach Siiden) zirka 30° betr>. Gegeniibe
geologischen Karte 1 : 100,000 zeigt unsere Spezia]
an der Sitter und Urnasch eine Abweichung, die ii
folgenden Zeilen begriindet werden mag.
Bekanntlich keilt sich die Meeresmolasse von St. G
in der Gegend von Herisau aus. Erst am Zurichs<
der G-egend von Bach bei Wollerau und Freienbac
scheinen wieder marine Bildungen.
Es war schon seit langer Zeit bekannt, das
Meeresmolasse an der Sitter nicht mehr die Macht
besitzt, wie an der Goldach. Gutz wilier nahm als G
schicht zwischen den marinen Bildungen und der u
Siisswassermolasse eine Nagelfluhbank an, welche de
der hohen Eisenbahnbriicke nach der Sitter und
Kubel fiihrende Weg uberschreitet. Es ist, von der B
an gerechnet, die dritte Nagelfluhschicht. So ergal
fur die marine Molasse an der Sitter die geringe Ma<
keit von 140 m (siehe Gutzwiller, Beitrage, 19. Liefe
Seite 34).
In der Tat andert bei der erwahnten Nagelflul
das Gestein sein en Charakter; rote Mergel treten au
wir zweifelten keineswegs an der Susswassernatu
tiefer liegenden Bildungen, obwohl wir damals im
lichen Schichtenkomplex noch keine Fundstellen von
511
wasserpetrefakten kannten. Eine geringere Machtigkeit
der marinen Molasse war ja an der Sitter sowieso zu er-
warten. Urn so grosser war unser Erstaunen, als wir einst
auf einer Exkursion noch bedeutend weiter siidlich, zirka
100 m hinter der abgebrochenen Kubelmiihle am rechten
lifer der Urn&sch, pl6tzlich wieder auf unzweifelhafte
Meeresmolasse stiessen. Es fanden sich da zahlreich wohl-
erhaltene Cardien (Herzmuscheln), daneben noch in be-
deutend kleinerer Individaenzahl einige andere marine
Spezies. Jetzt schauten wir die Sache allerdings mit andern
Angen an und waren geneigt, den ganzen Komplex von
der Eisenbahnbriicke bis hinter die Kubelmiihle als Meeres-
molasse einzutragen und die Siisswasserbildungen bei den
hdlzernen Briicken als unbedeutende Zwischenlagerungen
einfach darin aufgehen zu lassen, umsomehr, als ja auch
weiter dstlich, z. B. bei St. Georgen und Eiethausle, in
der marinen Molasse Susswassereinlagerungen sich finden,
allerdings nur solche von sehr geringer Machtigkeit. Allein
der Umstand, dass wir in der fraglichen Zwischenlagerung
von der Sitter, resp. der erwahnten Nagelfluhbank bis zum
Kubelgebaude drei Stellen mit unzweifelhaften Siisswasser-
petrefakten fanden, und die Tatsache, dass dieser Zwischen-
komplex bedeutend machtiger ist, als die darunter folgende
tiefere Etage der Meeresmolasse, drangten uns die tJber-
zeogung auf, dass die Zwischenlagerung als Siisswasser-
molasse besonders eingezeichnet werden miisse. Es bleibt
also die interessante Tatsache bestehen, dass die Meeres-
molasse an der Sitter und Urnasch in zwei durch eine
ziemlich m&chtige Siisswasserschicht getrennten Etagen
aufkritt und uberhaupt noch viel tiefer sich findet, als
bisher allgemein angenommen wurde.
Wir haben durch eine Fundstelle von Turritellen die
512
tiefere Abteilung der Meeresmolasse auch noch hoch oben
am linken Ufer der Urnasch nordostlich von Punkt 772
konstatiert. Uberhaupt ware vielleicht die ganze Frage
des Auskeilens der marinen Molasse bei Herisau noch-
maliger Untersuchung wert.
Es lag nun der Gedanke nahe, die Susswasserbildungen
zwischen den beiden Abteilungen der Meeresmolasse auch
weiter ostlich zu konstatieren. Sie lassen sich in der hohen
rechtsseitigen Uferwand der Sitter in der Bichtung gegen
die Punkte 679 und 696 verfolgen, aber weiter ostlich
fehlen im Streichen dieser Schichten grossere Aufschlusse
ganzlich und erst an der Goldach werden die Verh<nisse
wieder giinstiger. Dass dort in der Meeresmolasse zwei
Abteilungen zu unterscheiden sind, war schon langst be-
kannt; denn bis hieher, bis hoch an das linke Ufer der
Goldach gegen Schachenbiihl hin lasst sich die Seelaffe
nachweisen, jener eigentiimliche Muschelsandstein, der von
Prof. Mayer-Eymar zum mittlern Helvetian gerechnet wird
und weiter ostlich, auf Eggersriethohe, bei Wienachten
und Staad, weit typischer ausgebildet ist, als an der
Goldach. Im Flussbett der Goldach stiessen wir auf eine
Mergelschicht, die wir fur eine Siisswasserbildung hielten;
doch fehlten uns zu volliger Gewissheit Petrefakten. Solche
fanden sich aber spater auf der rechten Seite der von der
Martinsbrucke nach Untereggen fiihrenden Strasse, fast
siidlich vom i im Wort Martinstobel der Karte, etwas
tiefer, als jenes nur noch wenig machtige Gerollband, zu
welchem die weiter westlich so machtige Feudenberg-
Nagelfluh hier zusammengeschrumpft ist. t)ber einem
schwarzlichen Mergelband liegen mehrere Meter hSher in
dem steilen Aufriss unmittelbar unter den Wurzeln der
iiberragenden Baume und Straucher gelbliche Mergel,
613
welche unzweifelhafte Siisswasserpetrefakten enthalten.
Ziemlich wohlerhaltene Schnecken sind dort nicht allzu
aelten. Die Schicht ist ohne Zweifel die im Flussbett der
Goldach gefundene, denn auch hier trifft man sie strati-
graphisch tiefer als das erwahnte Nagelfluh-Gerollband.
Man konnte nun freilich die Siisswasserbildung fiir eine
rein lokale halten and in diesem Falle h&tte eine kurze
Erwahnung geniigt. Allein ihr Vorkommen unter der
Freudenberg-Nagelfluh, zusammengehalten mit der Tat-
sache, dass an der Sitter die Siisswasserbildung ebenfalls
im Liegenden einer Nagelfluhbank sich findet, die hochst
wahrscheinlich fiir die westliche Fortsetzung der Freuden-
berg-Nagelfluh zu halten ist, lassen vermuten, dass wir
es an beiden Flussen mit einer und derselben Siisswasser-
schicht zu tun haben, welche, von Westen nach Osten an
Machtigkeit allerdings bedeutend abnehmend, in unserm
ganzen Kartengebiete die beiden Abteilungen der Meeres-
molasse trennt. Dementsprechend haben wir auf der Karte
unterschieden:
Meeresmolasse, hoherer Teil = oberes Helvetian.
Meere8molas8e, tieferer Teil=mittleres Helvetian (mit
Seelaffe oder Muschelsandstein).
Bei dieser Unterscheidung kam allerdings noch eine
andere Frage in Betracht, namlich der Verlauf der See-
laffe im Gebiet westlich der Goldach. Gutzwiller (Bei-
trage, 19. Lieferung, Seite 30/31) lasst sie westlich von
der Stelle an, wo sie oberhalb der Martinsbriicke zu beiden
Seiten des Tobels auftritt, fiir immer verschwinden.
Wir fanden aber unter der Nagelfluh siidlich der
Station Rieth&usle ein petrefaktenfiihrendes Gestein, das
entschieden an die Seelaffe erinnerte, d. h. an die Seelaffe,
wie sie an der Goldach auftritt. Denn es ist noch m als zu
33
514
betonen, dass sie an der Goldach schon merklich verschieden
ist von der typischen Seelaffe, wie sie bei Blatten, Warten-
see, Schlipf, Wienachten an der Landegg, Bilchen, Boss- I
buhl und westlich von Wiesflecken im obersten Teil des
Tobels nach Hiltenried auftritt. Auch an andern Orten
trafen wir Gesteine, die an die Goldach-Seelaffe erinnerten,
so z. B. am rechtseitigen Steilhang des Wattbaches (sud-
westlich von der Bezeiohnung „In der Held"), wo sich
sogar ein Haifischzahn fand, ferner bei der schon erwahnten
Versteinerungsfundstelle siidlich vom Kubel. Es fand sicb
zudem Ostrea crasissima rechts an dem von „In der Held*
nach Wilen fuhrenden Wege und ebenso unmittelbar links
an dem von St. Georgen nach Biserhof fuhrenden Strasschen.
Die genannten Lokalitaten liegen ungefahr im Streichen
der Schichten, welche an der Goldach die Seelaffe fuhren
und ihr Gestein zeigt entschieden grossere Ahnlichkeit mit
der Goldach-Seelaffe, als letztere mit der wirklich typischen
Seelaffe von Blatten etc. Dass aber die Seelaffe im Martins-
tobel die unmittelbare Fortsetzung der weiter ostlich typischer
ausgebildeten eigentlichen Seelaffe ist, daran ist gar kein
Zweifel. Gestiitzt auf diese Griinde sind wir anzunehmen
berechtigt, dass die Seelaffe in weniger charakteristischer
Ausbildung bis nach der Urnasch sich verfolgen lasst, petro-
graphisch weniger auffallig zwar, als im ostlichen Gebiet,
aber durch Fossilien (Ostrea crasissima) wohl ausgewiesen.
Qrenzen der Meeresniolasse. Dringt man von der
Martinsbriicke durch das Flussbett der Goldach in SSE-
Richtung vor, so befindet man sich im Gebiet der Meeres-
molasse bis dahin, wo die auf kurze Strecke westliche
Richtung des Flusses zur NNW-Richtung umbiegt. Die
hohe Sandsteinwand S Unter-Ebne gehort noch der Meeres-
molasse an. Nicht weit nordlich der Stelle, wo die Wand
515
iiber den Fluss setzt, treffen wir noch Meeresversteine-
rungen und in den tiefsten dort anstehenden Schichten
finden sich jene auffalligen zylindrischen Korper in grosser
Zahl. Die eigentliche Kontaktstelle mit der untern Stiss-
wassermolasse ist durch Morane und Flussgeroll verdeckt.
Der isolierte Molassefetzen NE Riedtobel gehort wohl
schon der untern Siisswassermolasse an.
Im weitern Verlauf bis zum Wenigerweier lasst sich
die Grenze nur annahernd bestimmen. Die Nagelfluh N
vom Weier und die unmittelbar liber der Nagelfluh lagern-
den Bildungen (Sandstein, Siisswasserkalk und Mergel) ge-
horen noch der untern Siisswassermolasse an. Da die
Grenze hoher liegt, als die Wenigerweier- Nagelfluh und
nicht anzunehmen ist, dass die Meeresmolasse nach W an
Machtigkeit zunehme, so rechnen wir, im Gegensatz zu
Blatt IX der geologischen Karte 1 : 100,000, den Brand-
wald nicht mehr zur Meeresmolasse.
Der Steinbruch bei Beckenhalden an der Strasse von
St. Georgen nach dem Brand gehort ganz der Meeresmolasse
an. Rechts am Eingange in den Steinbruch finden sich in den
blaulichen Mergeln uber der Nagelfluh sog. Schraubensteine.
Diese merkwiirdigen Gebilde (s. unter „Versteinerungentt)
treten aber auch noch in den Schichten auf, welche strati-
graphisch tiefer liegen als die Plattensandsteine des Stein-
bruches. Leider ist die Stelle durch Verbauung eines Rinn-
sals ostlich der Strasse schon vor Jahren zugedeckt worden,
doch sieht man noch Schraubensteine unmittelbar W an
der nach dem Untern Brand fuhrenden Strasse.
Die Plattensandsteine, welche im Steinbruch von Becken-
halden ausgebeutet werden, sind fossilleer, wie schon Gutz-
willer hervorhebt (Beitrage, 19. Lieferung, Seite 25). Im
Friihjahr 1903 kam indes zwischen den Platten und der
616
tiberlagernden Nagelfluh eine nur 1 — l1/* m m&chtige und
nur auf kurze Distanz sich erstreckende Mergeleinlagerang
zum Vorschein, in welcher sich neben deutlichen Cardien
und Turritellen auch noch andere marine Spezies fanden
(Lutaria, Mactra etc.).
Merklich tiefer als die Beckenhalden - Ringelsberg-
Nagelfluh findet sich SW von Ringelsberg eine Fundstelle
mit Cardien. Sie mag der Schicht entsprechen, von welcher
W der Gaiserbahnlinie hoch oben am Steilabhang des
Wattbaches die Fossilien herabgerollt sind, welche Gutz-
willer erw&hnt (Beitr&ge, Lieferung 19, Seite 25). Dass
die hier iiberlagernde, gegen P. 826 hinaufziehende Nagel-
fluh die Fortsetzung der den Steinbruch bei Beckenhalden
deckenden Nagelfluh ist, daran ist gar nicht zu zweifeln.
Wir fanden weiter westlich eine marine Petre-
fakten fuhrende Fundstelle, welche stratigraphisch sogar
noch tiefer liegt, als die beiden letztgenannten. Auf der
Karte ist sie nicht ganz 1 cm sudlich vom W des Wortes
Wattwald eingezeichnet. Hier fanden sich auf der Grenze
zwischen Sandstein und einem nicht besonders einge-
zeichneten Gerollband vereinzelte Cardien. Es ist dies die
tiefste marine Schicht, welche in der Umgebung von
St. Gallen bisher bekannt geworden ist.
E an dem neuen Wege, der ostlich des von Rietgasse
herunterziehenden Tobels steil gegen P. 837 hinauffuhrt,
find en sich unter Nagelfluh, welche als die Fortsetzung
derjenigen von Ringelsberg und Beckenhalden zu be-
trachten ist, in einem blaulichen tonigen Mergel Cardien,
Solen und andere marine Versteinerungen, daneben aber
auch eingeschwemmte Siisswasserschnecken.
Uber der Nagelfluh liegen am gleichen Wege murbe
Sandsteine mit schlecht erhaltenen Pflanzenresten.
517
Nicht selten, obwohl keine Kabinetstiicke, sind marine
Petrefakten am Strasschen „In der Held u. Ferner ist der
beiden Stellen mit dem Haifischzahn and Ostrea crasissima
schon gedacht worden. Erwahnung verdient auch eine
Fondstelle unmittelbar am rechten Ufer der Sitter bei Zwei-
briicken, SW von der Hundwilerleiter. An der Basis einer
ziemlich m&chtigen Nagelfluhschicht (es ist die westliche
Fortsetzung derjenigen von Ringelsberg und Beckenhalden)
wechsellagern kleinere Nagelfluhbanke mit Sandstein und
in diesen wechsellagernden Schichten findet man zahl-
reiche Reste mariner Petrefakten, ganz vorwiegend Car-
dien, sodann auch Kohlenspuren.
Etwas weiter westlich trifft man schone Schrauben-
steine. Dieses Niveau liegt allerdings schon etwas hoher
als die soeben erwahnte Stelle bei Zweibrxicken. Die Stelle
mit den Schraubensteinen liegt schon liber der erwahnten
Nagelfluh, ebenfalls direkt am rechten Sitterufer, am Fusse
einer andern machtigen Nagelfluhbank, die hoch oben in
der Wand bis gegen den Haggen hin verfolgt werden kann.
Die Fundstelle mariner Versteinerungen S vom Kubel
und die entsprechende hoch oben am linken Ufer der Ur-
nasch sind schon erw&hnt worden. Alle die Fundorte von
Meeresversteinerungen vom Brand weg bis zur Urnasch
kdnnen nicht als reich an Spezies bezeichnet werden; sie
wurden wohl alle miteinander lange nicht so viel Aus-
beute liefern, wie eine einzige der reichen Fundstellen in
der obersten Meeresmolasse. Aber die erwahnten Lokali-
taten im Wattwald, an der Sitter und Urnasch sind des-
halb wichtig, weil sie uns iiber die untere G-renze der
Meeresmolasse sichern Aufschluss geben. Es ergibt sich
aus ihnen, dass die marine Molasse nach Westen nicht so
rasch abnimmt, als man bisher annahm.
i
B18
Es ware nun interessant, zu wissen, wie es bei Herisau
mit dem Auskeilen steht, bezw. ob an der Glatt nur noch
die obere Meeresmolasse vorhanden ist oder ob beide, durch
Siisswasserbildungen getrennte Abteilungen der Meeres-
molasse ungefahr gleich weit nach Westen sich erstrecken.
Obere Orenze der Meeresmolasse. Als obere Grenze
der marinen Molasse kann im allgemeinen die m&ohtige
Nagelfluhschicht betrachtet werden, welohe von der Gold-
ach an (W von Hinterhof) bis zur Eisenbahnbriicke an
der Sitter sich verfolgen l&sst, wenn sie auch da und dort
auf grossere Strecken durch Gletscherablagerungen dem
Auge verdeckt ist. Die grossen, durch Nagelfluhschicht-
flachen gebildeten nordlichen Abhange des Hiigels beim
Griitlisteinbruch (mit dem Schiessstand), des Hagenbuch-
waldes, des Harfenberges, der Berneck und Menzlen bilden
also ungefahr das Dach der marinen Molasse.
Diese Grenznagelfluh ist allerdings nicht eine einheit-
liche Bank, sondern zeigt an ihrer Basis Wechsellagerung
von Sandstein und Mergel mit kleineren Nagelfluhbanken.
Doch erwies sich eine genauere Einzeichnung alsunmoglich.
Es ist nun freilich nicht iiberall mit Sicherheit zu
entscheiden, ob die Grenznagelfluh noch der Meeresmolasse
oder schon der obern Susswassermolasse zuzurechnen sei.
Gutzwiller halt, und wohl mit Recht, die Nagelfluh, auf
welcher die Eisenbahnbriicke an der Sitter ruht, schon zur
obern Susswassermolasse. Wenn wir dennoch im grossen
und ganzen die Grenznagelfluh zur Meeresmolasse ziehen,
so bestimmten uns hiezu folgende Tatsachen.
In der Nagelfluh, welche im Griitlisteinbruch (NE Hoi
Tablat) zur Kiesgewinnung ausgebeutet wird, finden sich
marine Petrefakten. Zahlreich sind hier in der Nagelfluh
selbst wohlerhaltene Cardien. Selten sind andere Spezies
619
doch fand sich auch Pecten scabrellus. Urn im Steinbruch
die Stelle za finden, suche man in der Nagelfluh eine
Schicht mit auffallend kleinen Gerollen, unter welcher
eine mit merklich grosseren Gerollen folgt. Erst unter
der letztern liegt die Cardien-Nagelfluh. Von den Gerollen
und ihrem Zement heben sich die weisslichen Herzmuschel-
chen sehr schon und zierlich ab. Das interessante und
eigenartige Vorkommnis, das auch von Prof. Friih in seiner
Schrifb iiber die Nagelfluh erwahnt wird, wiederholt sich
im Aufschluss jenseits der Strasse, W von P. 697. Hier
ist also die Grenznagelfluh unzweifelhaft marin.
Im Bachbett zwischen Flurhof und Hagenbuch trifft
man auf der Nordseite des Strasschens, welches die ge-
nannten Ortlichkeiten verbindet, zahlreiche Meeresversteine-
rungen, namentlich Turritellen. Die versteinerungsfuhrende
Schicht, die auf der Nordseite des Strasschens im Bach-
bett nur noch auf kurze Strecke ansteht, nachher aber
durch Gletscherschutt verdeckt wird, liegt stratigraphisch
schon hoher, als die mehrmals erwahnte Nagelfluh. Hier
ist also nicht nur die Nagelfluh selbst noch marin, sondern
80gar noch ein Teil der hoher liegenden Schichten. Es ist
dies die hochste Fundstelle (stratigraphisch), welche man
in der marinen Molasse von St. Gallen kennt.
An der gleichen Lokalitat kamen anfangs der neunziger
Jahre bei Erstellung des Goldbrunnens auch unmittelbar
S vom Strasschen zahlreiche Petrefakten zum Vorschein,
darunter8ehr8ch6nerhalteneSteckmuscheln(PinnaBrocchii)
und zahlreiche, das Gestein fast erfullende Turritellen.
Weniger klar sind die Grenzverhaltnisse an der Gold-
ach. Die fragliche Nagelfluhbank ist dort eigentlich zwei-
teilig, denn von dem obern, weit machtigern Teil ist an
der Basis eine kleinere Bank durch eine 2 — 4 m machtige
520
Zwischenschicht von Sandstein and Mergel getrennt. Es
ist nicht sicher, ob die wohl 12 m machtige Nagelfluh noch
marinist. NochmahgeNachsuche indererw&hntenZwischen-
sohicht wird hier vielleicht Gewissheit bringen. Wir fanden
dort wohl ganz sparliche Reste von Versteinerungen, aber
es waren durchaus unbestimmbare Trummer.
Machtigkeit der Meeresmolasse. Die allzuhohen Zahlen,
welche hiefur angegeben wurden, hat Gutzwiller in der
19. Lieferung der Beitrage auf das richtige Mass zuriick-
gefuhrt. Fur die Machtigkeit der Meeresmolasse an der
Goldach gibt er 430 m an, welche Zahl mit Hilfe der
Profile gewonnen wurde.
Auch an Hand unserer Karte l&sst sich die Machtig-
keit ziemlich genau berechnen und zwar nach der Formel
m = d sin a + h cos a,
wobei
m = Machtigkeit des zu messenden Schichtenkomplexes.
a = mittlerer Fall- oder Neigungswinkel,
h = Differenz der Meereshohen zweier Punkte, von
denen der eine auf der obern, der andere auf der
untern Grenzschichtflache des fraglichen Schichten-
komplexes liegt,
d = der auf einer Horizontalebene gemessene kiirzeste
Abstand der Projektionen zweier Geraden, welche
man sioh in der Streichrichtung durch die genannten
zwei Punkte gezogen denkt.*)
d und h konnen der Karte entnommen werden, a ist
natlirlich direkt zu messen. Da an der Basis der Meeres-
molasse die Schichten steiler fallen, als im Dach, so nimmt
*) In obiger Formel erbalt der Ausdruck h cos a das PIus-
zeichen, wonn der stratigraphisch hohere Punkt zugleich topo-
graphisch hoher liegt.
621
,n entweder das Mittel aus beiden Fallwinkeln oder
sat den Fallwinkel in der Mitte der Schichten. Als
ttlerer Fallwinkel darf fiir die marinen Schichten an
: Goldach mindestens 23 ° angenommen werden.
Auf diese Weise erhalten wir fiir die marine Molasse
der Goldach eine Machtigkeit von 460 m, welches Er-
trais von dem Gutzwiller'schen nur wenig abweicht.
Bei St. Gallen (Miihlenen bis Brand wald) mag die
tchtigkeit noch 400 m erreichen, an der Sitter von der
jenbahnbrucke bis hinter die Kubelmiihle mit Einschluss
: Siisswasserzwischenlagerung ca. 320 m, wovon zirka
3 m auf das obere Helvetian entfallen und von dem
st der grdssere Teil dem Susswasserkomplex angehtirt,
lcher oberes und mittleres Helvetian trennt.
Fossilien der marinen Molasse.
I. Pflanzliche Cberreste.
Bekannt ist das reizende Bild, welches Oswald Heer
seiner „Urwelt der Schweiz" von der Gegend sudlich von
Gallen entwirft. „Sie war mit immergriinen Kampher-
d Lorbeerbaumen bewaldet, aber auch Nussbaume, Pap-
In und Eobinien, wie feinblattrige Akazien fehlten nicht.
jhrere Bietgrasarten und eine Art Rohrkolben deuten
>rastigen Boden an Die Steingrube in der un-
ttelbaren Nahe von St. Gallen (Steingrubli, unter der
auerei Bavaria) weist uns die Stelle, wo ein Bach, der
q Siiden her kam, in das Meer sich ergoss. Seine Ufer
,ren von Schilf- und Rohrkolben umsaumt, deren Reste
r jetzt in den Mergeln finden; aber auch der dreilappige
torn, eine Heidelbeerart. eine Stechpalme und einige
rnel- and Kreuzdornarten, deren Blatter uns dort be-
jnen, haben wahrscheinlich am Ufer gestanden, wo-
622
gegen ein paar steifblattrige Banksien (B helvet
Deickei) und Eichen (Quercus sclerophyllina und
wohl auf dem weiter entfernten trockenen Land
gesiedelt hatten." Die der obersten Meeresmolass
horende Fundstelle pflanzlicher Fossilien im Stei
welche zu dieser Schilderung Anlass gab, ist scl
vielen Jahren zugedeckt. Die seinerzeit gemach
beute hat Heer in seiner Flora tertiaria helvetica bescl
Das folgende Verzeichnis der Arten ist der 19. Li
der Beitrage, Seite 52 (Gutzwiller) entnommen:
Phragmites oeningensis, A. Braun.
Populus salicina, Heer.
Quercus elaena, Unger.
„ chlorophylla, Unger.
„ sclerophyllina, Heer.
Daphnogene Ungeri, Heer.
Pimella maritima, Heer.
Banksia Deickeana, Heer.
,, helvetica, Heer.
Dryandroides lignitum, Ung.
Vaccinium acheronticum, Ung.
Cornus Deickei, Heer.
„ rhamnifolia, 0. Weber.
Acer trilobatum, Stb.
Ilex stenophylla, Ung.
„ sphenophylla, Ung.
Rhamnus brevifolius, A. Braun.
„ deletus, Heer.
„ Rossmassleri, Ung.
Aus den friiher erwahnten „Beitragen zur Terl
des Kantons St. Gallenu von Dr. Robert Keller ergi
dass diesem Verzeichnis noch beizufugen sind:
523
Sapindu8 undulatus, A. Braun (Jahresbericht 1890/91
er st. gallischen naturwissenschaftl. Gesellschaft, S. 107).
Myrica vindobonensis, Heer (Jahresbericht 1894/95 der
t. gallischen naturwissenschaftl. Gesellschaft, S. 300).
Von andern Fundorten innerhalb der marinen Molasse
iind bekannt geworden:
Lastrea stiriaca Ung.y* Biethausle.
Cyperite8 Deucalionis Heer, Menzlen.
Poacites csBspitosus Heer, Freudenberg.
Carex tertiaria Heer, Freudenberg.
Sabal major Heer, Wattbach.
Myrica lignitum Saporta, Riethausle.
„ salicina, Freudenberg.
„ Studeri Heer, Wattbachtobel, Menzlen.
Quercus chlorophylla Unger, Menzlen.
", Haidingeri Ett., Herisau.
„ elsena Ung., Menzlen.
Sassafras Aesculapi Heer, St. Gallen.
Salix varians Gcepp., Menzlen.
,, macrophylla Heer, in Geroll bei St. Gallen.
„ angusta Braun, Grutli.
„ tenera Braun, Wattbach, Freudenberg.
, integra, Wattbach.
Juglans acuminata Heer, Herisau, Menzlen.
„ vetusta Heer, Freudenberg.
„ bilinica Unger, Menzlen, Herisau.
Cinnamomum Buchii Heer, Menzlen, Riethausle.
„ Rossmassleri, Freudenberg, Menzlen.
„ Scheuchzeri, Freudenberg, Grutli, Watt-
bach.
„ lanceolatum Heer, Wattbach, Menzlen,
Freudenberg, Grutli, Urnasch, Herisau.
524
Cinnamomum subrotundum Heer, Wattbach, Riet-
hausle.
„ polymorpham Heer, Wattbach, Menzlen,
Riethausle, Herisau.
Daphnogene Ungeri Heer, Wattbach.
Elraagnus acuminatus 0. Weber, Griitli.
Styrax stylosa Heer, Menzlen, Freudenberg.
Cornus Studeri Heer, Wattbach.
„ rhamnifolia 0. Weber, Menzlen.
Sapindus falcifolius Heer, Kubel a. d. Urnasch.
DodonaBa helvetica spec, nova, Fundort nioht angegeben. J
Rhamnus Decheni Weber, Menzlen. j
„ Wartmanni Keller, Menzlen. {
„ Rossmassleri Ung., Menzeln. ]
„ Gaudini, siidlich von St. Georgen. j
Rhus Meriani Heer, Mtihlegg. j
Colutea macrophylla Heer, Freudenberg.
Personia laurina Heer, Menzlen.
Dryandroides banksiaefolia, Menzlen.
Echitonium SophiaB Weber, Riethausle.
Das vorstehende Verzeichnis staramt zum grossern Teil
aus den „Beitragen zur Tertiarflora des Kan tons St. Gallenu
von Dr. Keller (Jahresberichte 1890/91 und 1894/95 der
st. gallischen naturwissenschaftlichen Gesellschaft), zum
kleinern Teil aus dem auf Seite 15/ 16 der 19. Lieferung der
„Beitrage zur geologischen Karte der Schweiztf von Gate-
wilier veroffentlichten Vorzeichnis, das dem bekanntenWerke
von Heer „Flora tertiaria helvetica" entnommen wurde.
Seit dem Erscheinen von Heers klassischer Arbeit und
seit der Publikation des speziell die st. gallisch - appen-
zellische Molasse betreflfenden Verzeichnisses durch Gutz-
willer hatte sich ein ziemlich reiches und in mehrfacher
526
ziehung interessantes Material terti&rer Pflanzenfossilien
gallischen Ursprunges angesammelt. Herr Direktor
Wartmann iibergab dasselbe Herrn Rektor Dr. R. Keller
Winterthur, der die miihsame und schwierige Aufgabe
r Bestimmung auf sich nahm und die Resultate in drei
ahresberichten der st. gallischen naturwissenschafblichen
Mellschaft" (1890/91, 1893/94 und 1894/96) unter dem
tel ,Beitrage zur Tertiarflora des Kantons St. Gallentt
>r6ffentlichte.
Den Publikationen 1890/91 und 1894/96 wurden fur
)iges Verzeichnis natiirlich nur diejenigen Spezies ent-
)mmen, welche von Fundorten unseres r¨ich be-
hrankten Spezialgebietes stammen.
Die von Dr. R. Keller bestimmten Pflanzenfossilien
aren nach und nach gesammelt worden von den Herren
raminger, Haltiner, Singer, Wehrli, Kunkler, Deicke,
osch, Tobler, Mettler, Brassel und den Verfassern.
Was die einzelnen Fundstellen anbetrifft, so sind die
ezeichnungen Menzlen, Riethausle und Wattbach etwas
lgenau und beziehen sich zum Teil auf die namliche
^elle, namlich auf die rechtsseitige, nach unsern Unter-
chungen sicher noch zur Meeresmolasse gehorige obere
eilwand des Wattbaches unter Hofstetten. Doch auch
tlich von der Gaiserbahn finden sich am rechtseitigen
eilhang dieses Baches hie und da schlecht erhaltene
lanzenreste. — Die Fundstelle Freudenberg bezieht sich
f eine grobkornige Sandstein-Zwischenlagerung in der
igelfluh ostlich vom Freudenberg.
Endlich ist hier noch eine Fundstelle zu erwahnen,
Jche nicht mehr auf unserem Kartengebiete, aber doch
unmittelbarer Nahe derselben liegt. Im Sommer 1894
lielt namlich Dr. R. Keller von Dr. med. Koller in Herisau
/
526
die Mitteilung, dass bei den Grabungen zum neu<
servoir in Herisau eine mit Pflanzenresben durcl
Schicht aufgedeckt worden sei. Der ziemlich harte '.
enthielt massenhaft Blattereinschliisse, nur zu rei
so dass das einzelne Blatt wegen der wirr liber unc
ihm liegenden Blatter sich meist nicht in der wlinscl
Weise isolieren liess. Dennoch gelang es sowohl
Dr. med. Koller als auch Herrn Dr. R. Keller selbs
Anzahl ziemlich gut erhaltener Einschliisse zu sa:
und es gaben dieselben Anlass zu der im „ Jahresl
1893/94u erschienenen Publikation.
Das Verzeichnis, das eine Reihe fur das Vereins
neuer Spezies aufwies, ist nach der Bestimmung v<
R. Keller folgendes :
Linosporoidea populi Keller.
Myrica salicina Ung.
Quercus neriifolia A. Braun.
„ mediterranea Ung.
Salix varians Gcepp.
„ Lavateri Heer.
„ denticulata Heer.
„ angusta A. Braun.
„ tenera A. Braun.
Populus latior A. Braun.
„ balsamoides Gcepp.
Populus mutabilis Heer.
a. f. repando-crenata.
b. f. ovalis.
Populus Gaudini Fischer.
Juglans bilinica Unger.
Carya Heerii.
Cinnamomum Scheuchzeri Heer.
527
Cinnamomum lanceolatum Heer.
„ retusum Heer.
„ polymorphum Heer.
„ Buchii Heer.
Cornus paucinervis Heer.
„ rhamnifolia 0. Weber.
„ Studeri Heer.
Terminalia elegans Heer.
Sapindus densifolius Heer.
Celastrus Aeoli Ett.
„ cassifolius Ung.
j, ElaBnus Ung.
Rhus Meriani Heer.
Amygdalus pereger Ung.
Cassia Berenices Heer.
Anf Grund der zahlreichen miocenen Pflanzenreste hat
Heer durch vergleichende pflanzengeographische Studien
festgestellt, dass unser Vaterland zur Miocenzeit in klima-
tischer Beziehung den heutigen Siidstaaten der Union
(Louisiana, Florida, Georgia und Carolina, wie auch Cali-
fornia) und den Mittelmeerlandern glich. Die mittlere
Jahrestemperatur betrug nach Heer
im Untermiocen 20—21° C,
im Obermiocen 18—19° C.
Die Baume mit immergninem Laub iiberwogen in der
Molasseflora an Zahl merklich diejenigen mit fallendem
Laub. Die meisten und wichtigsten Typen der Molasse-
flora finden wir nach Heer in dem Erdgurtel, welcher
zwischen des Isothermen von 16° und 25° C liegt und in
diesem Gtirtel ist wieder Araerika als die Weltgegend zu
bezeichnen, deren Naturcharakter am meisten demjenigen
unseres miocenen Landes entspricht.
528
Kohlenvorkommnisse sind in der Meeresmolasse nicht
selten. Hiebei ist zu unterscheiden zwischen blossen Nestern,
die nirgends von Bedeutung sind, und zusammenh&ngen-
den Schichtlagen (Flotzen), die leider in unserm Gebiet
hochstens einige Centimeter Machtigkeit erreichen, so dass
von einem bergmannischen Betrieb keine Rede sein kann.
Es sind folgende Stellen zu nennen: Seelaffe an der Gold-
ach oberhalb der Martinsbriicke und in ihrem weiteren
Verlauf, Speicherstrasse zwischen Wiesen und Kurzegg,
Weierchen bei St. Georgen, Wattbach (rechtes Ufer in der
Gegend von Zweibriicken und Nordmuhle; diese Stelle
wurde im Kleinen ausgebeutet), Sturzenegg (in der Nahe
der Einmiindung der Urn&sch). An der letztgenannten
Stelle wurde fruher ebenfalls gegraben.
Die in den Molassebildungen vorkommende Kohle,
eine Braunkohle mit pechartigem Glanz, wird gewohnlich
als Pechkohle bezeichnet.
Bei nesterartigen Kohleneinlagerungen, die von ein-
geschwemmten Aaumstammen, Asten etc. herriihren, er-
kennt man oft noch die organische Struktur.
Die in diinnern oder dickern Lagern vorkommende
Kohle verdankt nach Gutzwiller ihre Entstehung Torf-
mooren, die nur relativ kurze Zeit bestanden. An der Sohle
liegt oft Stinkkalk mit Suss wasserconchy lien. Schwan-
kungen des Meeresniveaus mogen zu solchen kleinen S(iss-
wasserbildungen Anlass gegeben haben.
Tierische Fossilien.
An solchen ist die marine Molasse von St. Gallen
ausserordentlich reich. Die Sammlung im hiesigen Museum
wurde bestimmt von dem vorziiglichen Kenner der Molasse-
fauna, Herrn Professor Dr. Ch. Mayer, und in den Jahren
629
1894/95 neu geordnet und aufgestellt. Als Sammler sind
zu nennen die Herren Eietmann, Wild, Deicke, Kunkler
und Miescher fur die altera Fundorte1), die Herren Bezirks-
forster Fenk, Prof. Dr. Steiger, Dr. C. Mettler und Eicklin
in neuerer Zeit.
Weitaus die meisten Fossilien stammen aus den obersten
Schichten der Meeresmolasse. Als Fundstellen aus dieser
Etage sind zu nennen: das Strasschen von Untereggen nach
Eggersriet, Goldachstollen, Goldachtobel an der Strasse von
der Martinsbrticke nach Untereggen, wie auch zur Seite des
Flussbettes selbst, Griitli-Neudorf, Hagenbuchwald, Mu-
schelnberg im Hagenbuch (links und rechts des Bachleins),
Speicherstrasse unmittelbar oberhalb der Einmundung der
von Birnbaumen herkommenden Treppe, Reservoir an der
Speicherstrasse, Felsenkeller an der Speicherstrasse, die
Bachrunse ostlich neben der Brauerei Bavaria, Gold-
brunnen im Hagenbuch, Muhlegg (Felswand hinter den
Hausern in der Nahe der Station), Muhlegg-Tunnel, Nest-
Reservoir, Menzlen, Strasschen von Stocken nach dem
Kubel, Gubsenmoos (ostlich und siidlich vom Weier).
Wo geniigend grosse Entblossungen vorhanden, be-
obachtet man fast immer 2 bis 4 durch mehrere Meter
machtige leere Schichten getrennte petrefaktenfuhrende
Schichten.
Beim Bau des Muhlegg-Tunnels anfangs der neunziger
Jahre erhielt das Museum nahezu 100 Spezies, gesammelt
und geschenkt teils von Herrn Prof. Dr. Steiger, teils von
l) Noch f riiher hat neben Herrn Dr. Schlapfer auch Herr Zyli
von St. Gallen im Steingriibli und im Hagenbuch Petrefakten ge-
sammelt. Studer redet namlich in seiner ^Monographic der Mo-
las8ett (Seite 381) von einer Sammlung von St. Galler Petrefakten,
die das Berner Museum Herrn Zyli verdanke.
34
630
den Herren Mettler und Ricklin. Ausser einigen Rari-
t&ten (Pleurotoma taurinensis, Cypr»a amygdalum, Fas-
ciolaria tarbelliana etc.) kamen mehrere neue Spezies zum
Vor8chein, die von Prof. Ch. Mayer benannt wurden als
Lutraria fastidiosa, Scalaria paucilamella, Euthria striato-
nodosa und Euspatangus maximus.
DieversteinerungsreicbenSchichtenimMuhlegg-Tonnel
liegen teils fiber, teils unter der sog. Miihlegg-Nagelfluh, die
sich vomNordrande der Weier auf Dreilindenbis zur Station
und weiter westlich verfolgen l&sst, wahrend sie im Osten,
gegen Birnbaumen und Hagenbuch hin, bald verschwindet.
Im Friihjahr 1903 wurde am rechten Ufer des Bach-
leins im Hagenbuch ein Steinbruch geoffnet, der Ver-
steinerungen in reichster Falle liefert. Fast der ganze Fels
ist aus Muscheln zusammengesetzt; Schnecken sind seltener.
Cardien, Lutrarien, Yenusmuscheln und grosse Panop&en,
daneben auch Turritellen wiegen vor. Die Fundament-
mauern der neuen Hauser im Hagenbuch sind zum Toil
formlich aus Muscheln aufgebaut und aus dem gleichen
Material besteht der Korper der dortigen neuen Strassenziige.
Im Sommer des gleichen Jahres wurden durch Spren-
gungen beim Reservoir an der Speicherstrasse, da, wo der
Weg nach Dreilinden abzweigt, wieder die petrefakten-
reichen Schichten der obern Meeresmolasse entblosst. E»
sind zwei durch mehrere Meter fast leeres Gestein ge-
trennte, mit Petrefakten geradezu angefullte Schichten zu
beobachten, von denen die obere die machtigere ist. Die
grosse Panopaa Menardi kommt in beiden vor, daneben
sind wieder Cardien und namentlich Lutrarien besonders
haufig. Besonders schon aber sind grosse Blocke einer
etwas festeren Schicht mit zierlichen Turritellen. Mehrere
solcher Blocke wanderten bei diesem Anlass ins Museum.
I
531
An beiden Lokalitaten, an der Speicherstrasse wie im
Hagenbuch, kann das Gestein als formliches Muschel-
konglomerat bezeichnet werden. Hie und da sind die
Schalen noch ordentlich erhalten.
In der obern Meeresmolasse finden sich Gerollbander,
deren Kalkgeschiebe wie wurmstichig aussehen und im
Innern Bohrmuscheln zeigen (Sphenia [Saxicava], Litho-
domus etc.). Zwei solche Gerollbander liegen zirka vier
Meter von einander entfernt, iiber der dritten Nagelfluh-
bank, von der Eisenbahnbriicke an gerechnet, am Wege
nach dem Kubel, ein anderes, in Heers „Urwelt der Schweiz"
erwahntes, das in und zwischen den Gerollen zahlreiche
Petrefakten aufweist, triffl man unmittelbar neben der
Brauerei Bavaria am westlichen obern Eande der dortigen
Bacbrunse. Ein viertes, weniger gut ausgepragtes Geroll-
band mit Bohrmuscheln fuhrenden Kaikgeschieben ist auf
der Westseite der Speicherstrasse, zirka BO m unter der
Abzweigung des Weges nach Kloster Notkersegg zu kon-
statieren.
Im ostlichen Teil des Hagenbuchwaldes, siidlich vom
Grutli, finden sich Petrefakten in der Nagelfluhschicht,
die den Abhang mit dem Scheibenstand (nicht Schiess-
«tand!) bildet und stratigraphisch der Miihlegg-Nagelfluh
sntsprechen diirfke. Die Nagelfluh ist hier oft ein formliches
Petrefakten -Konglomerat. Das Vorkommnis ist nicht zu
verwechseln mit dem fruher erwahnten Auftreten von
Cardien in der Grenznagelfluh beim Grtitli - Steinbruch.
Auch anderwarts finden sich Petrefakten im Binde-
mittel der Nagelfluh.
Zapfenzieherartig gewundene Steine, oft drei voll-
standige Umgange aufweisend, trifft man in den mergeligen
Schichten liber und unter dem Steinbruch bei Becken-
balden .St. Georgern, ferner am rechten Sitterufer. siid-
westlich von P. GOG in den tiefsten Schichten der Meeres-
molasse. Auch an der Goldach kommen diese merk-
wiirdigen Schraubensteine vor, welche Heer als Muschel-
gange anzusehen geneigt war. Eine geniigende Erklarung
ist bisher noch nicht gegeben worden. Im Martinstobel
haben wir die genaue Stelle des Anstehens dieser inter-
essanten Gebilde nicht auffinden konnen, obwohl das
Museum schone von dorther stammende Exemplare besitzt.
Verwandter Natur sind jedenfalls die sowohl in der
obern als in der tiefsten Meeresmolasse zahlreich vorkom-
menden zylindrisohen Korper. Meist stehen sie fast senk-
recht zur Schichtung, aber auch schiefe und liegende Stucke
sind nicht selten. Der Durchmesser betragt 1 bis 3 cm.
Manche Exemplare sind kreuzformig verzweigt, wobei die
Kreuzungsstelle knotenartig angeschwollen erscheint.
Die Seelaffe und die westwarts in ihrem Streichen
liegenden Schichten, sowie die noch tiefer liegenden
Schichten weisen ebenfalls ziemlich zahlreiche Fundstellen
auf, die meist im Abschnitt uber die untere Grenze der
Meeresmolasse schon erwahnt wurden und im ubrigen aus
der Karte zu ersehen sind.
Zirka 30 m siidlich (stratigraphisch tiefer) von der
Stelle, wo die Seelaffe im Flussbett der Goldach ansteht,
findet sich eine zweite ahnliche Bank. Noch viel weiter
siidlich kommen am linken Ufer am Fusse einer inter-
essanten Felswand in einem durch griinliche, graugriin-
liche und graue Toneinlagerungen ganz gefleckterscheinen-
den mergeligen Sandstein vereinzelte Cardien vor. Die
Felswand zeigt, wenn nicht der Schein triigt, einen ganz
auffallenden Ubergang von massigem, kompaktem Sand-
stein zu einer Wechsellagerung von dunnen Mergelschichten
533
mit 5 bis 25 cm m&chtigen Sandsteinb&nken. In einem
Winkel von 26° schneidet die Grenzlinie gegen den massigen
Sandstein die wechsellagernden, in grosser Zahl aufein-
anderfolgenden Sandstein- und Mergelbanke, die zusammen
wohl 20 m Machtigkeit erreichen mogen. Wenn es sich
hier wirklich um einen so auffalligen Ubergang von Sand-
stein zu Mergeln handelte, so liessen sich Schlusse auf die
ablagernde miocene Stromung ziehen. Die Lokalitat liegt
ca. 350 m sudlich der Martinsbriicke. Noch gegen 100 m
weiter sudlich liegt die tiefste Stelle, von welcher aus dem
Goldachtobel Meeresversteinerungen bekannt geworden
sind, wenn wir von den bis zur Grenze der untern
Susswas8ermolasse reichenden zahlreichen zylindrischen
Kdrpern absehen.
Die Fundstelle der im Museum in wohlerhaltenen
Exemplaren vorhandenen Avicula Studeri konnten wir
nicht entdecken, obwohl Gutzwiller den ungefahr im
Streichen der SeelafFe gelegenen Steinbruch im Schaugen
hiefur angibt.
In dem nachfolgenden Verzeichnis der weitaus zum
grossten Teil aus der obern Meeresmolasse stammenden
Petrefakten haben wir fur die im Museum vorhandenen
Spezies die Fundorte beigefugt. Im iibrigen folgten wir
dem von Gutzwiller in der 19. Lieferung der „Beitrageu
verdffentlichten Verzeichnis, welches dem von Professor
Dr. Ch. Mayer in der 11. Lieferung der „Beitrage zur
geologischen Karte der Schweiz" publizierten „ Verzeich-
nis der Versteinerungen des Helvetian der Schweiz und
Schwabens* entnommen ist. Wir fiigten jedoch auch eine
grossere Anzahl Spezies bei, die im Museum vorhanden,
aber in Gutzwillers Verzeichnis nicht aufgefuhrt sind. Zum
Teil sind es neue Arten, zum Teil mogen sie sich decken
534
mit denjenigen Spezies im erwahnten Verzeichnis, die dem
Museum unter diesem Namen fehlen. Die beigefugten
Arten sind mit * bezeichnet.
Abkttrzungen der Fundorte.
U.E. = Strasschen zwischen Untereggen und Eggersriet.
Ml.
= Martinstobel.
Kl.
= Kleinberg.
Mbr.
= Martinsbriicke.
Tw.
= Totenweier.
Scb.
— Schaugen.
D.
— Dreilinden.
Ph.
= Philosophental.
M.
= Miihlegg.
N.
= Notkersegg.
Mt.
= Miihlegg-Tunnel.
T.
= Tivoli.
G*.
= St. Georgen.
Mb.
= MuschelnbergimHagen-
Nr.
=■ Nest-Reservoir.
buch.
R.
- Riethausle.
H.
= Hagenbucb.
K.
= Kubel.
Hg.
= Goldbrunnen im Hagen-
Sto.
= Stocken.
buch.
S
Sitter.
Fh.
- Felsenkeller im Hagen-
Kr.
= Kratzern.
buch.
Hd.
= Heinricbsbad.
Fs.
= Felsenkeller an der Spei-
L.
^ Lutzenland bei Herisau
cherstrasse.
Sf.
= Seelaffe.
St.
-- Steingrube.
Ort? — Im Museum vorhanden, aber ohne Angabe des Fundort®**
Es ist ohne weiteres ersichtlich, dass in diesem Verzeicb*1*8
der Fundorte mitunter mehrere Namen auf dieselbe oder auf ©i116
ganz naheliegende Steile sich beziehen. In vereinzelten Fallen wurd«n
auch Fundorte ausserhalb unseres Kartengebietes berucksichtigt.
Spongiarier.
Cliona Duvernoyi, Nardo (Vioa).
„ Nardoi, Mich. (Vioa). St.
Phytozoen.
Ceratotrochus duodecimcostatus, Goldf. (Turbin). D.
Cyathina clavus, Scac. (Caryophylla).
Dendrophyllia arnica, Mich. (Caryophylla). H. Fs.
Phylloccenia thyrsiformis, Mich. (Stylina).
Porites Collegnoi, Mich.
535
Gyrochorte Nsegelii, May.
„ minor, May.
Metrochorte Bietmanni, May.
Borneria frondiculata, Lam. St.
Bryozoen.
Escliara reteporiformis, Mich.
Escharina celleporacea, Mich. St.
Membranipora Andegavensis, Mich.
Myriapora truncata, Blaino.
Alveolaria semiovata, Bask.
SdaBandropora cerebriformis, Blaino.
Eladiopora tuberosa, Mich.
Dellepora pumicosa, Lam.
Polytrema lyncurium, Lain. St.
„ simplex, Mich.
Lanulites androsaces, Mich. St. Mb. Mbr. Fa.
Uapularia Cuvieri, Defr. (Lunulites).
„ umbellata, Defr. (Lunulites). H. Fs.
Echinodermen.
Psammechinus mirabilis, Nicol. (Echinometra). Sto.
3chizaster Scillai, Ag.
Echinocardium Deickei, Des. K.
Euspatangus maximus, May. Kr.
Brachiopoden.
Lingula ovalina, May. Fs.
Pelecypoden.
Anomia ephippium, L. Hd. St. S. Sto. K. St. Gg. M. Ml.
„ Provincialis, May. Sto.
Ostrea (GryphaBa) cochlear, Poli. Ort?
„ arenicola, May. Mbr. Fh. Ml.
„ Boblayei, Desh. Mb.
636
♦Ostrea caudata, Munst. Ort?
„ crassicostata? Sow.
„ crasissima, Lam. Ml.
„ cucullata, Born. Staad.
„ edulis, L.
„ exasperata, May.
* „ foveolata, Eich. Ml. Mbr. S.
„ digitalina, Dub.
* „ Gallensis, May. St.
„ Gingensis, Schl. (Ostracites). Ml.
„ hyotis, L. (Mytilus).
„ neglecta, Mich.
„ tegulata, Munst. K. St. M. Mbr.
Plicatula mytilina, Phil.
„ ruperella, Duj.
*Pecten benedictus, Lam. Mt.
„ (Neithea) Hermannseni, Dunk. K. Sto. TW.
U.E. Sf. St. Mb. Fh. Mt. Nr.
* „ (Neithea) Hermannseni, var. vindacinus. Mt.
„ „ solarium, Lam.
„ palmatus, Lam. Staad.
r pusio, L. (Ostrea).
„ scabrellus, Lam. Mt. St. H. Mbr. Ml. K. Mt. i
S. Mb.
„ scabriusculus ? Math.
* r ventilabrum, Goldf. Ml.
Lima hians, Gm. (Ostrea).
„ inflata, Chemn. (Pecten). Fs. K.
„ Loscombi? Sow.
„ squamosa, Lam.
Perna Soldanii, Desh.
*Avicula Gallensis, May. Sch.
537
"Avicula Crossei, May. Mt.
„ (Meleagrina) Studeri, May. Sch. K.
„ phalanacea, Lam. Fh. Sch. St. S. Mt. Sto.
Pinna Brochii, Orb. Mt. St. Fh. Sto. K. U.E. Hg.
„ tetragona, Broc. T.
Mytilus Aqaitanicus, May.
„ oblitus, Mich.
„ (Modiola) barbatus, L. Fs. St. K.
„ (Modiola) Dolfusi, May. K.
„ (Modiola) Escheri, May. S. Nt. K. Sto.
Lithodomus candigerus, Lain. (Modiola) St.
„ cinnamomeus, Chemn. (Myt.). St.
„ lithophagus L. St.
Gongeria Basteroti, Desh. (Mytilus).
Area barbata, L.
„ diluvii, Lam.
„ Fichtelii, Desh. M. Fs.
„ Helvetica, May. N. M. Sto. S.
„ imbricata, Brug.
„ lactea, L.
„ polymorpha, May.
„ Turonica, Duj. M.
„ variabilis, May.
I*ectunculii8 Gallicus, May.
„ glycineris, L. Mb. H. K. St.
„ inflatus, Broc.
„ obtusatus, Partch. Riethausle.
„ stellatus, Gm. Ml.
„ violacescens, Lam. Ml. H.
TrigonocoBlia aurita, Broc.
„ minuta, Phil.
**da clavata, Calc.
538
Leda fragilis, Cheran.
„ nitida, Broc.
n Pella> L-
Nucula CoboldflB? Sow.
, Mayeri, Hcern.
„ nucleus, L.
*Cardita affinis, Duj. Fs.
„ antiquata, L. Ort?
* „ calyculata, L. St. Sto.
„ corbis, Phil.
„ crassicosta, Lam. St. Sto.
„ intermedia? Broc. Fs.
„ Jouanneti, Bast. Mb. Sto. H. Nr. Ko.
„ monilifera, Duj.
„ radians, May. St. Mt.
„ sabricosta, Mich. Sto. St.
„ trapezia, L.
Woodia digitaria, L.
Solenomya Doderleini? May.
Lucina Agassizi, Mich.
„ borealis, L. Fs.
„ columbella, Lam. Sto.
„ dentata, Bast. Fs.
,, divaricata, L.
„ exigua, Eichw.
„ incrassata, Dub.
„ lactea? L.
„ mioccenica? Mich.
n multilamellata? Desh.
„ spinifera, Mont.
„ transversa, Bronn.
* „ Wildi, May. Fh.
639
Ungulina unguiformis, Bast.
Diplodonta rotundata, Mont. St.
j, trigonula, Bronn.
Chama gryphina, Lam. St. Mt. Gg. M. S. K. Sto. D. Mb.
* n gryphoides, L. St.
Cardium Burdigalirium, Lam. Mb. St. H. Fs. Mt. Nr. Sto.
* „ commune, May. St. Sf.
* „ Clodiense, Een. St.
^ costatum? L.
„ crassum, Defr.
„ Darwini, May. Fs. Mt. U.E. T. M. Mb.
„ discrepans, Bast. St. Mb. E. Sto. Fs. M. S. Mt.
„ echinatum, L.
„ edule, L. St. Fs. Sto. H. St. M. Nr.
n Gallense, May. Mt.
B Grateloupi, May. Ort?
„ hians, Broc. St. Sto.
„ lapicidinum, May. St. Mb. Mt. .
„ multicostatum, Broc. St. M. Fs. Fh. Mb. Mt.
Nr. Sto. U.E. Kr. S.
„ papillosum, Poli. Fs.
„ pracellens, May. Mb. St. Fs. K. H. Nr.
„ tuberculatum, L.
Cypricardia Deshayesi, May.
Isocardia Burdigalensis, Desh.
„ cor, L.
Cyprina Agassizi, May.
Circe minima, Mont. St.
Cytherea crasissima, May. St.
, Helvetica, May. H. St.
„ rudis, Poli. St.
Artemis Adansoni, Phil. Fs.
640
♦Artemis Africana, Gray. Fs. H. T. MI.
* „ exoleta, L. St. .
„ lincta, Penn. Fs. T. St.
Luciiiopsis Lajonkairei, Payr. K.
Venus Brocchii. Ml. H. U.E. Mt. Fs. T. Gg. M. SI
* „ Basteroti, Desh. H.
* „ crasissima, May. St.
* „ casina? St. Fs.
* „ clathrata, Duj. Fs.
* „ fasciculata, Re. St.
* „ islandicoides, Lam. Mt.
„ multilamella, Lam. Gg. St. K. H. M. Fs.
* „ nux, Gm. Mt. St.
„ ovata, Paun.
B plicata, Gm. Fs. St. M. Sto. Mt.
* „ pedemontana, Lam. St. H. M.
„ rusticula, May.
„ umbonaria, Lam. T. H. K. Mb. St. Nr.
„ verrucosa, L.
„ Vindobonensis, May.
♦Tapes Gallensis, May. M. K. St.
^ Helvetica, May. Kleinberg St. T. Mt. Gg. K
L. Hd. Fs. Nr. H.
„ Helvetica var. crasissima May. Sto. St.
„ puella? May.
„ vetula, Bast. H. Mb. U.E. Fs. St. Mt. M. N
St. T.
Petricola lithophaga, Retz.
Donax lucidus, Eichw.
„ transversus, Desh.
Psammobia incornata, Penn. H. Fh. M.
n Labordei, Bast.
541
Psammobia vespertina? L.
^trigilla carnaria, L.
Tellina crassa, Penn.
,, compresa, Broc.
,, distorta, Broc. E.
n donacina, L. Fs.
„ elliptica, Broc. M. St.
„ exigua? Poli.
„ facilis, May.
r (Fragilia) fragilis. Mb.
„ incamata, L. H.
Ti lacunosa, Chemn. M. Sto. St.
„ nitida, Poli.
„ planata, L.
„ strig08a, Gm.
., ventricosa, Serr.
Pastrana fragilis, L.
Scrobicularia plana, Dacosta.
Syndosmya obovalis, Wood. Fs.
Ervilia pusilla, Phil.
Mactra Adansoni, Phil.
n antica, May. Gg. H. M. Ph. Sto. St.
, Basteroti, May.
„ facilis, May.
„ Gallensis, May. H. St.
n Helvetica, May. H. Sto. Ko.
„ Bietmanni, May. H. M.
„ striatella, Lam.
« subtruncata. M.
„ triangula, Ren. Sto.
fl Turonica, May. M.
Ix)vellia consobrina, May.
542
Deickea Gallensis, May.
„ Rietmanni, May. Fs.
Eastonia mitis, May. St. Sto.
„ rugosa, Chemn. St. Ml.
* „ Turonica, May. Ort?
Lutraria ambigua, May.
„ arcuata, Desh. Ort?
„ cuneata, May. S. Ko. T.
„ Deickei, May. Mt. Fh. Sto.
„ dissimilis, Desh. T.
„ elliptica, Boissy. T. H.
* „ fastidiosa, May. Mt.
„ Graffei, May.
„ Hoernesi, May. Fh.
„ latior, May. H. Fh. Mb. St. T.
„ latissima, Desh. Sto. T. Fh. H. St. Fs. Id
n mutata, May. Mt. Fs. M. Fh.
„ oblonga, Chemn. H.
„ ovalis, May. Mt. Mb. Sto. H.
* „ partimsulcata. H.
„ Bietmanni, May.
„ sanna, Bast. St. Fh. H. T. H. Mt. Nr. St
* „ turgid a, May. H.
„ scalpriiiii, May. Fh. L. Fs. St.
* „ semimutata. T.
„ Sieboldti, Desh. M.
„ Stockensis, May. T. Sto. K. H.
„ tellinaria, May. Sto.
„ Wartmanni, May. St.
* „ (Metabola) Wildi, May. Nr.
„ (Metabola) Gallensis, May. U.E. St. H. Mb
Nr. Sto. K. Hd.
543
tfetabola mixta, May. L. K.
Pholadomya alpina, Math. T. Fs. Mbr. Fh. St. Mt. Sto.
, rectidorsata, Hoarn. Mbr.
Hiracia anceps, May. H.
r angusta, May.
„ convexa, Wood. Fs. Mt. H.
„ corbuliformis, Desh.
j, elliptica, May.
n Gallensis, May.
„ inflata, Sow.
„ plicata, Desh. H.
„ pubescens, Pult. St.
„ rostralis, May. Fh.
„ Wartmanni, May.
„ Wildi, May.
*andora inaequivalvis, L. Fs. K. Sto. Fs.
„ oblonga, Phil. Mt. Fs.
B pinna, Mont. Fs.
'Crbula Basteroti, HoBrn.
„ gibba, Olivi. Fh. Fs. K. St. S.
„ revoluta, Broc.
'orbulomya complanata, Sow.
►phenia anatina, Bast. (Saxicava). St. Sto. K.
*anopaBa abbreviata, Valenc.
„ Americana, May. St.
„ australis, Sow. Fs.
„ declivis, May. St.
„ Eichwaldi, May. Fs.
„ filiola, May.
„ glycimeris, Born.
n Helvetica, May.
n intermedia. Mbr. St, Mb.
544
*Panopaea latirugata? May. Oxt?
„ Menardi, Desh. St. H. Fh. U.E. Gg. Nr. Sto. M
„ Norwegica, Spengl.
,, notabilis. May. Mbr.
* „ reflexa, May. H. Mb. Fs. St. Mt.
,, Rietmanni, May. Fh. Mt.
* „ Eudolphi, Eichw. Mt. T.
„ subalpina, May.
Saxicava aretica, L. St.
Cyrtodaria Nysti, May.
Psammo8olen coarctatus, L.
„ strigilatus, L.
Polia legumen, L. St. Fs. M.
Ensis magnus, Schum. St.
* n Hausmanni, Phil. St. Sto.
,, Rollei, HcBrn.
Cultellus pellucidus, Perm.
Solen Deickei, May. St.
„ siliqua, L. Fs. Fh. St. Sturzenegg.
„ vagina, L. Mb. St. H. St. K.
Pholas eylindriea, Lam. Ml. Mbr. U.E. M.
„ rugosa, Broc. Sto. St.
„ (Jouanetti) semicaudata, Desm. St.
Teredo Norwegica, Spengl. St. M.
Gastrochoena dubia, Penn. St.
„ intermedia, Hoern. St.
Clavagella baccillum, Broc. H. St. Mb. Fs. K. Mt.
j, Brocchii, Lam. St.
Gastropoden.
:i:Dentalium Burdigalinum, May. St.
., incrassatum, Sow.
546
urn mutabile, Doderl. K. St. Fs.
sexangulare? Gm.
11a graeca. L. Mt.
Italica, Defr. Fs. Mt. M. D.
yx sulcatus, Bors. (Patella),
is Hungaricus, L. (Patella).
lla unguiformis, Lam. D. St.
•sea chinensis, L. (Patella). Sto. Mb. St. M. Mt.
K. H. Ml.
deformis, Lam. Ml. Mb. H. St. Mt. M. Gg.
K. Fs. S. N.
depressa, Lam. Mb. N. Fs. K. H. St. Mt. Sto.
intermedia, May. Mt. Sto.
ornata, Bast.
>rbis arenarius, L. (Serpula). D. St. Gg.
;U8 intortus, Lam. (Serpula). St.
ria anguina, L. (Serpula).
lla Archimedis, Brongn. Ml. St. Sto.
bicarinata, Eich. M. Fs. St. H. St.
cochlea. Re. St. Sto.
Desmaresti, Bast. Gg. St. K.
Doublieri, Math. Ml. H. Gg. L. K. St. M. Mt.
Fs. Sto.
incrassata, Sow.
rediviva, May. N.
Riepeli, Partsch. Mb.
spiralis? Broc. Sto.
strangulate, Grat.
subangulata, Broc. St. Fs. K.
terebralis, Lam. Fs. Gg. M. St. K. Sto.
triplicate, Broc. St. Gg. H. Sto. Mt. Nr. Mb.
turris, Bast. H. Mb. St. Fs. M. N. Sto. K. Mt.
35
546
Turritella varicosa, Broc.
* „ vermicularis, Broc. St.
Proto cathedralis, Brongn. Mt.
*Scalaria paucilamella, May. Mt.
„ pseudo-scalaris, Broc.
Mathilda quadracarinata, Broc. Fs.
Adeorbis planorbillus, Duj.
„ sabcarinatus, Brown.
Melania Escheri, Brongn. St.
Melanopsis impressa, Krauss.
Bithynia acuta, Drap. St.
Niso eburnea, Risso.
Pyramidella unisulcata, Duj.
Tornatella papyracea? Bast.
„ semistriata, Fer.
Auriculina buccinea, Broc.
Solarium carocollatum. Lam.
„ simplex, Bron. Kr. K. Sto.
Auricula oblonga, Desh. K. St.
Cassidula umbilicata, Desh. K. St.
Alexia Gallensis, May.
Helix deflexa, Braun. Mbr. St.
,, maguntina, Desh.
*Clausilia Helvetica. Sitter-Bahnbriicke.
„ maxima, Grat.
Cyclostoma elegans? Drap.
Turbo muricatus, Duj. St. Gg. D.
Delphinula Gallensis, May. St.
„ Schlsepferi, May.
*Trochus biangulatus, Eichw. St.
„ cingulatus, Broc. N. Mt. Ml. H. Fs. K. St. J
cineriiformis ?
*
547
Trochus conulus? L. Mbr. St.
r lapicidinus, May.
„ miliaris, Broc. St. Fs. Mt.
„ patulus, Broc. St. Mb.
Clanculus cruciatus, L.
Xenophora Helvetica, May. St. Mt.
Natica Burdigalensis, May. Ml. Gg. Mt. Mb. H. D. St.
K. Sto.
„ eburniformis ? Grat.
r> helicina, Broc. Mb. Fs. St. Sto. Mt. K. Gg. M.
Ti JosephinaB, Risso. Mt. Sto. N. Mb. H. St.
T: millepunctata. Fs. K. Mb. M. St.
„ neglecta, May. St. K. Gg.
r redempta? Mich. M. St. Gg.
j, Laucatsensis, May. H. St. M.
r sulcata, Grat.
„ tigrina, Defr. Mb. St. K. Fs. Gg. M. Mt. Hd.
Natica Volhynica, Orb. St.
Sigaretus affinis, Eichw. Mt. Kr.
„ clathratus, Recluz.
' „ Grayii. H. Sto. Mb. S. St.
„ haliotoideus, L.
*Cancellaria Bellardii. Mt.
„ ampullacea, Broc.
„ cancellata, L. Fs.
„ callosa, Partsch. St. Mt.
„ contorta, Pusch. M. St.
{ „ Geslini, Bast. Kr. H. M. Fs.
„ inermis, Partsch. Mt.
„ mitraBformis, Ag. St.
„ piscatoria, Gm.
„ scabra, Desh. Ml.
548
Cancellaria umbilicaris, Broc. Mt.
„ uniangulata, Desh.
„ varicosa, Broc. M.
„ Weeti, Bast. Mt. Sto. H.
„ Wildi, May. Ort?
Cerithium puctum, Defr.
„ salmo? Bast.
„ scabrum, Olivi.
,, vulgatum, Brug.
Fusus Burdigalensis, Defr. Fs. H. Mb. M. Sto. K. Mt. (
„ glomus? Gene\
* „ inconstans, Desm. H.
„ mitriformis, Broc. Fs. St. D.
„ rostratus, Olivi.
„ Valenciennesi ? Grat. Mt. D.
„ virginius, Grat. Mt. Fs. St. Tw.
Pirula cornuta, Ag. H.
„ rusticula, Bast. Mt. S. Kr. Mbr.
Triton Tarbellianum, Grat.
Murex angulosus? Broc.
„ Aquitanicus, Grat. St.
„ brandaris, L. Ml.
„ craticulatus, Broc. Gg. Sto. Mt. Kr.
„ cristatus, Broc.
„ imbricatus, Broc.
* „ Partschi, Hoern. St.
n pyramidatus, Desh. St.
* „ Sedgwicky, Hoern. Ort?
* ., striaformis, Grat. K. S. St.
e „ subasperriinus, Grat. K. S. St.
„ sublavatus, Bast. St. St.
„ truncalus, L.
549
irex vaginatus, Phil.
, ventricosus, HcBrn.
ura inflata, Broc. Mt.
mrotoma asperulata, Lam. Fs.
„ calcarata, Grat. N.
« Chinensis. Fs.
„ consimilis, Bell. Kr.
Desmoulinsi, Grat. Ort?
r gradata, Defr. D. Fs.
r granulato-cincta, Mtinst. Mt. St.
r Helvetica, May. H. Fs. D. Mt.
r intermedia, Bronn. St. M. Mt. Fs.
„ Jouanetti. St. Fs. M. K.
interrupta, Broc. St. Fs. Gg. Sto. Mb. K.
Mbr. N. M.
T Mortilleti, May. Sto.
Ti obeliscus, Dem. M.
„ pustulata, Broc.
, ramosa, Bast. K. D. L. Fs. Mt. St. N.
,. Schreibersi, HcBrn. Mt. H.
r semimarginata, Lam. D. St. Gg.
,. (Defrancia) strombillus, Duj. Fs.
« striatula, Lam. Ort?
r Taurinensis, May. Mt.
« turricula, Broc.
„ terebra, Bast,
ithria striato-nodosa, May. Bavaria,
nus Aldrovandii, Broc. Nr.
7, antiquus, Lam.
n betuliniformis, Lam.
„ Bor8oni, May. K. L.
„ Brocchii, Bronn. D. H.
660
Conus canaliculars, Broc. D.
„ clavatus, Lam. Nr. D. K. Sto. M. Gg.
,, Escheri, May. Nr.
* „ Mercatii, Broc. M. Sto. St.
„ Noae, Broc. Sto. S. Kr.
„ pelagicus? Broc. Sto. Gg.
„ ponderosus, Broc. S. Kr. Gg.
„ Puschi? Mich.
n ventricosus, Bronn.
*Pereiraea Bredai, Mich. M.
Ficula Agassizi, May. Gg. M. Fs. Sto. Mb. H. Mt.
„ Burdigalensis, Sow. Mt. K. St. Sto. H. M. N
n condita, Brongn. Mt. Mb. St. Nr. S. Sto. K. M.
„ intermedia, E. Sism. Mt. Nr. H. Sto. St. Mb.
N. D.
Oniscia cithara, Broc.
Cassis saburon, Brug. St. Mt. Sto. H. K. N. Mb. Fs
striatella, Grat. M. D. H.
„ variabilis? Bell. Mich.
Buccinum baccatum, Bast. Sto. Mt. H. N. Sto. St.
Caronis, Brongn. S. Mt. Mb. H. K. S. S
„ conglobatum, Broc.
costulatum, Renieri.
duplicatum. Sow. Sto. Gg. St. S. Mb. Mt.
Fs. H. Hd.
n Gallicultim, May.
* ., (Nassa) instabilis, Bell. Mt.
r Helveticum, May. M. N. St. Fs. K. Mt.
v limatuin, Chemn. K. Fs. Gg.
* r miocenicum, Mich. St.
., mutabile, L.
n polygonum, Broc. M. Mt.
551
Buccinum serratum? Broc.
Vi spectabile. H.
„ ventricosum, Grat. K. Gg.
Nassa Rosthorni, Partsch. Mt.
Terebra Basteroti, Nyst.
,, cinerea, Born.
*Columbella Borsoni, Bell. Gg. Fs. St.
,, curta? Duj. St.
„ nassoides, Bell.
„ Turonica, May. St. Fs.
Mitra fusiformis, Broc. K. Mb. Sto. Kr. N. St.
,, scrobieulata, Broc. St.
„ striatula, Broc. Mb. Sto. Mt.
Erato laBvis, Sow. St. Fs.
Cypr®a elongata, Broc. D.
* „ amygdalum, Broc. D. Mt.
Ancillaria glandiformis, Lam. Sto.
Cyrrhopoden.
*Balanus oblique-striatus, Fisch. St. Mb.
„ palmatus, Lam.
„ porcatus, Bronn. Ort?
„ sulcatus, Brug. St. Sto. K. S. N. Mb.
„ tintinnabulum, L. Mt. N. K. St. Gg. Mb.
„ undulatus, Fischer.
Crustaceen.
Cancer Rietmanni, May.
Fische.
Lamna contortidens, Ag. St. Mbr. Sto.
n cuspidata, Ag.
Oxyrrhina hastalis, Ag.
652
Carcharodon polygurus, Ag. Sturzenegg.
Notidanus primigenius, Ag.
Sparoides Quenstedti, May.
Die vereinzelten Susswasser-Spezies des obigen Ver-
zeichuisses beziehen sich auf Exemplare, die, teils vom
Lande her eingeschwemmt, in wirklichen Meeresbildungen
(Strandbildungen) neben marinen Spezies gefunden wur-
den, teils aus Susswasserbildungen innerhalb der marinen
Molasse stammen. Im Nagelfluh-Bruch ostlich der Gaiser-
bahn bei Riethausle findet man deutliche Helices in einer
ca. 3 m machtigen, aus blaulichem, briichigem Kalkmergel
bestehenden Zwischenlagerung innerhalb der Nagelfluh.
Marine Spezies fehlen hier — es handelt sich um eine
lokale Siisswasserbildung, wahrend z. B. im Wattwald und
in der Steingrube neben durchaus vorherrschenden Meeres-
versteinerungen nur ganz vereinzelt Susswasserschnecken
gefunden werden.
III. Die obere Siisswassermolasse.
(Oningerstufe.)
Von der Grenz- Nagelfluh gegen die Meeresmolasse
bis nach Edliswil in der NW-Ecke unserer Karte mag
die obere Siisswassermolasse immerhin noch eine Machtig-
keit von zirka 1000 m aufweisen. Sie ist zum weitaus
grossten Teile von Gletscherablagerungen bedeckt; doch
sind letztere vielerorts so wenig machtig, dass die Mo-
lasse, abgesehen von den grossern Entblossungen an der
Sitter, Steinach und Goldach, Bruggwald-Peter und Paul,
am Tiefenbach und im Bernhardzellerwald, auch sonst
noch an zahlreichen Stellen sich konstatieren lasst. Die
Aufzahlung dieser Stellen kann hier fuglich unterbleiben,
da die Karte hieriiber Aufschluss gibt.
663
Die Sandsteine treten gegeniiber den Mergeln zuriick.
Nur wenige kleinere Briiche auf Sandstein finden sich in
diesem Gebiete, denn das Gestein ist im allgemeinen von
?eringer Festigkeit und als Baustein nicht begehrt. Die
Sandsteine der obern Siisswassermolasse sind grau bis
jelbgrau und brausen in S&ure stark, da kohlensaurer
£alk das Bindemittel bildet und auch in Gestalt von
£ornchen an der Zusammensetzung beteiligt ist. Den
iiickstand bilden „glasglanzende, farblose oder schmutzig-
jelbe, durchsichtige bis durchscheinende Quarzkorner, rote
iSrner von Feldspat oder Quarz, wenig dunkelgriine Korn-
then, wie sie im Sandstein der marinen Molasse haufig
3eobachtet werden, einige helle Glimmerblattchen und
mehr oder weniger graulicher Schlamm, wahrscheinlich von
beigemengter Tonerde herriihrend" (Gutzwiller, 19. Liefe-
rung, Seite 64).
Ein kleiner, in neuester Zeit erschlossener Bruch west-
lich der Ziegelei Bruggwald unter dem Wildpark liefert
Steine von ziemlicher Festigkeit.
So charakteristische Sandsteinarten wie der subalpine
und granitische Sandstein in der untern Siisswassermolasse
oder der Plattensandstein in der Meeresmolasse sind in der
obern Siisswassermolasse nicht mehr anzutreffen. Man wird
die Sandsteine dieser Stufe in diejenige Hauptabanderung
einzureihen haben, welche Studer als „gemeine Molasse"
bezeichnet. Logischerweise miisste man eigentlich hin-
sichtlich der Zusammensetzung nur zwei oder hochstens
dreiHauptarten des Sandsteins unterscheiden, namlich kalk-
reichen (Appenzeller- oder subalpinen Sandstein, Schlamm-
produkt der Kalknagelfluh), sodann silikatreichen (grani-
tischen) Sandstein (Schlammprodukt der bunten Nagelfluh)
^d endlich tonreichen (mergeligen) Sandstein, welch.
It'tzterer immentlirh all die zahlroichou UbergangslbrnieD
zwisuhen Sandstein und eigentliehen Mergeln uintasseu
wiirde. Solcho Ubergange sind gerade auch in der obern
Stisswassermolasse sehr hliufig.
Knauersandstein in wenig machtigen Schichten zeigt
sich hie und da, z. B. im Hatterenwald.
Die Mergel der obern Stisswassermolasse zeigen etwaa
mehr Abwechslung, namentlich in der Farbe. Wir treflfofl
rote und violette Mergel in den tiefsten, an die Meere8-
molasse angrenzenden Schichten (sehr schon z. B. von A&*
Sitterbrucke zwischen Stocken und Krazern an den Ufe*""
wanden der Sitter zu beobachten). Gelbliche, rotlichgelb^
graue, gelblichgraue, griinliche, blauliche Farbe rech^"
fertigen den Narnen „bunte Mergel". Die roten, violette*"*1
und griinlichen Mergel erinnern in ihrer Farbe manchm^^1
an ein viel alteres Gestein, den Verrucano.
Recht haufig und in den grossern Aufrissen mei^ *
wiederholt auftretend, sind Bander von schwarzlicher:^'
bituminosen Mergeln, die sich von der gelbgrauen Umu-
gebung scharf abheben. Sie enthalten meist Schnecken-
schalen, seltener auch Pflanzenreste. Farbe und Bitum
gehalt ruhren wohl von den organischen Stoffen her.
Die Mergel zerbrockeln leicht; menials bringt mac^3
ein grosseres zusaininenhangendes Stuck heraus. Die Ab —"
losungsflachen glanzen fettig.
In der Zusammensetzung zeigen sich bedeutend^^
Schwankungen, je nach dem Ton- und Kalkgehalt.
Am ostlichen Rande des Bruggwaldes werden di^^
Mergel fur die benachbarte Ziegelei in grossern Massstab^^
ausgebeutet.
Siisswasserkalk kommt da und dort vor, aber nirgend *
in grosserer Machtigkeit. Eine Schicht von */a bis 1 E*3
555
Machtigkeit, die sich zu beideti Seiten des Tiefenbach-
tobels verfolgen lasst, triflft man zwischen Sitter briicke
und Ebnat an der Strasse nach Engelburg.
Die Nagelfluh der obern Siisswassermolasse tritt von
Stocken weg bis nach Edliswil in mindestens zw6lf zum
Teil noch ziemlich machtigen Banken auf, nimmt also
einen bedeutendern Anteil am Aufbau dieser Stufe, als
man bisher annahm.*)
Den B-ucken des Geissberges (668 m) bei Krazeren
mochte man bei oberflachlichem Anblick fur einen Moranen-
-wall halten. Allein eine Begehung desselben zeigte uns,
class Sandsteine und Mergel des linken Steilufers der Sitter
bis zur Hohe des Biickens reiohen und noch mehr wurden
wir iiberrascht, als der Bewohner des am Westhange liegen-
den Hauschens (siidlich vom „iu im Wort Geissberg) uns
Arersicherte, in seinem Keller sei Nagelfluh. Es war tat-
sachlich so ; es fand sich da richtige tertiare Nagelfluh an-
stehend, nicht etwa nur fest verkitteter glacialer Schotter.
Im Gebiet der Siisswassermolasse ostlich von Peter
und Paul und von Wittenbach tritt dagegen die Nagel-
fluh ganzlich zuriick. Hochstens finden sich noch schwache
GerSllbander und Ubergange zu grobkornigem Sandstein.
Auskeilen und Wiederauftauchen oiner Nagelfluhbank
beobachtet man an der Strasse von der Sitterbrucke nach
Engelburg neben dem Tiefenbach.
Besondere Erwahnung verdient die Abtwiler Nagel-
fluh, die im Bruche an der Strasse ostlich des Dorfes aus-
*) Hier ist, obwohl nicht speziell die Nagelfluh dor obern
Siisswassermolasse betreftend, nachzutragen, dass Herr Konser-
vator Bachler in der Nagelfluh der Umgebung von St.Galien eine
Anzahi Gerolle gesamnielt hat, welche die bekannten Quetschungen
UQd Rutschstreifen in ausgezeichneter Weise zeigen und von Prof.
■Heim wabre Prachtstucke genannt wurden. dflHj
556
gebeutet wird. Gutz wilier hat den Zusammenhang dies?^r
Kalknagelfluh mit der als Appenzeller-Granit bezeichnet^*1
eigentiimlichen Nagelfluhschicht festgestellt, welche lib^T
Rosenburg bei Herisau, Bistricht bei Degersheim, St. Lc^~
retten bei Lichtensteig, Tweralp und Laupen bei Wate^
bis nach Feldbach am Ziirichsee sich verfolgen lasst E^~
konnte sie fur diese ganze Erstreckung ziemlich genai^
in die geologische Karte (Blatt IX, 1 : 100,000) eintragen —
Seine Beschreibung des eigentiimlichen Vorkommnisse^
findet sich in der 14. Lieferung der „Beitrageu, S. 29/31^
Auch Frlih hat den Appenzeller-Granit naher unter-
sucht und ihm in seiner schon erwahnten Schrift iiber die
Nagelfluh einen eigenen Abschnitt gewidmet (Neue Denk-
schriften, Band XXX, Seite 78/79).
Dem irrefuhrenden Namen Appenzeller-Granit ware
die auch ubliche Bezeichnung „Degersheimer Kalknagel-
fluh" entschieden vorzuziehen. An der Zusammensetzung
beteiligen sich schwarze und dunkelgraue Kalke, gelblich-
graue und gelblich-verwitternde Kalke und Dolomite, so-
dann auch Hornsteine ; selten sind Glimmerquarzite, Granite
und andere kristallinische Gesteine. Die Grosse der Ge-
rolle schwankt im tj'pischen Gestein, wie es im Bistricht
bei Degershcum auftritt, von Erbsen- und Bohnen- bis
Nussgrosse.
Das Zement, hinsichtlich seiner Zusammensetzung
(90°/o Carbonate und 10% unlosliche Substanz) als reiner
Kalkstein zu bezeichnen, verwittert etwas leichter als die
Gerolle. Friih konstatierte an Grabdenkmalern auf dem
Friedhofe in Gossau (St. Gallen) eine Erosion des Binde-
mittels von 1 mm in 40 — 70 Jahren.
An verschiedenen Orten sind im Appenzeller-Granit
echte Karrenbildungen beobachtet worden, &hnlich denen
657
*xn Schrattenkalk. Das Gestein kann auch zu fettem
Kalk gebrannt werden und wird im iibrigen zu den ver-
schiedensten Zwecken gebrochen, wofiir Brunnentroge,
Treppen- und Trottoirsteine etc. vielerorts, auch in der
Stadt St. Gallen, Zeugnis ablegen. Auch der Sockel des
Schlachtdenkmals bei Vogelinsegg besteht aus Appenzeller-
Granit.
Bei Abtwil ist diese Kalknagelfluh schon nicht mehr
so typisch ausgebildet. Sie ist grobkorniger und enthalt
etwas mehr kristallinische Gesteine, als die eigentliche
Degersheimer Kalknagelfluh. Auch ihre Festigkeit ist
nicht mehr so gross, doch immerhin noch so bedeutend,
dass beim Sprengen die Gerolle eher entzwei gehen, als
dass sie sich ganz aus dem Zement herauslosen. Die
Machtigkeit der Schicht betragt bei Abtwil zirka 10 m.
Kliifte und machtige Rutschflachen mit Calcit durchziehen
den Fels.
Die vom „bu im Wort nHafnersberg" siidwestlich
streichende Nagelfluhbank erweist sich ebenfalls als Kalk-
nagelfluh und ist reich an gelblichen Kalkgerollen. Auch
ihre weissgraue bis gelbgraue Anwitterung zeigt, dass wir
es hier nicht mehr mit der sonst in der obern Susswasser-
molasse durchaus vorherrschenden bunten Nagelfluh zu
tun haben.
Es scheint aber diese Bank doch nicht die direkte
Fortsetzung der Abtwiler Kalknagelfluh zu sein ; beriick-
8ichtigen wir vergleichend Hohenlage, Fallen und Streich-
richtung der beiden Schichten, so miisste die Abtwiler
Nagelfluh noch etwas weiter siidlich von Hafnersberg
durchziehen. Es sprechen auch noch andere Umstande
dafur, dass iiberhaupt in dieser Zone Kalknagelfluhbanke
auftreten. Im ungefahren Streichen dieser Schichten findet
568
man namlich viel weiter ostlich, bei Holz (774 m^ zwischen
Katzenstrebel und Rotmonten, eine Nagelfluhbank, die auf-
fallend arm ist an kristallinisohen Geschieben und sicb
zugleich durch ihre bedeatende Festigkeit auszeiohnet.
Das Auftreten von Kalknagelfluh in der obern Suss-
wassermolasse, wie iibrigens auch dasjenige in der zweiten
und dritten Nagelfluhzone und selbst in der untern Suss-
wassermolasse unseres Kartengebietes, wo zwischen Lust-
muhle und Teufen eine kleinkornige Kalknagelfluh zu be-
obachten ist, muss entschieden als etwas Eigenttimliches
betrachtet werden. Wie konnten miocene Fliisse auf ein-
mal fast ausschliesslich Kalkgerolle fuhren, wahrend vor-
und nachher in langen Zeitraumen nur bunte Nagelfluh
zur Ablagerung gelangte? Wir mussen auf Dislokationen
im Quellgebiet schliessen. Denn ohne die Annahme von
successiven Hebungen des Alpengebirges, durch welche
kristallinische Gesteine bald in starkerem, bald in schwa-
cherem Grade zur Abtragung gelangten und durch welche
mitunter auch der Lauf der Fliisse verandert wurde, lassen
sich die verschiedenen Nagelfluhzonen und die Abwechslung
zwischen bunter und Kalknagelfluh nicht erklaren. Sen-
kungen im Ablagerungsgebiet mogen hinzugekommen sein
und konnenStosskraft der Gewasser, Abtragung des Gebirges
und Geschiebetransport vermehrt und beschleunigt haben.
Versteinerungen.
Reste von Land- und Siisswasserschnecken sind in
der obern Siisswassermolasse haufiger, als in der untern,
aber der Erhaltungszustand lasst meist sehr zu wiinschen
iibrig. Die schon erwahnten, zahlreich vorkommenden
bituminosen Mergelbander enthalten fast immer Schnecken-
schalen, aber die Ausbeute ist punkto Qualitat eine klag-
liche. Die grossere Zahl der auf unserer Karte verzeich-
neten Fundstellon bezioht sit.-li auf solche Mergel bander.
Die besterhaltenen Petrefakten, schone woissschalige
Planorben und Helices liefert die Fundstelle bei Holz
(774 m), rechts oberhalb des von Rotmonten nach dem
Braggwald fiihrenden Strasschens. Der gleiche Aufriss
liefert etwas hoher in schw&rzlichen Mergeln nochmals
zahlreiche, aber schlecht erhaltene Schneckenschalen.
Siidwestlich von Buhl bei Joosriiti findet man an
einem Nebenwaldwege mittelm&ssig erhaltene Steinkerne
mit etwas zu rauher Oberflache.
Eine Stelle im Bruggwald, die vor zirka 10 Jahren
zahlreiche, oft zerdriickte, aber immerhin gut bestimm-
bare Schalen von Unio, Melania etc. aufwies, ist jetzt zu-
gedeckt und uberwachsen. Wenigstens konnten wir sie
trotz eifrigen Suchens nicht mehr auffinden.
Ahnlich ging es uns mit einer Stelle im Galgentobel,
am linken Ufer, svidostlich unter Punkt 663. Sie lieferte
einst ziemlich gute Exemplare von Melania Escheri, liess
rich jedoch, nachdem wir sie fast zehn Jahre lang nicht
mehr besucht, absolut nicht mehr auffinden.
Besonders erwahnt seien noch die Stellen siidlich vom
nhu im Wort Bernhardzeller-Wald und nordlich vom „gu
im Wort Bruggwald, ferner bei Bild NW von Heiligkreuz,
westlich vom Uebergang uber das kleine Bachlein. Qualitat
und Quantitat sind unter mittelmassig, aber immerhin
besser, als in den schwarzlichen Mergelbandern.
Die Petrefakten der erwahnten Stelle im Bernhard-
zellerwald liegen in einem eigentumlichen, interessanten
(restein, das man als Uebergang von grobkornigem Sand-
stein zu ganz feinkorniger Nagelfluh bezeichnen kann.
Es ist deutlich geschichtet und ziemlich gut spaltbar; die
ziemlich glatten Ablosungsflachen der nur wenig (unter
1 cm bis mehrere cm) machtigen Schichten zeigen bedeutend
feineres Korn.
Pflanzenreste und Kohlenspuren sind in der obern
Susswassermolasse der Umgebung von St. Gallen seltener,
als in der untern und in der Meeresmolasse.
Im Museum sind folgende Versteinerungen aus der
obern Susswassermolasse vorhanden:
Helix depressa, Katzenstrebel.
„ sylvestrina, Ziet. Katzenstrebel, Martinstobel.
„ subverticilla. Katzenstrebel.
„ sylvana, Kl. Galgentobel, Martinstobel.
,, Larteti, Noulet. Martinstobel.
Clausilia antiqua, Schiibl. Martinstobel.
„ Helvetica. Sitter-Bahnbriicke.
Melania Escheri, Brongn. Katzenstrebel, Kubel.
Unio flabellatus, Goldf. Sitter unter Rotmonten, Kubel.
„ Lorioli, Loc. Katzenstrebel.
„ Kunkleri, Man. Sitter.
Die Fundortangaben Martinstobel und Sitter sind so
unbestimmt, dass die betreffenden Petrefakten ebenso gut
aus der untern, als aus der obern Susswassermolasse stammen
konnen. Ubrigens fuhren beide Stufen die namlichen Ver-
steinerungen ; man sehe z. B. die Angaben fur Unio flabel-
latus und Melania Escheri.
Clausilien wurden von K ant onsschtiler Von wilier unter-
halb der Kratzernbiiicke in den Schichten direkt uber dem
Dach der marinen Molasse gesammelt.
IV. Schichtenstellung.
Die Tektonik ist eine sehr einfache. Unser Karten-
gebiet liegt, mit Ausnahme eines verschwindend kleinen
Stiickes, auf dem nordlichen Fliigel der ersten oder nord-
lichen Antiklinale. J)amit ist fiber die Lagerungsverhalt-
uisse die Hauptsache mit einem Worte gesagt.
Man bemerkt in der siidostlichen Ecke der Karte eine
nur wenige Centimeter lange gerade rote Linie. Sie soil
die erwahnte erste Antiklinallinie andeuten, d. h. die Linie,
jenseits (siidlich) welcher die Schichten, statt wie bis da-
hin nach Norden, nach Siiden, genauer Stidsiidwesten,
gegen das Appenzellerland hin fallen. Statt Antiklinale
wird auch etwa der Ausdruck Faltengewolbe angewendet.
Leider sind in der Gegend der Antiklinallinie die Ver-
haltnisse zur Beobachtung der Schichtenstellung geradezu
raffiniert ungiinstig, indem Morane, Wald und Weide alles
Anstehende verdecken, ausgenommen wenige, zudem un-
deutliche Stellen in Bachrunsen. Sicher ist, dass man in
der Nahe von Neppenegg SE von P. 102B an der rechten
Seite eines Bachbettes nach N fallende Schichten triffib,
wahrend oben auf dem aussichtsreichen Kamm „zur hohen
Buchea sich das ziemlich steile S- Fallen gut verfolgen
lasst. Indessen sind ausserhalb unseres Kartengebietes die
Verhaltnisse der Antiklinalzone in etwas giinstigerem Ter-
rain genligend untersucht worden und es hat sich daraus
ergeben, „dass nirgends konstant nordfallende Schichten
allmahlich in senkrecht stehende und dann in konstant
sudfallende iibergehen; vielmehr zeigt sich immer, dass
nord- und sudfallende Schichten mit senkrecht stehenden
ofter wechseln" (Gutzwiller, 14. Lieferung der Beitrage,
S. 45; man vergleiche auch die Profile auf Tafel II, so-
dann auch Profil I auf Tafel I).
Nach N nimmt der Fallwinkel bestandig ab. Er be-
tragt z. B. :
Ostlich von Almenweg (siidlich von Speicher) . 46°
B62
Steinegg bei Speicher 36°
Horst unweit Horlen 29 — 30
Reservoir an der Speicherstrasse*) 26°
Martinsbriicke 23 — 24
zwischen Kapf und Lochmiihle (Goldach) . . 18—19
Hatterenwald 17°
Die Abnahme des Fallwinkels ist zunachst nordlicl
der Antiklinallinie eine rasche, wie schon aus der gegebenei
kleinen Zusammenstellung hervorgeht. Noch augenfallige:
tritt die zuerst rasche, dann nur sehr allmahlich vor sic]
gehende Abnahme des Fallwinkels bei einem Blick au
die Karte hervor. Denn von den senkrecht stehendei
Schichten der Antiklinalzone beim Harzig unter der ;,hohei
Buche" bis zu den nur noch 45° fallenden bei Almenwej
und den nur noch 30° fallenden beim Horst SW von Speiche
ist die Horizontaldistanz sehr klein im Vergleiche mit jene
von Horst und Speicher bis in die Gegend W von Bern
hardzell hinter dem Tannenberg, wo die geneigte Schicht
stellung in die horizontale ubergeht, der Fallwinkel als
0° wird.
Aber auch noch andere auffallende Ungleichheitei
sind zu erwahnen. In einem alten Steinbruch am Kap
E vom Freudenberg fallen namlich die Schichten merk
wiirdigerweise mit 86° Neigung viel steiler, als man e
hier erwarten sollte, mit einem Winkel, den wir sons
erst viel weiter S, im Tal zwischen Speicher und Teufei
wieder finden.
Eine ahnliche Anomalie treffen wir bei Waldegg au
*) Die bei der Vergrosserung des Reservoirs von 600 m* an
3000 in8 notig gewordenen Sprengungen entblossten giinstige Stelle
zum Mcssen. Das Fallen ist mit 25° etwas starker als in de
obersten marinen Schichten an der Goldach und Sitter. DasStreiche
weicht von der Ostwestlinie um 271/2 — 28° ab.
***
663
dem Kamm z wischen Riiti weier und der Strasse von Speicher
nachTeufen. In unmittelbarerNahe der Wirtschaft Waldegg
fallen namlich die Schichten 45° NNW, wahrend doch in
den stratigraphisch tiefern Schichten des Steinbruches von
Horst das Fallen nur noch 30° betragt.
Um diese interessanten Tatsachen erklaren zu konnen,
miisste man zuerst untersuchen, ob im Streichen der be-
treffenden Schichten (von Kapf und Waldegg) weiter ost-
lich oder westlich an Punkten gleicher Meereshohe eben-
falls unerwartet hohe Fallwinkel sich finden und wenn ja,
ob im Streichen der namlichen Schichten an topographisch
tiefer gelegenen Punkten kleinere Fallwinkel herrschen.
Der letztere Punkt ist zwar an verschiedenen Stellen schon
in bejahendem Sinne erledigt. Man hatte also, wenn die
Sache im angedeuteten Sinne sich verhalt, gleichsam an
eine Aufbiegung der Schichten zu denken, die uns nur
noch in den hochsten Partien erhalten geblieben — Kapf
und Waldegg gehoren ja den beiden ausgepragtesten
Kammen unseres Gebietes an; eine Analogie findet sich
in den alpinen Faltenbildungen — die hoheren Schichten
wolben sich, weil sie leichter ausweichen konnten, in
kuhnerem, weiter ausholendem Schwunge. Sollte die oben
angedeutete Aufbiegung oder Aufwolbung tatsachlich vor-
handen sein, so konnte im allgemeinen gleichwohl die fur
unser Gebiet ubliche Vorstellung von Schichtflachen als
schiefe Ebenen beibehalten werden ; nur fur die Schichten,
welche in den hochsten Kammen unserer Gegend zutage
treten, hatte man sie sich nennenswert im Sinne ge-
krummter Flachen modifiziert zu denken.
In dem Ubergangsgebiete zwischen gehobener und
horizontaler Molasse, ja iiberhaupt in der ganzen nordwest-
lichen Halfte des Kartengebietes ist eine direkte Messung
564
des Fallwinkels durch Anlegen des Bergkompasses und
Klinometers an eine Schichtfl&che sozusagen unmoglich,
da die hiebei unvermeidlichen Fehler im Verhaltnis zu
dem zu messenden Winkel viel zu gross sind. Genauere
Resultate liefert eine trigonometrische Formel, welche die
Beziehungen feststellt zwischen dem gesuchten Fallwinkel,
der Streichrichtung der Schichten, der Projektion und der
Neigung einer in ganz beliebiger Richtung verlaufenden
Grenzlinie zwischen zwei Schichten, z. B. einer Schicht-
fuge oder eines schwarzlichen Mergelbandes oder einer
vom Mergel gut sich abhebenden Sandsteinbank. Solche
gtinstige Linien bietet jeder grossere Aufriss und damit
ist der Vorteil verbunden, dass die gewahlte Gerade (die
natiirlich einer und derselben Schichtebene angehort) auf
grossere Strecke leicht zu verfolgen ist. Es konnen also
die Richtung ihrer Projektion auf eine gedachte Horizontal-
ebene und die Neigung der gewahlten Geraden zur Horizon-
talebene mit Kompass und Klinometer leicht und genau
gemessen werden. Die Formel lautet:
tg cp = — : — ^ — =^. Dabei ist
* y sm (P + 8)
cp — der gesuchte Fallwinkel,
a — die Neigung der gewahlten Geraden zur Horizontal-
ebene,
5 =■ Streichrichtung der Schichten, resp. ihre Abweichung
von der Ostwestlinie,
p Richtungsabweichung der Projektion der gewahlten
Geraden von der Ostwestlinie, bezw. Westostlinie.
Winkel 5 ist bekannt, denn in unserm ganzen Karten-
gebiet ist die Streichrichtung*) der Schichten WSW, resp.
*) Fur die untore Susswnssermolasse und fiir die Meeres-
molasse brtragt die Abweichung der Streichrichtung von der Ost-
665 _
ENE und zwar betragt die Abweichung von der Ostwest-
linie nach Siiden (oder von der Westostlinie nach Norden)
27—30°. Die Winkel a und (3 werden direkt gemessen und
aus diesen drei Grossen kann nun Winkel 9, d. h. der ge-
suchte Fallwinkel berechnet werden.
Nehmen wir ein Beispiel. Rechts am Wege vom Rosen-
berg nach dem Hatterensteg, naher dem letztern, findet
sich eine grossere Entblossung, in welcher eine aus den
Mergeln etwas bervortretende Sandsteinscbicbt gtinstige
Gelegenheit zum Messen bietet. Wir konstatieren ein Fallen
von ll1. 30 gegen die Horizontal ebene und eine Richtung
der gemessenen Geraden, genauer ihrer Projektion, von
N 78° W, wobei die Deklination schon beriicksichtigt ist.
Setzen wir diese Werte ein, so finden wir den wirklichen
Fallwinkel durch die Gleichung
_ tg_o_ tg ll'/a0 _ _tg lVh°_ _
tg * ~~ sin" ip + 8) "~ sin([90-78°]+300) ~~ sin (i2°+30°) ~~
tg ll'/t0 0,20345
• Tod~ ~~ TV^cqTq =s= 0,30405
sin 42° 0,66913
Daraus ergibt sich fur den gesuchten Fallwinkel (et-
was aufgerundet) : <p =- 17°.
In unmittelbarer Nahe der genannten S telle befindet
sich links am Wege wieder ein Aufschluss, der ebenfalls
eine leicht zu messende Schichtlinie bietet. Sie kann uns
zur Verifikation obiger Rechnung dienen.
Diese Schichtlinie fallt 151/*0 gegen die Horizontal-
ebene und ihre Projektion verlauft in der Richtung N62 W,
wobei die Deklination schon beriicksichtigt ist. Es sind
hier also a = 15V 2 °
westlinie im allgemeinen etwas unter 30°; fiir die obere Siiss-
wassennolasse dagegen scheint diese Abweichung eher etwas zu-
zu neb men, weshalb in den nachfolgenden Keehnungen der Winkel
8 zu 30° angenommen wurde.
f)G<;
tg<p =
3 ^ 90°— 52° = 38°
8 = 30°
tg a tg 15\'8° tg 15 »/i
sin ((3 + 8) sin (88°+ 30°) sin 68°
0,27732
= 0,29910
0,92718
Der Fallwinkel cp betragt also (unbedeutend aufge-
rundet) 16° 40', was dem oben gefundenen von 17° ordent-
lich entspricht. Die Differenz von 20' kann, da nicht mit
Prazisions-Instrumenten gemessen wurde, nicht befremden.
Da die zur Berechnung des Fallwinkels dienende
Gleichung ziemlich einfach ist, so wurde in obigen Rech-
nungen die Einsetzung der natiirlichen goniometrischen
Funktionen der Anwendung von Logarithmen vorgezogen.
Fur Stellen, an welchen, wie im genannten Beispiel
am Hatterenwege, in unmittelbarer Nahe zwei in ver-
schiedener Bichtung laufende Schichtlinien gemessen wer-
den konnen, bote die Gleichung
tg a
tor m -m — P-
6 Y sin (P + 8)
zugleich das Mittel, den Winkel 8, d. h. die Streichrichtung
absolut genau zu bestimmen . Bezeichnen wir die entsprechen-
den Winkel beider Messungen mit a' und a", (3' und £",
so ergeben sich, da fiir benachbarte Stellen cp sowohl als 5
(Fallwinkel und Streichrichtung) keinen irgendwie nennens-
werten Unterschied zeigen, folgende Gleichungen:
tg a'
tg cp -.
tg 9
sin (^ + 8)
tg a"
sin (£" + 8)
cp konnte nun eliminiert werden und es bliebe noch
eine Gleichung mit der Unbekannten 8 iibrig. Allein die
resultierende Gleichung gestaltet sich fur die Berechnung
667
von 8 so kompliziert, class sie, wenn nicht durch Trans-
formation zweckdienlicher gemacht, fur den praktischen
Gebrauch ausser Betracht fallt.
Bei den sehr einfachen tektonischen Verhaltnissen ist
es femer moglich, eine Gleichung aufzustellen, welche zu
berechnen gestattet, wo eine an einem gewissen Punkte
konstatierte bestimmte Schicht (z. B eine Nagelfluhbank)
an einem zweiten Punkte mit verschiedoner Meereshohe
wieder gefunden werden kann. Es sei cp der Fallwinkel,
h die HohendiiFerenz (Unterschied der Meereshohen) der
beiden Punkte und d der auf der Horizontalebene (bezw.
Karte !) gemessene senkrechte Abstand des zweiten Punktes
von einer in der Streichrichtung durch den ersten Punkt
gezogenen Geraden. Dann gilt die Gleichung
d • = h cotg cp
und es bezeichnen die Schnittpunkte der in der Entfernung
d durch den zweiten Punkt gezogenen Streichrichtungs-
linie mit den Hohenkurven des Gelandes (resp. der Karte)
den Ortderfraglichen Schicht fur eine bestimmte Meereshohe.
In Worte ubersetzt, sagt uns diese Gleichung unter
anderem folgendes:
Je geringer der Fallwinkel, desto weiter ausholend
wird die Spitzkurve, welche eine bestimmte Schicht in
einem Bach- oder Flussbett, iiberhaupt in einer Gelande.
nische bildet.
Alle die erwahnten Gleichungen konnen natiirlich nur
da angewendet werden, wo der Nordflugel der Antiklinale
nicht durch Dislokationen weiterer Art in seinem ein-
seitigen Aufbau, bei welchem die Schichtflachen wenig.
stens fiir nicht allzu grosse Strecken als schiefe Ebenen
aufgefasst werden konnen, gestort worden ist. Und solche
Storungen konnen, wenn auch nicht in grossem Massstabe,
5<>*
immerhin da und dort konstatiert werden, am frappantesteix
sudostlich vom ersten e im Wort wHatterenwalda, sodann
auch im Steinbruch beim Griitli im Neudorf. An beidert
Orten scheint gewolbeartige Auf stauchung der Schichten
zu einem Bruch mit nachfolgender Verschiebung gef&hrt
zu haben, so dass die entsprechenden Bruchrander der
Schichten langs einer fast schnurgeraden Linie mehrere
Meter von einander entfernt sind und die Schichten zu-
gleich, einen stumpfen Winkel bildend, nach verschiedenen
Seiten fallen. Das Vorkommnis im Hatterenwald, an und
fur sich geringfugig, ist die grosste uns in der Umgebung
von St. Gallen bekannte sekundare Dislokation und er-
scheint, da die Schichten dort im allgemeinen nur zirka
17° fallen, merkwurdig genug, denn a priori wurde man
die grosseren Storungen in der Antiklinalzone bei sehr
steil oder senkrecht stehenden Schichten suchen.
Im Hatterenwald beobachtet man auch, ungefahr siid-
lich vom „wu, feine Faltelung der Schiefermergel. Sie er-
innert ganz an zierliche Bildungen, wie man sie im Innern
der Alpen, z. B. im Biindnerschiefer, oft trifft. Ahnliche.
etwas grobere Faltung im Kleinen sieht man an der rechten
Seite der Goldach, an der Strasse nach Untereggen, in der
Nahe des die Freudenberg - Nagelfluh reprasentierenden
Gerollbandes.
Bei der Hebung des Gebirges entstandene Rutschungen
mit Calcit, Spiegel oder Harnische findet man da und dort,
z. B. in der linksseitigen Felswand unterhalb der Martins-
brlicke, wie auch im Galgentobel und an der Sitter; ferner
bei dem 1903 vergrosserten Reservoir an der Speicherstrasse
und im Mergel beim Reservoir an der Teufenerstrasse.
Ausgezeichnete Kliiftung beobachtet man im Stein-
bruch beim Horst, wo zwei Kluftflachensysteme die zirka
569
30° NNW fallenden Schichten kreuzen, n&mlich ein mit eben-
falls ca. 30° S fallendes und ein zweites, fast senkrecht zur
Streichrichtung stehendes. Ahnliche Verh<nisse zeigen sich
beim Einschnitt der Bahn unter Vogelinsegg bei Speicher.
Kliiftung mit Kalksinter-Ausfullung zeigt sich sehr
schon im Steinbrach SLadern anderStrasse von St.Georgen
nach dem Wenigerweiher.
Fixieren wir ganz kurz noch die tektonische Stellung
unserer Gegend im Zusammenhang mit einem grdssern
Gebiet. Denken wir uns das Alpengebirge als ein System
ungefahr paralleler Falten oder Wellen, die in den kri-
stallinischen zentralen Alpenkammen ihre grosste Hohe
erreichen, aber auch in den nordlichen und siidlichen Kalk-
alpen noch bedeutende Hohe und Intensitat der Faltung
aufweisen, wahrend im Molassevorland die Falten stets
niedriger und einfacher werden, so liegt die Umgebung
von St. Gallon auf dem Nordflugel der aussersten oder
letzten Welle dieser machtigen Faltenschar. Mit andern
Worten: es beginnt am Nordabhange des Tannenberges
mit der gehobenen Molasse jener machtige Zusammen-
schub der Erdrinde, welchem das Alpengebirge seine Ent-
stehung verdankt. Oder noch kurzer: die Alpen reichen
im tektonischen Sinne bis nach Bernhardzell und Wald-
kirch. Vergleichen wir den vom Tannenberg bis zur „hohen
Buche" reichenden Nordflugel der ersten Antiklinale in
Gedanken mit einem von St. Gallon quer durch die Alpen
bis zur Poebene gezogenen Profil, so werden wir finden,
dass die erste Falte, einfach in ihrem Bau, aber gross
angelegt und imponierend in der Breite und namentlich
in ihrer gewaltigen Langserstreckung, einen nicht un-
wiirdigen Anfang darstellt.
570
B. Das Diluvium
oder die Qletscherablagerungen.
I. Einlcitung.
Zur Eiszeit war unser Qebiet von den gewaltigen Eis-
massen des Rheingletschers bedeckt; bei dem durch Ab-
schmelzen erfolgten Riickzug des Gletschers aus unserer
Gegend in seine Alpenheimat liess er die betrachtlichen
Schuttmassen zuriick, welche er auf seinem Grande (Grund-
morane) and auf seinem Riicken (Obermorane) hieher ge-
tragen hatte. Sie bilden das Diluvium unseres Gebietes;
weitaus vorherrschend tritt dasselbe als Grundmorane auf;
sie wird charakterisiert durch die grosse Zahl von in einer
bald mehr sandigen, bald mehr lehmigen Grundmasse ein-
geschlossenen Geschieben, deren Kanten mehr oder weniger
stark abgestumpft bis vollig verschwunden sind, wahrend
ihre Oberflache haung deutliche Schrammung, oft verbunden
mit Politur, aufweist; a lie diese Erscheinungen erkliiren
sich als Folge des ungeheuren Druckes der machtigen Eis-
massen, welche einem Hobel gleich die Geschiebe auf ihrem
Grunde erfassten und auf demselben liber- und nebenein-
ander dahinschoben. Das Obermoranenmaterial tritt in
unserm Gebiet gegeniiber der Grundmorane ganz zuriick ;
es kennzeichnet sich als verhaltnismassig lockere Schutt-
ablagerung, deren Geschiebe meist noch deutliche Kanten
und Ecken, dagegen keine Schrammen und Politur auf-
weisen; nirgends fanden wir es als deutlich zusamruen-
hangende Decke, sondern mehr nur vermengt mit Grund-
morane oder als einzelne erratische Blocke aus derselben
hervorragend.
571
f Der Riickzug des Gletschers ging ebensowenig wie
scin Vorriicken in gleichm&ssiger Weise vor sich ; er war
im Gegenteil haufigen und oft starken Schwankungen
unter worfen, je nachdem der Zuwachs oder das Abschmelzen
des Eises iiberwog ; hielten sich diese beiden Faktoren das
Gleichgewicht, so blieb der Gletscher stationar ; in diesem
Falle konnte sich der Schutt an seinem untern Ende als
ein das Tal durchziehender Querwall (Endmorane) an-
hftufen ; ebenso blieb derselbe beim Rtickzug an den Tal-
flanken als Langswalle (Seitenmoranen) liegen. Leider sind
uber alien Zweifel erhabene End- und Seitenmoranenwalle
in unserm Gebiet nicht erhalten geblieben ; was auf unsrer
Karte als solche verzeichnet ist, kann seine Wallform eben-
sogut nachtraglicher Erosion oder einer unterlagernden
Molasse-Erhebung verdanken, wie weiter unten ausfiihr-
licher gezeigt werden soil.
Wo dem Gletscherrande starke Schmelzwasser ent-
stromten, erfassten sie den Gletscherschutt, um ihn mehr
oder weniger weit davon entfernt wieder, und zwar
schichtenweise, abzusetzen : fluvioglaziale Ablagerungen
(verschwemmte Morane); solche sind in unserem Gebiet
auffallend haufig und nehmen zirka zwei Funftel der vom
Gletscherschutt iiberhaupt bedeckten Flache ein ; bald sind
sie lokal enger begrenzt und erscheinen z. B. als delta-
artige Schuttkegel oder formliche Ausfullungen von klei-
neren oder grosseren Stauseen, oder aber sie bilden, wenn
von einem grossen Gletscherstrom tiber eine grosse Flache
ausgebreitet, weit talab warts zu verfolgende Schottermassen
Niederterrassenschotter unserer Karte).
Nach den mustergiltigen Untersuchungen Penks und
3ruckners kann kein Zweifel mehr an einer viermal hinter-
jinander erfolgten Vergletscherung des Bodensee- und
672
damit auch unseres Gebietes bestehen ; die aus den alten
Eiszeiten stammenden Moranen, deren ursprungliche Foro
oft schon stark verwischt erscheint, werden als Altmoranei
bezeichnet, wahrend man unter Jungmoranen nur diejenige:
der letzten Eiszeit versteht. Mit den Moranen verkniipi
treten die fluvioglazialen Schotter auf ; der Niederterrassei
schotter entspricbt den Jungmoranen und stammt also ai
der letzten Eiszeit ; den Altmoranen entsprechen die Schott*
der drei vorhergehenden Eiszeiten ; mit dem jungsten b(
ginnend, sind dieselben unter der Bezeichnung Hoc)
terrassenschotter, j lingerer Deokenschotter und alter*
Deokenschotter jetzt allgemein bekannt. Die Hauptmasi
unseres Gletscherschuttes entstammt der letzten Eiszei
eine Niederterrassenschotterflache findet sioh W vom BiL
wo sie das Breitfeld bildet und sich noch weit liber una
Gebiet nach W verfolgen lasst. Altmoranen und alter*
Deokenschotter wurden von uns auf dem Tannenberj
plateau festgestellt, und Dr. Gutzwiller, der von uns ai
den interessanten Fall aufmerksam gemacht worden wa
konstatierte bei Gelegenbeit einer gemeinsamen BegehuB
des Plateaus hier auch eine mutmasslich als Hochterrassei
schotter aufzufassende Ablagerung.
Die zwischen zwei aufeinanderfolgenden Eiszeitc
liegende Zeitperiode wird als Interglazialzeit, die wahren
einer solchen zur Bildung gelangten Ablagerungen a
interglazial bezeichnet; handelt es sich dagegen nur ui
eine voriibergehende lokale Schwankung innerhalb ein<
und derselben Eiszeit, d. h. hatte sich der Gletscher, ohi
bis zu den Alpen zuruckzukehren, von einer Gegend zi
riickgezogen, um bei einem neuen Vorstoss wieder ub*
dieselbe hinwegzugehen, so wird die verhaltnismassig kurs
eisfreie Zeit jener Gegend als Interstadium bezeichnet ur
^73
die innerhalb eines solchen stattgefundenen Bildungen
heissen interstadiar. Dieser Unterschied ist sehr wiohtig,
da fruher die interstadiaren mit den interglazialen Ab-
lagerungen zasammengeworfen warden, was Veranlassung
zu falschen, voreiligen Schliissen gab. Als interglaoialen
Ureprungs gelten die Schieferkohlen von Morschwil, welche
aber nicht mehr auf unser Kartengebiet fallen; der Ab-
bau derselben ist schon seit Jahren eingestellt worden.
Wenn nun aber Deicke jede zwischen ungeschichtetem
Gletscherschutt eingelagerte lokale Schotterbildung, wie er
sie beispielsweise unterhalb des „Nestesu an der Teufener-
strasse fand, als interglacial auffasste, so ging das, wie
schon Gutzwiller ausdriicklich hervorhebt, entschieden zu
weit; es kann sich gerade in diesem Falle nur um un-
bedeutende Scbwankungen interstadiaren Charakters han-
deln. Bei der Entscheidung der Frage, ob eine Ablage-
rung interstadiaren oder interglazialen Ursprungs sei, ist
oft grosste Vorsicht geboten; selbst fur die Morschwiler
Schieferkohle ist ein eventueller interstadiarer Ursprung
nicht total ausgeschlossen.
In unserm Gebiete ruht der Gletscherschutt begreif-
licherweise tiberall auf der anstehenden Molasse ; der Kon-
takt ist haufig, allerdings nicht immer mit der wiinschens-
werten Deutlichkeit, direkt wahrzunehmen, z. B. an den
febigen Steilwanden unserer tiefen Erosionstobel, wo er
rich vor allem an der Goldach, Steinach, Sitter und Ur-
nftsch gelegentlich auf eine ziemliche Strecke zusammen-
hangendverfolgenlasst; durchdiezahlreichen Rutschungen
wird er allerdings haufig verwischt, wie umgekehrt durch
eine solche auch gelegentlich eine neue Kontaktstelle sicht-
bar werden kann; in vielen Fallen verhindert eben die
Vegetation die direkte Wahrnehmung des Kontaktes.
574
Abgesehen von den zahlreichen Kontaktstellen am
Steilhang unserer grossern und kleinern Wasserl&ufe (z. B.
Urnasch, rechtes Ufer, uber Nagelfluhriff S Farnbuhl;
Morane ca. 2 m machtig; Sitter, linkes Ufer, gegenuber
Bleiche; Steilhang S Ebnat; ober- und unterhalb R&dlisau;
rechtes Ufer: W Wilen (durchRutschungverwischt); stellen-
weise uber dem Elektrizitatswerk; Steinach: linkes Ufer
0 Kronbuhl; Goldach: linkes Ufer, Panzenrain, vonBiber-
hund abw&rts [besonders schon am Rande des Kartengebietes])
sei besonders auf folgende Lokalitaten hingewiesen, wo
ein deutlicher Kontakt sichtbar ist:
Steinbruch von Notkersegg : iiber plattenartigen Sand-
stein mit ripple-marks (Wellenfurchen) und zylindrischen
Wurmsteinen liegt Grundmorane, zirka 4 m machtig.
Der Steinbruch von Beckenhalden oberhalb St. Greorgen
weist den obigen analoge Kontaktverhaltnisse auf; die
Morane ist besonders im westlichen Teil nur noch wenig
machtig; ostlich der Strasse ist der Kontakt infolge Ver-
schuttung zurzeit nicht gut sichtbar.
Sturzenegg (Giibsenmoos) : beim Strasseneinschnitt
direkt unterhalb des Wirtshauses, neuer pr&chtiger Auf-
schluss eines Kontaktes: Morane, marinen Sandstein
(Zwischenschicht eines Nagelfluhriftes ) iiberlagernd.
Auch die Mergelgrube am Ostabhange des Brugg-
waldes (bei Riiti) lasst an ihrem Eingang einen Kontakt
erkennen, wie ein solcher auch bei Gelegenheit von an
entsprechender Hohe erstellten) Neubauten auf dem Rosen-
berg vorubergehend zu konstatieren war.
Wo ein Gletscher talwarts vorriickt, vermag derselbe
haufig den Talboden oder die Talflanken mittelst der an
seinem Grunde und zwischen Eis und Talwand unter ge-
waltigem Druck vorwarts bewegten Geschiebezuschrammen
f unci zi
ML'
:**:
zti polieren. Unsen? Bemuhungon, auch in unserem
iot duj.se Spuren tVulnTer (Jlrtschrrtati^keit an an-
stehendem Fels nachzuweisen, sind leider bis jetzt erfolg-
los geblieben, obwohl wir mehrere Kontaktstellen direkt
darauf hin untersucht haben ; einer giitigen Mitteilung von
>s^ Herrn Erziehungsrat Schlatter zufolge, die wir hiemit
bestens verdanken, erwies sich dagegen die anlasslich der
Anlegung des Reservoirs an der Teufenerstrasse vom uber-
lagernden Gletscherschutt befreite Nagelfluh typisch ge-
es. ^ schliffen. Uns scheint, dass die in unserm Gebiet zutage
tretenden Gesteinsarten im allgemeinen wenig geeignet
waren, allfallige Schrammung und Politur bis auf den
ni*ou heutigen Tag zu konservieren. Gliicklicher als wir war
Dr. Friih*), welchera es vergonnt war (allerdings ausser-
Ar- halb unseres Kartengebietes), bei Oberdorf auf Kalknagel-
fiuh und bei Miinchwilen auf Wetterkalk prachtige Schliff-
flachen aufzudecken; erstere Lokalitat liegt direkt west-
lich unseres Kartengebietes, nur 1 km weit davon ent-
fernt; beide aber liegen innerhalb des friihern Bereiches
*n;r des St. Galler Rheingletscherarmes, weshalb wir glaubten,
i":.'-l tier davon Notiz nehmen zu mlissen.
II. Die erratisehen Blffckc oder Findlingc.
Von jeher hat unsere Gesellschaft den in unserem
Kanton so iiberaus haufig anzutreftenden Findlingen ihr
besonderes Interesse zugewendet — Beweis die von der
Gesellschaft durch Kauf oder Schenkung erworbenen zahl-
reichen Blocke, von welchen die meisten (mit einer Marke
versehen) heute noch an Ort und S telle zu sehen sind,
*) Zur Geologie von St. Gallen und Thurgau, von Dr. Friih.
Jabrbuch 1884/85, pag. 109: Zur Konntnis des Rheingletschers.
676
sowie die interessante Kollektion von Findlingen aus der
Umgebung der Stadt, welche nun einen besondem An-
ziehungspunkt unseres schonen Stadtparkes bildet.
Friiher verband man mit dem Begriff des Findlings
eine gewisse (Block-) Grosse; im Grunde genommen ist
dieselbe aber durchaus irrelevant und im weiteren Sinne
genommen kann iiberhaupt jedes Gletschergeschiebe, ob
klein oder gross, ob auf, im oder unter dem Eise ver- j.
frachtet, als Findling angesprochen werden; selbstver-
standlich sind jedoch von uns nur solche Findlinge ein-
getragen worden, deren rauraliche Ausdehnung sie nicht
leicht iibersehen lasst, wobei wir uns allerdings nicht an
eine bestimmte Grenze gehalten haben, da je nach Urn-
standen ein verhaltnismassig kleines Geschiebe das grossere
Interesse beanspruchen kann, als ein grosser, mehrere m8
messender Block.
Von grosster Wichtigkeit ist dagegen die Natur des
betreffenden Gesteins, aus welchem der Findling besteht :
weiss man, wo dasselbe als fester Fels ansteht, so lassen
sich oft daraus zwingende Schliisse auf den vom Gletscher
zuriickgelegten Weg ziehen, denn nur solche Gesteine wird
der Gletscher in irgend einer Gegend als Findlinge zuriick-
lasaen konnen, welche er auf seinem Wege anstehend ge-
troften hat; je mehr wir uns von den Alpen entfernen,
umso mannigfaltiger werden dahor auch die Findlinge in
Bezug auf den petrographischen und stratigraphischen
Charakter des Gesteins sein. Die Gesteinsnatur der Find-
linge setzt uns auch in den Stand, gelegentlich die Ab-
lagerungen ernes bestimmten Gletschers von denjenigen
eines andern abzugrenzen ^siehe Santisgletscher). tJberaus
wichtig ist auch die raumliche Verteilung der Findlinge
in horizontaler und vertikaler Richtung: iiber alle Hohen,
677
seiche von Findlingen gekront werden, muss seinerzeit
ie machtige Eiszunge dahingeglitten soin.
Die Findlinge sind in unserer Gegend iiberaus zahl-
iich; selbstverstandlich konnte keine Rede davon sein,
e auch nur annahemd vollzahlig in der Karte einzu-
agen. Die grossern Blocke, welche an leichter zug&ng-
?hen Stellen liegen, verschwinden immer mehr, da sie
h Bauten usw. zweckmassige Verwendung finden und
;funden haben; es ist daher begreiflich, wenn die grossern
locke je l&nger je mehr in den zahlreichen, oft schwer
iganglichen grossern und kleinern Tobeln unseres Ge-
Letes gesucht werden mttssen; bei Terrainbewegungen
a Gletscherschutt kommen sie selbstverstandlich eben-
dls haufig zum Vorschein.
Die Grosse der Blocke schwankt ganz bedeutend;
)lche von iiber 1 m3 sind (wohl aus oben erwahnten
friinden) nicht mehr haufig; bei den Bahnhofumbauten
uf der Geltenwilerbleiche, sowie bei verschiedenen Aus-
rabungen im Stadtgebiet, kamen jedoch eine ziemliche
Lnzahl solcher verhaltnismassig grosser Blocke zum Vor-
jhein. Von den in der Karte verzeichneten Blocken von
ber 1 m3 Grosse seien beispielsweise die folgenden her-
orgehoben: Kalk, zwischen Au und Wiesbuhl im 0 der
[arte, gesprengt und teilweise verwendet; Rest immer
och zirka 4 m3. Nagelfluh im Katzenstrebel, im kleinen
obel ostlich von Ebnat (unter z ) ; zirka 6,30 m3. Sand-
ein der untern Siisswassermolasse, Joosniti, im Bachlein
sim Ubergang ; iiber 2 m3. Nagelfluh, oberhalb Loch ostlich
fenigerweier, seither in zwei Stticke gesprengt ; iiber 2 m8.
NurausnahmsweisefindensicheinzelneerratischeBlocke
rekt auf anstehendem Molassefels ruhend; meist ragen
3 aus einer (manchmal allerdings sehr wenigmachtigen und
37
578
unzusammenhangenden) Moranendecke heraus pder wurden
bei Grabungen aus einer solchen zutage gefordert. See-
laffe und Puntaiglasgranit sind fur die Ablagerungen des
Rheingletschers ganz besonders charakteristisch und iiber-
dies leicht erkennbar; sie finden sich darum so ziemlich
liberall eingetragen, wo wir ihnen als Findlingen begegnet
sind. Die facherformige Ausbreitung des Rheingletschers
liber unsere Hochebene, nachdem er das Tor zwischen
Bregenz und Rheineck - Staad mit der dort anstehenden
schmalen SeelaiFenzone passiert, wird gerade durch die
Verbreitung der Seelaffenblocke in ausgezeichneter Weise
illustriert (siehe Karte der Drumlins im alpinen Vorland
von Dr. Friih, Jahrbuch 1894 95); das Erratikum unserer
Gegend verdankt seine Ablagerung einem Gletscherann.
welchen der Rheingletscher als seine linke Flanke aus der
Bodenseegegend liber St. Gallen-Flawil und Wil hinaus
westwarts vorgeschoben hatte. Es ist uns gelungen, so-
gar noch in dem westlich der Goldach gegen Speicher-
schwendi ausgebreiteten Erratikum bisher unbekannte See-
laffenblocke nachzuweisen. Der Block imBachtobel zwischen
Au und Wiesblihl bietet besonderes Interesse dar durch den
Umstand, dass er von alien der Seelaffenzone zunachst
gelegenen der am weitesten nach S vorgedrungene ist;
ihm reiht sich der Seelaffenblock im verschwemmten Mo-
ranenschutt ostlich vom Barenwald unterhalb der Land-
strasse nach Speicher (Rank) wlirdig an, liegt er doch
mit ihm in einer und derselbon SW Bewegungsrichtung des
vorriickenden Gletschereises. Der Rheingletscher muss
also hier an seiner aussersten linken Flanke, dem natlir-
lichen Bestreben nach facherformiger Ausbreitung folgend,
von der allgemeinen Westrichtung abweichend, sogar nach
SW abgebogen haben.
679
Mit der Bestimmung der Hohe, bis zu welcher hin-
f Findlinge reichen, lasst sich auch die friihere Aus-
hnung der Eismassen in vertikaler Richtung ann&hernd
itstellen. Nun fanden wir im SO unseres Kartengebietes
i Neppenegg noch Blocke in einer Hohe von 1020 m
d auf der entgegengesetzten NW Seite ist die hochste
hebung von 911 m (Steinegg ostlich Thai) noch von
etscherschutt bedeckt. Ferner reicht die Moranendecke
susagen auf die Hohe des Kapfes 840 m ostlich der
idt hinauf; am Nordabhang des Hohenzuges der Egg
jigt sie (im Osten gegen Birt und Vogelinsegg) sicher
$ zu 960 m, wenn nicht noch hoher aufwarts. Wir sind
her zu der Uberzeugung gelangt, dass zur Eiszeit unser
,nzes Gebiet vom Rheingletscher langere Zeit hindurch
•llig iiberdeckt gewesen sein muss, eventuell mit Ausnahme
sjenigen (ostlichen) Teiles der Egg, welcher die Hohe
m zirka 1020 m iiberschreitet, welcher also moglicher-
eise als Nunatak aus dem Eismeer riffartig emporzu-
igen vermochte.
In Bezug auf die Herkunft der erratischen Gesteine
sst sich folgendes angeben : Die unserm Gebiet zunachst
slegene Molasse lieferte Sandsteine verschiedener Art
larunter granitischen Sand stein) und Nagelfluh, selten
it harten Mergel*); ihr entstamnit auch die bereits ein-
ahend bevsprochone SeelalFe; aus dem den Alpen vorge-
gerten und tief in dieselben eindringenden Eocan stammt
jispielsweise der Nummulitenkalk und der Taviglianaz-
*) Dor Mergol, sowie auch die weichcrn Sandsteine konnten
>en den langen Transport nicht anshalten, ohne zu Ton und
knd zerrieben zu werden ; aus ahnlichern Grunde triiVt man nur
lten ganze Blocke von hunter Nagelfluh, wohl aber haufig die
nzelnen Gerolle derselben.
680
sandstein ; die Kalke der Rreide und des Jura (Kieselkalk,
Schrattenkalk, Gault, Seewerkalk, Hochgebirgskalk) wur-
den von der Siidflanke der Todi- und Ringelspitzkette, vom
Calanda, Alviergruppe und der Santis-Alpsteinkette hieher
getragen; aus demeigentlichen Ursprungsgebiet desRhein-
gletschers, dem Biindner Oberland, von der Oberalp bis
zur Medelser- und Adula-Gruppe und von der T6dikette
bis zur Ringelspitze, stammt schliesslich das Gros der
kristallinischen Gesteine (Silikatblocke).
In der nachfolgenden Liste wurde versucht, dieselben,
soweit es uns moglich war, mit Angabe ihres Ursprungs-
ortes*) aufzuzeichnen ; wir haben dabei die im ganzen
Kanton herum zerstreut liegenden Silikatblocke mitberuck-
sichtigt, da sie ja begreiflicherweise, soweit sie iiberhaupt
nicht schon aus der Umgebung von St. Gallen bekannt
sind (was bei den meisten der Fall ist) doch ebensogut
auch hier liegen konnen.
Granite in verschiedenen Varietaten, z. B. Puntaiglas von
der Siidseite der Todikette, Val Puntaiglas, oberhatt)
Truns.
Syenitische Varietat, mit Glimmer, Hornblende und
Titanit ; vom Piz Ner zwischen Val Puntaiglas und
Val Gliems.
Protogyn von der Nordseite des Tavetsch.
Gneisgranit in grobkorniger Varietat, u. a. im Val
Medels ob Acla anstehend ; eine andere Varietat mit
bliiulichem Feldspat (selten) aus dem Val Somvix.
Julier-Albula-Granit aus dem Julier- und Albulagebiet.
*) Noben. ei^onfn Kunden waren fur uns massgebend die im
Museum aufbewahrten Handstiicke; die genaue Bestimmung ist in
alien Fallen Prof. Dr. Heitn zu verdankon. Siehe letzte Liste der
erratisehen Blocke von C. Rebsteiner iin Jahrbuch 1900/01, welche
bier beniitzt worden ist.
581
36 in verschiedenen Varietaten, z. B. Granitgneis : a)
aus dem linken Vorderrheintal (Piz Ner und Piz
Gliems) ; b) linke Seite desTavetsch, zum Teil Gipfel-
gestein ; c) Zentralgranitgneis, wahrscheinlich vom
Piz Alpetta, Oberalpstock oder Krispalt.
Talkgneise, darunter das echte IlanzergesteinEschers:
Verrucanogebiet des Vorderrheintals (Oberalpstock
bis zum Calanda und den Grauen Hornern).
Chloritgneis, in Verrucano iibergehend : bekannt vom
Limmernboden, vom Val Puntaiglas und vom Val
Rusein.
Phyllitischer Verrucanogneis aus dem Vorderrheintal
von Brigels bis Felsberg.
ifit (roter Verrucano): anstehend vom Siidufer des
Walensees bis ins Vorderrheintal und von den Grauen
Hornern bis zur Sandalp. Besonders haufig im
Erratikum des Linthgletschers.
Iner Sohiefer, eine Varietat von Vals ; ein glimmerarmer
Quarzit stammt nach Dr. Friih wahrscheinlich aus
liasischem Btindnerschiefer (Zone Bernhardin-Vals
N Piz Aul und Piz Terri).
sartiger Verrucano in sehr verschiedenen Varietaten,
z. B. eine Varietat von den Brigelser Hornern, eine
andere von den beidseitigen Abhangen des Tales
zwischen Trons und Ilanz, zugleich Gipfelgestein
auf Sardona, Ringelkopf, am Tumbif usw.
Aporphyr (Rofnagneis) vom Hinterrhein: Schamsertal,
zwischen Andeer und Splugen; ebendaher stammt
der seltene Rofnaporphyrit.
te in sehr verschiedenen Varietaten, samtlich von der
Sudseite der Todigruppe, z. B. am Piz Ner, Piz
Gliems usw.
582
Syenit von ebendaher; eine Varietat Glimmersyenit vom
Piz Ner, Piz Alpetta und Oberalpstock.
Quarzite aus dem Quellengebiet des Vorderrheintals.
Eklogit in verschiedenen Varietaten: Ursprung nicht gam
sicher, nach gdtiger Mitteilung von Dr. Fruh kommt
Vals und Piz Fanella in Betracht.
Gabbro (seiten!); eine ahnliche Varietat bei MarmeU (Ober-
halbatein) anstehend.
Serpentin, ebenfalls in verschiedenen Varietaten; besonders
interessant eine Varietat*) : rot und dunkelgnin g&-
fleckt mit Kalkspatadern, anstehend im Val Nandro,
ostlich Savognin (seiten).
Als Erganzung sei schliesslich auch noch eines Vertretew
der alpinen Trias gedacht, welchen wir neu als erratischen
Block auf der Geltenwilenbleiche getroffen haben: weisser,
beim Verwittern rotlich werdendor Dolomitkalk, anstehend
innerhalb der Dolomitzone Davos- Arosa; der ebenfalls neue
Eklogit wurde ebendaselbst und bei Ruti, oberhalb St. Jo~
sephen gefunden.
III. Das Hoehtal von St. Gallon,
a) Das Gebiet von Winkeln.
Vom Bild zum Gnindenwald erstreckt sich der schmaJ* '
Uberrest eines urspriinglich jedenfalls viel ansehnlichere^
Moranenwalles ; westlich vom Bild ist derselbe durcL^
Schtitzengraben trefftich aufgeschlossen ; hier zeigt sick*
lehmige Grundmorane mit zahlreichen, haufig geschrammteii-
und polierten Geschieben, vermischt mit ziemlich viel Ober-
moranenmaterial. Gefunden wurden Granite, Diorit, Verru-
*) Von Bildhauer Conti in der Nahe der Krazernbriicke auf-
gefunden und in vordankenswerter Weise dem Museum geschenkt.
Ein kleint's Gt*rull desselben GesU'ins ist uns seither von St. Fiden
zii"t*koii)ni<'n.
J
583
cano. Ilanzergestoin, Kofnaporphyr, Gneis, Talkschiefer,
Sandsteine, alpine Kalke, Seelaffe — alles Gesteine, wie
sie iiberall in den aus der letzten Eiszeit stammenden Ab-
lagerungen des Rheingletschers eingebettet liegen. Mehr
sis irgend ein anderer ahnlicher Wall auf unserm Karten-
gebiet macht uns dieser den Eindruck einer wirklichen
Endmorane; gestiitzt wird unsere Auffassung durch die
Tatsache, dass sich im W eine typische Schotterflaehe an
ihn anlehnt, welche sich nach Dr. Gutzwiller (Karte des
Santisgletschers, Jahrbuch 1871 72), den Talboden be-
deckend, weit iiber unser Gebiet hinaus bis nach Flawil
verfolgen lasst. Auf unsere Karte fallt nur der Beginn
dieses Schotters, das ostliche Ende des Breitfeldes, in
welchem es zurzeit an Aufschliissen vollig mangelt; eine
friiher ausgebeutete und auf der Karte bemerkte Kiesgrube
an der Landstrasse nach Gossau ist namlich seither vollig
tiberwachsen und lasst nichts mehr erkennen; doch gibt
Gutzwiller fur die Gegend von Winkeln eine horizontale
Schichtung der Kiesflache an. Eine solche konstatierten
"wir in den schonen, westlich unseres Kartengebietes ge-
legenen Kiesgruben von Mettendorf und Gossau; stellen-
>veise (z. B. Kressbrunn W Gossau) sind die Gerolle zu
^iner ziemlich festen Nagelfluh verkittet. Zweifellos haben
vrir es mit einer dem Niederterrassenschotter ent-
sprechenden Kiesablagerung zu tun; moglicherweise er-
streckte sich zur Zeit, da sich der Gletscher etwa bis nach
Bruggen zunickgezogen hatte, ein schmaler Stausee vom
Bild bis nach Flawil, welcher durch den Kies aufgefullt
worden ist. In der Tat hat Gutzwiller bei Flawil Moranen-
walle verzeichnet, welche allenfalls eine stauende Wirkung
ausuben konnten: erst durch ein eingehenderes Studium
der Flawiler Gegend wird sich jedoch in dieser Beziehung
584
Sicheres feststellen lassen. Jedenfalls aber muss diewr
Schotter beim Ruckzug des GUetschers durch einen dem
letztem entstromenden, naoh Westen abfliessenden Fluw
abgelagert worden sein, wahrend heutzutage die haupt-
sachlich in Betracht kommende Flussrinne, namlioh die
Sitter (mit der Urnasch vereinigt), wenig ostlich vom Bild
in einem starken Bogen aus der westliohen in eine nord-
nordostliche Richtung umbiegt; wahrscheinlicherweiseliegt
hier einer der so zahlreichen Palle von einer durch Mo-
ranen bewirkten Flussablenkung vor.
Erganzend sei noch darauf hingewiesen, dass mog-
licherweise der Kieshugel 668 0 vom Bildweiher die ost-
liche Fortsetzung des Endmoranenwalles bildet ; der TJm-
stand, dass derselbe aus geschichtetem Material, en tsprechend
den librigen Kiesgruben um den Bildweiher, besteht, beweist
durchaus nichts dagegen. da nach Penk*) iiberall da, wo
viel Schmelzwasser dem Gletscher entstromte, die End-
morane auch als Schottermorane zur Ablagerung gelangen
konnte, sofern die Stosskraft nicht geniigend war, um das
Material weiter fortzutragen.
Um den Bildweiher herum bieten eine grossere Zahl
von Kiesgruben prachtige Aufschliisse dar; es zeigen die-
selben im allgemeinen eine durchaus unregelmftssige Schich-
tung, und das Bild, welches dieselben im Verlaufe ihres
Abbaues darbieten, wechselt so stark, dass man sich vor
voreiligen Schliissen wohl huten muss. Schichtenvonfeinem
und grobem Sand, feinem und grobem Kies, Lehm und
Ton (lutztere in sehr diinnen Schichten) wechseln in bunter
Reihe miteinander ab; die Neigung der Schichten kann
von unten nach oben stark wechseln, ja geradezu eine
entgegongesetzte werden ; stellonweise ist eine ausgepragte
*) Ponk und Briickner: Die Alpen im Eiszeitalter, pag. 17.
r
diskordante Parallelstruktur (Deltastruktur) nicht zu ver-
kfiineii ; d'w zwci diivkt X d<T Stmsse von Bild imrh
Winkeln gelegenen Gruben scheinen eine horizontale Uber-
gussschicht aufzuweisen, die zwischen Bildweiher und
Gubsenmoos in der Mulde gelegene Grube erwies sich bei
einem Besuche durchwegs horizontal geschichtet; auch
stark verbogene Schichten waren in einigen dieser Gruben
zu konstatieren. Die Gerolle (einzelne grossere Blocke
kommen noch vor) sind gelegentlich noch deutlich gekritzt
und lassen hie und da sogar noch Politur erkennen. Aus
alien diesen Tatsachen ergibt sich, dass wir es mit einer
fluvioglazialen Ablagerung zu tun haben, welche in nachster
Kahe des Gletscherrandes infolge der abschwemmenden
Wirkung der Schmelzwasser zur Ablagerung gelangt ist.
b) Bruggen-Stadtgebiet-Krontal.
Tiber die Krazernbrticke, wo wir im Tobel zu beiden
Seiten der Sitter die Molasse entblosst sehen, gelangen
wir nach Bruggen; bei Gelegenheit der in der letzten
Zeit dort erstellten Neubauten wurde typische Grundmorane
mit gut gekritzten und polierten Geschieben, worunter solche
von Blockgrosse, aufgeschlossen ; Puntaiglasgranit und See-
laflfe fehlten selbstverstandlich nicht. Wo sich Spuren einer
schwachenVerschwemmung zeigten (zwischen Bruggen und
Moos, N der Bahnlinie), liegt wahrscheinlicherweise eine un-
bedeutende jiingere Alluvion vor, welche auf Rechnung des
von Boppartshof herunterkommenden Baches zu setzen ist.
Den kleinen Wall, Rosenbuhl genannt, welcher sich dem
Abhang der Solitude anschmiegt, fassen wir mit Gutzwiller
als einen Moranenwall und zwar als das tJberbleibsel einer
Seitenmor&ne auf; wahrscheinlich erstreckte sich dieselbe
urspriinglich noch weiter nach W, wo sie seither wohl
586
durch Erosion zerstort worden ist ; vielleicht bilden die in
der Tiefe zwischen Hinterberg und Haggen lagernden,
horizontal geschichteten Schotter ihr Aquivalent.
Bei Moos (Eisweiher) treffen wir, worauf schon der
Name hinweist, auf torfigen Boden. Torfboden setzt stets
als Grundbedingung seiner Entstehung eine undurchlassige,
also lehmige Unterlage voraus. Es ist daher leicht ver-
standlich, wenn sich hier eine, allerdings seit einigen Jahren
ausser Betrieb gesetzte, Ziegelhiitte befindet; jedenfalls
muss aber das Rohmaterial, soweit es sich wenigstens ge-
eignet erwies, an Ort und Stelle bald erschopft worden
sein, denn nach einer miindlichen Mitteilung des letzten
Besitzers ist der zur Ziegelfabrikation notige Lehm aus
eigens zu diesem Zwecke eroffneten Gruben bei Moosgarten
im Abtwiler Moos hieher gefuhrt worden ; es mag gerade
diese Transportnotwendigkeit mit zur Einstellung des Be-
triebes gefuhrt haben. Sehr wahrscheinlich befinden wir
uns hier bereits wieder auf fluvioglazialem Terrain ; dar-
auf deutet die schone, grosse Kiesgrube westlich Schonen-
wegen, welche in demselben kleinen, am Rande des Sitter-
ufers gelegenen Hiigels angelegt ist, auf welchem sich i*1 i
friihern Zeiten die Richtstatte befand; ein grosser Teil dea
Hiigels ist seither infolge der Kiesausbeute bereits abg6*
tragen worden. Dieser prachtige Aufschluss weist Schichtea
von Lehm, Sand, feinem und grobem Kies auf, welche lU
bunter Reihe miteinander wechseln, wobei sie sich ^
schmitzartig auskeilen ; von einer einheitlichen Schichtu*^
kann keine Rede sein ; die Schichten sind oft in der met* *
wiirdigsten Weise verborgen, bilden Mulden und Satt>*
und weisen oft eine geradezu verbliiffende, den natiirlich^^
Boschungswinkel stark ubersteigende Neigung auf. ^-
einer Stelle, links am Eingang zur Grube, waren nach ^
r
587
tallende Schichten von solchen direkt entgegengesetzter
Neigung diskordant iiberlagert; kurz und gut: uberall das
Bild der Regellosigkeit und des Wirrwarrs. Im Verlaufe
des Abbaues kamen eine ziemliche Zahl grosserer Blocke,
auch solche iiber Kubikmetergrosse, zum Vorschein. Jeden-
falls handelt es sich auch hier am eine Ablagerung, welche
in nachster Nahe des Gletscherrandes durch Schmelzwasser
von geringer Stosskraft angehauft worden ist.
Von Schonenwegen nach Lachen steigt das Gelande
plotzlich ziemlich stark an, eine auffallende Niveauschwelle
bildend, uberall liegt hier echte Grundmorane, als Block-
lehm entwickelt. Von den Hausern der Lachen zur Burg
zieht sich ein topographisch gut ausgepragter Wall, wo-
von das N der Strasse gelegene kleinere Stuck in den
letzten Jahren behufs Erstellung von Neubauten vollig
abgetragen worden ist; bei dieser Gelegenheit ergaben
sich prachtige Aufschllisse in ungeschichteter lehmiger
ftrundmorane mit zahlreichen oft polierten und geschramm-
ten Bl5cken; an einer Stelle ragte in geringer
Tiefeanstehender Leber fe Is alsMolassezeuge
in den Gletscherschutt empor. Die wallartige Er-
hebung etwas weiter NO (Lindenhof, resp. Stahl-Vonwiler-
strasse) erwies sich (ebenfalls anlasslich einiger Neubauten)
als ein stellenweise gar nicht, stellenweise von nur wenig
machtiger Gletscherschuttdecke bedecktesMolasseriif, allem
Anschein nach ein Auslaufer des Rosenberges; bei Neu-
bauten in Lachen (z. B. Engler'sche Seifenfabrik, Neubau
Starkle) kam ferner in geringer Tiefe schon der anstehende
Molassefels zum Vorschein, so dass gesprengt werden
musste.*) Wir gelangten deshalb zu der Uberzeugung,
*) Nach einer niiindlichen Mitteilung soil man auch hei der
im Jahre 1874 erfolgten Anla^e des Fussweges Lachen -Schonen-
wegen in einer Tiefe von 2 m auf Leberfels gestossen sein.
688
class 68 sich hier keineswegs um wirkliche Moranenwalle
handeln kann, sondern dass die W aliform lediglich durch
unterlagernde Molasse und vor allem durch die Erosion
hervorgerufen worden ist.**) Noch jetzt sind Wasserrinnen
sichtbar, welche die jetzige Konfiguration des Terrains
Lachen-Stahl als Erosionsproduktleicht verst&ndlich machen;
auch werden wir in unserer Uberzeugung bestarkt durch
den Umstand, dass die das Tal von St. Gallen bedeckende
Gletscherschuttdecke sonst durchgangig (wie es auch natiir-
licherweise kaum anders zu erwarten ist) eine recht be-
trachtliche Machtigkeit aufweist.
Anlasslich der Bahnhofumbauten auf der Geltenwilen-
bleiche zeigte sich (abgesehen von verschiedenen kleinen
lokalen Variationen) im allgemeinen folgendes Bild von unten
nach oben : verschwemmte Morane (Sand, Kies und Lehm in
ihren verschiedenen tJbergangen), Torf und daruber eine
selten 1 m Machtigkeit iibersteigende, alluviale lehmige
Kiesdecke. Leider waren die Aufschliisse nicht tief genug,
— im besten Fall ca. 8m — um zu konstatieren, ob die ver-
schwemmte Morane liberall von Grundmorane unterlagert
wird; stellenweise ist dies der Fall, stellenweise zeigten sich
Ubergange von Grundmorane in Fluvioglazial. Typische
Grundmorane erreicht ca. 200 m westlich der Vonwilerbriicke
die Oberflache als ungemein zaher, toniger Blocklehm,
welcher beim Aushub ganz besondere Schwierigkeiten dar
bot ; er zeichnete sich durch eine Unmenge geradezu ideal
geschrammter und polierter Blocke aus, von welchen einer
der schonsten, ein Kalknagelfluhblock, durch Uberfuhrung
**) Scbon Dr. Gutzwillor weist wiodorholt darauf hin, dass
blosse Erosionsformen echten Wallmoranen oft tauschend ahnlich
sehen konnen, welcher ausdriickliche Vorbebalt wobl auch fur die
von ihm in die9er Gegend kartierte Endmorane Geltung hat.
589
in den Stadtpark erhalten geblieben ist; selbst kristalli-
ni8che Gesteine, z. B. Diorit, Eklogit, wiesen gelegentlich
Politur and Schrammung auf, wenn sie auch selbstverstand-
lich an Vollkommenheit in dieser Beziehung hinter den
kalkigenGeschieben weit zuriickbleiben mtissen. Erw&hnens-
wert aus dem ungemein reichhaltigen Findlingsmaterial
der Geltenwilenbleiche ist auch ein Kreidekalk mit Ino-
ceramu8, Sandsteine der untern Susswassermolasse mit
zahlreichen Blattabdriicken, sowie ein der marinen Molasse
entstammender Kalknagelfluhblock mit zum Teil ausser-
ordentlich wohl erhaltenen Petrefakten*) (z. B. Turritella,
Cardium usw.). Von der siidostlichen Ecke (Schlatter'sches
Gut) der Geltenwilenbleiche quer durch dieselbe zu den
ersten Hausern beim Paradies zieht sich ein Streifen un-
verschwemmten Moranenschuttes in Form eines Walles,
der sich aber topographisch nur ganz schwach und un-
deutlich hervorhob; ostlich und westlich lehnt sich der
verschwemmte Gletscherschutt an ihn an; allem Anschein
nach liegen hier die Uberreste eines friihern Endmoranen-
walles vor, welcher durch Verschwemmung teilweise ab-
getragen und durch Auffiillung im 0 und W begraben
worden ist. Jetzt lasst sich von diesem Walle infolge der
kunstlichen Aplanation des Terrains gar nichts mehr wahr-
nehmen ; wir haben ihn deshalb auf der Karte nur durch
einen kleinen, den Torf durchqueronden Grundmor&nen-
streifen markiert. Die Hiigel des Paradieses und von St. Leon-
hard N der Bahnlinie bestehen aus geschichtetem Fluvio-
glazial ; an ersterer Lokalitat war an mehreren Stellen oben
deutlich horizontale Schichtung wahrzunehmen, an letzterer
sind jedenfalls die untern Schichten ziemlich stark geneigt.
*) Inzwischen sind uns solche Geschiebe auch aus der Kies-
grube Neudorf bekannt pn worden.
590
Das Gebiet ostwarts von St. Leonhard bis ins Neudorf
stellte beim Riickzug des Gletschers wohl einen kleinen
Stausee dar, begrenzt im S und N durch die beiden Tal-
flanken, im W durch die oben erwahnte Endmorane und
im 0 durch die langsam zuriickweichende Eiszunge; an der
NW-Talflanke reichte derselbe nur bis zum Espenmoos
(Ziegelei), auf der SO-Seite dagegen uber Neudorf- Hof-
weg - Ober- und Unterschachen bis an die Goldach bei
Martinsbruck; in ihrem preisgekronten Werk (Die Alpen
im Eiszeitalter) haben auch Penk und Bruckner auf einer
mustergultigen Karte des Rheingletschers diesen Eissee
aufgenommen. Im 0 erfolgte die Ausfullung derselben von
den beidseitigen Berghangen, also von NW und SO und zwar
in der Form von Deltabildungen mit horizontalem Uber-
guss. Uberall finden wir als Ausfullung des Beckens fluvio-
glazialen Sand, Kies und Lehm, welche gelegentlich ein-
zelne grossere Blocke einschliessen. Einen kurzen Wasser-
transport bezeugen die zahlreichen (oft nur wenig ge-
rollten) Geschiebe mit noch verhaltnismassig gut wahrzu-
nehmenden Schrammen; selbst Politur ist noch von uns
beobachtet worden (Kiesgrube Neudorf). In den Jahren
1872/73 wurde in der Stadt (Zollikofer'sche Buchdruckerei )
ein interessanter Versuch zur Erbohrung eines artesischen
Brunnens*) gemacht, woriiber Dr. Gutzwiller im Jahrbucli
1873/74 ausfuhrlich berichtet; es ergab sich dabei fur die
iluvioglaziale Kiesdecke eine Machtigkeit von mindestens
22,5 m: die nachsten 9 m werden von Gutzwiller bereits
fur die obere Susswassermolasso in Anspruch genommen,
in welcher man bis zur hochst erreichten Tiefe von 60 m
verblieb, worauf das Bohren als erfolglos eingestellt wurde.
*) Ein soldier erfolgte auch in der Niihe der Strafanstalt und
verliof, wie iibrigens zu erwarten war, ebenfalls resultatlos.
691
Die Aufschliisse inmitten des Stadtgebietes (an der Vadian-
strasse zeigte sich horizontale Schichtung, einer Mitteilung
zufolge auch am Bruhl) sind selbstverstandlich stets nur
voriibergehender und ihrer sohr geringen Tiefe wegen meist
sehr problematischer Natur; das eigentliche Erratikuin ist
namlich gewiss manchenorts von (in der Karte nicht ein-
getragenen) Alluvionen bedeckt, welche auf Rechnung der
von den beidseitigen Talwanden in die Ebene sich ergiessen-
don Bachlaufe - ganz besonders komuion hiebei die Stein-
ach und der Irabach in Betracht — zu setzen sind.
Ein schoner Aufschluss ergab sich anlasslich der Erbau-
ung der neuen Linsebiihlkirche: fluvioglazialer Kies und
Sand in Form eines Deltas von der anstossenden Talflanke
abgeschwemmt ; geborstene**), tonige Gerolle fanden sich
nicht selten ; durch Herrn Prof. Dr. Steiger ist dieser nur
voriibergehende Aufschluss gliicklicherweisephotographisch
festgehalten word en. Interessanterweise land sich etwas
SW und holier da von gelegen (Neubauten direkt unter-
halb des Axensteins) wieder typische Grundmorane mit
sehr vielen grossem Blocken vor; nach der uns von Seiten
eines Hausbesitzers gewordenen Mitteilung soil auch der
dem Gehange folgende Wall, iiber welchen die Kleinberg-
strasse fiihrt, aus lehmigem Gletscherschutt mit Blocken
bestehen ; jedenfalls konnte das nur fur dessen obern Teil
gelten, da die an seinem Fusse erstellten Neubauten iiber-
all fluvioglaziale Aufschliisse ergaben. Als Moglichkeit
moge immerhin notiert werden, dass sich urspriinglich
vielleicht eine Seitenmorane der siidostlichen Talflanke ent-
**) Durch Wasseraiifnahmo schwellen die tonigon Gerollo an.
uni dann beim Wi«tleraustrocknen sicli zusauimcnziiziehen, wodurch
zahlreiche Kisse entstehen; vergleiche don in dor Sommerhitze aus-
trocknenden Lelunbodoii mit seinen zahlreichen Spalten und Rissen.
592
lang gezogen, nachtraglich aber bis auf kleine Spuren
ver8chwemmt worden ist. — Eine besondere Erwahnung'
verdient das nach seinem Finder sogen. Kunkler'sche Ge-
stein: Molassegeschiebe aus einem (abgetragenen) fluvio-
glazialen Kieshiigel vom Terrain des jetzigen Kantons-
spitals, welche besonders nach eingetretener Verwitterung
ausserordentlichguterhalteneSusswasserpetrefakten(8peziell
Blattabdrticke) aufweisen. Prachtige Handstticke dieses
Gesteins sind im Museum aufgestellt. Vergeblich hat man
langere Zeit nach dem Ort des Anstehens dieses merk-
wiirdigen Gesteins gefahndet, welches, wie Dr. Gutzwiller
mit Recht hervorhebt*), nur durch das Gletschereis, also
von 0 her, hieher gelangt sein kann ; wir glauben, in dem
die untere Susswassermolasse behandelnden Abschnitt et-
was dariiber mitteilen zu konnen.
Auf beiden Seiten des Tales sind die fluvioglazialen
Ablagerungen, im Fallen dem Gehange entsprechend,
gegen die Steinach zu geneigt ; doch findet sich am links-
seitigen Gehange, von der Langgasse ansteigend, noch
reichlich ungeschichtetes Erratikum, wahrend es auf der SO
Seite bereits vollig abgeschwemmt wurde; wo das Terrain
flach ist (Rorschacherstrasse) , scheint auch die Schich-
tung eine horizontale zu sein. Besonders in der Gegend
von St. Fiden tritt im Fluvioglacial in seinem topographisch
am tiefsten gelegenen Teil ein in diinnen Schichten ab-
hebbarer plastischer Banderton auf; die feine „Banderungu
wird durch ausserordentlich feine Sandschichten hervor-
gerufen, wodurch die Schichtflachen sich etwas rauh an-
fiihlen lassen. Banderton deutet stets auf eine Ablage-
rung in ein ruhiges Wasserbecken hin; wir finden den-
*) Prof. Deicke glaubte namlich iiTtiiralicherweise, es an der
Urnasch anstebend getroffen zu haben.
selben, von feinsandigen und lehmigen Schichten iiber-
lagert, besonders schon entwickelt am linken Ufer der
Steinach N der Spinnerei Buchental, wo er eine horizon-
tale Schichtung aufweist. Er liefert das Material fiir die
hier erstellte Ziegelei des Herrn Schmidheini. tlbrigens
erstreckt sich die Ablagerung auf dem linken Steinach-
ufer, immer in der Tiefe bleibend, westwarts bis in die
Gegend des neuen Schlachthauses ; die Schichten scheinen
aber hier gegen die Steinach zu, also nach SO, zu fallen;
sie ist hier stellenweise von deltaartigen Kiesschichten
iiberlagert, welche wahrscheinlich als eine Alluvion der
von der linken Talflanke herunterkommenden Bache zu
deuten sind. Auf dem rechten Steinachufer*), an dem
kleinen Weg ostlich der Bahnlinie, etwa von der Bahn-
hofstrasse bis zur Sagemiihle, fanden wir in ahnlicher
Weise den Banderton in wechselnder Machtigkeit und
zwar als Decke iiber Grundmorane mit grossen Blocken;
auch bei der Ziegelei soil eine solche in wechselnder Tiefe
das Liegende bilden ; sie bietet am Weg von der Ziegelei
zur Sagemiihle, am Ufer der Steinach, sich wie aus einer
Mulde erhebend, einen guten Aufschluss dar. Durch bei-
gemengten Sand bildet der Banderton stellenweise alle
moglichen Ubergange zu Lett en und Lehm. Dr. Friih und
wir nach ihm fanden in ihm eigentiimliche tonige Kalk-
konkretionen, welche sich um Wurzelwerk herum gebildet
haben miissen; eine reichhaltige Kollektion der merk-
wiirdigsten Formen : gerade und verbogene Rohren, Spindeln,
Kugeln, Knauel uswt. sammelten wir aus dem den Torf unter-
lagernden tonigen Lehm dor Geltenwilenbleiche; wir haben
sie zusammen mit andern Funden dem Museum ubergeben.
*)Die Gronze nach S ist ungefiihr beim untern Sennhof (friiher
Fuhrhalterei WieiU»rki»lir-Gotti).
594
c) Neudorf-Mtfrschwil.
Von Neudorf an tritt im Tale an Stelle des geschich-
teten Erratikums wieder typische Grundmorane auf ; die
fluvioglaziale Kies- und Sandablagerung, vermischt mit
Lehmschichten, zieht sich nur noch als ein verhaltnis-
massig schmaler Streifen langs der sudostlichen Talflanke
bis nach Unterschachen oberhalb der Martin sbrttcke, von
wo sie sich, nach S umbiegend und dem linken Ufer der
Goldach folgend, bis zum Ried zusammenhangend ver-
folgen lasst ; wahrscheinlich stehen .auch einige Schotter-
vorkommnisse auf dem rechten Ufer der Goldach (Unter-
Ebene, Steingrub) mit dieser Ablagerung in organischer
Verbindung.
Von Neudorf bis Unterschachen weisen die zahlreichen
Kies- und Sandgruben im allgemeinen eine dem natur-
lichen Gehange entsprechende NW-Neigung der Schichten
auf. Die nordwestliche, vom Gehange herunter erfolgte
Abschwemmung, gelangt auch in der Lagerungsweise der
Gerolle zum deutlichen Ausdruck; im allgemeinen lasst
sich namlich eine dachziegelartige Ubereinanderschiebung
derselben trefflich erkennen, wobei die Schichtkopfe der
Gerolle nach NW weisen, wahrend ihre Flachseite in den
Berghang einschiesst. Bei jeder rezenten Kiesbank in
einem Flussbett tritt uns die dachziegelartige Anordnung
der Gerolle deutlich entgegen und Dr. Gutzwiller, der uns
speziell darauf aufmerksam gemacht, beniitzte dieses Mittel
in manchen Fallen mit Erfolg zur Bestimmung der Stro-
mungsrichtung ftir glaziale Schotter.*)
Alle grosseren Aufschliisse zeigen eine ausgepragte
*.i Vgl. Dr. A. Gutzwiller: Die Diluvialbildung der Umgebung
von Basel. Verliandlungen dor Naturforschenden Gesellschaft in
Basel. 10. Band, pag. 586.
595
diskordante Parallelstruktur* (Deltastruktur) mit einer
mehr oder weniger gut zu konstatierenden horizontalen
Ubergussschicht ; besonders schon und deutlich hebt sich
letztere, ca. 4—5 m machtig, in der Kies- und Sandgrube
direkt 0 Oberschachen von den geneigten Schichten dis-
kordant ab; die letztern, bis jetzt zirka 4 m tief aufge-
schlossen, bestehen aus reinem Sand mit sich auskeilenden
Lagen feinen Kieses, wahrend der Uberguss lehmigen Sand
and an seiner Basis zwei (allerdings wenig m&chtige)
Schichten plastischen Lehmes aufweist. In der S davon
gelegenen Kiesgrube bei Ried soil nach einer Mitteilung
des Besitzers schon in einer Tiefe von ca. 5 m der Leber-
fels anstehen; im allgemeinen muss jedoch die Mftchtig-
keit dieser Ablagerung sicher tiber 10 m betragen, wobei
nattirlich lokal grosse Verschiedenheit herrschen wird. Aus
der Grube bei Ried ist erwahnenswert ein grosser kantiger
Block marinen Sandsteins mit zylindrischem ^Wurmstein";
in der prachtigen Kies- und Sandgrube beim Griitli (Neu-
dorf) fanden wir unter anderm ein Nagelfluhgeroll mit
zahlreichen Petrefakten (z. B. Ostrea) im Bindemittel; die
entsprechende Nagelfluh steht im Hagenbuchwald (vom
Dach an gerechnet zweites Nagelfluhriff der marinen Mo-
lasse), also in allernachster Nahe an. Dagegen muss der
friiher von der Geltenwilenbleiche erwahnte Kalknagelfluh-
block mit marinen Petrefakten, weil nicht identisch da-
mit, von einer andern Lokalitat stammen.
Das feine Lehm- und Thonmaterial liegt besonders in
dem (topographisch gesprochen) tiefsten Teil unserer Ab-
lagerung; so besteht z. B. die Ebene Schuppis-Lerchental
aus horizontal geschichtetem, plastischem Lehm. Bander-
* d. h. die Neigung dor Schichten nimuit von unten nach
oben stetig ab.
I
696
thon zeigte sich von der Krone Neudorf abw&rts zur Stein-
ach (Espen). Interessantist der durcheineKiesgrubeeroffnete
Aufschluss nahe der Buine Falkenstein (615 m) ; die Schich- 5
tung ist hier ausgepragt horizontal, derKies stark sandig, \
wechselnd mit eigentlichen dunnen Sandlagern ; die Gerolle ;'
sind nach ihrer Grosse gut sortiert ; in den Sand ebenfalls -j
horizontal eingelagert lassen sich stellenweise konkretionen- :!
artige Fetzen plastischen Lehmes beobachten, welche schnur- ;
artig aneinandergereiht sind, ohne eine zusammenhangende
Schicht mit ebenen Flachen zu bilden ; der Kies ist stellen- :
weise stark verkittet, eine Erscheinung, die z. B. auch im ,
Aufschluss Steingrub • 'im Herrenholz ostlich der Goldach) "
deutlich wahrzunehmen ist.
Die gemachten Beobachtungen zusammenfassend, muss ;
die Kiesablagerung Neudorf-Schachen als die Fort6etztig ;
der Deltabildung bezeichnet werden, welche in einen, j
beim Riickzug des Eises aus dieser Gegend bestehenden, '*
vom westlichen Stadtgebiet (St. Leonhard) bis zur Martins- ■■
brucke hinaus reichenden Gletscherstausee abgelagert *
worden ist.
Von dem fluvioglazialen Randstreifen abgesehen, wird .;
der Talboden von Neudorf bis Riedern durchwegs von (
ungeschichtetem Grundmoranenschutt bedeckt. Die auf-
fallende Erhebung des Hochsterwaldes, deren geologische
Natur bisher zweifelhaft war, erwies sich als ein Molasse-
riff, das uberall von einer betrachtlichen Gletscherschutt-
decke iiberlagert wird; die Schichtenkopfe der Molasse
treten in dem einzig noch vorhandenen Aufschluss nord-
lich Ober-Straussenhaus infolge Erosion deutlich zutage:
nach einer von einem Hofbesitzer der Gegend uns ge-
machten Mitteilung bezeichnet eine noch jetzt sichtbare,
am Waldrand nach SO vom erwahnten Aufschluss ge-
597
[kgene Nische, den Ort, wo friiher fur Morschwil Sand-
tteine gebrochen wurden ; allem nach muss der betreffende
Steinbruch seinerzeit der geologischen Beobachtung ent-
gangen sein.
Der bei der Waid auftretende deutliche Niveausturz
dee Gelandes, welcher sich in ziemlich genau W-Richtung
auf die linke Seite der Steinach zum Bruggwald verfolgen
lasst, wird wohl sicher in erster Linie durch die sich hier
absenkende Molassegrundlage bedingt; nordlich vom Hoch-
8terwald liegt die Molasse tief unter einer wohl bis 40 m
machtigen Gletscherschuttdecke begraben. Der Hochster-
wald ist mdglicherweise als ein Rundhocker mit Gletscher-
schuttdecke aufzufassen.
Von der Waid abwarts treten wallartige, aus Grund-
morane bestehende Hiigelformen auf, welche (wenigstens
zum Teil) ausgesprochene Drumlinsnatur aufweisen und
3 daher am besten in Verbindung mit der Drumlinsland-
2 schaft von Wittenbach besprochen werden mogen. Nur
J \ so viel sei der tlbersichtlichkeit wegen schon hier er-
} J wahnt, dass dieselben in ihrer Gesamtheit als ein oder mehrere
i J ursprungliche Endmoranenwalle aufgefasst werden konnen,
Jl ; welche infolge eines bloss interstadiaren Wiedervorriickens
% » des Gletschers vom Eise wieder erfasst und dabei in ihrer
rj ^ Form entsprechend modifiziert wurden; an der Heraus-
\ L modellierung der Formen, wie sie jetzt vorliegen, wird
4 wohl auch nachtragliche Erosion einen entsprechenden
Anteil genommen haben.
Im Zu8ammenhang damit sei auch auf die drei Strassen-
einschnitte zwischen Neudorf und der Waid (bei Broger-
halden, Stef&shorn und Remishub) hingewiesen, welche
Gutzwiller veranlassten, hier drei entsprechende End-
morftnenwalle zu kartieren; wir haben von denselben nur
den mitt lon_* n als dun hoehsten unci verhaltnismassii; \ViiH?-[
sclieinlichsten in unsere Karte hiniibergenomnien, beUmffl -
i
aber ausdriicklich, dass auch er moglicherweise als ei
blosses Erosionsprodukt aufzufassen ist; der westlich cler
Strasse gelegene Teil (697 m) ruht moglicherweise anf
einem dem Hochsterwald entsprechenden Molasseriff: jeden-
falls aber hat hier die Erosion auf die urspriinglichen
Formen stark modifizierend gewirkt. Immerhin muss aber
auch betont werden, dass Drumlinsbecken in der Tat fa8*
immer von einem Endmoranenkranz umwallt werden.
Das tiefergelegene Gebiet N Riedern ist durch eine
grosse Zahl von Kiesgruben, von welchen einige neu g©'
offnet worden, trefflich aufgeschlossen ; wir treffen hie^"
fluvioglaziale Sande und Kiese, welche allem nach wieder
als Ausfiillung eines friihern Gletscherstausees aufzufassen 1&
sind. Die Kiesgrube bei Thaa 0 der Strasse weist Schichten
von Sand, feinem und grobem Kies in buntem Wechsel
und alien moglichen Ubergangen auf; die Schichten keilen
sich meist bald wieder schmitzartig aus ; Deltastruktur ist
nicht zu verkennen ; dariiber ausgebreitet ist eine ca. 1 m
machtige horizontale Ubergussschicht, welche zurzeit be-
sonders beim Eingang zur Grube sich deutlich abhebt;
sie ist als grobe Gerollschicht auch in der W der Strasse
gelegenen benachbarten Grube gut sichtbar, nur ist hier
der grosste Teil derselben bereits abgeraumt worden. In
den andern Gruben liessen sich dagegen deutliche horizon-
tale Ubergussschichten nicht mehr erkennen; im ubrigen
weisen sie alle den hier angegebenen entsprechende Ver-
haltnisse auf; die untern Lagen werden meist von einem
feinen Sand gebildet, nur die Verwitterungsdecke ist von
lehmiger Beschaffenheit: eigentliche Lehmschichten inner-
halb der Kiesmassen sind nirgends zu sehen, doch kann
599
der Sand stellenweise etwas lehmiger Natur sein; grossere
Blocke (100 dm3 und dariiber) kommen besonders in der
Grube Biberhund haufig zum Vorschein; wir konstatierten
unter andem mehrere Seelaffen ; die Gerolle sind gelegent-
lich noch etwas geglattet und weisen auch hie und da
zwar verwaschene, aber doch noch deutlich wahrnehm-
bare Schrammen auf. Wie weit diese fluvioglaziale Ab-
lagerung im NW reicht, Hess sich selbstverstandlich nur
annahernd bestimmen. Morschwil und das nordlich da-
von sich ausdehnende Gebiet ist nirgends aufgeschlossen;
doch lasst das stark - lehmige, flachwellige und iiberaus
fruchtbare Gel&nde mit seinem prachtigen Obstbaumwald
sicher auf Grundmorane schliessen; darauf deuten auch
die erratischen Blocke hin, welche sich haufig bei den
H&usern aufgestellt finden.
IV. Die Drumlinslandstfiaft von Wittenbach.
Mit dem keltischen Namen Drums (Diminutiv Drum-
lin) bezeichnet man jene schwarmformig angehauften,
langgestreckten (selten isodiametrischen), durchaus flach-
ruckigen, aus Gletscherschutt bestehenden Hiigel, welche
nur in Gebieten friiherer Vergletscherung und zwar stets
nur in einem sehr wenig fallenden bis ebenen oder gar
schwach ansteigenden Gelande angetroffen werden ; gerade
im Bodenseegebiet sind die Drumlinslandschaften in iippiger
Weise zur Entwicklung gelangt; sie bilden uberall ein
ausgezeichnetes „geographisches Individuum". Charakte-
ristisch ist die Orientierung der Drumlins in dem Sinne,
dass die Langsachse jeweilen der Richtung des vorriicken-
den Gletschereises entspricht und ihre facherartige Grup-
pierung stimmt in trefflicher Weise mit der facherartigen
Ausbreitung des Gletschereises im sich offnenden Gelande
aberein.
600
Die Entstehung der Dramlins ist zurzeit noch nicht
aufgeklart; Kinahan und Close haben zuerst die Bildung
der Dramlins mit derjenigen von Sandbanken in Flussen
verglichen ; in der Tat ist das Eis eine nicht bloss gleitende,
sondern auch trag fliessende Masse und es kann deshalb
fiberall da, wo fur irgend eine Stelle eine Abnahme der
Stosskraft eintritt, zur Ablagerung des im oder unter dem
Eise eingeschlossenen Geschiebes kommen. Abnahme des
Gefalles, Verbreiterung des Gletscherbettes, Lockerung des
Zusammenhangs bei schwachem Gefalle bewirken eine Ab-
nahme der Stosskraft des Eisstromes, und gerade diese Fak-
toren mussten in dem schwach geneigten oder gar an-
steigenden, sich beckenartig erweiternden Gelande der
Drumlinslandschaft zur Geltung kommen. Fur unser Ge-
biet failt wohl auch die stauende Wirkung des Hohen-
tannenplateaus mit in Betracht. Dr. Fruh halt diese An-
sicht von der Entstehung der Drumlins fur den natur-
lichsten und sich genau an Tatsachen haltenden Erkla-
rungsversuch.
Von den iibrigen Erklarungsversuchen sei der folgende
als durchaus annehmbar ebenfalls erwahnt. Darnach waren
die Drumlins nichts anderes als der vom Gletscher ge-
legentlich eines voriibergehenden Vorstosses wieder iiber-
schrittene Endmoranengurtel, der dabei vom Eise in der
Bewegungsrichtung ausgezogen und zu Rundhockerformen
umgestaltet wurde. Diese Ansicht wird besonders von Penk
und Bruckner vertreten und auch Dr. Fruh gesteht ihr eine
beschrankte Geltung zu. Wo an den beiden Seiten einer
Drumlinslandschaft das anstehende Gestein Rundhocker-
formen auf weist, stimmen dieselben nach Form und Streichen
mit den Drumlins uberein und auch Ubergangsformen von
Rundhockern zu Drumlins (Rundhocker mit Gletscher-
601
schattdecke) sind bereits konstatiert worden. Nach dieser
Ansicht sind also die Drumlins nichts anderes als Rund-
hdcker, die aber im Gegensatz zu den bisher so genannten
Formen nicht aus anstehendem Fels, sondern aus Erratikum
bestehen, das gelegentlich auch einen Molassekern ein-
schliessen kann.
Einer typischen Drumlinslandschaft begegnen wir in
dera Grelande zwischen Steinach und Sitter, innerhalb der
GemeindenWittenbach und Haggenswil.*) Das Dorf Witten-
bach steht auf einem solchen Drumlin. Das Terrain stellt
hier eine plateauartige Flache dar ; die Drumlins erheben
sich im allgemeinen aus einem Niveau von oa. 600 m, um
eine Hohe von nur wenigen bis gegen 25 m zu erreichen
(Hiisli, stidlich von Wittenbach); die Langsachsen verlaufen
siemlich parallel in der Richtung WS W. Die topographische
Grundlage 1 : 25,000 erweist sich gelegentlich noch als
ungeniigend zur genauen Abgrenzung der zarteren, im
Gelande oftformlich ^verfliessenden" Formen. Durch einen
Vergleich des Niveaus, welchem die Drumlins aufgesetzt
sind i ea. 600 m» mit demjenigen des Sitter- und Steinach-
bettes in dieser Gegend (ca. 520 bis 630 m) ergibt sich als
Mass der postglazialen Erosion dieser Wasserlaufe ein Be-
trag von 70 bis 80 m.
Im Bereiche der Drumlins reicht die Molasse, durch
Erosion entblosst, beider Altmiihle (hier fast in horizontaler
Lagerung) bis zur Hohe von 575 m hinauf ; im Bach-
lein, das W vom Elektrizitatswerk im Erlenholz sich in
die Sitter ergiesst, greift sie allerdings bis iiber 600 m
biuauf; wenig SO davon zeigt sich jedoch ein ziemlich
deutlicher Kontakt mit Grundmorane wieder in der Hohe
*) Dr. Friih : Die Drumlinslandschaft unter spezieller Beriick-
*ichtigung des alpinen Vorlanden. Jahrbuch 1894/95.
i
602
zwischen 570 bis 580 m ; ungefahr in der gleichen Hohe
verlauft auch das Kontaktniveau am linken Ufer der Stein-
ach in der Gegend von KronbuhL Es lasst sich also die
Machtigkeit des Erratikums bis zum Plateauniveau auf
20 — 30 m schatzen; wo Drumlins liegen, kann es somit>
je nach der Hohe derselben, 40 m, eventuell sogar 60 m
iiberschreiten, so dass wir hier zu einer Gesamtmachtig-
keit von 40 — 60 m gelangen. Natiirlich ist dabei voraus-
gesetzt, dass die Molasse nicht in die Drumlins hineinragt,
aber wie Dr. Friih haben auch wir nirgends einen Molasse-
kern beobachten konnen; moglicherweise mag ein solcher
bei spatern tiefen Aufschliissen im Drumlin Hiisli 630 m
und in dem sowieso etwas problematischen, auf ca. 630 m
erst sich erhebenden Drumlin bei Studerswilen festgestellt
werden.
Im Osten gegen die Steinach und im Westen gegen
die Sitter hat die Erosion ziemlich stark in die Drumlins-
landschaft hinaufgegriffen ; besonders stark machte sie sich
beispielsweise in der Gegend von Kraien geltend, wodurch
das Bestimmen der urspriinglichen Drumlinsumrisse etwas
erschwert wird; so liessen wir z. B. das Drumlin Kraien
zuerst bis zu den Hausern reichen, um es, den topo-
graphischen Verhaltnissen entsprechend, von dort in einer
starken Biegung um das Lindenmoos wieder nach W zu*
riickkehren zu lassen; wir glauben jedoch, dass diese merk-
wiirdige Hufeisenform lediglich infolge der Erosion zu*
stande gekommen, welcher iiberhaupt jede Vertiefung de^
Gelandes unter ca. 600 m zuzuschreiben ist; bei der Kar^
tierung haben wir, um die urspriinglichen Formen zur
Darstellung bringen zu konnen, die durch Erosion bedingte
Vertiefung nach Moglichkeit unberiicksichtigt gelassen.
Unsere Drumlins erscheinen im allgemeinen als lang-
603
gestreckte Hiigel mit flachem Rticken; annahernd iso-
diametri8chen Bau zeigen nur die beiden Drumlins west-
lich vom Odenhof (629 m) und ostlich von Buttingen; es
lasst sich aber gerade hier in beiden Fallen mit Recht
vermuten, dass das westliche Ende infolge Erosion v6llig
verschwunden ist; iramerhin sei betont, dass ursprtinglich
isodiametrische Drumlinsformen, allerdings stets nur aus-
nahmsweise, andernorts zur Beobachtung gelangt sind.
Die Boschung der Hiigel ist an den beiden Flanken ver-
haltnismassig steil, an den Enden der Langsachse sanfb;
dabei ist meist wieder eine Asymmetrie in der Weise zu
erkennen, dass das in Bezug auf die Bewegungsrichtung
des vorriickenden Gletschereises als Stirnseite zu bezeich-
nende ostliche Ende steiler abfallt als die entsprechende
Leeseite. Eine entgegengesetzte Asymmetrie zeigt sich
zwar deutlich ausgepragt bei den beiden Drumlins But-
tingen und Husli, wo sie aber hochst wahrscheinlich erst
infolge nachtraglicher Erosion sich gebiidet hat; meist ist
der Boschungsunterschied stark auffallend. Haufig erscheint
die Stirnseite breiter und stets deutlich abgesetzt, w&hrend
das sich verschmalernde Lee-Ende langsam in das Plateau-
niveau verfliesst.
Zu der Besprechung der Aufschliisse tibergehend, mag
zunachst konstatiert werden, dass dieselben in den Drum-
lins selbst iiberaus sparlich und meist nur vorubergehender
Natur sind ; stellonweise sieht man aus der iiberwachsenen
Seitenboschung (besonders bei den Strasseneinschnitten)
erratische Blocke herausragen; solche iinden sich auch
gelegentlich in der Nahe der Hauser wohl zu allfallig
spaterm Gebrauche in Haufen aufgestapelt ; der bei Eigen
an das Haus angelehnte Kalkblock, welcher dem betreffen-
den Drumlin entstammt, fallt auf durch seine prachtige
604
Schrammung und Politur. Zweifellos bestehen die meistea
Drumlins aus lehmiger Grundmorane mit reichlichem Block-
und Geschiebematerial und es ist auch dementsprechend
h&ufig der breite, flache Riicken mit Reihen wohl ge-
deihender Obstb&ume bepflanzt.
AufFallend verh< sich das Drumlin Halden 612,
welches zurzeit den einzigen deutlichen Drumlinsaufschluss
in Form einer auf einem Riicken angeiegten Kiesgrube
aufweist; wir erblicken hier, bedeckt von einer sandigen
Lehmschicht, einen mittelfeinen Kies, dessen Schichten
deutlich nach SW fallen ; die Gerolle zeigen haufig noch
eine glatte Oberfl&che mit deutlichen, langen Schrammen.
Zweifellos liegt hier eine fluvioglaziale Ablagerung vor,
wobei unentschieden bleibt, ob das ganze Drumlin aus
einer solchen besteht, oder ob der tiefere (eventuell auch
der ostliche) Teil nicht doch auch aus ungeschichtetem
Erratikum sich aufbaut. Der Besitzer der Kiesgrube ge-
denkt in nachster Zeit auch an der seitlichen Basis auf
Kies zu schiirfen; dann erst wird es moglich sein, diese
Frage zu entscheiden. Es ist fiir die sandig-kiesige Be-
schatfenheit des Hugels bezeichnend, dass nicht ein ein-
ziger Obstbaum darauf zu erblicken ist.
Weisen die eigentlichen Drumlins fast gar keine
richtigen Aufschlusse auf, so finden wir deren umsomehr
in den zahlreichen Kiesgruben des Plateaus, auf welchem
die Drumlins aufgesetzt sind. Es erweist sich dasselbe
fast durchwegs als eine fluvioglaziale Ablagerung*), die
mancherorts von einer oft nur wenige dm machtigen
*) Auf der Karte wurdo dieselbo nur dort zur Darstellun^r
gebracht, wo wir sie direkt auf^eschlussen fandon oder doch mit
annahenider Gewissheit vermuton durfton : nioglicherweiso orstreckt
sicli dieselbe durch das ganze DrumliriBgebiet.
605
orfschicht bedeckt ist. Die Schichtung ist bald horizon-
1, bald mehr oder weniger stark geneigt; da inmitten
>rherrschend kleinerer Gerolle grossere Blocke doch durch-
is nicht selten sind und haufig noch deutliche Schrammen
ihrgenommen werden kdnnen, kann der Wassertrans-
>rt nur auf eine ganz kurze Strecke stattgefundan haben;
inches deutet darauf hin, dass das Material, wenigstens
m Teil, von den Druralins selbst seinerzeit abgeschwemmt
)rden ist. Ob nun darunter eine fluvioglaziale Kiesdecke
:eren Datums oder aber Grundmorane als Sockel der
•umlins liegt, kann mangels geniigend tiefer Aufschlusse
cht festgestellt werden.
Der uns zur Verfugung stehende Raum gestattet uns
cht, jeden einzelnen Aufschluss in gebiihrender Weise
wiirdigen; wir beschranken uns daher auf folgende
irze Notizen:
Kiesgrube bei Ladhub erscheint als direkte Fort-
bzung des Kiesriickens vom Drumlin Halden und zeigt
it ihm dasselbe SW Fallen der Schichten. Meist Sand,
rin Lagen von feinem Kies, unten Lettsand; die ge-
igten Schichten bedeckt von einer horizontalen Uber-
issschicht, was auf die Ausfullung eines Staubeckens
nweist.
Kiesgrube am Bachufer ostlich Gommenswil: deutlich
►rizontal geschichtet, stellenweise (wohl durch Kalksinter)
festen, nagelfluhartigen Banken verkittet; Politur ver-
ischt, Schrammen oft noch gut erhalten.
Zwei Kiesgruben NO Lachenmoos: in der sudlich ge-
genen fallen die Schichten gegen NW, in der nordlichen
tgegen direkt entgegengesetzt nach SO (deutliche Ab-
hwemmung der entsprechenden Drumlins in die zwischen-
>gende Mulde!).
606
Auf dem rechten Ufer der Steinach, in der Gegend
zwischen Mdrschwil und Hochsterwald, begegnen wir einem
Landschaftsbild , das besonders im westlichen Teil mit
demjenigen von Wittenbach vollig iibereinstimmt ; auch
hier erheben sich auf einein Plateau in zirka 600 m (bis
610 m) eine ganze Zahl langgestreckter, flachruckiger
Hiigelformen, zwischen welchen Torf-*) und Moorboden
sich ausbreitet; ein Aufschluss bei Engwil (hinter den
H&usern N von Alte Gerbe) liess deutlich ungeschichtete.
blockreiche Grundmorane erkennen; mangels anderer Auf-
schlusse lasst sich nur vermuten, dass wohl auch die ubrigen
Hugel aus demselben Material aufgebaut sind. Nach mehr-
facher Begehung des Gelandes sind wir zu der Uberzeu-
gung gelangt, dass auch hier Drumlinsformen vorliegen;
sicher scheint uns das besonders von den vier Hugeln S
Lenermoos, sowie von den zwei direkt iiber der Stein-
ach sich erhebenden Formen W Engwil zu gel ten; es ist
leicht ersichtlich, dass das Westende der letztern infolge
Erosion der Steinach abgetragen worden ist. Starken
Zweifel hegen wir in Bezug auf die W von Lee ge-
legenen Formen, von welchen wir daher nur eine (mit
ausdnicklichem Vorbehalt!) zur Darstellung bringen, nam-
lich den Hugel Botzenberg 602. Der Hugel Watt (in einem
Bogen das Lenermoos umfassend), sowie die "Walle von
Alberenberg zur Waid, welche auf der topographischen
Grundlage schon geniigend hervortreten, machen den Ein-
druck von blossen Erosionsformon und fanden daher keine
Aufnahme in die Karte. Da diese W von Lee gelegenen
Hiigel so ziomlich im Streichen des Hochsterwald es liegen
und sich teilweise noch zu der relativ bedeutenden Hohe
*) Der Torf bei Schiniishaus ist infolge Abstichs zurn grossten
Teil verjjchwuuden und fehlt daher auf der topogr. Grundlage.
607
Ton liber 630 m zu erheben vermSgen, so darf wohl an-
genommen werden, dass die unterlagernde Molasse hier
noch einigermassen zur Geltung kommt. Das schliesst
ubrigens nicht aus, dass auch diese Hiigel aus einer (in-
folge inters tad iaren Yornickens des Eises) umgewandelten
Endmorane zunachst hervorgegangen sein kftnnen; in
jedem Falle aber muss nachtragliche Erosion fur die
jetzige, typischen Drumlins wenig entsprechende Form
and Orientierung verantwortlich gemacht werden. Erst
wenn einmal von einer grossern Zahl von Drumlinsland-
schaften spezielle geologische Aufnahmen vorliegen wer-
den, wird man sich ein genaueres Bild liber die bei einem
Versuch zur Drumlinsbildung entstehenden Moglichkeiten,
aowie iiber die Erosionswirkungen in der Drumlinsland-
schaft machen konnen; wir denken dabei auch an die
interessante Zusammenhangung zweier Drumlins zu Drum-
linszwillingen, wie sie auch von uns bei Wittenbach in
zwei Fallen beobachtet und kartiert worden sind.*)
Es mag nicht unerwahnt bleiben, dass selbst der Mass-
stab 1 : 25,000 als zu grob erscheint, um einige der feineren,
aber gerade typischen Formen bei Morschwil von sich aus
zum Ausdruck zu bringen; eine genaue Angabe des Gipfei
punktes in alien Fallen wiirde sich fur die Arbeit des Geo-
logen als sehr niitzlich erweisen.
Schliesslich sei auch der Wallformen am linken Ufer
der Sitter bei Schrattenwil kurz gedacht ; es ist nicht un-
moglich, dass auch sie noch der Drumlinslandschaft von
Wittenbach angehoren (besonders derjenige bei Rutzenwil
*) Um Irrtumcr zu vennoidon. sei hier ausdruck lich darauf
Ungewiesen, dass die beiden Drumlins l>ei Linden N AVittenbach
nicht zusammenhangen ; Erkundigungen ergaben, dass bei der
Strassenanlage die zwischenliegende Senkung aufgefiillt worden ist.
608
621 m), da die Terrain verhaltnisse durchaus entsprechende
sind; es wlirde sich in diesem Falle zumeist um Drum-
lins handeln, welche im 0 durch die Erosion der Sitter
abgetragen worden sind; der Gletscherschutt hat an den
abgebrochenen Enden starke Rutschungen nach der Sitter
zu veranlasst. Da wir uns aber bis jetzt eine bestimmte
tJberzeugung (Erosionsformen?) nicht haben bilden konnen,
wurde auch, unserm Prinzip getreu, in sehr zweifelhaften
Fallen eher zu wenig als zu viel einzutragen, von einer
Kartierung der betreffenden Formen Abstand genommen.
Nordlich Edliswil beginnt ein neuer Drumlinsschwarm
(zwischen Sitter und Thur SO Bischofszell im Gottshaus),
wovon aber nur ein einziges und auch dieses nur noch
teilweise in der NW Ecke auf unsere Karte fallt; seine
Siidseite lasst deutliche Terrassierung erkennen, wie sie
auch in der Wittenbacher Gegend gelegentlich beobachtet
werden konnte; wahrscheinlich bilden die Drumlins von
Gottshaus die Fortsetzung derjenigen von Wittenbach.
V. Das Tanneiiberg-Plateau.
Wir verstehen darunter die ganze, im NW der Stadt
gelegene plateauartige Masse, auf welcher die Gipfel der
Steinegg (911 m), des Tannenberges (866 m) und des
Tannerwaldes (904 m) aufgesetzt sind. Das Plateau wird
gebildet von den Sandsteinen, Mergeln und Nagelfluh-
banken der obern Susswassermolasse, welche hier nur
noch schwach nach NW geneigt sind und im nordlichen
Teil in die horizontale Lage ubergehen. Uberall ist daB
Plateau mit Erratikum bedeckt; auch die drei erwahnten
Gipfel sind aus solchem zusammengesetzt. Die anstehende
Molasse ist an den Randern des Plateaus an mehreren
Stellen (siehe Karte) gut wahrzunehmen, so bei Obertonis-
609
g (Steinbruch auf ca. 860 m) und im Tannerwald (inter-
mte Aufschlusse durch Anlage neuer Waldwege); hier
let sich die Molasse noch in einer Hohe zwischen 870
880 m und es ist das zugleich die hochste Stelle ihres
jtehens in diesem Gebiet; es wird von dem betreffenden
ischluss spaternoch ausfuhrlicher die Rede sein miissen.
Steigt man von Abtwil den Siidabhang des Plateaus
h Giessen und Halden empor, so trifffc man alliiberall
zweifellose Ablagerungen des Rheingletschers aus der
ten Eiszeit, gekennzeichnet durch zahlreiches Vorkom-
l kristallinischen Erratikums (Diorite, Puntaiglasgranit
r.); in der Nahe der Hauser (Abtwilermiihle) finden sich
die im Felde ausgegrabenen und fur allf&lligen Be-
f gesammelten Geschiebe (Findlinge) in Haufen auf-
lirmt und gestatten auf diese Weise ein bequemes
dium; selbstverstandlich fehlt auch die Seelaffe nicht;
k vertreten sind die Sandsteine der marinen und der
ern Susswassermolasse.
Wendet man sich nun, dem sudlichen Plateauabsturz
;end, nach Tellen, so stosst man hier auf einen ganz-
„vertufflentt Schuttkegel, der bei Besprechung der
avialgebilde gebuhrende Beriicksichtigung erfahren soil.
r benutzen ihn als Aufstieg zum Burgstock, wo wir
sa. 8B0 m auf eine deutliche, steil abfallende Kante
isen, die ostlich und westlich des Bachleins, welches
;enannten Tuffkegel abgelagert hat, gut aufgeschlossen
Das die Terrassenkante bildende Gestein erweist sich
ein echter fluvioglazialer, durch ein grobsandig-kalkiges
demittel zu einer festen Nagolfluh verkitteter Schotter,
cher nach der Lagerung der im allgemeinen gut ge-
deten Geschiebe einer von SO nach NW gerichteten
omung seine Entstehung verdankt. Was uns vor allem
auffallt. ist die durchschnittlich bedeutende Gross** der
Geschiebe (faust- bis kopfgross) und die von der tertiaren
Nagelfluh durchaus abweichende Art der Verkittung, indem
das Bindemittel zwischen den einzelnen Gerollen grossere
und kleinere Lucken aufweist. Die auffallende Erscheinung
der Aushohlung zeigt sich bei einzelnen Gerollen und die
(durch Auslaugung) entstandenen Hohlraume erscheinen
dann haufig gefachert; die stehen gebliebenen Wande sind
oft ausserordentlich diinn, einem feinen Hautchen vergleich-
bar. Auffallen muss auch das fast ganzliche Fehlen kristalli-
nischer Gerolle; die gesamte Ablagerung setzt sich nam-
lich aus Sandsteinen (der untern Susswassermolasse) und
alpinen Kalken zusammen, denen sich wohl auch das Eocen
beigesellt hat. Deutliche Eindrucke und Rutschstreifen,
wie sie in der miocenen Nagelfluh so uberaus haufig sind,
konnten wir nirgends wahrnehmen; Gerolle mit verwa-
schenen Eindrticken dagegen triffb man ziemlich haufig —
sie stammen eben aus der miocenen Nagelfluh; dasselbe
gilt sicher von den meisten der so uberaus seltenen kri-
stallinischen Gerolle. Es entspricht diese nagelfluh-
artigverkitteteKiesdecke demaltern Decken-
schotter und ist somit ein der ersten Eiszeit
entstammendes Ablagerungsprodukt.
tJber diesem altern Deckenschotter liegt im Schiffli-
macherwald in der Hohe von ca. 880 m eine zurzeit ver-
lassene Kiesgrube, durch welche ungeschichtetes Erratikum
aufgeschlossen wird; eine etwas hoher (auf ca. 890 m)* g©"
legene Grube am Waldrand 0 Unter-Ettisberg besteht
* Da das fiir den Druck der Karte verwendete revidierte
topographische Blatt bei der Aufnahnie noch nicht zur Verfflgung
stand, konnten die Eintragungen in diesem Gebiet nicht imnier
mit der wiinschenswerten Genauigkeit vorgenommen werden.
611
dagegen wieder aus ann&hernd horizontal geschichtetem
Schotter; der Aufschluss mag zirka 10 m hoch sein und
zeigt an der Basis feinen, reinen Sand, daruber lehmigen
Sand mit diinnen Lagon eines plastischen und Konkretionen
einschliessenden Tones ; der oberste Teil besteht aus Kies-
schichten, wobei die Gerolle, nach oben grober werdend,
bis Kopfgrosse erreichen. In beiden Gruben fanden wir
nur ca. 4 — 5 kristallinische Gerolle, welche ausserordent-
lich kleinen Umfang aufweisen und wahrscheinlich, wenig-
stens teilweise, der miocenen Nagelfluh entstammen. Ausser-
ordentlich wichtig ist nun die Tatsache, dass sich in beiden
Gruben unverkennbare Stucke des Deckenschotters selbst
als Geschiebe in grosserer Zahl nachweisen lassen. Es
handelt sich durchaus nicht etwa um einzelne fester ver-
kittete Partien innerhalb. einer lockeren Ablagerung, denn
Bpeziell in der geschichteten Grube erweisen sich die Decken-
schottereinschlusse fast stets als wohl gerundete Gerolle.
Die Ablagerungen, in welcher die beiden Kiesgruben an-
gelegt sind und welche vermutlich auch den Gipfel der
8teinegg bedecken, sind somit junger als der altere Decken-
schotter, da sie denselben tiberlagern und Bruchstucke
desselben als Geschiebe und Gerolle einschliessen ; andrer-
seits zwingt die liber 1 m starke Verwitterungsdecke (auch
die Geschiebe sind oft stark zersetzt), sowie das Fehlen
der in den jtingsten Ablagerungen des Rheingletschers so
haufigen kristallinischen Geschiebe zur Annahme, dass die
bezugliche Ablagerung (Morane mit fluvioglazialer Decke)
hinwiederum alter sein muss als die Jungmoranen. Es
ist das Verdienst Dr. Gutzwillers *, zuerst diese Verhalt-
nisse gewurdigt und uns bei Gelegenheit einer gemeinsamen
* Dr. A. Gutzwiller : Altere diluviale Schotter in der Nahe von
8t Gall en und von Bischofszell. Eel ogee geol. Helv. Vol. VI, Nr. 4.
612
Exkursion behufs Demonstration des ursprunglich von i
im Herbst 1897 aufgefundenen Deckenschotters darauf a
merksam gemacht zu haben. Nach Dr. Gutzwiller hanc
es sioh um Altmorane und Schotter der vorletzten Eisz
also um Hochterrassenschotter; wir lassen es unentschied
ob nicht am Ende hier die jtingere Decke (zweite der \
Eiszeiten) vorliegt und mochten deshalb dieselben eir
weilen als Ablagerung aus einer mittlern Eiszi
bezeichnen.
Auch am Plateau des Tannerwaldes ist die Terrass
kante des Deckenschotters deutlich sichtbar und vom Ot
wilerhSlzli durch das Bergholz bis N vom Wirtshaus Hoh
tannen ununterbrochen zu verfolgen ; seine Sohle li
hier um ca. 15 m tiefer als an der Steinegg, namlich i
ca. 830 m, wodurch die von Dr. .Gutzwiller aus der Lt
der Gerolle bestimmte NW-Stromung vollkommen bestat
wird; selbstverstandlich sind namlich die beiden jetzt du:
das Tal von Hohfirst voneinander getrennten Deckenschot
seinerzeit als zusammenhangende Decke abgelagert word*
das trennende Erosionstal ist bedeckt von Schutt der letz
Eiszeit (viele kristallinische Geschiebe!) und muss a
nach der ersten und vor der letzten Eiszeit entstanc
sein.
Den schonsten Aufschluss im Deckenschotter fine
wir an der Westseite wenige Schritte nordlich des Haus
welches zwischen der Hohentannenwirtschaft und c
Hausern von Grimm liegt; an seiner Sohle (jedenfalls i
dem nicht sichtbaren Kontakt mit Molasse — letztere
NW davon durch ein Bachlein entblosst) liegen die pra<
tigen, gefassten Quellen der Waldkircher Wasserversorgur
iiberhaupt bildet die Sohle des Deckenschotters iiber
einen ausgesprochenen Quellenhorizont ; im Schotter sa
613
melt sich das Wasser an, um auf der unterlagernden un-
durchlassigen Molasseschicht als Quelle auszufliessen; das
Niveau der obern Reservoirs und Brunnstuben (fast samt-
liche Quellen an der Steinegg und bei Hohentannen sind
nun gefasst) ist also zugleich das Kontaktniveau zwischen
Deckenschotter und Molasse.
Der obere Teil des ca. 15 m machtigen Aufschlusses
ist zu einer typischen lochrigen Nagelfluh verkittet; es
ist verhaltnismassig leicht, Handstucke zu gewinnen, in
welchen uber die Halfte aller Gerolle mehr oder weniger
stark ausgehohlt sind; manche Gerolle zeigen mehrere
durch stehen gebliebene Wande voneinander geschiedene
Hohlraume (Facherung); auffallenderweise sind die oftnur
ein bis wenige Millimeter dicken Rinden und Scheidewande
(besonders in einer bestimmten Bank) fast durchweg von
kleinen Kalkspatkristallen iiberzogen (Kristalldrusen). Das
Bindemittel dieser Bank ist kalkiger Natur und die Ver-
kittung so fest, dass beim Bearbeiten mit dem Hammer
die Gerolle nicht herausspringen, sondernmitdurchschlagen
werden.
Die untere Halfte der aufgeschlossenen Kieswand ist
dagegen auffallend locker; nur stellenweise (niemals in
durchgehender Bank) finden sich fester verkittete Partien.
Der ganze Aufschluss (besonders der untere Teil) zeigt Ein-
lagerungen von ziemlich unregelmassigen Sandschmitzen,
gelegentlich ebenfalls, jedoch meist weniger fest verkittet.
Die Grosse der Gerolle ist durchaus nicht einheitlich; sie
8chwankt von Bohnen- bis zu Kopfgrosse und auch noch
grossere kommen, allerdings selten, zum Vorschein. Ab-
gesehen von wenigen der miocenen bunten Nagelfluh ent-
tommenden Gerollen (es fand sich z. B. der fur erstere
*o charakteristische rote Granitporphyr), liessen sich keine
614
kristallinischen Gesteine nachweisen. Von hier steigt die
unterlagernde Molasse nach 0 stark an, urn an dem neu
erstellten Waldweg nach Bernhardzell bis zu einer Hohe
von 880 m emporzureichen. Sie bildet hier wieder die
Sohle eines Schotters, welcher sich wieder in Form einer
Kante deutlich abhebt, partien- und bankweise stark ver-
kittet ist und iiberhaupt in jeder Beziehung der alteren
Decke zu entsprechen scheint. Es fragt sich nur, wie die
auffallende Niveaudifferenz der Sohle von 830 m auf 880 m
(also ca. 60 m auf bloss 800—900 m Horizontaldistanz)
in diesem Fall erklart werden soil. Etwas wenig W vom
Aufschluss durchbricht die Molasse sogar die Schottersohle,
um einige Meter in denselben hineinzuragen. Penk, welcher
den Deckenschotter spater, aber unabhangig von uns eben-
falls aufgefunden hat, spricht ganz kurz von einer Ver-
knupfung mit Moranen und in der Tat erblickt man einen
schonen Aufschluss in Altmoriine etwas iiber der Decken-
schotterkante in 885 m bei dem Bauernhof N der Wirt-
schaft Hohentannen. Die Ahnlichkeit der Lagerungsver-
haltnisse mit denjenigen auf der Steinegg (alterer Decken-
schotter, dariiber ungeschichtete Altmorane, ihrerseits von
Schotter bedeckt) muss auffallen und es drangt sich die
Oberzeugung auf, dass der auf 880 m lagernde Schotter
von Hohentannen demjenigen entspricht, welcher ungefahr
in derselben Hohe (890 m) auf der Steinegg als eine einer
mittleren Eiszeit entstammende Ablagerung beobachtet
worden ist. Ein Ausbiss der Molasse direkt zwischen den
beiden Schottern lasst sich nirgends wahrnehmen; allenx
nach miissen sie auf der Leeseite der Molasseerhebung,
nur durch die ungeschichtete Grundmorane getrennt, direkt
iibereinander lagern. Allordings entspricht der Aufschluss
im Tannerwald nicht vollig demjenigen auf der Steinegg.
Die Hohe des erstern betritgt ungofakr 20 m ; unten Kon-
takt init der jinstolu'iiden Molasse gorade noch zu erkrnnen
(seither verdeekt, aber wenig W davon am Wege gute
Molasseaufschliisse) ; die untern 10 m, nur stellenweise
and meist locker verkittet, erscheinen grob und undeutlich
flach geschichtet. Das Material besteht aus Sand, oft
Schmitzen eines wenig festen Sandsteins bildend, und
Kies, dessen Gerolle haufig Kopfgr6sse und dariiber er-
reichen; eine ausgepragte Sonderung derselben nach der
Grosse ist nicht vorhanden, doch findet sich die Mehrzahl
der grossern Geschiebe mehr an der Sohle; durchwegs
erscheint das Material stark angewittert und zersetzt. Die
obern 10 m zeigen dagegen deutliche horizontale Schich-
tung; das Material ist durchschnittlich feiner und teilweise
zu festen, durchgehenden Banken diluvialer Nagelfluh ver-
kittet; sie bildet auch den Gipfel von Hohentannen 604 m
(moglicherweise von unbedeutendem Erratikum der letzten
Eiszeit bedeckt; siehe weiter unten), wie sich an Hand
eines kleinen, im Walde ganz versteckten Aufschlusses
konstatieren Hess ; hohle Gerolle kommen moglicherweise
vor, sind aber von uns nicht beobachtet worden; kristal-
linische Geschiebe fehlen auch hier sozusagen vollig. Es
ergibt sich daraus, dass dieser Schotter viel mehr der
altern Decke entspricht als das bei demjenigen
aufder Steinegg der Fall ist, welcher (soweit er
wenigstens aufgeschlossen erscheint) nirgends Nagelfluh-
banke aufweist. Zweifellose. gerollte Einschliisse von
Deckenschotter, welche besonders in den untern Partien
zu vermuten waren, sind auf Hohentannen nicht von uns
konstatiert worden; trotzdem konnen wir uns des Eindrucks
nicht erwehren, dass es sich auch hier um eine Ablagerung
aus einer mittleren Eiszeit handelt, die dem Alter nach
616
derjenigen von der Steinegg entsprechen mag, petro-
graphisch aber mit der altern Decke mehr Ubereinstim-
mung zeigt. Ob es sich in diesem Falle um die jiingere
Decke oder um Hochterrassenschotter handelt, muss einst-
weilen unentschieden bleiben; Hohentannen wurde mehr
fur ersteres sprechen, wahrend die Steinegg letzteres ver-
muten lasst. Infolge der noch nicht ganz abgeklarten
Verhaltnisse wurde von einer durch eine besondere Farbe
hervorgehobenen Ausscheidung auf der Karte Umgang
genommen; es ist jedoch leicht ersichtlich, dass die auf
der Steinegg sicher, auf der Hohe von Hohentannen ver-
mutlich einer mittleren Eiszeit entstammenden Ablage-
rungen den hochsten iiber der deutlich markierten Kante
des alteren Deckenschotters sich erhebenden Teil des
Plateaus bedecken.
Wahrscheinlich diirfte auch auf demTannenberg (866 m)
die altere Decke bei Gelegenheit spaterer Aufschliisse kon-
statiert werden ; da letztere bis jetzt vollig fehlen, musste
derselbe einstweilen unberiicksichtigt bleiben.
Das Erratikum der letzten Eiszeit *) zieht sich am Ge-
hange des Plateaus bis einige Meter liber die Kante des
altern Deckenschotters hinauf ; ob der Gletscher bei seinem
letzten Vorrucken die Hohe des Plateaus iiberschritten
hat, lasst sich mit Sicherheit kaum mehr feststellen, wird
aber durch einen von uns auf dem hochsten Gipfel-
punkt des Plateaus (Steinegg 911 m) nachge-
wiesenen Puntaiglas wahrscheinlich gemacht; auch
im Tannerwald kam auf ca. 880 m Hohe noch ein solcher
*) Um die Lagerung unrl Ausbreitung di»r altern Gletscher-
ablagcrungen deutlich horvortroten zu lassen, musste es auf der
Karte von der Sohle des altern Deckenschotters an unberiicksichtigt
bleiben, was wir hier ausdriicklich bemerken.
617
bei Anlage des neuen Waldweges zum Vorschein; seine
Triimmer sind von Porstverwalter Wild in vorsorglicher
Weise unter einer Bank mit andern Geschieben aufge-
Btapelt worden; der Findigkeit dieses Freundes der er-
ratischen Blocke ist auch der ebenfalls auf zirka 880 m
lagernde Puntaiglas im Schifflimacherwald zu verdanken
und Gutz wilier*) erwahnt selbst (Santisgletscher, Jahr-
buch 1871/72, pag. 143) „auf Hohentannen (900 m) Kalk-
blocke und kristallinische Gesteine". DerUmstand,
dass die Deckenschotterkante im 0 nirgends mehr zutage
tritt, beruht auf einer Abschiirfung derselben durch das
vorruckende Gletschereis ; Erratikum der letzten Eiszeit
steigt hier wohl infolge der Stauung in bedeutender Machtig-
keit und zusammenhangender Decke weit hinauf ; einen
8chonen Aufschluss bot friiher die Kiesgrube bei Hinter-
loch 850 — 860 m, wo sich fiber flachgeschichtetem Kies
ungeschichteter Moranenschutt mit vielen kristallinischen
Geschieben beobachten Hess.
Schliesslich sei noch darauf hinge wiesen, dass der
alter e Deckensc hotter des Tannenbergs, von der
Decke des Utlibergs (873 m) abgesehen, der hochst-
und zugleich der den Alpen am nachsten ge-
legene des alpinen Vorlandes ist.
Die Gipfel der Steinegg und des Tannerwaldes (Hohen-
tannen), sowie der isolierte Hugel 810 m S Answiler Wald
sind als erratische Bundhockerformen aufzufassen; der
letztere enthalt zweifellos einen Molassekern.
*) Nach Dr. Gutz wilier reicht das jiingste Erratikum hier nur
bis zu einer Hohe von ca. 860 m; es trifft das zu fur die mehr
°der weniger zusammonhangende Moranendecke ; einzelne
Bl5cke reichen, wie nachge wiesen, bis zu 911 in.
618
VI. Das Oebiet des SSntisgletsehers.
Im Jahrbuch 1871/72 hat Dr. Gutzwiller den fruhern
Santisgletscher und seine Ablagerungen einer eingeheDden
Forschung unterzogen. so dass uns selbst, die wir iiberall
auf unserm Kartengebiet die vollkommene Richtigkeit der
Angaben dieses trefflichen Forschers konstatieren konnten,
nichts anderes tibrig bleibt, als der Hauptsache nach seine
eigenen Resultate wiederzugeben, soweit unser Gebiet da-
bei in Betracht kommt.
Zur Eiszeit bewegte sich vom Santis her eine Eis-
masse sitterabwarts, um nach einiger Zeit, die Wasser-
scheide tiberschreitend, auch das Tal der Urnasch zu iiber-
fluten und in demselben sich abwarts zu bewegen. Dieser
Gletscher brachte selbstverstandlich nur die im Santis-
und Voralpengebiet anstehenden Gesteine (vor allem die
verschiedenen Kreidekalke, festen Sandstein und Nagelfluh)
in unsere Gegend; kristallinische Geschiebe konnte nur
der Rheingletscher bringen; wenn wir nun trotzdein solche
in den betreffenden Ablagerungen im Sitter-Urnaschgebiet
finden, so erklart sich das aus dem Umstande, dass ein
kleiner Arm des Rheingletschers uber den Stoss und liber
Eggerstanden ins Sittertal gelangte und von da mit dem
Sittergletscher vereinigt sich talabwarts bewegt hat, bis
es zur Verschmelzung mit dem Gros des Rheingletschers
kam, welche wenig S Bruggen (Gtibsenmoos-Haggen-SoH-
tiide bilden etwa die Nordgrenze fiir den Santisgletscb^
zurzeit seiner grossten Ausdehnung) eintreten musste. Von
der Solitude zieht sich die Grenzlinie gegen den Brand
und Teufen zur Wasserscheide zwischen Goldach un^
Sitter. Wir haben von einer diesbeziiglichen Abgrenzuag
auf der Karte Abstand genommen, da dieselbe doch nicb^
auf eine dem Massstab der Karte entsprechende Genauig^
619
keit Anspruch erheben kdnnte und vor allem, weil die
Gutzwiller'sche Santisgletscherkarte alien Anspriichen Ge-
ntige leistet.
Dagegen sei aus dem Gebiete des Santisgletschers die
von Dr. Gutzwiller nicht erwahnte prachtige Kiesterrasse
auf dem rechten Ufer der Sitter von Schwantlen nach
Sommerhaus ihrer jetzigen schonen Aufschlusse wegen
gauz besonders hervorgehoben. Die Kiesgrtibe bei Ktihnis-
haus ist an einer Stelle bis auf 18 m aufgeschlossen.
Schichtung ungleichmassig, Deltastruktur; zu unterst Sand
mit dunnen, jeweilen sich bald auskeilenden Schichten
feinen Kieses, der Sand stellenweise von ziemlich lehmiger
Beschaffenheit; eigentliche Lehmschichten fehlen; nach
oben grober Kies und als Decke eine ca. 2 m machtige
horizontale Ubergussschicht mit grossen Gerollen, welche
bis Kopfgrosse und dariiber erreichen: im Verlaufe des
Abbaues kommen auch ansehnliche Blocke zum Vorschein.
Die kristallinischen Gesteine (darunter ein Gabbro) treten
hinter den Kalk- und Molassegeschieben (Sandstein und
Nagelfluh) ganz bedeutend zuriick, ohne aber selten zu
sein ; Schrammen haufig noch verhaltnismassig gut wahr-
nehmbar, sehr selten dagegen Anzeichen von Politur. Die
Kiesgrube bei Schwantlen weist durchaus Iibereinstimmende
Verhaltnisse auf; die horizontale tJbergussschicht besteht
hier aber in ihrem westlichen, der Sitter zunachst gelegenen
Teil aus Sand und feinem Kies. Die auf dem andern Ufer
der Sitter (S Schmitten) gelegene kleine Kies- und Sand-
grube ist leider zurzeit schlecht aufgeschlossen, scheint
aber den beiden erwahnten zu entsprechen.
Topographisch stellt sich das Gebiet dieser Schotter-
ablagerung als eine deutliche, nach S sich etwas erweiternde
Mulde dar, welche im 0 und W von der anstehenden
Molasse begrenzt wird; geologisch ist der Schottei
aufzufassen als die Auffiillung eines Stausees, der si
dem nach S und 0 zuriickweichenden Gletscher en
haben muss. Die Ausfullung scheint vorzugsweise
her erfolgt zu sein.
Schliesslich sei ausdrucklich hervorgehoben, das
der Rheingletscher neben andern dieselben Gesteii
der S&ntisgletscher in unsere Gegend getragen ha
Kriterium ist ein mehr negatives, indem den rein*
lagerungen des letztern die kristallinischen Geschie
die Seelaffe ganzlich fehlen mussen: in unserer G
kommen aber solche reinen Ablagerungen wegen de
erwahnten Verschmelzung mit einem Arm des
gletschers gar nicht vor und somit charakter
sich hier das friihere Ausdehnungsgebie
S&ntisgletschers lediglich durch ein Errat
in welchem die kristallinischen Geschieb*
stark gegenuber den alpinen Kalken der K
der Nagelfluh und dem Sandstein der Mc
zurucktreten.
Anmerkung. Der Schluss unserer Arbeit, welche:
Abschnitt iiber die Alluvionen, ein Kapitel iiber d
logisch-topographischen Wechselbeziehungen, sowie
ein solches iiber die technische Verwendung der G
unseres Gebietes bringen soil, wird im nachsten Jal
erscheinen. Wenn immer moglich, wird derselbe
eine Anzahl geologisch interessanter oder typischer
schaftsbilder und Profile ausgestattet werden.
XII.
Meteorologische Beobachtungen.
Jahr 1902.
A.
Station Altstfttten (450 M. tt. M. ).
Beobachter: J. Haltner.
1
Lu
ftdruck
1902
' Mittel
1
| Minimum
| Tag
i
Maximum
Tag
Januar
! 727,7
! 707.0
25.
i
740,8 1
15.
Februar
I 718,4
709,1
8.
1
725,4 1
21.
Marz
i 721,1
1 710,6
23.
1
729,7
17.
April
720,5
, 715,0
1.
729,1
21.
Mai
, 721,9
, 713,0
17. 18
i
733,1 .
24.
Juni
! 721,9
I 714,9
9.
1
729,6 '
23.
Juli
1 724,4
i 71H.7
10.
i
730,8 i
28.
August
i 723,4
1 716,8
29.
.
728,2
22.
September
1 724,7
l 715,2
30.
730,9 I
20.
Oktober
728,1
, 715,0
11.
!
734,4 j
24.
November
722,2
709,4
26.
1
729,7 '
14.
Dezember
724.9
" 722,8
' 705,6
| 706,6
30.
XII.
1-
1
736,0 i
740,8
23.
I.
Jahr
i
Luftt
emperatur
1902 I
1
7h |
lh j 9h j
Red. 1
Mittel :
Minimum Maximum
Tag Tag
Januar 1
— 0,9|
3,4 0,8
1,0 '-
7,7
9.
10,3
2.
Februar !
1- 0.9 1
3,5 i 0,4
0,8 -
- 9,5
2.
13,4
7.
Marz
2,3
8,2 , 3,8
4,5 i —
- 2,8
11.
16,8
20.
April
8'2,
15,4 1 10,0
10,9
2,0
9. ' 22,0
20.
Mai
8,H
12,6 1 8,2 i
9,3
2,2
7. , 26.0
81.
Juni
14,2
18,9 ' 13,9
15.2 '
8,1
16.18. 28,2
3.
Juli
16,6 1
22,2 1 16,5 '
18,0
11,0
12. ' 30,3
15.
August
14,9 ,
20,6 15,6
16,7 i
8,1
12.13. 26,8
19.
September
11,9 '
17.7 ," 12,6 '
13,7 ,
6,4
20.28. 1 25,3
4.
Oktobe.
6,8 !
11.3 7,9
8,5 !-
. 0,3
25. , 17.4
9. 21.
November
1,0 '
5,4' 1.6
2,4 -
6,1
19. 14,0
7.
jezeuiber
Jahr
- 1,91
6,7 I
i
0,6 - 1,7 |-
- 1,2 -
9,1
14.
II.
10,9
17.
VII.
11,6 7,6 1
i 1
8,3 -
i
-9,5
903
622
Station Altstatten,
Rel
ative Feuchtigkeit Bewftlkung
1902
_
7* '
lb j »* Will, *inl™ 1 7* ' 1-
9h Mittll
Januar
1 86
76
85 82
1 :j
49 1 13, 6,6 6.7
5,5 6,&
Februar
90 1
76
86 1 84
36
7,. 7,9 1 7,9
7,0
t,«
M;iiv
82 1
63
76 i 73
20
20, i: 5,7 1 5,7
4,0
M
April
84
60
75 | 78
40 ; 2,, 6,9 6,8
5,8
6.5
Mai
78
59
77 i 71
28
30 .» 7.6 8,4
7,5
7.8
Juni
7-1
61 i 76 71
30
L 5,4 . 6,7
6,4
6,3
Jnli
77 [
60
74
70
41
18, 1! 4.8 5,4
5,6
5.5
August
85
65
83
78
43
22, ij 6,1 6,4
6.0
6.2
September
90 !
68
87
82
48
5. 5,5 ! 5.1
4,6
5.1
October
' ;l-
75
90 86
57
21. '1 7,6 ; 7,5
7,9
7.7
November
i 93 ;
82
93 89
54 j 7. 1 8,3 ' 6,9
5,5
6,9
Drawn ber
, 90
84
90 ! 88
41 ; 29, 8,3 7,4
7,2
7,6
Jahr
1
1
m
83 79
!
20 HI. J 6,7 0,7
; ; <
6,1
U
Niederschlap Zabl der Tiige mil
1902
Summe
T*« '! itlilig | *** Hj»l1 *Mt | "rtl1
Hill ir Trtt
1
!>■ *■' '
Janaar
52
12
27. 11- Si 7 1 0
1
5
6
15
Februar
36
7
4. 18.11 : 10 ! 0
0
7
1
16
M&rz
1 113
15
28. I1 15.141 5 | 0
2
1
11
11
April
i 39
9 , 25-IHL 8[ 0 j 0
2
0
2
13
Mai
134
28 1 17,1,25,22 1 ' 0
0
2
2
10
Iniii
i 126
23 ' 18. 19, lb
0 ; 0
0
0
8
a
J all
107
25 ' 2. 16,12
0 I 0
5
1
4
6
August
: 176
34 | 2.'1 19.17
0 « 0
8
1
4
10
September
! ill
34 | S. i' 10* 10
0 0 2
3
8
7
Oktober
105
23 1 11, 1,18.15
0 0
0
2
1
I*
November
8
4 1 25. |, 4. 3
0 0
0
8
4
13
December
1 111
27 1 21. |j 14.13
10 0
1
6
4
20
Jahr
1118
!
34 IviiiJ'ltmsi
1
~33 -"
21
36
56
161
In d*r R
ubrtk fl2
*hl dtr Tkga rait Nicd#r»chl*au gvbea die ZU
tern tmur «
Jia AaK*hl d*r
Tugs *a
, *n trelchsp die Niad*ricbUgmiengti mind«it
torn 0,3 mm,
diajtaigea natai
C b Jod*
1U V
tiohflu
d 1*1*11
H-
mlai
l«t«U
1,0 mi
n ■iTl
teht h
bt.
623
Station Altstatten.
Wind v erteilung
902
Zahl der Beobachtungen :
N
NE
E | SE
8 | BW
w
NW
CihMi
ar
2
15
8
0
0 ! 4
8
4
52
uar
1
8
7
1
3 13 1
6
54
11
4
11 3
1 1 6
5
6
46
i
6
10
17
4
1 i 2
3
2
45
8
5
1
1
2 1 15
7
5
49
6
5
3 3
2 ! 5
6
5
55
7
4
3
3
1
3
11
6
55
18t
6
10
0
2
1
3
6
5
60
>mber
9
6
3
1
1
2
3
4
61
ber
6
3
1
5
3 j 3
2
5
65
jmber
3
7
3 0
3 j 2
3
7
62
mber |
1
0
17
0 | 0
57 | 23
0 I 11
18 1 59
7
62
8
68
6ft
670
T 1
66
B.
Station Ebnat (649 M. Q. M.).
Beobachter : J. J. Kuratle.
902
i_
Mittel
Luftdruck
Minimum
Tag
Maximum
Tag
ar
aar
I
ist
imber
ber
imber
mber
1 1 1 1 1 1 1 i I 1 1 1
—
1 1 i 1 l 1 I 1 1 1 1 1
—
r
—
—
—
—
—
624
Station Ebnat.
1902
Lu fttemperatur
7h
lh
9h
! Red.
I Mittol
Minimum ' M^<M"
Tag j Tag
Januar
Februar
Mara
April
Mai
Juni
Juli
August
September
Oktober
November
Dezember
Jahr
3-u
'I- 3,1 1
! 5,0 '
5,6
.« 11,4
'. 14,4 '
ii 12,8 •
i 10.0 1
il 5,5 '
— 0.7
- 3.5
3.0
1,5
6,2
13.0
10,1
17,4
21,4
19,3
16,2
10.1
4,7
0,8
0,9 0,0
1,9 — 1,3
1,6 2.3
8,7,
-10,8,
7,7
6,2
12,1
15.1
14,6
11,2
6,5'
0,4
8.5 -
7.0 -
13,3 ,
16,5
15,3 |
12,1
7,2,
1,2 -
3.0 — 2,3
- 6,8
- 3.8
- 1.0
5,4
8,8
6,4
1,4
0,2
- 6,8
15,0
15.'
2.!
11.1
8..
7.
17.'
24."
12.,
20.,
27.
18.22. i
12.
7,0
8,1
13,4
19,4
24,8
26,6
30.6
27,6
25.0
16,6
13,0
9,4
I
4.
7.
21
*.&
21.11.
1.
15.
19.
5.10.
14.
3.
18.
4,7 ,' 10.3 5,8 6,6 —15,0 XII. | 80,6 , TIL
1902
Relative Feuchtigkeit
Bew6lkun
7h j lh j 9h Initial! Mlnln5JJ:| 7h | ih I
Januar
Februar
Marz
April
Mai
Juni
Juli
August
September
Oktober
November
Dezember
Jahr
1 - — — "' 7.
626
Station Ebuat.
-^— —
Niederscblajy
i
Sfthl dei
Ta^e mit
1902
flu mm »
Maximum
Kirtir-
ith lis
SthDII
Higtl
it-
ftlHlr
■•hit
HlltlF
TrQD
' a. b.
lar
101
31
2.
11. 9
10
0
0
0
9
11
ruar
61
11
9,
12.12
9
0
0
0
0
12
■
202
41
9.
15.15
8
0
0
0
10
10
il
100
37
20.
14.14
0
0
0
0
1
10
353
67
17,
24.23
9
0
0
0
8
15
1
167
B2
4.
17.16
0
0
0
1
8
10
162
27
I,
14.14
0
0
1
0
7
5
not
178
42
20. |
18. 18
0
a
4
0
5
10
member
225
47
1.
10.10
0
a
2
4
8
9
>ber
161
37
il. ia.14
0
0
0
4
0
17
ember
13
4
26,
4. 4
1
0
0
7
e
9
ember
197
30
67
13.13
7
0
o
1
5
15
133
hr
1920
no. itf
u
0
7?
17?
a
c.
Station Heiden (797 M. a. M.).
Beobachter: J. J. Niederer.
Luftdruck
1902
Mittel
Minimum
Tag
Maximum
Tag
i
1
lar i
697,0
1
678,3 1 25.
708,9
15.
ruar i
688,0
679,9 ! 9.
694,7
20. 21.
z i
691,0
680,5 | 23.
698,9
17.
11 !
691,0
685,8 i 1.
699,5
21.
i
692,0
683,5 i 19.
702,4
24. 25.
i i
692,9
685,7 . 8.
700,2
23.
i
695,6
688,2 1 10.
701,4
28.
rust i
694,5
689,0 I 29.
699,5
22.
tember !
695,6
686,3 j 30.
701,0
19.
ober '
693,5
686,7 11.
703,5
24.
'ember
692,0
679,8 1 26.
698,9
14.
ember
694,1
693.1
676,3
30.
704,0
708>~
23.
hr
676,3
XII.
1.
»
626
Station H
aide]
1.
Lufttetnperatur I
1902
7*
l»
pi
fled.
Mittfil
Minimum
Maximum I
Januar
- 0,8
2,9
-0,4
0,3
— 9,6
15.
11,8
!-l
Febniar
- 2,4
1,3
- 1,8
- 1,2
-i2Pe
1.
11,0
28-1
M&rz
0,5
4,9
1,7
2,2
- 5,4
12,
13t0 20- 1
April
6,8
12,2
6,9
8,2
- 0.6
7,
18,4 | 20-
Mai
5,8
9,0
5,5
6,5
- 0,6
id-
22,6 31-1
Juni
12,1
16,5
11,1
12,7
5,4
le,
26,4
1-
Juli
153
19,4
14,2
15,8
6,6
12.
27,2
;>£-
August
13,9
18,1
13,7
14,9
5,4
12,
26,0
IS.30-
September
10,4
14,9
9,9
11,3
3,1
28.
24,0
4-
October
5.4
9,0
5,9
6,5
— 1,0
24.
17,8
9-
November
0,2
3,7
oj
M
- 8,4
18.
18,4
r -
December
- 2,9
0,0
— 2.4
- 1,9
—114
11.
9,0
\T-
Jahr
5,4
9,3
5.4
6,4
-12,6
IL
27,2
¥11-
Relative Feucfatigkeit
ttewtf Ikung
1902
7h
n
y1- '
MitUl
Minimum
T.g
7*
it
9b
Mitt*^
Januar
75
65
76
72
22
8.
5,6
6,0
5,2
5,6
Februar
80
67
81
76
41
6.31.
6t7
6,7
7,1
6.8
M;ii'7.
78
65
76
73
40
20.
5,1
5,1
4.2
4.8
April
78
60
78
72
40
10.
6,1
5,7
4,8
5,5
Mai
77
67
80
75
38
18, ; 7,2
7,6
7,5
7,4
Juni
71
59
78
69
23
20
4T9
5,6
5,5
5,3
Juli
71
60
75
69
45
M. it-
4,0
4,1
5,1
4,4
August
74
63
77
71
42
SB J
4,9
4,8
5,2
5t0
September
83
65 82
77
50
4+
4,9
4,3
3,9
M
Oktober
83
70
83
79
49
11 u
6,5
7,5
8,1
7,4 1
November
84
75
m
80
36
7,
6,8
6,8
5,1
6,2 |
Dezember
81
75
79
78
06
29,
7,6
5,9
6,4
6,6
Jahr
78
!
66
7
»
74
22
1.
5,
(*
5,1
<
57
wT
Station Heiden.
\
1902
m
Niedernchlag i
£ahl
der Tage mit
i-lllTHU-
i Maximum
mtdtr-
Scttiul tfliir
'3m\m
ttiUtr
Trill
fc b.
J&noar
60
1 ]:;
27.
IS. 11
10
0
1
1
8
12
Februar i
63
12
9.
14.12
13
0
0
3
2
13
M&rz
122
14
28.
18,13
12
1
2
1
11
10
April
42
12
3,
U. 9
1
0
3
1
6
9
Mai
206
28
17-
25.24
12
0
0
2
3
19
Jtmi
134
25
18.
20.16
0
0
1
0
9
10
Jnli
161
37
2.
17.14
0
0
8
0
9
6
August
184
30
20.
21,19
0
0
7
0
6
5
September ■
145
38
5.
11.10
0
0
3
4
8
6
Oktober
118
32
11.
19.17
0
0
0
6
1
16
^November
14
6
9.
5. 3
2
0
0
10
5
13
December
125
28
21.
16.14
13
0
1
7
4
17
Johr
1374
"W
IX.
IW.H52.
63
1
96
36
n
136
"LI J
Windverteilung
1902
Zal
il der
^eobacbtungen;
IT
NB
1
BE
a
BW
w
KW |
Cilmti
Jannar
1
0
0
1
5
14
15
■
i
6 1
51
Februar
6
0
5
1
6
2
16
4
44
Mara
3
0
5
2
6
8
23
6
40
April
17
3
4
1
4
2
13
7 '
39
Mai
12
1
0
0
10
3
42
3 1
22
J u r i r .
8
0
1
4
6
1
27
12
31
J Till
13
1
1
2
5
0
20
10
41
August
16
0
2
1 3
8
4
10
11
39
September
8
0
2
0
3
1
11
15
50
Oktober
2
0
1
1
4
4
33
4
44
November
5
1
2
0
8
1
3
4
66
Dez ember
7
0
1
1
*
9
25
4
42
Jahr
98
6
24
16
69
49
238
86
509
628
D.
Station St Qalleu (703 M. fl. M.).
Beobachter: J. 6. K easier.
1
L
u ft d ruck
1902
1
Mittel
Minimum
Tag
Maximum
Tag
1
!
Januar
705,3
685,8
i !
, 25. 1 717,4
„
Februar 1
696,4
688,2
1 9. 703,1
20. 21.
Murz
699,1
688,9
; 23. | 707,2
17.
April !
699,1
693,8
1. 707,4
21.
Mai ,
700,2
691,5
' 17. 1 710,7
24.
Juni !
701,0
693,9
8. : 708,2
23.
Juli j
703,6
696,5
1 21. 709,5
28.
August .
702,4
695,7
29. 707,1
22.
September ;
703,5
694,0
1 30. , 709,4
19.
Oktober |
701,5
694,1
! 11. 1 711,9
24.
November
700,2
687.9
26. 707,3
14.
Dezember 1
702,5
684,4
i 30. ' 712,8
28.
Jahr
j
i
~~ 701,2~
| 684,4
1
1
1 111. 717,4
i
I
L
i
i
Lufttemperatur
1902 !
7h
1» | 9b 1
Bed. I Minimum
Mittel 1 Tag
Maximum
Tag
1
Januar
1
- 0,3
3.1
0,2
!
0,8 - 8.6
15.
11,6 ; 1. |
Februar !
- 2,51
0,9
- 1,7 1
- 1.2 l- 9,4
1.
9,0 8.
Marz
1.2:
6.1
2,4,
3.0 1- 5.0
11.
14,9 1 20.
April
7'1i
12,3
7,7'
8,7 !— 0,8
8.
18,0 1 20.
Mai :
6,6'
9,9 . 6,1 1
7,2 ! 0,2 8. 15.
24,6 1 81.
Juni
12,8
17,4 ' 11,7 1
13,4 ! 6,7
15.
26,3
2.
Juli
16,0
20,0 1 14,9 1
16,5 1 9,2
21.
27,5
8.
August
14.5
18,7 ! 14.1 ;
15,3 6,2
12.
26,0
19.
September
11,1
15,7 1 11,0
12,2 1 4,2
28.
24,5
4.
Oktober
6.2
9,6 1 6,7 i
7,3 0,8
25.
18,7
9.
November
0,7
3,6 1 1,1 j
1,6 '— 7,2
19.
12,9
7.
Dezember ;
— 2,6 -
~5,9~
0,4 j— 2,5 i-
9,7 | 6,0 :
i
- 2,0
~" 6,9
-10,7 . 6.
— 107 j HI."
1
1
9,1 : 18.
275 ' HI.
i
i
Jahr i
i
Station St. Gallen.
1902
Relative FeuchtigkeLt HewOlkung
7 !■ 1 h y i. M . it •■ L
Minimum
Tag
7t 1* »*> ■ Mltt*l
1 I
Januar
Februar
Marz
April
Mai
J tin i
■TuH
August
September
Oktober
November
December
79
85
7<
84
81
76
77
85
92
93
92
86
Jfthr
84
71
73
65
65
68
61
62
67
73
77
SO
80
70
76
88
74
82
83
83
78
87
91
91
92
87
84
75
80
n
77
77
73
72
BO
85
87
88
84
82 1.
45 I 8.
33 I 20.
46 i 29.
27 \ 80.
1.
r>.
1U,
9.
7,
29
88
36
41
56
38
38
36
79 , 27
6,7 i 6,8
8.3 i 8,4
6.4 | 5,7
7,7 6,5
7,7 i 8,3
5.7 5,9
4.8 4,8
6,4 6,3
7,2 5,0
8,4 8,1
9,0 7.5
7,7 12
V.
7,2 ! 6,7
6.6 6,7
7.4 ' 8.0
4.1 5,4
5.7 ' 6,6
7.5 ' 7,8
5.9 5,8
5.8 5,1
6.2 6,3
5,5 : 5,9
8.3 8,3
7.9 . 8,1
7.4 , 7,4
U 6,8
1902
Niedgrschlag
■ Sum nia
Maximum
Zahl der Tage mit
Niltflr-
uhlig
Gl-
Schaii Ni|iF w"t"|r . Miftii | HiiUr Trlt
Januar
Februar
Marx
April
Mai
Juni
Jnli
August
September
Oktober
November
December
Jahr
40
58 12
84 11
49' 13
216 | 34
i
1
,11.10
14.11
128
154
173
184
122
10
23
27
28
43
39
3
27
9
22. i 15. 13
3. 1 12. 10
9, ! 25, 23
13, i20.18
2.115. 14
20. i| 20. 19
5. 11.11
11.1,20.18
94 1 18
9.
21.
1312 1 43 ' II
I
6. 3
15.15
M. IM.
0
n
B
o
9
0
0
0
0
0
I
11
49 I 0
i i
0 i
1
1
0
"1
7
6
4 !
0 '
0 i
2
5
2
4
1
0
0
1
7
5
14 '
15
16
12
10
3 20
8 . 12
7
10
11
21
21
17
24
9 ' 3
~60 43 T72
i
630
Station St. Gallen.
Windverteilung
1902
N
NE
Zahl der Beobachtung
en:
S ! SE S 8W
w
NW
tlW
Januar
0
7
' ' 1
2 11, 1 21
3
0
58
Februar
0
10
4 10 5
2
0
62l
Marz ,
1
4
7:1; 3 1 19
5
1
521
April
1
17
9 10.1.5
3
3
5M
Mai 1
2
10
4 ! 6 ! 6 ! 19
3
3
*M
Juni .
3
9
12 ; 1 j 6 1 6
5
2
*r
Juli |
3
3
15 ! 1 5 , 1
9
3
5»
August
1
4
14 i 1 1 3 1 6
7
0
hi
September i
1
4
18 0 ; 0 i 3
3
2
54»
Oktober
1
6
4 11,4' 7
11
2
5V
November 1
0
14
11 : 1 1 2 1 1
0
1
60
Dezember .
3
7
0 I 0 1 19
*
0
5&
Jahr ;
-»-
95
100 I 14 32 , 112
59
17"
669
E.
Station Santis (2500 M. ii. M.)-
Beobachter : J. Bommer.
;;
Luf tdruck
1902 l|
i
Mittel
Minimum
Tag
Maximum
1 Tag
Januar n
562,6
1
545,9 ' 25.
1
571,8
8.
Februar '
555,0
548,8 1 9.
561,2
20.
Mftrz !|
557,8
548,4 1 23.
564,4
14.
April „
560.4
554,7 1 29.
567,4
21.
Mai
559,7
551,8 ; 19.
569,5
^•a
Juni |
563,5
553,7 8.
570,7
27. 28.
Juli j
567,4
559.2 21.
572,5
8.
August J
566,0
561,8
11.
569,4
6.
September '
566,1
557,2
30.
570,5
20.
Oktober ,;
562,2
555,6
17.
570,1
13.
November '
560,0
550,1 26.
566,6
14.
Dezember ||
559,9
561,7
544,0 1 30.
544,0 "ii.
1
569,3
24.
Jahr !|
'1
572,5
vn.
631
Station S&ntte.
902
Lu f ttemperatur
7*
lh
9h
B«d.
MitUl I
Minimum
Tag
Maximum
Tag
iar
uar
&
1
list
ember
>ber
*mber
mber
- 6,6 i-
,— 8,7 l- 6.7 -
|L_
6,2
0,3'
3,8 !
2.8 i
6.9!
5.9 |
4,8.
1,3,
2,5'
7,3 J
7,7
8,7 1
7,6 i
2,3 |
'» i,i
■■! 4,5
I! 3,6 1
i- 2.5 i
|!- 2,3 i
' 7,9 - 7,3 ;_
7,5-
8,0
7,7
2,4
5,3
1,3
4,8
3,8
2.4
2,2
3,7
8,2
2,9 1- 1,2 - 2,7 - 2,4
7,3
7,9
- 7,3
- 1,8
- 5,0
1,6
5,2
4,3!
3,0'
- 2,0'
- 3,4 |
- 7.9
-18,2
-16,4
-16,1
-11,0
-10,9
- 5,9
- 2,8
- 5,1
- 7,0
- 8,6
-11,3
-15,4
I
I
I
-18,2 I
26.
1.
10.
7.
8.
14.
11.
12.
28.
18.
18.
31.
- 0,5
- 0,8
- 1,4
3,5
6,1
11,8
15,0
13,4
13,1
6,1
3.1
I1,0
15~0
1.
27,
6.
28.
31.
30.
15.
19.
4.
9.
4.
17.
VII.
902
Relative Feuchtigkeit BewSlkung
I" — ,
il Tb I
1 h ! 9 h Mittel
Miuimum
Tag '
7h
lb
«A
MitUl
ar
uar
J8t
ember
•ber
?mber
mber
ip
77
86
80
88
96
88
86
91
82
87
69
82
76 I 75
84 | 87
83 ' 80
89 ' 93
96 I 97
92 , 89
84 I 92
89 ' 93
85 I 85
87 I 89
68 | 70
82 ; 82
J
76
86
81
90
96
90
87
91
84
88
69
82
84 I 85
20 i
42 ,
33 '
72 !
37 ■
32
29 ;
21
49 '
17 I
38 i
8. i| 5,9
5. | 6,3
13.
8.
6,5
7,1
30.31. ! 8,6
6,8
6,7
7.1
4,5
6,6
4,2
6,5
86 i 17
I
1.
13.
23.,
21.
24.
1.
12.
.[_ ...
II. ;| 64
6,3 i
7.3 i
6.6 ,
7.7 .
9,2 !
8.4 i
7.2 ,
8,0 ,
5,4 ;
7,4 >
4.3 !
6,2 i
5,5
6,8
5,4
6,4
8,9
7,1
6,9
7,8
5,0
7,1
3,3
5,5
5,9
6,8
6,2
7,1
8,9
7,4
6,9
7,6
5,0
7,0
3,9
6,1
7,0 6,3 6,6
I I
632
Station Santis.
1902
Januar
Februar
Marz
April
Mai
Jnli
August
September
Oktober
November
December
Jahr
1902
Niederaeblag
Smumf
Maximum
Tig
194
63
S40
155
348
239
216
254
184
266
50
352
2661
i
Zahl der Tage mil
IChllg
Schmt
85 2. 1 16.
10 7. |,15.
59 28. , 18,
50 3. 18.
54 17, u 26-
50 21 .('20.
30 21. '15.
42 11.
1.
14 16
15 15
17
is
■!l.
12..
IV.
6.
78 17.1.17.
17. 16
14 6
19 ' 6
31
45 14.
20 26.
10 5
181 19
1 6
15 17
85 L 'IflS-ffi 167
El-
wittv
Windverteilung
Zahl der Beobachtungen
NE
.1 Tiu.ir
i 1
Februar
1
Marz
8
April
2
Mai
5
Joui
7
Jnli
0
August
0
September
0
Oktober
2
November
1
Dezember
3
7
5 i
7 ,
2 i
2 ,
ii
0 I
2
5
V !
10 '
0
7
'A
2
0
2
0
0
1 I
1 I
?!
flw
1
16
2
10
4
2
5 I 61
11 35
8 •
15 I
6 i
7
10
4 I 22
8
14
10
5
14
11
15
13
51
35
43
24
64
58
39
41
24
19
Jahr
25 58 33 86 > 137 494
I
9
3
9 :
5
19 '
14 ,
15
9 I
3
8 "
7 i
18 ,
119 40 104
633
Station Sargans (507 M. a. M.).
Beobachter : J. A. Albrecht.
]
902
Lu
ftdruck
Bad.
Minimum Maximum
i
Mittel
i
Tag Tag
l
ar |
722,4
i
j 702,5
25.
i
735,5 | 15.
uar |
713,0
703,9
8.
720,3 1 21.
715,8
705,2
22.
724,1 1 17.
1 i
i
715,1
709,8
26.
723,5 21.
716,5
707,3
18.
727,6
25.
716,8
709,6
9.
724,1
23.
j
719,3
711,8
10.
725,4
29.
ISt
718,3
712,8
29.
723,0
22.
jmber
719,5
710,1
30.
725,5
20.
ber '
717,8
709,6
1.
728,4
24.
tmber
716,7
703,8
26.
724,2
14.
mber '
719,6
700,7
30.
730,4
23.
P 1
i
!
i
™ 717,6
""700.7
Xfl.
735,5
1.
1
902 i
i
1
Luftt
emperatur
~i\~r
lh 1 9h
1 1
Bed.
Mittel
Minimum Maximum
Tag j Tag
1
ar i
i
— 0,4 1
1
1 1
3,5 i 0,7
1.1
1 1
— 5,0 ! 31. I 9.1
3.
uar ,
- 0,6 i
3,7 , 0,9 -
1,2
— 9,6 1 2. ; 12,1
28.
2,2 |
8,0
3,71
4,4
— 2.7 1 11. 16,1
21.
I
8,4,
16,0
10,7
11,4
2,0 i 8. ! 23,2 i 20.
7 1 '
12,3
8,0
8,8
1,0 | 7.8. | 25,4 j 31.
i
12,8 '
20,0 l 14,0 i
15,2
7,4 , 16. 1 30,4 2.
!
15,3!
23,6 i 16,7 j
18,1
10,7 12. 1 31,9 i 15.
tst i
14,3 |
21,1 1 16,0,
16,8
7,6 12. | 29,8 1 19.
juiber ,
11,5 |
18,9 13.2 '
14,2
5,1 ■ 30. | 28,1
3.
ber ,
7,0,
11,5 ' 8,3 i
8,7
1,5 1 25.
20,1
9.
imber
2,0 1
6,9 i 3,4 '
3,9
— 6,0 i 22.
21,1 7.
mber '
-W|
0?4, - 1,6 i-
_ . . _ _ 1
- 1,2 — 8,6 | 10.
10,0 j 18.
1
6,5 j
12.2! 7,8,
~~8,6
-9,6| II.
~3t9_| m
1
■
i
.
|
i I
634
Station Sargans.
He
jlative Feuchtiffkeit Bewfilknng
1902
7*
Ift |
»*. Mmel MiDllD™
7H | ii
fk
M.inl
Januar
1 87
77 '
85 83 48 Sfcl fcl
4,5
4j|tf
Februar
i 90
77
85 84 ■ 48 t»=! 6,3
6,9
<W *J>
Mara
1 82
68 l
81 . 77 . 38 1 21.;, 5,6
77 , 74 ' 40 ;ll.*3.!i B,3
5,7
4,8 | 5t4
April
' 82
62 ,
5.4
e,s , W
Mai
88
68 ;
83 ! 78 i 26
31. : 6,8
3. P 5,2
7,5
7,9 ! 7.4
Juni
8*2
67 !
84 . 78 41
5,9
5,9 5,7
Juli
S3
64
84 ' 77 ' 33
6. " 4,8
4.1
5,3 | 4,fl
August
97
69
86 ' 81 ■ 50
19.H 5,1
5.4
6,6 5,7
September
90 '
72
91 84 | 49
3,1' 4,8
4.1
5,3 ! 4.7
Oktober
91
80
BO 87 56
9..
6,8
6,6
8,2 ' V!
November ;
89 1
72 ,
84 , 82 j 33
7. !
6,7
M
5,6 r 5.S
December
»l
79
i
85 1 83 J 40
29.
6,9
6,4
6T3
IS
Jahr
86 |
!
1
i
|
85 ~81
i
i
36
V,
!
1
63
M
•J
U
Niederacblag* Zahl tier Tags mit
1902
^nmai
. u "•
imum Niltfir- ,.. ' „ . | (l-
fttftti
NiilJ TrU
ft. b,
Januar
78
■ 23
, 27. ! 13- 12
9
0
0
0
8
8
Februar
31
■ 6
4. 11. 9
9
0
0
2
3
13
Mura
184
22
29. la 15 10
0
0
0
10
W
April
Mai
32
9
28. 10- ti 0< 0
0
0
3 11
188
25
1. 21.19 5
0
0
0
S
18
Juni
112
i 26
13. 18. 14 0
0
0
0
8
10
Juli
117
19
87. 17. 13 ' 0
0 4
1
7
6
August
129
' 49
i 2. 19. 15 ! 0
0 , 5
0
6
10
September
106
, 32
5. , 9. 8 ! 0
0 8
8
8
4
Oktober
84
i 18
6. 17, 12 : 0
o ! o
1
2
15
November
10
1 6
26, 5. 2' 2
0 ' 0
6
5
4
Dezember
201
1 48
19. 15.14 10
0 i 0 5
1 1
4
16
Jahr
1217
1 «f
1
i
1 , 1
0 IS 1 S3
1 1
1
67
jffl
i
i
1
685
Station
SarganB
Windverteilung
)02
!l
H
r.-
~ra~
Zahl der
Beobachtungen:
8
sw
w
NW
Citato
\r
:!»
0
13
4 9
i
0 ' 24
0
43
lar
0
0
13
1 < 15
0 ' 11
0
44
0
0
. 14
3 9
0 ' 30
0
87
°
0
1 12
4
22
0 : 19
1
82
! o
0
1 5
2
11
0 j 43
0
32
il °
0
, 7
4
13
0 ! 30
0
86
0
0
3
5
10
0 27
0
48
Ht
°
0
7
1 1 15
1 21
0
48
•niber
0
0
19 3 6
0 12
0
50
:>er
°
0
12 2 9
0 i 16
0
54
mber
il 0
0
; 21 1 4 | 16
0 ' 9
0
40
nber
i! 0
o
1 16 ' 7 1 8 ! 0 19
i ' i
2
41
r
!°
0
1142
40
143
1
261
3
605
G.
Station Vattis (951 M. tl. M.)
Beobachter: J. Graf.
636
Station Vftttia.
Lufttemperatur
1902
7h 1 lh
9b
Bed.
Mlttol
Minimum 1
Max imam
Tig
Januar
— 2,9
1,2
- 2,3
1
- l,6i-10,3
15.
1
7,3 I 1.
Februar
-2,7
2,1
- 1,2
- 0,8 —10,0
1.
10.2
28.
Marz
— 0,8
4,8
0.4
1,2 - 9,5
11.
11 A
20.
April
6,0
12,4
7.3
8,3 — 1,2
8.
18.8
15.
Mai
! 5,1
8,9
5,4!
6.2 - 1,0
8. ,
21,2
31.
Juni
I 11,8
15,8
11,1 1
12,4 3,9
16.
26,0
SO.
Juli
i 14,9
19,6
13,3 1
15,3 8,2
41.41 tt.
27,9
15.
August
. 11,7
18,0
13.41
14,1 , 4,8
12. ,
25,6
19.
September
■ 8,8
15,8
10.2
11,3 3,3
14. !
26,0
4.
Oktober
J 4,9
9,6
5,6,
6.4 - 0,7
30. 1
17.2
9.
November
0,7
5,4
1,9 |
2,5 — 8,8
22. ,
13,8
6.
Dezember
- 2,3
0,3
- 2,5
1
— 1,7 —13,0
6T-18,0
8.
8,8
12.
Jahr
; 4,6
XII.
1
27.9
Til.
1902
Relative Feucht
igkeit |
Bewtilkung
7h , lh | 9h
Mittol
Miuimam !
T»gl
7h
lh
9h JMittel
1
i
Januar
• 1 i '
81 ' 65 ' 80 75
35
ii
9. 12." 4,4
5,0
1
4,4 1 4,6
■ Februar '
81 ' 63 ' 81 , 75
29
23. i| 6,0
6,8
6,0 , 6,8
Marz |
79 i 59 | 82 73
25
6. i| 5,8
5,7
4,4 1 5.8
April
Mai
71 ; 47 ; 67 62
21
9.,! 5,8
5,8
5,4 I 5,7
73 57 75 ! 68
31
28. JO.1 6,7
8,4
7,0 7,4
Juni '
69 50 ' 73 64
12
29. !' 5,6
6,5
6,1
6.1
Juli
68 j 51 79 66
25
4." 4,4
5,0
5,2
4,9
August ,
81 51 77 , 70
33
19. ■: 6,2 6,5
6,7
6,5
September
85 56 ' 87 76
30
4. i 3.6 3,8
5,3
4.1
Oktober
84 i 62 83 76
28
4." 7.0 6,4
6,7
6'1
November
71 , 55 i 68 ' 65
32
30.1! 5,5 1 4,1
4,3
4,6
Dezember
75 70 , It
r
74
9
12. i
XIL!
1
!
6,0 1 5,8
5,4
5,7
Jahr
i
76
i
57 Vt
i
70
9
5,C
5,8
5,6
5.7
687
Station V&ttis.
Niederochlag [
Zahl der Tage mit
1902
Sununi
1 Jtfftxlrntim
Niidv-
Sthm
Hagil
*iit*r
Nihil
Klrltf
Trflh
a. b.
'
1
uar
71
! 22
2.1
IL 6.
10 f
0
0 j 2
12
9
mar
15
3
14.
9. 6.
8 i
0
0 ] 1
3
10
n
170
| 27
29 J
16. 13.
15 I
0
0 , 0
11
12
il
80
, «•
28.|
5. 4.
1
0
0 0
6
11
i
103
. 25
17 J
22. 17.
12
0
0 0
3
17
i
99
! 35
lS.i
13,11.
0
0
1 0
8
11
93
. 17
20J
14.12.
0
0
6 0
8
6
put
113
i 43
2,'
19. 17.
0
0
6 i 0
7
16
t ember
120
< 34
s-;
12, 10.
0
0
4 i 1
12
6
■ober
83
19
6<
14.11.
1
0
0 3
3
11
member
6
I 4
26. 1
3. 1.
2
0
0 2
10
8
.ember
113
1 20
20.;
mi
15. 12.
133, 12,
14
68
0
0
0
if
0
8
13
Jur
1006
1 43
91
138
Wind
rerte iluug
1902
Zal
til der
Beobachtungen :
N
XE
E
| SE
fi sw [ w
NW
Cilmin
nar
o
20
0
0
1
0 13 0 0
60
ruar
0
28
0
0
0 1 26 i 0 0
30
*z
0
25
0
0
0
14 ' 0 0
54
il
o
27
0
0
0
27 ' 0 0
36
i
0
40
0
0
0
16 | 0 0
37
o
39
0
0
0
13 ' 0 0
38
0
32
0
0
0
8 11 0
52
juet
o
31
o
0
0
23 1 0 0
39
tember
0
28
o
0
0
12 1 0 0
50
lober
1 0
26
o
1 0
0
22 1 1 0
44
re tuber
\ 0
14
0
' 0
0
33 1 1 0
42
.ember
I 0
18
0
0
0
17
0 1
57
ihr
1
1
328
o
0
1
1
0
22
4
3
1
539
638
Station Wildhaus (1115 M.Q.M.).
Beobachter: J. >*>f.
Luftdi
ruck
1902
Jfittal ,£
Muimm
Tug
Jiiiiuav
Februar
—
—
—
Mars
i
— ,
'
April
—
—
Mai
—
—
—
Juni
—
-^
—
Juli
—
—
—
Augiut
—
—
—
September
—
—
—
Gktober
- —
—
—
November
—
—
—
December
— —
—
—
—
Jahr
Lufttemp
eratur
1902 i
j
7*
lh *b i MlEl
Minimum
Tafl
T4
Januar
- 1,6
1,3
— 1,8
— 1,0
—10,6
15,
9.2
4,
Februar
- 2,9
0,8 — 2,0
- 1,5
- 9,8
17.
8.2
N-
Mars
- 0,2
3,4 \ 0,4
1,0
- 6,4
tl.
10,2
tiS
April
5,9
10,5 1 6 J
7,2
- 1,5
7,
16.4
tfl,
Mai
4,1
6,7 ' 3,7
4,6
— 1,8
6.
22,0
29.
Juni
11,0
13,8
9,5
11,0
3,8
4.
23,4
3.
Juli
14,7
18,1
13,3
14,8
6,7
11.
26,3
7.
August
12,9
16,2
12,1
13,3
2,4
12.
25,1
19-
September
9.9
13.9
9.7
10.8
M
28.
22,7
3-
Oktober
4,3
7,5
4,8
5,4
- 1,5
25.
1,71
9-
Nov ember
— 1,0
4,3
13
2,2
- 7,4
22,
13,9
7.
Dezember
- 1,7
0,1
~ 81
- 1.7
~47
- 1,2
-12,5
4.
9,0
17,
Jahr
4,8
5,6
-IS
,5
VL
a
6,3
va
639
Station Wildhaus.
Relative Feuchtigkeit BewClkung
7*
lb i »h .Mithill Mmi™ i
7 b | 1 t
MitUl
ef
- 8.0
- 6,5
— [! 6,9
- Ii 8,3
- 6,4
— " 5,2
. 6,4
; 5,0
7'5
;6,9
w
I
6,0
7,6
6,6
7.2
8,7
7'2
5,6
5,1
6,8
4,7
6,9
8.1
6,3
5,7
7.0 I 6,4
5,8 I 5,1
8.1 8,1
5,6 3,8
6,8 [ 6,7
6,8 6,1
I 5,7
7,4
1 5,9
; 7,0
8,4
6,6
I 5,5
6,6
5,3
7,9
5,0
6,5
<i,5
Niederschlag-
Zahl der Tftge mit
a,.mnt.' Maximum |J Aitdir- t . „ , Gi-
Siinaift Tfcg |(Ml| Scfciti Hiat| ^
NlbK Hliltr frW
er
116 |
41
212 |
56 |
244 ,
166 j
120 I
191
155
135
15
206
1767
36 2.
5 ,1.14.
35 ! 29. :
16 ' 3.
42 j I.
80 | 21t '
28 2.,
35 I 2,
44 5.
22
6
45
15
11
26.
2L
14.13
14.14
I«, 16
14.10
24.21
17.17
15.13
19.17
11.10
18. 17
4. 3
13.13
XII. ISL 1*4
I
13 0
13 0
16 ! 0 ,
2 I 0
18 i 0 '
0 ' 0 ,
0 I 0 ,
0 0
0 I ft
6 I 0 :
2 , 0
10 j 0
0
0 '
0 ,
Si
»l
6 '
2
0
0
0
1b
42 55
4
7
0
2
1
9
5
1
0
2
0
8
0
4
I
3
r>
7
7
0
6
7
B
5
II
13
14
14
23
15
6
16
11
13
9
14
164
640
Station Wildhaus.
1
Wind
verteilung
1902 1
Zahl der
Beobachtungen :
;
N
NE
E SE
1 8 1 8W ' W
NW
!
Januar ,
o
1
15
7
1
0 I 19
45
o
Febraar
0
0
28
5
0 ; 10
32
0 ,
Marz
0
4
11
2
0 ! 9
60
0 '
April
0
4
10
23
0 1 9
35
o
Mai
0
3
8
6
1 14 59
0
Jnni
0
3
9
21
0 ! 16 ! 33
0
Jnli
6
0
7 17
0 1 27 1 27
o
August
0
I
2
27
0 26 i 32
0
September
0
1
21
19
0 ! 17 ' 26
0
Oktober
0
2
20
14
0 1 13 38
0 1
November
0
4
32
16
0 ! 7 ! 28
0 '
December
o
o
7
30
35
196
3
160"
0
1
9
34
0
Jahr
1
176
449
0
JAHRBUCH
do-
St. Gallischen
Naturwisseoschaftlichen Gesellschaft
fur das Vereinyahr
1903
(1902— 1903).
Redaktion: Dr. G. Ambfihl.
^%
StGallen.
Zollikofer'sche Buchdruckerei.
1904.
(In Koxnmission bei dcr Fehr'schen Buchhandlung.)
1
> , ^?>- Inhaltsverzeichnis.
Seite
I. Jahresbericht Uber das Vereinsjahr rom 1. Juli 1902
bis 31. Oktober 1903, erstattet an der Hauptversamm-
lung vom 21. November 1903, von Dr. G. Ambuhl . 1
II. Xj bersicht iiber die im Jahre 1902/1903 gehaltenen Vor-
trage. Nach den Pro toko 11 en zusammengefasst vom
Aktuar Dr. H. Rehsteiner 23
III. Verzeichnis der zirkullerenden Zeitschriften .... 103
IV. Bericht uber den Schriftenaustausch and die Mappen-
zirkulation 1903. Vom Bibliothekar der Gesellschaft,
Konservator E. Bach ler 107
V. Akademien und Vereine, mit welcben die St. Gallische
Naturwissenschaftl. Gesellschaft in Tauschyerbindung
steht 112
VI. Verzeichnis der im Jahre 1903 eingegangenen Druek-
sehriften 118
VII. Bericht iiber das naturhistorische Museum, die bota-
nischen Anlagen, die Toliere und den Parkwelher. Von
Konservator E; Bach ler 129
VITL Beitrage zur Okologie der Feisflora. Untersuchungen
aus dem Curfirsten- und Sentisgebiet von Max Oettli 182
IX. Das Relief. Vortrag, gehalten bei Gelegenheit der tJber-
gabe des Santisreliefs an das Naturhistorische Museum
am 8. Januar 1904 in St. Gallen, von Dr. Albert Heim,
Professor 353
X. Beitr&ge zur Geologie der Umgebung St. Gallens
(Scliluss). Von Ch. Falkner und A. Ludwig. (Mit
15 Tafeln) 374
XI. Die Elbe (Taxus baccata L.) in der Schweiz. Von Prof.
Dr. Paul Vogler. (Mit einer Verbreitungskarte am
Schiuss des Bandes und 2 Tafeln) 436
Xll. Xotizen zur Naturgeschichte des Kan tons St. (fallen.
Von J. Friih, Zurich 492
XIII. Meteorologische Beobachtungen (Jahr 1903):
A. In Altstiitten, Beobachter: J. Haltner . . . . 499
B. „ Ebnat, Beobachter: J. J. Kuratle 501
C. ,, Heiden, Beobachter: J. J. N iederer . . . . 503
D. ,, St. Gallen, Beobachter: J. G. Kessler ... 506
E. Aut' dem Santis, Beobachter: J. Bommer . . . 508
F. In Sargans. Beobachter: J. A. Albrecht. . . . 511
G. „ Vattis, Beobachter: Graf 513
H. .. Wildhaus. Beobachter: J. Naf 516
J
I.
Jahresbericht
liber das Vereinsjahr vom i. Juli 1902 bis 31. Oktober 1903
erstattet an der
Hauptversammlung vom 21. November 1903
von
Dr. G. AmbQhl.
Unsere Gesellschaft kennt bis zar Zeit kein Vereins-
jahr von bestimmten, unverriickbaren Terminen; es fallt
nicht mit dem Kalenderjahr zusammen, sondern erstreckt
sich ungefUhr halftig iiber zwei Jahre. Entgegen dem
Wortlaut der Statuten wird aber die Jahresrechnung schon
langst auf 31. Oktober abgeschlossen. In der bestimmten
Erwartung, dass es der Gesellschaft im Laufe des nachsten
Fruhjahrs belieben werde, diesbeziiglich auf dem Wege
der Statutenrevision eine Anderung eintreten und das
Vereinsjahr allmalig mit dem Kalenderjahr zusammen-
fallen zu lassen, dehnt sich der vorliegende Prasidial-
bericht auf ein Ubergangsjahr von 16 Monaten aus, be-
ginnend mit dem 1. Juli 1902 und wie die Jahresrechnung
endigend mit dem 31. Oktober 1903. Das nachste Berichts-
jahr wiirde dann 14 Monate umfassen und vom 1. Januar
1905 an wiirde unser Vereinsjahr genau dem biirgerlichen
oder Kalenderjahr entsprechen, welche natiirliche Be-
grenzung uns mancher Schwierigkeit in der Datierung
des Jahrbuches, Missverstandnissen und Misshelligkeiten
bei der Bemessung und beim Einzug des Jahresbeitrages
2
entheben und das Gesellschaftsleben in einer bestimmten
Hinsicht auf eine neue Grundlage stellen wird.
Der Berichterstatter glaubte diesen Hinweis auf ein
in Ihrer Kommission bereits vorgebrachtes Projekt einer
Stat uten-Re vision der Hauptversammlung schuldig zu seinT
urn die Ausdehnung des heutigen Jahresberichtes liber
einen grosseren iZeitabschnitt zu begriinden und zu recht-
fertigen.
Wenn wir in altgewohnter Art zur Beantwortung der
Frage ubergehen, was unter der neuen Prasidialleitung
zur Erfullung unserer Vereinszwecke gearbeitet worden
und geschehen ist, so beschleicht den Sprechenden ein
leises Gefuhl der Beschamung, mit tausend Masten und
voller Hoffnung hinausgesegelt, und mit weit weniger
Masten und viel stillern Herzens zuriickgekehrt zu sein.
Ich wusste es, dass es ein Wagnis bedeuten wiirde, an
der Spitze einer grossen Gesellschaft Nachfolger eines
Mannes zu werden, der ein ausgedehntes Wissen, eine
machtige, zielbewusste Energie, eine hervorragendeStellung
als Lehrer und ein bedeutendes Mass an freier Zeit in
ihren Dienst stellen konnte, Vorziige, wie sie selten in
einem Manne vereinigt sind, was aber der Nachfolger
eines so seltenen Mannes, wie es unser Wartmann ge-
wesen ist, um so tiefer und schmerzlicher empfinden muss.
Manches, was wir im Berichtsjahre anzuregen und aus-
zufuhren beabsichtigten, ist unterblieben. Der launische
Wettergott hat uns den Sommer fiber einen bosen Streich
nach dem andern gespielt und die geplanten Ausfluge
jammerlich vernichtet. Statt zu wachsen, ist die Mit-
gliederzahl zuriickgegangen ; der Mann am Steuer kennt
das Rezept und das Geheimnis nicht, wie weitere Be-
volkerungskreise und wie namentlich die Jugend herbei-
gezogen werden konnen, um die durch den unerbittlichen
Tod in unsere Reihen gerissenen Liicken auszufiillen.
Wenn aber auch das erste Jahr nicht gehalten hat, was
wir von ihm erhofften, und seine Ernte weit hinter unseren
Erwartungen zuriickblieb, so wollen wir den Mut doch
nicht sinken lassen und getrost an die Arbeit eines neuen
Vereinsjahres herantreten, in der festen Zuversicht, dass
zu den bisherigen getreuen Mitarbeitern auch wieder junge,
frische Krafte sich gesellen werden.
Zur Entgegennahrae von Vortragen aus alien Ge-
bieten der Naturerkenntnis versammelte sich unsere Ge-
sellschaft im Zeitraum dieses Berichtes an 19 Abenden. Hie-
von waren drei Sitzungen geraeinsam mit der Geographisch-
kommerziellen Gesellschaft arrangiert, um in zwei Ab-
teilungen dem Vortrag von Herrn Prof. Heim aus Zurich
uber Neuseeland, dessen Geschichte und dessen Natur zu
lauschen, und am dritten Abend die Reiseschilderungen
des jungen Naturforschers Dr. Max Miihlberg von Aarau
aus dem malayischen Inselreiche anzuhoren. AVahrend die
Mehrzahl unserer Zusanimenkunfte in geschlossenen Lo-
kalen, im ^Bierhof", ,,St. Gallerhof*4, in den Salen zum
^SchifP und „Schutzengartenu sich abwickeln, tagten wir7
oder richtiger gesagt, ^nachtigten^ wir auch viermal
wahrend der schonen Jahreszeit ganz oder teilweise im
Freien, auf der luftigen Hohe des Rosenbergs, unter den
lauschigen Baumen beim sangeskundigen Mitglied Hof-
mann auf Mtihleck, am 6. September 1902 im gastlichen
Innern und am 6. August 1903 frierend und schlotternd
im Garten des „Flurhofsu.
Die Zahl der Teilnehmer an unsern Gesellschafts-
abenden schwankte auch dieses Jahr wie friiher innert
weiten Grenzen. Die Natur des Themas, die Person d^%
4
Lektors, das Wetter, das Lokal, der Zeittermin, Kolli-
sionen mit andern Anlassen beeinflussen den Besuch. Am
kalten Augustabend brachten wir mit Miihe und Not
25 Mitglieder im „Flurhof-Garten" zusammen; an der
Hauptversammlung erschienen dagegen 150 Mann, an der
Stiftungsfeier liber 200, und die mit der Geographischen
Gesellschafb gemeinschaftlich arrangierten Yortragsabende
waren von 200, 250 und 300 Damen und Herren besucht.
Die mittlere Teilnehmerzahl an unseren eigenen Veran-
staltungen betrug 72 gegen 75 im Vorjahr.
Die Neuerung, auf jeden Gesellschaftsabend stets nur
e i n e n Vortrag anzusetzen, entweder ganz allein oder in
Verbindung mit kurzeren Demonstrationen, bringt es mit
sich, dass jetzt auf ein Jahresprogramm weit weniger
Vortrage fallen als friiher.
So ist denn die nachfolgende Aufz&hlung dessen, was
im Berichtsjahre vorgetragen und diskutiert worden ist,
nach Disziplinen geordnet, eine recht diirftige Summe
gegeniiber fruheren, stattlichen Traktandenlisten, und ein
Gebiet, merkwiirdigerweise gerade dasjenige des neuen
Prasidenten, die Chemie, ist ganz leer ausgegangen, wenn
wir einen Hauptvortrag, der in zwei Grenzgebiete gehort,
bescheidenerweise in die Rubrik „Physiku einstellen.
1. Physik.
Dr. J. Werder: Uber die flussige Luft.
Prof. Dr. Renfer: Neue Bestrebungen auf dem Gebiete
der Leuchttechnik, inbesondere die Nernst-Lampen.
Prof. Dr. J. Mooser: Uber das Blau des Himmels.
2. Oeographie.
Prof. Dr. A. H e i m aus Zurich: Uber Neuseeland, seine
Geschichte und seine Natur.
Dr. Max Miihlberg aus Aarau: Yon meinen Reisen im
malayi8chen Inselreiche.
3. Zoologie.
E. B&chler, Konservator: Demonstrationen aus dem
Museum, betreffend Mimikry, Polymorphisms, Saison-
Dimorphi8mu8, Symbiose.
Dr. A. Gir tanner: a) Die Kolonie des Alpenseglers
(Apas melba L.) am Berner Miinsterturme und ihre
Vernichtung ;
b) Demonstration der neuen Ausgabe des Pracht-
werkes: Naumann, Naturgeschichte der Vogel Mittel-
europas von C. Hennicke;
c) Uber den Haussperling (Passer domesticus L.).
R. Henne am Rhyn jun.: Uber die Tierwelt Sumatras,
im besonderen Jagd und Fang des Tigers.
A. Inhelder, Seminarlehrer : Uber die Urtiere und das
Problem des Lebens.
4. Botanik.
Dr. Gr. Baumgartner: Zauber-, Heil- und Zierpflanzen
unserer einheimischen Alpentiora.
Dr. M. Rickli aus Zurich: Die Pilanzenwelt im hohen
Norden in ihren Beziehungen zu Klima und Boden-
beschafFenheit. (Im Jahrbuch erschienen.)
Theodor Schlatter: Vorweisung von neu aufgenom-
menen Photographien alter Baume.
Prof. Dr. PaulVogler: Uber einige neuere Untersuchungen
betreffend Entstehung der Arten.
Dr. H.Rehsteiner: Uber die Wassernuss (Trapa natans),
mit Demonstration lebender Exemplare aus dem Muzzano-
See im Tea sin.
5. Minoralogie.
E. Bachler, Konservator: Demonstration neuerworbener
seltener Mineralien aus dem Museum (u. a. weisser
Natrolith vom Hohentwiel).
6. Cteologle.
Prof. G. Allenspach: Die Wirkungen des fliessenden
Wassers in den Alpen.
Ch. Falkner, Reallehrer: Die Eiszeit und ihre Ab-
lagerungen in unserer Gegend.
A. L u d w i g , Lehrer : Topographisch-geologische Skizze
unserer Gegend mit besonderer Beriicksichtigung der
Molasse.
(Die beiden Vortr&ge sind in weiterer Ausarbeitung
als „Beitrage zur Geologic der Umgebung von St. Gallen"
teilweise im Jahrbuch 1901/1902 erschienen; das Schluss-
kapitel wird im Jahrbuch 1903 Aufnahme finden.)
7. Hygiene mid Medizin.
Dr. Richard Zollikofer: Die Ergebnisse der neuern
Malaria-Forschung.
Veterinar G. Baumgartner: Mitteilungen und Demon-
strationen aus dem Schlachthause (Kalbsfinnen, Schweins-
finnen, Leberegel, Melanismus von Schweinsknochen,
Actinomykose des Unterkiefers einer Kuh).
Ausser den im Jahrbuch aufgenommenen Arbeiten
sind einige andere, namlich die Vortr&ge von Dr. Werder ,
Prof. Allenspach, Dr. Richard Zollikofer und
Prof. Vogler durch den Abdruck in Tageszeitungen in
weitern Kreisen verbreitet worden, und der hiibschen
Studie Dr. Baumgartners uber alpine Zauber-, Heil-
und Zierpflanzen hoffen wir in erweiterter Form in einem
der nachsten Jahrbucher zu begegnen.
Unsorn auswartigen Mitgliedern, die weniger im Palle
sind, die Vortrage zu besuchen, haben wir im Sommer
1903 je einen Separatabdrack der Arbeit Dr. Zollikofers
iiber die Malaria gewidmet.
In gedrangter, iibersichtlicher Form wird unser Aktuar
Dr. H. Rehsteiner einen Bericht uber die una in diesen
* Vortragen gebotenen wissenschaftlichen Materien fiir das
Jahrbuch 1903 ausarbeiten.
Allen unsern Mitgliedern und Freunden, die sich als
Vortragende und Referenten um unsere Gesellschaft ver-
dient gemacht haben, entbieten wir hiemit unsern w&rmsten
Dank und verbinden damit den Ausdruck der Hoffnung,
dass sich jeder von ihnen zu einem gegebenen Zeitpunkt
wieder zur Mithulfe bereit erklaren moge! Mehr als je
ist ein eintrachtiges Zusammenwirken aller unserer Krafte
notwendig, wenn wir unsere Vereinigung auf der Hohe
erhalten wollen.
Wenn auch die projektierten Hauptexkursionen des
Sommers 1903, an den Fahlensee im Alpstein und in das
Gebiet der Wildbach-Verheerungen im Rheintal, infolge
der Witterungsungunst vereitelt worden sind, so gelangen
uns einige kleinere Ausfluge doch recht gut.
Am Nachmittag des 23. September 1902 unternahm
«ine zahlreiche Schar unter der altbewahrten Fuhrung des
Herrn Forstverwalter Wild eine Wald-Exkursion durch
den Sitterwald gegen Peter und Paul, unter gemutlichem
Abschluss auf jener aussichtsreichen Hohe.
Angeregt durch den Vortrag der Herren Falkner
und Ludwig tiber die geologischen Verhaltnisse der Um-
gebung St. Gallens vertrauten wir uns am Sonntag-Nach-
8
mittag des 24. Mai 1903 ihrer ortskundigen Leitung anT
urn das Gebiet zwischen Sitter und Hohentannen kennen
zu lernen, und liessen uns von ihnen im Schweisse unseres
Angesichts an alle interessanten Aufschlussstellen ftihrenr
bis uns schliesslich ein kuhler Trunk unter schattigen
Baumen fur alle Mlihsal entschadigte.
Ein getreues Fahnlein von 35 Mitgliedern leistete
am 22. September 1903 dem ergangenen Aufgebot Folge,
gemeinsam die schweizerische landwirtschaft-
liche Ausstellung in Frauenfeld zu besichtigen.
Unser Mitglied, Herr Prof. Wegelin, Lehrer der Natur-
ge8chichte am Ausstellungsort, unterzog sich in liebens-
wiirdigster Art der schwierigen Aufgabe, uns durch die
weit ausgedehnten Ausstellungsraume zu fuhren; aber
weder ihm, noch seinen dienstbereiten Kollegen gelang esr
in dem Menschengedrange das HaufleinNaturwissenschafter
beisammen zu balten. In kleinen Gruppen verteilte es
sich nach alien Richtungen, bis uns das Mittagsmahl in
der Festhutte wieder vereinigte. Wir haben von dieser
Generalmusterung der schweizerischen Landwirtschaft den
besten Eindruck gewonnen und mit nach Hause gebracht:
vorab war es eine Freude zu sehen, wie die Wissenschaft
mehr und mehr befruchtend auf die Kultur von Grund
und Boden einwirkt.
Nicht vergessen wollen wir schliesslich den Besuch
des Scholl'schen Beliefs der Kantone St.Gallen
und Appenzell im Regierungsgebaude, in der Mittags-
stunde des 16. Februar 1903. Der Einladung zu dieser
Besichtigung waren 60 Mitglieder gefolgt, von denen die
Mehrzahl kaum eine Ahnung hatte, dass ein sehenswertes.
Kunstwerk dieser Art existiert. Herr Bezirksforster Fenk
gab uns in freundlichster Weise Aufschluss iiber die Ge-
schichte und die Konstruktion des Reliefs. Hoffentlich
gelingt es einer spatern Zeit, das jetzt in einem abge-
legenen Eckzimmer aufgestellte, sehr instruktive Werk
des einheimischen Geoplastikers in einem neuen, gut be-
lichteten und freigelegenen Museumsraum allgemein zu-
ganglich zu machen.
Die beiden geselligen Winter- Anlasse, die
Hauptver8ammlung vom 15. November 1902 und die
84. Stiftungsfeier vom 27. Januar 1903 waren zahlreich
besucht und sehr belebt. Wir gedenken mit lebhafter
Anerkennung unserer stets dienstbereiten Sanger und
Musiker, die auch an diesen Abenden die Weihe der Kunst
iiber die frohe Versammlung ausgossen, wie auch unseres
liebenswiirdigen Humoristen, der Feder und Stift mit
gleicher Gewandtheit handhabt, oder der einen befreunde-
ten Stift in seinen Ideenkreis einfuhrt und dessen Produkte
geistig erganzt, um nach dem ernsten wissenschaftlichen
Akt die Gesellschaft mit spriihenden Funken von Laune
und Witz zu beleben und zu erheitern.
Ausser den Rahmen der bisherigen Tatigkeit unserer
Gesellschaft fiihrte uns eine Anregung unseres Mitgliedes,
Herrn Klingler-Scherrer, wir mochten uns zustandigen Orts
dafiir verwenden, dass fiir ein letztes Steinadler-Paar,
das laut eingegangenen Berichten im Sommer 1902 auf
der Alp Laui im Bezirk Werdenberg einen Horst be-
wohnte, in den abgelegenen, steilen Felsen der Kreuzberge
ein Refugium oder ein Freiberg geschaffen werde. Ge-
meinsam mit dem Prasidenten des Schweizerischen Alpen-
klubs, Sektion St. Gallen, richteten wir eine Eingabe an
die Departements-Abteilung fiir Jagd und Fischerei, es
mochte vorl^ufig fiir den Abschuss des erwahnten Adler-
paares keine Extra-Bewilligung erteilt werden, indem wir
10
beabsichtigen , in unsern Gesellschaften im Laufe des
nachsten Winters die Frage zu diskutieren, in welcher
Art und Weise einigen wenigen Vertretern einer stolzen
und schonen koniglichen Spezies ein letzter Zufluchtsort
vor ihrer ganzlichen Ausrottung geschaffen werden k6nnte.
Die Anregung ist dann aber gegenstandslos geworden,
indem wahrend des Herbstes 1902 und auch seither nichts
mehr von Steinadlern in jenen Bergen verlautet hat.
Noch zu Lobzeiten unseres verstorbenen Prasidenten
ist von dritter Seite aus an unsere Gesellschaft das An-
suchen gestellt worden, wir sollten der interessanten Frage
derAbflussverhaltnisse unsererAlpenseenim
Alpsteingebiete und im Oberland naher treten,
von denen einige. wie der Siimbtisersee, der Fahlensee
und der Wildsee, bekanntlich keinen sichtbaren Ablauf
besitzen. Da andernorts derartige Studien auf dem Wege
des Experimentes schon langst mit bestem Erfolg durch-
gefuhrt worden sind, und Klarhoit in bisher ratselhafte
Abflussverhaltnisse gebracht haben, so machten wir uns
im Vorwinter 1902 an einen ersten Farbungsversuch. um
den Ablauf des Sambtisersees festzustellen.
Wir fanden fur unser Vorhaben Verstandnis und leb-
hafte Teilnahme bei unseren eigenen Mitgliedern im Rhein-
tal und im Werdenberg, und bei der Standeskommission
und der Bevolkerung von Appenzell I.-Rh. Nachdem die
Beobachtung fur die Gebiete und Wasseradern des mog-
liclien Ablaufs sowohl in Briillisau als im Rheintal und
Werdenberg organisiert worden war, nahm am 5. Dezember
1902, an einem schneidig kalten, aber im Grebirge pracht-
voll hellen Wintertage, eine Kolonne von 5 Mitgliedern
unserer Gesellschaft die Farbung des beim herrschenden
Niederwasserstand deutlich sichtbaren Einlaufs des Samb-
11
tisersees in die Felsen seines Sudostufers vor, indem sie
30 Liter einer 10-prozentigen Fluorescein-Losung in das
der Felsspalte zueilende Bachlein goss. Tag um Tag
verging ; die gewaltige Menge des griinen Farbstoffes war
und blieb verschwunden. Endlich kam am 11. Dezomber,
genau nach sechsmal 24 Stunden, gleichzeitig telephonisch
und telegraphisch von zwei Beobachtern die Nachricht,
dass griingefarbtes Wasser im Miihlebach zu Sennwald
fliesse, und viele Tage, ja Wochen lang dauerte es, bis
alles griingefarbte Wasser aus den Felsenkluften des
Sambtisersees sich rheintalauswarts ergossen hatte. Da
in keinem andern Wasserlauf, weder in Innerrhoden noch
im Rheintal, Spuren von griinem Wasser zu analoger Zeit
aufgetreten sind, durfen wir mit Sicherheit schliessen,
dass der Hauptabfluss des Sambtisersees in den Miihle-
bach bei Sennwald, also gegen Sudosten in das Rheintal
und nicht gegen Norden in das Brullisauer-Tobel und
das Sittertal erfolgt. Das Experiment gab der Volks-
meinung Recht und denjenigen Geologen Unrecht, welche
es fur zweifellos erachteten, dass die Quellen im Briill-
tobel der Abfluss des Sambtisersees seien.
In ansprechender und ausfiihrlicher Form hat unser
Bibliothekar, Herr Konservator Bachler, der mit bei dieser
Farbungs-Expedition war und nach einigen Tagen noch-
mals das einsame Hochtal bis zum Fahlensee hinauf
besuchte, im Feuilleton des „St. Galler Tagblattesu ein
hiibsches Bild unserer schonen, frohen, und in ihren
Resultaten gedeihlichen Winterfahrt entworfen. und auf alle
tektonischen und geologischen Fragen hingewiesen, welche
bei diesem ersten Farbungs- Experiment in Diskussion
gekommen waren. Wenn es uns in den nachsten Jahren
vergonnt sein wird, dem ersten gelungenen Versuche
12
weitere folgen zu lassen, und auf diese Weise mit an der
Losung so uberaus interessanter Naturratsel in unserem
Vereinsgebiete mitzuarbeiten, so wird sich wohl in unseren
Reihen auch der Mann finden, der nach Abschluss der
Einzelversuche deren Endergebnis in wissenschaftlicher
Art fur unser Jahrbuch bearbeiten kann. Sollte es uns
noch diesen Winter moglich sein, einen zweiten Versuch
am Fahlensee auszufiihren, so mochten wir jetzt schon
unsere marschtuchtigen Mitglieder einladen, die Winter-
pracht im Gebirge mitanzusehen. Im andern Fall wollen
wir im Fruhsommer rechtzeitig einen schonen Tag be-
stellen und dann aber auch wagemutig festhalten, an dem
wir in starker Kolonne und freudigen Herzens iiber die
Alpen im ersten Blumenflor binaufsteigen zu dem dunkel-
griinen Seeauge, das die kiihnen Hange des Hundsteins,
des Schafbergs und des Altmanns wiederspiegelt.
In der geselligen Zusammenkunfl vom 5. August 1902
machte unser Aktuar Dr. H. Rehsteiner zum ersten Mai
eingehende Mitteilung iiber ein S&ntis-Relief, an dem
damals Prof. Albert Heim in Zurich arbeitete, das nicht
bloss die tektonischen und orographischen, sondern auch
die geologischen Verhaltnisse des Gebirges zur Darstellung
bringen sollte.
Schon damals regte sich der Wunsch in alien an-
wesenden Mitgliedern, es mSchte, wenn nicht das Original,
so doch ein kunstgerechter Abguss dieses Reliefs fur unser
stadtisches Museum gewonnen werden. Nachdem auch ein
zweites Kommissionsmitglied, Herr Bibliothekar Bachler,
der Konservator des Museums, von dem fortschreitenden
Werk EinSicht erhalten und mit dem Ersteller Unter-
handlungen iiber die Erwerbung angebahnt hatte, und
ausser diesen beiden Herren alle Mitglieder, welche das
13
Original-Belief zu Gesicht erhielten, sich iiber diese kanst-
volle und doch so naturgetreue Arbeit in ungeteilter und
einhelliger Bewunderung aussprachen, hielt es im Sommer
1903 die Kommission unserer Gesellschaft fur geboten,
ihrerseits die Initiative zur Erwerbung einer Reproduktion
des Heim'schen Santis-Reliefs fiir unser Museum zu er-
greifen. Der Appell an Behorden, Vereine und einen als
opferwilliger Kunstfreund bekannten Burger der Stadt
blieb nicht ungehort. An die von Prof. Heim fur seine
Vaterstadt besonders niedrig gestellte Ankaufssumme von
6000 Fr. sicherten uns Beitrage zu, die wir auch an dieser
Stelle nochmals warmstens verdanken:
Tit. Regierungsrat des Kantons St. Gallen 600 Fr.
„ Gemeinderat der St. Gallen .... 500 „
„ Verwaltungsrat der Stadt St. Gallen . 3000 „
,, Schweiz. Alpenklub, Sektion St. Gallen 600 r
Herr Oberst Paul Kirchhofer-Gruber . . 600 „
und in ihrer Sitzung vom 2. Oktober 1. J. beschloss unsere
Gesellschaft einmiitig, den verbleibenden Rest von 1000 Fr.
aus ihrer eigenen Kasse zu decken, so dass Ihr President
in dite gliickliche Lage versetzt war, am 3. Oktober bei
Herrn Prof. Heim eine Reproduktion seines Santis-Reliefs
zur beforderlichen Ablieferung an unser stadtisches Museum
definitiv bestellen zu konnen. Der Drehtisch zur Auf-
nahme des Reliefs, das auf Mitte Dezember fertig gestellt
wird, ist nach den Angaben und der Planskizze des Autors
an zwei tiichtige Handwerker zur Ausfuhrung iibergeben,
und nach Neujahr wird uns Prof. Heim durch einen Vor-
trag iiber Relief-Darstellung iiberhaupt in den Genuss und
das Verst&ndnis seines Spezial-Kunstwerks einfuhren und
ans an dessen Hand den Auf bau unseres imposanten Alp-
steinmassivs erl&utern. Wir freuen uns herzlich, dass es
14
uns gelungen ist, mit vereinten Kraften fur unsere Stadt
ein so bedeutendes Werk zu erwerben, an dem spater
alle Museumsbesucher Belehrung und reinen Naturgenuss
finden werden.
An den Schluss dessen, was unsere Gesellschaft im
Laufe des Berichtsjahres getan und geleistet hat, stellen
wir das Jahrbuch. In einem neuen Gewande, das auf
Veranlassung des Druckers der modernen Kunstrichtung
Rechnung tragt, prasentiert sich heute ein folgender Band
der tbrtlaufenden Serie unserer Publikationen, zum ersten
Mai unter dem kurzen, zutreffenden Titel „Jahrbuch",
welcher Name im Verkehr und im Text ubrigens frtiher
schon gebraucht worden ist. Der neueste Band ubertritft
an Umfang alle seine Vorganger bedeutend ; im Verlaufe
ihres Entstehens und Werdens sind drei der Einzelbeitrage
stets gewachsen, und die letzte Arbeit konnten wir un-
moglich mehr in toto authehmen, wenn das Opus noch
rechtzeitig fertig und nicht allzu umfangreich werden
sollte. Hoften wir, dass auch dessen Inhalt das Buch nicht
unwiirdig seiner Vorganger erscheinen l&sst!
An erster Stelle bringt das Jahrbuch das von Herrn
Konservator Emil Bachler seinem ehemaligen Chef und
Mentor im Museum geweihte Lebens- und Charakterbild
des verstorbenen Prasidenten Dr. B. Wartmann, das mit
grossem Aufwand an Arbeit, eingehend, getreu und liebe-
voll gezeichnet ist. Noch einmal erweckt das beigegebene
Bild uns die Erinnerung an den unersetzlichen Mann mit
den energischen und doch wohlwollenden Zugen. Er hat
es gewiss verdient, dass wir seiner in diesem Buche an
erster Stelle nochmals gedenken.
Auf die ublichen geschaftlichen Berichte folgen im
Jahrbuch vier grossere Original-Arbeiten. Die Reihe er-
16
offnet die Dissertation eines jungen Appenzeller Gelehrten,
Dr. Konrad Diem von Schwellbrunn, der mit dieser Arbeit :
^Unter8uchung iiber die Bodenfauna in den Alpen", den
Doktorhut an der Universitat Zurich erworben hat. Die
der Abhandlung zu Grunde liegenden zoologischen Studien,
ausgefuhrt unter der Leitung unseres Mitgliedes Prof.
Dr. C. Keller, betreffen zum Teil unser Vereinsgebiet, den
Alpstein und das Kalfeis: das ist der Grund; warum diese
streng wissenschaftliche Arbeit Aufnahme in unsere sonst
mehr volkstumliche Publikation gefunden hat.
Der zweite Beitrag: „Die Pflanzenwelt des hohen
Nordens in ihren Beziehungen zu Klima und Boden-
beschaffenheit" von Dozent Dr. M. Rickli in Zurich gibt
einen in unserer Gesellschaft beifallig aufgenommenen
Vortrag wieder. Als willkominene Erganzung des Textes
erscheinen zwei reizende Chromobilder : ^Arktische Matten-
formation" und „Arktische Zwergstrauchheideu, welche
Zeugnis ablegen von der Leistungsfahigkeit unsers ein-
heimischen Kunstinstitutes, das auf dem Wege des Bueh-
drucks Zeichnung und Farbentone der grossen Originale
mit wunderbarer Treue in der Verkleinerung reproduziert.
Die in unserer Sitzung vom 15. Marz 1902 vorgetragene
Arbeit unseres Mitgliedes Dr. Richard Zollikofer „Uber
Meteorologie und Influenzau unternimmt es, an eine neuere
Hypothese iiber die Ursache des plotzlichen Aufloderns
und der rapiden Ausbreitung der Seuche, wonach meteoro-
logische Verhaltnisse wesentlich mitspielen sollen, Kritik
und Nachprufung auf Grund unserer st. gallischen Auf-
zeichnungen anzulegen. Wir empfehlen diese lichtvolle
Darlegung dem nachtraglichen Studium bestens.
Die letzte Abhandlung, betitelt „Beitrage zur Geo-
logic der Umgebung St. Gallensa, aus der Feder unserer
16
Mitglieder Chs. Falkner und A. Lad wig, umfasst das
Resultat ihrer mehrjahrigen geologischen Studies und Ex-
kursionen und bildet fur alle Naturfreunde, die sich urn
die Bodengestaltung unserer engern Heimat interessieren.
eine hochst willkommene Gabe. Der Schluss dieser Arbeit
folgt im nachsten Jahrbuch, und es ist dafur gesorgt.
dass nach deren Vollendung die „Beitragefi auch als ein-
heitliches Ganzes erhaltlich sein werden.
Mit Befriedigung verweisen wir auf die dem Jahr-
buch beigegebene, wohlgelungene „Geologische Karte der
Umgebung St. Gallons", in deren farbigen Angaben und
Nachweisen eine grosse Summe von miihsam zusammen-
gebrachten Detail - Beobachtungen seitens der Autoren
Falkner und Ludwig niederlegt ist.
Allen Mitarbeitern an unserm neuen stattlichen Jahr-
buche entbietet der Berichterstatter, dem fur das abge-
laufene und zwei folgende Jahre mit der Prasidialleitung
auch das Amt der Redaktion oder wenigstens die Auf-
gabe der Beitragssammlung zugefallen ist, herzlichen
Dank; er gilt auch der meteorologischen Zentralstation
in Zurich, die uns jedes Jahr die Beobachtungen der
gleichen neun st. gallischen und appenzellischen Stationen
freundlichst zur Verfugung stellt.
Kaum ist der eine Band erschienen, und leider Gottes,
noch nicht einmal bezahlt, so beginnt schon wieder die
Sorge um deii folgenden. Wir haben fur das neue Jahr-
buch mit seiner Leibesfulle und den mehreren artistischen
Beilagen die Geldmittel unserer Gesellschaft stark, viel-
leicht liber Gebiihr in Anspruch genommen, und mussen
im nachsten Jahr zweifelsohne uns einen Generalpardon
ausbitten; aber wir leben der sichern Hoffnung, dass die
Einsicht der Mitglieder auch in Zukunft gern die Mittel
17
v&hren wird, um das, was im Kreise der Gesellschaft
raenschaftlich gearbeitet worden ist, in wtLrdiger Form
i Aus8tattung in den Jahrbiichern niederlegen und der
t- und Nachwelt erhalten zu kdnnen.
Wir wollen noch in kurzen Worten die internen
lgelegenheiten unserer Gesellschaft bertihren.
Die Mappen-Zirkulation nimmt ihren gewohnten
ng; tiber ihren Verlauf im speziellen und seine per-
ilichen Erfahrungen, die nicht immer angenehm sein
►gen, lassen wir den Herrn Bibliothekar in einem Separat-
richt sich aussprechen. Die wissenschaftlichen Mappen
d um zwei periodisch erscheinende Werke, das „Bio-
;ische Zentralblatt von Rosenthal" und die „ Acta mathe-
.tica von Mittag-Leffler", bereichert worden; zu den
herigen Zeitschriften der popularen Lesekreise sind
hrere abgeschlossene, illustrierte Werke getreten.
Leider kdnnen wir vom Mitgliederbestande Er-
uliches nicht melden. Wahrend wir am 30. Juni 1902
unserm Personal-Register 731 Mitglieder verzeichnet
iden, sind es deren heute nur noch 707; wir mlissen
o am ersten Jahresschlusse unter der neuen Prasidial-
:ung einen Riickgang um 24 Mitglieder beklagen. Da
, es wohl not, dass die andern Vorstandsmitglieder, die
a MenBchenfang vielleicht besser verstehen, als der
enbar zu gutmiitige und zu wenig energische President,
dessen Stelle das Amt des „Einpeitschersu iibernehmen,
d alien Mitgliedern mochte ich es warm ans Herz legen,
5S sie in ihren Bekanntenkreisen zum Eintritt in unsere
sellschaft aufmuntern, die im Laufe des Jahres doch
*iss manche Anregung, Belehrung und Unterhaltung
sten Sinnes bietet.
18
Durch den Tod sind aus unsern Reihen abberufen
worden folgende 15 Mitglieder:
Barlocher, Albert, Kantonsgerichtsprasident,
Beutter, Albert, Kaufmann,
Bischoff, Emil, Schuhhandler,
Bogler, Bernhard, Musikdirektor,
Erhardt, Direktor der Taubstummenanstalt,
Fehr Eugen, Buchhandler,
Glinz, Leonhard, zum „Schiffa,
Holderlin, Julius, Kaufmann,
Hosli, August, Adjunkt der Postdirektion,
Kleb-Diirler, Wilhelm, Zahnarzt,
Kttnzli, Theodor, Med. Dr.,
Salzmann-Heim, J., Kaufmann,
v. Susskind, Gottfried, Fabrikbesitzer,
Schartler-Lumpert, Jakob, Kaufmann,
Todtli, Wilhelm, Kantonsforster, Teufen.
Wir weihen alien Dahingeschiedenen ein Wort ehren-
den Gedenkens.
Weitere 44 Mitglieder haben sich aus verschiedenen
Griinden von der Gesellschaft abgelost. Es liegt uns fern,
im einzelnen Falle priifen und beurteilen zu wollen, ob
der Austritt innerlich begriindet war. Wir miissten es
nur hochlichst bedauern, wenn immer mehr Mitglieder keine
Befriedigung in unserm gemeinschaftlichen Streben, und
in dem, was wir dem Einzelnen bieten konnen, finden
sollten.
Glticklicherweise hat sich durch den Eintritt von 35
neuen Mitgliedern ein teilweiser Ersatz gefunden, der den
Rtickgang auf oben erwahnte Ziffer 24 reduziert,
Zum ersten Mai seit vielen Jahren stellt sich unsere
Jahresrechnung der Gesellschaft mit einem Defizit
19
vor. So geringfugig das Minus von Fr. 41. 20 erscheint,
ein Minus ist es doch, das' uns recht zu denken gibt.
Wir tragen uns fur die nachsten Jahre mit hochfliegenden
Planen, was wir alles anregen und durchfuhren mochten,
und stehen jetzt schon, das schone, unbezahlte Jahrbuch
in der Hand, vor einem Rechnungsausfall. Trosten kann
uns einzig der Gedanke, dass alle unsere wohlbelegten
Ausgabenim Interesse naturwissenschaftlicherBestrebungen
gescbehen sind, und die Hoffnung, dass sich spater fur
neue Aufgaben gewiss auch neue Mittel finden, wenn wir
unsere Mitglieder liberzougen konnen, dass wir Willens
sind, zu arbeiten und zur Arbeit anzuregen.
Da die Absicht besteht, die Jahresrechnung in Zu-
kunft vollinhaltlich dem gedruckien Geschaftsbericht an-
zugliedern, damit alle Mitglieder Aufschluss liber die uns
zufliessenden Geldmittel und die Art ihrer Verwendung
erbalten, sehen wir da von ab, hier schon Details der
Bechnung zu beriihren.
Gestatten Sie Ihrem Prasidenten nocb einen Blick
in die Zukunft und auf die ihm vorschwebenden nachsten
Aufgaben der Gesellschafb. Wie eingangs erwahnt, halt
die Kommission eine Revision unserer Yerfassung, der
Statuten, fur geboten und dringlich, um in Wesenheit
eine Anderung in der Zeitrechnung, der Uberfiihrung des
Vereinsjahres in das Kalenderjahr, zu veranlassen. Da-
mit wiirde eine andere Neuerung zusammenh&ngen : die
Ersetzung der bisherigen zwei Festanlasse zur Winters-
zeit, Hauptversammlung und Stiftungsfeier, die sich etwas
allzurasch folgen, durch einen einzigen Anlass im Monat
Januar, nach Schluss des Yereinsjahrs, zur Zeit des Stif-
tungstages, ein Anlass, in dem sich Wissenschaft und
Oeselligkeit konzentrieren konnten. Als Auftg\e\c\i %x
20
den Verzicht auf die H&lfte der bisherigen Geselligkeit,
schwebt uns vor die Verlegung unserer sommerlichen
T&tigkeit auf kleinere Ausfliige und grossere Exkursionen,
auf Belehrung und Erfrischung in der lebendigen Natur
unseres Vaterlandes, kombiniert mit wissenschaftlichen
Sitzungen in den einzelnen Landesgegenden, wie es unsere
„Kollegin von der Geschichteu schon langst mit bestem
Erfolg praktiziert.
Revidierte Statuten bilden bloss eine neue Form, die
wir auch mit neuem Inhalt fiillen mochten. Der Aufgaben
zur Erforschung der Natur unseres Yereinsgebietes sind
noch reichlich vorhanden. Neben der Fortsetzung der
geologischen, floristischen und zoologischen Bearbeitung
einzelner Landesteile und abgelegenen Gebirgstaler, wie
des Kalfei8} des Weisstannen- und des Schilzbachtales,
erinnere ich Sie beispielsweise an die Ausdehnung der
von Asper und Heuscher begonnenen Untersuchung zahl-
reicher Gebirgsseen in limnologischer und biologischer
Richtung, an die Untersuchung der Tor f moor e in
bezug auf die darin vokommenden Pflanzen und Holz-
arten, an die Untersuchung der vorhistorischen, post-
glacialen Bewegungen auf der Erdoberflache, alte
Wasserlaufe, alte Seebecken und alte Bergsturze. Grossere
Arbeiten dieser Art sind begonnen : Herr Dr. Hugo Reh-
steiner bemiiht sich um das Plankton des Bodensees und
traumt schon langst von einem zusammeniegbaren Schiff-
chen, das solche Studien auch in den Alpenseen erm6glicht ;
Herr Konservator Bachler belauscht die Naturgeheimnisse
des Kalfeisentals ; andere Aufgaben harren aber noch der
jungen frischen Krafte, die mit Unterstiitzung der Gesell-
schaft mutig und beharrlich sich zur Arbeit melden.
Im Jahre 1906 wird die schweizerische naturforschende
21
Gesellschaft sich zu Gaste laden bei ihrer Tochter in
St. Gallen, die sie, die Mutter, zum ersten Mai im Grundungs-
jahr 1819, dann wieder 1830 und 1864, und zuletzt im
Jahr 1879 besucht hat. Es leben noch manche unter
uns, die sich jener Tage hohen, geistigen Genusses und
edler Geselligkeit im Kreise benihmter Yertreter der
Naturforschung gerne erinnern. Unsere heutige Generation
wird es sich wiederum zur Ehre anrechnen, nach so langem
Zeitraume die schweizerischen Naturforscher empfangen,
einfach aber herzlich bewirten und beherbergen zu diirfen.
Wir wissen, dass die alten Herren, die schon anno 1879
bei uns gewesen sind, sich freuen, wiederum in St. Gallen
Einkehr zu halten, in dessen Mauern ja, wie unsere Jahr-
biicher ihnen kiinden, die Naturwissenschaften eifriger
und sorglicher Pflege gewohnt sind. Beniitzen wir die
kurze Spanne Zeit, die uns vom kommenden Feste trennt,
um unsern Gasten beweisen zu konnen, dass die alte
Tradition eifriger Pflege der Naturwissenschaft in unserer
Stadt sich erhalten hat und erhalten wird fur alle Zeiten.
Wir leben im Centenarjahr, das bald zur Neige geht.
In der Denkschrift, welche die hohe Regierung zur Feier
des hundertjahrigen Bestandes des Kantons St. Gallen
ihrem Volke gewidmet hat, behandelt ein Abschnitt iiber
die Wissenschaften auch die Geschichte der Naturwissen-
schaften in unserem Heimatkantoo, die zum grossen Teil
die Geschichte unserer Gesellschaft ist. Wir danken
dem Historiker, den wir mit Stolz auch unser Mitglied
nennen, fur die verstandnisvolle Darstellung des vielseitigen
Strebens und Wirkens der einzelnen st. gallischen Natur-
forscher und ihrer Vereinigung in unserer Gesellschaft. An
uns ist es nun, furzusorgen, dass die frohe Hoffnung nicht zu
Schanden werde, d ie Prof. Dierauer ausspricht in den Worten:
22
„E8 besteht kein Zweifel, dass Wartmanns impulsiver
Geist in den naturwissenschaftlichen Kreisen St. Gallons
fortwirken, und dass die Erinnerung an seine Arbeits-
energie den Ansporn zur unausgesetzten weiteren Er-
forscbung jener R&tsel bilden werde, die sicb mit den
wunderbaren, ewig wecbselnden Erscbeinungen im Reiche
der Natur verknxipfen."
II.
Obersicht
fiber die im Jahre 1902/03 gehaltenen Vortr&ge.
Nach den Protokollen zusammengefasst
vom
Aktuar Dr. H. Rehsteiner.
Einen Experimentalvortrag, der das Interesse weitester
Kreise in hohem Masse zu fesseln wusste, hielt Heir Dr.
Werder, Adjunkt des Kantonschemikers. Er sprach in
eingehender, auch fur den Laien in der chemischen Wissen-
schaft verstandlicher Weise iiber das neueste Nass der
Gegenwart, die flussige Luft.
Die BeschafFung fliissiger Luft zu Demonstrations-
zwecken war in St. Gallen, wo keine Luftverfltissigungs-
apparate sich befinden, keine sehr einfache Sache trotz
des billigen Preises von einer Mark fur einen Liter der
merkwiirdigen Fltissigkeit. Bis jetzt existieren keine
Transportgefasse, wetehe das Versenden auf grosse Ent-
fernungen gestatteten ; der Vortragende musste daher den
gefahrlichen Stoff personlich in der Versuchsstation der
Aktiengesellschaft fiir Lindes Eismaschinen in Hollriegels-
greuth-Grunwald bei Munchen abholen. In gewaltigen
Kompressoren wird dort Luft auf 200 Atmospharen kom-
primiert und kann nach dem Passieren von Kiihlanlagen
aus sinnreich konstruierten Gegenstromapparaten literweise
abgelassen werden. Zur Auf bewahrung dienen versilberte
doppelwandige Glasballons, deren Offnung eine so inten-
sive Kalte entstromt, dass sich die atmospharische Feuchtig-
24
keit als hartgefrorener Schnee auf dem Flaschenhals nieder-
schlagt. Der Flascheninhalt ist eine wasserhelle Flussig-
keit, die beim Ausgiessen auf den Boden gewaltig kocht,
in Tropfen versprtikt und sich unter starker Dampf-
entwicklung verfliiohtigt, ohne eine Spur von Nasse zu
hinterlassen. Ungefahr acht Tage halt sich die fliissige
Luft in diesen offenen, ca. zwei Liter haltenden Glas-
ballons bei gewohnlicher Temperatur.
Der Vortragende verbreitet sich zuerst liber die all-
geineinen theoretischen Grundlagen der Gasverfliissigung.
Jede Anderung des Aggregatzustandes ist als eine Wirkung
der Warme aufzufassen. Im allgemeinen geniigt hin-
reichende Abkiihlung, um alle Korper fest, hinreichende
Erwarmung, um alle gasformig zu machen. Dass dies
in praxi noch nicht durchwegs gelungen ist, beruht nur
auf der Unzulanglichkeit unserer Warme- und Kalte-
erzeugungsmittel, die Temperaturen zwischen ca. 2500°
Warme und — 230° Kalte hervorbringen konnen. Die
Gase Wasserstoff und Helium widerstanden bisher der
Verflussigung, die festen Korper Kohlenstoff und Molyb-
dan der Vergasung. Schon zu Anfang des vorigen Jahr-
hunderts war es Davy und Faraday gelungen, eine Beihe
sogen. permanenter, d. h. nicht kondensierbarer Gase zu
verfliissigen durch gleichzeitige Anwendung von erhohtem
Druck und Abkiihlung. Andrews wies in den Sechziger-
jahren an klassischen Versuchen mittels Kohlensaure nach,
dass es fiir jeden Korper eine bestimmte Temperatur gibt,
oberhalb welcher er nuf in gasformigem Zustand existieren
und durch keinen noch so ungeheuren Druck verfliissigt
werden kann. Um ein Gas in den tropfbar flussigen
Zustand iiberzufiihren, ist es also notig, unter gleichzeitiger
Druckerhohung diese Temperatur zu unterschreiten. Diesen
Druck nennt man den kritischen, die Temperatur die
kritische. Bei — 140 °, der kritischen Temperatur der Luft,
bedarf es nur noch des kritischen Druckes von 39 Atmo-
spharen, um ihre Verflussigung herbeizufuhren. Bei ge-
wdhnlichem atmospharischem Druck muss man auf — 191°
heruntersteigen, um die Luft in fliissigem Zustand zu er-
halten. 1877 gelang die Verflussigung von Sauerstoff
gleichzeitig den beiden Forschern Cailletet und Pictet,
vorerst zwar nur in minimen und voriibergehenden Mengen.
Erst 1883 stellten Wroblewsky und Olzewsky grossere
Mengen von Sauerstoff, Stickstoff, Kohlenoxyd und Luft
in statischem Zustande dar und erreichten mittelst sieden-
dem Athylengas Temperaturen von — 150°. Nach Wro-
blewskys tragischem Tod — nicht etwa verursacht durch
eine Explosion bei seinen in hohem Grade gefahrlichen
Experimenten, sondern die Folge starker Brandwunden,
verursacht durch eine umgesttirzte, brennende Petroleum-
lampe — ging sein geistiges Erbe auf seinen bisherigen
Mitarbeiter Olzewsky iiber, dem es gelang, bei einer kri-
tischen Temperatur von — 234,6° und 20 Atmosph&ren
Druck den Wasserstoff zu verfltissigen und dessen Siede-
punkt von 243,6° Celsius zu ermitteln. Die tiefste von
ihm und iiberhaupt bis jetzt erreichte Temperatur betragt
— 263,9° Celsius.
Zuerst betrieb Pictet in seinen K<elaboratorien zu
Berlin und Paris die Fabrikation fliissiger Gase im grossen,
auch die Herstellung fliissiger Luft. So reihte sich auf
dem Gebiete der Gasverfliissigung Erfolg an Erfolg in
stufenmassiger Entwicklung. Ein wichtiges Problem harrte
noch der Losung und das war die Herstellung billiger,
fliissiger Gase fur die Industrie und Technik. Den vorhin
beschriebenen Methoden ist mit wenigen Ausnahmen ein
26
Prinzip gemeinsam: Erzeugung niedriger Temperaturen
durch Entziehen latenter W&rme.
Da trat im Jahre 1895 eine entscheidende Wendung
ein. Es war im Mai, als Professor Linde in Mimchen
einer Versammlung von Physikern, Chemikern und Tech-
nikern eine Masohine im Betrieb vorfiihrte, verbiiiffend
einfach in der Konstruktion, verbliiffend gross aber in ihren
Leistungen. Die Maschine, aus einem Luftkompressor
and zwei Warmeaustauschapparaten bestehend, lieferte
in der Stunde mehrere Liter fliissige Luft auf billigem
Wege und gab zugleich die Moglichkeit, die- tiefsten
Temperaturen zu erreichen, die (iberhaupt zu erreichen
sind. Lindes Methode beruht lediglich auf der Nutzbar-
machung der Abkuhlung, welche ein Gas erfahrt, wenn
es sich arbeitend ausdehnt. Lasst man Luft aus einem
Gefasse, in welchem sie z. B. bei 0 Grad auf 26 Atmo-
spharen komprimiert ist, durch einen Hahn mit regulier-
barer Ofihung in ein zweites Gefass ausstromen, in dem
der Druck auf 6 Atmospharen erhalten bleibt, so kiihlt
sie sich um ca. 6 ° ab. Diese Luft benutzt man zur Vor-
abkuhlung neu zustromender, auf 25 Atmospharen kom-
primierter Luft, welche dann bei ihrer Entspannung auf
5 Atmospharen auf ungefahr — 10 ° kommt. Diese Luft
dient wieder zur Vorkuhlung und liefert so die Luft von
— 15° usw. Die Luft zirkuliert dabei in einem ge-
schlossenen Apparate in der Weise, dass die bereits expan-
dierte, abgekiihlte Luft in einer weiteren Umhiillungs-
rohre der in einem inneren Rohre nachstromenden hoch-
gespannten Luft entgegengefiihrt wird.
Linde lasst die Luft in seinem Apparate von 200
auf 60 Atmospharen abfallen, wobei er eine Abkuhlung
derselben um ca. 37 ° Celsius erreicht. Neben der Luft-
27
verflttesigung gestattet Lindes Verfahren auch eine ele-
gante Trennung der beiden Hauptbestandteile der Luft,
des Sauerstoffs und des Stickstoffs. Die anf&nglich er-
haltene fliissige Luft ist eine durch feste Kohlens&ure
milchig getriibte Fllissigkeit. In rein em Zustand erscheint
sie schwach blaulich und wird um so blauer, je mehr sie
sich an Sauerstoff bereichert. Will man Luft bei gew6hn-
licher Temperatur fliissig auf bewahren, so miissen beson-
dere Vorsichtsraassregeln getroffen werden, um die Aussen-
warme Borgfaltig von ihr abzuhalten. Zu diesem Zwecke
fiillt man sie in besonders konstruierte, doppelwandige
Glasflaschen ab, bei welchen der Baum zwischen den
doppelten W&nden moglichst vollkommen luftleer gepumpt
ist. Da der luftleere Raum die Warme nicht leitet, so ist
ein Eindringen ausserer Warme sozusagen ausgeschlossen.
Um aber auch weitere Verluste durch W&rmestrahlung
zu vermeiden, sind die Innenseiten der W&nde versilbert.
Sie wirken so wie Spiegel und werfen die andringenden
Wftrmestrahlen zuriick.
Die iiber alle Begriflfe niedrige Temperatur der fliissigen
Luft gestattet die Anstellung einer Reihe von geradezu
verbliiffend wirkenden Experimenten. Eis, das man sonst
ja als Inbegriff aller Kalte zu betrachten pflegt, bringt
beim Einwerfen in fliissige Luft diese ins lebhafteste
Kochen. Die Wirkung ist ganz ahnlich derjenigen, die
die ein Stuck gluhendes Eisen beim Eintauchen in Wasser
hervorruft. Das fliissige Metall Quecksilber wird, da sein
Erstarrungspunkt schon bei — 39° liegt, beim Begiessen
mit fltissiger Luft augenblicklich fest. So gelingt es,
Quecksilber in Form eines Binges langere Zeit an einer
Schnur aufzuhangen und mit einem Hammer aus ge-
frorenem Quecksilber sogar Nagel in eine Wand einzu-
schlagen. Ein Kautschukschlauch, in fliissige Luft ein-
getaucht, ist nach kurzem Liegenlassen in derselben glas-
hart geworden und zerspringt, mit einem Hammer ge-
schlagen, in Scherben, deren Kanten so scharf sind, dass
man sich an denselben scbneiden kann. Taucht man
einen Gummiball in fliissige Luft, so verliert er seine
Elastizitat vollstandig und springt beim Aufwerfen auf
den Boden in hundert Stucke, die erst allmahlich wieder
weich und elastisch werden. Ebenso wird ein Blumen-
strauss beim Begiessen mit flussiger Luft hart wie Olas
und l&sst sich mit Leichtigkeit zu einem feinen Pulver
zerreiben. Ein Pokal aus Blei gibt, mit flussiger Luft
abgekiihlt, beim Anschlagen mit einem Holzkloppel einen
hellen, weithin nachklingenden Ton. Giesst man Alkohol,
dessen Erstarrungspunkt bei — 130° Celsius liegt, in
fliissige Luft, so erstarrt er zu festen Tropfen, die beim
Anstossen mit einem Glasstab klirren. Ein glimmender
Holzspan, in den liber der flussigen Luft stehenden Dampf
eingehalten, f angt lebhaft zu brennen an und brennt mit
intensiver Flamme weiter, wenn man ihn in die Fliissig-
keit eintaucht. Das ist eine Folge des hohen Sauerstoff-
gehaltes der flussigen Luft, der schon beim Austreten
derselben aus dem Gegenstromapparat 50 Prozent betragt
und sich, wie erwahnt, bei langerem Stehenlassen infolge
der leichteren Verdampfungsfahigkeit des Stickstoffes noch
mehr erhoht. Mischt man lose zerzupfte Baumwolle mit
etwas pulverisierter Holzkohle und begiesst das Ganze
mit flussiger Luft, so verbrennt der Wattebausch, mit
einem glimmenden Span beriihrt, unter puffendem Ge-
rausch mit intensiv leuchtender Flamme. In geeigneter
Weise mit einem Zundhiitchen zur Verbrennung gebracht,
iibt eine solche Watte-Holzkohle-Patrone eine ahnliche
Sprengwirkung aus wie Dynamit. — Zahlreiche Versuche,
welche die Verwendung der fliissigen Luft bezw. des bei
dem Linde'schen Luftverfliissigungsverfahren gewonnenen
konzentrierten Sauerstoffs und Stickstoffs betreffen, wurden
in der Folge gemacht.
Auf rein wissenschaftlichem Gebiete erwarben nament-
lich die Arbeiten Dewars besonderes Interesse. Es gelang
ihm, durch wiederholte starke Abkiihlung den Magne-
tismus eines permanenten Magneten uni 30 bis 50°/o zu
erhohen. Zum Messen tiefer Temperaturen, sowie zu
ausserst genauen Ermittelungen der Schmelz- bezw. Er-
starrung8punkte verschiedener bisher nur schwer zum Er-
starren zu bringender cbemischer Substanzen wurde fliissige
Luft verwendet.
Aber auch die Technik ist bestrebt, sich diesen wert-
vollen Stoff in verschiedenster Weise nutzbar zu machen
und der Linde'sche Verfliissigungsapparat wird voraus-
sichtlich zur Ausbildung eines neuen Zweiges der Chemie,
der Kryochemie, fiihren. Sprengstoffe aus flussiger Luft,
in Verbindung mit leicht oxydierbaren Substanzen, Oxy-
liquite genannt, zeichnen sich durch relative Ungefithr-
lichkeit aus; in Steinkohlenbergwerken kann die die Spreng-
fltissigkeit liefernde Maschine gleichzeitig eine sehr sauer-
stofFreiche Luft in die tiefen Schachte hinabfuhren.
Mit Vorteil soil sich fliissige Luft als Treibmittel fur
Motoren und Maschinen verwenden lassen, namentlich in
Krafterzeugungswerken mit schwankendem Bedarf, elek-
trischen Zentralen. In der Chlor- und Schwefels&ure-
industrie wird der Linde'sche Apparat voraussichtlich er-
staunlichen Umwalzungen rufen, fur technische Ktihl- und
Gefrierzwecke steht fliissige Luft bereits in Verwendung.
Auf hygienischem Gebiet wurde sie zur Erzeugung sauer-
30
stoffreicher, angenehm kiihler Zimmerluft vorgeschlagen;
auch zu Desinfektionszwecken erhoffit man von ihr gute
Dienste.
Linde selbst tragt sich nicht mit ubertriebenen Hoff-
nungen auf die Erfolge seiner Erfindung, aber sicher ist,
dass sie sich ein grosses und weites Feld in Industrie
und Technik erobern wird.
Mit pbysikalischen Eigenschaften der Luft, dem Blau
des Himmels, machte uns Herr Prof. Dr. Mooser ver-
traut, der, obwohl ein allzu herbes Geschick ihm das
leibliche Sehen versagte, doch ein lebendiges inneres Licht-
leben fuhrt, das ihm gestattet, hie und da von seiner
Fiille in Form von wohldurchdachten Vortragen auf
unsere Qesellschaft ausstrahlen zu lassen.
Das jedermann bekannte sogenannte Blau des Himmels
ist eine meteorologisch-optische Erscheinung, welche an
alien Orten der Erde, wo der Himmel klar und wolken-
frei ist, beobachtet wird. Am starksten ist die blaue
Farbe des Himmels senkrecht uber dem Beobachtungsort,
in den Tropen ist es gesattigter als in hohern geographischen
Breiten und auf den Bergen dunkler als in der Ebene.
Im Altertum war man der Meinung, das Blau des
Himmels sei die Farbe der kristallenen Hohlkugel, an der
die Fixsterne befestigt sein soil ten. Als man spater die
Rolle, welche die Erde unter den andern Himmelskorpern
spielt, kennen lernte und auch zur Erkenntnis kam, dass
der leere Himmelsraum absolut dunkel, also schwarz sein
mus8e, da verlegte man die Entstehungsursache der blauen
Farbe des Himmels in die Lufthulle der Erde. Von dieser
Zeit an bis in die Neuzeit bildete die Erklarung der Ent-
stehung des Blau des Himmels ein schwieriges physika-
31
lisches Problem. Den verschiedenen diesbeziiglichen Er-
klarungsversuchen lag folgende Idee zu Grunde : die reine
Lufb wurde als absolut farblos angenommen, die unsicht-
baren Teilchen anderer Stoffe, namentlich des Wasser-
dampfes, welche in ihr suspendiert sind, sollten aus den
auf sie fallenden weissen Lichtstrahlen haupts&chlich die
blauen Strahlen an ihrer Oberflache reflektieren. Diese
Strahlen sollten der Atmosphare ihre Farbe geben. Es
gibt aber keinen einwandfreien Beweis fur die Richtig-
keit der Annahme, dass die der Luft beigemengten Parti-
kelchen anderer Stoffe hauptsachlich nur blaue Strahlen
reflektieren.
Einleuchtender und zugleich ausserordentlich einfach
ist die neue Anschauung iiber die Entstehung des Blau
des Himmels, wonach namlich die Farbe des Himmels
nichts anderes ist, als die Farbe der Luft. Es ist experi-
mentell festgestellt worden, dass die Dampfe von Fliissig-
keiten, welche keine chcmischen Veranderungen erleiden,
die gleiche Farbe besitzen wie die Flussigkeiten. Es
zeigte sich nun, dass der fliissige Sauerstoff, der fast Vs
der Atmosphare ausmacht, blau, der fliissige Stickstoff
(ca. 4/s) gelblich und die fliissige Lufb blaulich ist, also
auch atmospharische Luft eine blaue Farbe haben muss.
In den letzten Jahren sind in der atmospharischen
Luft ausser Sauerstoff und Stickstoff noch sieben andere
Gase, nftmlich Xenon, Argon, Kohlensaure, Wasserstoff,
Neon, Helium und Kripton aufgefunden worden, die alle,
mit Ausnahme des Xenons, leichter sind als Sauerstoff und
Stickstoff, deshalb in grosseren Quantitaten nur in den
oberen Partien der Atmosphare vorkommen, was durch
die spektroskopischen Beobachtungen an Feuerkugeln,
Sternschnuppen und an Polarlichtern bewiesen wird. Die
32
Farben dieser Gase andern aber die Mischfarbe der haupt-
sachlich aus Sauerstoff und Stickstoff bestehenden Luft
der untern Schichten der Atmosphere nicht so sehr, dass
die Annahme, es sei die Mischfarbe aller Gase der Atmo-
sphare blau, unrichtig ware.
Die Gestirne, die wir durch das blaue Medium hin-
durch betrachten, mtissten alle blau erscheinen, wenn nicht
das menschliche Auge die Fahigkeit hatte, infolge der
Empfindung einer Kontrastfarbe das physikalisch erzeugte
Blau durch Ansehung des komplementaren Gelbs wieder
auszugleichen.
Bei Fohnwetter erscheinen die fernen Gebirge blau
gefarbt, weil die Fohnluft Ozon enthalt. Dieses Gas, das
von blauer Farbe ist, vermehrt die Intensitat der Farbe
der Luft, weshalb man an solchen Fohntagen die fern-
gelegenen Gegenstande durch ein starker blau gefarbtes
Medium hindurch schauen muss, als dies bei gewfthnlicher
Luft der Fall ist.
Kehren wir wieder zur Erde zuriick und lassen wir
uns von Herrn Professor Allenspach iiber die Wir-
kungen des fliessenden Wassers in den Alpen be-
richten.
Als Einleitung machen wir unter der Ftihrung des Vor-
tragenden eine Reise von St. Gallen nach der obern Sand-
alp im Kanton Glarus, wobei wir auf die Spuren, die das
flie8sende Wasser iiberall in der Landschaft zurticklasst, auf-
merksam gemacht werden. Da sind zuerst die steilen, losen
Hange des Galgentobels, dann die weite, flache Rheinebene
mit ihren in den See hinausragenden Landzungen, die
Schuttkegel an den Mundungen der Seitentaler und Bache
im Gebiet der Seez und des Walensees, der kurze Escher-
33
kanal mit ziemlich starkem Gefalle, der lange aber flachere
Linthkanal, das enge, tief eingeschnittene Tal oberhalb
Glarus und das von hohen steilen Wanden abgeschlossene
scheinbare Ende desselben hinter Tierfehd. Doch auch
da geht es weiter, die Linth zeigt uns den Weg und in
ihrer engen, schmalen Schlucht geht es aufwarts zur
untern Sandalp. Hier fliesst der Sandbach als stilles, klares
Wasserlein und seinem Laufe folgend kommen wir wieder
zu einer Stelle, wo hohe Felswande das Tal kesselartig
abschliessen. In diesen Felsen hat das Wasser sich noch
keinen schluchtartigen Weg eingefressen, es stiirzt in losen
Wasserfallen an ihnen herunter. Doch ein Weg fiihrt auch
an diesen Wanden hinauf und endlich ist unser Ziel, die
obere Sandalp, erreicht.
Wir wenden uns nun zuriick und fragen uns: Wo
sind wir den Wirkungen des iliessenden Wassers auf
unserer Beise begegnet und wie haben wir uns dieselben
zu erklaren?
Vom Begen, der in der Ebene fallt, wird ca. J/s vom
Humusboden aufgesogen, der zweite Drittel verdunstet
und der dritte Teil fliesst ab. Anders ist es in den Bergen.
Da schiitzt keine Humusdecke das Gestein vor den Ein-
flxissen der Witterung und des Wassers, letzteres dringt
in alle Spalten ein, gefriert oft, sprengt dadurch die
Felsen und bewirkt so im Verein mit Lufb und Pflanzen
eine langsame Verwitterung des Gesteins. Bei der Steil-
heit der Hange ist die Menge des abfliessenden Wassers
eine viel grossere als in der Ebene, es besitzt darum auch
mehr Energie und fuhrt die Verwitterungsprodukte, kleine
Steine, Geroll und Sand, mit sich zu Tal. Dieses Schutt-
material wirkt besonders weiter unten, wo es von einer
grosseren Wassermenge geschoben wird, stets vertiefeud
34
und ausfeilend auf das Bachbett. Selbst in die hartesteo
Felsen schneidet sich der Bach mit Hilfe seines GerSlls
im Laufe der Jahrtausende einen tiefen Weg.
Diese Wirkung des fliessenden Wassers nennt man
Erosion; vereint mit der Verwitterung bewirkt sie die
Denudation, Abtragung. Der Bach und sein Geschiebe
formen die Sohle, den Talgrund, die Verwitterung die
Talw&nde. Bei der Bildung der letzteren ist die jeweilige
Beschaffenheit und Harte des Gesteins massgebend, daher
die verschiedenen Bergformen.
Oft begegnet man in den Alpen machtigen Schutt-
haufen. Und doch ist in der Nahe kein grosserer Bach,
sondern nur ein kleines Wasserlein zu sehen, so dass es
fast unmoglich erscheint, dass all das Geschiebe von diesem
zu Tal gefordert worden sei. Sahe man aber dieses so
unschuldig scheinende Bachlein bei einem Hochgewitter
als machtig tosende, dickschlammige Wassermasse den
Berg hinunterstiirzen, so glaubte man gerne an ihre Macht.
Das sind die Wildbache. Jeder Wildbach besteht aus drei
Teilen: dem Sammelgebiet, dem Sammelkanal und dem
Ablagerungsgebiet. Das Sammelgebiet ist meist eine
kesselartige Erweiterung des hinteren Talgrundes, in
welcher eine grosse Anzahl kleiner Rinnen einem Punkte
zustreben. Hier liegt das durch die Verwitterung trans-
portfahige Material, das erste kommende Hochwasser
schwemmt alle Triimmer talwarts. Ist das Ufer nicht
harter Fels, sondern erdig, schiefrig, so rutschen die Ge-
hange nach; das nachste Mai wird auch dieses Material
wieder fortgeschwemmt und so entsteht nach und nach eine
tiefe Schlucht. Nimmt die Boschung talwarts dann all-
mahlich ab, so wird die Energie des Baches hinreichen,
das Schuttmaterial weiter zu transportieren, aber es wird
35
nicht mehr ausfeilend, vertiefend auf das Bachbett wirken.
Nach and nach lagert sich das Geschiebe doch ab und
je nachdem es grossere oder kleinere Massen sind, mass
der Bach seinen Lauf andern und es bilden sich die
Serpentdnen. In diesem Stadium wirkt der Wildbach
durch Unterwaschen der Talwande und Nachsturzen der-
selben mehr talverbreiternd als talvertiefend und es ent-
stehen jene Landschaftsbilder, die von den Alplern „Bodena
genannt werden. Hort die Boschung aber plotzlich auf,
so wird der Wildbach all sein Geschiebe an dieser Stelle
ablagern und zu einem Schuttkegel anhaufen. Dieser muss
im Laufe der Zeit an Grosse zunehmen und das Bett des
Baches auf demselben wird durch seine eigenen Ab-
lagerungen stets erhoht, so dass er es von Zeit zu Zeit
wechseln muss. Nicht immer mundet der Wildbach in
in ein Tal; oft findet er seinen Abfluss in einem See.
Statt des Schuttkegels bildet sich hier ein Delta, das
immer weiter in den See hinauswachst. Brienzer- und
Thunersee waren friiher zusammenhangend ; das sie heute
trennende sogenannte Bodeli bildete sich aus den Deltas
der Ltitschine und des Lambachs. Ebenso waren Boden-
see, Wallensee und Ziirichersee friiher zusammenh&ngend,
sie wurden durch Delta und Schuttkegel von Linth und
Bhein getrennt. Wildbache bilden eine stete Gefahr fur
das unten liegende Gelande; schon manche friedliche
Hutte, viele prachtige Alpen wurden unter ihren plotzlich
dahertosenden Schlamm- und Schuttmassen begraben. Seit
langer Zeit bemiiht sich der Mensch, solche Verheerungen
zu verhiiten, aber erst im letzten Jahrhundert fing man
an, das tJbel an der Wurzel zu fassen und seither hat
man auch mehr Erfolg in den Schutzmassregeln. Zur
Befestigung des Sammelgebietes dienen in erster L\n\*
36
die Talsperren. Da die oberen Partien des Schattes erst
nach dem Wegfuhren der untern zum Nachrutschen ge-
langen, ist es notig, zuerst die untere Partie des Wild-
baches zu befestigen. Kurz oberhalb des Schuttkegels
muss daher die erste Talsperre aus guten Steinen oder
starkem ungeschaltem Holz erbaut werden. Am Fusse der
Talsperre muss nochmals gut gepflastert werden, urn das
Auswaschen durch das herabsturzende Wasser zu ver-
hindern. Hinter der Talsperre bildet sich zuerst ein kleiner
See, welcher nach und nach durch den sich ablagernden
Schutt ausgefullt wird. 1st die erste Talsperre ausgefullt,
baut man dahinter eine zweite und dritte, bis ringsum
die Gehange zur Ruhe gebracht und befestigt sind. Jetzt
konnen sie auch mit Wald bepflanzt werden, der ihnen
noch festeren Halt verleiht. Es gibt Wildbache, die mit
60—70 Talsperren befestigt wurden. Wenn ganze Ab-
hange unsicher sind und zu rutschen beginnen, bedient
man sich mit Erfolg der Faschinen oder Flechtz&une,
welche dem Wasser, nicht aber den Erdmassen Durch-
lass gewahren.
Kann das Ubel nicht an seiner Wurzel gefasst und
der Geschiebetransport verhindert werden, so sieht man
sich nach unschadlichen Ablagerungsorten fur den Schutt
um. Am besten eignen sich hiefur unsere Alpenseen.
Durch gerade Kanale wird das Gefalle des Flusses und
seine Stosskrafb moglichst erhoht, so dass er sein Geschiebe
bis in den See befordern kann. Zuweilen vermag dann
der Fluss sein eigenes Bett noch tiefer einzusagen, wie
z. B. Rhein und Reuss bei ihren Korrektionen.
Die Linth floss frtiher in vielen Kriimmungen in den
Ziirichersee. Durch Geschiebeablagerung wurde der Schutt-
kegel zwischen Netstal und Schanis so sehr erhoht, dass
37
der Abfluss des Walensees gestaut und das Gel&nde be-
8t&ndig iiberschwemmt wurde. Der alte Linth-Escher
leitete sie nan durch den Escherkanal in den Walensee,
and am ihr Gef alle moglichst zu erhdhen, gelang es, den
Seespiegel um 3,6 m zu senken. Nun konnte die Linth
all ihr Geschiebe in dem See ablagern und denselben
nachher als klares, ruhiges Wasser verlassen, um durch
den Linthkanal den Zurichersee zu erreichen.
Weitere Beispiele von Wildbachableitungen bilden
die Lutschine und Kander im Berner Oberland. Letztere
floss bis zu Anfang des 18. Jahrhunderts hinter der Mo-
r&ne, die sich von Spiez bis Allmendingen hinzieht, und
ergoss sich erst 4 km unterhalb Thun in die Aare. Durch
starke Schuttablagerung wurde aber hier die Aare ge-
staut, so dass sie das ganze Gebiet bis nach Thun hinauf
iiberschwemmte. Nun grub man einen Stollen von 900 m
Lange und 40 m Tiefe durch die Morane, um die Kander
direkt in den Thunersee abzuleiten. Durch das erzielte
starke Gef&lle erweiterte und vertiefte sie den Stollen
aber derart, dass derselbe einsturzte und jetzt fliesst der
Bach im offenen Einschnitt in den See.
Durch genaue Messungen und Untersuchungen der
Herren Prof. Heim, Ingenieur Becker und Oberst Siegfried
wurde festgestellt, dass die Reuss an ihrer Miindung in
den Vierwaldstattersee jahrlich 160 m8 Ger6ll ablagert und
weitere 40,000 m3 Felsmasse als Schlamm in den See
befbrdert. Was unten im See zur Ablagerung kommt,
wird oben als Verwitterung und Erosion den Bergen ent-
nommen und Prof. Heim berechnete, dass in 4 Jahren
und 4 Monaten das Gebirge um einen Millimeter oder
in 4350 Jahren um einen Meter abgetragen wird.
So hat das fliessende Wasser auf die Gestaltung dec
38
Erdoberfl&che einen machtigen Einfluss ausgeiibt; die
jetzige Gestalt der Alpen ist ein Produkt der Wasser-
wirkung in Verbindung mit der Verwitterung. Das Material
der Alpen liegt in den Niederungen, in der Mittelschweiz,
in der Po-Ebene, in den Niederlanden.
So lange Gegens&tze von Bergen und Niederungen
bestehen, so lange wird auch das Wasser dahin wirkeD,
diese Gegensatze auszugleichen. Wo Gegensatze, da ist
Leben. Tod, Ruhe wird erst dann eintreten, wenn alle
Zust&nde ausgeglichen, alle Gegensatze uberwunden sind.
Herr Professor Dr. Heim aus Zurich, der ge*
schatzteGelehrte und begeisternde Lehrer der akademischen
Jugend, erfreute uns mit zwei Vortragen iiber Neu-
seeland.
Im Dezember 1901 weilte Herr Professor Heim an
Neuseelands Gestaden und es war ein hoher Genuss, einen*
so grundlichen Kenner jenes eigenartigen Eilandes z\x
folgen, unsere Antipoden in ihren Licht- und Schatten-
seiten unter einer Fulle neuer Gesichtspunkte beleuchtetr
zu sehen.
Neuseelands Geschichte. Jahrtausende lang lebte
Neuseeland in einem stillen, weltabgeschlosseuen Frieden.
Seine Abtrennung vom Festlande muss schon sehr fruh,
vor der Entstehung der Saugetiere, stattgefunden haben,
diese fehlen daher durchweg im Urwald jener Inseln.
Das Hauptkontingent der Tierwelt liefert das leichtbeweg-
liche Volk der Vogel. Aber auch diese machten eine
eigentumliche Entwicklung durch und verlernten, weil
vor Verfolgung sicher, zum Teil das Fliegen. Noch jetzt
leben neben grossen straussenartigen Vogeln kleinere
Formen mit verkummerten Flugeln. Die erste Besiedelung
39
durch Menschen erfolgte vor ca. 600 Jahren durch etwa
800 eines Krieges wegen aus ihrer Heimat Hawaiki ver-
triebene Polynesier. Diese Maori, d. h. Einheimische, wie
sie sich kiinftig nannten, brachten Bataten, den ozeanischen
Hand und die ozeanische Ratte mit. Ersterer blieb Haus-
tder, letztere verbreitete sich rasch iiber die Inseln. Die
Hauptnahrung der Maori bestand in Bataten, Farnwurzeln
und dem Fleisch der grossen flugellosen Vogel, den Moas,
von denen es etwa 20 Arten gab. Der viel kleinere
Kiwi, ein scheuer Nachtvogel, ist der einzige heute noch
lebende Reprasentant jener eigenartigen flugellosen Vogel-
gruppe.
Die Maori, ein intelligentes, hochbegabtes, etwas zur
Tragheit geneigtes Volk, machten auf Neuseeland eine
eigentumliche Entwicklung durch, die diejenige ihrer
Stammesgenossen weit iibertraf. Sie verzierten ihre zu
Dorfern zusammengebauten Hiitten mit Schnitzereien,
meist Darstellungen ihrer Hauptlinge. Die Lust an Ver-
zierungen iibertrugen sie auch auf den menschlichen
Korper: sie tatowierten sich vom Kopf bis zum Fuss.
Aus den Blattern des bis 6 m hohen neuseelandischen
Flachses (Phormium tenax) flochten sie Matten und Mantel.
Ihre Sprache hat Ahnlichkeit mit der samoanischen. Trotz-
dem sie nur 15 Buchstaben zahlt, sind Rede- und Dicht-
kunst, letztere namentlich bei den Hauptlingsfrauen, sehr
im Schwange. Bei der fortschreitenden Dezimierung der
Moas gebrach es allmalig an Fleisch. Bataten und Farn-
wurzeln boten nicht genugende Nahrung. Als Ersatz
kamen vorerst Hunde und Ratten an die Reihe, hernach
alles iiberhaupt geniessbare Getier, Kafer und Raupen,
and wahrscheinlich anf anglich aus Wut, dann aus Hunger,
wurde Menschenfleisch gegessen. Schliesslich kam es zu
40
Kriegserkl&rungen zwischen den St&mmen, nur um Fleisch
zu gewinnen.
Ak vor nunmehr 260 Jahren vier Matrosen des Hol-
landers Tasman als erste Europ&er den neuseel&ndischen
Boden betraten, wurden sie sofort getotet und aufgefressen.
Ohne weitere Landungsversuche zu machen, verliess Tas-
man die unheimliche Kiiste, ihm aber verdankt Neuseeland
seinen heutigen Namen. Erst 1769 brachte der beriihmte
englische Seefahrer Cook dem stark dezimierten Yolke
Rettung. Er fuhrte Kartoffeln, Gemiise und eine kleine
schwarze Schweinerasse ein. Mit Hiilfe der Schweine,
die den Maoris als Haus- und Jagdtiere dienten, lehrte
er sie Menschenfleisch entbehren. Spater kam zwar noch
inehrfach Ermordung von Europ&ern vor, meist infolge
eigenen Verschuldens. Unsaubere, lichtscheue Elemente
wanderten nach den fernen Inseln aus und die erste euro-
paische Ansiedelung war eine wahre Mordergrube. Als
erster Missionar fasste Samuel Marsden 1814 festen Fuss
auf Neuseeland, ihm folgten die Wesleyaner, spater die
Romisch-Katholischen. Mit der Zivilisation kamen die
angeborenen guten Eigenschaften der Maoris zur Geltung.
Wahrend die Mission bei tiefstehenden Volkern vielfach
den raschern Untergang befordert, war bei den Maoris
das Umgekehrte der Fall, sie nahmen an Zahl zu. 1820
bis 1827 aber entfachte Hongi, ein intelligenter Haupt-
ling, der England besucht und auf Neuseeland Napoleon
nachahmen wollte, mit einem Heere von 3000 Streitern
einen langen blutigen Krieg, bei welchem wieder massen-
haft Menschenfleisch gegessen wurde. Nach seinem Fall
setzten die Missionen aufs neue wieder ein und seit 1843
ist kein Fall von Kannibalismus mehr vorgekommen. 1840
entschloss sich England, das verrufene Kannibalenland
41
unter seine Fittiche zu nehmen, durch einen von 52 H&upt-
lingen unterschriebenen Vertrag. Land durfte nicht ge-
nommen, nur gekaufb werden : so hoch achtete das stolze
England diese Eingeborenen. Streitigkeiten und Kriege
verhinderten die Entwicklung der neuen Kolonie, bis der
Gouverneur Grey 1847 — 63 mit der Einfiihrung der ersten
Konstitution einen glanzenden Aufschwung herbeifdhrte.
1854 bewirkten Goldfunde und Goldfieber eine starke
Bevolkerungszunahme, Stadtegriindungen folgten rasch
nacheinander. Noch einmal, von 1860—66, entbrannte
ein Krieg, in welchem erst die englischen Waffen unter-
lagen, urn dann endgiiltig zu siegen. Jetzt war der Boden
fur friedliche Kulturarbeit vorbereitet. 1870 kreierte Neu-
seeland 13 Millionen Schulden zum Eisenbahnbau.
Inzwischen hatten wunderbare stillere K&mpfe in
der Natur stattgefunden. Je altmodischer die Natur eines
Landes ist, desto rascher konnen sich neue Formen ver-
breiten, z. B. verdrangte die harmlose europ&ische Haus-
fliege die unangenehme neuseel&ndische Stechfliege. Klee
gedieh wunderbar, brachte aber keine Samen bis zur Ein-
fiihrung der Hummeln, welche die Befruchtung der Klee-
blxiten bewirken. Heute jubiliert unsere Feldlerche in den
Liiften. Amseln, Finken, Stare, letztere als Standvogel
entgegen ihren europftischen Gewohnheiten, beleben Busch
und Baum. Die Wanderratte, der gefurchtetste Kosmopolit,
hat die ozeanische Ratte vollig ausgerottet. Noch vor
20 Jahren begegnete der Reisende ganzen Herden von
verwilderten Eindern, Pferden und Schweinen. Die von
englischen Sportsleuten ausgesetzten Kaninchen sind, wie
in Australien, zu einer wahren Landplage geworden, ob-
schon j&hrlich eine Million dieser Tiere als gefrornes
Fleisch nach London geschickt wird. Wenn in der alien
42
Welt eine Tierart auf wenige 100 Stuck dezimiert wurde,
stirbt sie an den Folgen der Inzucht rasch a\is. Hier ist
das gerade Gegenteil der Fall. Unter dem Einfluss des
neuen Landes, das noch keine fthnlichen Konkurrenzformen
aufweist, ist eine rasche Entwickelung die Folge der Aus-
setzung weniger Exemplare. Auch die alt-eingebornen
Tiere anderten ihre Lebensweise. Ein Papagei wird zum
Fleischfresser, schlechte Flieger unter den Vogeln lernen
durch die Verfolgung fliegen. Trotzdem die Jagd auf die
Uberreste der urspriinglichen Fauna streng verboten ist,
nehmen ihre Reprasentanten rasch ab. In der Pflanzen-
welt treffen wir ganz ahnliche Erscheinungen. tJberall
da, wo die wilden Schweine den Boden durchwuhlen, ge-
deihen spater nur noch europaische Pflanzen. Die euro-
p&ische Heckenrose ist neben Brombeeren und Himbeeren
weit verbreitet. Im neuseelandischen Klima gedeihen euro-
paische und amerikanische Baume viel schoner als in ihrer
Heimat, offenbar, weil der Boden durch diese Arten
noch nicht ausgesogen ist. Kirschen und Apfel reifen
prachtig, denn ihre Feinde, die Raupen und Rostpilze,
sind nicht mit ihnen herlibergewandert. Dagegen gehen
die Urw&lder zuriick und die gewaltige Kaurifichte, der
bedeutendste Nutzbaum Neuseelands, wird bald ganz ver-
schwinden. Eine ungeheure Reproduktionsfahigkeit und
eine enorme Anpassung aller neuen Pflanzen und Tiere
kennzeichnet Neuseeland. Das Gleichgewicht in dem alt-
modischen Lande ist durch weg gestort, alles in Bewegung
und Fluss und noch lange wird keine Ruhe eintreten.
Auch die Menschen sind diesen Veranderungen unter-
worfen. Die Eingebornen waren vor der Ankunft der Euro-
paer auf etwa 2—3000 Seelen zusammengeschmolzen,
jetzt leben ca. 600,000 Menschen dort, worunter 44,000
43
is. Es gibt keine Armut auf Neuseeland und das Land
£ 20 mal mehr Menschen ern&hren, wenn aller Boden
gemacht ware. Die Menschen sehen gesund and
aus, am kraftigsten sind die Mischiinge von Euro-
. und Maoris. Einen Hauptausfuhrartikel bilden die
ie, wovon j&hrlich ca. 3 Millionen in gefrornem Zu-
e nach London versandt werden. Die Erde birgt
Eisen, aber hinreichend Kohle und ziemlich viel Gold.
Jonntag herrscht vollstandige Ruhe wie in England.
i seit 12 Jahren haben die Prauen das voile Stimm-
und sind in jede Behorde wahlbar. Schiedsgerichte
aen, auf welche Arbeitgeber und Arbeitnehmer ver-
tet sind. Kein Land hat so viele Zeitungen, nirgends
die Reklame solche Bliiten. In politischer und
5ser Hinsicht herrscht unbedingte Toleranz und das
je Volk betrachtet sich als das fortgeschrittenste der
Leider fehlen aber ideale Bestrebungen ganzlich.
jeland zeichnet sich aus durch vollstandige Sicherheit
^rson und des Eigentums. Es gibt weder Bettler,
Diebe und Rauber. Nachts bleiben alle Tiiren oflFen
ler Postdienst in entlegenen Gegenden vollzieht sich
iderma8sen: an der Hauptstrasse sind offene Kisten
«tellt, der vorbeifahrende Beamte wirft Pakete,
3 und Wertsachen dort hinein und die verschiedenen
;saten suchen sich bei Gelegenheit die fur sie be-
lten Stiicke heraus. Kein Mensch tragt Waffen,
die Polizei ist unbewaffnet. Sehr ansprechend ist
atiirliche demokratische Ton im Verkehr, der keine
lesunterschiede kennt. Uberall herrscht das Gefuhl
rleichberechtigung^ die Hoflichkeitsformen sind all-
in sehr einfach. Weder Abendwirtshaus noch Bier-
n gibt es, dagegen spielt das Picknick eine grosse
44
Rolle. Trotz dem lebhaften Verkehr ist Neaseeland ein
merkwiirdig stilles Land, man hort weder schimpfen noch
singen und jauchzen ; die Hunde bellen nicht, die Sohafe
bldken nicht, die Binder briillen nicht. TTngeheure Kultur-
fl&chen sind noch unberiihrt, und dennoch ist die Be-
volkerung in der Abnahme begriffen. Ein grosser Segen,
der unser Land erhalt, ist Neaseeland abhanden gekommen,
nicht durch Zufall, sondern absichtlich auf dem Wege
des Gesetzes. Die jetzigen Machthaber, welche die freie
Entwickelung knechten, nennen sich Sozialisten. Die
gesetzliche Arbeitszeit betragt wochentlich 40 Stunden,
bei einem achtstiindigen Arbeitstag noch zwei freie Nach-
mittage in der Woche. Strenge Strafen stehen auf der
Uberschreitung dieser Normalarbeitszeit. Dabei sind die
Lohne so hoch geschraubt, dass die Weiterentwickelung
der einst bliihenden Industrien verunm6glicht wird. Das
Land erzeugt viel Leder, aber alle Schuhwaren, einst
von der einheimischen Industrie geliefert, werden jetzt
aus Amerika importiert und die betreffenden Arbeiter
liessen sich als Soldner im siidafrikanischen Kjrieg an-
werben. Eine weitere Urbarisierung des Urwaldes lohnt
sich mit so teuren Arbeitskr&ften nicht mehr. Der Bau
einer angefangenen Verbindungsbahn der Kiisten musste
aus Geldmangel sistiert werden, denn die Staatsschuld
betragt schon 1600 Fr. per Kopf der Bevolkerung. In
der Meinung, der Industrie aufzuhelfen, wurden hohe Zolle,
bis 26 °/o des Wertes, geschaffen. Sport aller Art muss die
viele freie Zeit totschlagen helfen, besonders Pferderennen
werden eifrig gepflegt, fur Wetten Unsummen ausgegeben.
Noch vor 20 Jahren betrug der durchschnittliche Kinder-
reichtum einer Familie 8, jetzt noch 2 infolge der enormen
Verteuerung der ganzen Lebenshaltung und des gesetz-
46
lichen Nichtstuns. In Neuseeland wird von einer politischen
Farteirichtung ein kuhnes Experiment gemacht, auf dessen
Ausgang alle Welt gespannt sein darf. Die soziale Frage
ist auch dort nicht gelost, sie hat sich nor umgekehrt.
Anschliessend an die fesselnde, mit jugendlicher Leb-
haftigkeit vorgetragene Darstellung der Entwicklung Neu-
seelands, bot uns Herr Prof. Heim in einer Beihe von
Skioptikonbildern einen Einblick in die heutige, hochst
eigenartige Natur der fernen Inseln. Erst fiihrte er uns
auf die vulkanische Nordinsel mit ihren Schlammkratern
und Geysiren, in deren Umgebung alles einen blendend
weissen "Oberzug von Kieselsaure tr>. Dann l&sst er
uns auf einem der urwaldums&umten Flusse der Siidinsel
eine Reise zu den machtigen Seen und Bergen im Innern
derselben antreten. Und zu allem bot er seine so an-
ziehenden, auf eigenem Schauen gegriindeten Schilderungen,
denen das Auditorium mit atemloser Spannung lauschte.
In seinem zweiten Vortrage iiber Neuseelands
Natur bertihrte Herr Prof. Heim zuerst die klimatischen
Verhaltnisse. Neuseeland liegt unter der gleichen geo-
graphischen Breite auf der Sudhalbkugel wie Italien,
dessen ganze Gestalt und Grosse es nachahmt, auf der
Nordhalfbe. Auf der siidlichen Insel ubersteigt die mittlere
Jahrestemperatur die unserige nur um ein geringes, auf
der ndrdlichen ist sie gleich derjenigen Italiens. Die Neu-
seeland umgebenden machtigen Ozeane bedingen aber
gegeniiber unserm kontinentalen Klima eine viel gleich-
m&ssigere Temperatur. Fast stets wehen mit feuchter
Luft gesattigte Nordwestwinde, die an den Bergen auf-
steigend Wolken und Nebelbildung verursachen, so dass
die Spitzen der Gebirge nur selten sichtbar sind. Die
46
enormen Regenmengen betragen an der Siidspitze der
Insel 9 m pro Jahr, wahrend die Canterbury Plain an
der Ostabdachung des Gebirges mit 1 m unseren Gegenden
nahe kommt. Auch auf der Nordinsel ist die Westseite
die regenreiche, urwaldbedeckte, obschon die Unterschiede
geringer sind, weil hier kein grosses Gebirge die Insel
durchstreicht.
Die beide Inseln trennende Cook-Strasse verdankt
ihre Entstehung einem Bruch der Erdrinde mit einer Ver-
schiebung von 90 km gegen Osten, geologisch gesprochen
einer horizontalen Transversalschiebung, wie wir solche
in viel kleinerem Masstabe auch im Santisgebirge treffen.
Diese Verschiebung geht heute noch ruckweise vor sich,
und daher riihren die zahlreichen Erdbeben in der Urn-
gebung der Cook-Strasse, deren eines im Jahre 1848 die
Stadt Wellington beinahe ganzlich zerstorte.
Ubergehend zur Pflanzenwelt, schildert Herr Prof.
Heim die Neuseeland eigentumlichen Vegetationstypen.
In den trockenen Regionen am Ostabfall des Gebirges
trifft man an Stelle unserer saftig griinen Wiesen die
eintonigen, braungelben Tussock -Grasflach en, aus einer
buschelformigen Schilfart zusammengesetzt. — Auf den
ausgedehnten vulkanischen Tuffebenen bedeckt ein Adler-
farn weite Strecken als sogen. Farnsteppe. Jeder Bach
oder Sumpf ist lauchgriin umsaumt von dem 3 — 4 Meter
hohen neuseelandischen Flachs (Phormium tenax). Auf
der Nordinsel reicht die Manuka-Steppe Tagereisen weit.
Zur Bliitezeit, im Dezember, ist der Manuka-Strauch mit
kleinen, weissen Bliiten so dicht besetzt, dass die Steppe
wie mit frisch gefallenem Schee bedeckt aussieht. Die
neuseelandische Alpenflora produziert neben wenigen
gelben fast ausschliesslich weisse Bliiten. An Stelle unserer
47
Alpenrose tritt ein weissbliihender, strauchiger Ehrenpreis
(Veronica). Hahnenfuss, Alpenaster, Enzianen sind weiss.
Hoher hinauf nehmen die polsterformigen Pflanzen zu;
um den scharfen Winden zu trotzen, schmiegen sie sich
dicht an den Boden an. Beiiihmt ist das vegetabilische
Schaf, Polster von schmutzig gelber Farbe bildend, die
aus der Feme liegenden Schafen tauschend ahnlich sehen.
Die Alpenvegetation kennt den herrlichen, belebenden
Farbenwechsel unserer Alpenflora nicht ; sie ist eher einem
Friedhof vergleichbar, mit den ausschliesslich dunkelgrunen
und weissen Farben. Die Erklarung fur diese auffallende
Erscheinung ist in den klimatischen Verh<nissen zu
finden. Bei fast alien unseren farbigen Blumen wird die
Befruchtung durch Insekten, meist Schmetterlinge und
Netzfliigler, vollzogen, die sich durch die lebhaffcen Farben
anziehen lassen. Die heftigen, konstanten Winde lassen
auf Neuseeland solche Insekten nicht aufkommen; Kafer
und Fliegen lieben aber weiss und gelb; auch sind sehr
viele Pflanzen Windbliitler.
Alle die regenreichen Gebiete von Neuseeland, die
ganze Westseite des grossen Gebirges und der sudliche
Teil der Siidinsel sind mit Urwald bedeckt. Zur Aus-
rodung desselben werden vielerorts die Baume durch einen
tiefen, rings um den Stamm gehenden Schnitt ins Cambium
getotet und nach dem Verdorren angeztindet.
Wenn Neuseeland ein industriefahiges Land ware,
wtirde es wohl eine bessere Verwendung fur seinen Holz-
reichtum finden konnen. Von der weihevollen Stimmung,
die einen im Urwald ergreift, entwirft der Vortragende
eine lebendige Schilderung. Unter dem diistern Blatter-
dach der Baume ist es ganz stille und doch herrscht ein
wunderbares Leben und D ran gen, ein Kampf urns Dasein,
48
wo das Auge hinblickt. Ein Gewachs h&ngt sich ans
andere und schlingt sich urn das andere. Wo ein alter
Stamm zusammenbricht, spriesst sofort wieder junges
Griin heraus. Der wichtigste Baum ist die kleinbl&ttrige
Buche, auch die Rimafohre kommt haufig vor. Fame
and Moose bilden an den Stammen fussdicke Polster. Die
schflnsten Formen sind die Baumfarne, deren wunderbare,
facherformige Kronen sich in leuchtendem Hellgriin vom
dunkeln Laube der iibrigen Gewachse abheben. Die einzigen
von Grtin ab weichenden Farben vertreten die roten Fuchsien-
stamme und die hellroten kugelformigen Blutenstande des
Ratabaumes (Metrosideros).
An der Westkiiste steigt der Urwald bis 2000 Meter,
der Grenze des ewigen Schnees, hinan. Hinwiederum
gehen die Gletscher zwischen Gew&chsen, die bei uns nur
im Warmhaus iiberwintern, bis auf 200 Meter hinab, dank
der massenhafben Niederschlage und dem Fehlen von
tiefen Temperaturen.
Im Bau des Untergrundes sind die beiden Inseln
vollig verschieden ; die Nordinsel ist ein ganz vulkanisches
Gebiet, wahrend die Siidinsel den Charakter eines Alpen-
landes hat. Auf der Nordinsel erheben sich eine Menge
vulkanischer Krater ; die Stadt Auckland ist beispielsweise
von dreissig Vulkankesseln umgeben. Die grossten V ulkane
finden sich im Innern der Insel. Dort erheben sich siid-
lich des Tauposees drei machtige Vulkanriesen, in ihrem
Auf bau dem Atna ahnlich : nordlich der Tangariro (1969 m)
mit neun verschiedenen Kratern und einigen heissen Seen,
sudlich anschliessend der scharf kegelformige Ngauruheu
(2283 m), noch weiter sudlich das schneebedeckte Massiv
des Ruapehu (2707 m), dessen Gipfel aus einer ganzen
Kette von Kratern gebildet ist. Zwischen den Gletschern,
49
3 an seinen H&ngen herabgehen, liegt ein siedender See.
1 der We8tkiiste steigt der Mount Egmont direkt vom
sere als regelmassige Pyramide bis zu Santishdhe an.
■ hatte noch 1886 eine sehr schwere Eruption. Die meisten
llkane jedoch sind nicht mehr als solche t&tig, sondern
das Solfatarenstadium oingetreten. Tausende und aber-
asende von heissen Quellen und Dampfsprudeln, teils
den Kratern, teils aus Erdspalten zu Tage tretend,
id fiber das Land zerstreut. Oft liegen 100 bis 200
isammen. Stellen, denen standig Wasserdampf ent-
'dmt, heissen „Blasera. Oft reissen solche Dampfstrahlen
hlammfetzen mit und haufen sie zu Kegeln von 3 bis
m Hdhe, Schlammvulkane genannt, auf, in deren Mitte
l Schlammsee in bestandig brodelnder Bewegung ist.
Baku und Sizilien sind es Kohlenwasserstoffgase, welche
n Schlamm in Bewegung versetzen, hier ist es reiner
asserdampf. Recht unheimlich sind Schwefelseen, grosse
>cher, in deren Grunde schwarzes, saures Wasser brodelt
id deren Ufer mit Schwefel und Kieselsinter ums&umt
. Bei den sogen. „Siedernu wallt siedendes Wasser mit
impf vermischt hoch auf, den Maoris zum Kochen von
irtoffeln und Fleisch dienend. Quellbecken mit klarem
asser, bei denen nur in der Mitte heisses Wasser auf-
jigt, benutzen sie als Badeplatze. Die schonsten heissen
lellen sind aber die Geysire, Quellen, wo periodisch in
wissen Zeitintervallen siedend heisses Wasser in die
lft spritzt. Das massenhaft fallende Regen wasser sickert
den por6sen vulkanischen Tuffen leicht in grossere
efen ein und sammelt sich zu unterirdischen Becken
i, welche fthnlich wie ein Vulkan durch einen mit Kiesel-
mre ausgepanzerten Schlot mit der Erdoberflache in
erbindung stehen. Sobald das Wasser im Schlot \ibet-
4
60
hitzt ist, verwandelt sich beim geringsten Anstoss die
gesamte Wassersaule plotzlich in Dampf und schiesst in
machtigem Strahl empor, die ganze Umgebung mit blendend
weissen Kieselabsatzen iiberziehend. Bei manchen dieser
Springquellen lasst sich ein Ausbruch durch Hineinwerfen
von Seife kunstlich hervorrufen. Der Seifenschaum ver-
hindert die Abkiihlung von oben her und die von unten
zustromende Warme bewirkt rasch die tJberhitzung, welche
zum Ausbruch fiihrt.
Wir kommen nun zur Siidinsel, den neusee-
landischen Alpen. Bei einer Durchquerung derselben
von Osten nach Westen kommt man zuerst auf die vom
Meere sanft ansteigende Canterbury Plain. Weiter hinein
haben sich die Strome tief eingeschnitten und hohe, breite
Terrassen gebildet. Westlich vorriickend, tiberschreitet
man ungeheure Trummermassen, nirgends findet sich an-
stehendes Gestein. Die Vorgebirge sind total eingehiillt
in einen Mantel ihres eigenen Schuttes. Gehen wir durch
diese Schuttaler hinauf, so trifft man auf die alten End-
moranen, die, wio bei uns, Seen abschliessen. Aber wahrend
bei uns bliihende Stadte (Zurich, Luzern) auf den End-
moranen entstanden, sind dieselben in Neuseeland mit
einformig braunem Tussockgras bedeckt. Weiter aufwarts,
die Deltas passierend, steht man schon bei 7 — 800 Meter
vor dem Eise der Gletscher, die bis auf die Kiestalbodeu
hinabgehen. DieZwischenstufe, dieromantischenSchluchten
unserer Gegend, sind tief unter Schutt begraben. In der
Gletscherregion andert sich das Bild : Die Gletscher tragen
die Geschiebe zu Tale und legen wilde, kiihne Felsformen
bloss, die sich mit den Riesen unserer Alpen messen
konnen. In der Mitte der neuseelandischen Alpenkette
erhebt sich die herrliche Form des Mount Cook zu 3764 m,
51
dem Walliser Weisshorn vergleichbar, der Mount Hi-
dinger hat sein Pendant im Breithorn, der Mount Sefton
mit steil ansteigenden Schichten im Finsteraarhorn oder
Schreckhorn. Die innern Ketten sind unsern Hochalpen
ahnlich, die auss6rn von unsern Voralpen ganzlich ver-
schieden. Wir finden keinen Pilatus, keinen Rigi, noch
viel weniger einen S&ntis. Die diesen entsprechenden
Berge sind zu Schutthaufen geworden, weil alles in der
Verwitterung viel weiter fortgeschritten ist ; denn die neu-
seelandischen Alpen haben sich viel friiher gebildet als
unser Gebirge, zu einer Zeit schon, da die Kreideformation,
aus der z. B. unser Santismassiv besteht, noch nicht ent-
standen war. Kreideschichten gibt es dort also nicht.
Die an der Ostkiiste der Siidinsel vorhandenen Vul-
kane waren ungefahr zu gleicher Zeit tatig wie der
Hohentwiel und seine Genossen. Sie bilden die vor-
geschobenen Bollwerke gegen den Ansturm der branden-
den Meereswogen und die durch sie gebildeten Buchten
sind die einzigen guten Hafen an der Ostkiiste. Bevor
die neuseelandischen Alpen die Siidspitze der Insel er-
reichen, biegen sie in scharfem Bogen gegen Osten ab.
Der siidlichste und sudwestliche Teil Neu-
seelands besteht aus einem Massengebirge aus ganz anderem
Gestein, meist Diorit. Die Bergformen sind breite, wellige
Hochflachen, dazwischen eingeschnitten schmale, enge
Taler. Das in das Meer eingesunkene Gebirge hat Fjorde
gebildet, die sich 40—60 km weit landein warts erstrecken,
Im Gegensatz zu Norwegen, wo die Ufer der Fjorde durch
die Gletscher glatt geschliffen erscheinen, ist hier der harte
Fels noch bei 70 ° Boschung mit Urwald bedeckt. Werden
die Baume zu gross und ihr Gewicht zu schwer, so sturzt
eiu Teil des Urwaldes in den Fjord, dort tixc ^toS&^jb
52
Jahrmillionen Kohle bildend. Am kahlen Fels siedeln
rich aber wieder Flechten an, ihnen folgen Farrenkr&uter
und Baume und in kurzer Zeit sind alle Spuren eines
solchen Urwald-Bergsturzes wieder verschwunden.
Eine herrliehe Erganzung des fesselnden Yortrages
bildete wieder eine Reihe farbenprachtiger Skioptikon-
bilder. Dieses Mai waren es vornehmlich die hehre, wilde
Natur der Fjorde mit ihren machtigen Wasserfallen und
wildgezackten Bergen und die stolze Pracht und Ftille
des Urwaldes, die uns der Lektor vor Augen filhrte und
so lebendig schilderte, dass man sich im Geiste fast selbst
nach Neuseeland versetzt ffihlte.
Als Geologe im Dienste der koniglich niederlandischen
Petroleumgesellschaft bereiste der junge Forscher Herr
Dr. MaxMuhlberg aus Aarau wahrend 21/* Jahren den
grossten Teil des malayischen Archipels und be-
richtete in einem sehr anziehenden Vortrage fiber seine
Beobachtungen und Erfahrungen.
Herr Miihlberg erzahlt insbesondere von den Inseln,
auf welchen er petroleum-geologische Untersuchungen aus-
gefiihrt hat : von Sumatra, Borneo, Celebes und Seran in
den Molukken. In Wort und Bild schildert er jeweilen
einige Eigentumlichkeiten der besuchten Gegenden, ins-
besondere die menschliche Bevolkerung. Von langster
Dauer war sein Aufenthalt im siidostlichen Sumatra, in
dem von geschlossenen Waldern bewachsenen Tieflande
von Palembang im Grenzgebiete gegen das Sultanat
Djambi. Als charakteristische Erscheinungen des Waldes
sind zu nennen: das Unterholz, welches die Zwischen-
raume zwischen den Stammen erfiillt, griines Blatterwerk,
wenig Blumen, kein Analogon unserer Erd- und Heidel-
53
beeren, kein Moosteppich, dagegen Lianen und die schlanken
Stamme des Rotang (Meerrohr), endlich Riesenbaume,
die liber den mittelhohen Wald hinausragen. Die Stiitz-
flache der letzteren ist auf dem Untergrunde vielfach
bedeutend vergrossert durch basale, radial angesetzte
Planken oder seltener durch starke bogenf&rmige Sttitzen.
Unter der Tierwelt fallen zunachst die Cikaden auf,
von den Eingeborenen Tongaret oder Liang-Liang ge-
nannt. Ihr lautes Zirpen erschallt fast den ganzen Tag
durch den Wald, gewisse Tone und Rhythmen setzen zu
be8timmter Stunde ein. Am charakteristischsten sind die
Konzerte bei Sonnen-Auf- und -Untergang. Bei Sonnen-
untergang ertont ein gellendes Trompeten, als ob ins Feuer-
horn gestossen wtirde. Zur Nachtzeit beleuchten Leucht-
kafer die Ufergebiische. Elefanten, Tiger und Schlangen
sind selten. Begriisst der dortige AfFe den Tag, so glaubt
man, Buben zu horen.
In diesen Waldern hausen, allerdings in geringer
Anzahl, die kulturlosesten Menschen ganz Sumatras, die
sogenannten Kustu. Sie gehoren zur malayischen Rasse.
Im typischen Falle sind sie Sammelnomaden, ohne feste
Wohnsitze, die sich hauptsachlich von wilden Tieren
nahren. Zu diesen zahlen Hirsche, Wildschweine, Affen,
Argusfasane, Tauben, Schlangen, Fische, Cikaden etc.
Pflanzliche Nahrungsmittel liefert der Wald nur wenige.
Die Bekleidung besteht in einem Lendenschurz aus Baum-
rinde. Es sind scheue Leute, die den Tauschhandel nicht
offen treiben. Palembanger Handler tauschen Kapmesser,
Lanzenspitzen etc. gegen Harze, Wachs, Guttapercha ein.
Der Vortragende ist mit etwas Kultivierteren zusammen-
gekommen. Diese bauen fur langere Zeit bleibende
Wohnungen, pflanzen Reis, Pisang u. a. Wo sie k&x&^st
64
mit Malayen in Beruhrung sind, haben sie den Islam
angenommen. Sie sind von sanfter Gemutsart, natiirlich,
still und besonnen. Ehen werden leicht geschlossen und
leicht gelost. Kultivierter sind die Bataks von Mittel-
Sumatra.
Palembang, die Hauptstadt der gleichnamigen Re-
sidenz, welche uns in Bildern vorgefuhrt wurde, ist zu
beiden Seiten des Musi-Stromes angelegt. Die Hauser
liegen entweder auf Flossen, welche den Bewegungen der
Ebbe und Flut folgen, oder sie stehen auf Pfahlen. Die
50,000 Einwohner zahlende Stadt ist ein bedeutender
Handelsplatz. Malayen, Chinesen, Araber und Europaer
teilen sich in den Ein- und Ausfuhrhandel, welcher Meer-
rohr, Kautschuk, Guttapercha, Pfeffer, Baumwolle, Harze etc.
umfasst.
Im August 1901 besuchte der Vortragende das auf
der Ostseite der Insel Borneo gelegene Sultanat Kutei.
Auch hier ist das Land von ungemein iippigem, ununter-
brochenem Walde bewachsen. Die urspriinglichen Be-
wohner sind die durch die Sitte der Kopfrauberei be-
ruchtigten Dajaks. Bei festlichen Anlassen, z. B. bei Be-
grabnissen hochstehender Personlichkeiten, gehoren frisch
geraubte Menschenkopfe zu den Requisiten. Sie werden
bei benachbarten Stammen geholt. Die Rauber erlegen
ihre Opfer aus einem Hinterhalte mit Blasrohr und ver-
giftetem Pfeil. Die Dajaks im Kustenlande von Kutei
scheinen diese Gebrauche wenig oder gar nicht mehr zu
iiben, wohl aber haben sie sich etwa der Angriffe schlimmer
Nachbaren zu erwehren. Heute sind die Dajaks nicht
mehr die Herren des Landes. Am Unterlaufe des grossen
Mahakam haben typische Malayen die Gewalt an sich
gerissen. Der Sultan ist ein mit javanischem Blute ver-
56
mischter Malaye. — In grosser Zahl sind die Buginesen
von der gegenuberliegenden Kliste von Celebes heruber-
gekommen und haben die Dajaks stromaufw&rts und in
die Walder abseits von den grossen Fltissen gedrangt.
In Sumarinda, der Hauptstadt des Sultanats, das jetzt
ein holl&ndischer Vasallenstaat mit ziemlich geordneten
Verhaltnissen ist, haben die gleichen Volker wie in Pa-
lembang den Handel iibernommen.
Merkwtirdig ist die grosse Tiefe des Mahakam. Die-
selbe geht bis 180 Meter unter das Meeresniveau und ist
eine Folge des Einsinkens des Landes nach der Erosion der
Taler. Aus diesem und aus anderen Griinden muss auf eine
grossere Ausdehnung des Landes nach der Seite von Celebes
hin in geologisch vergangener Zeit geschlossen werden.
Die Westkuste von Celebes ist in eine Reihe kleiner
Furstentiimer aufgeteilt. Der Charakter der Bevolkerung
fallt unangenehm auf. Sie ist keineswegs unintelligent,
aber roh und unhof lich. Speziell die Anwohner des Meeres
zeichnen sich durch Verwegenheit, oft auch durch eine
gewisse Dummfeigheit aus. Kleine Kriege unter den
Furstentumern sind nicht selten, wobei es hauptsachlich
auf das Sklavenmachen abgesehen ist. Die friiher haufig
vorgekommenen Seeraubereien haben unter dem Einfluss
der Regierung stark abgenommen. Wahrend die Handels-
leute stattliehe Bretterhauser besitzen, wohnt die lediglich
reisbauende Bevolkerung in armseligen Hiitten.
Von Celebes ging die Beise ostwarts nach den Mo-
lukken. Die Insel Amboina, friiher reich und beriihmt
als das Zentrum des Gewiirznelkenhandels, iibt auf den
Naturbeobachter eine lebhafte Anziehungskraft aus durch
die Korallen in der schonen Bucht, an welcher die gleich-
namige Stadt liegt. Ein Korallenriff sieht sich an w\a fcva.
66
unter8eei8cher Garten. Zwischen den Stooken and den
Strauckern gleiten bunte Fische datiin, welche sozusagen
die Vogel und Schmetterlinge des Landes vertreten. Ein
grosser Reiz liegt in der lautlosen Stille dieser Welt.
Die Insel ist auch bemerkenswert durch abgestorbene
Riffe. Bis zu 480 m iiber Meer liegt eine Binde von
Korallenkalk iiber den eigentlichen Gebirgsmassen. Dieser
Uberzug lasst erkennen, dass die Insel einst 480 Meter
tiefer (also unter Wasser) lag als heute. Man hat daraus
auf eine Hebung gescklossen, doch ist die Ursache mit
grosserer Wahrscheinlichkeit mindestens teilweise in einer
Vertiefung von Meeresbecken und daraus folgendem Sinken
des Meeresniveau zu suchen.
Im Nordosten der Insel Seran werden wir mit den
Papua bekannt, die vom nahen Neu-Guinea teils frei-
willig, teils als Sklaven herubergekommen sind und sich
mit malayischen Elementen vermischt haben. Die Papua,
auffallend durch den machtigen, krausen Haarwuchs. die
dunkle Hautfarbe und die grobe Gesichtsbildung, unter-
scheiden sich von den verschlossenen, apathisch reservierten
Malayen durch ihr lebhafteres, offenes und heiteres Naturell.
Die Leute leben von der Sagopalme, ferner von Pischen
an der Kiiste, von getrocknetem Hirschfleisch im Innern
des Landes und wohnen in Pfahlbauten. Die binnen-
landische Bevolkerung ist schwachlicher als die an der Kiiste,
aber von friediichem, ausserst sanftem Charakter. Energie
und Unternehmungslust fehlen ihnen. Diese Menschen
sind offenbar in Degeneration, im Aussterben begriffen.
Die Zahl der Frauen kommt derjenigen der Manner kaum
oder zur Not gleich, und manche Ehen sind kinderlos.
Bei den vorgeschrittenen Volkern ist als Kleidung der
Sarong allgemein verbreitet. Dazu tragen sie einen Gurt
57
mit Metallschiialle. Hohe Personen kleiden sich nach euro-
paischem Yorbilde. Ubrigens ist die Mannigfaltigkeit der
Typen und des Gesichtsausdruckes so gross wie bei uns
Europaern.
DieTierwelt Sumatras, insbesondere Jagd
und Fang des Tigers, behandelte in lebensvoller
Schilderung Herr R. Henne-am Rhyn jun., fussend
auf eigenen, wahrend eines funfzehnjahrigen Aufenthaltes
in Sumatra gemachten Erlebnissen.
Aus der allgeraeinen Ubersicht iiber die gesamte
Fauna Sumatras seien nur die Haupttypen und die iiber-
haupt nur dort vorkommenden Arten erwahnt. Das grosste
Rau b tier nachst dem Tiger ist der Sundapanther (in
Europa meist nur in der schwarzen Varietat bekannt),
dessen Fell aber normal eine gelbrotliche Farbe mit braunen
Flecken hat. Er sowohl als der luchsahnliche Nebel-
parder fuhren ein fast ausschliessliches Baumleben und
sind durch ihre Farbung, welche durchaus mit der Urn-
gebung ubereinstimmt, im Stande, sich ungeiibten Augen
durch geschicktes Anschmiegen unsichtbar zu machen.
Neben kleinen Katzenarten bedrohen verschiedene Man-
gusten, die Zibethkatze und der Mussang (Palmen-
roller) die Gefliigelhofe der Einwohner. Als Hauskatze
wird die Stummelschwanzkatze gehalten. Der
zahmbare Untarong verbindet mit dem ausseren Habitus
der Katzen den Sohlengangertritt des Baren. Als possier-
licher Geselle prasentiert sich der malayische Bar von
der Grosse eines starken Hundes. Der Adschag, ein
schakalahnlicher Windhund, stellt in grossen Meuten be-
sonders dem Rotwild nach, wahrend sein ihm ahnlicher
zahmer Vetter, der malayische Pariahund, als wachsauvfe?
Haushund Verwendung findet. Seines abscheulichen Ge-
raches wegen wird der Stinkdaohs von jeglichem Ge-
schopf, selbst dem Tiger, gemieden Rudel ungezahlter
Wildschweine, Stachelschwein, Mahnenhirsch und
Muntschak, eine antilopenartige, unserm Reh ent-
sprechende zierliche Rotwildart, teilen sich in die Ver-
wtistung der Ernte der Eingeborenen und werden dabei
nur von den grosseren katzenartigen Raubtieren, Tiger
und Panther, einigermassen in Schach gehalten. Die
personifizierte Angstlichkeit ist das oft auch zahm ge-
haltene niedliche Zwerg-Moschustier. Im indischen
zahmen Buff el, sowie dem bengalischen, dort impor-
tierten Buckeiochsen treten uns die wichtigsten Haus-
tiere der Javanen und Malayen entgegen. Ersterer zeigt
gegen Europaer eine starke Abneigung und wird von den
Javanen bei ihren Tierkampfen mit Erfolg dem Tiger
gegenubergestellt, um damit den Kampf der tieferstehen-
den Rasse als der eigentlich starkeren mit der hdher
stehenden intelligentern, aber in Wahrheit schwachern zu
versinnbildlichen. Das Wildrind Sumatras, der Banteng,
ist sehr selten geworden und wie der indische Elefant in
die unwirtlichen Teile des Landes zuruckgedrangt. Das-
selbe Schicksal teilen das jahzornige N as horn und der
noch scheuere Tapir. In dem Batak- oder Deli-
Pony fuhrte uns der Referent ein ausserordentlich sym-
pathisches und leistungsfahiges Nutztier vor, ohne welches
der Verkehr in grossen Teilen jener Insel fast unmoglich
ware.
Zu der grossen Familie der Aifen iibergehend, horten
wir von den Konzerten der Briillaffen (Gibbons), von
den wiisten Streitereien und den frechen Beuteziigen der
Makaken und Schweinsaffen, von der schamlosen
69
versckamtkeit der Paviane. Ein wurdevolles Gegen-
ck zu diesem Pobel unter den Affen bildet der Orang-
ang. Der Vortragende besass selbst einen solchen und
ilderte ihn als ankanglickes und zutrauliches Tier. Von
1 Halbaffen ist besonders zu erwaknen der gespenstische
>boldmaki, der von den Malay en direkt als Gespenst
jeseken wird und um den der Aberglaube eine ganze
gende hat entstehen lassen. Neben den Fledermausen
t dem „Fliegenden Hund" als grosstem Vertreter be-
st Sumatra die eigenartigen Fiugkorncken, die eine
ischen Vorder- und Hintergliedmassen ausgespannte
lghaut bei ihren Spriingen von Baum zu Baum als
llschirm benutzen konnen. Unser Eichhorn ist ver-
ten durch den Tupei, ein niedliches lebhaftes Spitz-
mcken in zwei der Form nach gleicken, der Farbe
3h aber g&nzlicli verschiedenen Arten.
Von den sehr zahlreichen Reptilien seien erwahnt:
3 grosseLeistenkrokodil, der gefiirchtetste Menschen-
iber der Sundainseln ; der Bindenwaran, eine riesige
lechsenart, zugleich berucktigter Gefltigeldieb; der die
.user bewobnende insektenkaschende Gekko; der farben-
limmernde Flugdracbe und der Flugfrosck rait
jserordentlich entwickelten Zeken und Schwimmkauten,
i er als Fallsckirm gebraucbt. Unter den Scklangen
jen besonders kervor die Ular Sawak, die Riesen-
ilange Sumatras, ein Tier, das die respektable Lange
q 10 m erreickt, und unter den Giftscklangen die
•illenscklange, bei deren Biss der Alkokol als wirk-
cnstes Gegengift Verwendung findet. Aus der Gruppe
r Gliedertiere ist neben Skorpionen und Tausend-
Lsslern der Pkospkorwurm kervorzukeben, der in die
&user dringt und dem Menscken in Okren und "N*»s>
60
kriechen soil. tJber die reichhaltige Vogelwelt Sumatra*
hat sich der Vortragende schon an anderer Stelle ver-
breitet; er erwahnt als typischen Vertreter die Nashorn-
vogel, den Argusfasan und den unserer Elster nahe-
stehenden sprachgewandten indisohen Spottvogel. Von
Insekten interessieren besonders die durch Farbenpracht
ausgezeichneten Schmetterlinge Atlas und Ailanthus-
Spinner, der Herkuleskafer und die Gespenst-
heuschrecke und als Vertreter der Schutzfarben (Mi-
mikry) das „lebende Blattu.
Im zweiten Teil des Vortrages behandelte Herr Henne-
am Rhyn den Tiger im speziellen. Die grossen wild-
lebenden Pflanzenfresser haben sich gewdhnt, bei der
Nahrungssuche den Pflanzungen der Eingeborenen nach-
zugehen und diese zu brandschatzen. Naturgemass ziehen
sie auch ihren Verfolger, den Tiger, nach sich, welcher
deshalb im Urwald sozusagen nicht mehr gefunden wird.
Fehlt das Wild in seinem Reviere, so wird er zum Vieh-
rauber. Der Vortragende wendet sich gegen die land-
laufige Ansicht, dass dem Tiger der Menschenraub an-
geboren sei, vielmehr werde dieser zum Menschenfresser
infolge von Mangel an Wild, durch Zufall in vermeint-
licher Notwehr, aas Schreck bei plotzlicher Begegnung,
durch Alter und Invaliditat, welche ihn zur Jagd auf
wehrhaftes und leichtfiissiges Wild unfahig machen. Zum
forfcgesetzten Menschenrauber wird der Tiger erst durch
die Erfahrung, dass der Mensch die am leichtesten zu
bewaltigende Beute sei. Die Hindu-Religion leistete der
Vermehrung der Tiger bedeutenden Vorschub, da sie das
Schlachten der Rinder verbietet ; umgekehrt wurde durch
die einwandernden, Fleisch geniessenden Mohammedaner
(Malayen) den Tigern die gewohnliche Nahrung entzogen
61
diese gezwungen, sich an Menschen zu vergreifen.
gehend schildert der Referent die Gefahren und Mtih-
der Tigerjagd an selbsterlebten Beispielen ; die Treib-
len der Eingeborenen, die sich auch diesem gefahr-
en Feinde gegeniiber lieber der gewohnten Lanze statt
fremdlandischen Btichse bedienen. Sehr haufig an-
randt ist der Fang mit Fallen, sei es mit in Europa
efertigten eisernen Kafigen, die auch zum Versand
utzt werden konnen, sei es durch von den Malayen
Orte des letzten tJberfalles errichtete Holzfallen aus
lisaden. Nur wenn ein dem Tiger abgejagter oder
ihm verlassener Ktfder zur Verfugung steht, ist Aus-
t vorhanden, den Ubeltater zu erwischen. Aufweitere
gweisen des Tigers, die Feinde desselben im Tierreich
die Tierkampfe der Javanen konnte der vorgeriickten
. wegen nicht mehr eingetreten werden.
Unser Ehrenmitglied, Heir Dr. med. A. Girtanner,
nte anlasslich seiner Studie uber eine zerstSrteKo-
ie des Alpenseglers (Apus melba) auf einen ahn-
3n Vortrag zuriickblicken, den er im Jahre 1868 ge-
en hatte. Wir dtirfen bei dieser Gelegenheit wohl
in erinnern, wie viel wissenschaftliche Belehrung und
raftige Forderung unserem Gesellschaftsleben w&hrend
er nahezu vierzigjahrigen Mitglie'dschaft durch ihn
jbH wurde.
Der jetzige Vortrag gait der „Munsterspyrena-Kolonie
dem Turme des Berner Miinsters. Vor 1893 konnte
i jedes Jahr zwischen Anfang April und Oktober bald
l in den Luften, bald durch die Gassen der Stadt und
Aare entlang die dem Insektenfang obliegenden flinken
ger beobachten, deren Brutstatten sich in dem Balken-
62
werk des Turmes befanden. Da brach iiber diese traute
Vogelsiedelung ein dunkles Verhangnis herein. Mit dem
Auf- und Ausbau des Munsterturmes erschwerten sich
wahrend der Bauzeit die Ansiedelungsverhaltnisse UDd
als das Balkenwerk des Daches in Tnimmer ging, ent-
flohen die letzten Kolonisten. Wohl zahlte man im Jahre
1901 noch zwanzig bleibende, aber nicht am Turme
nistende Paare, allein im folgenden Jahre erschienen nur
noch sechs und diese werden wohl bald auch noch aus-
bleiben, wenn am Miinsterturme nicht fur Brutstatten
gesorgt wird.
Uber das Leben dieses interessanten Alpenbewohners,
der sonst hoch an den Felsen oben sein Nest anlegt, hat
Dr. L. Zehnter an Hand der Berner Kolonie eingehende
Beobachtungen gemacht. Die Ankunft des Vogels fallt
auf Ende Marz oder Anfang April und zwar erscheinen
zuerst nur einige Vorposten, um die alte Heimat zu in-
spizieren. Bald ziehen sie wieder ab, um nach einigen
Tagen in grosserer Zahl wieder zuriickzukehren. Von
Tag zu Tag vergrossert sich die Gesellschaft. So zahlte
man 1889 zu Anfang April 200 Stuck. Die Alpensegler
langen wohlgenahrt an, was ihnen sehr zu statten kommt,
da ihnen bei uns der Tisch im oft kalten April nur
sparlich mit Insekten gedeckt ist. Bei schonem Wetter
verlassen sie mit dem Morgengrauen ihre Ruhestatte, um
nun bis zum Mittag ununterbrochen nach Insekten zu
jagen. Dann tritt bis 5 oder 6 Uhr eine Pause ein,
worauf der Flug von neuem beginnt und bis zum Ein-
bruch der Nacht dauert.
Nie lasst sich der Alpensegler auf die Erde nieder. Ge-
schieht dies einmal unfreiwillig, so kann er sich nicht mehr
erheben. Was er zu seinem Nestbau braucht, muss er?
63
abgesehen von seinen eigenen Federn, in der Luft suchen.
Fliegend erhascht er, was der Wind an Strohhalmen,
Haaren, Federn, Laub etc. von der Erde aufwirbelt. Alle
diese Materialien werden durch einen gummiartigen Speichel
miteinander verklebt. Die Ne9ter verraten wenig Kunst-
sinn. Sie sind, wenn Raum genug vorhanden ist, in
runder Form angelegt und zeigen bei einer Breite von
12 cm nur 3 cm Tiefe. Vor dem Herausfallen schiitzen
sich die Jungen dadurch, dass sie sich fest ans Nest an-
klammern.
Mitte Mai beginnt die Paarungszeit, die von Zank
und wiistem Geschrei begleitet ist. Das Gelege weist
zwei, nur in seltenen Fallen drei spitzovale Eier auf.
Nach 18 — 21 Tagen schlupfen die Jungen aus, welche
anfangs nackt und blind sind. Infolge des reichlichen
Futters wachsen sie rasch. Bei schonem Wetter bringen
die Alten einen kaum nussgrossen Ballen von zusammen-
geklebten Insekten, die sie ihren zehn- und vierzehntagigen
Jungen ganz in den Rachen entleeren. In einem solchen
Knauel fand Dr. Zehnter einmal 156, ein andermal sogar
200 Stuck Insekten der verschiedensten Arten. Im Sep-
tember, wenn die Brut flugge geworden, unternehmen
die Alten grosse Ausfluge mit ihr, um sie fiir den bevor-
stehenden Flug nach dem Siiden, der gewohnlich in der
ersten Oktoberwoche stattiindet, zu trainieren.
Herr Dr. Girtanner glaubt, es liesse sich ein Teil der
alten Kolonie nach Bern zuriickgewinnen, wenn im Innern
des Helms Balkenkopfe, Bretterunterlagen, Starenkastchen
und dergl. angebracht wiirden, da dem Alpensegler nun
einmal Lage, Luft, Kiima und Nahrung in jener Gegend
zu behagen scheinen. Auch an anderen, ahnlich gelegenen
Orten, wo der Mauersegler nistet, konnten durch An-
64
bringung von Starenkasten mit grossem Flugloch und
Austausch der Mauersegler- gegen Alpenseglergelege An-
siedlungsversuche gemacht werden. Diese miissten aber
in der gleichen Gegend gleichzeitig in mehreren Kasten
oder sonstigen Niststatten vorgenommen werden. Da wir
heute in verschiedenen Ortschaften der Schweiz kleinere
Alpenseglerkolonien antreffen, so liessen sich die zum
Umtau8ch notigen Eier wohl besohaffen.
Je mehr die freie Vogelwelt den Sonderinteressen
des Bauers, Forsters, Fischers, Jagers, Handlers etc. zum
Opfer fallt, je mehr die Landbevolkerung ihre kulturellen
Bestrebungen ausdehnt und der Vogelwelt ihre Existenz-
bedingungen gefahrdet oder vernichtet, desto mehr muss
es dem Vogelfreund daran liegen, durch kunstliche An-
siedelungen das ganzliche Verschwinden mancher Tier-
arten aus der Fauna der Gegenwart wenigstens hinaus-
zuschieben.
Eine Chronik der Munsterturm-Kolonie schloss den
interessanten Vortrag ab.
Vom gleichen Autor, dem vortreff lichen Kenner und
feinen Beobachter unserer einheimischen Vogelwelt, sei
hier eine anziehende Plauderei iiber den Haussperling
angeschlossen.
Wenn auch im allgemeinen derjenige, welcher fur
den Haussperling plaid iert, wenig Dank zu gewartigen
hat, so sind doch die Ansichten, ob Nutzen oder Schaden
uberwiegt, sehr geteilt und gerade der aufmerksame Be-
obachter schatzt im verachteten Spatzen, dem geachteten
Strassenrauber unter den Vogeln, die treue Anhanglich-
keit an den Menschen und seine Behausungen. Weder
Schonheit noch Bescheidenheit noch Gesang eignen ihn
65
immervogel , Sch&digungen an Nutz- und Zier-
n und deren Friichten, sowie eine mdglichst aus-
i Vermehrung seiner Art bilden recht fatale und
Achtung erwerbende Charaktereigenschaften. In
nerika, wo der Haussperling 1861 von England her
ihrt wurde, hat er dank reichlicher Ernahrung und
anzung unter den vorteilhaften Verhaltnissen jener
len Ansiedelungsgebiete sich seither fast tiber den
Kontinent in Hunderten von Millionen und des-
i verderblichster Weise ausgebreitet. Heute werden
orme Summen als Pramien fiir Sperlingsvertilgung
fchlt, aber ohne bemerkbare Verminderung des Schad-
Ahnlich verhalt es sich mit seinem Pendant in
lien, dem Kaninchen, doch resultiert dort aus dem
1 Schaden wenigstens ein kleiner Nutzen durch den
• von Kaninchenfellen, wahrend der Sperlingsfang
terika zu kulinarischen Zwecken von keiner Be-
g ist.
inwiederum tritt der Vortragende der Ansicht ent-
dass der Haussperling bei uns eine auf seine
tung abzielende Verfolgung verdiene. In der Schweiz
nirgends zu einem grossen Volke erstarkt und wird
>dessen audi nicht zu einem so bedeutenden Schad-
Wir besitzen weder die grossen Stadte noch die
ehnten und deshalb nicht zu uberwachenden land-
laftlichen Betriebe wie Amerika, die der Verbreitung
>erlings forderlich waren. Von vornherein ist ihm
Thaltnismassig grosses Verbreitungsgebiet in der
iz, der grosste Teil der alpinen Zone, entzogen,
er siedelt sich nur bei menschlichen Wohnstatten
e das ganze Jahr hindurch bewohnt sind. Uber
chaden, den der Sperling an Obst- und Beeren-
66
kulturen anrichtet, ist man geteilter Meinung; manche
Ziichter sind der festen ftberzeugung, dass der Schaden
w&hrend der zwei- bis dreimaligen Brutzeit durch Insekten-
fang reichlich aufgewogen werde. Bei uns l&sst sich der
Rauber durch Reduzierung seiner Anzahl unschwer im
Zaume halten und wenn der Spatz sich das alleinige
Recht auf Haus und Garten und Futterbrett anmasst, so
ist er des Todes schuldig so gut wie die Hauskatze, die,
anstatt Mause zu fangen, unsere Anlagen und die freie
Natur rund herum in erster Linie von Vogeln aller Art
und aller Altersstufen radikal zu befreien bemiiht ist.
Herr Dr. Girtanner erortert eingehend die Mittel, um
der bald ganzlichen Ausrottung unserer kleinen Vogel-
arten durch die Katzen Einhalt zu tun und findet die
einzige Rettung in einer nicht allzu kleinen Katzensteuer.
Je oder Feld und Wald und Garten an Vogelleben zu
werden droht, um so weniger sollte der Haussperling ohne
triftigen Grund verfolgt und vertilgt werden. Trotz
mancher iiblen Gewohnheiten bildet er durch seinen treuen
Anschluss an den Menschen, sein munteres Wesen, seine
Wehrhaftigkeit ein freundlich-belebendes Element mitten
im geschaftlichen Gewtihle der Stadt und verdient wegen
seiner nutzlichen Eigenschaften auch Schutz von Seite
des Menschen.
Herr Dr. med. Richard Zollikofer besprach die
Ergebnisse der neuern Malariaforschung, in ge-
drangter tJbersicht das weitschichtige Material zu einem
klaren, allgemein verstand lichen Bilde zusammenfassend.
Die Erforschung der Malaria, dieser fur viele Gegenden
hochwichtigen Volkskrankhoit, ist in letzter Zeit in ein
neues Stadium getreten, indem bedeutsame Entdeckungen
67
)tzlich unerwartete, aussichtsvolle Wege zur Verhiitung
r Krankheit eroffneten. Den Entwicklungsgang dieser
►rschungen und deren praktische Anwendung fur die
ilariaprophylaxe schilderte der Vortragende.
Die Malaria, bei uns Wechsel- oder Sumpffieber ge-
nnt, ist in ihrem Beginne durch kurze, intensive Fieber-
fftlle charakterisiert, die sich alltaglich wiederholen
uotidiana) oder alle zwei Tage (Tertiana) oder alle drei
ge (Quartana). Zunehmende Blutarmut und Milz-
lwellung begleiten stets das Fieber. Dieses letztere
ht nach einiger Zeit zuriick und der Zustand geht in
ie langsam zehrende Krankheit liber, die sich in un-
gelmassigen Erscheinungen aussert, besorders von
iten des Nervensystems, und manchem einen friihen Tod
ingt.
Die Krankheit kann alle Menschen ohne Auswahl
jffen ; eines gewissen Schutzes erfreuen sich bloss solche
&mme, die seit langen Zeiten in schlimmen Malaria-
genden gewohnt und sich an die Krankheit angepasst
ben. Sie erledigen das Fieber in ihrer ersten Kindheit,
e wir hierzulande die Masern, leicht und ungefahrdet;
is ihr nicht Stand zu halt en verinag, geht beizeiten
Grunde; der iibrig bleibende Teil ist ein Geschlecht,
s seine Existenz der Malaria gegeniiber dann leicht
frecht erhalten kann. — Die meisten und schwersten
Jle kommen in warmen Liindern vor; immerhin reicht
3 Krankheit nordwarts bis an die Kiistengebiete der
>rd- und Ostsee. C^harakteristisch ist ihre strikte geo-
aphische Verbreitung, derart, dass die Krankheit ihre
t langem bekannten Sitze hat, an welchen sie alljahr-
h mit grosser Regelmassigkeit wiederkehrt, wahrend
dere Gebiete ebenso sicher vor ihr verschont bleiben.
Ausser den Kustenstrichen sind namentlich die Wasser-
laufe grosser Fltisse als Malariagegenden im Verruf.
In Deutschland ist gegenw&rtig nur noch die Um-
gebung von Wilhelmshaven eigentlich verseucht. Vor
30 Jahren aber stand es viel schlimmer; so hatte man
im Jahre 1869 im Heere allein iiber 13,000 Falle von
Wechselfieber. — Fur Italien ist das Fieber heute noch
eine wahre Geissel; es fordert alljahrlich an die 16,000
Menschenleben und die Zahl der Erkrankungen erreicht
die Hohe von zwei Millionen im Jahr.
In der Schweiz sind heutzutage nur noch wenig
Piatze im sudlichen Tessin und Wallis verdachtig. In der
ersten Halfle des vergangenen Jahrhunderts wurde aber
auch unser Kanton noch empfindlich vom Fieber ge-
schadigt; Rheintal und Linthgebiet waren schwer ver-
seucht und man berichtet von einer epidemischen Haufung
der Krankheitsf alle zu Anfang der Zehnerjahre, dann in
der Mitte der Zwanziger- und zu Ende der Dreissiger-
jahre. Dann gingen die Fieber zuriick und bis 1880
waren sie im Gebiete des Kantons verschwunden.
Wahrend die Malariakrankheiten sich mit Z&higkeit
an bestimmte Ortiichkeiten halten und an diesen Orten
jeden ergreifen konnen, auch wenn er nicht den ent-
ferntesten Verkehr mit kranken Einwohnern hatte, sehen
wir, dass bei andern Infektionskrankheiten der kranke
Mensch die Quelle der Ansteckungen bildet und der
Kontakt mit Kranken die gewohnlichste Art der Ver-
breitung der Infektion darstellt. Einen nicht von Kranken,
sondern von der Ortlichkeit ausgehenden Ansteckungsstoff
pflegt man als Miasma zu bezeichnen, und bei der
Malaria, welche sich stets an Gegenden halt, die reich
an Siimpfen sind, glaubte man, dass dieses Miasma in
69
giftigen Ausdunstungen dieser Siimpfe bestehe. — Im
Jahre 1880 gelang es Laveran, dieses unbestimmte
Miasma genauer zu prazisieren ; er fand namlich im Blut
der Malariakranken einen kleinen, tierischen Parasiten,
das sogen. Malaria-Plasmodium ; es schmarotzt auf den
roten Blutkorperchen und richtet sie zagrunde, was dann
allmalig zur Blutarmut ffihrt.
1886 zeigte Golgi, dass die Plasmodien sioh im Blute
derart vermehren, dass jeder Parasit nach einigen Tagen
sich in etwa ein Dutzend Teilstiicke spaltet, von welchen
jedes wieder zum selbstandigen Parasiten wird und sich
aufs neue teilen kann ; zugleich machte er die Entdeckung,
dass stets ein Fieberanfall beim Kranken auftritt, wenn
seine Plasmodien ihre Teilung vollziehen, dass also der
regelmassige Wechsel von Anf &llen und fieberfreien Tagen
harmoniert mit der Entwicklung der Parasiten. Da man
diese Parasiten nun weder bei Tieren noch Pflanzen wieder-
finden konnte, blieb es lange ein Ratsel, wie sie in den
menschlichen Korper hineingelangen.
Es existierte in Italien ein alter Volksglaube, dass
der Stich der Mosquitos dem Menschen das Keber
bringe. Im Jahre 1898 konnte der Englander Ross den
Beweis hiefiir erbringen. Er beobachtete, wie die beim
Blutsaugen in den Magen der Mosquitos gelangten Para-
siten sich allmalig umbildeten zu einer grossen Zahl feiner
Stabchen, welche sich in der Giftspeicheldruse der Miicke
ansammeln und beim nachsten Stich dem Opfer wieder
ins Blut geimpft werden. Es gelang ihm auch, vorder-
hand mit einem Malariaparasiten der Vogel, die tJber-
tragung durch Mosquitos tatsachlich auszufuhren, indem
er Mosquitos erst an kranken Spatzen Blut saugen Hess
und einige Zeit nachher an gesunden; die Folge davon
70
war, dass sofort auch die gesunden Spatzen malariakrank
wurden. Die Plasmodien machen also einen sogen. Wirts-
wechsel durch; einen Teil ihres Daseins schmarotzen sie
auf dem Warmbliiter, den andern auf der Miicke.
So wurden die Stechmiicken plotzlich in den Kreis
der Malariaforschung einbezogen und zunachst festgestellt.
dass nicht alle Mosquitos befahigt sind, die Malaria zu
iibertragen, sondern nur die Arten der Oattung Ano-
pheles, von welchen sich nachweisen Hess, dass sie
nirgends fehlen, wo Malaria vorkommt; die Gattung
Culex, die auch bei uns iiberall vorkommt, hat mit der
Ausbreitung der Malaria nichts zu tun. Damit die Para-
siten sich in den Miicken fortentwickeln konnen, bedarf
es ziemlich hoher Temperaturen ; in Italien vollzieht diese
Entwicklung sich daher nur in den Sommermonaten ; in
unsern Breiten im ersten Friihjahr, wobei die Miicken
sich an Ofen und Kaminen aufhalten, um die notige
Warme zu geniessen. Deshalb fallen auch die Neu-
erkrankungen an Wechselfieber in Italien in die Sommer-
monate, in Deutschland in den April und Mai.
Durch mehrere Experimente wurde nun noch der Beweis
erbracht, dass der beschuldigte Mosquito wirklich der In-
fektionsvermittler sei. Eine englische Expedition z. B. ver-
brachte einen ganzen Sommer in den gef ahrlichen Sumpfen
von Ostia und schutzte sich vor Muckenstichen, indem sich
die Teilnehmer bei Sonnenuntergang stets in ein Hauschen
zuriickzogen, dessen Fenster durch feine Drahtsiebe fur
die Mosquitos versperrt und dessen Inneres vollig weiss
ausgestattet war, damit jede Miicke leicht entdeckt und
beseitigt werden konnte; keiner von ihnen wurde durch
diesen Aufenthalt in der gefurchteten Fiebergegend krank.
Andere englische Arzte liessen sich Miicken nach
71
ndon kommen, welche in Italian Malariablut getranken
bten und setzten sich den Stichen dieser Mlicken aus,
s zur Folge hatte, dass sie alle an typischer Malaria
crankten. Durch solche Versuche war die Mosquito-
>orie bald glanzend gerechtfertigt.
Man hatte dainit bestimmte Anhaltspunkte gewonnen,
i in die Entwicklung der Parasiten und damit auch
t Krankheit einzugreifen. Koch schlug vor, alle
inschen eines Malariaortes von den Parasiten zu be-
ien, was durch Chinin moglich ist, so dass die Miicken
ine Plasmodien mehr vorfinden, die sie weitertragen
nnten. Ein Versuch mit dieser Methode in Neu-Guinea
tte gute Wirkung. Die Italiener erwarteten uiehr Er-
g von der Ausrottung der Miicken durch Aufgiessen
q Petrol in alle Sumpfe und Tiimpel ; dabei gehen die
ickenlarven zugrunde ; man konnte tatsachlich auf diese
eise einzelne Platze fast miickenfrei machen, wodurch
p Weiterverbreitung der Malariaansteckungen sofort Ein-
lt getan wurde. Mit grossem Erfolg ftihrten sie die
ankheitsverhutung auch an mehreren Eisenbahnstrecken
verrufenen Fiebergegenden in der Weise durch, dass
muckensichere Warterhauschen mit vergitterten Fenstern
igs der Linien errichteten, zur nachtlichen Unterkunft
sr Angestellten, und dass sie diejenigen, welche genotigt
ren, im Freien zu bleiben, mit Kapuzen und Hand-
mhen aus Drahtgetleehteii und Leder vor den Miicken
Liitzten. — Bei den Europaern in den Kolonien ist es
gemein iiblich, durch regelmassiges Einnehmen von
inin das Fieber zu unterdriicken.
Alle diese Methoden sind brauchbar und haben, den
astanden richtig angepasst und kombiniert, jetzt schon
be Friichte gezeitigt.
72
Da die Stechmiicken, speziell der Anopheles, auch
jetzt noch in unserer Gegend existieren, sind wir gegen
ein neues Ausbrechen der Malaria nicht gesichert; ein
einziger eingeschleppter Fall kann zum Mittelpunkt einer
neuen Epidemie werden. Die fortschreitende Kanalisation
im Linthgebiet und Rheintal hat aber bereits ungezahlte
Brutstatten der Miicken zerstort, und je vollstandiger diese
Trockenlegung der Sumpfe durchgefiihrt wird, desto zu-
verlassiger wird die Assanierung der ehemaligen Fieber-
gegenden sein, desto geringer die Gefahr, dass die Malaria
bei uns wieder einmal Boden zu fassen vermoge.
Uber neue Bestrebungen auf dem Gebiete
der Leuchttechnik, insbesondere die Nernst-
lam pen, verbreitete sich in ausfuhrlicher Stndie Herr
Prof Dr. Renfer.
Dem Dornroschen gleich lag die elektrische Kraft,
heute als machtvolle Herrscherin (iber alien Naturkraften
tronend, welche der Mensch sich dienstbar gemacht hat,
gleichsam in tausendjahrigem Schlaf, bis die moderne
Wissenschaft sie zum Leben erweckte. Obwohl dieElektro-
technik bereits gewaltige Umwalzungen auf dem Gebiete
der Industrie und des Verkehrs zu verzeichnen hat, stehen
wir heute doch erst an der Schwelle des Zeitalters der
Elektrizitat. Zwar hat uns das vergangene Jahrhundert
bereits die elektrische Beleuchtung, die elektrische Kraft-
iibertragung, die Telegraphie mit und ohne Draht, das
Telephon usw. gebracht, allein sicher wird die Technik im
Verein mit der Wissenschaft im neuen S&kulum unge-
ahnte Erfolge zeitigen, welche sich auch auf das Gebiet
des Beleuchtungswesens erstrecken durften.
Dem Bediirfnisse des Menschen, auch die Nachtstunden
73
seiner Arbeit dienstbar zu machen, entsprachen Jahr-
tausende hindurch Holz, Pech, Talg und andere Fette
oder Ole. Mitte des verflossenen Jahrhunderts traten die
Mineralole (Petroleum etc.) als Beleuchtungsmittel auf und
riefen einer Verbesserung in der Konstruktion der Lampen.
Schon 1792 legte der Schotte William Murdorb den Grund
zur Steinkohlengasbeleuchtung, deren Zukunft durch die
Erfindung Dr. Auers (Auerlicht) definitiv gefestigt wurde,
so dass diese Beleuchtungsart wohl kaum durch die Elek-
trizitat verdrangt werden wird.
Die praktische Verwertung der letzteren als Beleuch-
tungsmittel ist auf die im Jahre 1878 von Edison er-
fundene Gluhlampe zuruckzufuhren, welche heute noch
in ihrer urspriinglichen Form gebraucht wird. Neben ihr
findet das Bogenlicht vielfach Verwendung. Als neueste
Beleuohtungsmittel sind das Acetylen- und das Luftgas
zu nennen.
Heute kampfen um die Herrschaft das Gasgliihlicht
und das Elektrogliihlicht, und es ist schwer zu entscheiden,
welchem der Sieg zufallen wird, da jede der beiden Be-
leuchtungsarten ihre Vorteile aufweist. Was speziell die
elektrische Beleuchtung anbetrifft, so wird gegenwartig
unablassig an deren Vervollkommnung gearbeitet. Be-
weise dafur liefern die Nernst-Lampe, die Osmium-Lampe,
das elektrische Bogenlicht, das Teslalicht und die Effekt-
bogenlampe.
Der Erklarung der Nernst- und Osmium-Lampe vor-
ansgehend, entwickelt der Vortragende an der Hand von
Versuchen und Tabellen in sehr klarer Weise die Theorie
des Leuchtens. Nach dieser ist Licht und W&rme eine
Folge von Schwingungen des alles einhlillenden und durch-
dringenden Weltathers. Bei unsern gewohnlichen Be-
74
leuchtungsarten werden die Atherschwingungen dadurch
erzeugt, dass die Molekule, das sind die denkbar kleinsten,
mit dem Ganzen noch gleichartigen Teile eines Korpers,
durch Warme in Schwingungen versetzt werden, welche
sich dem Ather des Raumes mitteilen, nach alien Rich-
tungen sich mit einer Geschwindigkeit von 300,000 km
in der Sekunde ausbreiten und schliesslich in unserm
Auge als Licht empfunden werden. Der Abstand zwischen
zwei in gleichen Schwingungszustanden befindlichen Ather-
teilchen heisst die Wellenlange.
Im weissen Licht sowohl als auch in jeder gemischt
gefarbten Lichtquelle finden sich Lichtwellen von ver-
schiedenen Wellenlangen. So hat eine Welle roten Lichtes
eine Lange von 693, violettes von 393 Millionstelmillimeter,
wahrend die Schwingungszahl des ersteren 430, des letzteren
800 Billionen pro Sekunde betragt. Die Schwingungs-
zahlen von oraDge, gelb, griin, blau und violett liegen
zwischen den angefuhrten Werten. Der Energiebetrag,
welchen die Gesamtstrahlung einer leuchtenden Flamme
ausmacht, ist indessen bedeutend grosser. Es gibt Wellen-
arten, die einerseits iiber das Violett (ultraviolett«e Wellen),
anderseits iiber das Rot hinausgehen (ultrarote Wellen).
Erstere aussern sich durch krafbige chemische, letztere
durch Warmewirkung. Diese beiden Wellenarten machen
den weitaus grossten Teil des Eaergiebetrages einer Licht-
quelle aus, so dass deren Nutzeffekt als Leuchtapparat
ein sehr geringer ist. Es besteht also zwischen Aufwand
und Effekt ein Missverhaltnis : wir wollen Licht und be-
kommen zur Hauptsache Warme, wahrend als Ideal einer
Lichtquelle eine solche bezeichnet werden muss, die nur
Lichtstrahlen und keine Warmestrahlen aussendet. Wie
weit wir noch von diesem Ideal entfernt sind, zeigen
1
76
unsere gebr&uchlichsten Lichtquellen, das Petroleum und
das Leuchtgas, deren Lichteffekt nur 0,6, deren W&rme-
effekt dagegen 99,6 °;'o betragt. Besser stent's mit dem
elektrischen Gluhlicht, das 6,6 °/o Licht- und 94,6 °/o Warme-
effekt aufweist ; bei der Nemstlampe stellt sich das Ver-
haltnis auf 12,6:87,4, bei der elektrischen Bogenlampe
auf 13:87. Das Ideal erreicht das Tesla-Licht und das
Johanniswurmchen mit 100 °o Licht und 0°/o Warme-
effekt.
In der Erhohung der Temperatur eines leuchtenden
Korpers besitzen wir ein Mittel, um die wirtschaftliche
Ausbeute desselben zu erhohen. Aus den Untersuchungen
von Draper, Weber und Emden geht hervor, dass ein
strahlender Korper bei ungef ahr 600 Grad Celsius zu
leuchten beginnt, und zwar besteht das anfanglich aus-
gestrahlte Licht aus den langsamen Schwingungen der
roten Wellen. Bei Erhohung der Temperatur gesellen
sich nach und nach auch die rascheren Schwingungen der
gelben, grunen, blauen und violetten Wellen dazu, so dass
sich schliesslich der Gesamteindruck dem Weiss des Sonnen-
lichtes nahert. Aber auch jetzt noch machen die Warme-
strahlen den Lowenanteil aus. Bei steigender Erhitzung
wird das Licht immer heller, wobei die Lichtfulle viel
schneller zunimmt als die Temperatur. Laut einem Ge-
setz steigt die ausgesandte Lichtmenge mit der vierten
oder funften Potenz der absoluten Temperatur. Demnach
ist also die Flamme um so okonomischer, je heisser sie
ist, woraus sich ergibt, dass sich die Leuchttecknik als
Hauptaufgabe die Erzielung moglichst hoher Tem-
peraturen zu stelien hat.
Es eignet sich diesfalls der Kohlenfaden der Edison-
Lampe nicht als Lichtquelle, da seine Hitze beim Gllihen
76
2000 Grad kaum iibersteigt, und wir uns dabei schon der
Verfliichtigungstemperatur der Kohle nahern. Man hat nun
in neuester Zeit versucht, die Kohlenfaden dadurch hitze-
bestandiger zu machen, dass man sie mit Bor, Silicium etc.
impr&gnierte, allein die Resultate waren keine glinstigen.
Mehr Erfolg verspricht die Anwendung der Elemente der
Platin-Gruppe. Es sind dies Ruthenium, Rhodium, Pal-
ladium, Osmium, Iridium und Platin, alles seltene Metalle,
welche meist gemeinsam in der Natur vorkommen, schwer
von einander zu trennen und noch schwerer zu verarbeiten
sind. Alle sind ferner sehr hitzebestandig. So schmelzen
Osmium-Korner selbst unter Luftabschluss bei 3500 Grad
Celsius noch nicht. In der Osmium-Lampe des Dr. Auer
von Welsbach ist nun doch die Verarbeitung des Osmiums
gelungen, allein die Lampe kommt vorlaufig nicht in den
Handel.
Weitere hitzebestandige Stoffe, die nach dem Vor-
schlage von Dr. Nernst in Frage kommen konnen, sind Mag-
nesia, Kalk und Silicium und verschiedene seltene Erden.
wie Zirkon, Tonerde, Ceroxyd und die Oxyde der Ytterit-
gruppe. Doch gehort die Trennung der einzelnen Erden
der letzteren zu den schwierigsten Aufgaben der Chemie.
Gibt uns die Praxis den Rat, fur den strahlenden
Korper ein moglichst hitzebestandiges Material zu ver-
wenden, um es ohne Gefahr der Zerstorung auf eine
moglichst hohe Temperatur bringen zu konnen, so haben
die in der deutschen physikalisch-technischen Reichsanstalt
angestellten Untersuchungen uber die Energiestrahlung
einerseits die voile wis3enschaftliche Erklarung hiefiir ge-
geben, anderseits uns auch den Weg gezeigt, auf welchem
man zu einer wirklich rationellen Lichtquelle gelangen
kann. Der Klarlegung dieses hochst interessanten Weges
77
>n die anschliessenden Ausfuhrungen des Vortragenden,
wir hier iibergehen.
Nach Dr. Witt ist bei der Lichterzeugung im weitern
Atomgewicht des strahlenden Korpers zu beruck-
igen, denn nach seiner Ansicht soil das Gas- wie das
trogliihlicht erst gut geworden sein, als man dem
ikorper Thoroxyd beigemischt hatte. Diese gute Wir-
r betrachtet er als eine Folge des zweithochsten Atom-
chtes des Thors, dessen Oxyd daher auch ein ausser-
ntlich hohes Molekulargewicht haben muss. Korper
grossem Molekulargewicht bedtirfen aber nach einem
»tze von Dulong und Petit einer sehr geringen Warme-
ge, um auf eine gegebene Temperatur gebracht zu
len. Wir werden also eine gewisse Menge Thoroxyd
h eine bestimmte Warmemenge, rtihre sie von der
>rennung eines Gases oder vom elektrischen Strome
auf hohere Glut erhitzen konnen, als eine Verbindung
niedrigerem Molekulargewicht. Es ist uns dies ein
;erzeig zur Aufsuchung geeigneter Gliihkorper. Als
ter kommt die Kohle am schlechtesten weg, denn sie
; ein niedriges Atomgewicht (12). Allerdings hat sie
r eine abnorme, fast um die Halfte zu niedrige spe-
jhe Warme, allein diese ist immer noch das sechs-
3 derjenigen des Thoroxydes und das funfzehnfache
metallischen Thors.
Vorteilhafter ist schon die Anwendung von Magnesium
Magnesiumoxyd (Atomgewicht 24). Noch besser ware
: (Calcium 40). Dann folgen Yttrium 89, Zirkon 90,
am 92, Ruthenium und Rhodium 104, Palladium 106,
,han 138, Erbium 166, Ytterbium 173, Platin 197,
um 198, Osmium 199, Thorium 231. Die zweite Be-
ung, welche die Leuchttechnik an den Gliihkorper
78
8tellt, heisst sonach: Der strahlende Korper muss ein
hohes Atomgewicht und eine geringe spezifische
W&rme haben.
Zur Steigerung des optischen Nutzeffektes einer Licht-
quelle fallt noch eine dritte Bedingung in Betracht. Das
oberste aller Strahlungsgesetze, das schon von Kirchhoff
aufgefunden wurde, lautet, dass ein Korper bei jeder
Temperatur vorzugsweise diejenigen Wellensorten ver-
sendet oder emittiert, welche er bei der gleichen Tem-
peratur verschluckt (absorbiert), d. h. gute Absorbenten
eind gute Emittenten.
Nach diesem Gesetze sendet der vollkommen schwarze
Korper, z. B. Kohle, die ja das Licht jedweder Parbe ver-
schluckt, auch alle ihrer jeweiligen Temperatur entsprechen-
den Strahlengattungen aus, wenn man sie zum Gliihen
bringt. Da aber in einer solchen Lichtquelle die dunkeln
W&rmestrahlen nie fehlen, kann ein solcher Korper nie
eine okonomische Lichtquelle sein. Wie die Kohle, so
verhalten sich im allgemeinen auch die Metalle. Hin-
sichtlich der Energieverteilung im Spektrum des schwarzen
Korpers fand Kirchhoff, dass letzterer die Maximalwerte
der Strahlung erreiche, dass man daher mit keiner auf
reiner Temperaturstrahlung beruhenden Lichtquelle eine
grossere Helligkeit erzielen kann, als mit dem schwarzen
Korper. Dessenungeachtet ist dieser Korper aber der
unokonomischste, denn er sendet auch die maximale Energie
im unsichtbaren Gebiete des Spektrums aus, und diese ist
fur das Auge nur wertloser Ballast.
Bei andern Korpern findet dagegen eine aus-
wahlende, selektive Absorbtion statt. Es ist dies
bei all den Korpern der Fall, welche nur bei Tageslicht
gefarbt erscheinen. Sollte bei diesen eine selbstandige
79
Lichtemi8sion zu stande kommen, so muss auch diese
selektiver Natur sein. Konnte z. B. eine rote Scheibe.
welch e nur rote Strahleu durchlasst, durcb irgend eine
Vorrichtung zum Gliihen gebracht warden, so hatte das
ausgestrablte Licht wieder eine rote Farbe. Es erscheint
nicht ausgeschlossen, dass wir einst einen Leuchtkorper
herstellen konnen, welcher sehr wenig Warmestrahlen aus-
sendet, dagegen die zugefuhrte Energie, sei sie chemischer
oder elektrischer Art, der Hauptsache nach in Form von
Licht wieder ausstrahlt. Ein solcher „idealer Tem-
peraturstr abler" musste die Warmewellen im Vergleich
zum schwarzen Korper gleicher Temperatur, der alles
absorbiert, besser reflektieren als die Lichtwellen. Als
dkonomischen Lichtk5rper miissten wir somit denjenigen
bezeichnen, welcher die Strahleu von rot bis violett voll-
kommen verschluckt, dagegen alle andern Wellen ent-
weder vollkommen reflektiert oder hindurchlasst. Als
dritten Grundsatz ergibt sich also: Anwendung eines
Gliihkorpers mit selektiver Emission, der nur Licht-
strahlen und keine Warmestrahlen aussendet, der also
alle Lichtstrahlen absorbiert und alle Warmestrahlen voll-
standig spiegelt oder durchlasst.
Nach diesen theoretischen Erorterungen, welche von
Experimenten und Tabellen unterstiitzt waren. und nach
der Entwicklung des Joule'schen Gesetzes, welches die
Warmemenge, die in einem vom elektrischen Strom durch-
flo8senen Leiter entsteht, in Grammkalorien ausdruckt,
behandelte Herr Dr. Renfer die Nernst'sche Gluh-
lampe.
Angeregt durch die Ertindung des Auer'schen Gas-
gliihlichtes kam Nernst anf den Gedanken, die dort an-
gewandten Grundprinzipien auf das elektrische Gebiet
80
zu ubertragen. Der Auer'sche Gliihstrumpf besteht aus
einem Baumwollgewebe bester Sorte. Dieses wird mit
sogenanntem Lightingfluid, d. i. eine Losung von Salzen
seltener Erden, impragniert. Heute verwendet man fast
allgemein Losungen von Thoriumnitrat, welchem eine be-
8timmte Menge Cernitrat beigemischt ist. Nachher wird das
organische Gewebe, das nur als Trager der eigentlichen
Gliihmasse diente, verbrannt. Die gunstige Leuchtkraft
des Strumpfes riihrt daher, dass das Strahlungsvermogen
der gelben, griinen und blauen Strahlen weit intensiver
ist als dasjenige der roten und ultraroten. Die sichtbaren
Strahlen machen also einen sehr grossen Bruchteil der
gesamten ausgestrahlten Energie aus, w&hrend verhaltnis-
massig weniger unsichtbare Strahlen ausgesandt werden.
Nernst verfertigte nun aus denselben Oxydgemischen,
die er pulverisierte und dann zu St&ben presste, seine
Gliihkorper, deren Enden er mit Platindraht umwickelte.
Von der Ansicht ausgehend, dass bei der Anwendung
von Gleichstrom der elektrolytische Leiter in seine Jonen
zerlegt werde, verwendete Nernst anf anglich nur Wechsel-
strome, welche infolge der entgegengesetzt gerichteten
Stromstosse keine Zersetzung der Oxyde bewirken. Spatere
Versuche zeigten, dass die Gemische von Oxyden hunderte
von Stunden durch Gleichstrom im Gluhen erhalten werden
konnten, ohne dass eine zerstorende Zersetzung durch den
elektrischen Strom eintrat.
Die Hauptschwierigkeit bei der Verwendung der
Nernst-Lampe bestand in der Vorerwarmung des Gluh-
korpers, was anfangs mit Hilfe von Streichholzern oder
mittelst Spiritusflamme geschah. Erst bei etwa 700 Grad
Celsius ist die Leitungsfahigkeit des Stabchens so, dass
der Strom durchgeht.
81
Lang8am und stetig wurde an der Verbesserung der
npe gearbeitet. Die Vorwarmeeinrichtung bestand zu-
Jist aus einem Porzellanrollchen, auf welches feiner
•tindraht gewickelt wurde, und dicht daneben wurde
i Magnesiastabchen angebracht, das nach und nach die
n Leuchten notwendige Temperatur erhielt. Eine sinn-
die elektromagnetische Vorrichtung schaltet dann zu-
ich den Strom aus der Heizspirale aus.
Erfolgreiche praktische Verwendung haben aber erst
Nernst-Lampen Modell 1902 gefunden. Auf Anraten
1 Dr. Ochs wird der diinne, schraubenformigaufgewickelte
;zdraht mit einem feinen Porzellanmantel umhiillt. Der
ihende Platindraht versetzt nun ziemlich rasch die
ane Porzellanhulle ebenfalls in Glut, und in wenigen
nuten kommt das Gliihstabchen zum Leuchten.
Bei der probeweisen Einfuhrung zeigte sich bald ein
iterer tJbelstand. Sobald die Spannung des Leitungs-
;zes um funf Volt uber das zulassige Maximum der
;reffenden Nernst-Lampe steigt, wird der Gliihkorper
rch die zu grosse Stromstarke zerstort. Um der Zu-
bme der Stromstarke durch kleine Schwankungen in
• Spannung, die durchaus nicht zu vermeiden sind, zu
gegnen, wurde ein aus diinnem Eisendraht bestehender
Lderstand vorgeschaltet.
Die Vorteile der Nernst-Lampe bestehen erstens in
em schonen, weissen Licht (Gliihlampen leuchten gelb-
h, Auerbrennergriinlich, Bogenlampen blaulich), zweitens
dem geringen Stromverbrauch und daherigen geringern
>sten, drittens eignen sie sich fur Spannungen von 100
\ zu 250 Volt, und endlich kann jeder Teil fur sich
ein leicht ersetzt werden, was z. B. bei der Gliihlampe
;ht der Fall ist.
82
Diesen Vorteilen gegenuber stehen folgende Nach-
teile : die langweilige Vorw&rmevorrichtung, die allerdings
in vielen Fallen kaum in Betracht fallt; die hoheren
Anschaffungskosten und die kurzere Lebensdauer als bei
der GUiihlampe. Auch kann die Nernst-Lampe dort nicht
verwendet werden, wo Explosivstoffe vorhanden sind,
z. B. in Kellern, Bergwerken etc.
Alles in allem bedeutet sie aber doch einen wesent-
lichen Fortschritt in der Beleuchtungstechnik, and es
kommt auch sie dem Bedurfnis dee Menschen nach „mehr
Lichta in sch6ner Weise entgegen.
Mannigfache Anregung bot die auf den Orenzgebieten
von Naturwissenschaft und Philosophie sich bewegende
Studie: Die Urtiere und das Problem des Lebens
von Herrn Seminarlehrer A. I nh elder.
Nachdem der Vortragende einleitend an Hand vor-
ziiglicher Abbildungen iiber den Bau der einfachsten Tiere
(Urtiere) und die in ihrem Korper sich abspielenden Lebens-
vorgange, als Ernahrung, Bewegung, Fortpfl anzung, Schutz-
vorrichtungen gesprochen, unterzieht er die verschiedenen
Standpunkte, von denen aus die Naturforscher das Pro-
blem der Entstehung des Lebens auf unserer Erde zu
losen suchen, einer objektiven Kritik.
Dem Altertum erschien die ganze Natur belebt; so
darf uns die Ansicht des Aristoteles, dass FrSsche und
Schlangen aus Schlamm entstehen, nicht sonderlich be-
fremden. Aber noch tief in der Neuzeit war man sich
der Kluft zwischen belebter und unbelebter Materie wenig
bewusst. Im 18. Jahrhundert tritt Bonnet in seinen „Be-
trachtungen der Natur" der Annahme entgegen, dass aus
toter Substanz lebende hervorgehen k6nne. Er leugnet
83
somit die Moglichkeit einer Urzeugung, einer Generatio
spontanea. Dem Problem der Entstehung des Lebens
wurde in der Folge das lebhafteste Interesse zugewendet.
Eine Reihe von Forschern glaubte auf Grund angestellter
Versuche Urzeugung nachgewiesen zu haben, doch konnte
ihnen von gegnerischer Seite mit Recht der Vorwurf ge-
macht werden, dass sie bei ihren Experimenten nicht mit
der notigen Kritik vorgegangen seien. In der Tat ist es
noch bei keinem einwandfreien Versuche gelungen, aus
lebloser Substanz lebende zu erhalten. Aus dem negativen
Ergebnis der bis jetzt in unseren Laboratorien angestellten
Experimente darf aber nicht geschlossen werden, dass auf
der Erde niemals Urzeugung stattgefunden habe. Dieser
Schluss diirfte selbst dann nicht gezogen werden, wenn
es auch kiinftighin nie gelingen sollte, unter SchafFung
aller moglichen Bedingungen, aus lebloser Substanz ein
lebendes Wesen entstehen zu lassen. Das Leben auf
unserem Planeten ist uralt. Einst muss es aber in der
Entwicklungsgeschichte der Erde eine Zeit gegeben haben,
wo Lebewesen noch nicht existieren konnten. So drangt
sich uns die Frage auf, wie das erste Leben auf unserem
Planeten entstanden sei. Hierauf sind nur zwei Antworten
zu geben. Entweder ist das Leben irdischen Ursprungs,
dann konnen die ersten Lebewesen aber nur auf dem
Wege der Urzeugung entstanden sein : im andern Falle
entstammt es einem fremden Himmelskorper, der in jener
Zeit Lebensbedingungen geboten haben muss. Mit den
Trummern eines solchen Gestirns, auf oder in Meteoriten,
mtissten alsdann die ersten Lebenskeime auf unsere Erde
gelangt sein. Es ist aber einleuchtend, dass durch diese
jjMeteorhypothese", die ihre Verfechter gefunden hat, das
Problem der Entstehung des ersten Lebens nicht geloat
84
wird. Die Frage wird nur von einer tellurischen zu einer
kosmischen gemacht.
1st aber das Leben iiberhaupt je entstanden, ist es
nicht vielleicht so alt wie die Welt iiberhaupt? Dadurch
wurde das Problem zu einer transzendentalen Frage er-
hoben und damit der Sphare der naturwissenschaftlichen
Forschung entriickt. So wenig sich gegen diese Auffassung
als Standpunkt einwenden lasst, so muss doch anderseits
zugegeben werden, dass es der Wissenschaft doch einmal.
wenn auch vielleicht erst in sehr ferner Zukunft gelingen
kann, die Entstehung des ersten Lebens auf unserer Erde
in befriedigender Weise zu erklaren.
Wenn auch mit grosster Wahrscheinlichkeit auf unserem
Planeten keine Urzeugung mehr stattfindet, mussen wir
doch die Moglichkeit offen lassen, dass in friiheren Zeiten
eine solche Generatio spontanea stattgefunden habe, als
die Erde andere chemisch-physikalische Bedingungen fur
die Entstehung von Lebewesen bot.
Die Lebensvorgange sind Bewegungsvorg&nge. Die
Ursachen der Bewegungen sind Krafte. Bei der Unter-
suchung der Lebenserscheinungen geht das Streben der
Physiologen dahin, die Vorgange so viel als moglich auf
chemisch-physikalische Gesetze zuriickzufuhren und damit
als Wirkungen von Kraften aufzufassen, welche in der
unbelebten Natur herrschen. In manchen Fallen ist dies
schon gelungen, in anderen nicht, vielleicht deshalb nichtr
weil die Bedingungen, unter denen sich die Erscheinungen
vollziehen, zu verwickelt sind, als dass man sie ganz in
ihre einfachen Komponenten zerlegen kfainte.
Freilich muss zugegeben werden, dass in der belebten
Natur moglicherweise noch andere Faktoren tatig sind
als in der unbelebten. Wenn eine besondere Lebenskraft
85
istiert, wie die Vitalisten behaupten, so werden ihr die
tiven Vorgange in den lebenden Organismen, wie die
>ntraktion der Muskelfasern, das Wandern der weissen
utkorperchen etc. zuzuschreiben sein. Der Begriff der
ctivitat wurde aus der Selbstbeobachtung geschopft.
ctivitat, Leben, Wille besagen vielleicht im Grunde
sselbe. tJbertr> man das aus dem untriiglichsten
lell der Erkenntnis, dem eigenen Bewusstsein, Geschopfte
f die Organe unseres Korpers, auf jede einzelne Zelle,
ist der Versuch einer psychologischen Erklarung des
ibens gemacht. Danach ware das, was den ausseren
anen als Lebensvorgange erscheint, jene zur Zeit noch
3ht in ihrer gegenseitigen Bedingtheit erklarbaren Be-
jgungsvorgange, mit dem identifiziert, was dem so-
nannten inneren Sinne, mit dem wir die Vorgange und
istande in unserem Bewusstsein beobachten, als Wille
jcheint. Diese AufFassung ermoglicht, ein Ph an omen
r ausseren Sinne und eine Tatsache des Bewusstseins
sichsam als zwei Seiten eines und desselben Dinges an-
sehen. Wenn eine besondere Lebenskraft existiert, liegt
in zwingender Grund zur Annahme vor, dass sie nicht
ch wie die anorganischen Krafte mit Notwendigkeit
d nach bestimmten Gesetzen wirke, die von der Natur-
rschung entdeckt werden konnen.
Wer aber mit der Mehrheit der modernen Physiologen
rzieht, auf die Annahme einer besonderen Lebenskraft
verzichten und die Lebensausserungen aus dem eigen-
mlichen Zusammenwirken der anorganischen Krafte er-
iren will, darf ebenfalls mit der Moglichkeit rechnen,
einem einigermassen befriedigenden Resultat zu ge-
igen, wenn audi vielleicht erst durch Aufstellung neuer
lysikalischer Hypotliesen. So stellt Fechner die Hypo-
86
these auf, dass sich in den organischen Molekiilen die
Teilchen in einem anderen Bewegungszustand befinden
als in den unorganischen. Danach bestande ein tief-
gehender Unterschied zwischen den Vorgangen in der
belebten und unbelebten Natur, der aber doch nicht so
prinzipiell ware, dass man die Lebensvorgange auf eine
ganz andere Art der Kausalitat zuriickfuhren musste als
die Vorgange in der unbelebten Natur. Beide Arten von
Vorgangen erscheinen hier doch einer und derselben
mechanischen Weltordnung angehorig.
Die Aufgabe der naturwissenschaftlichen Forschung
bestande demnach in der Entdeckung eines Mechanismus,
aus welchem die Bewegungsvorgange, in denen sich das
Leben aussert, erklart werden konnen. Bis jetzt ist es
aber noch nicht gelungen, auch nur einen aktiven Vor-
gang in der lebenden Zelle mechanistisch zu erklaren.
Die Vererbungstheoretiker sehen sich genotigt, hypo-
thetischen Organismen, die alle in der Zelle enthalten
sein sollen, die aber noch kein mit dem besten Mikroskop
ausgertistetes Forscherauge entdecken konnte, alle Eigen-
schaften des Lebens zuzusprechen. — Aus all dem geht
hervor, dass man die Hoffnung verlieren konnte, eine
befriedigende naturvvissenschaftliche Losung des Lebens-
problems zu finden, wenn die Wissenschaft nicht einer
ganz ausserordentlichen Vervollkommnung fahig ware;
darf doch nicht vergessen werden, dass das Menschen-
geschlecht wahrend der ungeheuer langen Zeit des Erden-
daseins, das ihm wahrscheinlich noch beschieden ist, wohl
auch einer ungeahnten intellektuellen Entwicklung fahig
sein wird. Fur denjenigen wenigstens, der an eine Des-
cendenz glaubt, ist der Gedanke unmoglich, dass die auf*
steigende Entwicklung und Vervollkommnung der Orga-
87
smenwelt unseres Planeten mit dem gegenwartigen Typus
3nsch ihren definitiven Abschluss gefunden hat. Aber
i ailer Vervollkommnung wird das menschliche Erkennen
ch stets nur ein Erkennen innert gewissen Schranken
in, welche in der inonschlichen Organisation begriindet
id. Wir mussen eben stets bedenken, dass das unserer
kenntnis unmittelbar Zugangliche die Tatsachen unseres
rwusstseins sind, wahrend die Aussenwelt, die durch
s Medium der Sinne auf das Bewusstsein einwirkt,
3ht in ihrem wahren Wesen je vollig erkannt werden
nn. Wir wissen nicht, inwiefern unsere Vorstellungen
d die aus diesen abgeleiteten wissenschaftlichen Theorien
r Eealitat der Aussenwelt entsprechen. (Autoreferat.)
Mit „einigen Resultaten neuerer Untersuchun-
n tiber Entstehung der Artenu beleuchtete Herr
•of. Dr. Vogler ein in jiingster Zeit wieder in den
>rdergrund des Interesses geriicktes naturwissenschaft-
hes Problem.
Die letzten zehn Jahre haben unsere Ansichten be-
>ffend die „Entstehung neuer Artenu in manchen Be-
>hungen verandert. Wahrend friiher der Auslese im
impf urns Dasein die Hauptbedeutung flir die Fort-
twicklung zugeschrieben wurde, sehen wir fast plotz-
h die kritische Wissenschaft das eine zeitlang so ein-
jh und beinahe gelost scheinende Problem aufs neue
fnehmen. Wahrend die friihere Zeit mehr auf deduktiv-
akulativem Weg vorging, hat sich die jungste Periode
eder auf den einzig richtigen Weg naturwissenschaft-
her Forschung besonnen, auf die Induktion ; also exakte
nzelbeobachtung und Experiment stehen wieder im
►rdergrund auch fur das Problem der Artentstehung.
88
Diese Untersuchungen mussten nattirlich von einer Kritik
der bisherigen Theorie begleitet sein, urn ^freie Bahn"
zu schaffen. Als Hauptresultat ergab sich: Wir stehen
heute auf dem sichern Boden der Entwicklungs-
theorie; aber tiber die Art und Weise, sowie fiber die
TJrsache der Entwicklung wissen wir noch wenig Sicheres.
Es steht nur fest, dass es iiberhaupt nicht moglich
ist, alle Vorgange der Formenneubildung anfdie-
selbe Art zu erklaren.
Im folgenden seien nur einige der wichtigsten neueren
Untersuchungen und deren Ergebnisse kurz aufgefuhrt.
Als wichtigster Weg der Artentstehung wurde seit Darwin
die Auslese durch natiirliche Zuchtwahl im Kampf urns
Dasein angenommen. Die Theorie fusste auf der ge-
wohn lichen sogen. fluktuierenden Variabilit&t aller Lebe-
wesen; durch langsame Steigerung der Merkmale (unter
dem zuchtenden Einflusse des Kampfes urns Dasein) sollten
die neuen Arten, Gattungen etc. sich ganz allmalig heraus-
differenziert haben. Hugo de Vries (Holland) hat durch
Experimente, Wettstein (Wien), Korschinsky (Peters-
burg) u. a. haben durch exakte Beobachtung in der Natur
nachgewiesen. dass bis jetzt durch keine Tatsachen die
Artentstehung auf diesem Wege gesttitzt wird.
Die gleichen Forscher, namentlich aber de Vries
und Korschinsky, haben andererseits gezeigt, dass die
neuen Arten plotzlich fix und fertig und erblich kon-
stant entstehen, ohne durch "Qbergftnge miteinander ver-
bunden zu sein. De Vries experimentierte mehr als
zw6lf Jahre mit der „Grossblumigen Nachtkerzea, aus
der er in dieser Zeit eine ganze Reihe absolut neuer
Arten erhielt. tJber die TJrsache dieser Entstehung kann
er aber auch nichts Sicheres aussagen. Er nannte den
89
Vorgang MutatioD. Durch Mutation wtirden also neue
Arten entstehen, der Kampf urns Dasein hatte nun zu
entscheiden, welche schliesslich erhalten bleiben, indem
er die unzweckmassig konstruierten ausmerzt. Diese An-
nahmen werden auch durch palaontologische Beobach-
tungen z. B. von Koken gestutzt.
Ein zweiter Weg der Artentstehung liegt in der
direkten Einwirkung aussorer Faktoren, auf der lange
vor Darwin Lamarck seine Entwicklungstheorie auf-
baute. Unter dem Namen Neo-Lamarckismus treten
derartige Anschauungen wieder mehr in den Vordergrund.
Dass Pflanzen und Tiere ihre Gestalt unter dem Einflusse
ftusserer Verhaltnisse an der n, ist eine altbekannte Tat-
sache. Die wichtige Frage war nur, ob sich solche im
Individualleben erworbene neue Eigenschaften auf die
Nachkommen vererben. Heute diirfte diese Tatsache als
erwiesen gelten. Fur das Pflanzenreich verdanken wir
das neueste beweisende Material dariiber Wettstein, fur
das Tierreich das klarste und iiberzeugendste den Ento-
mologen, und zwar speziell den beiden Forschern in
Zurich, Fischer und Standfuss. Diesen beiden ist es
gelungen, die durch Einwirkung von Temperaturextremen
auf Schmetterlingspuppen erhaltenen Aberrationen der
Flugelzeichnungen zur Vererbung zu bringen.
Endlich durfen wir. wenn auch in nur seltenen Fallen
direkt nachgewiesen, der Bastardierung eine gewisse art-
bildende Kraft zuschreiben.
Im Grunde genommen sind also unsere positiven
Kenntnisse von Tatsachen iiber die Entstehung der Arten
sehr gering; dass aber trotzdem das Entwicklungsprinzip
bestehen bleiben wird, ist sicher, da es seine Hauptstlitzen
in Palaontologie, Embryologie und vergleichender Anatomia
90
hat. Es wird aber wohl nie moglich sein, seine allgemeine
Giiltigkeit durch das Experiment zu beweisen, das liegt
in seinem Charakter eines historischen Prinzips. Die Ent-
wicklungstheorie wird also Theorie bleiben, freilich eine
bei weiterem Ausbau der Wahrheit immer naher kommende.
Wir diirfen den zu ihrer Unterstutzung eben vorher kurz
skizzierten neuen Untersuchungen keine zu grosse Be-
deutung zumessen, da sie eigentlich nur die Neubildung
sogenannter elenientarer Arten nachwiesen, also nicht
einmal den Ubergang von einer Linn^'schen Art in eine
andere, geschweige denn gar die Entstehung neuer Gat-
tungen. Aber wir diirfen doch hoffen, dass die ein-
geschlagenen neuen Wege der Forschung noch manches
aufklarende Resultat bringen werden.
Anders freilich steht es heutzutage mit der Selek-
tionstheorie, dera Darwinismus im engeren Sinne.
Die neueren Untersuchungen haben gar keine Besultate
zu ihrer Unterstutzung ergeben; uberall sehen wir sie
zuruckgedrangt. Wir stehen wohl heute am „Sterbelager
des Darwinismus" ; aber wohlverstanden nur des Dar-
winismus, d. h. der Kampf-urns-Dasein-Theorie. Die
Entwicklungstheorie steht heute, vielleicht gerade
wegen ihrer Emanzipation von der Selektionstheorie, an-
erkannter da als je. Darwins Verdienst urn die bio-
logisclien Wissenschaften geschieht durch diese Konsta-
tierung kein Abbruch, so weuig als das des Ptolemaus
urn das Verstandnis der Stellung der Erde zu den xibrigen
Himmelskorpern verkleinert wird dadurch, dass sein nWelt-
systeniu langst durch ein neues ersetzt ist. Darwin hat
den biologischen Wissenschaften neue Bahnen gewiesen
und auf diesen neuen Bahnen ist man uber ihn hinaus
gekommen.
91
Mit dem Darwinismus hat die mechanistische Er-
klarung der organisierten Welt einen starken Verlust er-
litten, und es ist auch bereits schon der Zusammenbruch
der mechanistischen Naturwissenschaft verkiindet worden.
Dagegen muss aber doch festgehalten werden: t)ber die
ersten Anfange und Ursachen konnen wir gar nichts
Positives erfahren, sie gehoren also gar nicht ins Gebiet
der Naturforschung, sondern in das der Philosophic. Die
exakte Wissenschaft muss sich beschranken auf das sinn-
lich Wahrnehmbare, und dass in diesem Gebiet die mecha-
nistische Auffassung nicht zulassig sei, ist noch durch
keine Tatsache bewiesen, wenn wir auch freilich noch
weit entfernt da von sind, in der Tat fur das Entwicklungs-
problem z B. den direkten mechanistischen Beweis zu fdhren.
Es ist leider das grosse Verhangnis solcher natur-
wissenschaftlicher Theorien, wie die Descend enztheorie,
dass sie oft nahe Beziehungen haben zu transcendenten
Problemen, zu Pragen der Weltanschauung im allgemeinen.
Wohl beeinflussen naturwissenschaftliche Theorien die
Weltanschauung ; aber vom Standpunkt irgend einer Welt-
anschauung aus eine Theorie schiitzen oder widerlegen
zu wollen, ist von vornherein verfehlt. Ein naturwissen-
schaftliches Problem kann nur durch exakte Beobachtung
gelost werden ; vorgefasste theoretische Anschauungen
haben dabei nicht mitzureden. (Autoreferat.)
Im Anschluss an die Demonstration von frischen in
St. Gailen aus Keimlingen gezogenen Pflanzen sprach
Dr. H. Rehsteiner tiber die Wassernuss (Trapa na-
tans), eineSpezies, welche ihrer morphologischen, pflanzen-
geographischen und kulturhistorischen Besonderheiten
wegen manches Interesse bietet.
92
Wohl jedem Besucher der oberitalienischen Seen sind
die aus den zackigen, getrockneten Friichten der Wasser-
nuss gereihten Rosenkranze aufgefallen, die dort liberall
zum Verkaufe ausgeboten werden. Eine auffallend grosse
und stark ausgepragte Form der Wassernuss birgt der
Lago di Muzzano, ein idyllisches kleines Wasserbecken
unweit Lugano, zu Fussen des gleichnamigen Dorfchens
gelegen. Nicht ohne Muhe gelang es, den nur den Be-
wohnern des kleinen Fischerhauschens am Westufer des
Sees bekannten Standort der seltenen, im Tessinerdialekt
„giandu (a) genannten Wasserpflanze ausfindig zu machen.
Noch war von entwickelten Pflanzen nichts zu sehen ; die
letztjahrigen Nlisse hatten sich mit ibren mit starken
Borsten versehenen Zacken im Schlamme des Seegrundes
in einer Tiefe von 2 bis 3 m festgehackt; Ende Mai hatten
sie aber schon 20 bis 30 cm lange Keimlinge getrieben.
Solche Keimlinge waren den Sommer xiber in St. Gallen
im Freien zu kraftigen Pflanzen ausgewachsen, jedoch
ohne Bliiten und Friichte zu zeitigen. Die rautenformigen
Blatter bilden, in kreisformiger Ebene sich auf dem Wasser
ausbreitend, hiibsche Rosetten. Sehr auffallig sind die zu
keulenformigen Schwimmblasen angeschwollenen Blatt-
stiele; sie helfen die allmalig schwerer werdende Pflanze
tragen. Die kleinen kurzgestielten, weissen Bliiten sind
nach der Vierzahl gebaut und stehen in den Blattachseln
der schwimmenden Blatter. Indem bei der Reifung die
vier Kelchblatter in ihrer untern Partie mit dem Frucht-
knoten verwachsen, entwickeln sie sich mit letzterem zu
einem mit vier Dornen oder Hornern versehenen Ge-
hause. Die Frucht ist anfangs von einer weichen kraut-
artigen Schale umgeben, ist also eine Steinfrucht, verliert
aber erstere unter Wasser bald und zeigt dann den
93
glanzend braunschwarzen Steinkern. Dieser Steinkern,
Wassernuss, Weiherhornchen, Seenuss, Stachelnuss, Spitz-
nuss, Jesuitermiitze genannt, weist solche Verschieden-
heiten auf, dass Professor Dr. C. Schroter in Zurich
in einer im Jahre 1899 erschienenen Schrift, basiert auf
vergleichenden Studien von 2300 Exemplaren und auf
die genauen Untersuchungen des schwedischen Forschers
Nathorst, der seine Aufmerksamkeit insbesondere den
subfos8ilen Fruchten schenkte, 10 Varietaten unterschied.
Dass die Wassernuss auch diesseits der Alpen einst
in der Schweiz verbreitet war, beweisen die haufigen
Funde dieser Frucht im Pfahlbautenrevier von Roben-
hausen im Kanton Zurich und in demjenigen des Moos-
seedorfsees im Bernerbiet, unweit der Station Zollikofen.
Am langsten wurde sie in diesem Jahrhundert in kleinen
Weihern bei Roggwil (Kant. Bern) beobachtet. Dr. Georg
Krauer, der Dichter des Riitliliedes, machte im Jahre 1824
zuerst darauf aufmerksam. Sie fiel im Winter 1870/71
einer Reinigung jener Weiher zum Opfer. Bei Elgg und
Rheinfelden ist sie schon viel langer verschwunden. Auch
im obern Ziirichsee soil sie nach Konrad Gessner bei
Tuggen vorgekommen sein. Heute liegt Tuggen 2 km
vom See entfernt, getrennt von diesem durch den untern
Buchberg. Dass jener Flecken aber einst vom Wasser
bespiilt wurde, ist alien St. Gallern wohlbekannt; war es
doch Tuggen, wo Sanct Gallus die Gotzenbilder in den
See warf. Auch unser bescheidene Nestweiher erfreut
sich in der Trapa-Literatur einer gewissen Beruhmtheit,
indem nach Prof. Dr. B. Wartmann daselbst eine wohl-
erhaltene Nuss gefunden wurde. Dass aber die Pflanze
dort gewachsen sei, daniber fehlen alle Nachrichten. Das
fragliche Exemplar scheint auch verloren gegangen zu sein.
94
Die Wassernuss kann auf eine inhaltsreiche Ge-
schichte zurlickblicken. Aus den Pfahlbauten hat sie
sich selbst uns iiberliefert. Theophrastus, der Schuler
des Aristoteles, ein fur seine Zeit ausserordentlich feiner
Naturbeobachter, gab schon 300 Jahre vor Christus in
seiner Pflanzengeschichte eine so gute Beschreibung, dass
iiber die Identit&t seiner Pflanze mit unserer Wassernuss
kein Zweifel besteht. Schon im Altertum und durch das
ganze Mittelalter hindurch wurden ihr bedeutende Heil-
krafte zugeschrieben. Bereits Hippokrates empfahl sie
um 430 vor Christus als ktihlendes Getrank bei Ent-
ziindungen. Durch Dioskorides und Plinius, jene
Orakel der mittelalterlichen Naturgeschichte und Heil-
kunde, blieb ihr Prestige erhalten.
Den Anwohnern des Nils diente der haselnussgrosse
weisse Kern seines Starkemehlgehaltes wegen als Speise
Matthiolus berichtet, dass im 16. Jahrhundert die Nusse
in Venedig unter dem Namen Wasserkastanien auf den
Markt kamen. Bei Missernten wurde an manchen Orten
Brot aus ihnen gebacken. Auch fuhrt Matthiolus an,
dass die Wallfahrer aus diesen Nussen Paternoster kranze
machen, an denen sie ihre Gebete abzahlen und die sie
am Halse tragen, um desto mehr Religion zur Schau zu
stellen. Noch heute ist die Kapellenstrasse zum beriihmten
Wallfahrtsort Monte Sacro bei Varese mit Schaubuden
besetzt, an denen diese Rosenkranze feilgeboten werden.
Ausser in Italien kommen die Wasserniisse in Siidfrank-
reich, Karnten und Ungarn auf den Markt. In der Moldau,
wo sie haufig sind, dienen sie allgemein als Nahrungs-
mittel bei den Landleuten. Die Anwohner des kaspischen
Meeres sammeln sie fleissig im Herbst auf Kahnen. In
Indien und China werden andere Arten, wie Trapa bicornis
(die zweihdrnige) und Trapa bispinosa (die zweidornige),
ak essbar sehr geschatzt, sogar kultiviert und bilden einen
Handelsartikel. In der Schweiz, nordlich der Alpen, iiber
haupt in Nordeuropa war die Wassernuss wohl immer
zu selten, als dass sie in historischer Zeit ein Nahrungs-
mittel von Bedeutung hatte sein konnen. Sehr wahr-
scheinlich diente sie aber den Bewohnern der Pfahlbauten
als Nahrung, denn der bewahrte Forscher Messikomer
fand an einer Stelle bei Robenhausen einen Vorrat von
iiber 300 Stuck beisammenliegen.
Verschiedene Ursachen werden fur das ZurOckgehen
der Wassernuss angefuhrt. Purs erste ist sie einjahrig
und bringt nur wenig Samen hervor. Dann haben die
Friichte ein geringes Verbreitungsvermogen und geringe
Verbreitungsmittel. Die Niisse reifen unter Wasser und
fallen hernach auf den Grund in den Schlamm, wo sie
sich vermittelst ihrer Dornen festankern. In der Nord-
schweiz und iiberhaupt im nordlichen Europa ist die
Wassernuss offenbar ausserhalb ihres natiirlichen Ver-
breitungsgebietes, das weiter siidlich liegt. Das Wasser
unserer Seen und Teiche ist zu kalt ; auch von auswarts
verpflanzte Keimlinge bliihen und fruktifizieren nur in
sehr warmen Sommern. In den Teichen der Nordschweiz,
die alle kunstliche Anlagen sind, konnte die Wassernuss
nicht ursprunglich einheimisch gewesen sein; am wahr-
scheinlichsten ist sie durch die Kloster hineingelangt, so
in Roggwil durch das nahe gelegene Kloster St. Urban.
•Als Nahrungsmittel mag sie in fruheren Zeiten angepflanzt
worden sein, wahrscheinlich schon von den Pfahlbau-
kolonisten ; denn alle ihre Kulturpflanzen weisen auf eine
Verbindung mit den Mittelmeerlandern und Agypten hin.
Ein weiteres Kennzeichen daflir, dass Trapa ein
96
warmeres Klima verlangt, als heutzutage diesseits der
Alpen herrscht, sind die fossilen Funde von Wasserniissen
in tertiaren Schichten, in dem warmen, der Eiszeit vor-
gangigen geologischen Zeitalter mit subtropischem Klima.
Die heutigen Standorte in Zentral- und Nordeuropa konnen
wir nicht mit dem tertiaren in Verbindung bringen, denn
zur Eiszeit konnte die Trapa sich daselbst nicht halten;
wohl aber ist dies moglich bei der eingangs beschriebenen
Form der Wassernuss, der Trapa muzzanensis, die sich
lebend einzig im Muzzanersee und subfossil in einem ost-
preussischen Torfmoor bei Konigsberg findet. Nach Prof.
Schroter hat diese Trapa am meisten Ahnlichkeit mit
der tertiaren Trapa bituberculata Heer (der zweiknotigen)
von Mealhada in Portugal und der Trapa Heerii aus dem
Pliocan von Thtiringen. Die Muzzaner Wassernuss scheint
diesen Tatsaehen zufolge ein Uberrest der tertiaren Flora
zu sein, welcher sich in dem von der Natur privilegierten
Insubrien bis auf den heutigen Tag erhalten konnte.
Der Vortrag des Herrn Dr. Baumgartner uber
Zauber-, Heil- und Zierpflanzen unserer ein-
heimischen Alpenflora bildet einen weitern hubschen
Beitrag zu seiner Monographie des Curfirstengebietes.
Zu alien Zeiten hat das Volk den Erzeugnissen der
Natur seine Liebe entgegengebracht. Kein Wunder, dass
darum unsere altheidnischen Vorfahren die heilbringenden
Krafte der einen und die todbringenden Wirkungen der
andern Pflanzen mit ihren Got tern in Beziehung brachten.
Nur sie konnten den Pflanzen die geheimnisvollen Krafte
verliehen haben. Und dieser Glaube, heute Aberglaube
genannt, hat sich, trotz aller Auf klarung, in unserm Volke
erhalten bis auf die jetzige Zeit.
97
In engster Beziehung zu diesem Aberglauben steht
3 sogen. Volksmedizin, der in den Berggegenden unseres
iimatlandes auch heute noch grosse Bedeutung zukommt.
ich in unseren Gegenden war die Frau der Arzt im
luse und sie verstand sich sehr wohl auf die Kraft der
-auter. Selbst die wissenschaftliche Medizin hat lange
•e Heilmittel hauptsachlich aus der Pflanze gezogen.
Heute stehen bei den Alplern des obern Toggenburgs
ch manche Alpenpflanzen in Gebrauch, so das gelb-
ihende „Bergziegerchrutu, dessen stark aromatische
atter als Ziegerwurze dienen und ein probates Mittel
gen Magenkatarrh sein sollen. Es hat in Wildhaus
der Sage Anlass gegeben, dass eine weisse Zieger-
siutblume die Burggeister bezwinge. Dieser Volksglaube
bspringt einer feinen Naturbeobachtung und griindet
h auf die Tatsache, dass blaue und rote Blumen nicht
ten in weissen Abarten vorkommen, gelbe dagegen
mo als.
Auch die Bedingungen zu der „Wunschelrutea werden
ri der Natur niemals erfiillt. Sie sollte namlich am
ixfreitag aus einem mindestens fingerdicken dies-
hrigen Gabelzweig geschnitten werden und zwar
ttelst eines Feuersteins und unter Hersagen einer Zauber-
mel.
Beliebt bei den Alplern sincl auch die „Goldworzau
irkenbund-Lilie). Ein Wasserabsud ihrer Zwiebeln ist
i vielgebrauchtes, harntreibendes Mittel furs Vieh. Mit
b vermischt, geben die Zwiebeln dem Kase eine schone
ibliche Farbe. Die rHauswurzu, eine dem Donnergotte
r alien geheiligte Pflanze, sollte vor Blitzschlag schutzen.
• Bluhen bedeutete ausserdem ein freudiges Ereignis
• das Haus. Gegen Blitz schiitzte ferner ein am Giebel
1
98
angebrachtes Kreuzchen von zwei Hollunderstabchen. Der
Hollunder war der erhabenen Gottin Holla geweiht und
darum waren alle Teile der Pflanze wertvoll und heil-
kraftig. Das „Heidnisch Wundkraut" gilt heute noch
als das beste Mittel zur Heilung aller Wunden und machte
fruher stich- und kugelfest. Die Wurzeln des gelben
Enzians („Strenzeu) wurden als Magenmittel bei Mensch
und Vieh gebraucht. Ihres grossen Zuckergehaltes wegen
lassen sie sich zu dem kraftig aromatischen „Enzian-
schnaps" brennen. Sie machten, stets bei sich getragen,
den Besitzer beliebt und galten, wie auch Bibernell und
Baldrian, als Schutz gegen ansteckende Krankheiten. Drei
ausgewachsene Exemplare des Hirtentaschchens heilten,
als ^Bundteli" am Hals getragen, die „Schwinia beim
Vieh. „Augenbiindtelichruta von der vielblutigen Mai-
lilie oder der gemeinen Nelkenwurz halfen gegen Augen-
leiden. Mit der Herbstzeitlose ausgestattet, konnte man
einem andern ungestraft „leidwerchenu. Die Wurzel des
„Allermannsharnischu loste Hexerei und Zauberei; um
den Leib gebunden, machte sie hieb- und stichfest und
schutzte vor Krampfen. Als blutstillendes Mittel ist sie
heute noch geschatzt. Die Bergschliisselblume, im rechten
Zeichen gepfliickt, sollte dem Trager die in den Bergen
schlummernden Schatze erschliessen. Die Wurzel der weissen
Seerose, unter die Bettstatt gelegt oder ein Schlafapfel
unter dem Kopfkissen dienten als Schlafmittel.
Neben diesen durch den Aberglauben eine Bolle
spielenden Zauberpflanzen gibt es auch eine Reihe von
Gewachsen, die als Hausmittel gute Dienste leisten, so
vor allem die Enzianen, von denen der gelbe seiner grossen
Wurzel wegen der geschatz teste ist, ferner Arnica, deutsch
Wohlverleih, Wermut, Chaslichrut (Malva vulgaris),Tausend-
99
Idenkraut, Wachholderbeeren usw. Ein sehr h&ufiges
•usmittel im Obertoggenburg ist endlich die „ Brand*
rzea (Spirsea Aruncus), angeblich probat gegen alle
tzundungen.
Zum Schlusse beriihrt der Vortragende noch die
hetische Seite der obertoggenburgischen Alpenflora,
bei vor allem das Edelweiss erw&hnend, das zwar ur-
•finglich eine Steppenpflanze war, sich aber in unsern
rgen vollkommen akklimatisiert hat. Friiher eine haufige
penpflanze, kann es heute nur noch an unzuganglichen
illen, wo es vor der menschlichen Sammelwut geschutzt
, sein Leben fristen. Zum Hutschmuck des Alpen-
undes gehoren endlich auch Alpenrosen, M&nnertreu
A die himmelblauen Enzianen. Eine Ausrottung der
penrosen ist nicht zu befurchteu, dagegen wird Manner-
u immer seltener!
"Ober die Fortschritte des im Auftrage der Gresellschaft
rausgegebenen st. gallischen Baumalbums referierte
jit Erziehungsrat Th. Schlatter. Leider kann man
mchen schonen Baum, der es wert ware, im Bilde fest-
tialten zu werden, nicht photographieren, weil sich andere
,ume zu nahe an ihn herandrangen.
Aus der neuen Kollektion vom vergangenen Sommer
d besonders hervorzuheben : eine Weisstanne am
ege zur Naturbrxicke beim Bad Pfafers; eine Rot-
nne auf der Alp Arin oberhalb Sevelen; ferner ein
irkwiirdiger, 150 bis 200 Jahre alter sog. Stockaus-
hlag aus dem einsamen Alpentale Valeis bei Vilters;
n Ragaz eine sehr charakteristische Schwarzpappel,
Volksmunde „Alberenu, d. h. schlechthin ^Bauma, ge-
nnt; prachtvolle Birnbaume aus der Gegend von
100
Heiligkreuz bei Mels. Das Werk wird dereinst sich wiirdig
an die Seite des schweizerischen Baumalbums stellen kdnnen
Demonstrationsmaterial aus dem Schlacht-
hause erlauterte Herr Schlachthausverwalter G. Bauin-
gartner.
Als wichtigste in unsern Haustieren vorkommende
Parasiten sind die Rinderfinne, die Schweinefinne und
die Trichine zu nennen. Die Schweinefinne ist bei uns
verschwunden und auch die Trichine ist bei uns unbekannt;
dagegen kommt die Kinder- oder Kalbsfinne sebr
h&ufig vor. Letztere ist das Jugendstadium des Band-
wurmes, besitzt eine blaschenformige Gestalt und ist
mit einer wasserklaren Fliissigkeit gefullt. An der Wand
des Blaschens entsteht durch Knospung ein in das Innere
der Blase eingestiilptes Bandwurmkopfchen, welches sich
spater nach aussen vorstiilpt und dann am Hinterende
die Schwanzblase tragt. Gelangt eine solche Finne un-
versehrt in den Magen, so lost der Magensaft die Blase auf
und der Embryo saugt sich an der Darmwand fest, wo er
auf endosmotischem Wege ern&hrt wird. Durch Knospung
entstehen sodann die Proglottiden oder die Geschlechts-
tiere (Bandwurmglieder). Es stellt der 6 — 8 Meter lange
Bandwurm eine Tierkolonie dar, deren Kopf die Amine
ist. Die reifen, mit mannlichen und weiblichen Geschlechts-
organen ausgestatteten Endglieder gehen ab. Durch den
Diinger etc. gelangen die Eier auf die Wiese, von wo
sie in die Eingeweide des Viehes gelangen, um sich dort
wieder zur Finne zu entwickeln, welche von der Blut-
bahn in die Herz-, Kopf-, Bauchmuskulatur oder in die
Lunge gefiihrt wird. Beim Kalb findet die Ansteckung
meistens von den Viehziichtern aus statt, die se"hr haufig
101
andwurmem behaftet sind. Aus dem Appenzeller
rland mussten letztes Jahr von unserm Schlachthaus
icht weniger als 71 Kalber der Freibank ubergeben
n.
losartiger ist die Schweinefinne, aus welcher der
nbandwurm (Taenia solium) entsteht. Dieselbe kann
Selbstinfektion audi im Menschen entstehen, indem
ait einem Bandwurm behaftete Person von den ab-
den Proglottiden Eier aufnimmt, welche an Kleidern,
sn usw. haften. Als Ort des Vorkommens beim
then ist das Muskelfieisch, das Gehirn und das Auge
nt.
ds sehr gefahrlich muss die Finne (Echinoooccus
is) desHundebandwurms bezeichnet werden. Sie
) an einem Stuck Lunge und an einer Schweins-
vorgewiesen. Ihre Grosse schwankt zwischen 1 mm
it Grosse eines menschlichen Kopfes. An der Innen-
der Blase entwickeln sich eine grosse Anzahl von
apseln, an welchen die etwa 0,3 mm grossen Kopf-
der zukiinftigen Bandwiirmer knospen. Vorsichts-
egel: Vermeide alien intimen Verkehr mit Hunden!
Jin recht reger Schmarotzer ist der Leberegel, der
ast in jeder Leber des weidenden Viehes, namentlich
in derjenigen des Schafes, vorfindet. So verloren
die Schafziichter in der Gegend von Aries 300,000
e, 1830 gingen in England l1,^ Millionen an Disto-
hepaticum zugrunde, und 1873 vernichtete die Egel-
3 im Elsass den dritten Teil aller Schafe im Werte
.ber 1 Million Franken. Als Zwischentrager werden
se Schneckenarten angesehen. Die Wiirmer sind in
Vorkommen auf die Gallenwege beschrankt, die
wweiten und zur Verkalkung bringen.
102
Endlich weist der Yortragende einen durch StrahL
pilzerkrankung zerstorten Kiefer eines Rindes, sowie durch
Blutzersetzung schwarzrot verfarbte Rippen und Rucken-
wirbel eines Schweines vor.
Ak getreuer Nachfolger Direktor Wartmanns waltet
Herr Konservator Bachler seines Amtes im natur-
historischen Museum, nicht nur als tatiger und besorgter
Aufner der Sammlungen, sondern auch wenn es gilt,
interessante Neuerwerbungen vor der Einreihung in
die Schaukasten im Kreise unsererGesellschaft vor-
zuweisen und zu besprechen.
Namentlich fur die Darstellung biologischer Ver-
h<nisse hat die jiingste Zeit reichen Zuwachs gebracht.
Naheres liber die Ausfiihrungen des Herrn Bachler findet
sich in den Berichten liber das naturhistorische
Museum und die botanischen Anlagen, die unserm
Jahrbuch beigedruckt sind.
III.
Verzeichnis
der zirkulierenden Zeitschriften.
A. Fur den wissenschaftlichen Lesekreis
bestimmte (je 1 Exemplar).
(23 wissenschaftliche Zeitschriften.)
1. Richet, Revue scientifique.
2. Sklarek, Naturwissenschaftliche Rundschau. Wochent-
liche Berichte fiber die Fortschritte auf dem Gesamt-
gebiete der Naturwissenschaften.
3. Milne Edwards et Van Tieghem, Annales des sciences
naturelles: Zoologie et Botanique.
4. Archives des sciences physiques et naturelles (Biblio-
theque universelle).
5. Bastian, Virchow und Voss, Zeitschrift fur Ethnologie.
6. Kiihne und Voit, Zeitschrift fur Biologie.
7. Rosental, Biologisches Zentralblatt.
8. Kolliker und Ehlers, Zeitschrift fur wissenschaftliche
Zoologie.
9. Wettstein, Osterreichische botanische Zeitschrift.
10. Uhlworm und Kohl, Botanisches Zentralblatt.
11. Berichte der Deutschen Botanischen Gesellschaft.
12. Bauer, Koken und Liebisch, Neues Jahrbuch fur
Mineralogie, Geologie und Palaontologie.
13. Zentralblatt f. Mineralogie, Geologie und Palaontologie.
14. Krahmann, Zeitschrift fiir praktische Geologie.
104
16. Wiedemann, Annalen der Physik.
16. Beiblatter zu den Annalen der Physik.
17. Arendt, Chemisches Zentralblatt.
18. Meyer, Journal fur praktische Chemie.
19. Hann und Hellmann, Meteorologische Zeitschrift.
'20. Virchow, Nachrichten iiber deutsche Altertumsfunde.
21. Revue Suisse de Zoologie.
22. Petermanns Erganzungshefte.
23. Mittag-Leffler, Acta Mathematica.
B. Fur den popularen Lesekreis bestimmte.
(29 populiire Zeitschriften.)
1. Hesdorffer, Natur und Haus. Iilustrierte Zeitschrift
fiir alle Naturfreunde. (4 Exemplare.)
2. Klein, Gaa. Natur und Leben. Zentralorgan zur Ver-
breitung naturwissenschaftlicher und geographischer
Kenntnisse. (3 Ex.)
3. Koller, Neueste Erfindungen und Erfahrungen auf den
Gebieten der praktischen Technik, Elektrotechnik, der
Gewerbe, Industrie, Chemie, der Land- und Hauswirt-
schaft. (2 Ex.)
4. Schwahn, Himmel und Erde. Iilustrierte naturwissen-
schaftliche Monatsschrift, herausgegeben von der Ge-
sellschaft Urania in Berlin. (2 Ex.)
6. Schweiger-Lerchenfeld, Der Stein der Weisen. Iilu-
strierte Halbmonatsschrift fiir Haus und Familie. (3 Ex.)
6. Witt, Prometheus. Iilustrierte Wochenschrift iiber die
Fortschritte in Gewerbe, Industrie und Wissenschaft.
(3 Ex.)
7. Figuier, La science illustree. Journal hebdomadaire.
(1 Ex.)
8. Formentin, Le Magasin pittoresque. (3 Ex.)
105
9. Bibliotheque universelle et Revue Suisse. (2 Ex.)
0. Potonid, Naturwissenschaftliche Wochenschrift. (4 Ex.)
1. Westermanns illustrierte deutsche Monatshefte fiir das
gesamte geistige Leben der Gegenwart. (4 Ex.)
2. Andree, Globus. Illustrierte Zeitschrift fur L&nder-
und Valkerkunde. (3 Ex.)
3. Petermanns Mitteilungen aus Justus Perthes' geogra-
pliischer Anstalt. Herausgegeben von Supan. (2 Ex.)
4. Brix, Gesundheit. Hygieinische und gesundheits-
technische Zeitschrift. (2 Ex.)
E>. Custer, Schweizerische Blatter fiir Gesundheitspflege.
Dem Schweizervolke gewidmet von der Gesellschaft
der Arzte des Kantons Zurich. (8 Ex.)
5. Sandoz, Feuilles d'Hygiene et de medecine populaires.
(4 Ex.)
7. Bottger, Der zoologische Garten. Zeitschrift fiir Be-
obachtung, Pflege und Zucht der Tiere. Organ der
zoologischen Garten Deutschlands. (2 Ex.)
3. Stahlecker, Wild und Hund. (3 Ex.)
9. Beck-Corrodi, Schweizerische Blatter fiir Ornithologie
und Kaninchenzucht. (4 Ex.)
3. Brodmann, Die Tierwelt. Zeitung fiir Ornithologie,
Gefliigel- und Kaninchenzucht. (3 Ex.)
1. Hennicke, Frenzel und Taschenberg, Monatsschrifb des
deutschen Vereins zum Schutze der Vogelwelt. (2 Ex.)
2. Russ, Die gefiederte Welt. Wochenschrift fiir Vogel-
liebhaber, -Ziichter und -Handler. (2 Ex.)
3. Miiller-Thurgau und Lobner, Der schweizerische Garten-
bau. Ein praktischer Fiihrer fiir Gartner, Garten- und
Blumenfreunde. (4 Ex.)
4. Wittmack, Gartenflora. Zeitschrift fiir Garten- und
Blumenkunde. (2 Ex.)
106
26. Bourguignon, Revue hortioole. (2 Ex.)
26. Stebler, Schweizerische landwirtschaftliche Zeitschrift.
Herausgegeben vom schweizerischen landwirtschaft-
lichen Verein. (3 Ex.)
27. Landwirtschaftliches Jahrbuch der Schweiz.
28. Miiller-Thurgau und Zschokke, Schweizerische Zeit-
schrift fur Obst- und Weinbau. Organ des schweize-
rischen Obst- und Weinbauvereins, sowie der Ver-
suchsstation und Schule fiir Obst-, Woin- und Garten-
bau in Wadenswil. (4 Ex.)
29. Fankhauser, Schweizerische Zeitschrift fiir das Forst-
wesen. Organ des schweizerischen Forstvereins. (3 Ex.)
IV.
Bericht
fiber den Schriften-Austausch und die Mappenzirkulation
(1. Januar bis 81. Dezember 1908).
Vom Bibliothekar der Gesellschaft: Konservator E. Bachler.
Im verflossenen Berichtsjahre ist die Zahl der wissen-
8chaftlichen Gesellschaften und Vereine, mit denen wir
im Tauschverkehr stehen, wiederum um deren funf ver-
mehrt worden.
Es sind dies:
Brooklyn, Museum of Arts and Sciences.
Budapest, Entomologische Gesellschaft (Rovartani La
Pok).
Hof (Bayern), Nordoberfrankischer Verein fur Natur-,
Geschichts- und Landeskunde.
Lima (Peru), Societad Geografica de Lima.
Madison (Wisconsin), Geological and Natural History
Survey.
Von den 212 Vereinigungen haben 133 ein schatzens-
wertes Material von Berichten und Abhandlungen (248
Nummern) mit unserm Jahrbuche ausgetauscht.
Sehr wertvolle Publikationen sind als Geschenk von
Preunden und Gonnern unserer Gesellschaft eingegangen
(23 Nummern). Unser verbindlichster Dank fur diese
giitigen Zuwenduugen gebiihrt den Herren: Dr. med.
E. Fischer (Zurich), Dr. Fischer-Siegwart (Zofingen),
Prof. Dr. E. Gold i (Para, Brasilien), President W. Gsell
108
(St.Gallen), Naturforscher A. Kaiser (Berlin), Prof. Dr.
Mayer-Eymar (Zurich), Prof. Dr. J. Moo ser (St. Gallon),
Prof. Dr. C. Schroter und H. Spoerri (Zurich) und Dr.
G. Stierlin (Schaffhausen).
Der letztjahrige Bericht hat eine Vermehrung der Zeit-
schriften fiir die wissenschaftliche Sektion der Mappen-
zirkulation in Aussicht gestellt. Zu den 19 bisher ge-
haltenen Schriften sind neu hinzugekommen :
Rosental, Biologisches Zentralblatt,
Berichte der Deutschen Botanischen Gesellschaft,
Mittag-Leffler, Acta Mathematica.
A lie drei haben sich bereits einer sehr freundlichen
Aufnahme von Seiten unserer Leser zu erfreuen gehabt,
da sie tatsachlich eine gewisse Lticke in unserem Zeit-
schrif ten material ausfiillen.
Mit den im popularen Lesekreis zirkulierenden Mit-
teilungen von Petermann sind schon in frliheren Jahren
jeweilen die separat erscheinenden Erganzungshefte
von Petermann, die einen spezifisch wissenschaftlichen
Charakter tragen (grossere Einzelpublikationen) angekauft
worden, weshalb wir dieselben von nun an in der Liste
der Zeitschriften fiir den wissenschaftlichen Lesezirkel
auffiihren. — Jahr fur Jahr ist auch das Landwirt-
schaftliche Jahrbuch der Schweiz den popularen
Happen einverleibt worden.
Von verschiedenen Seiten wurde der Kommission
unserer Gesellschaft nahegelegt, sie mochte mit der Zeit
noch mehr als dies bisher geschehen, darauf trachten,
speziell fur Studienzwecke absolut erforderliche
wissenschaftliche Werke von grundlegender Bedeu-
tung anschaffen und dieselben jeweils sofort der Stadt-
bibliothek „Vadianaa iibergeben, da sie durch die
109
Mappenzirkulation leicht verdorben werden konnten. Die
Kommis8ion ist den gemachten Vorschl&gen von Anfang
an sympathisch gesinnt gewesen und sind so fiir einmal
nachfolgende Werke zur Anschaffung gelangt:
Rein eke: Einleitung in die theoretische Biologie.
Fleischmann: Die Deszendenztheorie.
— Die Darwinische Theorie.
Ho ernes: Der diluviale Mensch in Europa.
Jerosch: Geschichte und Herkunftder schweizerischen
Alpenflora.
Penk: Vereisung der osterreichischen Alpenseen.
Radl: Untersuchungen iiber den Phototropismus der
Tiere.
Konigsberger: Hermann v. Helmholtz. 3 B&nde.
Fortschritte der praktischen Geologie. I. Bd.
1893—1902.
Diiggeli: Pflanzengeographische und wirtschaftliche
Monographie des Sihltales.
Wiederholt sind von Mitgliedern der Gesellschaft,
welche sich mit naturwissenschaftlichen Studien in unserem
Vereinsgebiete beschaftigen, die neuen Handbiicher fur
Zoologie, Botanik, Mineralogie und Geologie zur Benutzung
verlangt worden (Boas, Claus, Wiedersheim, Hertwig,
Verworn; Strassburger, Schimper, Warming, Drude;Klock-
mann, Tschermak, Credner, Giimbel, Giinther etc.).
Wenn es zwar nicht moglich ist, alien Wunschen
sofort gerecht werden zu konnen, so steht der Realisierung
derselben absolut kein Hindernis entgegen; doch ist eine
Verteilung der Anschaffungen auf mehrere Jahre geboten.
Einen namhaften Zuwachs an Literatur hat die
populare Lesemappe erfahren, da die Klagen iiber f alten
Lesestoff" noch nicht vollig verschwunden sind. Dasa
110
naturgemass „<ereru Stoff in Zirkulation kommt, l&sst
sich nan ein- fur allemal nicht &ndern ; bei acht popularen
Kreisen kann eben nicht jede Zeitschrift in acht Exem-
plaren gehalten werden. Ein solches Vorgehen wurde
die Finanzen der Gesellschaft viel zu stark in Anspruch
nehmen. Wir glauben aber, dass die Vielseitigkeit
des Stoffes einen gewissen Mangel an durchwegs neuester
Literatur einigermassen zu ersetzen imstande ist. — Von
den teils einzeln, teils in Lieferungen erscheinenden
Schriften, die im Berichtsjahre fur die popularen Mappen
auserlesen wurden, nennen wir hier die wichtigsten:
Kramer: Weltall und Menschheit, Band II — IV.
Meyer: Die Naturkrafte. 16 Lief.
Herzog Amadeus: Die „Stella Polarea im Eismeer.
12 Lieferungen.
Cook: Sudpolarnacht. 12 Lief.
Sverdrup: Neues Land. 32 Lief.
Marshall: Tiere der Erde. 36. Lief.
Brachs: Das heimische Tierleben.
Sieve rs: Sud- und Mittelamerika. 14 Lief.
Nansen: Eskimoleben.
Weber: Der indoaustralische Archipel und die Ge-
schichte seiner Tierwelt.
Brenner: Neue Spaziergange durch das Himmelszelt.
Rickli: Botanische Reisestudien auf Korsika.
Boltsche: Von Sonnen und Sonnenstaubchen.
Klimpert: Entstehung und Entladung der Gewitter.
Illustriertes Jahrbuch der Naturkunde.
Jahrbuch der Weltreisen.
Wildermann: Jahrbuch der Naturwissenschaften.
Gautier: L'annee scientifique.
Land und Leute. Monographien : Am Rhein.
Ill
Kohut: Justus Liebig. Sein Leben und Wirken.
Haas: Der Vulkan.
Trotz verschiedener Anderungen in den Leserlisten,
vie solche jedes Jahr vorkommen, ist sich die Zahl
ler Leser unserer Mappen beinahe gleich geblieben.
}ie betragt 282 (4- 2). Zur wissenschafblichen Sektion
;ehoren 38 (+ 1), zur popularen 244 ( -f 1). In der Stadt
rohnen 175 (+ 4), auf dem Lande 107 (— 2).
Was den Gang der Zirkulation anbetrifft, so mtissten
vir ein altes Klagelied anstimmen : Mappenanhaufungen,
ferwechslung von Speditionsnummern, unrichtige Datum-
iintragungen, nachlassige Spedition, derobierte Hefte und
liappen. Dem erstgenannten Ubelstande konnten wir
tbermals nur dadurch einigermassen abhelfen, dass wir,
vie im Vorjahre, sofern es durchaus notig war, nur je
ille 14 Tage (statt alle 7 Tage) eine Mappe in den betr.
liesekreis versandten. — Da sich das griine Papier der
CFmschlage fur die popularen Zeitschriften als sehr empfind-
iich fiir transpirierende Hande und Finger erwies, wurde
versuchsweise ein weniger heikles Kolorit und ein etwas
zaheres Papier als Umschlag verwendet.
Im kommenden Jahre soil auch die langst notwendig
gewordene Revision der Leserlisten mit gleichzeitiger teil-
weiser Anderung der Reihenfolge der Leser und eventuell
eine Vermehrung der Leserkreise stattfinden.
V.
Akademien und Vereine
mit welchen
die St. Gallische Naturwissenschaftliche Gesellschaft
in Tauschverbindung steht.
Aarau. Aargauische Naturforschende Gesellschaft.
Altenburg. Naturforschende Gesellschaft des Osterlandes.
Augsburg. Naturhistorischer Verein fur Schwaben und Neuburg.
Baltimore, Johns Hopkins University.
Bamberg. Naturforschende Gesellschaft.
Basel. Naturforschende Gesellschaft.
Bautzen. Naturwissenschaftliche Gesellschaft Isis.
Bergen. Museum.
Berlin. Botanischer Verein fur die Provinz Brandenburg.
— Deutsche geologische Gesellschaft.
— Kgl. preussisches meteorologisches Institut.
Bern. Naturforschende Gesellschaft.
— Schweizerische naturforschende Gesellschaft.
Bbhmisch-Leipa. Nordbohmischer Exkursionsklub.
Benin. Naturhistorischer Verein der preussischen Rheinlande, West-
falens und des Regierungsbezirks Osnabrtick.
Boston. American Academy of Arts and Sciences.
— Society of Natural History.
— John Hopkins University.
Braunsberg (Ostpreussen). Botanisches Institut des konigl. Lyceum
Hosianuni.
Braunschweig. Verein fiir Naturwissenschaft.
Bremen. Meteorologisches Observatorium.
— Naturwissenschaftlicher Verein.
Brefilau. Schlesisrhe Gesellschaft fiir vaterlandische Kultur.
Brooklyn. Institute of Arts and Sciences.
— Museum of Arts and Sciences.
Brunn. K. k. mahrische Landwirtschaftsgesellschaft.
— Museum Francisceum.
113
tn. Naturforschender Verein.
Klub flip Naturkande.
wet. Academic royale des sciences, des lettres et des beaux-arts.
Society entomologique de Belgique.
Societe raalacologique de Belgique.
Soci6t6 royale de Botanique de Belgique.
%pest. Regia Societas Scientiarum Naturalium Hungarica.
Ungarisches Nationalmuseum.
Ungarisclie ornithologische Zentrale.
Rovartani La Pok. Entomologische Gesellschaft.
%08-Ai/res. Museo nacional.
Academia national de Sciencias.
Deutsche akademische Vereinigung.
Wo. Society of Natural Sciences.
bridge (Mass.). Museum of Comparative Zoology.
idl Hill (North-Carolina). Elisha Mitchell Scientific Society.
nnitz. Naturwissenschaftliche Gesellschaft.
bourg. Societe nationale des sciences naturelles et mathematiques.
ago. Academy of Sciences.
\ Naturforschende Gesellschaft Graubiindens.
innati (Ohio). Lloyd Library.
var. Naturhistorische Gesellschaft.
rado Springs. Colorado College.
mbtis (Ohio). Ohio State University.
loba (Rep. Argentina). Academia nacional de Ciencias.
zig. Naturforschende Gesellschaft.
mstadt. Mittelrheinischer geologischer Verein.
enport. Academy of Natural Sciences.
ver (Colo.). Colorado Scientific Society.
Moines (Iowa). Geological Survey.
aneschingen. Verein fur Geschichte und Naturgeschichte der Baar.
irfew. Gesellschaft fiir Natur- und Heilkunde.
• Naturwissenschaftliche Gesellschaft ,,Isis".
iin. Observatory of Trinity College
kheim a. d. Hardt. Pollichia, Naturwissenschaftlicher Verein der
Rheinpfalz.
irfeld. Naturwissenschaftlicher Verein.
ien. Naturtbrscliende Gesellschaft.
ingtn. Physikalisch-niedizinische Societiit.
renz. Quarto Castello, Osservatorio.
•nkfurt a. M. Physikalischer Verein.
114
Frankfurt a. M. Senekenbergische Naturforschende Gesellschaft.
Frankfurt a. d. 0. Naturwissenschaftlicher Verein des Regierungs-
bezirkes Frankfurt.
Frauenfeld. Thurgauisehe naturforschende Gesellschaft.
Freiburg i. B. Naturforschende Gesellschaft.
Freiburg (Schweiz). Societe des sciences naturelles.
Fulda. Verein fiir Naturkunde.
Genf. Institut national genevois.
— Societe botanique.
— Societe de Physique et d'Histoire naturelle.
— Conservatoire et Jardin botanique.
Gera. Gesellschaft von Freunden der Naturwissenschaf ten.
Giessen. Oberhessische Gesellschaft fiir Natur- und Heiikunde.
Giants, Naturforschende Gesellschaft.
Gorlits. Naturforschende Gesellschaft.
Graz. Naturwissenschaftlicher Verein fiir Steiermark.
— Verein der Arzte in Steiermark.
Greifswald. Geographische Gesellschaft.
— Naturwissenschal'tiicher Verein von Neu - Vorpommern und
Riigen.
Gii8trow. Verein der Freunde der Naturgeschichte in Mecklenburg.
Haarlem. Musee Tayler.
Halifax (Nova Scotia, Can.). Nova Scotia Institute of Natural Science.
Halle a. tl. S. K. Leop -Carol. Deutsche Akademie der Naturforscher.
— Naturwissenschaftlicher Verein fiir Sachsen und Thuringen.
— Verein fiir Krdkumle.
Hamburg. Naturwissenschaftlicher Verein.
— Verein fiir naturwissensehaftliche Unterhaltung.
Hanau. Wetterauische Gesellschaft fiir die gesamte Naturkunde.
Hannover. Naturliistorische Gesellschaft.
Heidelberg. Naturhistorisch-medizinischer Verein.
Helsingfors. Societas pro Fauna et Flora Fennica.
Hermannstadt. Siebcnbiirgischer Verein fiir Naturwissenschaften.
Ho f (Bay om). Nordoberfriinkischer Verein fiir Natur-, Geschichts-
und Laruleskunde.
Igla. Ungarischer Karpathen -Verein.
Innsbruck. Ferdinandeum fiir Tirol und Vorarlberg.
Karlsruhe. Naturwissenschaftlicher Verein.
Kassel. Verein fiir Naturkunde.
Kiel. Naturwissenschaftlicher Verein fiir Schleswig-Holstein.
Khigenfurt. Naturhistorisches Landesmuseum von K am ten.
115
Kolozvdr (Klausenburg). Siebenburgischer Museum sverein (arzt-
liche und naturwissenschaftliche Abteilung).
Konigsberg. Physikalisch-okonomische Gesellschaft.
Krefeld. Verein fiir Naturk untie.
Landshut. Botanischer Verein.
La Plata (Rep. Argentina). Museo de la Plata.
Lausanne. Societe vaudoise des sciences naturelles.
Leiden. Chef-Redaktion des botanischen Zentralblattes, E. J. Brill.
Leipzig. Naturforschende Gesellschaft.
Liestal. Naturforschende Gesellschaft Baselland.
Lima. Societad Geografica de Lima.
Linz. Museum Francisco-Carolinum.
— Verein fiir Naturkunde in Osterreich ob der Enns.
Liineburg. Naturwissenschaftlicher Verein.
Luxemburg. Institut grand-ducal, section des sciences naturelles
et mathematiques.
— Verein Luxemburger Naturfreunde.
— Societe botanique.
Luzern. Naturforschende Gesellschaft.
Lyon. Societe Linneenne.
Madison (Wisconsin). Academy of Sciences, Arts and Letters.
— Geological and Natural History Survey.
Magdeburg. Naturwissenschaftlicher Verein.
Marburg. Gesellschaft zur Beforderung der Naturwissenschaften.
Meriden (Conn.). Scientific Association.
Afexiko. Instituto geologico de Mexico.
Milwaukee. Public Museum.
— Wisconsin Natural History Society.
Minneapolis (Minnesota). Academy of Natural Sciences.
Montana. University of Montana. Missoula (Mont.).
Montevideo. Museo Nacionul.
Moskau. Societe Imperiale des Naturalistes.
Miinchen. Kgl. bayrische Akadeinie der Wissenschaften.
— Ornithologische Gesellschaft.
Minister, West falise her Provin/.ial verein fiir Wissenschaft und
Kunst.
Xancg. Societe des sciences.
Xante*. Societe des sciences naturelles de TOuest de la France.
Xeittse. Wissenschaftliche Gesellschaft Philomathie.
Xeuvhatcl. Societe des sciences naturelles.
— Societe de Geographie.
Neu8tadt a. d. H. Pollichia, naturwissenschaftlicher Verein der
Rheinpfalz.
New-Haven (Connecticut). Academy of Arts and Sciences.
New-York. Academic of Sciences.
— American Museum of Natural History.
— American Mathematical Society.
Niirnberg. Naturhistorische Gesellschaft.
Odessa. Neu-russische Gesellschaft der Naturforscher.
Offenbach. Verein fur Naturkunde.
08nabriick. Naturwissenschaftlicher Verein.
Pard (Brasilien). Museu Paraense de Historia natural e Ethno-
graphia.
Paris. Jeunes Naturalistes.
Passau. Naturhistorischer Verein.
Petersburg. Hortus Petropolitanus.
Philadelphia. Academy of Natural Sciences.
— American Philosophical Society.
— Wagner Free Institute of Science.
Pisa. Societa toscana di Scienze Naturali.
Prog. Kgl. bohmische Gesellschaft der Wissenschaften.
— „ Lotos", deutscher naturwissenschaftlich-medizinischer Ver-
ein fur Boh men.
Pressburg. Verein fur Natur- und Heilkunde.
Regensbnrg. Kgl. Botanische Gesellschaft.
— Naturwissenschaftlicher Verein.
Re.ichenberg (Bohmen). Verein der Naturfreunde.
Rio de Janeiro. Museu nacional.
Rock Island (111). Augustana College.
Rochester (N. Y.). Academy of Science.
Rom. Accademia dei Lincei.
— Specola Vaticana.
Salem (Mass.). American Association for the Advancement of Science.
— Essex Institute.
Santiago (Chili). Societe scientitique du Chili.
St. Louis (Missouri). Academy of Science.
— Botanical Garden.
Sitten. Murithienne. Societe valaisanne des sciences naturelles.
Solothurn. Naturforschende Gesellschaft.
Springfield (111.). Illinois State Laboratory of Natural History.
Stavanger (Norwegen). Museum.
Stockholm. Entomologiska Foreningen.
117
Stuttgart. Verein fur vaterlandische Naturkunde in Wiirttemberg.
Topeka (Kansas). Kansas Academy of Science.
Trencsin (Ungarn). Naturwissenschaftlicher Verein des Trencsiner
Comitates.
Triest. Societa Adriatica di Scienze Naturali.
— Museo civico di storia naturale.
Tromso. Museum.
Tufts College (Mass.).
Vim. Verein fur Mathematik und Naturwissenschaften.
Vpsala. Kgl. Universitatsbibliothek.
Urbana (111.). State Laboratory of Natural History.
Valparaiso. Deutscher wissenschaftlicher Verein zu Santiago de
Chile.
Washington. Department of Agriculture.
— Smithsonian Institution.
— U. S. Geological Survey.
— U. S. National Museum.
Wcrnigerode. Naturwissenschaftlicher Verein des Harzes.
Wien. K. k. Zentralanstalt fur Meteorologie und Erdmagnetismus.
— Entomologischer Verein.
— K. k. geologische Reichsanstalt.
— K. k. naturhistorisches Hofmuseum.
— Verein zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse.
— Zoologisch-botanische Gesellschaft.
Wiesbaden. Nassauischer Verein fur Naturkunde.
Winterthur. Naturwissenschaftliche Gesellschaft.
Wiirzburg. Physikalisch-medizinische Gesellschaft.
Zagreb (Agrain, Kroatien). Societas Historico- Natural is Croatica.
Zurich. Naturforschende Gesellschaft.
— Schweizerische botanische Gesellschaft.
— Physikalische Gesellschaft.
Zwickau. Verein fur Naturkunde.
VI.
Verzeichnis
der
vom i. Januar bis 31. Dezember 1903 eingegangenen
Druckschriften.
Zusammengestellt vom Bibliothekar der Gesellschaf t :
E. Bachler.
A. Vo n Gesellschaf ten u n d Behorden.
Baltimor e. Johns Hopkins University.
Circulars. Vol. XXII, Nr. 160—164.
Basel. Naturforschende Gesellschaf t.
Verhandlungen. Band XV, 1. Heft. Band XVI.
Bautzen. Xaturwissenschaftliche Gesellschaft „Isisu .
Mitteilungen. 1902-1903.
Bergen. Museum.
»S:irs. An account of the Crustacea of Norway. Vol. IV. Cope-
poda, parts XI-- XIV. Vol. V, parts I— II.
Aarbog. 1902. 1903, 1. und 2.
Aarsberetning for 1902.
Berlin. Botanischer Ve rein fiir die Provinz Brandenburg.
Verhandlungen. 44. Jahrgang.
Berlin. Deutsche yeologische Gesellschaft.
Zeitschrift. Band LIV, 3 und 4. Band LV, 1 und 2.
Berlin. Kgl. preussisches meteor ologisdies InstiM.
Berieht iiber die Tittigkeit ini Jahre 1902.
Ergebnisse der Beobachtungen an den Stationen 2. und 3. Ord-
nung im Jahre 1898. Heft 3.
Ergebnisse der Gewitterbeobachtungen von 1898 — 1900.
Ergebnisse der Niederschlagsbeobachtungen in den Jahren 1899
und 1900.
"Regenkarte der Provinz AVestfalen. 1903.
Regenkarte der Provinzen Hessen-Nassau und Rheinlande.
Jahrbuch fiir 1902, Heft lu. 2; Preussen und benachbarte Staaten.
119
Bern. Naturforschende Gesellschaft.
Mitteilungen aus dem Jahre 1902.
Bern. Schweizerische naturforschende Gesellschaft.
Verhandlungen. 85 Jahresversammlung vom 7.— 10. September
in Genf.
Compte-rendu des travaux presents a la 85roe session reunie
a Geneve (7.— 10. Sept. 1902).
Materiaux pour la flore crvptogamique Suisse. Vol. II, fasc. 1.
Bbhmisch-Leipa. Nordbohmischer Exkursionsklub.
Mitteilungen. 26. Jahrgang. 1.— 4. Heft.
Bonn. Naturhistorischer Verein der preussischen Rheinlandet Westfalens
und des Begierungsbezirkes OsnabrUck.
Verhandlungen. 59. Jahrgang, 2. Hiilfte. 60. Jahrgang (1903),
1. Halfte.
Sitzungsberichte der Niederrhein. Gesellschaft fur Natur- und
Heilkunde. 1902, II A. (Bogen 10 und 11), B (Bogen 3-5).
1903, 1. Halfte, A. Bogen 1-3. B. Bogen 1-3.
Boston. American Academy of Arts and Sciences.
Proceedings. Vol. 37, nos. 23; Vol. 38, nos. 1-26; Vol. 39,
nos. 1-4 (1903).
Boston. Society of Natural History.
Proceedings. Vol. 30, nos. 3-7; Vol. 31. nos. 1.
Memoirs. Vol. 5, number 8 and 9.
Braunschweig. Verein fUr Naturwissenschaft.
9. Jahresbericht (1893—1895).
13. Jahresbericht (1901-1903).
Bremen. Meteorologisches Observatorium.
Jahrbuch, XIII. (1902).
Bremen. Naiuncissenschaftlich er Verein .
Abhandlungen. Band XVII, Heft 2 und 3 : 1903).
Brooklyn. Museum of Arts and Sciences.
Bulletin, Nr. 3.
Brooklyn. Institute of Arts and Sciences.
Cold spring harbor Monographs. I. II. (1903).
Briinn. Naturforschender Verein.
Verhandlungen. Band XL (1901).
XX. Bericht der meteorologischen Kommission.
Ergebnisse der meteorologischen Beobachtungen im Jahre 1900.
Briinn. Klub f&r Naturkutide.
Berichte und Abhandlungen. V. Jahrgang (1902/03).
120
Briissel. Academic royale des sciences, des lettres et des beaux-arts.
Annuaire. 1903. (69. Jahrg.).
Bulletins. 1902, 6 -12; 1903, 1-8
Briissel. Sociiti entomologique de Belgique.
Memoires. IX.
A rm ales. 46. Jahrgang. Tome XLVI.
Briissel. SocUte malacologique de Belgique.
Annales. XXXVI. (1901).
Budapest Rovartani La Pok.
Entomologische Monatsschrift. 1902, 1-10; 1903, 1—10.
Budapest. TJngarisches Nationalmuseum.
Zeitschrift (Annales). Vol. I, 1903, l&re et seconde partie.
Budapest. Ungarische ornithologische Zentrale.
Aquila. Journal fiir Ornithologie. 1902. Supplementum
X. Jahrgang. (1903.)
Buenos- Ay res. Museo national.
Annales. Tome VII, Serie 2 at, IV. Tome VIII, 1, entrega 1.
Buenos- Ayres. Academia national de Stiencias en Cordoba.
Boletin. XVII, entr. 3 a.
Buenos- Ayres. Deutsclte akademische Vereinigung.
Verbffentlichungen. Band 1, Heft 6 und 7.
Buffalo. Society of Natural Sciences.
Bulletin. Vol. VIII. Nr. 1-3 (1903).
Cambridge (Mass.). Museum of Comparative Zoology.
Bulletin. Vol. XXXVIII. Vol. XXXIX, nos. 5—8. Vol. XL,
nos. 4 — 7. Vol. XLII, nos. 1 — 4.
Annual Keport for 1901—1902.
Chap ell Hill (Noi-th-Carolina). Elisha Mitchell Scientific Society.
Journal. Vol. XIX. Part. I und II. Vol. XVIII. nos. 15 und 16,
Cherbourg. Societe nationale des sciences natureUcs et mathematique*.
Memoires. Tome XXXIII. 1902/03, fasc. 1.
C i n c i n n a t i (Oh io) . Lloyd Library.
Bulletin, Nr. 6 (1903).
Colorado Springs. Colorado College.
Studies. Vol. X.
Cordoba (Rep. Argentina). Academia national de Ciencias.
Boletin. Tomo XVII, entr. 2 a. (1902).
Danzig. Naturforschende GesellscJiaft.
Sehriften. 10. Band, 4. Heft.
Darmstadt. Mittelrheinischer geologischer Verein.
Notizblatt. IV. Folge, 28. Heft (1902;.
121
Denver (Colo.). Colorado Scientific Society.
Proceedings. Vol. VII, pag. 55-138 (1903).
Des Mo in es (Iowa). Geological Survey.
Annual Report. 1900, Vol. XII.
Dresden. Naturwissenschaftliche Gesellschaft „Isis".
Sitzungsberichte und Abhandlungen. 1902, II. Heft. 1903, 1. Heft.
Elberfeld. Naturwissenschaftlicher Verein.
X. Jahresbericht.
Km den. Naiurforschende Gesellschaft.
87. Jahresbericht. (1901/02.)
Erlangen. Physikalisch-medizinische Societat.
Sitzungsberichte. 34. Heft. (1902.)
Frankfurt a. M. Physikalischer Verein.
Jahresbericht. (1901 - 1902.)
Frankfurt a. M. Senckenbergische Naiurforschende Gesellschaft.
Bericht fur 1903.
Frankfurt a. d. 0. NaturwissensihaftlicJier Verein des Regierungs-
bezirkes Frankfurt.
Helios. 20. Band (1903;.
Freiburg i. B. Naturforschende Gesellschaft.
Berichte. XIH. Band (1903).
Freiburg (Schweiz). Society des sciences naturelles.
Memo ires. Botanique. Band I, Heft 4 und 5.
Geologie und Geographic. Band H, Heft 3.
Genf. Sociite botanique.
Extrait du bulletin de Therbier Boissier. Tome II, 1 - 6 ;
Tome HI, 1—6.
Bulletin. (1899—1903.) Nr. 10.
Genf. Societe de Physique et oVHistoire nalurelle.
Memoires. Tome XXXIV, fasc. 3.
Genf. Conservatoire et Jardin botanique.
Annuaire. 66m« annee. (1902).
Gera. Gesellschaft von Freunden der Naturwissenschaften.
43.-45. Jahresbericht (1900—1902).
Graz. NatunoissenschaftlicJier Verein fur Steiermark.
Mitteiiungen. Jahrgang 1902.
Greifsvoald. Naturwissemcliaftlicher Verein von Neu-Vorponwtern
und Biigen.
Mitteiiungen. 34. Jahrgang (1902).
Gitst row. Verein der Freunde der Naturgeschichte in Mecklenburg.
Archiv. 56. Jahrg., 2. Halfte. 57. Jahrg., 1. Halfte.
122
Haarlem. Musee Tayler.
Archives. Serie II, Vol. VIII, II -IV— partie (1903)
Halifax (Nova Scotia. Can.). Nova Scotia Institute of Natural Science.
Proceedings and Transactions, Vol. X (1900-1901), part. 4.
Halle a. d. S. K. Leop. -Carol. Deutsche Akademie der Naturforscher.
Leopoldina. Heft XXXVIII, 11—12. Heft XXXIX, 1-12.
Halle a. d. S. Naturunssenschaftl. Verein fiir Sachsen und Thuringen.
Zeitschrift. 75. Band, Heft 1—6. 76. Band, Heft 1—5.
Ha mbu rg. NalurwissenscJiaftlicher Verein.
Verhandlungen. Dritte Folge. X (1902).
Abhandlungen. Band XVII. XVIII.
Hanau. Wetterauische Gesellschaft fQr die gesamte Naturkunde.
Erster Nachtrag zum Katalog der Bibliothek. 1902.
Hermannstadt. Siebenbiirgischer Verein fiir Naturwissenschaften.
Verhandlungen und Mitteilungen. I. und II. Band. Jahrg. 1902.
Hof (Bayerri). Nordoberfrankiseher Verein fiir Natur-, Geschichts- und
Landeskunde.
Jahrgang 1903.
Ig I o. Ungarischer Karpathen - Verein .
Jahrbuch. 30. Jahrgang (1903).
1 n nsbr u c k. Ferdinandeum fiir Tirol und Vorarlberg.
Zeitschrift. 3. Folge. 47. Heft (1903).
Karlsruhe. Naturwissenschaftlichcr Veiein .
Verhandlungen. 16. Band (1902 - 1903).
Kassel. Verein fiir Naturkunde.
Abhandlungen und Bericht. XLVI1I (1902—1903).
Kiel. NaturwissenscliaftUcher Verein fiir Sehleswig-Holstein.
Schriften. XII. 2. Heft.
Klagenfurt. Naturhistorisches Landesmusenm von Karntcn.
Carinthia II. 93. Jahresbericht. 1903.
Kolozsvdr (Klausenburg). Siebenbiirgischer Museumsverein (arztlic**
und naturunsscnschaftlii'he Abteilung).
Sitzungsberichte. Naturwissenschaftliche Abteilung. Jab^"
XXVI (1901). Jahrg. iXXVn (190'%-
Arztliche Abteilung. Jahrg. XXIV.
A' o nigsberg. Physikalisch-bkonom isch c Gesellschaft.
Schriften. 43. Jahrgang. (1902.)
Lausanne. Societc vaudoise des sciences naturcUes.
Bulletin. Nr. 145, 146, 147.
Lima. Societad Geografica de Lima.
Summario. Tome XII, trimester secundo.
123
Linz. Museum Francisco-Carol inum.
61. Jahresbericht.
Linz. Verein fiir Naturkunde in Osterreich oh der Knns.
32. Jahresbericht (1903).
Luxemburg. Yerein Luxemburger Naturfreunde.
Fauna. 12. Jahrgang. (1902.)
Luxemburg. Society botanique.
Recueil des memoires et des travaux. XV. (1900 — 1901).
Madison (Wisconsin). Geological and Natural History Surrey.
Bulletin. Nr. VIII.
Marburg. Gesellschaft zur Beforderung der Natnrwissenschaften.
Sitzungsberichte. Jahrgang 1902.
Mexiko. Instituto geologico de Mexico.
Boletin. Nr. 16 (1902).
Milwaukee. Public Museum.
Annual Report. 1902. (Nineteenth unci Twenthieth A. R.)
1903/03 (Twenty-First A. R.)
Milwaukee. Wisconsin Natural History Society.
Bulletin. Vol. II, nos 4: Vol. Ill, nos. 1-3.
Montana. University of Montana. Missoula (Mont.).
Bulletin Nr. 10.
Biological Serie Nr. 3.
Studies Nr. 1—3.
Quarto Centennial Celebration. (1902.)
Montevideo. Museo nacional.
Annales. Tomo IV, lay; 2 A partie (1902) I, 1903.
Tomo V. Flora Uruguay a; pag. I — XL VIII (Tomo II).
Moskau. Societe Imperiale des Naturalistes.
Bulletin. Annee 1902, 3 und 4. 1903, 1 -3.
Munch en. Kgl. bayrischc Akademk der Wissenschaften.
Sitzungsberichte. 1902. Heft 3-4. 1903, Hefr 1—3.
M it nchen. Ornithologische Gesellschaft.
3. Jahresbericht, . 1901—1902.)
Nancy. Societe des sciences.
Bulletin. Serie III, Tome III, fasc. II— IV.
Serie III, Tome IV. fasc I— II.
Nantes. Societe des sciences naturelles de VOnest de la France.
Bulletin. Deuxieme Serie. Tomo II, 2 — 4,uc trimestre (1902).
New-Haven (Connecticut \ Academy of Arts and Sciences.
Transactions, Vol. XI (Centennial Volume) part. I — II.
124
New-York. Academy of Sciences.
Annals. Vol. XV, part. I.
New-York. American Museum of Natural History.
Bulletin. Vol. XVI (1902).
Annual Report. (1902.)
Niirnberg. Naturhistorische GeseUschaft.
Abhandlungen. Band XV, Heft 1.
Jahresbericht. 1901. 1902.
Osnabriick. Naiurwissenschaftlichcr Verein.
15. Jahresbericht (1901 und 1902).
Para (Brasilien). Museu Paraense de Historia natural e Ethnographia.
Boletim. Vol. Ill, nos. 3 und 4.
Par is. Jeunes Naturalistes.
Feuilles. IV. serie Nr. 386—398.
Par is. Societe gtologujue de la Frame.
Catalogue des publications.
Petersburg. Hortus Petropolitanus.
Acta. Tome XXI, fasc. I— II (1903).
Philadelphia. Academy of Natural Sciences.
Proceedings. Vol. LIV (1902), part. 1 1 -in.
Vol. LV, part. I.
Philadelphia. American Philosophical Society.
Proceedings. Vol. XLH, nos. 170—173.
Pisa. Societa toscana di Scienze Naturali.
Processi verbali. Vol. XIII, pag. 41 - 138.
Memorie. Vol. XIX. 1903.
Pray. Kyi. bohmische GeseUschaft der Wisscmchaften.
Jahresbericht fur 1902.
Sitzungsberichte inathein.-naturw. Klasse) 1902.
Studnicka: ./Cber das farbige Licht der Doppelsterne".
Prtssbu rg. Verein fiir Xatur- und Heilkunde.
Verhandlungen. Jahrgang 1902.
R e y en sb u r //. Na t urwissenseh aftlicher Verein.
IX. Heft fiir 1901 und 1902.
H e i r h e. nbery v Bohme-n }. Verein fiir Xatur freunde.
Mitteilungeu. 33. und 34. Jahrgang.
Rochester YY.-IYi. Academy of Science.
Proceedings. Vol. IV (1903), pag. 65-136.
Rom. Specola Vaticana.
Tavole Graliche doi prinzipali elementi meteorici (1895— 1901).
Estratto dal Volume VI delle Publicazioni.
12B
Rom. Accademia dei Lined.
Rendiconti. Serie quinta. Vol. XL 2° semestre, fasc. 11 —12.
„ XII. 1° „ „ 1-12.
„ xn. v „ „ 1-12
Rendiconti dell' adunanza solenne del 7 Giugno 1903, Vol. II.
Processi Verbali, Vol. XIII.
St. Lou i 8 (Missouri). Academy of Science.
Transactions. Vol. XII. 1 — 8.
Sit ten. Murithienne, Societe valaisanne des sciences naturelles.
Bulletin des travaux. 1903 (XXXII).
Stavanger (Norwegen). Museum.
Aarshefte. 13. Jahrgang (1902).
Stockholm. Entomologiska Foreningen.
Arg. 23 (1902), Haft 1—4.
Arg. 24 (1903), Haft 1—4.
Stuttgart. Verein fiir vaterldndische Natnrkunde in Wurttemberg.
Jahreshefte. 59. Jahrgang (1903).
Schutze, Literaturverzeichnis II. (Mineralogische u. geologische
Literatur von Wurttemberg und Hohenzollern und angren-
zenden Gebieten.)
Topeka (Kansas). Kansas Academy of Science.
Transactions. Vol. XVIII.
Triest. Museo civico di storia naturale.
X. (Vol. IV della serie nuova) 1903.
Up sal a. Kgl. Unirersitatsbibliothek.
Bulletin of the Geological Institute. Vol. V, part. 2, Nr. 10.
Urbana (HI.). State Laboratory of Natural History.
Bulletin. Vol. V (1897—1901). Vol. VI, art. 2 (1903).
Report of the Director. 1899-1900.
Wa shington. Smithsonian Institution.
Annual Report of the year ending June 30, 1901.
Washington. Department of the Interior. U. S. Geological Survey.
Twenty-Second Annual Report. 1900—1901. part. I— IV.
Twenty-Third Annual Report. (1901—1902.)
Professional Papers, Nos. 1-8.
Monographs. Vol. XLII. XLIII.
Bulletin of the United States Geological Survey. Nos. 195—207.
Mineral Ressources of the United States. (1901.)
Water Supply and Irrigation papers, Nos. 65 — 79.
Wien. K. k. Zetttralanstalf fiir Meteorologie und Erdmagmtismus.
Jahrbucher. Neue Folge. Band XXXVIII, Anhang.
126
Wien. Entomologischcr Verein.
Jahresbericht. XIII (1902).
Wien, K. k. geologische Reich sanst alt.
Jahrbuch. 1901, Heft 3-4. 1902, 52. Band, Heft 2-4. 1903,
53. Band, Heft 1.
Verhandlungen. 1902, Heft 16-18. 1903, Heft 1—15.
Wien. Verein zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse.
Schriften. 43. Band. (1902-1903.)
Wien. Zoologisch-btfanische Gesellschift.
Verhandlungen. Band LII (1902). Band LIU (1903).
Wiesbaden. Nassauischer Verein filr Naturkunde.
Jahrbiicher. 55. Jahrgang (1902). 56. Jahrgang (1903).
W i nterthu r. XaturicLssenschaftliche Gesellschaft.
Mitteilungen. IV. Band (1901/02X
W ii rzbu r g. Physikalisch-medizin ische Gesellschaft.
Sitzungsberichte. 1902, 1—6.
Zagreb (Agram, Kroatien). Societas Scientiarum Naturalium Croatica.
Glaanik. Band XIV, erste und zweite Halfte (1902).
Band XV, erste Halfte (1903).
Zurich. Natur/orschende Gesellschaft.
Vierteljahrsschrift. 47. Jahrgang, 3. und 4. Heft. 48. Jahr-
gang, 1. und 2. Heft.
Neujahrsblatt pro 1903.
Zurich. Geologische Kommission der svhweizerischen naturforschentlen
Gesellschaft.
Beitriige zur geologischen Karte tier Schweiz.
Geoterhnisehe Serie. II. Lieferung: E. Kissling, Die schweize-
rischen Molassekohlen westlieh der Reuss.
Z ii rich, tfchtceizerische botanische Gesellschaft.
Berichte. Heft XIII.
Zurich. Phgsiknl ische Gesellschaft.
.Jahresbericht. XII. (1901.)
Mitteilungen. (1903.) Heft 3—5.
Z\c i c k a u. Verein fib- Xaturhmde.
Jahresbericht. (1901.)
B. Von einzelnen (felehrten und Freunden der
Gesellschaft.
Berlin. A. Kaiser. Xaturforscher.
Dr. Max Scholler: Mitteilungen fiber ineine Reise nach Aqua-
turial-Ost-Afrika und Uganda 1896—1897. Band n.
127
Oberhelfenswil. Hanptmann Sclimid.
Schmid, Das Zodiakallicht
Para (Brasilien). Prof. Dr. Emit Goldi.
Goeldi: Album de Aves Amazonicas, fasc. II. Estampas 13-24.
— Estudos sobre o desenvolviments da araiagao dos Veados.
Galheiros do Brasil (Cervus paludosus, C. campestris,
C. Wiegwanni).
— Almanach Popular Brazileiro 190.3.
— Ornithological Results of an expedition up the Capim
River, State of Park. 1903, pag. 471—500, 630-632.
Hann: Zur Meteorologie des Aquators. Nach den Beobach-
tungen am Museum Goeldi in Park
St. G alien. l*riisident W. Gsell.
X. Jaliresbericht der Versuchsstation der Schule fiir Obst-,
Wein- und Garten bau in Wadenswil 1899/1900. (4 Ex.)
St. Gal I en. Prof. Dr. J. Mooser.
TheoriederEntstehungdesSonnensystems (eine mathematische
Behandlung der Kant-Laplace'schen Nebularhypothese).
St. G alien. Wildparkkommission.
Jahresbericht, (1902.)
Schaffhau8en. Dr. G. Siierlin.
Mitteilungen der Schweizerischen Entomologischen Gesell-
schaft. Vol. X, Heft 10 (1903). Vol. XI, Heft 1 (1903).
Z U rich. Dr. med. E. Fischer.
E.Fischer : Experimentelle Untersuchungen uber die Vererbung
erworbener Eigenschaften.
— Experimentelle kritische Untersuchungen iiber das pro-
zentuale Auftreten der durch tiefe Kalte erzeugten Va-
nessen-Aberrationen.
— Drei neue Formen aus der Gruppe der Vanessiden.
— Zum Gehors-Vermogen bei Raupen.
— Weitere Untersuchungen liber die Vererbung erworbener
Eigenschaften.
— Lepidopterologische Experimentulforschungen. I — III.
— tjber. die Begattung der Vanessen.
Zii rich. Prof. Dr. Mayer- Eymar.
Mayer- Eymar: Sur le Hyscli et en particulier sur le flysch de
Biarritz.
Zurich. Prof. Dr. C. Schrbter und H, Sporri.
Sporri, H. : Die Verwendung des Bambus in Japan und Katalog
der Spurri'schen Bambussammlung.
128
Ziirich. Prof. Dr. C. Schrbter.
Henry Loceron : La repartition verticale du Plancton dans le
lac de Zurich.
Bibliotbeca Bo tallica. Giinthart: Beitrage zur Bliitenbiologie
der Cruciferen, Crassulaceen und der Gattung Saxifragn.
Zofingen. Dr. Fischer-Siegwart.
Fischer-Siegwart : Ornithologische Studien am Sempachersee.
VII.
Bericht
uber
das naturhistorische Museum, die botanischen Anlagen,
die Voltere und den Parkweiher.
Von Konservator E. B&chler.
Iin vorjahrigen Bericht uber die Entwicklung der
naturhistorischen Sammlungen unseres Museums haben
wir der freudigen Hoffnung Raum gegeben, das Andenken
an unsern hochverdienten Herrn Direktor Dr. Wartmann
sel. mochte gerade darin einen sprechenden Ausdruck
linden, dass die angestammten Freunde des Museums
demselben auch feruerhin ihre voile Gewogenheit erhalten.
dass manche neue Gonner unsere im Sinne und Geiste
des lieben Heimgegangenen gehaltenen Bestrebungen mit
vereinter Kraft untersttitzen werden.
Unsere Hoffnung ist voll und ganz in Erfiillung ge-
gangen ; wir freuen uns, schon eingangs auf den reichen
Zuwachs hindeuten zu dtirfen, den beinahe alle Spezial-
kollektionen unserer Sammlungen erfahren haben, teils
durch Schenkungen, teils durch Anschaffungen, welche
uns die Munifizenz der loblichen Verwaltungsbehorde er-
moglichte. Allen Gebern sei an dieser Stelle der herz-
lichste Dank ausgesprochen. Mogen sie auch davon iiber-
zeugt sein, dass die Schatze unserer Sammlungen kein
totes Kapital bedeuten, sondern dass sie, mit der richtigea
130
Interpretation versehen, von wissenschaftlichem und geist-
bildendem Werte sind.
Hal ten wir Umschau in der ZOOlogischen Abteilung!
Sozusagen den geringsten Zuwachs hat die Gruppe
der Saugetiere zu verzeichnen, einerseits weil die An-
gebote von uns noch fehlenden Typen sehr sparliche und
nichtkonvenierende gewesen sind, anderseits die An-
schaffungen wahrend des Berichtsjahres sich mehr auf die
entomologische Sammlung konzentrierten, da in letzterer
empfindliche Liicken auszufullen waren. Immerhin diirfteD
uns bereits die koininenden Monate in den Besitz eines
schon langst auf der Desideratenliste figurierenden Ob-
jektes bringen, nainlich eines Gnu.
Die Hinterlassenen un seres Herrn Direktor Wart-
inann sel., Herr Dr. med. Th. Wartmann und Fraulein
J. Wartmann, vergabten zum Andenken an den Ver-
storbenen die Suinine von 300 Franken zur Anschaffung
eines grossern Sammlungsstuckes. Mit dem genannten
Betrage wurde nun auch jene der naturwissenschaftlichen
Gesellschaft zugedachte gleichartige Schenkung verschmol-
zen, urn aus der Gesamtsumme ein noch von dem lieben
Verstorbenen fiir unser Museum gewiinschte9 Gnu anzu-
kaufen.
Wir verdanken an dieser Stelle die Testation aufs
warmste und hegen die Uberzeugung, das9 das betreffende
Sammlungsobjekt in jeder Hinsicht zu den Zierden unseres
Museums gehore.
Von der 7,Linn&au in Berlin bezogen wir ein cha-
rakteristisches anatomisches Praparat der Wan der rat te
iMus decuman us), welches speziell die Organe der
Atmung, des Blutumlaufes und der Ernahrung des be-
trelfenden Tieres veranschaulicht.
131
Herr Pr¶tor Zollikofer ist seiner bekannten
Generositat dem Museum gegeniiber treu geblieben. Nicht
nur trachtete er stets danach, nainentlich fehlende ein-
heirnische Spezies aufzutreiben, sondern seinen unaus-
gesetzten Bemiihungen ist es zuzuschreiben, wenn die
Sammlungen durch Raritaten, die Herrn Zollikofer zur
Preparation iibergeben werden, Bereicherung finden. Von
ihm stammen als Geschenke: Weibchen der Ohrfleder-
rnau8 (Plecotus auritus) von Thaingen, Kanton Schaff-
hausen (^23. XI. 02), welches Exemplar heute dem c? von
Roggwil (Thurgau) Gesellschaft leistet; ferner: Alpen-
spitzmaus (Sorex alpinus), Weibchen, von der Widder-
alp am Santis (26. VIII. 02). Ein junges Murmeltier
(Arctomys marmotta), das bei Weisstannen im
St. Galler Oberlande (Juli) erwischt wurde, dedizierte
Herr Posthalter Schmon in Mels. Der Kollektion von
Aberrationen in der heimischen Saugetierwelt iiber-
machte Herr Praparator Zollikofer einen totalen Albino
der Hausspitzmaus (Leucodon araneus). Das
am 26. IX. 02 bei Moosburg (Gossau) gefangene Tierchen
war trachtig gewesen und besass 6 Embryonen.
Neben dem Neste einer Haselmaus (Myoxus
avellanarius), welches nachtraglich sehr wahrschein-
lich die Wohnstatte eines kleinen Vogels wurde (Do-
nator : Herr Gartnereibesitzer Kessler-Steiger) fiihren
wir noch den Schadel eines Negersklaven von
der Insel Porte Island (nahe Freetown, Sierra Leone)
an der AVestkuste Afrikas auf ; derselbe ist ein Geschenk
von Herrn J. Krapf in St. Gallen.
Recht schone Fortschritte weist die Vogelsammlung
auf, sowohl jene, welche die ausserschweizerischen Ver-
treter der Ornis, als auch jene, die die Inlander beheibst^
132
Unsere Paradiesvogel bilden allmahlich ein interessantes
Schausttick der allgemeinen Kollektion. Unter den neuen
Erwerbungen sind als willkommenste Erg&nzungen zu
betrachten: Manucodia comrii, cf» der grosste der
Gattung Gottervogel. Er zeigt in seinem ganzen Ban so
recht den tjbergang, beziehungsweise die nahe Verwandt-
schaft der Paradisier zu den Raben. Drepanornis
cervinicauda (<? u. 9) un(i Dr. Bruyinii (cf u. 9)
besitzen beide einen langen gebogenen Schnabel; tlber-
dies sind die Mannchen mit zahlreichen herrlichen, an
den Federspitzen in den schonsten Metallfarben erglanzen-
den facherartigen Brustschmuckfedern versehen. Zur
Gruppe der kleinern Paradiesvogel gehort Xanthomelas
aureus. Das kiirzlich erworbene Exemplar tragt ein
leuchtend orangefarbenes Gefieder; sodann erheben sich
an der Stirn des Mannchens kurze biirstenartige Federn
und schliesslich tragt es einen verhaltnismassig grossen
dunkelorangenen, aus zerschlissenen Federn bestehenden
Halskragen. Wahrend die genannten Paradisier ausschliess-
lich in Neu-Guinea heimatberechtigt sind, kommt ein
anderer, namlich Chlamydera cerviniventris, cf»
auch auf der Kap York-Halbinsel in Nordaustralien vor.
Er gehort zu den von den neuern System atikern zu den
Paradiesvogeln gezogenen Laubenvogeln , einer eigen-
ttinilichen Gruppe, welehe ausser dem Neste noch sogen.
Spiellauben baut und Tanzplatze zu allerlei Kurzweil und
Allotria anlegt.
Leider entsprach der uns zur Ansicht eingesandte
seltenste und zugleich merkwurdigste Paradiesvogel,
Pteridophora Albertii, dessen Weibchen noch gar
nicht bekannt ist, von welchem das Mannchen, das kaum
Dohlengrosse hat und durchaus ohne exquisites Gefieder
133
ist, dagegen auf dem Kopfe zwei machtige, aus blauen
Emailschildern zusamniengesetzte Horner besitzt, unsern
Anforderungen nicht. Es war ein Mixtum compositum.
Trotz des begreiflicherweise sehr hohen Preises der be-
treffenden Spezies sollten wir doch in absehbarer Zeit den
Kauf dieser immer seltener werdenden Raritat verwirk-
lichen. Es ist eben doch fraglich, ob die weitere Er-
schliessung Neu-Guineas, obschon mit derselben die Ent-
deckung neuer Formen Hand in Hand geht, gerade die
Pteridophoragattung beziehungsweise Spezies noch Zu-
zitgler bekommt.
Dass wir nach langern Nachforschungen urn einen
billigen Preis in den Besitz zweier Prachtexemplare (cT
u. 9) der Lapplandseule (Syrniuin lapponicum)
gelangten, sind wir Herrn Praparator Zollikofer besonders
verpflichtet. Er hat die Balge mit solcher Meisterschaft
behandelt, dass dieselben heute den schonstpraparierten
Objekten unserer Sammlung den Rang streitig machen.
Die Lapplandseule ist in Ostsibirien nicht selten, kommt
aber vom nordlichen Asien bis in den Norden Europas
und gelangt ab und zu, namentlich bei heftiger Kalte
und Schneewetter, tiber die Ostsee audi nach Norddeutsch-
land. Selbst in der Gegend von Breslau soil sie schon
gesehen worden sein. An Grosse iibertrifft sie ausser
dem Uhu alle einheimischen Eulen. In Farbe und Zeich-
nung gleicht die Lapplandseule am meisten dem Wald-
kauz, erscheint aber stets in hellerem, d. h. mehr grauem
Farbenton und ist auch bedeutend schlanker. Die un-
gemein reiche Befiederung, welche sehr locker vom Korper
absteht, lasst sich so weich anfuhlen, als griffe die Hand
in lose aufgehaufte Baumwolle. Ausserordentlich cha-
rakteristisch prasentieren sich die sehr breiten, dunklen
134
Schaftstriche der weissberandeten Federn des Vorder-
und Unterkorpers, sowie der grosse, schleierartige, axis
konzentrischen Federkreisen bestehende Kranz um die
kleinen Augen, des9en schwarze und weisse Querbande-
rung einen eigenartigen Kontrast zur Langsstreifung des
tibrigen Gefieders bildet. Unser Paar stammt aus Finn-
land (4. III. 03).
Nicht weniger willkomtnen sind uns die mancherlei
Geschenke aus den Gruppen der exotischen und der ein-
heimischen Befiederten. Die Ornithologische Ge-
sellscliaft, welche uns alle in der Voliere und im
Parkweiher mit Tod abgehenden Insassen zu freier Dis-
position stellt, spendete ein tadelloses Weibchen eines
Fasaiis (Phasianus Reevesii), Heimat: Central-
China, ferner zwei kleinere Papageien: den Blaubauch-
keilschwanzlori (Trichoglossus novae Hollan-
diae), Heimat: Australien.
Ebenso gerne nahmen wir ein Dunenjunges der
B r a u t e n t o ( A i x sponsa) entgegen, sowie endlich Fuss
und Sehnabel des weissen Loffelreihers (Platalea
leucorodius). Letztere beiden Praparate sollen Ver-
wendung findon fur eine Spezialzusammenstellung der
Fiisse und Sehnabel unserer wichtigsten Vogelfamilien.
Einen kleinen Exoten erhielt das Museum von Herrn
Fabrikbesitzer Oskar Wegelin in Hofstetten. Wiederum
zahlen die Dedikationen des Herrn Praparator Zolli-
kofer zum Belaugreichsten, was der Sammlung zuge-
flossen, so z. B. eine Gar ten a mm er (Emberiza hor-
tulana), 9, von Ziiberwangen bei Wil (1. V. 02); ein
gehaubtor Steissfuss (Podiceps cristatas) ira
Dunonkleid, gesohossen am Untersee, bei Ermatingen
(10. IX. 02). Mit diesem Belege verfugt das Museum iiber
135
eine sozusagen vollstandige Serie jener interessanten
Stadien, in denen die Jungen des Haubensteissfuss noch
die iiberaus hubsche Langsstreifung an Kopf und Hals
aufweisen. Unser Plan, aus jeder Vogelgruppe der ein-
heimischen Tierwelt wenigstens einen Reprasentanten in
fliegender Position aufstellen zu lassen, am dadurch
das so typische „Flugbild" derselben zu demonstrieren,
hat durch Herrn Praparator Zollikofer die lebhafteste
Unterstiitzung gefunden; mit einer "Wildente (Anas
boschas), einem cT im Ubergang vom Sommer-(Jugend-)
kleid ins Winter- oder Hochzeitskleid, sowie mit dem
obenerwabnten Keilschwanzlori ist denn auch bereits ein
Anfang gemacht.
Aus dem Nachlasse des Herrn Kaufmann Beutter-
Be utter iiberliessen uns die Hinterbliebenen in freund-
lichster "Weise eine reichbaltige Kollektion fur unser
Museum sehr brauchbarer Objekte. Unter diesen befinden
sich mehrere gut montierte Distelfinken (Fringilla
carduelis), sowie ein grosser Wiirger (Lanius
excubitor).
Besonderes Interesse beanspruchten von jeher die
Aberrationen innerhalb der einheimischen Vogelwelt.
"Wir sind im Falle, aucb dieses Jahr einiger sehr wert-
voller Qeschenke des Herrn Zollikofer Erwahnung zu
tun. Es ist eine bekannte Tatsache, dass die Farben des
Grunspechtes (Picus viridis) im Sommer leicht
etwas verbleichen, wobei das Grtin in ein spezifiscbes Gelb-
lich iibergeht. Bei einem Exemplar, 9? das aus dem Val
Tazzino bei Lugano (16. X. 02) stammt, von wo es Herr
Praparator Ghidini in Lugano erhielt, besitzt das im
ganzen normal gefarbte Tier fiinf Flligeldeckfedern der
zweituntersten Reihe des linken Fltigels, welcbe ganz
136
hellgelb, beinahe weissgelb sind. — Beim Schwarz-
specht (Pious martius), dein grossten unserer ge-
fiederten „Waldzimmerleuteu, kennt man ebenfalls eine
Abbleichung der schwarzen oder ganz dunkelbraunen
Federfarbe, so dass letztere namentlich im Sommer oft
beinahe einen Stich ins Rauchfahle erh<. Das Geschenk
des Herrn Zollikofer kommt von Hauptwil (Thurgau),
6. I. 03, und weist eine ausgesprochene Braunfarbung
auf. Diese erstreckt sioh beidseitig namentlich auf die
hintere Korperpartie. Fliigel und Flugeldeckfedern werden
gegen hinten immer heller. An dieser Braunkolorierung
partizipieren aber vor allem auch die weichen, zer-
schlissenen Federn der Unterseite und zu den Seiten des
Leibes. Wahrend die vordere Region nur wenig heller
als bei Normalexemplaren ist, sind die den karmesinroten
Scheitelschopf umgebenden Federn ebenfalls stark ge-
braunt.
Geradezu als grosse Raritat miissen wir einen par-
tiellen Albino, ein Weibchen des Steinhuhns (Cac-
cabis saxatilis), namhaft machen, der am 21. IX. 02
auf Alp Narraus, Gemeinde Flims (Bunden), erlegt wurde.
Da wir das herrliche Objekt in einer Fachzeitschrift aus-
fuhrlicher behandeln werden, konnen wir uns hier auf
eine gedrangte Diagnostizierung beschranken. Die dunkel-
aschgi-aublaue Farbung des Normaltieres (Scheitel, Genickr
Hinterhals, Riicken bis zu den Oberschwanzdeckfedern
und den beiden Schwanzfedern) sowie das Schmutzig-
purpurrot des Oberriickens sind bei unserm Partialalbino
hellaschgrau bis blaulich, mit einem eigenttim lichen
Schimmer, der auf dem Ganzen ruht. Nur die seitlichen
Schwanzfedern besitzen noch den rotlichen Ton ihrer
ur8prlinglichen rostbraunen Nuance. Das Tiefschwarz der
137
Stirne, der Schnabelwurzel and des unsere Spezies aus-
zeichnenden Bandes, das von letztern tiber Zugel und
Ohr an den Seiten des Kopfes bis zum Kropf verl&uft
und sich dort mit dem korrespondierenden der andern
Korperseite verbindet, ist in der Farbe etwas bestimmter,
dunkler gehalten als die eben geschilderte anormale hell-
graublaue Farbung. Ganz intakt erhalten hat sich die
Zeichnung; sie ist iiberall noch seharf markiert; ja es ist
sogar moglich, noch den Geschlechtsunterschied nach der
Begrenzung jenes Bandes zu konstatieren. Insbesondere
kennzeichnet sich auch die dem Steinhuhn zur grossten
Zierde gereichende Banderung der Tragfedern seitlich
der untern Korperhalfte. Den normalen Farben dieser
Bander (vom Grande der Feder an gezahlt): graublau,
schwarz, hellbraun, schwarz, dunkelrostbraun — ent-
sprechen bei unserer Abnormitat nacheinander: hell-
aschgraublau, dunkelgrau, weisslichgelb, dunkelgrau, fahl-
gelb. Naumann, Naturgeschichte der Vogel Mitteleuropas
(Bd. VI, Jubilaumsausgabe), spricht von einer blassen
Spielart des Steinhuhns und nennt als grosste Seiten-
heit eine reinweisse Abart; dagegen ist von einem
Exemplar, das dem vorliegenden entsprechen wiirde,
keinerlei Notiz vorhanden. — Endlich melden wir ein
jnnges Mannchen des gemeinen Stares (Sturnus
vulgaris) von Bregenz (1902) im "Qbergangskleid vom
Jugend- ins Alterskleid, mit teilweiser albinotischer Far-
bung. Kopf und Hals bis beinahe auf die Brust hinunter
erscheinen noch ganz im jugendlich dunkelgraubraunen
Kolorit, wahrend die hintere Korperhalfte bereits die
typische griine Metallfarbung und die weissbespitzten
Federn des erwachsenen Vogels aufweist. Der Albinismus
dehnt sich tiber den hintern Abschnitt der Handschwingen
138
(beidseitig) sowie auf einzelne der Schwanzfedern und
Oberschwanzdeckfedern aus. Erstere sind vom Grunde an
reinweiss. [Anmerkung: cf = abgekiirztes Zeichen far
Mannchen; 9 == Weibchen.]
Eier wurden im Berichtsjahre keine angekauft; da-
gegen erhielten wir mehrere Qeschenke, so von Herrn
Dr. med. Th. Wart man n und aus der Kanarienztichterei
des Herrn Chr. Monti gel in St. Gallen. Ein Amselnest
ging von Herrn Pfeiffer, Kustos der ethnographischen
Sammlungen, das Nest eines Webervogels von der
Ostschweizerischen geograph.-kommerziellen
Gesellschaft ein.
Die vielfach gemachte Beobachtung, dass Jung und
Alt eine ruhrende Aufmerksamkeit der Eier- und Nester-
saramlung zu teil werden lassen, bestarkt uns in dem
Vorhaben, diese noch aufs tunlichste zu vergrossern.
Momentan fehlt zwar jeglicher Platz fur die Aufstellung
einer einigermassen vollstandigen Eiersammlung der ein-
heiraischen Vogel; es mangeln aber auch noch sehr viele
Typen von Eiern, welche fur ein allgemeines Publikum
sichtbar gemacht werden sollten. Da die Objekte sehr
lichterapfindlich sind und die Farben abbleichen, so
diirfte unter keinen Umstanden die hochst wertvolle Eier-
sammlung von Dr. Stolker zur Ausfullung der besagten
Liicke herangezogen werden. Jenes Material von Stolker
soil in erstor Linie wissenschaftlichen Zwecken dienen,
insbesondere der Vergleichung, die bei Eiern bekanntlich
zur Diagnose unentbehrlich ist. Den Katalog iiber die
Eier hat Ihr Berichterstatter analog jenem der allgemeinen
Vogelkollektion angelegt. urn denselben fiir Jahre hinaus
gebrauchen zu konnen. Er wird ca. 1000 Seiten urafassen
und im Laufe dieses Winters fertig erstellt sein.
139
TJbersehen wir die Gruppe der Reptilien und
phibien mit Bezug auf ihren Zuwachs. Letzterer
«ht, vom Ankauf einer europaischen Sumpf- oder
chschildkrote (Emys europsea) abgesehen,
she sich in der Gegend von Eggersriet im Freien
'ehalten, durchwegs aus Schenkungen. — Mit be-
lerer Genugtuung raachen wir aufmerksain anf ein
• ansehnliches Geschenk eines jungen, strebsamen
Jailers. Herr Severin Engeler (Sohn des Herrn
dwirt Engeler in Morschwil), welcher in einer Kaut-
ikfaktorei am obern Amazonenstrom, an der Grenze
Brasilien und Peru, als leitende Person betatigt ist,
welcher daselbst eine Menge von naturhistorischen
skten selbst gesammelt hat, bra elite dieselben anlass-
seiner Rtiekreise nacli St. Gallen bezw. Morschwil
Zwecke eines kurzen Besuches, dem heirnatlichen
eum mit. In erster Linie seien neben vier ganz jungen,
kurz dem Ei entschlupften Brillenkaimans oder
gators, Jacari (Alligator sclerops) und einem Ei
elben das vollig intakte. gut praparierte Kopfskelett
ftdel) und die Bauchpanzerplatten der namlichen Spe-
, eines grossen Exemplars, erwahnt. Die zuletzt ge-
iten Objekte standen schon langst auf unserer De-
ratenliste.
In freundlichster Weise bedachte uns audi Herr Kauf-
n H ein rich Guggenbiihl in Guatemala, welchem
zum dritten Male unter den im Auslande wohnenden
nern des Museums begegnen. mit recht wertvollen
irgegen stan den, so u. a. mit mehreren mittelameri-
schen Vertretern aus den Gruppen der Eidechsen,
. leichen und Frosche. — Unser Aufruf an die
remden Erdgegenden weilenden St. Galler mSge auch
140
weiterhin einen deni Museum gunstigen Widerhall finden;
wir sind fur alle Gaben sehr dankbar. — Manche schatzens-
werte Objekte hat seit Jahren Herr Gartnereibesitzer
Kessler-Steiger in hier den Sammlungen zugewendet
Im Berichtsjahre gingen von ihm ein: Zornnatter
(Zamenis viridiflavus), Aesculapnatter (Co-
luber Aesculapi), beide aus dem Tessin kommend;
ferner Ringelnatter (Tropidonotus natrix), Urn*
gegend von St. Gallen. Alle drei Tiere befanden sich in
Gefangenschaft bei Herrn Kessler. Moge ihm das Studium
der lebendigen Kriechtiere auch in Zukunft diejenige
Freude und den Genuss bieten, den ihm seine von ihm
mit so grosser Liebe gepflegten Sanger und Stelzvogel
verschaffen !
Die Erhebungen Ihres Berichterstatters betr. die Ver-
breitung der Kreuzotter (Pelias berus) in den
Kantonen St. Gallen und Appenzell werden noch weiter-
gefuhrt. Schon jetzt ist eine Menge von Material ein-
gegangen, welches sich auch auf die vielfach mit jener
verwechselton osterreichischen Schlingnatter (Ooronella
laevis") bezieht. Wir kornmen nach Abschluss unserer
Recherchen auf die den Sammlungen einverleibten Test-
objekte zuriick. — Nicht iibergehen diirfen wir hier einen
neuen Schweizerbiirger unter den Froschlurchen, namlich
die nach dem bekannten Herpetologen Latast benannte
Spezies Rana Latasti Boul. Herr Praparator Ghidini
in Lugano hat bei Scairolo (Lugano) im April 1902
mehrere Exemplare derselben entdeckt. Vide nRevue
Suisse de Zoologie", 1900, pag. 472.
Auch dio Fische sind durch mehrere Sendungen
bereichert worden. Fiir die Aufnung der Sammlung
schweizerischer Flossentrager konnten wir u. a. Herrn
141
fax Oettli, Lehrer der Naturgeschichte am schweize-
en Landeserziehungsheim in Glarisegg in der Weise
linen, dass er uns in einer Art Tauschverkehr (Ab-
von alten Vogeldoubletten) mit der Zeit die Fisch-
8peziell des Untersees zusammenstellt und zwar nacli
rm Wunsche ganze Serien der einzelnen Vertreter.
diese Weise wird der Plan zur Wirklichkeit, die
*lne Art in ihren Altersstadien dem Beschauer vor-
bren und zwar so, dass die Fische nicht mehr in
e Gl&ser gesteckt, sondem der Lange nach in grossen
>ckigen Gefassen ausgestellt werden. DieSammlungen
n womoglich schon in ihrer Aufstellung instruktiv
en. Folgende Typen seien fur einmal hiergenannt:
88bar8ch (Perca fluviatilis), Blicke (Blicca
•kna), Alet (Squalius cephalus), Groppe
ttus gobio). Die Sendung des Herrn Sever in
;eler enthielt im weitern mehrere Fische aus dem
a Amazonenstrom, so z. B. einen Schnabelfisch
zwei Piatt fische. Ein anderer St. Galler Burger,
Dr. Max Tobler, welcher nach seinen erfolgreichen
rwissenschaftlichen Studien mehrere Monate in den
>ratorien der beruhmten zoologischen Station zu Neapel
», nahm fur das Museum seiner Vaterstadt ebenfalls
•ere Vertreter der dortigen Fischfauna mit, u. a. zwei
ere, den sog. Seen ad e In (Sygnathus) angehorige
enmauler.
Die starkste Bereicherung wurde der entomolo-
ihen Sammlung zu teil, und wenn gerade ftir die
lertiere die grosste Zahl der Ankaufe uberhaupt statt-
iden, so liegt der Grund in den vielfachen, empfind-
n Lticken, welche die einzelnen Gruppen derselben
jeher aufgewiesen. Ubrigens leiden eben die Glieder-
142
tiere, mit Ausnahme der Kafer, am allermeisten durch den
Zahn der Zeit bezw. durch die oft rasch und intensiv
wirkenden, zerstorenden Faktoren von Licht, Feuchtig-
keit und Schmarotzerinsekten.
Im Berichtsjahre wurde es dem Referenten endlich
inoglich, einen sehnlichen Wunsch des Herrn Direktor
Wartmann durch die Aufstellung einer biologischen
Kollektion in einem der Schaukasten des ersten Saales
zu realisieren. Es sind nun dort vorhanden: Charakte-
ristische Serien der schonsten Sch metterlinge der
Erde (Papilioniden, Ornithoptera, Schillerfalter, grosste
Schmetterlinge, interessante Farben und Formen), grosste
und farbenprachtigste Kafer (Goliath-, Herkules-,
Nashorn-, Lauf-, Schwimm-, Bockkafer, sowie eine Menge
von Beispielen der herrlichsten Metallfarben in dieser
Insektengruppe), sodann besonders merkwiirdige und
grosse Formen von Spinnen, Heuschrecken, Netzfluglern
usw. Zuletzt folgen die instruktiven Tafeln liber Schutz-
formen und Schutzfarben, Mimikry, Sexual-
dimorphism us, Polymorphismus in der Welt der
Schmetterlinge. Die genannte Kollektion ist heute einer
dor starksten Attraktionspunkte von jung und alt ge-
worden. Das Publikum hat sich aber auch ausserst
dankbar gezeigt fur die von uns ausgefuhrten Text-
erklarungen zu den Tafeln und Serien, welche teils in
der Sammlung selbst vorhanden sind, teils im „Tagblatt
der Stadt St. Gallenu veroffentlicht wurden. Von vielen
Seiten dazu aufgemuntert, werden wir auch fernerhin die
allerdings sehr sparliche Mussezeit zu derartigen Expli-
kationen verwenden, wiewohl wir uns die Schwierigkeit
nicht verhehlen, so vpopularu zu schreiben, dass auch
alle mit vollem Verstandnis zu folgen vermogen.
143
Um die eben angefuhrte biologische Sammlung ein-
r allemal den schadlichen Einwirkungen des Lichte9
ehr oder weniger zu entziehen, haben wir eine Anzahl
jhutzkartons anfertigen lassen, welche in den Stunden,
i das Museum ofSziell geschlossen ist, liber die be-
effenden Vitrinen gelegt werden. Wer zu andern Zeiten
e Sammlungen besucht, nimint sich die kleine Muhe
>rne, die betreffenden Deckel selber zu heben, und unsere
tianglichen Beftirchtungen, letztere miissten unter Uin-
anden allzuoft erneuert werden, haben sich glucklicher-
aise gar nicht verwirklicht.
Speziell zur Aufstellung bezw. zur Aufhung von bio-
gischen Serien wurden von Herrn Heine in London
ne Anzahl von Kafern und andern Insekten angekauft,
tren Preis in Anbetracht der Schonheit und Seltenheit
ancher Typen ein nicht gerade billiger ist. — Nicht
hlen durfte jenes interessante Beispiel von Mimikry
aes Schmetterlings aus den Vereinigten Staaten Nord-
lerikas, eines nahen Verwandten unseres Schwalben-
hwanz. Es ist dies Papilio turnus, mit einer doppelten
'eibchenform. Im Norden und Osten der Vereinigten
aaten sind Mannchen und Weibchen von der bekannten
ilben Farbe mit schwarzen Streifen, im Suden und
'esten aber ist das 9 schwarz und nur das cf gelb. Die
>nauere Kenntnis der sog. immunen, geschiitzten Papilio-
rten hat schliesslich das Katsel des Sexual-Dimorphis-
us zu ldsen vermocht. Auf jenen Landerstrecken namlich,
if welchen die schwarzen Weibchen von Papilio turnus
orkommen, lebt ein anderer, in beiden Geschlechtern
chwarzer Schwalbenschwanz, Papilio philenor, und dieser
;ehort zu den durch widrigen Geruch und Geschmack
geschiitzten Papilionen. Papilio turnus ahmt also den
144
immunen philenor nach und geniesst dessen Schutz. —
Eine andere, sehr lehrreiche Kollektion hat rasch die
Aufmerksamkeit der Museumsbesucher auf sich gelenkt
und zwar aus einem doppelten Grande. Schon eine
systeruatische Zusam mens tell ung der Forstschad-
linge und jener des Obst- und Ackerbaues besitzt
den Wert, dass man wenigstens die Typen kennen lernt;
weit instruktiver sind aber die Darstellungen der be-
treffenden Insekten, wenn gleichsam ihr ganzer Lebens-
lauf, ihre vollstandige Entwicklungsgeschichte in je einem
Tableau vereinigt ist. Jedes der letztern zeigt aufs deut-
licbste Eier, Larven (in alien Stadien), Frassspuren, Nahr-
pflanzen, das fertige Insekt in Ruhe und in Bewegungs-
stellungen, selbst die naturlichen Feinde desselben.
Neben den Entwicklungsstadien zweier Tagschmetter-
linge, des Tagpfauenauges (Vanessa io) und des
Trauermantels (V. antiopa), sowie jenes eines
Damrnerungsfalters, des Wolfsmilch-Sch warmers
(Deilephila euphorbiae) stehen heute beisammen fol-
gende Schadlinge des Forstes: Eichenspinner (Bom-
byx quercus), Kie fern spinner (Lasiocampa
pini), Rotschwauz oder grauer Buchenspinner (Dasy-
chira pudibunda), Kieferngallenwickler (Retinia
resinella), Kiefemtriebwickler (Retinia buoliana),
Kiefernspanner (Fidonia piniaria), grosser brau-
ner Rlisselkafer (Hylobius abietis), sodann Feinde
des Obstbaues, wie z. B. Ringelspinner (Gastropacha
neustria), Wollafter oder Wollschwanz (G. la-
nestris), Schwammspinner (Ocneria dispar),
Kupferglucke (Lasiocampa quercifolia), Gold-
after (Porthosia chrysorrhoea), Stachelbeer-
spanner (Abraxas grossu Lariat a). — Die ob-
145
genannten, von einem alten norddeutschen Forstmann
aus geziichteten Tieren zusammengestellten Praparate
sind so tadellos ausgefiihrt, das9 es sich wohl lohnen
wttrde, in den kommenden Jahren auf eine Komplettierung
der Serie zu tendieren. Es sind das Dinge des prak-
tischen Lebens, denen unser Museum alle Aufmerksam-
keit schenken darf.
Dem namlichen Zweck dient eine Tafel, die das
Leben und die Produkte des Seidenspinners (Bora-
byx mori) veranschaulichen. Eine friihere ahnliche
Darstellung war alt geworden; zudem fehlten infolge
Entwendung mehrere Objekte.
Vorletzten Winter hielt uns Herr Dr. med. E. Fischer
aus Ztirich einen ausserst anziehenden Vortrag liber seine
in der Wissenschaft beriihrat gewordenen Temperatur-
Experimente an einer Anzahl von einheimischen
Schmetterlingsformen bezw. an deren Puppen. Es
betreffen jene Untersuchungen speziell die Vertreter der
Gattung Vanessa der palaarktischen Lepidopteren : Tag-
pfauenauge (V. io), Grosser Fuchs (V. poly-
chloros), Kleiner Fuchs (V. urticae), Trauer-
mantel (V. antiopa), Admiral (V. atalanta),
C- Falter (V. C album). Nachdem schon Dorfmeister,
Weismann, Merrifield und Standfuss dem Wesen der
Varietaten, Aberrationen und des Saison-Dimorphismus
nachgeforscht und diesbeziigliche Experimente mittelst
Kalte und Warme angestellt, fiihrte alsdaun Dr. Fischer
die Versuche weiter, mit grossem Erfolge. Wir konnen
hier raumhalber nicht naher eingehen auf das hoch-
| interessante Problem der Einwirkung der verschiedenen
Temperaturen auf den leicht reagierenden Schmetterlings-
, auf die Veranderungen in Farben und Zeichnung^Tu
146
Wir besitzen die wichtigsten Belegstiicke fttr Schmetter-
linge, deren Puppen bei Normaltemperaturen, dann bei
erhohten Warmegraden bis 38 und 39 ° C, bei Hitze bis
45° C, aber auch bei Kaltetemperaturen von +* biB
— 6° C. und endlich unter Anwendung von Frost ( — 8
bis — 10 ° C.) gehalten wurden. In den Extremen sehen
wir einfachere, dustere Varietaten und Aberrationen ent-
stehen, so zwar, dass einerseits die bei hohen Kalte- und
Warmegraden entwickelten Schmetterlinge sich immer
ahnlicher werden und auf einen als Stammart anzuneh-
menden Typus hinweisen, anderseits aber sich die ekla-
tante Tatsache ergibt, dass Kalte und Warme nicht ver-
schieden, spezifisch, direkt oder unmittelbar wirken,
sondern in den extremen Graden ganz gleich, d. h.
„hemmend auf die Entwicklungu. Die Akten iiber diese
hochwichtigen Tatsachen sind noch lange nicht ge-
schlossen, namentlich seitdem die Theorie von der Ver-
erbung erworbener Eigenschaften durch jene ganz neue
Perspektiven gewonnen.
Ausserordentlich reichhaltig gestalteten sich die Dedi-
kationen innerhalb der Gruppe der Gliedertiere ; unsere
Anregung im letzten Berichte hat rasch so freundliches
Gehor gefunden, dass wir den vielen Gebern alien nur
herzlichsten Dank sagen konnen. Es ist rein unmoglicb?
auf engem Raum die Geschenke eingehend zu beschreiben;
wir mii9sen uns auf deren summarische Auffuhrung be-
schranken.
Der durch seine Afrikareisen (Expedition Dr. Sch6ller)
uns alien wohlbekannte Naturforscher, Herr A. Kaiser,
jetzt wissenschaftlicher Beirat der W. 0. Kamerun-Gesell-
schaft in Berlin, brachte uns eine stattliche Serie von
Schmetterlingen aus Kamerun, namlich 31 Exemplare,
147
8odann eine Libelle und 7 Halbfliigler. 105 verschiedene
Arten (mit 152 Individuen) von europaischen Kafern
spend ete Herr Dr. med. Mtiller in Bregenz, der uns
zu wiederholten Malen die bereits ansehnliche Sammlung
europaischer Coleopteren komplettieren half, und der
auch die Liebenswiirdigkeit besass, ganze Gruppen un-
bestimmter oder unrichtig bestimmter Kafer zu deter-
minieren und andere zu verifizieren. Wir verdanken Herrn
Dr. Mtiller, dem begeisterten Schuler und Anhanger Di-
rektor Wartmanns, auch das uns freundlichst iiberlassene
Manuskript: „Nachtrag zur Kaferfauna der Kantone
St. Gallen und Appenzell", welche interessante Arbeit
wir in diesem Hefte des Jahrbuches zum Abdruck ge-
langen lassen.
Sodann uberraschte uns aufs freudigste Herr Oberst
Dr. Schulthess von Rechberg in Zurich, welcher
als Monograph der schweizerischen Wespen unter den
Hymenopterologen als Autoritat bekannt ist, mit 146
Orthopteren (Geradfltigler). Dieses prachtige Material
ist fiir uns um so bedeutungsvoller, als uns jegliche Ver-
treter vollstandig gefehlt haben; wir besitzen jetzt sehr
wertvolleVergleichtypen fiir die Anlage einer einheimischen
Geradfluglersammlung. Satntliche Individuen der Schen-
kung des Herrn Oberst Schulthess von Rechberg sind
Schweizerbtirger ; sie gruppieren sich in 116 Heuschrecken
(exkl. 6 Mantis-Arten, Fangheusclirecken), 13 Ohrwiirmer,
6 Grillen, 3 Schaben, 2 Grabheuschrecken.
Grosse Freude bereitete uns eine prachtige biologische
Veranschaulichung des Weidenbohrers (Cossus ligni-
perda), deren giitiger Donator Herr Prof. Dr. Stand-
fuss in Zurich ist. Der zu den sogen. „Holzbohrernu
gehorende Spinner verbringt sein verderbliches Rau^ercL-
148
leben im Holze, namentlich von Weiden, schrotet mit
kraftigem Gebiss Gange in demselben and zerst5rt, wenn
in Menge vorhanden, die kraftigsten Stamme. Sehr schon
lasst sich an dem Stammstiick unseres Praparates sehen,
wie die fleischrote Raupe, die sich zur Verpuppung an-
schickt, aus Holzschrot eine Art Bett fabriziert hat, das
oft ausgesponnen wird. Ein separater Stammquerschnitt
demonstriert das erfolgreiche Zerstorungswerk der Weiden*
bohrerraupe. — Der Sendung von Temperatur- Experi-
menten fugte Herr Dr. med. E. Fischer in Zurich
geschenkweise eine Anzahl einheimischer Schmetterlinge
bei, als Scbwalbenschwanz (Sommer- und Wintergene-
ration), Papilio machaon var. hippocrates, cT von Japan,
Apatura iris, und Smerinthus ocellata.
Endlich verdanken wir weitere Geschenke den Herren
Direktor Dr. Schiller in Wil: ein Balkenstiick aus
Haus Nr. 10 des Asyls, von Wespen total zerfressen;
Herrn Dr. Vinassa, Lugano: 4 Stiick des im Mittel-
meer haufigen Heuschreckenkrebses (Squilla man-
tis) von Comacchio (Adria), sowie eine Spinne aus dem
Tessin; Herrn Dessinateur Mtiller-Rutz: Biologische
Darstellung des Kieferntrieb wicklers (Retinia
buoliana), Objekte aus der Umgegend von StGallen;
den Kantonsschiilern Hauri, Sohn von Hrn. Pfr. Hauri:
sechs verschieden grosse Goliathkafer von Kamerun,
darunter mehrere Riesenformen; Oskar Wegelin: ein
sehr grosses Exemplar eines chinesischen Ailanthus-
Spinners. Sehr wertvolle Arthropoden enthielteh die
Sendungen der Herren Kaufmann Engeler und Guggen-
biihl. Beide JTaturfreunde sammeln formlich systematiscb,
wobei sie sich in erster Linie Prachtexemplare aneignen,
die einem Museum geradezu zur grossten Zierde ge-
149
reichen. So stammen von Herrn Engeler: eiue ganze
Serie der beruchtigten Vogelspinnen (Mygale),
einer der grossten Nashornkafer und Bockkafer
Brasiliens, mehrere R a up en von Dammerungsfaltern,
wovon eine mit absurd starker Behaarung, Laternen-
tr&ger (Fulgora laternaria) etc. Dass die Zirpen
der letztgenannten Familie des Nachts leuchten (daher
der Name Leuchtzirpen), beruht auf irrtumlichen Reise-
berichten. — Unter mehreren der grossten Tausend-
fiissler (Myriapoda), Laubheuschrecken, Stab-
heuschrecken, Kafern, Spinnen, kleinen Skor-
pionen finden sich in der Dedikation des Herrn Hrch.
Guggenbilhl lOIndividuen der merkwurdigen Geissel-
skorpione oder Tarantelskorpione (Phrynus
lunatus); namentlich vier Exemplare sind von be-
8onders krftftiger Entwicklung.
Beriihren wir noch die Abteilung der niedersten
Klassen des Tierreichs. Uber ihre Vermehrung, die
eine sehr sparliche gewesen, konnen wir uns kurz fassen.
Angekauft wurden nur drei Praparate: Anatomie der
Weinbergschnecke (Helix pomatia), des medi-
zinischen Blutegels (Hirudo medicinalis) und
ein vollstandiges Exemplar des unbewaffneten oder
feisten Bandwurms (Taenia saginata, friiher auch
mediocanellata genannt). Er ist dem gemeinen Band-
wurm (TaBnia solium) in seinem Aussern sehr ahnlich,
wurde friiher auch oft mit ihm verwechselt, unterscheidet
sich aber von ersterem dadurch, dass er unbewaffnet ist,
mit andern Worten, es fehlt ihm der Hakenkranz des-
selben, dafur tragt aber T. saginata vier sehr entwickelte
Saugn&pfe, womit er in bezug auf das Festhalten an der
Magenwand seinem Ver wand ten nichts nach gibt. Die
Finne des hakenlosen Bandwurms lebt vornehmlich im
Muskelfleisch, in Herz und Gehirn der Wiederk&uer, im
Schaf und in der Ziege und namentlich im Bind.
Gerne nahmen wir fur die z. T. noch mangelhaft
bestellte Abteilung der Mollusken und Echinoder-
mata mehrere Geschenke des Herrn Dr. Max Tobler,
aus dem Golf von Neapel, entgegen, desgleichen zahl-
reiche Muscheln und Schnecken aus dem Nachlasse des
Herrn Kaufmann Beutter-Beutter.
Bei Anlass des Farbungsexperimentes im Samtiser-
see (Dezember 1902) zum Zwecke der Eruierung seines
Abflusses fanden wir an Stamm und JLsten einer wahr-
scheinlich vod oben gestiirzten Fichte, sowie an den ver-
witterten Gaultfelsen vor dem Abflussloch eine Menge
von Susswasserschwammen, welche gleich gelb-
braunen Teppichen und Polstern Gestein und Binde iiber-
zogen. Mancherorts hoben sich fbrmliche Aste finger-
artig von der iibrigen Schwammmasse ab. Diese war
vollig durchspickt von den GemmulaB, d. h. den Dauer-
keimen oder Keimkapseln, aus denen sich auf ungeschlecht-
lichem Wege im Fruhjahr neue Schwammindividuen und
Kolonien bilden. Unser Fund hat speziell wegen seiner
relativ hohen Lage (1206 m il. AD einen gewissen Wert.
Schon langst bedurfte die Abteilung der Stachel-
hauter (Echinodermata). sowie diejenige der Coelenteraten
(Korallen und Schwamme) einer grtindlichen Bevision
und Bearbeitung auch mit Bezug auf die ausgestellten
Objekte. Erstere Gruppe liegt bereits fix und fertig da,
die Korallen, von denen ein Toil auf schwarzen Unter-
grund plaziert wrird, diirften schon im nachsten Monate
dem Beschauer ein neues Bild darbieten.
Die iiblicheEinteilung im Berichte innehaltend, folgen
151
nan die Geschenke und Anschaffungen auf botanisohem
Oebiete. Es lag auch hier im Interesse der praktischen
Ausgestaltung unserer Sammlungen, wenn wir von einem
sehr billigen Angebote, bestehend in einer Anzahl wich-
tigster Nutz- bezw. Kolonialpflanzen Gebrauch ge-
tnacht haben. Samtliche Belege, namentlich Friichte, sind
in entsprechender "Weise prapariert und in Alkohol auf-
bewahrt. Folgendes sind fur die Erstellung einer der-
artigen Spezialkollektion die era ten Typen, welche jetzt
sozusagen in den meisten tropischen Gegenden, die
Eolonialbesitz sind, kultiviert werden, namentlich auf
afrikanischem Boden:
a) Knollen- und Z wiebelgewachse: Arrow-
root (von Tacca pinnatifida stammend), enthalten
ein geschatztes Starkemehl; Batate (Ipomoea Ba-
tatas), ebenfalls starkefuhrend, die Knollen werden
ahnlich wie unsere Kartoflfeln gekocht, gerostet oder
anderweitig als Speise zubereitet.
b) Essfriichte, die z. T. in rohem Zustande gleich
dem Obst gegessen werden: Granatapfel (Punica
granatum); indische Feige (Opuntia ficu9
indica); Banane (Musa spec), Anone (Anona
cherimolia); Adamsapfel, Pompelmus (Citrus
decumana), eine der grossten Orangenfruchte.
c) Gerausepflanzen: Eierfrucht (Solanum
melongena), helle und dunkle Varietat.
d) Genussmittel: Strauch einer Kaffeeart
(Coffea spec), Kakaoschote (Theobroma Oa-
cao), mit Sichtbarmachung der in der Schote liegenden
Samen; Kola- oder Gurunusse werden von den
Eingebornen gekaut, heute aber auch zu allerlei nerven-
8tiraulierenden Praparaten beniitzt (Kola-Schokolade,
152
Kola-Liqueur, Kola-Pastillen etc.). Die Kolaniisse exit-
halten mehr Thein als die beste Sorte Kaffee (das
Alkaloid ist chemisch frei!); zudem besitzen sie einen
reichen Gehalt an Starke; Garcinienfrucht (Gar-
cinia mangostana), bittere oder mannliche Kola-
nuss, gehort aber zur Familie der Clusiaceen. Die
Frucht enthalt kein Coffein, wird aber von den Ein-
gebornen zum gleichen Zwecke verwendet wie die
echte, auch als rote oder weibliche Kolanuss bezeichnete
(Cola acuminata); Flaschenkiirbis, Kalebasse
(Lagenaria vulgaris), eine Cucurbitacee, welche
zwar weniger als Speisezusatz, als in ihren hohlen
Fruchtgehausen zur Herstellung von Flaschen und ahn-
lichen Gefassen gebraucht wird.
e) Gewiirze: Vanille (Vanilla planifolia),
Bliitenzweig. Verwendung finden als beliebtes Gewiirz
die halbreifen, getrockneten, vanillinhaltigen, aromati-
schen Friichte; Spanischer Pfeffer: Frtichte der
verschiedenen Arten und Varietaten (Capsicum
longum var. luteum, pile-pile), C. frutescens,
C. sphaBricum var. luteum, C. pyramidale).
f) 01- und fettliefernde Pflanzen: Ei-
cinus (Ricinus africanus); Palmkerne; die
harten und schwarzen Samen, welche nach dem Aus-
pressen des Fruchtfleisches der Olpalmen frucht
(Elaeis guineensis) zuriickbleiben, besitzen im
Nahrgewebe das bekannte und geschatzte Ol.
Neben den genannten Ankaufen verweisen wir noch
auf ein sehr grosses Exemplar der unechten Rose
von Jericho (Anastatica hierochuntica), jene
xerophytische Crucifere, welche dank ihrer der Trocken-
heit angepassten Organisation langere Zeit hindurch ohne
163
asserzufuhr zu existieren vermag, zur Regenzeit aber
3 vegetativen, stark holzigen Sprosse weit ausbreitet,
ch die Friichte offhet usw. und bekanntlich zu allerlei
)erglauben Veranlassung gegeben und heute noch gibt.
e wahre „Rose von Jericho" ist nach Michon und
hweinfurth ganz sicher eine Komposite (Odontospermum
steriscus] pygmseum), gehort aber wie die unechte zu
n durch Winde vom Wustenboden oft losgerissenen
d eine Zeitlang umhertreibenden ^Steppenlaufern". Sie
9itzt ebenfalls xerophytische Struktur.
Besuchen wir heutzutage irgend eines der grossern
lseen oder auch ein solches kleineren Umfanges, so ge-
thren wir rasch, dass neben den rein systematischen
minlungen die Objekte vielfach nach biologischen
inzipien angeordnet und prapariert sind. Man bezweckt
mit die Wiedergabe der Natur, ihre getreue Darstellung
Kleinen. Sie wissen, dass auch das st. gallische
lseura in den letzten Jahren begonnen, dem Zuge der
it und der Wissenschaft und ihren Fortschritten Reeli-
ng zu tragen. Es ist mit der Tierwelt begonnen worden ;
r mussen dort noch weiter bauen. Da nun ahnliche
>logische Darstellungen narnentlich furs Pflanzenreich
ierorts bereits existieren und leicht erworben werden
anen, haben wir von dem bekannten Biologischen In-
tut von Karl F. Kafka in Wien ftir den Anfang ein
bleau bestellt, welches speziell die Verbreitungs-
srlistungen der Samen und Friichte in leben-
jster Weise vorfiihrt. Die Sendung ist leider noch nicht
igetroffen, da die Zusammenstellung viel Zeit erfordert;
bspricht sie aber der bildlichen Darstellung, die uns
rliegt, dann dlirfen wir sicher sein, dass sie beim
blikum und bei alien Interessenten lebhaften Anklang
154
find en wird, und diirfte erne weitere Erwerbung anderer,
sehr interessanter Kollektionen nicht ausbleiben.
Recht gelegen kamen uns auch folgende Zueignnngen:
Mancherlei Friichte, wie z. B. solche des Johannisbrot-
bauins (Ceratonia siliqua), Zimmetrinde, Farbholzer, See-
ball. Donatoren : Die Hinterbliebenen des Hrn. Kaufmann
Beutter-Beutter; ferner Farbholzer, Calebassen, Tee-
sorte von Herrn Allgauer, dahier; Stammstiick der
der Yucca oder Dracaena verwandten Nolina (No-
lina recurvata); ein Prachtsttick von Herrn Gartnerei-
besitzer Kessler-Steiger; Frucht des Fetisch-
baiimes (Kigelia africana), welche den Ein-
gebornen fur viele aberglaubisehe Zwecke, z. B. zur An-
rufung des Fetisch, ausserdem zur Heilung von Krank-
heiten dient (das Exemplar des Herrn Dr. Vinassa ist
eines der grossten: Lange \» m, Breite V« dm); Torf-
proben, insbesondere Praparat als Watte gebraucht:
Donator Herr Reallehrer Sckmid; besonders stark ent-
wickelte Friichte von Lonicera periclymenum (um-
scblingendes Geissblatt), von Uetwilen bei Altenklingen
(Thurgau), geschenkt von Hrn. Kaufmann Wild-Bernet.
St. Gallen. Endlich diirfen wir nicht vergessen eine sehr
ansehnliche Kollektion von Kautschukpr¶ten
und diversen Qualitaten des zur Versendung gelangenden
Produktes, alle aus der Faktorei des Herrn Severin
Engeler kommend. Es sind dies: Kautschukmilch (Roh-
produkt), Caucho en planche ( mindeste Qualitftt); Seruamby
Caucho (7 Ballon). Geinme fiue (la. Qualitat), 2 Beutel
feinster Sorte. sowie ein Kautschuktaschchen mit Modell-
druck. — Zum Schlusse bertihren wir noch die Her-
b a r i e n , d. h. das allgemeine und das kantonale. Beide
weisen auch dieses Jahr erfreuliche Fortschritte auf durch
155
>schenke der Herren Prof. Dr. Schroter in Ztirich
n Paket Phanerogamen und Kryptogamen, z. T. Selten-
iten aus der Schweiz, von Ungarn, Siidfrankreich etc.),
of. Dr. Vogler, Eeallehrer H. Sohmid, F. Ikl6 in
>rschach und Reallehramtskandidat Baumgartner.
e Beitrage der genannten geschatzten Donatoren be-
*hen sich vomehmlich auf jene Adventivflora, welche
rch Transportmittel in unsern Gegenden voriibergehend
er dauernd Fuss gefasst.
Einer allerliebsten Erscheinung sei hier noch besondere
ifmerksamkeit gewidmet, da sie gewiss zu den grftssten
iritaten zu zahlen ist. Herr Vorsteher J. Brassel
erreichte dem Museum ein von einer seiner Schfilerinnen
fundenes Gansebltimchen oder Massliebchen (Bellis
•rennis) mit merkwiirdigen Bildungsabweichungen, ein
mlogon zu jener Monstruositat, welche Pfr. Zollikofer sel.
1 13. August 1863 zwischen Vason und Monte Luna an
ler kahlen, trockenen Stelle entdeckte (siehe Wartmann
d Schlatter: „Kritische tJbersicht der Gefasspflanzen",
g. 203). Bei unserer Abnormitat zeigt auch der Stengel
le stark au9gepragte Fasciation, d. h. derselbe ist in
ner Bichtung seines Querschnittes bedeutend ver-
ossert, bandformig abgeplattet. Das In teressan teste ist
n aber in der Bliite zu treffen. Voin Rande der Hiill-
lchblatter des den Stengel abschliessenden Bliiten-
rbchens entspringen mehr denn 50 zwei bis drei Centi-
*ter lange Bliitenstiele, deren jedem ein verkleinertes
issliebchen aufsitzt. Das Ganze ist natiirlich echt,
inerlei Mystifikation, und da diese hiibsche Diaphysis
er Durchsprossung in unserm Jahrbuche eingehender
schrieben wird, konnen wir hier von weitern Erlaute-
ngen absehen.
156
Mit besonderer Freude gehen wir fiber zur Besprechung
der Weiterentwicklung der mineralogischen bezw. petro-
graphisch-geologisch-palaontologischen Samm-
lung, namentlich derjenigen, welche die Belegstiicke fitr
die Vertreter der Schweiz und im speziellen der Kantone
St. Gallen und Appenzell in sich fasst. Unter den An-
kaufen fur die zuletzt genannte Spezialabteilung figurieren
diverse sehr grosse Gruppen von Kalkspatrhomboedern
aus der Hohle bei Kobelwies (Oberriet) im RheintaL
Dieselbe ist seit zwei Jahren von unserm tiichtigen
und findigen Mineralsammler, Herrn Otto Koberli in
St. Gallen, grundlich durchsucht worden. Wir hatten Ge-
legenheit, ihn bei seinen ausserst sorgfaltigen Arbeiten
personlich zu begleiten, indem wir zu wissenschaftlichen
Unter9uchungen und Messungen einen vollen Tag in den
betreffenden unterirdischen Raumen weilten. Die in unserm
Museum langst vorhandenen Belegstiicke waren bis dato
alle nur Schlagforinen, durch den Hammer erzeugt Nun
sincl wir aber im Besitze einer Unmenge von echten
Krystallformen mit idealen Rhomboedern und deren Kom-
binationen, wie sie zum Teil mit Bezug auf die Grosse
der Flachen neu fur die Schweiz gelten miissen. Wir
verweisen auf eine von uns zur Publikation gelangende
Abhandlung uber „die Hohlen der Kantone St. Gallen und
Appenzell".
Im weitern haben wir eine neue Entdeckung Herrn
Koberli zuzuscbreiben; wir meinen den wasserhellen
Flussspat in Kalkstein von Montlingen (Rheintal). Der
Fund von winzigen Flussspatwiirfelchen liess uns sofort
auf das Vorhandensein grosserer Stiicke schliessen; bis
heute liegen uns solche von 1'% — 8/* cm Breite vor.
Langst bekannt sind die prachtvollen gelbbraunen,
157
m einer dunnen Schicht Eisenoxydhydrat liberzogenen
alkspatskalenoSder vom „Riisliu, Wolfjos, oberhalb Vattis
i Taminatal. Auf unsere Initiative hin hat Herr Be-
rkslehrer F. W. Sprecher von Vattis, der bekannte
pinist, einen Teil seiner Prachtsammlung schenkweise
m Museum abgetreten. Sie nimmt eine dominierende
ellung unter den Mineralien unserer engern Heimat
a. Neuerdings machte Herr Lehrer Graf in Vattis
jenem „Rusliu ein wahres Kabinettstlick ausfindig,
)lches der Grosse der Kristalle wegen fur die Spezial-
llektion rasch erworben werden musste.
Zahlreiche Schulsammlungen unserer nachstliegenden
sgenden besitzen kleinere und grossere Gruppen von
•tin em Flussspat, welcher samtlich der nur mit
ossein Anstrengungen und nicht ohne Lebensgefahr
g&nglichen Hohle in der „Diirr-Schrennenu, westwarts
•m „Aescheru im Santisgebiet, entstammt. (Nicht zu
rwechseln mit der allbekannten Hohle vom Wildkirch-
n zur Ebenalp.) Herr Koberli hat sich diese wie noch
inche andere Lokalitaten zu seinem speziellen Arbeits-
de auserkoren und verfehlten wir nicht, auch jene
mdstatte genauer anzusehen. Dank der minutiosen
)bauweise des Herrn Koberli stehen heute u. a. drei
rrliche Gruppen von Flussspat, wie sie bis jetzt kein
deres Museum von diesern Orte her sein eigen nennt,
der Lokalsammlung. Der Kristallform nach sind es
lellose Wurfel bis zu mehreren Zentimeter Breite, in
rschieden grlinen Farben. Desgleichen sitzen einem
r Stiicke eine Menge weisser Kalkspatskalenoeder, ebenso
iakt erhalten, auf und an einigen kleinern Reprasen-
lten werden die Kan ten des Hexaeders durch Rhomben-
dekaederflachen (ooO) abgestumpft. Die Naturwissen-
168
schaftliche Gesellschaft St. Gallen kaufte die be-
treffenden Flussspat, welche um keinen Preis in andere
Hande wandern durften, sofort an and schenkte sie dem
Museum. Als uns letztes Jahr die Mitteilung von inter*
essanten Funden des tiefvioletten Flussspates,
ebenfalls aus dem Santisgebiet kommend (Finder: Herr
Bommer, Beobachter der raeteorologischen Station auf
dem Santis), gemacht wurde, blieben unsere eifrigen Be-
miihungen zum Ankaufe solcher leider ohne Erfolg;
iibrigens waren die schonsten Stiicke bereits fur das
Polytechnikum in Ziirich vergeben.
Um80 freudiger nahmen wir dann die Geschenke der
Herren Dr. med. Richard Zollikofer und Studiosus
Eugen Stadler (Vllg) in hier zur Hand, denen es
gelungen, von Frl. Bommer eine Anzahl der violetten
Flussspate, wenn auch solche von kleinern Dimensionen
und nur zum Teil in der Hexaederform, zu erhalten. Wir
haben aber alle Hoffnung, dass durch die eben in Szene
gesetzten Recherchen unseres findigen Herrn Koberli uns
der Erwerb grosser, unverletzter Exemplare in Balde ge-
lingen diirfte. Herr Koberli, dem wir eine Schenkung
grosser, init viel Mtihe, Zeitverlust und Kostenaufwand
selbst abgebauter Mineralstucke nieht zumuten diirfen,
bekundote abor sein voiles Interesse fur die Aufnung
einheimischer Objekte durch zahlreiche Schenkungen
kleinerer Exemplare, die wir nattirlich gerade so gern
unsern Kollektionen einverleiben wie Kabinettstilcke.
Folgendes sind seine dem Museum zugeeigneten Funde:
Sechs Kalksinterbildungen (nebst Auflagerung von
sogenannter ^Montmilch") aus dem „Ziegerlochtf auf
Altenalp (im Santisgebiet), ebenfalls neu fur uns! Das
Volk heisst jenen Bergmilchuberzug „Bergziegeru und
159
rwendet denselben in besonderen Fallen gegen Magon-
schwerden (!).
Schweizerische Minerale, d. h. solche von ausser-
ntonalen Fundorten wurden nachstehende angekauft:
eiglanz mit Quarz, Lotschental (Wallis); Magnetit
sehr kleinen Kristallen (0), schwarz, mit glasglanzender
>erflache, von Vals (Btinden); Eisenspat, braun, (R),
x (Wallis); Scepterquarz, Val Strim (Btinden);
nethyst (P), schwachviolett, Val Strim, selten; Qruppe
n Bergkristall (oo P.P), wasserhell, Btinden; Berg-
istall (ooP.P), mit Chloriteinschluss, kristallo-
iphisch geordnet, Btinden; Bergkristallgruppe,
Bonderlich turmartig gelagerte Kristalle (oo P . P), tiber-
2jen mit einer leichten Schicht von Eisenoxydhydrat,
bst schillernden Anlauffarben (Pseudocitrin), Biinden.
tztere drei sind Prachtstticke. Weiter verdienen Er-
hnung: Marmor mit Bleiglanz und Calcit-
istallen von Buccarischuna (Btinden), Lokalitat des
lien Schweizerminerals Fuchsit; Andalusit, rotlich,
n Davos (neu!); Sphen, braun, vom Bristenstock
>u!); Anatas und Brookit vom Piz Aul (Btinden);
ttinolith, dunkelgrtin, strahlig, Visp (Wallis); Ser-
ntin im Ubergang nach Asbest, Buccarischuna. Von
)sser Wichtigkeit sind die Anschaffungen selten schoner
aur olithe (oo P . oo P oo . P oo. o P, nebst Durch-
juzungszwillingen nach 3/2 P oo) vom Pizzo Forno im
sain.
Kurze Zeit nach dem Tode unseres Herrn Direktor
. Wartmann uberreichte uns Herr Dr. Eugen Vi-
ssa, Kantonschemiker in Lugano, in generosester Weise
s finanziellen Mittel zum Ankauf speziell typischer,
iSner Schweizerminerale, als Andenken an den lieben
160
Heimgegangenen. Wir glauben, im Sinne des giitigen
Gebers gehandelt zu haben, wenu wir den genannten
Betrag zur Erwerbung zweier extra grosser Paragon it-
schieferplatten vora Pizzo Forno verwendeten. Das
eidgenossische Polytechnikum hat 8. Z. rasch das Auge
auf jene Lokalitat geworfen, umsomehr als in dem be-
trefFenden Gesteiu aussergewohnlich stattliche Cyanithe
(Di9then) und Staurolithe sich vorfinden. Die Kristall-
formen der angekauften Cyanithe sind: oo P oo . oo P'.
oo P 06 . oo' P . o P, diejenigen der Staurolithe: oo P.
oo P oo. P oo. o P, und Zwillinge nach 8/» P 35.
Von Herrn Koberli nennen wir nachfolgende Ge-
schenke: Diverse Stiicke Marin or, weiss, von Buccari-
schuna; Glimmerschiefer mit Pyrit aus dem Simplon-
tunnel; Epidot mit Granat, vom Frunthorn, dunkel-
grauer Gyps mit Schwefel (derb), von Krattighalden,
am siidlichen Ufer des Thunersees, drehspanfbrmiger, rot-
brauner Eisenspat in einer Calcitdruse aus dem Haupt-
rogenstein von Muttenz.
Mit Bezug auf die AnschafFung nichtschweizerischer
Minorale halten wir an dem Grundsatze fest, dass vorder-
hand nur cliarakteristische Formen, Kabinettstiicke oder
praktisch wichtige Vertreter erworben werden solleDi
AVichtiger als der Kauf seltener Minerale ist fiir uns in
nachster Zoit die Erstellung einor Spezialreihe von
nutzbaren Gesteinen und Objekten aus der Mineral-
welt. Gekauft warden im Berichtsjahre: eine stattliche
Flussspatdruse, violettblau, mit grossen Wtirfeln
(x- U x.. mit Bloiglanz und weissem Quarz? aus
Cumberland (England); Natrolith, weiss, vom Hohen-
twiel, ein sehr seltenes grosseres Stiick, welches der Be-
richterstatter wahrend seiner Untersuchungen im Hegau
161
auftreiben konnte; vier grosse Markasite, in toils
kugeliger, teils stalaktischer Ausbildung, pr&chtig seiden-
glanzend, mit irisierenden Anlauffarben, Fundort: Schau-
insland bei Freiburg i. B.; Gruppe mit enormen Pyrit-
oktaedern und mehrere einzelne Oktaeder von Schwefel-
m O 2
kies, ebenso ein Stiick mit der Kombination 0 -| ~ — >
von Traversella (Italien).
Der mineralogisch-geologischen Sammlung ist dieses
Jahr besonderes Heil widerfahren durch eine sebr an-
sehnliche Zabl freiwilliger, geschenkweiser Beitrage. Es
ist eine wahre Freude, hierdber referieren zu durfen.
Viel brauchbares Material lieferte die uns von den
Erben des Herrn Kaufmann Beutter-Beuter sel. xiber-
lassene Privatsammlung des Verblichenen. Gerade fur
die Erstellung von Separatkollektionen ist auch Material
ohne direkte Angabe der.Fundorte sehr willkommen. Von
den verschiedenen fremden Besuchem des Museums hat
u. a. Herr Pfarrer Winkler aus Bladiau (Ostpreussen)
in verdankenswertester Weise namhafte Beitrage fur
unsere ausserst mangelhaft bestellte Gruppe des Bern-
steins geliefert. So uberbrachte er ftinf Stiick dieses
„Ge8teinsu pflanzlichen Ursprungs, welche im Handel als
„klara bezeichnet werden, vollig durchsichtig und ge-
schliffen, mit diversen Inklusen von Insekten ; ein weiterer
Beleg, ungeschlifFen, ist zum Teil vollig hell, zum Teil
von weissen „Wolkenu durchsetzt, zwei kleinere Exem-
plare stellen triibe, tropfenartige Gebilde dar. In letzter
Stunde empfingen wir vom namlichen Donator noch eine
ganze Serie der verschiedensten Bernsteinsorten, nebst
einem „wolkigen Bastardu, durchschnitten, die Teilstiicke
einseitig geschliffen. Als willkommenes Pendant stiftete
162
sodann Herr Prof. Gustav We r der in hier mehrere
ansebniicbe Stiicke der Bernstein fiihrenden, glaukoniti-
8chen „Blauerde* aus dem Tertiftr des kgl. Bernstein-
werkes zu Palmnicken in Samland (Ostpreussen). Der
sogen. Seebernstein, welcber teils bei Wasserfluten aui
dem Boden berausgewascben und dann zusammengeitten,
teils aus Wasserpflanzen, in welchen er bangen geblieben,
oder mit der Schaufel aus dem Meeresboden ausgegraben,
gewonnen wurde, vermochte keine hfthere Rendite ab-
zuwerfen. Im Jahre 1836 begann dann die oberirdische
Graberei im Untergrunde des Samlandes, d. h. in der
dem Tertiar angeborigen „Blauerdea, die gewohnlich von
den Schichten des jfingern Tertiars (u. a. der Braun-
koblenformation) und vom Diluvium bedeckt ist. Die
Firma Stantien & Becker, welche 1870 bei Palmnicken
einen grossen Tagebau anlegte, versucbte spater mit
grosstem Erfolge den unterirdischen Bergbau. Seit 1899
hat die preussische Regierung dieses grosste Bernstein-
werk ubernommen.
Ausser Herrn Kaufmann Scbeitlin-Scherrer in
bier, von welcbem wir ein aus Sizilien kommendes grosseres
Schwefelstuck bekamen, verdanken wir namentlich
Herrn Fabrikant Fog, bezw. dessen Sobn, einem Scbiiler
unserer Kantonsscbule, eine Reibe prachtvoller Sch wefel-
gruppen, samtlicbe aus der friiher Herrn Fog geb5renden
Schwefelgrube in Caltanisetta (Sizilien).
Besonderes Interesse haben neben mehreren Stiicken
ideal ausgebildeter Kristallformen (P . 1/s P . P oo . o P)
zwei Exemplare mit etagenfbrmig angeordneten Tafeln
(P . o P). Ibr Kern bestebt aus Scbwefel ; denselben um-
gibt oben und unten je eine Scbicbt cbalcedonartiger
Quarz. Auf denselben folgt eine Lage bl&ulichgrauen
168
Cal cites, und diesem endlich sitzen kleinere, aber sehr
gut ausgebildete Kristalle von der Formel (P . */s P . o P)
auf. Die iibrigen Schwefelstiicke, teils kristallisiert, teils
derb, sind teilweise mit r5tlichbrauDem Calcit (B 3) iiber-
zogeD. Der gleichen Sendung fiigte Herr Fog mehrere
Kalkspatstficke bei, auf welchen der Calcit in spitzen
Rhomboedern kugelig gehauft ist. Einen der wertvollsten
Belege bildet ein Spatgyps von tadelloser Reinheit
(2 cm Dicke); demselben eingelagert finden wir wiederum
Schwefel in nichtkristallisierter Form.
In die petrographische Sammlung sind gewandert:
Ftinf Lavastiicke vom Monte Rossi (Atna), gesammelt
und gescbenkt von Hrn. Kaufmann Scheitlin-Scherrer;
Wustensand, rotlich, aus Nordafrika, Donator: Ost-
echweiz. geographiscb-kommerzielle Gesell-
scbaft; Gaultkalk, mit VerwitterungslSchern, ent-
standen zum Teil durch Verwandlung von Schwefelkies
(Pyrit) in Brauneisenstein (Limonit), vom Sambtisersee,
Felswand beim Abfluss ins Rheintal (leg. E. Bachler);
drei Typen Glimmerschiefer aus dem Tessin, nord-
lich von Boleggio, zwischen Giornico und Biasca, Donator:
Herr Dr. E. Vinassa, Lugano.
Einer unserer bald zu realisierenden Hauptplane be-
steht seit langerem in der Erstellung einer kompletten
Sammlung der Gesteine aus unsern Kantonen St. Gallon
und Appenzell und im weitern jener der Schweiz. Fxir
eretere ist bereits ein Anfang gemacht. Der Bericht-
erstatter sammelt wahrend seiner Arbeiten im Calfeis
speziell sftmtliche Vertreter der Gesteinsgruppen jener
Gegend ; die Curfirsten sind mit einer kleinen Serie solcher
von Herrn Lehrer Ludwig geschlagener Spezies ver-
treten ; dagegen fehlt eine nur einigermassen gentigende
164
B&ihe der verscbiedenen Santiskalke und der eocanen
Bildungen.
Viele wertvolle Materialien, Belege fur die Landes-
kunde, verdankt das st. gallische Museum Herrn Prof.
Dr. J. Fruh, Geologe in Zurich. Im Berichtsjahr er-
hielten wir von ihm ein Flyschkalkstfick (Flysch-
kalksandstein), fein geschliffen durch gletscherschlamru-
fuhrendes Hochwasser, vom linken Ufer der Tamina
zwischen den Thermen von Pfafers und dem Wasserfall.
Herr Bildhauer Conti im Feldli (StGallen) besass
seit langerer Zeit einen prachtvollen erratischen Block,
den er seiner roten und weissen Farbe wegen extra ge-
schliffen und poliert hatte. Der Stein wurde von ihm
selbst ausgehoben nahe der untern Krazernbriicke bei
Bruggen. Die genaue Analyse ergab, dass das Gestein
ein roter Serpentin mit vielen weissen Calcit-
adern aus dem Savogniu, Val Nandro im Oberhalbstein
(Blinden) ist. Kenner haben uns zu dieser Acquisition
besonders gratuliert, da dieses Erratikum unter jenen
des Rheingletschers speziell im ostwestlichen Arm (Bror-
schach-St. Gallen-Elgg) zu den Raritaten gehort und semen
Heimatschein so recht deutlich auf dem Eiicken tragt
Beilaufig moge bemerkt sein, dass solch roter, weiss ge-
streifter und gesprenkelter Serpentin das Fundament
bezw. den Sockel des Monumentalbrunnens in Chur bildet
Herr Conti, welcher sich rasch dazu bestimmen liess, mit
dieser Seltenheit dem Museum ein Geschenk zu machen,
hat sich durch letzteres entschieden ein Verdienst er-
worben; iibrigens war ihm von einem Naturforscher be-
reits eine namhafte Summe fiir das Erratikum angeboten
worden. — Der gleiche Donator dedizierte im fernern:
ein klieneres Kalkstiick mit weissgelber und schwarzer
165
Farbe (Rheintal), sowie geschliffenen Korallenkalk von
Vattis (Malmkluse bei St. Peter).
Wir freuen uns auch, dass gerade unter den Schtilern
der Kantonsschule solche da sind, die den Wert des
eigenen Sammelns fxirs Museum zu sch&tzen wissen. So
hat beispielsweise Stud. Paul Vonwiller (Sohn von
Herrn Direktor Dr. med. Vonwiller) mit dem ihm eigenen
Eifer aus der Uingegend von St. Gallen insbesondere
Erratica und Nagelfluhverschiebungen zusammen-
getragen. Die formliche Ausstellung einheimischer Test-
objekte aus der Geologie der Heimat wiirde entschieden
noch manche jiingere Beflissene der Naturgeschichte zu
weiterer Tfttigkeit anspornen.
Rege Unterstutzung erfahren wir seit mehr denn
einem Jahre durch Hrn. Direktor Z oil ikofer, Ingenieur
der Gas- und Wasserwerke in St. Gallen, welcher uns je-
weilen mit Hrn. Ingenieur Moser samtliche wichtigeren
Funde bei den Erdarbeiten fur die Bauten der Gaswerk-
und Gasleitungsanlagen ubermittelt. Wir melden hier u. a.:
Grosse, ftusserst demonstrative Erosionsgebilde aus
Molassesandstein (St. Gallen), erratisches Karrengebilde
(peue Wasserleitung bei Morschwil). tJber einen im Rietle
(Graben fiir das Ableitungswasser) gemachten Fund von
diversen Tierknochen werden wir im nachsten Berichte
referieren.
Von Herrn Otto Koberli gingen uns ein: Wichtige
Belege ftlr die interessanten Formverftnderungen
an Nagelfluhgerollen unserer dislozierten Molasse von
St. Gallen und Umgebung (Gerolle mit Eindriicken anderer
Gerdlle, Rutschstreifen, Quetschungen, Rutschspiegel etc.,
(cfr. Frilh, ^Beitrftge zur Kenntnis der Nagelfluh der
Schweiza, gekrdnte Preisschrift). Die sch5nsten Beispiele
166
typischer Verschiebungen, Seltenheiten, welche Herr
Koberli unserm Museum kauflich abzutreten gesonnen ist,
sollten so rasch wie moglich annexiert werden. — Cha-
rakteristische Flussgerolle, d.h. vom Wasser bearbeitete
Gesteine, mit runder und z. T. bizarrer Gestalt (sogen.
„Naturspiele") sind geschenkt worden von den Herren
Heinz e, Mechanikus, Koberli in St Gallon, Hotelier
Kaiser zum „ Anker" und F. IklA in Rorschach, sowie
von Ihrem Berichterstatter.
Bekanntlich haben sich die Herren Reallehrer Falkner
und Lehrer Ludwig das Spezialstudium der geologischen
Verhaltnisse der Stadt St. Gallen und ihrer nahern Um-
gebung zur Aufgabe gemacht (siehe Arbeit im vorj&hrigen
Jahrbuche der naturwissenschaftlichen Gesellschaft). Will-
kommener hatte uns kaum eine Gabe kommen k5nnen,
als diejenige des Herrn Falkner, welcher schon dieses
Jahr einen sehr reichhaltigen Toil seiner Privatsammlung
der ito Gebiete gefundenen Testobjekte von Gesteinsarten
und Petrefakten (liber 500 Stuck) dem Museum dedizierte,
und wir freuen uns seiner uns gegebenen Versicherung,
mit der Zeit alles wichtige Material abzutreten. Leider
fehlt jeglicher Raum, um dem Publikum gerade diejenigen
Belege auszustellen, welche ihm das Zunachstliegende
demonstrieren sollen.
Indem wir noch aufein exquisites Calamitenstamm-
stiick aus der Kohle von Saarbriicken hinweisen, eine
Schenkung von Herrn Direktor Zollikofer vom Gas-
und Wasserwerk, gedenken wir zum Schlusse einer freund-
lichen Gabe der Direktion des „Gletschergartenu
in Luzern. Auf unsern Wunsch, sie mochte uns far
die geologische Sam m lung einige Photographien und bild-
liche Darstellungen des Phanomens der Gletschermiihlen
167
ubermachen, erfolgte die Gratiszusendung der gelungensten
grossen Photographien und Bilder.
Jedes Jahr verzeichnet auch unsere Handbibliothek
einen nicht geringen Zuwacbs an Werken spezielleren
Charakters, welche uns die Vergleichung bezw. auch die
Determination von Naturkorpern ermoglicht. Wiewohl
noch manche recht empfindliche Lucken auszufullen sind,
miissen wir die Kosten fiir fernere Anschafiungen auf
die einzelnen Jabre verteilen und sollen wir darauf be-
dacht sein, uns vor allem die wichtigsten Nachschlage-
werke fiir Zoologie, Botanik, Mineralogie und ibre ver-
wandten Schwesterwissenschaften anzueignen. Der beutige
Bericbt meldet Ibnen nun die Erwerbung der pracbtigen
Jubilaumsausgabe des grossen Werkes von Naumann:
„Naturgeschichte der Vogel Mitteleuropasu, in
zwolf B&nden erscbeinend, von denen bis heute deren
elf herausgegeben sind. Es ist nach Text und Bildern
gleicb vorziiglicb und als vollstandigstes Literatur- und
Stoff-Nachschlagewerk absolut unentbehrlich.
Sodann diirfen wir eine sehr generose Schenkung
nicht iibergeben. Die Hinterbliebenen von Herrn
Direktor Dr. Wartmann haben aus dessen Nachlass uber
300 Nummern von Biichern, Separatpublikationen, Zeit-
schriften der Handbibliothek des naturhistorischen Mu-
seums uberlassen. Es ist durchaus am Platze, wenn wir
auch an dieserS telle die wertvolle Gabe nochmals warmstens
verdanken.
Im ferneren notieren wir bier noch eine Verfiigung
der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft StGallen. Diese
hat nftmlich eine von den Herren Taschler in St. Fiden
erstellte, sehr getreue Photographie unsers lieben
Herrn Direktor Dr. Wartmann in vergrossertem Massstabe
168
als Kreidezeichntmg ubertragen und mit entsprechender
Goldrahme versehen lassen. Der Wunsch der Kommission
ging nun dahin, das sehr gelungene Bildnis mochte im
Arbeitszimmer des Heimgegangenen, im naturhistorischen
Museum, aufbewahrt werden, wobei sich die Gesellschaft
da9 Recht des Eigentums des Portrats natiirlicherweise
vorbehalt.
Mit voller Befriedigung schauen wir zuriick auf das
verflossene Berichtsjahr ; es steht seinen Vorg&ngem eben-
burtig zur Seite. Moge ein guter Stern leuchten auch
fernerhin iiber einer Institution, welche dazu beitragt,
den Sinn fur Gottes schone Natur zu heben und das
Geratit zu bereichern im Anblicke ihrer mannigfaltigen
Werke !
Die botanischen Afllagen im stadtischen Park hatten
9ich im Berichtsjahre eines recht lebhaften Interesses von
Seite der Besucher zu erfreuen. — Das botanische System
hat, gestiitzt auf den Beschluss der Parkkom mission,
mehrere Veranderungen erfahren. So wurden in erster
Linie samtliche Kiichengewachse entfernt und eine
Anzahl anderer, sonst dem System zugeteilte Gattungen
und Arten eliminiert, wodurch eine Gartenabteilung dem
Stadtgartner, Herrn Walz, zur Verfugung gestellt werden
konnte, behufs Darstellung mehrerer abgerundeter Gruppen
von Grasern, Primeln, Liliaceen etc. Der Zustand der
librigen, rein s}rstematischen Abteilung gestaltete sich zu
einem befriedigenden, da einerseits die giinstige Witterung
des Vorsomraers eine friihzeitige Anpflanzung erlaubte,
anderseits der mit den Arbeiten in System und Alpinum
betraute Gartner, Herr Habegger, mit vollstem Eifer und
viel Liebe seine Schutzbefohlenen gepflegt hat. Recht
hiibsch prasentierte sich innerhalb des Systems jene von
169
rrn Stadtgartner Walz arrangierte Laube mit Zier-
•bissen, die vortrefflich gedieh und dem Beschauer
selben zugleich ein Bild vom Haushalt der betreffenden
anzen darbot. Darstellungen von mehr oder ausschliess-
1 biologischem Charakter, wie sie der heutige Stand
• Wissenschaft fair jede botanische Anlage gebieterisch
dert, sollen aber kiinftighin der Ubersichtlichkeit halber
besondern Gruppen und ausserhalb der streng syste-
tischen Anordnung gepflegt werden.
Hochst beklagenswert ware irgendwelche Verkfirzung
1 Einschrankung des systematischen Teils unserer bo-
ischen Anlagen. Es ist uns wohl bekannt, dass gerade
sterer da und dort angefeindet und dessen Wert unter-
atzt wird ; allein man moge nicht vergessen, dass es
die ^Schulstadt4" St. Gallen kein Ruhm ware, eine
ititution zu eliminieren, auf die sie dank der kraftigen
1 zielbewussten Fuhrung ihres Griinders stolz sein
•fte. Es ist ja Dicht gesagt. dass die heutige Ein-
btung des botaoischen Systems die einzig richtige sei ;
lere Gruppierungen und Darstellungen besitzen auch
e Vorteile: allein deswegen die ganze Sache vollig
gehen zu lassen, das hiesse entschieden sich dem
ckschritt in die Arme werfen.
Wir wiirden uns um so mehr freuen, wenn wir recht
kraftige Unterstutzung fanden in unserm Bestreben,
>ziell das rPflanzensystemu des botanischen Gartens
3h weiter auszubauen und mit schonen und interessanten
pen zu verv*ollstandigen.
Im Laufe der letzten Jahre sind im Alpinum eine
•nge einheimischer Pflanzen ganzlich eingegangen, so
ss die Zahl der fremden Arten (vom Kaukasus, Hima-
a und aus Kleinasien) jene von schweizerischer Her-
170
kunft bei weitem uberwog. Eine Komplettierung der
heimischen Alpenflora in unserm Garten ist dringend
notwendig! Der Besucher des Alpinums will doch in
erster Linie diejenigen Vertreter vorfinden, denen er auf
seinen Wanderungen im eigenen Lande, im schweizerischen
Gebirge begegnet. Heimatkenntnis erhoht die Heimat-
liebe, und wahrlich, es sind nicht die Alpenpflanzchen
zuletzt, die uns unsere Bergwelt so lieb und teuer machen.
Der Berichterstatter hat vergangenen Sommer in
Begleitung von Herrn Habegger mehrere Exkursionen
im Calfeisentale speziell zum Zwecke der Bereicherung
des stadtischen Alpinums unternommen. Desgleichen
sammelten Herr Habegger und Herr Both eine Anzahl
Pflanzen im Santisgebiet.
Einen ganz wesentlichen und ausserst willkommenen
Beitrag hat aber vor allem Herr Dr. med. Wartmann
geleistet durch wiederholte Sendungen einer sehr statt-
lichen Zahl (uber 60 Arten) von Alpenpflanzen aus dem
Bergun (Graubtinden). Indem wir die prachtige Spende
an diesem Orte aufs herzlichste verdanken, mochten wir
an alle jene, die an der Schonheit und dem Liebreiz der
niedlichen Alpenkinder ihre Freude haben, die freund-
liche Bitte richten, dann und wann mit einem solchen
Gruss aus sonniger Hohe unsers stadtischen Alpengartens
zu gedenken. Gewiss hat es fur jeden Geber einen be-
sondern Reiz, wenn er spater seinen Lieblingen im Tale
drunten wieder begegnet, die ihn an die schonen Stunden
in Gottes hehrer Alpenwelt erinnern. Zwischen Moos-
lager in Zigarrenkisten verpackt, lassen sich die Pflanzchen
leicht per Post transportieren oder sonst nach Hause
nehmen. (Adresse: Botanischer Garten St. Gallen; Auf-
schrift: Lebende Pflanzen!) Es ist durchaus nicht not-
171
, class man die Erde, in welcher die Pfl&nzchen
a, mit8chickt ; Hauptsache ist vollst&ndige Be-
ing der letzteren. — Wir haben uns vorgenommen,
m erwahnten Exkursionen kttnftighin noch weit
per zu betreiben, damit allm&lig s&mtliches Material
eschafft werde zu der absolut erforderlichen Neu-
Ltung des Alpinums.
den einzelnen Gruppen sollen nacheinander die
Ler montanen Region der Kantone St. Gallen und
;ell, sodann jene der eigentlichen Alpenregion des
ebirges, der Curfirsten und des Oberlandes (Sar-
ingelspitz-Graue Horner) zur Darstellung gelangen.
idere Gruppe wird speziell die Flora der Bundner-
und des Wallis beherbergen. Anderseits durfte
or allem auch den okologischen Prinzipien voile
ng getragen werden, so dass der Besucher des
artens ein deutliches, lebensvolles Bild erhalt von
•iturlichen Zusammensetzung der Alpenflora
lage, Standorte, Exposition) tiberhaupt von den
;hen Formationen. Alsdann wird sich uns erst die
> Gelegenheit bieten, denbereits begonnenen „Natur*
>r aus dem stadtischen Alpinumu in gewiinschter
fortzusetzen.
b stattliche Gruppe der Sukkulenten (Kakteen,
bien etc.) auf der Sudseite des Museumsgebaudes
Herrn Stadtgartner Walz wiederum aufs sorg-
e gepflegt worden. Sie erfuhr auch eine be-
swerte Bereicherung durch zwei grosse Exemplare
' Gattung Opuntia (fruher im Biirgerspital) und
3 kleinere aber exquisite Reprasentanten der nam-
Gattung (vom Stadtgartner in Konstanz). Leider
l grossten der Saulenkaktus (Cereus peruvianus)
172
durch das bei hefbigem Regen vom Museumsdache rinnende
Wasser eine arge Beschadigung widerfahren ; es sind nach-
traglich die machtigen Stengelteile in den untern Partien
in Faulnis ubergegangen. Mehrere der Stamme konnten
mittelst Teerbestrich noch gerettet werden.
Ak einen wesentlichen Fortschritt im Arboretum
des Parkes darf man die Neuetiquettierung der
Baume und Straucher bezeichnen. Dieselbe wird in
diesem Friihjahr sozusagen durchgefiihrt sein. Die recht-
eckigen Aluminiumtafelchen tragen den lateinischen und
deutschen Namen der Pflanzen, sowie die Angabe ihrer
Heimat. — Wegen Altersschwache und Lebensunfahig-
keit mussten gefallt werden: ein Olnussbaum (Juglans
cinerea) bei der Voliere, eine Silberpappel (Populus alba)
beim Turnhaus, verschiedene Larchen und Taxusstraucher
vis-a-vis des Serrem'schen Pavilions. Dagegen genugte
bei einem Rosskastanienbaum (Aesculus hippocastanum
die vorlaufige Ausgiessung des untersten Stammteiles.
— Sehr zu begrtissen war die Reinigung jener Straucher-
gruppe auf der Ostseite des Museumsgebaudes, in welcher
die altesten, knorrigen Exemplare ausgeschnitten und
durch jtingern Nachwuchs ersetzt wurden.
Eines sehr lebhaften Besuches erfreute sich das
Warmhaus, namentlich als die herrliche mexikanische
Orchidee Stanhopea tigrina in einer Pracht- und
Blutenfulle sich entwickelte, wie sie in St. Gallen noch
nie gesehen wurde. Dem Wunsche vieler Besucher ent-
gegenkommend, genehmigte die Parkkommission einen
Extrakredit fiir die Erwerbung einer grSssern Zahl prach-
tiger Orchideen (25 Spezies). Durch einen reichen
Bliitenansatz erwiesen sich dann in der Folge mehrere
derselben sehr dankbar, wie Odontoglossum grande,
173
crispum, Oncidium praetextum, Cattleya
iskelliana, Coelogyne cristata, Cypripedilium
irrisianum, C. Lawrencianum etc. — Auch aus der
milie der Bromeliaceen gelangten einzelne Arten
wunderbarer Bliite, so Caraguata cardinalis,
llandsia splendens, fiillbergia rhodocyanea.
ir werden Gelegenheit haben, im kommenden Sommer
cl Herbst den Freunden der exotischen Bliitengew&chse
s genannten beiden Gruppen in beschreibender Weise
eich jener der Stanhopea tigrina) vorzufiihren.
Unsere Klage betreffend Absterben der hochinter-
an ten, insektenfressenden Kannentragerpflanzen (Ne-
ithes) hat ein freundliches Gehor gefunden bei einem
vahrten Gonner unserer samtlichen Pflanzenanlagen.
rr Oberg&rtner Schenk vom botanischen Garten in
m iiberraschte uns mit zwei sehr kr&ftigen und schonen
emplaren von Nepenthes-Hookeriana und N. Ma-
jrsiana, die anmit aufs warmste verdankt werden.
Bekanntlich soil laut Gemeindebeschluss der kunftige
aalbau" der Stadt St. Gallen auf jenes Terrain zu stehen
nmen, woselbst sich heute die Stadtgartnerei bezw.
.h die Gewachshauser befinden. Verwirklicht sich die
cupation dieses Platzes fur den genannten Monumental-
i, so ist eine Dislokation der Gewachshauser unaus-
iblich. Da unsere jetzigen Einrichtungen den immer ge-
igerten Anforderungen, welche die Bepflanzung der von
lir zu Jahr sich vermehrenden stadtischen Anlagen an
stellen, nicht mehr zu geniigen vermogen, muss an eine
weiterung der Stadtgartnerei in allem Ernste gedacht
rden. Einer besondern Vergrosserung bediirfen die
iperierten und die Kalthauser, da dort die Pflanzen
?r Winter viel zu eng ineinandergepfercht 6ind und
174
sichtlich Schaden lei den ; auch sollte das eigentliche Warm-
haus un8ern Pflanzenfreunden noch viel mehr zu bieten
versuchen. Die Erfahrungen wahrend der vergangenen
Jahre sind eine deutliche Illustration dafiir, wie sehr sich
gerade jene an den herrlichen Farben und Formen der
unerschopflichen Pflanzenwelt erfreuen und Belehrung
suchen, denen der tagliche Beruf wenig Zeit und Musse
fur ideelle Bestrebungen und Interessen l&sst.
Wir hoffen zuversichtlich, dass die Tit. Q-emeinde-
behorde bei einer Verlegung der Gew&chshauser fur die
Erwerbung eines moglichst geeigneten und geniigend
grossen Areals bedacht sei, auf welchem sich die an-
gedeuteten Erweiterungen leicht durchfxihren lassen.
Die giitigen Geber, welche im Vorjahre ihre reichen
Spenden zur Erhaltung von Voliere und Parkweiher ver-
abreichten, konnten sich auch im vergangenen Jahre nur
dariiber freuen, welch sichtbaren Erfolg ihre Forderung
ornithologischer Interessen gehabt. Die Kommission der
ornithologischen Gesellschaft Hess es sich sehr angelegen
sein, Voliere und Parkweiher punkto Bevolkerung mit
den Beliederten aller Klassen aufs reichlichste zu versehen.
Den NeuanschafFungen im Betrage von Fr. 770 ent-
spricht denn auch die ansehnliche Zahl der Insassen. In
der Voliere waren 63 Arten mit 169 Exemplaren unter-
gebracht; der Parkweiher beherbergte 24 Arten mit 69
Exemplaren*).
*) Da kiinftighin von der Herausgabe eines Kataloges der
Vogel in Voliore und Parkweiher Umgang genommen wird, diirfte
es am Platze sein, an dieser Stelle einmal die Liste dex* im Be-
richtsjahre gehaltonen Vogel aufzutuhren.
A. Voliere.
ALteil. I: Grosser Buntspecht. Kleiber, Griinspecht.
„ II : Buchfink, Bergfink, Griinfink, Distelfink, Schneefink,
175
Weit giinstiger als die Brut erf olge in der Voliere
ilensittiche, Nymphensittiche, Silberfasanen und Braut-
n) gestalteten sich jene im Parkweiher, woselbst die
l<nisse mit Bezug auf die Brutgelegenheit der Tiere
laltnismassig bessere sind. Sechs weisse und Tier
warze Schwane (einer der letzteren verungluckte
ichon grosseres Tier) sind das Resultat der diesj&hrigen
Zeisig, Hanfling, Gimpel (Dompfaff) ; Goldammer; Feld-
lerche, Kalanderlerche ; Amsel, Singdrossel, Rot-Wein-
drossel, Wacholderdrossel, Ringdrossel; Gem einer Star,
Rosen s tar Silberfasan.
il. Ill : Wellensittich , kleiner Alexandersittich , Blumenau-
sittich ; Sonnenvogel (japanische Nachtigall), Reisvogel ;
Orange - Feuerweber, Oryx weber, Madagaskar -Weber,
Napoleon -Weber, Gold-Textorweber, Wachtel.
IV: Mandarinenente , Brautente; Kampflaufer, Austern-
fischer, Tiipfelsumpf huhn, Kiebitz, Teichhuhn ; Sultans-
huhn, Agami, Hokko, Schakuhubn (Penelope), Stein-
huhn, Rebhuhn; Kubreiher; Nymphensittich, Rosen-
kakadu.
V: Lacbtaube, Ringeltaube, Turteltaube, Sperbertaubchen,
Mahnentaube, Schopftaube ; Scbopf wachtel.
VI: Tannen-Nusshaher, Eichelhaher, Gimpelhaffer; gemeine
Dohle, Alpenkrahe; Jagdfasan.
VII: Kolkrabe.
B. Parkweiher.
il. I: Weisser Hockerschwan (8 Exemplare), Smaragdente
(Labradorente).
II : Wild-Stockente, Brandente, Pf eif ente, Krickente, Knack-
ente, Spiessente, Reiherente, Mandarinenente, Moschus-
ente, Antillenente (Tauchente), [Enten: 11 Arten rait
40 Exemplaren].
II und III: Schwarzer Schwan (5 Exemplare). Japanische
Hockergans.
Ill: Ringelgans, Nonnengans, Bliissengans (Ganse: 4 Arten
mit 9 Exemplaren). Silbermove, Sturmmove, Lach-
move (Moven : 3 Arten mit 6 Ex.), weisser Storch (2 Ex.),
Loffelreiher (1 Ex.), Flamingo (1 Ex.).
176
firuten; es war denn auch eine Zeit lang eine formliche
Wallfahrt des Publikums zu den allerliebsten kleinen
Schwimmkunstlern, die von ihren Eltern aufs sorgsamste
bewacht und zu den ersten n"Wasserfahrtenu angeleitet
wurden. — Sodann diirfen wir den ansehnlichen Nach-
wuchs von Bisam- oder Moschusenten (9 Stuck),
Stockenten (7 Ex.) und einigen Labradorenten
nicht (ibergehen. Diese Bruterfolge machten es zum Teil
moglich, dass fur voile 203 Fr. Vogel verkauft werden
konnten.
Zur besonderen Freude gereicht es uns, einiger wert-
voller Schenkungen zu gedenken, womit geschatzte
Freunde unserer lebendigen Vogelausstellung dieselbe in
sehr verdankenswerter Weise bereicherten. So nennen
wir vor allem jene des Herrn Kaufmann Severin
Engeler, dessen generoser Dedikation an das natur-
historische Museum wir bereits (pag. 139) Erwahnung
getan. Herr Engeler brachte auf seiner Heimreise nach
St. Gallen bezw. Morschwil drei prachtige, grossere, vollig
zahme Vogel init, welche er einige Zeit frei um das
elterliche Haus in Morschwil fliegen und laufen lassen
konnte. Die grosse Zutraulichkeit der von den Bewohnern
des obern Amazonenstrorns als formliche Hausvogel be-
niitzten Tiere und die rasche Akklimatisation derselben
an europaische Verhiiltnisse liessen ihre Aufnahme in die
st. gallische Voliere um so wiinschenswerter erscheinen.
Tatsachlich hat sich das Trio bis zur Stunde recht wacker
gehalten. Herr Gartnereibesitzer Kessler-Steiger, der
auch dieses Jahr Papa Storch, Loffelreiher und Flamingo
in einem seiner Gewachshauser liberwintert und mit be-
kannter Sorgfalt und Liebe pflegt, hat die genannten
Amazonier in seine Obhut genommen. Es sind dies: ein
177
Trompetervogel oder Agami (Psophia crepitans),
eine Art von Zwergkranich, bezw. ein Verbindungsglied
zwischen Schlangenstorchen, Kranichen und Sumpf-
huhnern. Der ausserst muntere und anhangliche Vogel,
welcher fur Liebkosungen sehr empfanglich ist und sogar
das Krauen an Kopf und Hals duldet, ist etwas grosser
als ein Huhn, besitzt ein sehr weiches Gefieder von dunkler
Farbe, mit violett- und griinglanzendem Halse; die zer-
schlissenen Federn des Hinterrtickens bezw. der Schulter-
decken sind von grauweisslichem Kolorit.
Die beiden anderen gehoren zu den Hiihnervogeln ;
der eine zn den Hockos (Cracid®): Ourax mitu, bei-
nahe von der Grdsse eines Truthahns, ein stattlicher
Bursche, mit metallfarbenem, violettschwarzem Gefieder
and korallrotem Schnabel, der einen starken Hocker von
gleicher Farbe tragt ; der andere von graubraunem, zum
Teii gesprenkeltem Gefieder, ist ein Vertreter der sogen.
Schakuhuhner (Penelope).
Weitere Geschenke gingen ein von Herrn Fabrik-
besitzer Wegelin in Hofstetten, bestehend in Moschus-
sittich, Blumenausittich und einem Trupial. Dass
solche gfitige Dedikationen von Vogel-Reprasentanten,
welche bei uns gut zu halten sind, stets sehr willkommen
geheissen werden, braucht kaum angedeutet zu werden!
Trotz grundlicher Misserfolge, welche wir mit der
im letzten Berichte speziell erwahnten Spechtkolonie
gehabt, ist abermals ein Versuch mit der Haltung dieser
Vogelgruppe gemacht worden (Grosser Buntspecht und
Grunspecht). Das Ergebnis war wiederum ein negatives.
Die Buntspechte hielten wie jene des Vorjahres bis im
Januar; der Grunspecht aber ging schon im Herbst ein.
Das Spechtvolk scheint nun einmal absolut nicht fiir di«
178
Gefangenschaft geeignet zu sein; ubrigens ist es eine be-
kannte Tatsache, dass man in zoologischen Garten nur
ganz selten alte Spechte zu Gesiohte bekommt. Urn dem
Publikum, das sein voiles Interesse den allzeit muntern
und fleissigen „ Zim merle u ten" entgegengebracht hat, auch
noch die gross te einheimische Spechtart vorzufuhren.
werdeu wir einen letzten Versuch mit dem starken Schwarz-
specht vornehmen.
Zum grossten Bedauern seiner zahlreichen Freunde
ist der von uns dem Schutze des Publikums besonders
empfohlene gemeine Kranich nach langerer Krankheit
den Weg alles Irdischen gegangen. Schon bald nach
der Ubersiedelung aus dem Winterquartier seines Pflegers
in den Parkweiher legte der sonst muntere und zu Tanz-
produktionen stets bereite Vogel eine auffallende Apatkie
an den Tag und seine klagliche Stimme, die formlich
zum Mitleid herausforderte, Hess auf Krankheit des Tieres
schliessen und fand man es fur richtiger, des sen Leiden
abzuklirzen. Sobald sich eine giinstige Kaufgelegenheit
bietet, soil wieder ein Exemplar dieses klugen Vogels
unsern Parkweiher zieren.
Recht guter Dinge ist unser prachtiger Flamingo
gewesen, dessen merkwiirdige Zuneigung zu einer der
Nonnenganse und deren gegenseitiges freundschaftliches
Verhaltnis seiner Zeit Stadtgesprach geworden. Mit einer
Art Eifersucht hat die Nonnengans seinen ihm an Grosse
vielfach iiberlegenen, weiss und rosa geschmuckten Freund
bewacht, und alle anderen Vogel, welche in die Nahe
des Flamingos gerieten, in die Flucht geschlagen. —
Anderseits war es bei dieser Freundschaft noch ein ganz
gemeines, materielles Interesse, auf welches die Nonnen-
gans es abgesehen hatte. Begab sich namlich der Fla-
179
ngozu seinem etwas erhohten Futternapf, dann watschelte
11 die Nonhengans augenblicklioh nach, um sioh an den
Irosamen" gtitlich zu tun, die von des „hotien Herren"
sche fielen. Fiihlte die Gans einmal eine Regung von
inger, so veranlasste sie geradezu den Flamingo, zum
ittergeschirr zu gehen, und mehr als einmal setzte es
iht aufregende Szenen ab, wenn letzterer dem unzwei-
utigen Dr&ngen der Gans nicht sofort Folge leistete.
mn schoss ihm die Gans an den Hals und warf den
ossen Vogel zu Boden oder ins Wasser.
Um noch einiger Neuerungen in Voliere und Park-
dher zu gedenken, fuhren wir an, dass, gleichsam als
satz fur den bis dato jahrlich herausgegebenen Katalog,
s&mtlichen Abteilungen Tafelchen angebracht wurden,
f welchen die Namen der jeweiligen lebenden Insassen
fgefuhrt sind. — Gestiitzt auf die Erfahrungen, welche
in andernorts mit Musikautomaten in Volieren ge-
icht, entschloss sich die ornithologische Gesellschaft zur
Lschaffung eines derartigen Instrumentes. Die dem-
ben zugeflossenen Scherflein, welche speziell zur
uflichen Erwerbung von Vogeln verwendet
jrden, haben in kurzer Zeit ein namhaftes Summchen
sgemacht. So diirfte es heute wohl wenige mehr geben,
lchen diese prosperierende Einnahmequelle ein „Dorn
Augeu wfi,re, um so mehr, als die Umwohner des Parkes
keinerlei "Weise durch die rmusikalischen Produktionenu
jtfirt werden, anderseits die eingelegten „Zehnera zur
sung der finanziellen Fragen, die besonders an eine
sstellung lebender Vogel herantreten, ein wesentliches
tragen.
Eine gerechte Entriistung bemachtigte sich aller-
mnde unserer gefiederten Lieblinge, als eines Morgens
180
im Parkweiher drunten samtliohe Schwanen- und Enten-
hauschen in wirrem Duroheinander kopftiber im Wasser
lagen, wobei unter anderm eine Sch wanenbrut mit mehreren
Eiern zerstort war. Wenig hatte gefehlt, so ware auch
der brutende schwarze Schwan ertrunken, der in seinem
Hause sich nicht von seinen Eiern trennen wollte. Gluck-
licherweise wurden die rohen Urheber dieses vandalischen
Nachtbubenstreiches sohon am namlichen Morgen ent-
deckt und in empfindlicher aber durchaus gerechter Weise
von den Gerichtsbehorden bestraft, zum wamendenExempel
fur jegliche Geluste, unschuldige Tiere und fremdes Eigen-
turn zur Zielscbeibe jugendlichen Ubermutes zu machen.
Wenn sich Jahr fur Jahr Herr Kessler-Steiger
durch Uberwinterung und Pflege der subtileren grossen
Stelzvogel (Flamingo, Storche, LdfFelreiher) ein besonderes
Verdienst erworben, so diirfen wir an dieser Stelle vor
allera auch einer treuen Freundin und Pflegerin der
Nachtigallen, Wellensittiche und Sonnenvogel gedenken.
Frau Zollikofer-Ganz hat sich wahrend des Winters
mit nihrender Aufmerksamkeit, Liebe und Aufopferung
dieser ihrer Lieblinge angenommen, deren Freuden und
Leiden, Wunsche und Vorschlage fur Verbesserungen in
der Voliere sie ihnen mit feinem Verst&ndnis abgelauscht
und in allerliebster Weise vor das Forum der st. gallischen
ornithologischen Gesellschaft getragen hat.
Ffir letztere bildete eine Genugtuung die ehrende
Anerkennung, welche ihr anlasslich der Schweizerischen
landwirtschaftlichen Ausstellung in Frauenfeld zu tail
wurde in Form des Diploms und der silbervergoldeten
Medaille fiir die Ausstellung einer Kollektion Wild- und
Zierenten, Wildganse und Moven.
Es ware uberflussig, wollten wir hier nochmals auf
181
den Wert hinweisen, den eine Ausstellung lebender Vogel
besitzt; der allzeit rege und vermehrte Besuch unserer
Institution von Seite der ganzen Bevolkerung dokumentiert
denselben zur Genuge. Wir mochten nur wiinschen, dass
bei Gelegenheit der Arrondierung des Saalbauterrains auch
eine den Zwecken des Parkweihers noch mehr entsprechende
Ausgestaltung des letzteren ins Auge gefasst und durch-
gefuhrt werden konnte.
VIII.
Beitrage zur Okologie der Felsflora.
Untersuchungen aus dem Curfirsten- und Sentisgebiet
von
Max Oettli.
Die vorliegende Arbeit ist das Resultat von Untersuchungen,
die ich unter der Leitung von Herrn Professor C. Schroter im
Herbst 1901, ini Fruhjahr und Vorsommer, sowie im Spatsommer
1902 im Curfirsten- und Sentisgebiet angestellt babe. Seiner Fiir-
sorge habe ich es zu verdanken, dass diese Zeiten wobl zu den
gliicklichsten meines Lebens zahlen werden. Ich danke ihm aut's
herzlichste dafiir, sowie auch Herrn Prof. Heim fur zahlreiche
Forderungen, die er moiner Arbeit angedeihen liess.
Ziel und Wcg.
Die Entwicklung der Pflanzengeographie bietet eine
interessante Analogie zur Qeschichte der Naturwissen-
schaften iiberhaupt. Hier wie dort waren es nicht zuerst
naheliegende Erscheinungen, die erforscht wurden, sondern
die grossen Zusammenhange : in der Pflanzengeographie
speziell die Verteilung der Pilanzen liber die ganze Erde.
Eine alltagliche Beobachtung aber, wie z. B. der Um-
stand, dass auf einer und derselben Wiese nebeneinander
ein Hahnenfuss und ein Wiesenschaumkraut wachsen
konnen, erwuchs erst spat zu einem Problem. Und auch
dann, als etwa danach gefragt wurde1), „weshalb sich
die Arten zu bestimmten Gesellschaften zusammenschlieesen,
l) Warming, Okologische Pflanzengeographie.
183
and weshalb diese die Physiognomie haben, die sie be-
sitzen", wurde in der Antwort nur aus dem Bau der ver-
schiedenen Gesellschaftsglieder die Moglichkeit abgeleitet,
bei mangelnder Konkurrenz an demselben Standorte zu
gedeihen, aber noch nicht Griinde angefuhrt, die den
Zusammenschluss so vieler verschiedener Spezies bedingen.
Noch im Jahre 1902 sagte Warming *) : nDas Ideal der
wissenschaftlichen Behandlung der einzelnen
Pflanzen„vereineu muss der wissenschaftliche
Nachweis dafiir sein, wie jedes einzelne seiner
Mitglieder (Lebensformen) im morphologischen,
im anatomischen und im physiologischen Ein-
klange mit den verschiedenen okonomischen
und geselligen Verhaltnissen, unter denen es
lebt, ist; woraus dann als Schlussergebnis her-
vorgehen wtirde, weshalb jeder einzelne natiir-
liche Verein gerade die bestimmte Zusammen-
setzung von Lebensformen und die besondere
(konstante oder nach Jahreszeiten wechselnde) Physio-
gnomie hat, die er besitzt. Diese Aufgabe auch
nur annahernd zu losen, ist noch unmoglich.
Einerseits sind die physikalische und die chemische Natur
der verschiedenen Standorte fast nirgends eingehend
wissenschafllich bekannt; andererseits ist das Wechsel-
verhaltnis zwischen den Pflanzen und diesen leblosen Fak-
toren, zwischen den Pflanzen untereinander und zwischen
den Pflanzen und anderen lebenden Wesen, die zu einem
Vereine verbunden sind, so mannigfaltig, so verwickelt
und schwer zu durchschauen — weil die Pflanzen offen-
bar auf ausserst schwache Veranderungen reagieren, die
*) Warming, Okologiscbe Pflanzen geographie.
184
unsere Instrumente gewiss kaum immer nachweisen konnea
— dass wir nicht bei einem einzigen Vereine, nicht ein-
mal bei denen, die wohl am besten untersucht worden
sind, ganz klar sehen kftnnen. Zum vollen Verst&ndnis
sollten wir eigentlich in den ganzen Entwicklungsgang.
der vor sich gegangen ist, und in alle physikalischen
Versuche, die die Natur in Jahrtausenden, ja vielmehr
seit ErschafFung der Welt, vorgenommen hat, indem sie
die Arten hervorbrachte, Einbliok haben. Es muss eine
anziehende Aufgabe fiir die Zukunft sein, zur Erreichung
dieses fernen grossen Zieles Beitrage zu liefern.u
Glucklicherweise habe ich gerade diese Stelle in
Warmings Buch erst gelesen, nachdem die vorliegende
Arbeit schon langst begonnen war, denn sonst h&tte ich
es kaum gewagt, die mir gestellte, so vielerlei Probleme
enthaltende Aufgabe gerade in diesem Sinne in Angriff
zu nehmen ; will sie doch nichts geringeres, als den Ver-
such machen, einen solchen Beitrag zu liefern. — Die
Frage, warum ein Wiesenschaumkraut mit einem Hahnen-
fuss vergesellschaftet sein kann, wird wohl nicht so schnell
eine Beantwortung finden. Auf sie trifft das oben zitierte
wortlich zu. Ganz anders aber liegen die Verh<nisse
bei der Felsenflora. Wenn man namlioh, wie es in der
ganzen Arbeit geschehen soil, von den Felsenpflanzen
nur die Gef&sspflanzen betrachtet, so ist damit schon die
Erleichterung der Isolierung der Untersuchungsobjekte
gegebon x). Ferner konnen beim Fels ohne weiteres, oder
dann doch mit Hammer und Meissel leicht eine ganze
Eeihe von Yerschiedenheiten in den physikalischen und
chemischen Eigenschafben des Standortes beobachtet werden.
') Die Definition des Begriffes rFelsenpflanzeu vide pag. 192.
186
Es muss also notwendigerweise moglich sein, irgendwelche
Beziehungen zwischen solchen Besonderheiten innerhalb
der allgemeinen Standortsverh<nisse und der besiedeln-
den Spezies aufzufinden. Und die Hoffnung, dass sich
einzelne dieser Beziehungen im ganzen Gebiete als kon-
stant, d. h. als Gesetze, erweisen wiirden, ist gewiss niobt
von vornherein als unberechtigt zu bezeichnen und ebenso-
wenig die andere, die gefundenen Beziehungen in ur-
sachlichen Zusammenhang zu bringen, d. h. aus den
Standortsverh<nissen den Bau der betreffenden Pflanze
verstehen zu konnen.
Jaccard (II) hat tatsachlich das Yorhandensein solcher
Beziehungen fur alpine Wiesen durch statistische Unter-
suchungen zahlenmassig nachgewiesen. Er resiimiert
folgendermassen :
1. Die Artenzahl eines Gebietes ist dirokt proportional der Mannig-
faltigkeit seiner okologischen Bedingungen.
2. Die Ahnlichkeit der okologischen Bedingungen zweier benach-
barter Territorien innerhalb der gleichen natiirlichen Region
findet ihren Ausdruck im Gemeinschaftscoefficienten
der beiden Floren.
3. Ausser den allgemeinen okologischen Faktoren existieren filr
jede Lokalitat eines bestimmten Standortstypus lokale Varia-
tionsursachen, welche im einzelnen wieder eine okologische
Mannigfaltigkeit bedingen, die ausgedruckt wird durch die
Verschiedenheit in der systematischen Zusammensetzung der
Pflanzendecke.
Als prim are Faktoren sollen diejenigen bezeichnet
we r den, welche die verschiedenen Standorttypen (Wiese, Moor,
Schutt, Felsen etc.) bedingen; als sekundare Faktoren die-
jenigen, welche bloss eine Variation verursachen innerhalb
eines Standortes, ohne dessen physiognomischen Charakter zu
verandern. Dann ergibt sich fur unsere Gebiete, dass die
Veranderungen in den sekundaren Faktoren geniigen, urn die
systematise he Zusammensetzung der alpinen Wiese so um-
zugestalten, dass fiir zwei Lokalitaten mindestens s/s der Arten
verschieden sind. — Im wesentlichen ist die Verteilung der
186
Arten bestimmt (lurch die Resultants aller Faktoren, welche
das okologiscbe Milieu ausmachen. £s ist nun klar, dads selbst
geringe Anderungen dieser Resultante genugen, urn eine be-
stimmte Artengruppe in der Konkurrenz zu begun stigen and
eine andere auszuscbliessen.
4. Obschon die systematische Zusammensetzung innerhalb einer
Formation stark wecbselt von einer Lokalitat zur andern.
scheint der Gemeinscbaftscoefficient von je zwei Lokaiitaten
docb uin einen Mittelwert zu schwanken. der sicb einer Kon-
stanten nahert, so bald wan eine genug grosse Zahi von
Lokalitaten beriicksichtigt.
5. Je grosser die okologische Mannigfaltigkeit innerhalb jedes
der verglichenen Gebiete ist, um so grosser ist auch der Ge-
meinscbaftscoefficient ihrer Flora. — Wenn man zwei Distrikte
von einer gewissen Ausdebnung vergleicbt, so ist die Wabr-
scheinlichkeit, viele gemeinsame Arten zu finden, um so grosser,
je mannigfaltiger die zugeborigen Standorte sind.
Fiir die Felsflora, als einer Formation, bei der infolge
der Isolation der einzelnen Individuen ein Kommensualis-
mus (im weitesten Sinne) derselben grossenteils aus-
geschlossen ist, miissen die aufgestellten Satze durch De-
duktion als richtig erkannt werden, und auch ihr induktiver
Nachweis diirfte nach der Art der Jaccard'schen Unter-
suchung zu erbringen sein. Aber noch mehr. Die oben-
erwahnten Erleichterungen, welche die Felsflora der Er-
forschung bietet, lassen den Versuch wagen, nicht nur
eine allgemeine Abhangigkeit der Artenliste von der oko-
logischen Mannigfaltigkeit des Standortes festzustellen,
sondern im Sinne Warmings auch noch zu fahnden:
1. nach jeder einzelnen Spezies, welche mit dem Auf-
treten gewisser okologischer Bedingungen sich neu ein-
stellt oder umgekehrt nach der besonderen Art der oko-
logischen Bedingungen, welche gegeben sein miissen, um
eine Spezies zu ermoglichen und 2. dem Kausalzusammen-
hang zwischen diesen Momenten.
Vor das Pflanzenchaos stark besiedelter W&nde ge-
187
stellt, schaute ich also zunachst, ob sich nicht samtlicke
Stellen, an denen eine gewisse Spezies vorkommt, durch
irgendwelche gemeinsame Merkmale von den andern,
nackten oder besiedelten Teilen der Felswand auszeichneten
und nannte solche, durch irgendwelcJie gemeinsamen Merk-
male besonders charakterisierten Stellen des Felsens, die meist
nur von einer und derselben Spezies besiedelt nerden, den
Wurzelort der betreffenden Spezies1).
Schreiben wir einer Spezies einen Wurzelort zu, so
ist dies gleichbedeutend mit der Annahme, dass dieselbe
ausser an die allgemeinen, auch fur alle Nachbarspezies
vorhandenen Bedingungen des Standortes (Klima, Meeres-
hohe etc.) noch an spezielle, nur an bestimmten Stellen
') Die Wurzelorto waren also die in ihren „sekundaren Merk-
malen" verschiedenen Stellen eines Standortes, urn Jaccards (II)
Ausdruck zu gebrauchen.
Der Begriff „Wurzelort" ist eigentlich nicht neu. Jedenfalla
scbon Kerner hat eben ihn definiert, wenn er sagt: „Die be-
schrankten Platze eines Gebietes, welche fiir das Fortkommen
einer bestimmten Art gtinstig sind, wo die Bedingungen fiir eine
erfolgreiche Lebensfiihrung und fiir das Festhalten an dem Grund-
besitze durch die Nachkommenschaft gegeben sind, und wo die
Art sozusagen einen standigen Wohnort hat, werden Standorte
genannt'', und keineswegs das, was im Sprachgebrauch mit Stand-
ort bezeichnet wird, ntimlich ein jeder, in seinen Eigentiimlich-
keiten haufig wiederkehrender Bodenkomplex. Man kann aber
den Sprachgebrauch viel weniger leicht dazu zwingen, einen neuen
Begriff mit einem alten schon vergebenen Worte zu bezeichnen,
als man ihm fiir einen neuen Begriff ein neues Wort aufdrangt.
Zur klaren Ausdrucksweise sind aber zwei Worte notwendig. Ich
werde daher in der ganzen Arbeit an dem Wort Wurzelort fest-
halten.
Soil ten spater einmal ,,Wurzelortsuntersuchungen" auch auf
Kryptogamen, z. B. das Plankton ausgedehnt werden, so konnte
vielleicht an Stelle des Wortes „Wurzelort" das umfassendere
„Wuchsort" treten.
188
des Standortes gegebene Bedingungen (Spalte, Vorsprung>
angepasst sei.
In dem Nachweise solcher „Sonderanpas#uiiffeH"9
d. h. den Zusammenhcingen zwisclxen den Eigensdiaften d**r
Wurzelorte ttnd dem Bau der betreffenden Spezies, liegt die
Antwort auf die Frage, warum sich mehrere Spezies an
einem Standorte finden und warum die Verteilung der-
selben die bestehende und keine andere ist.
Das Studium der Wurzelorte der gefass-
fuhrenden Felsenpflanzen unseres Gebietes
und der ihnen entsprechenden Sonderanpas-
sungen soil den Inhalt dieser Arbeit bilden.
Der Weg zum Zide ist durch die Natur der Aufgabe vor-
gezeichnet. Es sind zwei Untersuchungsmethoden moglich. Ent-
weder kann man die Standorte der verschiedenen Spezies an einer
und derselben Lokalitat miteinander vergleichen, oder man ver-
gleicht Lokalitaten, an dcnen cinzelne Spezies ausgesprochen do-
minieren. Um dabei den Einfluss der Standortsverschiedenheiten
auf die Flora unverwischt beobachten zu konnen, gilt es, etwaigeu
Veranderungen in der Artenliste infoige klimatischer oder floren-
gescbichtlicher Verscbiedenheiten auszuweichen, d. h. sich auf ein
eng begrenztes, klimatisch und edapkiscb relativ gleichartiges.
moglichst felsenreiches Gebiet zu beschranken.
Allen diesen Bedingungen geniigt in vollkommener Weise
der siidliche Steilabsturz der Curfirsten und des Leist-
kammes. Wand ttirmt sich dort auf Wand, vom Seeufer (423 in)
bis zu den durchschnittlich 2200 m hohen Gipfeln, in nur wenig
durch schmale Terrassen und Kasenbander unterbroohener Flucht,
dabei aber allenthalben leiclit zuganglich und vielerorts aucb zu
erklettern; teils dadurch, dass die Scbichten meist horizontal, oder
schwach gegen den Berg einfallend, mit einzelnen Banken etvras
vorstehen, teils infoige der eigentiim lichen „Gufelbildung".
An den beinahe ungegliederten Schrattenkalkwanden ermoglichen
namlich einzelne horizontal durchgehende, ein bis mehrere Meter
hohe und etwas weniger tiefe Rinnen (Einkerbungen). die eut-
weder stehend oder doch kriechend relativ leicht passiert werden
konnen, z. B. auch die Kontrolle der sonst vollkommen unge-
gliederten, senkrechten bis 200 m hohen Gipfelwande. Die Wande
189
am Seeufer sind grossenteils Malmkalke, alles iibrige (mit Aus-
nahme von wenig Dogger bei Walenstadt) sich wiederholende
Kreideschichten, d. h.
Neocom,
Schratte nkalk,
Gaul t und
Seewerkalk
in alpiner Ausbildung. Iinmerhin werden davon nur die dys-
geogenen Horizonto Beriicksichtigung finden, eugeogene
Neocom- und Gaultschichten tragen meistens Wiesenpflanzen (vido
I. Teil II. Kap. § 1 B 5).
Die Gleichforinigkeit in der Lage aller Wande lassen andere,
als durch Hohendifferenzen hervorgerufene Verschiedenheiten im
Klima als hochst unwahrscheinlich erscbeinen. — Das Bleibende
aber erkennt man im Wechsel. Das Wesentliche am Wurzelort
einer Pflanze wird nicbt durcb den Vergleich moglichst ahnlicher,
sondern moglichst verschieden beschaffener Standorte zum Aus-
druck kommen; und wenn wir auch, um uberbaupt vergleichen
zu konnen, die relative Einformigkeit der Curfirsten schatzen ge-
lernt, so erweisen sich doch bei der Untersuchung an Ort und
Stelle innerhalb des Vergleich baren die heterogensten Verhiiltnisse
als die wertvollsten, und um die Flora der Gipfelwande zu ver-
stehen, zog ich daher auch die Flora der Kreide des benachbarten
Sentisgebietes zur Untersuchung herbei.
Davon, dass die Arbeit sich zu einer Monographic der Fels-
flora des Gebietes hatte ausgestalten konnen, war aber keine Rede.
Bei der gestellten Aufgabe ist es selbstverstandlich, dass nur
hundert und tausende von Einzelbeobachtungen zu einem Res ul tat
fuhren konnen, so dass auch die im Gebiete seitenen Pflanzen
ohne weiteres in Wegfall kommen mussten, ebenso auch die
haufigen Baume und Straucher, weil ihre Jugendstadien nur ganz
ausnahmsweise zu beobachten sind und alte Exemplare ihre Um-
gebung schon derart verandert haben. dass sich die urspriinglichen
Wurzelorte nicht mehr erkennen lassen. Andrerseits konnen zur
Wurzelortsbestimmung mehrjahriger Pflanzen nur solche Exemplare
in Betracht fallen, die mindestens einen Winter durchgemacht
haben. — Und noch in einer andern Hinsicht wurde das Thema
eingeschi-ankt. Es gibt in Wald und AViesen zahlreiche Felsen,
deren Besiedler sich nur aus der Wald- und Wiesenflora der Um-
gebung rekrutieren, also keineswegs unter den Begriff „Felsen-
pflanzen" fallen. Eine haufige Pflanze in den Spalten solcher,
in einer "Wiese auftauchender Felskopfe ist z. B. PotentilU. N«txi^
190
eine Spezies, die ich gar nie an eigentlichen Felswanden getroffen
habe, wahrend andrerseits die Potentille der Felswande: Poten-
tilla caulescent* sich nie auf solchen Wiesenfelsen findet.
Was die Dantellung anbelangt, sei Folgendes beruerkt: In
der Literatur bestehen nur ganz vereinzelte Notizen fiber
die Eigenschaften des Felsens als Pflanzenstandort. Es kenn-
zeichnet fast alle die Auffassung, dass der Fels ein ausgesprochen
trockener, humusarmer Standort sei. ein Verhalten, das fur unsere
Felswande zwar raeistens zutreffen kann, aber bei nur geringer
Vertiefung der Untersuchung, selbst fiir quellenlose Wande als
keineswegs typisch erkannt werden muss. Ich habe daher in einem
ersten Teile die fiir unsere Untersuchung wichtigen Voraussetzungen
fiber die allgemoinen Verhiiltnisse der Felsf iora besonders zusamnien-
gefasst. — In der pflanzengeograpbischen Terminologie
richtete ich mich nach der in der „Vegetation des Boden-
seesw von Schroter uiid Kircbner angewandten. Schroter gibt
dort zur Erliiuterung seiner Ausdrucke folgendes Beispiel:
Vegotationstypus . . . Grasflur
Formation sgruppe . . . Wiese
Formation Trocken wiese
Subformation Alpine Trockenwiese
Bestandestypus . , . . Nardetum (Nardus stricta be-
zeichnend)
Subtypus Auf Urgebirge (mit Trif. alp.)
Facies Nardetum (Nardus dominie rend)
Einzelbestand .... Nardetum auf Alpe di Sella
am Gottbard.
Synokologie bedeutet die Lebre voni Haushalte der „Pflanzen-
vereine", Autokologie die Lehro vom Hausbalte der einzelnen
Spezies. — Die Pf 1 anzen nam en sind der ,.Flora der Schweiz"
von Sfbinz und Keller entnommen, wo im Register aucb die
Autornamen angetubrt sind. — Zur leicbteren Auffindung der
Ortsnamen auf der Karte bediene man sich des Registers am
Scblusse der Arbeit.
191
Erster, synokologischer Teil.
Allgemeines flber die Felsenpflanzen des Gebietes.
I. Kapitel.
Die Formattonen der OefSssflora des Kalksteins.
§ I-
Obersicht.
Alle auf dem nackt zu Tage tretenden Kalkstein
wachsenden Gef asspflanzen lassen sich, ihrer verschiedenen
Okologie gemass und gemass den fortschreitenden Stadien
der Verwitterung des anstehenden Felsens, nach folgendem
Schema gruppieren:
a) Pflanzen, die zwar auf Stein wachsen, aber in keinem
nachweisbaren oder doch zu vermutenden gesetz-
massigen Abhangigkeitsverhaltnis zu ihm stehen;
z. B. die Schneefleckflora.
b) Pflanzen in nachweisbarer oder doch zu verniutender
Abhangigkeit von den Eigenschaften des Steins als
Substrat.
Sie besitzen als okologische Gesamtgruppe folgende
Standorte und entsprechende okologische Untergruppen.
192
o
© QQ
o fee
§§«
= : c
-C :5 +*
fat:
Is
£
£§
O c |H
~ c cp
- 3^=
Standort
1. Mehr oder weniger kom-
pakte W&nde und Bldcke
2. Ruhende Trummer . . .
3. Rutschende Trummer . .
4. Durch Wasser fortbewegte
Trummer
5. Sand
Die Flora der durch
Gletschertransport modifi-
zierten Anhaufungen von
Gesteinstriimmern diirfte
grosstenteils unter den Ab-
schnitt a fallen.
Untei-ffruppei
Felsenpflawen
Felsschuttpflanze
Qerollpflamen
Kiespflanzen
Psammophyten
6. Karrenfelder Karrenfeldftora
7. Hieher gehort vermutlich
auch die Felsenhaide
mit Vaccinien,Cetrarien und
Cladonien, die, im Gegen-
satz zum benachbarten
Ratikon, in unserm Gebiete
so sparlich auftritt, dass
mir das Material zur sichern,
sachgemassenAngliederung
fehlt.
§2.
Definition des Begriffes „Felsenpflanze".
In der Literatur fand sich keine eigentliche Defin
tion des Begriffes „Felsenpflanzea. Es ist dies veratfcnc
lich; die grossen pflanzengeographischen Werke sind d<
Charakteristik grosser Gruppen gewidmet und nicht di
einzelnen Spezies. Warming sichtet nach dkologische
193
Gesichtspunkten, die „Felsenpflanzenu sind aber ein buntes
Gemisch aus Hygrophyten, Mesophyten und Xerophyten ;
Drude charakterisiert nach Lebensformen ; fiir ihn ist
die Gruppe der ^Felsenpflanzen" ganz besonders wenig
einheitlich, und es ist interessant, dass die zwei Termini :
Lithophyten und Chasmophyten, gerade von
Schimper herriihren; die Felsenpflanzen bilden eine rein
edaphisch bedingte Formation. Nur Engler, der sich
mit den Spezies befasst, zahlt sie als Pflanzen auf,
jjWelche vorzugsweise gedeihen, wenn ihr Rhi-
zom oder ihre Wurzel in Felsritzen eingezwangt
und von der Konkurrenz anderer Pflanzen aus-
geschlossen ist".
Wir definieren als Felsenpflanzen alle diejenigen auf
Felswiinden oder Blocken wachsenden Pflanzen, welche im
Stande sind, als erste unter ihresgleichen den Fels dauernd
zu besiedeln und in Verbreitung oder Bau eine mehr oder
weniger ausgepriigte Abhiingigkeit von dem Fels als TJnter-
lage erkennen lasseyu — Dieser Begriff schliesst also so-
wohl den der Lithophyten als den der Chasmophyten in
sich ein und sei mit dem Worte „Petrophytmu bezeichnet.
Es entspricht aber wenig dem Sachverhalte, die Chasmo-
phyten (Spaltenpflanzen) den Lithophyten nebenzuordnen,
vielmehr miissen den Lithophyten, d. h. den Pflanzen, die
den vollig nackten Fels zu besiedeln vermogen, was in
unserm Gebiete nur von Kryptogamen geschieht, solche
KryptogamenundPhanerogamen gegeniibergestellt werden,
welche den Fels nur da besiedeln, wo sich Detritus an-
gesammelt hat, sei es in Spalten oder an der Felsober-
flache. Wir nennen sie Chomophyten1). Da die letzt-
2) Von x6 xffip*) das Angehaufte, namentlich angebaufte Erde,
nach liebenswurdiger Mitteilung von Prof. A. Kagi.
194
genannten Moglichkeiten aber eine ganz verschiedene
Okologie bedingen, so empfiehlt es sich, sie auseinander zu
halten, so dass wir also zu folgendem Schema gelangen:
Petrophyten =■= Felsenpflanzen
Lithophyten l) Chomophyten
bei uns nur ~ ' ~"
Kryptogamen Oberflachenpnanzen Spaltenpflanzen
Exochomophyten Chasmophyten
(= Chasmochomophyten)
In der vorliegenden Arbeit werden nur die
Chomophyten Berucksichtigung finden und auch
von diesen nur die Gefasspflanzen.
Kino Felsenpflanze (Chasm ophy to) ist z. B. das stengelige
Fingerkraut, Potentilla caulescens; denn ihre Keimpflanzen finden
sicb in den allermeisten Fallen an solchen Stellen einer Feisspalte,
wo dieselbe keine andere Phanerogamen aufweist; und auch zwei
Drittel der ausgewacbsenen Exemplare wachsen vereinzelt oder
haben nur ihresgleichen als Nachbarn. Zudem zeigt sich Poten-
tilla caulescens, wie wir spiiter seben werden, ganz vorzuglich
an ihre unnachgiebige Unterlage angepasst. Andere haufige und
typische Felsenpflanzen unseres Gebietes sind demnach auch:
1. An den YVanden am nordlichen Walonseeufer, aber ausnahms*
los auch viel holier (vide Anhang I. Teil II. Kap. § 2).
Glob ul aria cordifolia
Asplenum trichomanes
Aspienum ruta muraria
Laserpitium siler (in den obem Regionen nicht
mehr Felsenpflanze)
Sedum album
Sedum dasyphyllum
Kernera saxatilis
Leontodon incanus
Sempervivum tectorum
Campanula pusilla
Dianthus inodorus.
*; Es scheint mir iibrigens fraglich, ob man das Wort Litho-
phyten nicht besser fur die ganze in § I unter b genannte Grapp®
von Pflanzen aufbewahrt hatte.
195
in Nordexposition
2. Vorzugsweise an den Wanden der mittleren Region:
Primula auricula
Rhamnus pumila
Athamanta hirsuta, oft fast allein an vollig senk-
rechten Wanden; aber namentlicb auch
auf Felsschutt
Gypsophila repens
Saxifraga aizoides
Saxifraga aizoon
Heliosperma quadrifidum
Valeriana saxatilis
Juncus trifidus (circum-
polares Lichtblatt)
Hieracium lacerum
Hieracium amplexicaule.
3. In der Gipfelregion :
Carex mucronata
Androsace helvetica
Saxifraga ceesia
Saxifraga oppositifolia
Saxifraga moschata
Petrocallis pyrenaica
Fe9tuca rupicaprina
Festuca pumila
Agrostis alpina
Agrostis rupestris.
Andere siebe An bang.
§ 3.
Felsbewohnende Pflanzen, die nicht unter den Begriff
„Felsenpflanzen" fallen.
Dicht vermengt mit den im vorigen Paragrapben als typiscbe
Isenpflanzen aufgefuhrten Spezies wacbsen aber eine ganze An-
hi Pflanzen, die wir trotz ihres Standortes nicht unter dem oben
finierten Begriff zusammenfassen konnen, sondern folgenden
?sellscbaften zuteilen :
a) der Schneefleckflora,
b) der Schutt- und Gerollflora,
c) der Karrenfeldflora.
196
Parnassia palustris zum Beispiel, die sich hie and da ver-
einzelt in Spalten findet, wird wohl niemand zu den Felsen-
pflanzen ziihLen wollen ; denn ibr eigentlicher Standort ist der
geschlossene Rasen feuchter, suinpfiger Wiesen, und ebenso wenig
die grosse Kategorie aller jener Pflanzen, fur welche sich nach-
weisen lasst, dass sie sich nur deshaib eingestellt haben, weil
durch lokale Verhaltnisse: Karrenbildung, Anhaufung von Stein-
splittern, lange Schneebedeckung etc. die Eigenschaften desFelsens
als Substrat verwischt und Bode n verbal tnisse geschaffen worden
Bind, wie sie fiir andere Formationen charakteristisch sind. Um
fiir das Folgende reinen Tiscli zu gewinnen, soil also zunachst
eine kurze Oharakteristik der den Felsenpfianzen sich oft bei-
mengenden Formationen gegeben werden.
a) Die Schneefleckflora.
Halten wir uns streng an das oben genannte Prinzip, so sind
wir nach den Vorkommnissen in unserra Gebiete (und ich zweifle
nicht, dass dieselben allgemeinen Gesetzen folgen) vor all em ge-
notigt, eine gauze Reihe oft auf Felsen wacbsende und den ver-
schiedensten Formationen zugezahlte Pflanzen zu einer besondern
Gesellschaft zusammenzufassen, namlich:
Hutchinsia alpina Carex nigra
Arabia cwrulea Polygonum viviparum
Ranunculus alpestris Saxifraga aphylla
Poa minor Saxifraga androsacea
Achillea atrata Saxifraga stellaris
Fiir a lie diese Spezies liisst sich namlich erkennen, dass sie
nur deshaib so hiiufig auf Felsen wachsen, weil der Fels in den
von ihnen bevvohnten obern l) Region en den grossten Teil der
Bodenflache ausmacht. Im iibrigen gedeihen sie aber ebenso gut
auf Sch latum, oder dem Quarzsande der Neocomkarren, oder auf
feinem Geroll, da der sie bedingende Faktor direkt nicht an Bodeu-
verhiiltnisse gekniipft ist. Ihre Standorte auf dem Fels stiinmen
aber doch aile in einem Punkte iiberein : sie besitzen eine sehr
lange liegenbleibende Schneedecke, so dass der Boden. auf dem
sie gedeihen, nur drei bis hochstens vier Monate im Jabr der Ein-
wirkung der Sonnenstrahlen off en stent. Wir konnen die ge*
nannten Spezies also unter dem Namen Schneqfleckflora*) vereinigen.
*) Polygonum viviparum stoigt tief hinab (1400 mj.
*) Vergleiche: Engler, „rflanzenformationen", pag. 44 und 46, be-
Bonders seinen Auwdruck „Hochalpine Schlickpfianzen".
Drude I schreibt: „Auch der Rand der Schneelager erzengt tein*
197
Zu ihrer Ckarakteristik sei folgendes erwahnt: Zunachst darf
ihre causa efficiens wegen dieser Indifferenz gegen die Unterlage
keineswegs ohne weiteres in der Verkurzung dor Vegetationszeit
gesucht werden ; denn samtliche Lokalitaten rait Schneefleekflora
zeigen schliesslicb doch auch eine iibereinstimmende Boden-
eigenschaft, namlich jenen schlainniigen, regenwurm-
losen Schlick, der stets beim Abschmelzen grosser Schnee-
roassen liegen bleibt, das eine Mai in Masse (tonnenweise) die Ein-
8enkungen des Talgrundes ausfiillend, an andern Orten nur in die
Spalten eindringend, oder wieder an andern die Zwischenraume
zwiscben den Gerollstiicken oder den Quarzkornern des oben er-
wahnten Sandes ausfiillend.
Immerbin bat die Annabme. dass es die besondere Eigen-
tumlichkeit des Nahrbodens ist, welcbe auf Fels den Ersatz der
Felsflora durcb eine andere bedingt, nach meinen Beobacbtungen
doch weniger Wahrscheinlichkeit fiir sich, als die andere, dass die
Verkurzung der Vegetationszeit direkte Ursacbe des Wecb-
sels ist. Man kann zwar beobacbten, dass in den grossen Schnee-
feldern der „Tierwies" sofort mit dem Auftreten von Regen-
wunnern und dementsprecbender Umformung der Erde an Stelle
der Scbneefleckflora sich Spezies einstellen, die wir als die mar-
kantesten Felsenpflanzen kennen, so Globularia cordifolia und
Primula auricula. Aber sebr wabrscbeinlicb treten eben Regen-
wurmer auch nur da auf, wo die schneefreie Zeit aus irgend einem
Orunde langer als nur drei M6nate dauert, und andrerseits findet
man ebenso typiscbe Felsenpflanzen, z. B. Potentilla caulescens,
in den untern Regionen auf regenwurmlosem Scblamm. Sodann
tritt auch ohne deutlicbe Veranderung des Nahrbodens mitten in
Schneekesseln drin, an alien erhohten Stellen, die also voraus-
sichtlich friiher schneefrei werden, eine andere Gesellschaft auf,
deren haufigste Vertreter Salix retusa, Saxifraga moschata und
oppositifolia, sowie Silene acaulis sind.
«igenen Beetande, deren Charakter nur nach der Zeit seines AbBchmelzena
wechselt. In niederen Hohen erscheint der Crocus unmittelbar hinter dem
8chnee, spater begrunt sich die Grasnarbe; in grosseren Hohen besiedelt
8oldanella alpina seine Bander und hohe Nivalpflanzen erreichen hier oft
ihre niedrigsten Standorte. Besondere umsaumen bis in die hochsten Hohen
die weissen Banunkeln die Schmelzlager mit ihrem lieblichen Kranze: der
kleine R. alpestris and besonders R. glacialis mit seiner kraftigen Blume in
braunrot behaartem Kelcbe."
Unsere n8chneefleckflorau speziell ist dadurch charakterisiert, dass sie,
entsprechend ihren hohen Standorten nicht nur „Frilhling8n,oraa, sondern Allein-
inhaberin ihres Ortes ist.
198
Schliesslich konnte man aber die Schneefleckilora auch nur
als Feuchtigkeitspflanzen deuten. Ich fand auch tatsachlich
die Standorte der Schneefleckf lora stets feucht, welcher Umstand
aber keineswegs beweiskraftig ist, da die gauze Untersuchungs-
zeit fiir die Alpenpflanzen keine langere trockene Periode auf-
wies; icb bin im Gegenteil zu der Cberzeugung gelangt, dass
die Schneefleckf lora jedenfalls nicht alleindurch einen
hohern Feuchtigkeitsgrad bedingt sein kann, und zwar
aus folgenden Griinden : Erstens finden sich ihre Spezies mit Aus-
nabme von Saxifraga stellaris haufig an Stellen, die in trockenen
Zeiten nach der Schneescbmelze jeder erneuten Wasserzufuhr ent-
bebren miissen (z. B. an der Siidwand des Sentisgipfels und den
Graten des Sentis und Altmanns iiberhaupt). Zweitens tritt in
der Hohenregion der Schneefleckflora unter sonst gleichen Be-
dingungen an all den Stellen, die nicbt nur wahrend und kurz
nach der Schneescbmelze, sondern dauernd von Schmelzwasser
befeuchtet werden, ein besonderer Bestand auf, den Heer 1835
und Stebler und Schroter 1893 als Schneetalchenrasen be-
zeichnet haben Er ist im Gegensatze zur Schneefleckflora ein
geschlossener Bestand; denn wahrend letzterer die Moose voll*
stan dig abgehen und als Erstlingspflanzen ausnahmslos Hutchinsia
alpina und Arabis coerulea auftreten, ubernehmen in den Schnee-
talchen die wunderbar sattgrunen Teppiche des Goldhaarmooses
(Polytrichum) die Erstbesiedelung. Wie wenig die beiden For-
mationen miteinander gemein haben, ergibt sich iibrigens am besten
aus einem Vergleiche der Artenlisten !). An der „Rossegg" zwischen
j^Blauschnee" und „Ohrli:t finden sich bei ca. 2200 m einerseits
in den karrenahnlichen, von Schmelzwasser durchflossenen Ver-
tiefungen des Neocoms zahlreiche Stellen mit iippigem Polytrichum-
Rasen, und oft hart daneben, auf Geroll, an den kleinen Wanden
oder auf gespaltenem Fels, wo das Schmelzwasser rasch versickert,
Stellen mit Schneefleckflora von folgender Zusammensetzung:
Schneetalchen : Schneefleck :
Polytrichum Hutchinsia alpina
Gnaphalium supinum Arabis coerulea
Leontodon pyrenaicus Achillea atrata
Plantago alpina Poa minor
Salix herbacea Saxifraga stellaris
l) Iminerhin spricht nichte dagegen, die Schneefleckflora ala *&*
„ trockene" Parallel fazies der Schneetalchenrasen aufznfassen.
199
Schneefleck:
Saxifraga androsacea
Rumex nivalis
Ranunculus alpestris
Polygonum viviparum
Sehneetilchen :
Ligusticum mutellina
Leucanthemum alpinum
Taraxacum officinale
Veronica alpina
Alchemilla glaberrima
Gentiana brachyphylla
selten :
Ranunculus alpestris und
Poa alpina
Die Losldsung der Schneefleckflora von der ubrigen Fels-
>ra und ihre Zusammenfassung zu einer eigenen Formation be-
tindeten wir durch ihre gesetzmassigen Beziehungen zu Faktoren,
3 mit dem Fels als solchem nichts zu schaffen haben. Dass
bei kein grosser Feblgriff getan wurde, ergibt sich nock aus
lem andern Umstande. Die Spezies, die nur wegen ihrer Stand-
bsverhaltnisse vereinigt wurden, stimmen auch samtliche mit
isnahme von Poa minor im Habitus ihrer Blatter unter sich
erein und unterscheiden sich ebenso deutlich von den ubrigen
lsenpflanzen. Sie tragen namlich alle dickliche l) (nicht lederige),
alle, kahle, glanzende Blatter. Diese CTbereiiistimmung ergibt
jh am deutlichsten durch Vergleich der Flora eines Schnee-
tckes (siehe obige Liste) mit einer benachbarten, fruh schnee-
» werdenden Wand mit folgenden Felsenpflanzen : Alchemilla
>ppeana, Gypsophila repens, Globularia cordifolia, Thymus ser-
llum, Carex firma, Saxifraga moschata und Saxifraga aizoides,
*lianthemum vulgare, Silene acaulis, Rhamnus pumila, Sedum
ratum, Athamanta hirsuta.
b) Die Gerdll- und Schuttpflanzen.
Das eben Bemerkte gewinnt an Wert durch Betrachtung der
irhaltnisse bei einer andern Abteilung von Pflanzen, die sich
cb der Felsflora beimengt, ohne zu ihr zu gehoren : der Schutt-
d Gerollflora.
Zur Charakteristik der GeroH/lora kann ich eine Stelle aus
hroters (I) Monographie des St. An ton i tales anfuhren, wobei ich
merke, dass Schroter fur den beweglichen, rutschenden Schutt,
3 Geroll, keinen eigenen Nam en verwendet, sondern auch hier
9 Wort Schutt gebraucht.
*) Und darum mit Jungners „Schneeblatternu nicht vollstandig uber-
Atfrnmend und eher „Keimblatttypu8u.
200
„Am eigenartigsten ist die Vegetation der beweglichen Schutt-
balden am Fuss der Kalkfliihe. Beweglich ist nur die Schuttdecke;
darunter liegt fester, aus den Verwitterungsprodukten des Schuttes
hervorgegangener Boden. in welchem die Pflanzen wurzeln. In
der Art und Weise, wie die Schuttpflanzen sich den Eigentum-
lichkeiten ihres Standortes anpassen, lassen sich deutlich zwei
prinzipiell verschiedene Typen unterscheiden, der auslaufertreibende
und der horstbildende.
Die auslaufeiireibefiden Schuttpflanzen senden von ihrer Wurzel
aus zablreicbe, lange Triebe durcb die Schuttdecke hinauf, welche
da und dort sich ans Licht emporarbeiten, um Blatter und Bluten
zu bilden. Wenn sie vom beweglichen Schutt zugedeckt werden,
verlangern sie sich (sie ,,vergeilenu) und dringen wieder zum
Lichte durch. Wo sie niit dem erdigen Boden in Kontakt komnien,
bilden sie Wurzeln und konnen dann ein selbstandiges Leben
fiihren. So kann von einem Samen aus ein weitverzweigtes, den
Schutt durchspinnendes Individuum entstehen, das durch passiven
Widerstand, durch ein Sich-Ducken und nachheriges schlaues
Durchkriechen den Angriffen seines stand ig mit Verse hiittung
drohenden Standortes entgeht.
Der zweite Typus der Schuttpflanzen, die horstbildendcn, breiten
einen zusammenhangenden Teppich iiber den Schutt, welcher von
einer einzigen, das Ganze verankernden Pfahlwurzel ausgeht. Alle
Triebe sind bier in einem Busch zusammengedrangt, der gewohn-
lich durch die Bewegung des Schuttes talabwarts gedrangt, an
der straffgospannten Pfahlwurzel gleichsam aufgehangt erscheint
Oft ist der letztere auf weite Strecken oberirdisch und lauft wie
ein Seil iiber den Schutt. Die Pflanze setzt dem beweglichen
Schutt einen tapfern, aktiven Widerstand entgegen ; er staut sich
an ihrem Horst, sie bringt ihn zum Stillstand, es bildet sich hinter
ihr ein schwacheres Gefalle, wahrend der Horst selbst nach vorn
gedriickt wird: so bilden sich Treppenstufen, natiirliche Gefalls-
briiche, deren Vorderfliiche durch den an der Pfahlwurzel auf-
gehiingten Horst, deren Oberflache durch den dahinter aufgestanten
Schutt gebiidet wird. Es ist ein Beginn der Festigung des Schuttes,
welche dann von der Treppenstufe aus weiter fortschreitet
Am schonsten zeigen diese Erscheinung die Zwcrgstraucfor
mit SpalienvucJis, d. h. mit in einer Ebene ausgebreiteten Astchen
und Zweigchen. Da hangt oft an einer daumendicken und mehrere
Meter lange n Pfahlwurzel ein formlicher Schirm aus dicht sich
drangendem Gezweig, der einen ausgezeichneten Schuttfang bildet
201
12 nd hinter sich eine lange Zunge von Schutt gestaut hat. Nament-
lich die stumpfblattrige Weide (Salix retusa) zeigt das sehr schon.
Aucb die Silberwurz (Dryas octopetala) bildet machtige grune
Inseln im Schutt; ich nahm eine solche als Demonstrationsstiick
mit, die 2 m in die Lange und 1 m in die Breite mass; in den
feinen Asten hatte sich schon betrachtlicher Humus gebildet und
Horste von Carex sempervirens begannen sich anzusiedeln.u
In unserm Gebiete unterscheidet sich die Flora der Geroll-
halden deutlich, je nachdem die Aperzeit1) der Halde eine lange
oder eine kurze ist. Im ersteren Falle, d. h. wenn die Schnee-
bedeckung eine kurzdauernde ist, sind als Charakter-
pf lanzen zu nennen :
Silene venosa Sesleria coerulea
Linaria alpina Teucrium chamsedrys
Vincetoxicum officinale (nur Dryas octapetala (namentlich
in den untern Region en) bei Nordexposition).
Auf Gerollhalden mit langer Schneebedeckung aber
finden sich die Genannten nicht mehr, daftir ausnahmslos
Thlaspi rotundifolium
Aronicum scorpioides
Oxyria digyna,
von denen wieder zwei den besprochenen Blattbau aufweisen.
Auf Fels erscheinen von den aufgezahlten Spezies namentlich
Sesleria coerulea, Teucrium champedrys, seltener Vincetoxicum,
Thlaspi rotundifolium und Dryas.
Von der Gerollflora trennen wir, wie bereits angedeutet, die
Schuttflora. Schutt ist ein ruhendes Gemenge von feineren und
groberen, mit wenig Humus durchsetzten, festen Vervvitterungs-
produkten des Felsens. Er findet sich uberall da, wo in hoheren
Regionen auf annahernd horizon talen Flachen, primar oder an-
geschwemmt, die Verwitterungsprodukte liegen bleiben, ohne dass
sie von einer geschlossenen Vegetationsdecke uberzogen werden
konnten, ferner unter den beweglichen Steinen der Ger6llhalden,
meist oben an den Halden zutage tretend.
Die Schuttflora ist meist deutlich verschieden von der Geroll-
flora und zerfallt gemiiss der verschieden lang dauernden Aper-
zeit in zwei Komponen ten. Bei kiirzerer, zwei bis drei Monate
dauemder, sind als Leitpflanzen zu nennen :
Galium helveticum
Cerastium latifolium,
l) d. h. die Zeit von der Schneeschmelze bis zum Einsohneien.
202
bei langer, auf trockenem Schutt:
Heliantheinum alpestre
Helianthemum vulgare
Satureia alpina
Anthericus ramosus \ ,. , ,. .. .
.,. } (in der Kulturregion)
Hippocrepis comosa J
Oxytropis montana (in der Bergregion),
auf nassem Schutt mit mergeliger Unterlage :
Tussilago farfara und
Adenostyles alpina und albifrons.
Gerade gewisse Komponenten der Flora des trockenen Schnttes
sind beinahe bestandige Begleiter besonnter Felswande
und miissen deshalb noch einlasslicher erwahnt werden. Es ist
leicht einzusehen, dass sich die bei der Verwitterung entstehenden
Triimmer nicht nur unten an den Wanden ansammeLn, sondem
aucb auf jedem Vorsprunge der Wand selbst; nur werden grobere
Steine iiber dieselbe hinwegsetzen, wie sie aucb tiber den obersten
Teil der Gerollhalde selbst hinwegsetzen. Es finden sicb also
iiberall auf den Vorsprunge n der Wande gleichsam die obersten
Teile der Gerollhalden und aucb eine dementsprechende Flora,
niiinlich: Hippocrepis comosa, Satureia alpina, Satureia acinos,
Satureia calamintha var. nepetoides, Helianthemum vulgare, Helian-
themum alpestre, Allium spheerocephalum, Geranium sanguineum,
Vincetoxicum officinale, Thalictrum minus, Anthericus ramosus,
Origanum vulgare, Thesium alpinum, Reseda lutea; sodann von
eigentlichen Felsenpflanzen: Sesleria coerulea, Teucrium
chamwdrys, Teucrium montanum, Galium mollugo, Galium mollugo
var. Gerardi, Galium rubrum, und solchen, die wenigstens oft auf
Fels: Festuca ovina, Stupa pennata, Stachys recta, Digitalis am-
bigua, Silene nutans, Artemisia absinthium, wozu in der alpinen
Region noch Oxytropis montana kommt.
Cber die Okologie der Schuttflora kann icb gar nichts an-
fiihren. Sie zeigt aber an so vielen Orten in die Augen springende
Differenzen in der Artenliste, dass sich eine okologische Spezial-
untersuchung bei ihr wohl ebenso sehr lohnen durfte, wie bei der
Felsflora.
c) Die Karrenfeldpflanzen.
Noch eine dritte auf dem Fels wachsende Artengruppe mdchte
ich, und zwar als Karrenfeldpflanzen, von den eigentlichen Felsen-
pflanzen getrennt wissen — wieder nicht etwa deshalb, weil ich
im Stande ware, fiir dieselbe eine besondere Art des Haushaltens
203
nachzuweisen, sondern einfach gestiitzt auf die Beobachtung, dass
init einer gewissen Felsbeschaffenheit, den Karrenbildungen, ein
Bestandtypus auftritt, der sich in iihnlicher Zusammensetzung
nirgends mehr sonst auf dem Fels, wohl aber in den nach Kerner
als Karfluren bezeiclmeten Standorten wiederfindet, d. h. in
kleinen, trumnierreichen, huniuserfullten Felstalchen. Die Zu-
teilung der Karrenfeldflora zur Vegetation der Karfluren wird
aucb dadurch gerechtfertigt, dass makroskopisch wenigstens die
Ahnlichkeit in den okologischen Bedingungen zwischen Kar und
Karrenfeld ganz bedeutend ist, wahrend zugleich auch die Ver-
schiedenheit in den Lebensbedmgungen auf einem Karrenfeld und
einer gewohn lichen Felswand in die Augen springt 1). Es ist
deduktiv abzuleiten, dass die Karrenfelder neben der durch die
geograpbische Lage bedingten Schneefleck- und Schneetalchen-
flora an besonnten und starker geneigten Partien noch zweierlei
Bestando tragen mussen : echte Felsflora auf den Wasserscheiden,
Erhohungen, Vorsprungen, Hiicken und Karnmen aller Art, und
eine andere in den niit Humus angefiillten Lochern und Furchen,
sofern dieselben nicht Schneeflecken sind. Die Notwondigkeit der
Cbereinstimmung dieser letztern, allein Karrenflora zu nennenden
Bestande, weil eben sie allein die Karrenfelder vor anderm Fels
floristisch auszeichnen, mit Kerners Karfluren leuchtet ein.
Eine Cbarakterpflanze der Karrenfeldflora ist
Aconitum napellus; denn diese Liigerpflanze, die sonst nirgends
>) Die Karren entsteben auf reinem Kalkfela da, wo deraelbe lange von
Schnee bedeckt bleibt. Die drei groaaen Bchneekessel des Bentis: Groaa-
achnee, Blauschnee und Tierwies. zeigen denn aucb groBsartige Karren-
bildungen.
Den Vorgang der Karrenbildung, wie bekannt eine Loaung des kohlen-
aauren Kalkes durch kohlenaaurehaltigea Wasser [Ca C08 -f- H* COs = Ids-
lichee Ca(HC08)8] kann man aich leicht vorstellen, wenn man annimnit,
statt der echwachen Kohlenaaure wirke atarke Salzsaure auf den Fels ein.
Oenau wie letztere ateta da am kraftigaton loaen wurde, wo sie aich in kleinen
Vertiefungen oder Spalten anaammelte, aei ea, um liegen zu bleiben, aei es,
um in der Richtung des groaaten Gefalles abzuflieaaen, genau so erzeugt das
Jahrtausende lang wirkende Wasser durch meaaerscharfe Leisten und Ramrae
getrennte Rinnen und Locber, ein ganzea Labyrinth yon Hohlraumen, Spalten
und Schluchten, von alien moglichen Dimenaionen: wenige Centimeter bis
mehrere Mann tief, manchmal mit der Bchuhaohle zu uberbrucken, oft ao
breit, dass ein tuchtiger Springer nicbt mehr dariiber aetzen konnte.
Heim (Jahrbuch dea Schwoiz. Alpenkluba 1877'78) achreibt:
Karren finden wir nur da, wo das Geatein als solches loslioh ist und
wo die chemische AufloBung des Geateina vor jeder mechanischen Verwitte-
rung weit im Yorsprunge iat.
204
auf dem Fels zu finden ist, tut wohl am besten dar, wie grund-
lich verschieden die Okologie dieser Abteilung auf Fels wachsender
Pflanzen von der eigentlichen Felsflora sein muss. Den Standort
ebenfallB kennzeichnend, diirften sein:
neben Aconitum Napellus:
Aspidium rigidum
Adenostyles alpina
Allium victorialis
Imperatoria ostrutbium
Chterophyllum Villarsii
Heracleum spbondylium
Lilium martagon
Mulgedium alpinum.
Und umgekehrt konnte wohl eine genaue Untersuchung der
Lebensbedingungen dieser niemals gediingten Karrenlocher einiges
Licht werfen auf den eigentlichen Effekt der tTberdungung.
Es ist aber noch eines andern Bewachmngsmodus' der Karren
Erwahnung zu tun. Am Gamserruck (Curfirsten) finden sich naro-
lich Karren t deren Furchen, ohne ausgefullt zu sein, oben direkt
mit einem dichten Felsheideteppich (Vaccinium uliginosum, Rhodo-
dendron liirsutum etc.) uberdeckt werden, und zwar so luckenlos,
<lass man ihn, ohne allzu oft einzubrechen, als Weg benutzen kann.
II. Kapitel.
Die Felsenpflanzen als Formation.
§ 1.
Die allgemeinen Lebensbedingungen der Felsenpflanzen.
Im vorigen Paragraphen wurde versucht, eine tJber-
sicht iiber diejenigen felsbewohnenden Pflanzengruppen
zu geben, welche nicht zur eigentlichen Felsflora zu z&hlen
sind. Wir konnten diese Trennung vornehmen, ohne
etwas von der Okologie des Ausgeschiedenen noch des
zuruckbleibenden Restes, eben der eigentlichen Felsen-
pflanzen zu wissen, indem wir uns einfach auf die Be-
obachtung stutzten, dass gewisse Stellen der Felsw&nde
205
gleich besiedelt sein konnen, wie ganz andere Standorte
und dann auch in ihrer Beschaffenheit von der tibrigen
Felswand abweichen und mit den betreffenden Standorten
ubereinstimmen. Von dem spezifischen Charakter der
Felswand selbst haben wir aber noch nichts erfahren. Es
ist also, wenn wir von der negativen zur positiven Be-
stimmung der Felsenpflanzen iibergehen wollen, unsere
erste Aufgabe, soweit dies heute moglich ist, und so-
weit es meine Untersuchungen gestatten, die Lebens-
bedingungen zu erforschen, welche der Fels den ihn be-
siedelnden Oefasspflanzen bietet.
A.
Die standortschaffenden Faktoren.
1. Oberflachengestaltung und Spaltenbildung.
Beginnen wir bei den Malm- und Schrattenkalken.
Sie konnen auf grossen Strecken eine beinahe vollstandig
intakte und glatte, hochstens etwas unebene Oberflache
aufweisen (z. B. Tierwies). In keinem Falle aber fehlen
Spalten ganzlich. Schratten- und Malmkalk sind ge-
schichtet und das Charakteristische der Schichtung sind
eben Schichtfugen, d. h. ursprunglich die beinahe ebenen
Grenzflachen zwischen verschiedenem Felsmaterial, spater
aber meist ahnliche Gebilde darstellend, wie sie beim
Aufeinanderlegen flacher Korper zwischen denselben ent^
stehen. Man erklart sie als Folge eines Unterbruches
oder Wechsels in der Ablagerung. Bei Quinten sind die
Schichtfugen durch mergelige, zwischen die meterhohen
Malmbanke eingelagerte Lamellen vertreten; seltener ist
durch das Auswaschen des Mergels ein entsprechender
Hohlraum entstanden. Die Schichtflachen des Schratten-
206
kalkes dagegen sind meist mehr oder weniger spaltenlos
aneinander gelagert. Sie entlassen aber oft einen feinen,
gelblichen Schlamm und zeichnen sich stets durch schein-
bar unbegrenzte Ausdehnung aus, ein Umstand, der in
seinem Effekte als. Feuchtigkeitsreservoir noch durch die
haufige Leitung fliessenden Wassers zwischen den Schicht-
fugen unterstiitzt wird.
Ahnliche Beschaffenheit zeigt auch eine zweite Kate-
gorie von Spalten: die Vertverfungsklufte, nur mit dem
Unter8chiede, dass ihre Begrenzung nicht von kompaktem
Materiale, sondern von zerriebenem, geknetetem, blattrigem
oder gepulvertem Fels bewerkstelligt wird.
Der eigentliche spalten- und damit stand ortschaffende
Faktor ist aber viel weniger in der Schichtung und Ver-
werfung, als vielmehr in den viel zahlreicheren andern
Ablosungsfugen der Gesteine zu suchen (Clivage, Kon-
traktionsspalten, Querklufte), welohe alle durch
die Verwitterung geoffnet werden; denn Malm- und
Schrattenkalk gehoren mit Ausnahme der unbedeutenden
mergeligen Zwischenlagerungen zu den roches dysgeo-
genes, oligopeliques. — Uber die Offnungsbreite
dieser zahllosen, die Felswande durchsetzenden Spninge,
Risse und Spalten lassen sich keine allgemeinen Angaben
machen. Oft hat sich eine turmhohe Wand so weit vom
Massive losgelost, dass durch den Zwischenraum ein be-
quem zu begehender Weg fiihrt. Fiir uns kommen aber
nur solche Spalten in Betracht, die weniger als ca. 6 cm
klaffen, denn breitere werden entweder ausgewaschen und
tragen dann keine Flora oder sie sind, sofern der Detritus
haften bleibt, mit Wiesenpflanzen bestanden. Auch uber
die Minimalbreite einer eben noch von Wurzeln durch-
zogenen Spalte lasst sich nichts aussagen, da sie sich der
207
Messung entzieht. Sie liegt jeden falls unter 0,1 mm. —
Die Abschuppung einer verwitternden Wand geschieht
meist in zur Oberflache parallelen Lamellen, gleichgultig,
welches auch das Streichen der Schichten sei. Letzteres
ubt hochstens einen das Gesamtbild modifizierenden Ein-
flu8s aus. Nur an relativ jungen Einkerbungen, Rut-
schungen, Graten und noch einigen sonstigen Stellen starren
einem die Sohmalseiten der abgelosten Stiicke entgegen.
Die seitliche Abgrenzung der Lamellen erfolgt oft mehr
Oder weniger deutlich in ebenen Flachen, scharf kantig,
und annahernd senkrecht zur Oberflache. Der besondere
Habitus der Spaltungsstucke (brockig, plattig), sowie auch
die Art der Ablosung ist dabei fur eine und dieselbe
Wand ziemlich konstant. Entweder schreitet namlich die
Loslosung jeder einzelnen Platte an der ganzen Wand
von unten nach oben, oder an der ganzen Wand von
oben nach unten fort. Sturzen nun einzelne, schon vollig
hohl liegende Teile durch Querbruch ab, so erhalten wir
ein Wandprofil, das im ersten Falle dem eines steilen
Daches mit flachen Ziegeln, im andern dem eines verkehrt
geziegelten Daches oder einer Treppe mit iibermassig
hohen und meist schief gestellten Stufen ahnlich ist, d. h.
die Wand zeigt Vorspninge, welche durch eine Steilspalte
vom Massiv teilweise getrennt sind und ihre horizontal en
Querbruchfl&chen entweder nach oben oder nach unten
kehren. Teilweise fehlen aber die Querbruchflachen. Die
losgetrennten Stiicke sind dann schuppig und bilden keine
Stufen. — Das Angefiihrte ist selbstverstandlich ein Schema,
das in der Natur meist in unendlicher Komplikation ver-
wirklicht ist, indem sich namentlich beinahe regelmassig
nicht nur je eine, sondern, von aussen nach innen fort-
Bchreitend, gleichzeitig eine ganze Reihe von iibereinander-
208
liegenden Platten, Schuppen oder Brocken loslosen. —
Daneben tritt aber beim Schrattenkalk nock ein ganz
anderer Wandtypus auf, bei dem die einzelnen sich loa-
losenden Stiicke nicht Platten oder Schuppen sind, sondern
unregelm&ssige, splitterige Stiicke, in den verschiedenen
Dimensionen ca. 1 — 20 cm messend. Solche Wande zeigen
keinerlei Stufung, um so weniger, als sie uberhaupt, so-
weit man das Gestein auf brechen kann, in Splitter zer-
fallen und keine geschichteten Partien aufweisen.
Das Neocom verhalt sich in seinen wandbildenden
Horizonten ahnlich dem zuerst geschilderten Typus
des Malm- und Schrattenkalkes. Nur ist die Regelmassig-
keit in den Bruchrichtungen weniger deutlich ausgepragt.
Doch ist der Unterschied, vor allem bei den kalkreichen
Horizonten nicht so markant, dass man im Stande ware,
nach einer unkolorierten Zeichnung eine Wand immer als
Neocom oder Schratten zu bezeichnen; ja bei einzelnen
Horizonten des Neocoms kann nicht einmal die petro-
graphische Untersuchung an Ort und Stelle, sondern erst
die palaontologische Erforschung sicheren Aufschluss liber
die Zugehorigkeit eines Felsens geben. — Im iibrigen
kann das Neocom auch ausgesprochen eugeogen auf-
treten, z. B. bei der Rossegg mit seinem in schlammigen
Boden eingestreuten groben Quarzsande ein prachtiges
Beispiel fur eine roche pelopsammique liefernd.
Auch beim wandbildenden Gault sind die Bruchflachen
bei weitem nicht so regelmassig angeordnet wie beim
Schrattenkalk.
Eine ganz besondere, von alien andern Wanden ver-
schiedene OberflachenbeschafFenheit weist der Seewerkalk
auf. Er ist im Gegensatze zu dem dichten, grobschichtigen
Schrattenkalke knollig und diinnplattig. Die geringere
209
Anzahl von breiten Ablosungsfugen des Schrattenkalkes
wird bei ihm, entsprechend seiner feinen Schichtung, er*
setzt durch eine Unzahl feiner Risse, die zu fein sind,
urn feuchtigkeitspeichernden Detritus zu beherbergen. Es
ist also typisch, dass die messerscharfen Rippen und ent-
sprechenden Sattel, oder die zahllosen Vorspriinge und
Gesimse, welche die Verwitterung je nach der Vertikal-
oder Horizontalstellung der Schiohten erzeugt, beimSeewer-
kalk nicht mit breiteren Spaltensystemen in Beziehung
stehen.
2. Der Detritus.
a) Allgemeines.
Der nackte Fels ist bei uns ftir keine Gefasspflanze
bewohnbar. tJber 40° geneigte spaltenlose und glatte
Felsfl&chen sind scheinbar vollig unbesiedelt. Beim An-
schlagen mit dem Hammer entsteht aber allenthalben,
auch auf dem allerkahlsten Fels, ausser in den Schnee-
lochern der Karren ein lebhaft chlorophyllgriiner Fleck,
der darauf schliessen lasst, dass das, was wir Felsober-
fl&che nennen, nicht Gestein ist, sondern ein feiner Krypto-
gameniiberzug. Gefasspflanzen aber treten erst da auf,
wo sich auf dem Fels oder in seinen Spalten irgend-
welcher Detritus angesammelt hat. In den meisten Fallen
ist ja der Fels weder glatt noch kompakt, so dass
Staub, hergewehter Sand, Pflanzenteile, von oben herab-
geschwemmte oder herabgestiirzte Erde, an Ort und Stelle
entstandene Verwitterungs-Riickstande und -Uberreste und
Fazes von Tieren reichlich Gelegenheit haben, sich irgendwo
zu fangen und anzuhaufen.
Nach Drude I mussten unsere Felsen als Pflanzen-
standorte eiugereiht werden in die Klasse der nweis8en%
210
harten Ealkgesteine mit zahem, hellgrauem und magerem ■
pelitischem Detritus ; Ealkgehalt weit fiber 5 °/o und meistens -
die grSssere Halfte bildend"; denn die meisten Schicht- j
fugen, Verwerfungs- und Absonderungsspalten sind mit I
derartigem, allerdings meist ockergelb statt grau gefarbtem
Auslaugungsruckstand angefiillt. Aber als Pflanzenstand-
orte sind unsere Felsen, selbst abgesehen von Gault und
Neocom, dadurch keineswegs charakterisiert. Es ist eben
nicht zutreffend, wenn Drude (pag. 373) das Auftreten
von Regenwurmern in den Felsenspalten ausschliesst l).
Sie kommen in Menge vor und dementsprechend trifft
man wohl ebenso viele Spalten (vielleicht auch mehr),
die mit reinem, schwarzem, mineralstoffarmem Humus ge-
flillt sind, als mit obengenanntem zahem Tonschlamme.
Die meisten Spalten enthalten aber Gemische aus Humus
einerseits und mechanischen und chemischen Verwitterungs-
produkten des Felsens andrerseits.
Belege.
Ich Hess durch die schweizerische agrikulturchemische
Anstalt in Zurich vier Bodenproben auf ihren Humusgehalt
hin analysieren und zwar:
1. Eine Inhaltsprobe (gelber Tonschlamm) aus
einer neu aufgebrochenen Querkluft im Steinbruch
bei Quinten, in ca. 15 m senkrechter und 4 m hori-
zontaler Entfernung von der ehemaligen Felsoberflache
entnommen. Breite der Spalte ca. 10 cm, Ausdehnung
scheinbar unbegrenzt.
2. Samtlichen einem Potentilla caulescens-Exemplare zur
Verfligung stehenden Detritus.
J) Bestatigen kann ich jedoch ein starkes Zuriicktreten sapro-
phytischer Pilze, trotz des reichen Humusgehaltes.
211
Die Trockensubstanz der Potentilla betrug (Ende
April 1903) 28,99 gr
Da von entfielen:
auf 22 vorjahrige Sprosse 6,11 „
„ 39 griine Sprosse 10,41 „
,, den Wurzelstock 8,71 „
„ die Wurzelchen 5,24 ,.
28,99 gr
Es wurde getrennt untersucht:
2a. S&mtlicher Spaltendetritus. (Die Spalten
erschienen makroskopisch von Tieren unbewohnt
und grossenteils unmessbar fein. Das Exemplar
wuchs isoliert an einer nur sp&rlich bewachsenen,
relativ kompakten Wand.)
2 b. Der unter dem Blatterdache und zwischen den
Sprossen an der Oberflache angesammelte Humus.
3. Den Detritus aus einer von Ameisen bewohnten
Spalte. Breite 1—2 mm. Die Spaltenpartie, der die
Probe entnommen wurde, neigte sich etwas gegen
aussen und wies im Gegensatze zu angrenzenden
Spalten keine Pflanzenwurzeln auf.
4. Den Detritus aus einer von Regenwurmern
bewohnten Spalte. Breite wechselnd bis ca. 4 cm.
Umgebung der Wand Straucher tragend.
Samtliche Proben wurden mit einem Teel6ffel ge-
wonnen, bei Proben 2 a, 3 und 4 von der Oberflache weg
bis zu ca. 1 — 2 dm Tiefe.
Die nachfolgenden Zahlen diirften genligen, um zu
zeigen, welch ansehnliche Humusmengen oft in den Fels-
spalten geborgen sein konnen. Die Belege sind typisch,
Nr. 1 und 4 haufige Extreme.
212
<0
■a
3
©
o
©
e
«
©*
•A
•A
X
X
c©
«-H
rji
CM
CO
, -
1 •? -S
»-T
X
of
00~
co~
91
CJ
cT
5 " ^
CO
CM
CO
as —
fa
ill
&
i
X
CO
rH
91
©
in
3
^s1-
CM
S^
^
X
«
*•
e»
(C
^»
eo
3-s
o*
o
<M
o
t*
00
1 * ■"
^H
, IS"
1 **- •- £
be
1
9Q
X
5
eft
O
o
c©~
= « s
1— <
*M
*c 5 .2
CM
1 !l«l*
&
1
•*<
CI
X
tp
CO
1
c
oo"
o
<rf
CM
CD
X
t*»
©
X
■*
o
X
1 5 —
8 «
fir
1— 1
1^.
00
*C
oa
9
1— i
i-H
CM
.
CO
0
Q.
c
i
G"
•g
•
J
C7}
o
5*
a
k
0)
CO
Ui
^
3
3
<T>
•
u,
•
-+->
^3
r!
<D
d
O
G
^2
'©
.5
*©
•
1.
Q.
B
^d
G
O
:oS
CO
3
CO
CO
:3
S
a
2
a.
<T3
oS
GO
3
a
<
CO
1
be
e8
GO
o
O
CO
08
O
CD
a
3
S
s
a
5
,-^
H
(M
CM
Q
W
**i
i— 1
<M
CO
•*
9
5
33
-2 = 5
g.g
^ 2 S
s ** u
ON"'
Li
o
- "E "x
* £ 2
-sj £ <
S c
213
b) Die Mitwirkung von Pflamen und Tieren bei der
Detritusbilditng.
Die Hauptrolle bei der Bildung des Detritus spielt,
wie erwahnt, das von den Botanikern bisher nicht genug
beriicksichtigte Auftreten der Regenwiiriner *) in den
Felsspalten. Jeder Wurm bedeutet eine ganz betr&cht-
liche Vermehrung des Humuskapitals im Fels-
innern. Alle moglichen verwesenden Pflanzenteile, Beeren,
abgefallene Blatter, Samen etc. etc., die ineist rasch vom
Winde verweht wiirden und auch sowieso nicht wesent-
lich zur Vermehrung des Humusgehaltes im Felsen bei-
tragen konnten, da eine oberflachlich gefullte Spalte keine
neue Auflagerung mehr ertragt, werden von den Regen-
wiirmern als Nahrung und zur Auskleidung ihrer Rohren
in die Spalten hineingezogen (siehe Darwin). Die Nahrung
befordert der "Wurm aber nicht, wie man vermuten mochte,
nach der Verdauung wieder nach aussen, sondern er setzt
seine Fakalien, so lange noch irgend ein ihm zugang-
licher Hohlraum besteht, im Felsinnern ab. Daier kommt
es, dass die so kompakt erscheinenden Felswande sich
oft als formliche Humusbehalter erweisen. Mehrere centi-
meterbreite Spalten sind oft in ihrer ganzen sichtbaren
Ausdehnung ausschliesslich mit Regenwurmexkrementen
gefullt. Innere Hohlraume von l\% m8 und mehr Inhalt
erweisen sich haufig als vollstandig vollgepfropft von den
kleinen Kiigelchen aus zerfallenem Regenwurmkot. Bis
•hinauf zu den sturmgepeitschten Graten — Graten, nicht
nur Felswanden — der Sentisspitze findet man sie oft
als einzigen Spalteninhalt grosser Felskomplexe. — Nicht
immer ist der Regenwurmkot schwarz, gerade z B. in
l) z. B. Lumbricus rubellus Hoffm.
214
Seewerbanken des Sentisgewolbes fand ich ihn hellbraun-
lichgrau. Die Wurmer selbst fangt man nicht sehr oft.
Man kann ihnen nicht schnell genug nachgraben; zahl-
reiche kleine Exemplare erbeutet man aber in dem ober-
flachlichen Humus der Polsterpflanzen (die von mir ge-
sammelten waren noch nicht geschlechtsreif und daher
nicht zu bestimmen).
Auch Ameisen durften ubrigens durch ihren Nestbau
an der Flillung gewisser Spalten mit Humus ihren An-
teil haben, jedenfalls aber ist ihre Wirksamkeit bedeutend
geringer als die der Regenwurmer, um so mehr, als die
Nester erst dann besiedelnden Pflanzen zur freien Kon-
kurrenz often stehen, wenn sie nicht mehr bewohnt sind.
Zu diesem Schlusse fuhrte mich folgende Beobachtung:
Die bewohnten Nester sieht man sehr h&ufig von form-
lichen Reinkulturen irgend einer Spezies bestanden, z. B.
von Thymus serpyllum, Sedum album, Galium mollugo,
Festuca ovina, und zwar oft benachbarte Nester derselben
Ameisenart von ganz verschiedenen Pflanzenspezies.
Auch anderes Oetier findet sich oft in grosser Menge
in den Spalten, vor allem Kellerasseln, Schalen-
asseln, Lithobius, Podura und Clausilien1).
') Ich kann mich in dieser Angabe ubrigens auch auf einen
ganz kompetenten Beobachtor berufen: das Rotkelchen. Dieses
Vogelchen scheint sehr genau zu wissen, welche Fulle an kleinem
Getier die Spalten bergen. Im April 1903 brach ich, wahrend
alles tief mit Schnee bedeckt war, an einer Wand bei Quinten
einige Spalten auf. Dabei hatte ich immer seine Gesellschaft. Es
suchto mit grossem Eifer den aus den Spalten herausf alien den
Detritus ab und liess sich dabei (lurch nichts storen; es hiipfte
mir zwischen den Beinen hindurch und schien sich gar nicht darum
zu kummern, dass bestandig Erdkrurachen seinen Riicken trafen.
Auch der Liirm der schweren Hammerschlage vermochte es nicht
zu verscheuchen ; nur wenn Steine niederpolterten, unterbrach es
215
Selbstverstandlich bilden aber auch einen Hauptfaktor
bei der Detritusbildung die Leichen der Felsenpflanzen
selbst, wobei namentlich die Kryptogamen, z. B. Nosto-
caceen, vor allem aber die Moose eine wesentliche Rolle
spielen. Von den Phanerogamen kommen die oberirdischen
Teile, die meist bis in das nachste Gebiisch verweht
werden, viel weniger in Betracht als die Wurzeln.
Diesen Umstftnden gegeniiber f ftllt Drudes Zuteilung
der Felsen zu den nhumusarmen Mineralboden44 da-
hin. Sie konnen diese Qualifikation stellenweise, wo der
organische Detritus stark mit Steinsplittern und Ton-
schlamm durchsetzt ist, rechtfertigen ; aber andernorts
*verdienen sie ebenso gut die Bezeicbnung mineral stoff-
arme, rein humose Boden, denn dass kein Verhaltnis
aufgestellt werden darf zwiscben dem Humus in den
Spalten und dem spaltenbildenden Fels, ist ja selbst-
verstandlich. Der Ausdruck „humusarmer Mineralboden"
kann sich natiirlich nur auf den Spalteninhalt beziehen.
3. Die Wasserversorgung.
In unserem Klima geniigt die Anfuhrung der im
vorigen Abschnitte mitgeteilten Tatsachen allein schon,
um die Existenzmoglichkeit nicht nur einer Moos-, sondern
auch einer Gefassflora nachzuweisen. Wir werden in
Sedum album eine Spezies kennen lernen, deren Wasser-
bedarf so reguliert werden kann, dass die einmalige Durch-
trankung von oberflachlich angesammeltem Detritus, wie
sie sich bei jedem Regenfall vollzieht, schon geniigt, um
seine Arbeit und hiipfte unter den nachsten vorspringenden Block.
Dies begegnete mir an drei Orten, "wahrscheinlich auch mit drei
verschiedenen Rotkelchen.
216
die Pflanze nachfolgende Zeiten der Diirre ohne jede
weitere Wasserzufuhr aushalten zu lassen.
Meist liegt aber die Yersorgung der Felsenpflawen
mit Wasser weit gunstiger, als im erwahnten Falle. Man
braucht nur zu bedenken, dass da, wo sich der Detritus
in Spalten ansammelt, die Schnelligkeit, mit der er sein
einmal aufgesaugtes Wasser durch Verdunstung verliert,
— abgesehen von der erhohten Erwarmung des Feisens
— wegen der geringern Durchluftungsmoglichkeit theo-
retisch kleiner sein muss, als bei Wiesen oder Ackerland
von derselben Tiefe. Tatsachlich kann ich, trotzdem ich
zahllose Spalten aufbrach (selbstverstandlich auch bei
trockenem Wetter), keinen einzigen Fall anfiihren, wo
die Erdschichte in den Spalten nicht schon in einer Tiefe
von weniger als einem Dezimeter durchfeuchtet gewesen
ware. Dabei ist es selbstverstandlich, dass entsprechend
der Tiefe und Breite der Spalten die Verhaltnisse ver-
schieden sind. Breite, wenig tiefgehende trocknen rasch
aus ; schmale, tiefe gar nicht. Immerhin sei folgende Be-
obachtung angefuhrt : Bei der „Wasserauenu fand ich, dass
in einer Hohe von einem Meter iiber dem Boden aus einer
schmalen Spalte ernes vollig isolierten, ca. 3 — 4 m hohen,
2 — 3 m breiten und 4 m langen Blockes vier Stunden
nach dem letzten, gar nicht besonders starken Regenfall
noch so reichlich Wasser floss, dass es in grossen Tropfen
herabfiel, obwohl es sich vor dem Abtropfen noch iiber
eine ca. 35 cm2 grosse Flache verteilte. Leider brach in
dem Momente der Beobachtung die heisse Sonne durch,
so dass die Tropfenbildung sistierte und also keine quan-
titative Angabe gemacht werden kann.
Als entsprechenden Ausdruck dieser Umstande finden
wir denn an vollig isolierten Felsblocken ohne
217
jede innere Wasserzufuhr (Potentilla caulescens erscheint
z. B. am Fusse der Felswande schon auf 20 m8 grossen
Blocken) extreme Xerophyten neben Pflanzen,
die jedes erhohten Schutzes vor Austrock-
nung entbehren. Letztere nur in Spalten, z. B. Potentilla
caulescens (vide II. T. I. Kap.), die Xerophyten namentlich
denjenigen Detritus besiedelnd, der sich irgendwo an einer
spaltenlosen Stelle der Felsoberflache angesammelt hat,
so z. B. Sedum album, Festuca ovina, Saxifraga aizoon,
aber aueh in Spalten, wie z. B. Sedum dasyphyllum, Carex
mucronata etc.
Bisher wurde aber nur die von der jeweiligen Humus-
schicht direkt als Hydrometeore erhaltene und aufgesaugte
Wassermenge in Betracht gezogen, ohne des, sei es aussen,
sei es im Felsinnern, enthaltenen Uberflusses zu gedenken,
der noch lange nach einem Regenfalle Oberfl&che und
Spalten nass halten kann. Sobald wir aber auch das
fliessende Wasser berticksichtigen, ergeben sich bedeutende
Unterschiede zwischen den einzelnen Formationen des Jura
und der Kreide. Die reinen Malm- und Schratten-
kalke geben bei ihrer chemischen Verwitterung, d. h.
Losung durch das kohlensaurehaltige Wasser keinen oder
nur einen ganz geringfugigen unloslichen Ruckstand. Das
L6sungsprodukt ist Ca(HCC>3)2 =■-■ doppelkohiensaurer Kalk,
der mit dem abfliessenden Wasser fortgefiihrt wird. Die
mergeligen Aptschichten, sowie die kiesel- und phos-
phorsaurereichen Horizonte des Neo corns und Gaults
dagegen hinterlassen viel unlosliche Riickstande, welche
die Spalten ausfullen und den Fels mehr oder weniger
undurchlassig machen. Auf Neocom und Gault treten
daher Quellen zutage und oberflachlich gelegene Spalten
werden noch lange nach dem Regenfall ergiebig durch-
218
feuchtet. Nicht so bei Malm und Schrattenkalk. Bei
diesen bedeutet jede einmal entstandene Ritze, jeder
einmal entstandene Sprung im Felsen einen bleibenden,
kaum mehr verstopfbaren Weg fur das Wasser, das denn
auch rasch durchsickert und mitten im Berg drin seinen
Weg nehmen kann, ohne oberflachliche Spalten zu er-
reichen. Malm und Schratten sind daher, wie bekannt,
oberflachlich trockener als Neocom und Gault.
Es sind aber nur graduelle Unterschiede, mit denen
wir es zu tun haben, und man darf nicht von feme daran
denken, etwa die Lebensbedingungen an den Neocom-
und Gaultwanden in prinzipiellen Gegensatz zu denen
an den Malm- und Schrattenw&nden zu stellen. Erstens
kann namlich bei den Neocom- und Gaultschichten in-
folge Zerkliiftung und innerer Wasserableitung die ober-
flachliche Bespulung auch fehlen. Zweitens wissen wir
schon aus dem Vorkommen von Potentilla caulescens auf
vollig isolierten Blocken, dass auf Malm und Schratten-
kalk auch ohne innere Wasserzufuhr Mesophyten gedeihen
konnen, und dazu kommt erst noch drittens, dass gelegent-
lich auch Malm- und Schrattenwande durch Quellwasser
oberflachlich besplilt werden konnen, wodurch dann selbst-
verstandlich eine erhohte Haufigkeit der Mesophyten be-
wirkt wird. Dazu ein Beispiel:
Beim Gasthaus zum „Ascheru erlaubt es das auf-
gestellte Teleskop, die anniihernd 100 m hohen, etwas
iiberhangenden Schrattenwande in ihrer ganzen Hohe
floristisch zu untersuchen. Die Wande sind von demKrypto-
gameniiberzug hellblaugrau gefarbt — oder ockergelb,
wo an Abbruchstellen eine mit Calzit inkrustierte, noch
nicht bewachsene innere Fugenflache zum Vorschein kommt
Der blauliche und ockerfarbene Grund ist mit schwarzen
219
Flecken gezeichnet, von denen gleichfarbige Streifen
mannigfach anastomosierend senkrecht nach unten ver-
laufen. Das sind die sogenannten Tintenstriche, Algen-
kolonien (Stigonema-Arten nach Warming) an Stellen,
die noch lange nach einem Regenfall von Wasser triefen *).
Ein Wasseraustritt findet aber, wie erklarlich, nur etwa
in den untern zwei Dritteln der Wandhohe statt, — bloss
soweit hinauf reichen wenigstens die Tintenstriche, —
aber auch nur soweit hinauf gehen die Potentillen, ob-
wohl im kahlen obersten Drittel der Wand die Spaltung
des Fel8en8 gegenuber der bewachsenen untern Partie in
nichts geandert ist, soweit sich dies wenigstens teleskopisch
erkennen lasst.
Es ist aber nicht ohne weiteres festzustelien, welche
Wirkung des erwahnten Quellwasserzuschusses die erhohte
Haufigkeit, in dicsem Falle der Potentilla, an anderen
*) Mit welcher Sicherbeit diese Tintenstriche einen Wasser-
verlauf kennzeichnen konnen. ersieht man da, wo einem ober-
flachlich rauhen Fels nur wenig Wasser entquillt und, sich in
viele kleine Aste und Aderchen teilend und wieder vereinigend,
an der Wand jene Figur erzeugt, die auch fiir einen Flusslauf in
der Ebene cbarakteristisch ist. Dieser ganze komplizierte Verlauf
des Wassers mit oft kaum centimeterbreiten Striisschen wird dann
getreulich, ohne Auslassung odor Cbertreibung von den Algen
a Is schwarzes Dessin auf di»n he Hen Grund fixiert.
Aber die Tintenstriche sind dennoch nicht immer ein zuver-
liissiges Kriterium. Sie lassen uns sofort im Stiche, sobald wir
sie dazu beniitzen wollen, genauere Unterschiede in der Besiede-
lung, infolge innerer, ausserer oder feh lender Bespiilung, zu er-
griinden. Wo Tintenstriche auftreten, sind wir zwar der Gegen-
wart fliessenden Wassers zieinlich sicher (nicht ganz, da wir nicht
wissen, wie viele Jahre nach endgtiltigem Versiegen des Wassers
die Schwarzfarbung noch anhalt); wo sie fehlen, kann man meist
auf das Fehlen innerer Wasserlaufe schliessen, doch macht auch
hier die zur Oberflache parallele Zerkluftung das Kriterium ge-
legentlich unbrauchbar.
220
Orten anderer Mesophyten, bedingt. Man ist immer viel
zu leicht geneigt, nur mit den Umstanden, die zur Zeit
der Beobachtung gegeben sind, zu rechnen. Ebenso kritisch
wie die Hundstage gestaltet sich fur die Felsenpflanzen
der Winter und der Vorfrtihling. Voraussichtlich ist zur
Zeit andauernder Kalte der nicht schneebedeckte Fels
genau entsprechend dem hartgetretenen Boden der Ebene
bis zu xiber 120 cm Tiefe vollstandig eingefroren *), die
Frostgefahr an Siidhangen also eine maximale an all den
Orten, wo nicht Quellwasser vorhanden. Grerade die
zitierte Stelle beim Ascher und die dahinter gelegene
„ Wilde Kirchea (eine Hohle, in welcher das Tropfwasser
fur das Gasthaus aufgefangen wird) liefern nach der Aus-
sage Dorigs auf dem Ascher den Beleg fiir die Moglich-
keit, dass solche im Sommer tropfende Stellen auch im
kaltesten Winter nie ganz austrocknen. Im Sommer kann
Potentilla caulescens auf Quellwasserzuschuss verzichten.
das wird bewiesen durch ihr Vorkommen auf isolierten
Blocken; mir scheint aber nichts gegen die Erklarung
zu sprechen, dass es die Wasserzufuhr zur Frostzeit ist,
welche die erhohte Uppigkeit der Potentilla im erwahnten
Falle und eine entsprechende Veranderung anderwarts
bedingt.
Nochmals sei ausdriicklich bemerkt: die Schichtlage
ist bei kliiftigen Kalksteinen in den allerwenigsten Fallen
massgebend fiir den Verlauf des ins Felsinnere einge-
drungenen Wassers. Es kommt vor, dass an Wanden
mit annahernd horizontaler Schichtung eine wenige Dezi-
*) Obwohl sich ineine Untersuchungen auf die Monate Februar
bis und mit November erstrecken, fand ich selbst nie vereiste
Spalten, was aber, da nicht zur strengsten Frostzeit untersucht
wurde, gar nichts beweist.
221
meter oder Meter dicke Oberfl&chenpartie durch eine senk-
rechte Kluffc als Platte von dem Massiv getrennt und von
jedem Wassersukkurs von innen abgeschnitten wird. Des-
gleichen beobachtet man nicht weniger oft, dass iiber-
hangende Wande mit gegen den Berg einfallenden Schichten
reichlich Wasser entlassen.
Als das Wesentlkhe an der Wasserversorgung der Fels-
flora ist also anzufuhren, dass die jeweilige Durchtr&nkung
und kapillare Festhaltung der in den Spalten angesammelten
Erde durch den Regen allein selbst fur die Lebensfuhrung
von Mesophyten, wie Potentilla caulescens, genugt, dass
aber die Flora des Neocoms und Gaults in der Regel,
die der reinen Kalke nicht selten noch bedeutenden Quell-
wasserzuschuss erhalt. Der Fels ist also jedenfalls
kein ausschliesslich trockener Standort.
B.
Die Besonderheiten der Felswande als Pflanzenstandort l).
Sie ergeben sich grossenteils aus zwei Eigenschaften
des Felsens: 1. seiner Kompaktheit und 2. seiner Steil-
heit. (In unserem Gebiete treten selten um weniger als
30° geneigte Felsen zutage; Ausnahmen bilden die Schnee-
kessel, Karrenfelder, hochalpinen Gipfel und Grate.)
1. Die relative Kompaktheit bedingt:
a) Das Vorhandensein Damit im Zusammenhang:
unbesiedelter Stellen Besonderheiten im Kampfe
(Fels), indem nur schutt- um den Lichtgenuss. Zahl-
bedeckte Vorspriinge und loseRosettenpflanzen2): Sem.
*) Ein Abschnitt, der befriedi<j;end nur von einem Mono-
graphen geleistet werden konnte.
*) Denn an zahllosen Orten ist Beschattung durch Nachbarn
ausgeschlossen, da keine solchen vorhanden sein kdnnen.
222
grossere Spalten Phanero-
gamen tragen kdnnen.
b) eine gesonderte Was-
serbilanz fiir jeden ein-
zelnen Standort. (Neben
einer sehr feuchten Spalte
kann sich eine solche mit
ganz trockenem Detritus
befinden.)
c) eine Einschrankung
des Dickenwachstums
der Wurzeln.
pervivum tectorum. Spalier-
pflanzen : Bhamnus pumila.
HangendeSprosse: Saxifraga
oppositifolia. FehlenderAn-
nuellen auf dem Fels (einzige
Ausnahme Sedum atratum)1).
Damit im Zusammenhang:
Das Auftreten von Xero-
phyten nebenMesophyten *).
Zum Teil damit im Zu-
sammenhang :
Das Zuriicktreten ausge-
wachsener Bourne mit alien
Folgeerscheinungen (breite
Spalten tragen oft gut ent-
wickelte B&ume).
Zum Beispiel zum Teil da-
mit im Zusammenhang:
Das Auftreten von humus-
fangenden Pflanzen (siehe
spater).
d) das stellenweis massen-
hafte Auftreten von
Regenwiirmern ent-
sprechend ihrer erhohten
Haufigkeit unter ge-
pflasterten und festge-
tretenen Platzen. (Viel-
leicht wegen Fehlen des
Maulwurfs ?)
!) Ich denke mir wegen der grossen Schwierigkeit, ein ge-
eignetes Substrat zur Keimung zu finden.
■) Man denke sich z. B. eine Wiese, die nebeneinander Stip»
pennata und Caltba palustris triige!
2. Die Steilheit bedingt:
■) H&ufiges Entbl6s8en
der Wurzeln u. Brach-
legen des Detritus
a) durch Wegfiihren und
P) durch Wiederabsetzen
des Detritus durch
Wind und Wasser;
Y) durch Abbruch eines
Felsenstiickes und
6) durch Zerreissen einer
Siedelung infolge
Steinschlags od. Vieh-
trittes.
) Mechanische Schadi-
gung vorstehender,ober-
irdischer Pflanzenteile
durch Steinschlag und
Lawinen l).
Im Zu8ammenhang damit:
Siehe im weitern Text (II.
Teil) die Abschnitte : Globu-
laria, Thymus und Sedum.
Im Zusammenhang damit:
Das stellenweise Zuriick-
treten von Pflanzen mit
mehrjahrigen oberirdischen
Sprossen, oder Spalierwuchs
bei den vorhandenen (Rham-
nus pumila), (Primula auri-
cula mit kontraktilen Wur-
zeln).
l) Letztere ist lange nicht so bedeutend, wie man nach den
Dnstigen verheerenden Wirkungen einer Lawine wohl denken
i6chte. Der Lawinenschnee am Fusse der Felswande ist aller-
ings beim Abschmelzen stets mit Pflanzenteilen bedeckt, aber
reder die Wand selbst, noch diese Opfer bringen den Eindruck
ervor, dass eine Lawine ein katastrophales Ungluck fiir die mit-
enommene Pflanzen welt sei.
Genauer lasst sich die Wirkung an Wiesen ermessen; dort
edeutet sie eine Kurzschur und zwar der irgendwo aufgerissenen
md mitgescbleiften (nicbt fallenden !) Erde wegen. Diese wird
;u lauter ca. 30 cm langen Walzen gerollt, an denen sick &A\&fe
224
Im Zusammenbang damit:
Siehe die Abschnitte fiber
den Schneeschutzling Erinus
alpinus und die Polster-
pflanze Androsace helvetica
(vide II. Teil III. Kap.).
c) Steigerung klimati-
scher Einfliisse, z. B.
a) der Windwirkung;
p) der Erwarmung bei
Siidexposition *) und
y) der Beschattung bei
Nordexposition ;
6) der Frostwirkung we-
gen mangelnder
Schneedecke.
d) Sehr oft Sonderung
von Vieh und Wild,
d. h.:
a) Schutz vor Viehfrass ;
fj) Schutz vor dem Ge-
tretenwerden ;
y) mangelnde Diingung.
Ich wiederhole
3. Wassermangel
ist kein Charakteristikum der Felswande. Wenn Warming (I)
sagt: „Dass das Wasser zu den Pflanzen einen schwierigen
Zutritt hat, ist klar: Das Regenwasser lauft schnell ab
und geht verloren", so bezeichnet er damit ein ziemlich
seltenes Verhalten, das zutrifift: 1. fiir die horizontal ver-
laufenden Spalten an Wanden mit dachziegeliger Ab-
witterung, 2. fiir annahernd senkrecht verlaufende Spalten
an senkrechten oder uberhangenden W&nden. In alien
andern Fallen aber muss das den Wanden entlang fliessende
Wasser dem steilsten Gef alle folgend in den Spalten ver-
vorstehende Kraut aufwickelt, so dass sie zuletzt wie in Spulen
verwandelt ausaehen.
») Siehe 1. Teil H. Kap. § 1 C.
226
wind en. Ja noch mehr : die allermeisten Spalten werden
Regen vermutlich intensiver durchfeuohtet als Wies-
en, weil ihnen das Wasser von einem gewissen
immelgebiet" zur Verfugung steht. (Dass man nur
en am Fusse der Felswande Spuren intensiver Schwemm-
kung findet, beweist allerdings nicht, dass das der Wand
lang fliessende Wasser in Spalten versickere, da nur
ollfuhrendes Wasser erhebliche Erosionswirkungen her-
bringen kann. Stellen, an denen zeitweise ein Quell-
hlein zu Tale fahrt, konnen bei Versiegen desselben
aahe nur an der Besiedelung [Tintenstriche, Molinia
•ulea, iippige Gypsophila repens etc. etc.] von andern
erschieden werden.)
Die Standorte der Felswande unseres Gebietes sind
srdings vorzugsweise trocken ; aber aus demselbenGrunde,
die meisten andern trockenen Standorte des Gebietes,
ht wegen mangelnder Zufuhr von Wasser, sondern
;en der Unmoglichkeit, dasselbe zu speichern. Sobald
>r der in den Spalten vorhandene Detritus eine gewisse
nge erreicht, kann auch das Wasser gespeichert werden
1 der Standort ist, vielleicht umgeben von lauter trockenen,
n trockener mehr (vergl. die Anmerkung fiber die
>ckflora I. Teil n. Kap. § 1, 3). Dass dem Fels ober-
jhlich aufliegende, selbst bedeutende Detritusmengen
ockenu sind, braucht hier nicht ausgefuhrt zu werden.
Ebenfalls nicht zu den Charakteristika der Fels-
mation gehort das Fehlen der
4. Konkurreiiz.
Man nennt die Felsflora gelegentlich eine offene
r m a t i o n , wie man gewisse Fazies der Sandllora als
me bezeichnet. Es hatte meiner Ansicht nach keinen
n, daruber zu diskutieren, ob die Felsflora eine offene
\&
226
sei oder nicht. Sicher ist ja, dass die Pflanzendecke lucken-
haft ist, woraus sich gewisse Eigenttimlichkeiten fur den
Bau der Felsenpflanzen ergeben; wie will ich aber be-
weisen, dass alle Orte des Felsens, die besiedelt werden
konnten, auch wirklich besiedelt sind? Die Hauptsache
ist der Konkurrenzkampf ; sein Bestehen aber ergab sich
fur mich aus den ersten Beobachtungen bei Quinten. welche
zeigten, dass die jungeren Exemplare der Felsenpflanzen
eigentlich allentlialben am Fels und in jeder Vergesell-
schaftung zu finden sind. wahrend das von alten Stocken
nicht gesagt werden kann. Junge Potentilla caulescens-
Exemplare neben Sedum album sind etwas gewohnliches.
Es wurde aber, glaube ich, auch dem Laien bald auf-
fallen, iippiges Sedum neben iippigen Potentillen zu finden.
wahrend os wieder eine regelmassige Erscheinung ist, dass
unter alten Potentillen oder im Sesleriarasen tote Sedum-
astchon liegen, oder dass an briichigen Stellen Potentilla-
exemplare von Globulariateppichen formlich tiberzogen und
erdriickt werden.
Immerliin ist trotz ahnlicher Vorkommnisse in de?i obern
Regionen unser Wissen von der Konkurrenz noch ganz-
lich ungeniigend. Dort oben sind es namentlich die Moos-
polsterchen, die als Keimbett beniitzt werden. Zahl-
lose Polsterchen sind aber unbesetzt. Dadurch ist zwar
ein Konkurrenzkampf flir die festsitzenden Pflanzen nicht
ausgeschlossen, aber die Frage, ob in jedem Falle die an
die besondern Umstande bestangepasste in dauernden Be-
sitz des Polsterchens gelangt-, oder irgend eine andere
Spezies, bleibt eine offene, d. h. die Wahrscheinlichkeit,
dass in zahllosen Fallen die Besiedelung nach dem Ge-
setze des beatus possidens erfolgt, ist keineswegs von der
Hand zu weisen. Doch kann es sich dabei nur darum
227
.ndeln, wie gross der Prozentsatz der darch Zufall er-
ngenen Siedelungen ist ; denn unter don vielleicht Jahr-
usende gleichbleibenden Verhaltnissen kann der Zufall
*h nicht so stark geltend machen, dass er die Wirkungen
ir einer innern Notwendigkeit entsprechenden Entwick-
ng iibertrafe. (Siehe auch II. Teil II. Kap.)
Gleichfalls nicht zu den ausschliesslichen Besonder-
iten der Felsflora gehort es, dass der
5. Einfluss der chem'mhen Beschaffenheit des Felsens,
fern iiberhaupt eine direkte Einwirkung besteht, deut-
her zum Ausdruck kommen muss, als z. B. bei Wiesen-
lanzen, welche nicht in so engem Kontakt mit dem
denbildenden Gesteine stehen. Immerhin gab ich mir
3le Miihe, Differenzen zwischen der Flora des Gault
it seinem hohen Phosphor- und Kieselsauregehalt, der
eselkalke des Neo corns und der reinen Malm- und
jhrattenkalke aufzuiinden und fand tatsachlich auch
Iche; so z. B. stellte es sich heraus, dass bei Quinten
'inus alpinus stets nur auf Gault und Neocom zu
*ften ist, aber dem Malm- und Schrattenkalke voll-
mdig fehlt, d. h., und das macht den Befund nur noch
;eressanter, mit Ausnahme einiger Stellen gerade unter
lem Gaultbande und auf Malm am Seespiegel. Weiter
en ist aber Erinus uberaus haufig auf Malm und Schratten,
d seine Lokalisation auf Gault und Neocom bei Quinten
iss also, und kann auch, aus den physikalischen Eigen-
laften, die diese geologischen Formationen hier aus-
chnen, erklart werden (vide II. Teil III. Kapitel). —
dann eine Beobachtung vom Nordufer des Fahlensees :
»rt wechseln unter vollig gleichen topographischen Ver-
[tnissen Gault- und Schrattenwande mehrfach mitein-
Jer ab, und die Kontrolle der Artenlisten nebst ihrer
228
Verifikation an Ort und Stelle ergeben, dass die haufigsten
Spezies der Schrattenwande : Carex mucronata und
Gypsophila repens, denGaultwanden vollstandig fehlen.
— Ich fuhre diese Tatsache einzig wegen ihrer ver-
bliiffenden Pragnanz an, wage aber, da sie erst am letzten
Beobachtungstage erkannt wurde und also nicht mehr an
andern Stellen bewusst bestatigt werden konnte, nicht
den leisesten Versuch einer Generalisierung, obwohl ich
aus dem ganzen ubrigen Gebiete keine C. mucronata auf
Gault kenne, was aber wieder gar nichts heisst; denn
dieses nordliche Fahlenseeufer ist eine der wenigen Stellen,
wo er wirkliche Felsilora tragt (ich mochte daher speziell
auf sie aufmerksam machen) ; im ubrigen ist der eugeogene
Gault, von dem man in unserem Gebiete am ehesten Auf-
schluss uber Bodenstetigkeitsfragen erwarten sollte, ent-
wedor nackt oder mit ausgesprochenen Weidepflanzen
besiedelt. Es macht den Eindruck, als ob seine Ober-
flaehe so rasch in kleinen Teilen abwittere, dass Felsen-
pflanzen an ihm einerseits keinen Halt finden, andrerseits
aber da, wo sich der durch die Verwitterung gebildete
Grus ansammelt, weichen mlissen, weil sein Reichtum an
Nahrsalzen und die bestandige Durchfeuchtung (vide
I. Teil II. Kap. § 1) audi anspruchsvolleren und uppigeren
Wiesenpflanzen eine sichere Existenz gewahrt 1). So tragt
z. B. dor Gaultfels ob dem Wildseeli bei 2200 m in Slid-
exposition : Phy teuma orbiculare, Le.ucanthemum vulgare,
Knautia pratensis, Silene venosa, Heracleum sphondylium,
Alchemilla vulgaris, Campanula pusilla, Poa nemoralis,
Alsine verna, Festuca ovina, Saxifraga moschata und
l) Das scheinon auch die Griincle zu sein, weshalb die Moiasse-
felsen des schweizwischen Mittellandes vielleicht mit Ausnabnie
der Xagelfluh keine eigene „Felsflorau tragen.
229
rotundifolia, Trifolium Thalii. Und ahnlich liegen die
Verhaltnisse anderwarts.
Es mag daher folgendermassen zusammengefasst wer-
den: Ich konnte fur die geologisch und chemisch ver-
schiedenen Horizonte des Gebietes nicht mit Sicherheit
spezifische Besiedler und damit einen floristisch tief-
greifend modifizierenden Einfluss nachweisen, wohl aber
Haufigkeitsunterschiede in ihrer Besiedelung, die
sich oft ungezwungen aus dem physikalisch verschiedenen
Verhalten der Wande verstehen lassen, wie z. B. das
sparliche Auftreten tiefwurzeliger Pflanzen an gewissen
Neocomwanden, die grossere Haufigkeit mesophytischer
Gewachse ebendaselbst etc. etc. (vide Anhang).
C.
Daten zur Charakteristik des Gebietes.
1. Lage.
Zwischen 6 ° 50' und 7 ° 10' 5. L.
und 47° 8' und 47° 17' n. B.
also in der nordlichen Kalkalpenzone.
Hohe iiber Meer 423 m (Spiegel des Walensees)
bis 2604 m (Sentisspitze).
2. Petrographie.
Alpine Ausbildung des
Doggers (bei Walenstadt ; fallt aber ausser Betracht)
Malms
Neocoms
Urgons (Schrattenkalks)
Gaults und
Seewerkalkes.
4
230
3. Klimatologie.
Zur Charakteristik des Klimas unseres Gebietes mogen
die nebenstehenden Berechnungen dienen *). Da keine ge-
niigenden Beobachtungen vom Siidfusse der Curfirsten
vorhanden sind, miissen die Angaben der etwa 10 km
abseits liegenden und weit weniger vor Nordwind ge-
schutzten meteorologischen Station Sargans zum Ver-
gleiche herbeigezogen worden.
Absolute Zahlen.
Nacli samtlichen bis jetzt vorliegenden Zahlen werden
folgende Maximal- resp. Minimalwerte erreicht:
Sargans
Wildhaus')
Sentis
Luft-Temperatur . . .
- 21,8
-20,o?
— 26,4
+ 34,8
+ 27,«
+ 17,i
Relative Feuchtigkeit . .
1 °,
l°/o
5°o
Monatliches Niederschlags-
miniinum ....
8 mm
13 mm?
9 mm
Die Notierung von Muximaltemperatitren der Fels-
oberflache musste ich mir leider entgehen lassen, da ich
wiihrend der heissen Zeit des Jahres durch Examina an
die Stadt gebunden war. Immerhin soil eine Angabe von
Arbeitern im Steinbruch bei Quinten (unserm spatern
Musterstandort mit Siidexposition) mitgeteilt werden. Da-
nach sollen regelmassig im Sommer die eisernen Werk-
zeuge so sehr erhitzt werden, dass an eine Beniitzung
1) Nach don Angaben in den jahrlichen „Berichten iiber die
T;iti«rkeit dor St. Gallischen Naturwissenschaftlichen Gesellschaft*
zusammengestollt.
2) Xur u i iter Beniitzung dor im Jnbrbuch der St. Gallischen
Naturwissenschat'tliehen G»>s<dlschaft publizierten Zahlen, wiihrend
mir fur dieselho Kubrik der nebenstehenden Tabelle das Material
dor meteorologischen Zentralo, durch die Freundlichkeit von Herm
Direktor Billwiller, zur Verilizing stand.
231
3)
3)
30
*
0)
CO
ft
CD
CO
0)
Eft
!0
s
E
D
S
5
3
1
c
. "5
:3 —
o" o" cT CO lif »h ^ N ^ iO CO N
1 + 1
i
1 *
1 <*■»
-~ ^ -*~ *v "J . ^ ^ *~ °~ * -- n.
ONXNO^NNiOONCO
l§
CO CI N
Sen
© s
ClT-H^Hi-li-H i-H -»-l i-H
■ ■■■■■■■•111
ife
CN CO ^
CM i-i
S a
1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1
9
1 °
1 -rH
o _
aj, » »^e^« » ^ » « h »^ - •
'■ CM
* I
CM *
CfT t>-" t>-~ ^ ri N i< 'f 00 O" CO l> O
+3
c3 _ _
i
1 1 1 1 1 1 ! 1 1
J. -
1 *» '
CQ
j
=><?.'»s.i.t^.«,%.,*.s.s.
,' a>
3 a
^SSSgcSSSISJSS00
!-2 3
. . _ — _. — —
- 2
! O *
U z
« O^O KJ^r^^WOW »••,*;
3
OB M
«^T oT cf co cT •* d t*" co ~h" ;o o
^ ^ ©0
ogi
Wild
3 a
i i 1 i i mi
2?
CO l> CM
lO ~~
^
1 .— 1
^ -;
X^ » e* © «o *^. ^ °i» *^ •?. ^ *?. •"
; 2
— ' S
CM O H ^ X* CM~ *** ~f CM~ l^ CO' © CO
fn
i
II -,-,,-,- (
o
4^
i
^, » "J. «^ * °V * 1. °l «J- t t
1
<D
"k
of h o" of co « c a" o w o o
H h W W Ol CO M N W «
a
'.
«
.-J —
._. — _.. — —
3
R
«-. -
co~ o* co" cT cm" acT crT cf io o" -** ci"
=
co r* ^
be,
■♦J *c
^ 1 1 1
e«
W t> H
u
i» "~
III
lO
-H
58
00
s_^
III
.
00
l>-
s i
x a» o ®» t. «•. <%.**. t. » •■: n, *
~h © ' -t Ci CM :0 t- t>- -* O t O t^
£
1 " 1
r"
St.
2
^
i j
^=
33
i
»-3
rt
#S
*^
"y
®
5C
tc
ci
Zj
H
r* • t- t-
o5
.
A s S <
55
i
^
2 i Ci
tt — •* 2 2
rr ji o ^ cj t-
3 S^^d O J) 7j
^ a O 5? H ^
3 5 -2
5z; u= is
232
derselben ohne vorheriges Eintauchen in das kalte See-
wasser nicht zu denken ist. (Einem Versuche in der
Kiiche entsprechend, durfte danach ihre Temperatur sicher
uber 60° betragen.)
Dagegen fuhrte Gradmann am Kocherberg bei
Forchtenberg (Wurttemberg) an einem Muschelkalkabhang
mit siidlicher Exposition ca. 240 Meter u. M., Standort
von Pulsatilla vulgaris, Bupleurum falcatum, Peucedanum
cervicaria, Aster amellus ; Boden: grauer, mergeliger Lehm,
folgonde Messungen der Bodentemperaturen aus:
20. Sept. 1895 : Bodenwarme hart an der Oberflache,
so dass die Thermometerkugel 5 mm hoch mit Erde be-
deckt war: 48,5° C. (gleichzeitige Luftwarme 20,1°).
25. Sept. 1895: Bodenwarme 49,8° C.
10. Juli 1896 (warmster Tag des Jahres) : Bodenwarme
52,4° C. (Luftwarme 27,2°; Bodenwarme im nahen Buchen-
wald 21,7°).
19. August 1898: Bodenwarme 56,5° C.
Was die iibrujen Daten anbelangt, so konnte Wert-
volles nur durch standige Beobachtung im Winter, Spat-
herbst und Vorfruhling erhalten werden. Denn Aufnahmen
iiber schneefreie und schneebedeckte Standorte, iiber kleine
Lawinenwege, Schnelligkeit der Temperaturumschlage.
Windwirkung (namentlich audi das Fegen und Schleifen
der Felsoberflache mit verwehten Eiskristallen) erreichen
einzeln jedenfalls schon die Bedeutung der Messung von
Maximal temperatur en *).
') Ks lnssen sicb iiberbaupt oine gauze Reihe scboner winter-
lk'her Folsuntersuchungen denken, z. B. auch Eispressung in Spalten
Wirkung hangenden und boini Tauen losreissenden Eiaes.
Golegenboit zur Beobacbtung ware im Sentisgasthause event,
der meteorologiseben Station auf der Sentisspitze gegeben. Ich
durfte mir den Genuss eines solcben Winters nicht gestatten.
233
§2.
Die Gliederung der Formation.
Ware unser Untersuchungsgebiet einheitlicher, so
konnten wir nun sofort nach den lokalen Ursachen forschen,
welche es ermoglichen, dass bei einem und demselben
Klima, derselben Lage und Exposition, chemisch dem-
selben Substrate, sogar derselben Wandneigung, eng neben
einander und von einander vollstandig unabhangig eine
ganze Anzahl verschiedener Spezies gedeihen, statt nur
einer einzigen. Bei dem doch heterogenen Charakter des
Gebietes (423 — 2405 m Meereshohe, verschiedene Expo-
sition etc.) ist es aber moglich, dass auch Wande von
genau derselben Beschaffenheit infolge irgend einer, sagen
wir einmal klimatischen Verschiedenheit, so verschiedene
Bestande tragen, dass sie kaum eine gemeinschaftliche
Spezies aufzuweisen haben. Beispielsweise iinden sich
bei Bogarten an derselben Wand, bei derselben Schich-
tung hart nebeneinander :
bei Nor dost-Exposition
Carex firma
Silene acaulis
Heliosperma quadrifidum
Primula auricula
Salix caprea
Gypsophila repens (sehr selten)
bei Sii dost-Exposition
Potentilla caulescens
Globularia cordifolia
Carex mucronata
Atbamanta hirsuta
Erica carnea
Gypsophila repens
Sesleria coerulea
Carex firma.
Siehe auch Beleg Nr. 7 und 8, 12, 16, 17 und 18,
19 und 20, 23, 24 und 25, 26 und 27, 28 und 29.
Die Abhangigkeit der Pflanzen vom Klima kann
aber in so vielen Fallen nur durch die sogen. „spezifische
Konstitution des Protoplasmas", d. h. gar nicht erklart
werden, dass wir trachten miissen, im Folgenden dieser
234
Unbekannten aus dem Wege zu gehen. Das konnen wir,
indem wir versuchen, alle Bestande nach gewissen, sich
gegenseitig mehr oder weniger ausschliessenden Typen zu
ordnen — nur zu dem praktischen Zwecke, innerhalb
Vergleichbarem vergleichen zu konnen; denn eine be-
friedigende Gliederung der Felsflora durfte erst dann
nioglich sein, wenn wir eine viel ausgedehntere Kenntnis
von den Wurzelorten besitzen, als sie diese Arbeit zu
liefern vermag.
Man wird diese Resignation nicht recht verstehen,
indem man denkt, es mochte leicht sein, mit dem Wechsel
eines Faktors, z. B. der Exposition, auch den dadurck
bedingten Wechsel im Bestand festzustellen. Aber gerade
das ist nicht der Fall. Man sehe nur das eine Beispiel:
Als iiberhaupt in ihrer Variation auf die Artenliste ver-
andernd einwirkend lernte ich folgende Faktoren kennen1):
Klima
speziell Wind, Frost und Hitze
Exposition
Lichtmenge
Bewasserung
Art und Starke der Abwitterung
Hiiufigkeit und Form der Spalten
Neigung
Hohe
Alter
Nachbarschaft
Dlingung
Abatzung,
tier Wande
l) Selbstverstiiiullicli soil dainit nicht gesagt sein, class auch
die Art dor Einwirkung bekamit ist. — Die Belege linden sich
im 11. Teil.
235
denen selbstverstandlich noch eine unbestimmte Zahl noch
nicht bekannter Faktoren beizufugen sind. Befunde an
Ort und Stelle haben ergeben, dass eine ganze Anzahl
dieser Faktoren bei geringer Intensitatsanderung im Stande
sind, die Artenliste einer Wand nicht nur in direkter
Wirkung, sondern auch in Gegenden mit diesbeztiglichem
Ubergangsklima, indirekt zu andern, zum Beispiel durch
Beglinstigung oder Verhutung einer langen Schnee-
bedeckung. Als solche sind zu nennen:
die Neigung dor Wand
die Exposition
die Windwirkung
die Oberflachenbeschaffenheit (glatt oder gestuft)
alle moglichen sonstigen Details, welche das Ab-
rutschen des Scbnees verhindern oder befordern
konnen und also z. B. das Auftreten oder Fehlen
von Bhod. hirsutum, Bespiilung, Gemswege
oder Passagen anderer Tiere, die Bewachsung
selbst,
die Nachbarschaft (liegen oberhalb Lawinenabrutsch-
gebiete oder nicht? etc.).
In ahnlicher Weise kann andernorts eine Anzahl der
ebon genannten Faktoren indirekt die Flora verandern
durch Beeinflussung der Feuch tigkeitsverhaltnisse,
so dass wir also einerseits auf verse hiedene Ein-
wirkungen hin dieselbe Reaktion erhalten konnen,
andrerseits auf dieselbe Einwirkung hin ver-
se hied eue Reaktionen. Daraus diirften sich zur
Geniige die Schwierigkeiten erhellen, die des Formations-
okologen harren.
Solange wir nicht die Wurzelorte einer Anzahl Spezies
so genau kennen, dass wir sie als Kriterien bei der Be-
236
stimmung von Lokalverhaltnissen verwenden konnen, sind
wir notwendigerweise auf oberflachliche Eintei-
lungen angewiesen1). So gebe ich auch das Unten-
*) Als Gegenstiick zu dieser Yertrauenslosigkeit erlaube man
mir einen andern personlichen Eindruck anzufiihren. So unan-
genehm es ist, aus grosstenteils unerkliirten Spezialfallen All-
gemeinheiten abzuleiten (Bestandestypen, Formationen), um so er-
freulicher sind wieder andere Krseheinungen. Wenn namlich ein
floristischor Botaniker, der nicht eine Formation, sondern gleich
Wiese. Wald und Fold und Weinberg und Sumpf und See be-
handelt. das Vorkommen einer Spezies z. B. als sporadiscb be-
zeichnet, so kann ein Formationsmonographe in zablreicben Fallen
sofort sagon: Xein, nicht sporadiscb komiut die Spezies vor, sondern
iiberall unter den und den Yerhaltnissen, und der sebr berecbtigte
Ausdruck „sporadischu erscbeint ibm oft sinnlos; wird er doch
gerade so gebraucht. als bedeutote er: ?,Nur an einzelnen aller
miiglicben Standorte." Ein derartig sporadisches Auftreten darf
man aber nur fur neu ein wandernde oder lokal aussterbende Pflanzen
voraussetzen. in alien iibrigen Fallen bat man bei scbeinbar un-
regelmiissiger Verbreitung einer Spezies nacb den entspreebenden
,.sporadisch" auftretenden Koinplexen von Lebensbedingungen zu
suclien und man wird dabei aucb, sofern man sich nur auf wenige
Spezies beschriinkt, von Erfolg gekrunt. .Nicht dass dieser Erfolg
sich stets in einfach auszudruekenden Gesetzen kundgibt isoweit
glaube ich in dieser Arbeit nur bei Sedum album, Androsace hel-
vetica und Erinus alpinus gelaugt zu sein); in den meisten Fallen
besteht er einzig darin, dass man koine Lokalitiiten mebr findet,
an denen einem das Auftreten oder umgekehrt das Feblen der
betr. Spezies iiberraschten. Ich weiss, der "NYissenschaft ist mit
solch vagen Eindriicken nicht gedient. Die Tatsache aber, dass
eine sowoit gehende Vertrautheit und Sicherbeit auftreten kann.
dass sich, sagen wir, nicht in "Worte kleidbare Begriffe bilden
konnen, erscbeint mir immerhin mitteilenswert. Sie zeigt ineiner
Ansicht nacb, dass bier ein iiberaus dankbares Arbeitsfeld gegeben
ist, wiihrend andrerseits die vitiligo Unsicherheit. die sich bei
jedein Versuche. ..Formationen''4 oder ..Bestandestypen" zu schaffen.
einstellte. mir dnrauf hinzudeuten seheint, dass Vergesell-
scliaftung bei der Felsflora iiberhaupt nicht die Roll*
s p i e 1 1 . w i v a n d e r w a r t s , was auch aus der Isolierung der
einzelnen Spezies leicht zu verstehen wiire.
237
stehende nicht seines Wertes halber, sondern nur darum,
weil es wegen des Folgenden nicht iibergangen werden
kann *).
Wir unterscheiden zunachst zwei Bestandtypen.
1. Bestandestypus.
Die Felsflurbestande der
Sudabhange bis ca. 2100 m
und der trockenen Nord-
abhange 2) bis zu ca. 1500 m
Meereshohe, d. h. die Be-
stande mit Glob ul aria
cordifolia.
2. Bestandestypus.
Die Felsflurbestande der
zeitweise stark bewasserten
Nordabhange und ahnlich
beschaffenen Slidwande von
ca. 2000 m an aufwarts, d. h.
die Bestande mit Car ex
firma.
1. Bestandtypus: Die Bestande mit Globularia
cordifolia.
Ungefahr die Verbreitung der Globularia
zcigen in unserem Gebiete nachfolgende Spezies:
Potentilla caulescens
Kernera saxatilis
Erica carnea.
Nur in Sudexposition finden sich:
Sedum album
Laserpitium siler
Carex liuinilis
Carex niucronata
Teucrium chamiedrys
Veronica fruticulosa
Rhamnus pumila?
Sempervivum tectorurn
Sedum dasyphyllum
Erinus alpinus
Leontodon incanus
Gymnadenia odoratissima
Euphorbia cyparissias
Thymus serpyllum.
') Selbstverstiindlich werden auch nur die hiiutigeren Spezies
beriicksichtigt werden konnen, unisomehr, als ausschliesslich eigene
Beobachtungen zur Yerarbeitung ge Ian gen.
2) Wir unterscheiden nur Siid- und Nordexposition, weil bei
dem Kettencbarakter der Curtirsten und des Sentis, Ost- und
West-exposition kaum in Betracht koinmen.
238
In Slid- und Nordexposition, die nordliche
Hohengrenze (1600 m) aber um ein Bedeutendes uber-
schreitend, dafur ineist dem nordlichen Walenseeufer ri
fehlend :
Primula auricula
Athamanta liirsuta
Gypsophila repens
Saxifraga aizoon
Sesleria c<erulea (hiiufig am Walensee).
Das nordliche Walenseeufer zeichnet sich aus
durch das Auftreten von
Coronilla emorus
Asplenium fontanum im Schatten
Satureia calamintha var. nepetoides
Galium ruhrum
Galium mollugo var. Gerardi
Pruuus mabaleb
und das Fehlen von
Athamanta liirsuta Saxifraga aizoon
Primula auricula llhamnus puinila
Thymus serpylium Gypsophila repens.
Am Steilabsturz dcr Curfirsten sind die Hohengrenzen
im Vergleich mit den Siidexpositionen des Sentis bedeutend
nach oben verschoben. Die tonangebende Spezies der
Gipfelwiinde : Carex mucronata, fand ich dort erst von
1350 m (Achselkamm) an aufwarts, wahrend sie im Sentis-
gebiet bei dor "Wasserauen (ca. £*50 m) noch in Menge
auftritt. Ferner geht die in den untern Regionen C. mu-
cronata ersetzende C. humilis bis an die 2000 m hocli
liegenden Gipfelwiinde der Curfirsten, wahrend sie am
Sentis in dieser Hohe nirgends mehr zu treffen ist.
l) d. h. den in den See eintauchenden Wandkomplexen, ohne
Rucksicht auf ihre Hohe, wohei allerdings 600 Meter u. M. nicht
uberschritten werden.
239
2. Die Bestande mit Carex firma1).
Sie umfassen, nach Ausschluss der vermutlicli der
Ichneefleckflora zuzuzahlenden Spezies, folgende Arten:
Carex firm a
Silene excapa
Alsino sedoides
Carex sempervirens
Carex ferruginea
Salix retusa
Drvas octopetala
Saxifraga moschata
Alsine verna
Petrocallis pyrenaica
Sedum atratum
Festuca puinila
Erigeron uniflorus
Saxifraga ctesia
Arabis hirsuta
Draba tomentosa
Saxifraga oppositifolia
Heliosperma quadrifidum
Poa alpina
Saxifraga androsacea
Valeriana saxatilis
3rner die schon bei den vorhergehenden Bestanden ge-
aiinten
Saxifraga aizoon
Sesleria cuerulea
Primula auricula
Athamanta hirsuta.
Diesen zwei Hauptgruppen sind noch mindestens zwei
ndere untermengt :
3. Die Bestande der Androsace helvetica
lit der einzigen Spezies Androsace helvetica 2) (vide II. Teil
\1. Kap.).
!) Trotz vieler Notizen ist es mir nicht moglicb, diese Liste
iher zu gliedern, obwohl es fur inich feststeht, dass sie einer
inzen Reibo von okologischen Untergruppen entspricht. Die
estiinde finden sich eben in der kompliziert gebauten Gipfel-
?gion, die leider zu wenig hoch liegt und noch zu viele Ele-
ento tieferer Region en als Einsprengsel enthalt, urn ein Aus-
lingen der Flora nach bestimmten Gesetzen erkennen zu lassen.
*) Vielleicht auch die wegen ihrer Kleinheit leicht zu iiber-
dieude Draba tomentosa.
240
4. Die Schneeschutzlinge (vide II. Teil).
Erin us alpinus (nur in Siidexposition)
Alcheniilla Hoppeana
Arab is alpina
Rhododendron hirsutum?
241
Zweiter, autokologischer Teil.
fiber die Wurzelorte und Sonderanpassungen.
Endlich nach all den Ubersichten liber einen noch
nicht zu bewaltigenden Stoff zu den in der Einleitung
definierten Fragen nach den Wurzelorten und Sonder-
anpassungen! Nicht mehr rdie Felsfiora" wird von jetzt
ab Untersuchungsobjekt sein, sondern diese und jene
,,Felsenpflanzeu, nicht mehr die Besiedelungsmoglichkeit
uberhaupt, sondern Zahl unci Art der Besiedler. — „Wieso
kommt es, dass eine Felswand von vielen Spezies bewohnt
wird, statt nur von eineru, werden wir uns fragen. Muss
dem nicht notwendigerweise eine Vielheit in den Lebens-
bedingungen zu Grunde liegen und eine entsprechende
Vielheit im Bau der Felsenpflanzen? Oder, um die neuen
Termini zu gebrauchen: Sind wir nicht gezwungen, uns
die okologischen Bedingungen eines von vielen Spezies
besiedelten Standortes zerlegt zu denken : erstens in eine
durch Klima und Substrat gegebene, an jeder Stelle des
Standortes wirkende Gruppe von Faktoren, und zweitens
in eine Summe von Eigenschaftskomplexen ebenso vieler
r Wurzelorte u l) als Spezies vorhanden sind. Und haben
wir uns nicht demgcmass die Anpassungserscheinungen
der Besiedler kombiniert zu denken aus den allgemeinen
*) In der Einleitiinjj wurdo definiert: Wurzelorte sind sole-he,
durch irgendwelche ^eineinsamen Merkmale besonders charakte-
risierten Stellen des Felsens, die ineist nur von einer und der-
selbcn Spezies besiedelt werden.
242
Anpassungen an Klima und Substrat und den ^Sonder-
anpassungen" an die Wurzelorte? — Angesichts eines
konkreten Beispiels an irgend einer Felswand lauten die-
selben Fragen : Warum konnte diese Spezies gerade hier
gedeihen, wo sie stent, und nicht dort, wo ihr Nachbar
so iippig bluht? 1st das Zufall, oder wusste jener die
Verhaltnisse dort besser auszumitzen, aus denen diese
keinen Vorteil zu ziehen verstand? Und umgekehrt hier?
Und welches sind denn diese verschiedenen Verhaltnisse,
und welches die Einrichtungen, die ihre Ausniitzung er-
moglichen ? l) Und wenn es sich auch herausstellen sollte.
dass umfassende, exakte Antworten noch fur keine einzige
Spezies moglich sind, so konnen doch Teilantworten ge-
geben werden, und ist man nicht im Stande, eine Spezies
in alien ihren Vorkommnissen zu erforschen, so hat doch
jede exakte lokale Beobachtung allgemeinen Wert; denn
das ist ja das Charakteristische der Spezies, dass sie sich
trotz ihrer Plastizitat in einer Unsumme von Eigenschaften
allerorts gleichbleibt.
I. K a pit el.
Eine Mahmvand bci Quinten *).
Als ersten Typus wahle ich zur Darstellung die Wande
des „Schrandenbcrgesu , die gleich ostlich des Ddrfchens
*) Sieho die Bemerkungon liber den Konkurrenzkampf (vide
1. Teil II. Kap. SIB).
Dass eine derartig absolute Abbangigkeit der Pflanzen von
ilirem Milieu vorausgesetzt werden muss, scbeint mir z. B. aus
den Arbeiten liber die Bodenstetigkeit von Acbillea moscbata und
atrata liervorzugehen, von welclien Pflanzen jede ftix sich boden*
vag auftritt. In den Gebieten aber, wo sie sich gemeinsam finden,
sondern sie sicb nach den verschiedenen Boden.
*) Die Disposition im zweiten Teile ergab sich aus der
243
Quinten aus dem Wasserspiegel des Walensees auftauchen
und sowohl per Schiff kontrollierbar sind, als auch an
den verschiedensten Stellen leicht erklettert werden konnen.
Die Neigung betragt 60 — 80°, die Exposition ist genau
siidlich, die Schichten einfallend, bankig, kein Wasser
fuhrend, die Abwitterung ineist plattig bis brockig.
Ich habe die Vegetation einiger (gleich westlicb voni siidlichsten
Vorsprung) bei niederem Wasserstand leicht zuganglicber Stellen
vollstandig aufgenommen. Auf der westlicbsten, durch Furchen
natiirlich begrenzten. ca. 25 in* umfassenden Partie mit ca. 67°
Neigung finden sicli in ve rein z el ten Stricken:
Potentilla caulescens . . in 11 Exemplaren
Globularia cordifolia . . . ., 8 „
Sesleria ctprulea . . . . „ G „
Leontodon incanus ..... 4 .,
Galien l) 4 „
Sedum album ,. 3
Aster alpinus 1 ,,
Hieracium nitirorumV . . ., 1 (od. 2) „
sodann Rasenflecken mit einer durebsobnittlicben Grosse von
2—3 grossen Handen und folgender Zusammensetzung:
Sesleria ccerulea -f- Laserpitium siler 2
,. -[- •» « + Potentilla caulescens . 2
Notwendigkeit innerhalb vergleichbaren Spezies zu vergleichen,
d. b. die Verhaltnisse jeder Hobenregion, deren icb gemass der
Individualitat der "YVande am Siidabhange der Curtirsten drei unter-
scbeide, besonders zu bebandeln. Die „\Vande bei Quinten" fallen
als untere Region in das Gebiet des Weinstockes, die mittlere
Region, also vornebmlicb die Malmwiinde unter Tscbingeln, er-
reicht ungefabr die Baumgronze, die obere Region umfasst die
iiber 1800 m liegenden Felsen, vornehmlicb die Gipfelwande der
Curfirsten. Im Sentisgebiet verliert diese Einteilung ibren Wert
(namentlicb wegen des tiefen Hinabsteigens der Felsenpflanzen
in Nordex position).
l) Es war mir nicbt moglicb, bei dieser Jabreszeit die Galien
auf die Entfernung auseinander zu balten ; unter Galium kann in
diesem Teile daher stets gemeint sein : G. mollugo L. oder G.
mollugo var. Gerardi Briq. = G. lucidum auct. (non All.), oder
G. rubrum L.
244
Sesleria coerulea + Laserpitium siler -f- Vincetoxicum officinale 1
,, ,, -|- Galium -f* Sedum album 1
„ -+• Teucrium cbamwdrys 1
Laserpitium siler -f- Coronilla emerus 1
ferner ein grosserer Komplex bestehend aus: Sesleria, Broinus
erectus, Festuca ovina. Polygonatum officinale, Cotoneaster vul-
garis und Sedum album-Einfassung.
Dabei ist ein deutlicber Unterschied zwischen dem oberm
schwach plattig abwitternden Teil und dem untern mit niehr.
namentlicb senkrecbt verlaufenden Rissen, indem von vorigerListe
auf den obern Teil allein fallen :
6 kraftige Potentilla caulescens,
4 Seslerien,
4. d. h. alle Leonton incanus, und nur
1 Globularia.
Eine ostlicb davon gelegene Partie, von voriger durch eine
starke Spalte mit 0 a lien, Laserpitium siler, Coronilla emerus und
Sesleria getrennt, weist in den rnassigen obern Teilen auf (auf
ca. 20 m2):
9 Potentillen
5 Seslerien und
4 Glubularien, aber keinen Leontodon;
in dem mit starkeren Spalten verselienen unteren Teile an Einzel-
exemplaren (auf ca. 20 in1):
30 Sesleria c<erulea
4 Potentilla caulescens
4 Globularia cordifolia
4 Sedum album
4 Aster alpinus
3 Centaurea scabiosa
3 Galien
2 Laserpitium siler
2 Bron nis erectus
1 Ligust ru in vulgare
1 Sedum dasyphyllura
2 unkenntliche Prlanzen,
sodann einen ca. 1 — i> handgrossen Kasen folgender Zusammen-
setzung:
Laserpitium siler -\- Sesleria -p Teucrium montanum .... 1
., ., -j- .Juniperus comm. -j- Hippocrepis comosa 1
,. ,, -f- Fraxinus -\- Hippocrepis comosa .... 1
246
Xiaserpitium siler + Cotoneaster vulg.? -f- Stachys recta . . 1
Sesleria -f- Geranium sanguineuin 1
Centaurca scabiosa -)- Bronius erectus + Cotoneaster tomentosa 1
Oleich daneben (direkt iiber dem Vorsprung) wird die Wand
im Gegensatz zu vorigen glatten Stellen ausgesprochen gestuft.
Auf den Treppenabsiitzen finden sich Sesleria-Rasen mit Teucrium
montanum, Aster alpinus, Bromus erectus, Centaurea scabiosa,
Polygonaturn officinale, Luscrpitium siler, 1 Hieracium und Sem-
pervivum tectorum ; die Wandpartien sind aber ausschliesslich mit
Globularia cordifolia tapeziert.
Und eben falls gleich daneben ist eine ca. 16 m1 grosse kom-
pakte Partie von ca. 80° Neigung ohne Stufen, deren Flora aus
12 Potentilla caulescens
1 Galium und
1 Hieracium
besteht.
Schon diese wenigen Angaben erweisen zur Genuge,
dass sich die Felsenpflanzen wieder nach speziellen Ge-
sichtspunkten anordnen. Diese aufzufinden, wird also
unsere Aufgabe sein, wobei selbstverstandlich nicht nur
das vorstehende Material zur Verwendung kommt, sondern
alle Beobachtungen, die an irgendwie ahnlichen Wanden
angestellt worden sind.
Es liegt nahe, die Griinde dieser DiflPerenzierung zu-
nachst in den Aasstrenvorrichtungen unci der Beschaffenheit
der Somen zu suchen, indem man erwartet, dass da, wo
sich die meisten Exemplare einer Spezies finden, eben
die betreffenden Samen den besten Grund zur Keimung
gefunden hatten. Eine solche Annahme ist aber nicht
haltbar, die Keimpflanzen der Felsenpflanzen wenigstens
sind ausgesprochene Ubiquisten und der Fall, dass sich
an den ungeeignetsten Standorten alle raoglichen jungen
Pflanzchen im bunten Durcheinander drangen, ist so haufig,
dass wir im folgenden geradezu von der Voraussetzung aus-
gehen konnen, jede Stelle des Felsens hatte ursprlinglich
246
alien Samen Gelegenheit zur Keimung geboten, und die
jetzt zu beobachtende Sonderung nach Wurzelorten sei
das Resultat eines bestandigen Ringens, aus welchem
die in ihrer ganzen Lebensfuhrung an die betreffende
Stelle bestangepasste Pflanze als Siegerin hervorgegangen.
Dass wir sogar von einer solchen Voraussetzung ausgehen
mussen, beweisen die Falle, in denen z. B. eine Wand
ganz mit Liguster- oder Laserpitium siler - Keimlingen
ubersat ist, obwohl, wie aus den wenigen erwachsenen
Exemplaren und der Beschaffenheit des Standortes fiber-
haupt zu schliessen ist, die betreffende Wand keineswegs
zur Weiterentwicklung der Neuankommlinge geeignet ist1'.
Welches ist also dieses Ringen, wie und wogegen
wircl gekampft, und warum kann sich hier diese und dort
jene andere Pflanze behaupten? — Durchgehen wir der
Reihe nach die Haupttypen unserer Florula.
M Dass die Art der Versa inung gar keinen Einrluss auf die
spateren Wurzelorte hat. inochte ich naturlich auch nicht gesagt
haben. In einern ganz feuchten, schattigen Couloir einer Wand
mit Laserpitium siler findet sich letztere eng gepaart mit Belli-
diastrum Michel ii. das in dieser Region ausgesprochen feucbtigkeits-
liebend ist, ein Umstand, der deutlich den Einfluss einer erhohten
Anzahl von Keimlitigen zeigt. Und wenn Drude sagt: rCberall
bietet sich" (niirnlich t'iir die offenen Formationen des trockenen
Sandes und Felsengesteins) ..Anschluss und tjbergang in Gras-
steppen und trockene Bergvviesen oder in lichte Hugelgebiische
und Haine, obwohl die gesamte, von den trockenen Sand- und
Felsgeiollstrecken eingenommene Flache eine bedeutende in DeutscL-
land ist und im HugelLande durch die Menge ihrer botanischen
Seltenheiten hervorragt", so deutet das auch auf die Macht der
grossen Samenmenge hin. Andrerseits aber findet sich gleich
neben obiger Stelle (Drude I, pag. 371) Giinther Becks Nachweis
des auch in unserm Gebiet zu beobachtenden Tiefhinab- und Hocb-
hinaufsteigens der Felsenprlanzen erwahnt, eine Tatsache, die mir
wieder umgekehrt den Sieg des bestangepassten, selbst bei enormer
Sameniibermacht aufs deutlichste zu demonstrieren scheint.
247
Potentilla caulescens.
Von dem Habitus einer auslauferlosen Erdbeere, zeigt
bentilla caulescens so gut wie keine xerophytischen Merk-
le. Auf Blattquerschnitten erscheinen die Spaltoffnungen
le jeden besondern Schutz in einer Flucht mit den
rischen, ca. Vfa — 3 [i grossen Epidermiszellen. Die
ssenwande der letzteren sind kaum verdickt, etwa 0,2 jx
Durchmesser, d. h. nur etwa doppelt so dick wie die
lwande des Blattinnern. Weder die zweischichtigen
lissaden, noch das Schwammparenchym, noch die zirka
limetergrossen, einzelligen, englumigen, sparlichenHaare
i den auf mehrzelligen Stielen sitzenden Drtisen, noch
>rhaupt irgend ein oberirdischer Teil der Pflanze lassen
e ausgesprochene Schutzeinrichtung gegen Austrock-
lg erkennen. Dennoch erweist sich Potentilla als aus-
;eichnet an ihre Verhaltnisse angepasst, erstens durch
3 Bewurzelung, zweitens durch ihre Lebenszahigkeit
Jugendalter.
Leider fehlt mir trotz vieler Bemuhungen das Material,
zahlenmassig die Superioritat Hirer Wurzeln uber die
)r Genossen feststellen zu konnen. Doch kann viel-
ht schon die Beschreibung einen Begriff davon geben,
bei sich auch ergeben wird, weshalb Zahlen fehlen.
An irgend einer Stelle senkt sich die */* — 1 cm dicke
mdachse in eine kaum millimeterbreite Spalte ein, die
inderform fast unvermittelt mit der Band form ver-
schend. Meist erfolgt eine reiche Verzweigung dieser
lptwurzel schon einige Centimeter unter der Ober-
he. Wie bei andern Felsenpflanzen, z. B. Sesleria
ulea und Globularia, entsteht dabei aus all den in einer
me verlaufenden Fasern ein dichtes, stoffartiges Ge-
>e von zirka Taschentuchgrosse. Abweichend in ihrem
248
Verhalten ist aber die F&higkeit der Potentillenwurzel,
selbst in unmessbar feine Spriinge des Felsens einzu-
dringen und sich darin reichlich zu verzweigen. Ich
mochte die Feinheit dieser Spriinge mit denen eines ge-
sprungenen Glases vergleichen. Und das besagte Wurzel-
tuch braucht keineswegs der Hauptbestandteil des Wurzel-
systems zu sein, indern in jede in die Hauptspalte ein-
miindende, der Oberflache meist parallel verlaufende
Verwitterungsspalte Wurzelaste abgegeben werden. So
entstehen zahlreiche, durch millimeter- bis mehrere dezi-
meterbreite Steinlamellen getrennte Wurzelnetze, von ins-
gesamt mehreren (meist iiber zehn) Quadratdezimeter Flache.
Die feinsten der durchsetzten Spriinge erscheinen makro-
skopisch vollig detritusleer, wahrend die Spalten, in denen
sich die Wurzeln zu ganzen ,,Wurzeltuchernu ver-
weben, Detritus von irgendwelcher Provenienz enthalten.
Die feinen Spalten erweisen sich aber stets als feucht.
Unter dem Mikrosko]>e sieht man auch, dass der sie be-
grenzende Fels oberflachlich voll Kalkschtilferchen ist
und nur die Orte, die von Wurzelchen bestrichen wurden,
erscheinen als reingefegte Wege, wie Regenwurmspuren
im leichten Strassenstaub. Es ist also nicht unwahr-
scheinlich, dass Anatzung des Felsens mit im Spiele
ist. — In andern Fallen kann aber mehrere Dezimeter
weit die Abgabe von Nebenasten geringfugig sein gegen-
iiber einer dreidimensionalen Verastelung des starksten
Wurzelzuges in irgend einem humusgefiillten Hohlraume 1).
!) Das AVurzelsystem einer Potentilla von einem typischen
Standort unverlotzt herauszupriiparieren und zu messen, gebdrte
keineswe^s zu den meohanischen Unmoglichkeiten. Nur bedurfte
es dazu fiir eine Ptfanze allein eine bis mehrere Wochen langer.
aufreibender Strinhauerarbeit, da nur mit sehr feinen Meisseln
Briiche und Verluste vermieden werden konnten. Mit meinen
249
Sobald eine Wurzel aus einer Spalte, in der sie zu einem
papierdiinnen Streifchen zusammengedriickt war, in eine
breitere Spalte eintritt, nimmt sie wieder Zylinderform
an. Wurzelhaare beobachtete ich nur wenige.
Dazu gesellt sich noch 2. die Fahigkeit, itn Juge?id-
zustand mit einem Minimum von Niihrmaterial lange Zeit
das Leben zu fristen. Unter ungunstigen Verhaltnissen
wachst die junge Potentilla uberhaupt nicht, sic wird im
Gegenteil stets kleiner; denn so oft eines ihrer Blattchen
mit den drei kaum l a mm2 grossen Fiederchen von der
Sonne versengt wird und stirbt, bildet sie wieder ein
neues, noch kleineres. Vor mir liegt z. B. ein beliebiges
dieser Exemplare von 3 mm Hohe mit zwei griinen Blfttt-
chen zu je drei, nicht einmal V* mm2 grossen Fiederchen,
einem Knospchen und vier verdorrten Blattchen, deren
Fiederchen je ca. 1/« mm2 gross sein mochten. Das Wiirzel-
chen misst iiber 7 mm. (Die Spitze ist leider abgebrochen.)
— Infolge dieser Eigenschaften ist es wahrscheinlich, dass
die Keimpflanze von Potentilla caulescens alien ihron
Nebenbuhlern gegemiber den Vorteil gewinnt, weit langere
Zeit hindurch ein Wachstum der Wurzeln durch unfrucht-
bare Spalten hindurch aushalten zu konnen, und dass
keine der grossblattrigen Keimpflanzen durch mehr Re-
servenahrung und schnelleres Wachstum das ersetzen
kann, was Potentilla in ihrer Ausdauer besitzt; denn das
Durchsetzen der Kliifte muss langsam und bei trockenem
Wetter geschehen, wenn es Erfolg haben soil, da nur
dann die Feuchtigkeitsdifterenzen in den Spalten so liegen,
dass die Wurzelchen dahin geleitet werden, wo auch zur
schweren Hammern erhielt icih ))ei inehrstiindigcM- Arbeit immer
nur hunderte von Einzi'Lstrcoken, oh no sichero Keuntnis dessen,
was mir noch fehlto odor schon verloren gegangen war.
250
Zeit der Diirre Feuchtigkeit vorhanden ist, eine Behaup-
tung, die allerdings erst dann voile Gultigkeit enreicht,
wenn es als ausgeschlossen erwiesen ist, dass das Wurzel-
wachstum von Potentilla erst bei einem gewissen, ziemlich
hohen Feuchtigkeitsgrad statt hat. Grossere Erstlings-
blatter, wie sie die Nachbarn der Potentilla (mit Aus-
nahme von Sedum) besitzen, waren also nicht nur wegen
der erhohten Austrocknungsgefahr nachteilig, sondern
namentlich darum, weil sie bei feuchtem Wetter ein im
Vergleich zu Potentilla beschleunigtes Wurzelwachstura
zur Folge hatten.
Zieht man in Betracht, dass Potentilla stets den
Schatten flieht, so kann man, sofern das oben Gesagte
richtig ist, rein deduktiv die Orte angeben, wo Potentilla
moglich ist und wo nicht. Fehlen muss sie danach:
erstens ihres gedrungenen Wuchses wegen iiberall da, wo
die Gefahr der Uberschattung vorhanden, d. h. auf offenen,
breiten Spalten mit viel Humus, da dort eine Menge an-
spruchsvoller Kurzwurzler mit hohem Stengel gedeihen
konnen; zvveitens, ihrer wenig vor Austrocknung ge-
schiitzten oberirdischen Organe wegen — an alien stark
rissigen Wanden, wo die innere Feuchtigkeit des Felsens,
statt in einzelnen wenigen Spalten an die Oberflache ge-
leitet zu werden, schon lange vorher iiberall hin verteilt
wird und verdunstet. Entwickeln aber kann sie sich
iiberall da, wo wenige, schmale und armlich mit Humus
ausgestattete oberflachliche Risse in Verbindung stehen
mit ausgedehnten innern Fugen und Hohlralimen, da nur
in diesem Falle sie allein dieselben erreichen kann. —
lhreWurzelorte sind denn auch tatsachlich so beschaffene
Verwerfungsspalten, Schichtfugen und Ritzen
kompakter Wande. Oft sitzen iippige Stocke einer
261
scheinbar vollig spaltenlosen Wand auf, und die Unter-
suchung ergibt dann meistens, dass es sich um eine jener
Stellen handelt, wo durch Verwitterung eines Pyritknollens
ein Zugang zu inneren Spalten hergestellt worden ist1).
— Ich glaube, dass es oft gelingen durfte, nur aus der
Betrachtung eines kleinen Stiickes Felsoberflache auf das
Vorhandensein oder Fehlen von Potentilla caulescens
schliessen zu konnen. Die allermeisten ihrer Wurzelorte
sind namlich dadurch gekennzeichnet, dass sie keine der
sonst stets vorhandenen kleinen Ritzen aufweisen, nicht
etwa nur wegen urspriinglichen Fehlens derselben, denn
Andeutungen da von sind genugend vorhanden, sondern
hauptsachlich wegen nachtraglicher Uberwachsung
mit Flechten oder Algen, welche den Eindruck
hervorbringen, als sei das fein gemeisselte Relief der
Felsoberflache nachtraglich mit einem dicken grauen Brei
liberstrichen worden. Ob diese Erscheinung und das Auf-
treten von Potentilla caulescens in ursachlichem Zusammen:
hange stehen, oder ob beides Folgen einer dritten Er-
scheinung sind, kann ich nicht mit Sicherheit entscheiden.
Kleine, in die Flechten eingestreuteKnSpfch en und Schulfer-
chen aus Calcit machen es wahrscheinlich, dass wir es
hier mit Stellen zu tun haben, aus denen die Bergfeuchtig-
keit bis an die Oberflache geleitet wird, wo sie sowohl
reichbewurzelte Potentillen, als auch eine uppige Flechten-
oder Algenvegetation ermoglicht. Letztere ist zwar auch
anderwarts so verbreitet, dass sie der ganzen Felsenland-
schaft den schonen graublauen Ton verleiht und tatsach-
l) Das Abweiden vertriigt Potentilla caulescens sehr wohl,
indeni an Stelle der abgefressenen grossen Blatter kleine, dicht
dein Boden anscbmiegende und daher fiir das Vieh schwer zu
fassende Blattchen entstehen.
252
lich jede Stelle des Felsens beim Anschlagen mit dem
Hammer einen griinen Fleck aufweist. Nur ist ihre Dicke
allein an den Potentilla caulescens-Felsen so bedeutend,
dass sie samtliche Ritzen zu iiberbriicken vermag.
Diese (durch vorstehende und friihere Bemerkungen
skizzierten) Wurzelorte konnen aber einige, nicht wenig
bedeutsame Abanderungen erleiden. Erstens einmal tritt
Potentilla caulescens auch auf stark rissigem Fels
auf, sofern die Spalten senkrecht zur Oberflache gerichtet
sind, und also die innere Feuchtigkeit trotzdem Gelegen-
heit findet, bis nahe an die Oberflache zu gelangen. (Beim
gewohnlichen Fall, wo die Ablosung parallel zur Ober-
flache geschieht, ist dies, wenn der Fels stark splittert,
nicht so leicht moglichj — Sodann gibt es zahlreiche
Spalten an den Potentilla caulescens- W&nden, die nicht
bewohnt sind, wofur bei schonem Wetter kein Grund
ersichtlich ist. Einigen Aufschluss liefert aber anhaltendes
Regen wetter, bei welchem dieselben, jedenfalls nur fur ganz
kurze Zeit — denn es fehlen die charakteristischen „Tinten-
striche" lange befeuchteter Stellen, — viel Wasser von
sich geben, also ausgewaschen werden und infolgedessen
ihres Humus und Detritus verlustig gehen miissen. —
Yollends mit den definierten Wurzelenden im Wider-
spruche stehend erscheint das im I. Teil III. Kap. § I 3 er-
wahnte Auftreten von Potentilla caulescens auf isolierten,
ca. 20 m3 grossen Blocken. Erstens ist aber, wie dort
angegeben, die Wasserkapazitat eines solchen Blockes
eiiic^ ganz betrachtliche, und zweitens sind die beobachteten
Blocke ihrer Lage gemass zur Zeit der grossten Aus-
trocknungsgefahr — und das ist nicht der Sommer, sondern
die Frostzeit — durch eine Schneedecke geschiitzt.
263
Laserpitium siler.
Laserpitium siler ist in der Bewurzelung Potentilla
caulescens fast ebenburtig. Es unterscheidet sich aber von
ihr durch mehr xerophytischen Habitus: Epidermis 0,5 ja
statt 0,2 [a, SpaltofFnungen urn ca. 0,6 |x eingesenkt, das
Schwammparenchym zwischen zwei einschichtigen Palis-
sadenschichten eingeschlossen (den Abweichungen von der
Horizontalstellung und vielleicht der Lichtreflexion an den
Wanden entsprechend) — und weit schnelleres Wachs-
tum der Keimpflanzen, welche bald alle Genossen an
Grosse uberfliigeln.
Daraus erklart sich dessen Beschrankung auf Spalten,
in denen von Anfang an geniigend Nahrmaterial vor-
handen ist. Hier herrscht es denn auch, abgesehen von
der Konkurrenz durch Holzgewiichse, beinahe unum-
schrankt. Seine Wnrzelorte werden aber noch durch einen
vveiteren Punkt bedingt. Es kommt namlich nirgends
vor, wo eine Ziege hingelangen kann. Wohl finden
sich im Friihling, so lange das Vieh noch nicht aus-
getrieben wird, zahlreiche grune Schosslinge gerade an
den Lagerstellen, aber auch keine einzige alte Ptlanze.
Solche konnen gleich daneben an der Wand haufig sein,
aber erst in der Hohe, wo sie kein naschhaftes Maul mehr
erreicht, ein Umstand, der zur Genuge beweist, dass es
das „Gefressenwerdenu ist, was Laserpitium siler ver-
drangt. — Diesbeztiglich interessant ist sein Auftreten
auf den ^Ruggplanggen", ob Schrina-Hochrugg. Das
sind seit ca. 10 Jahren meliorierte Gerollhalden, die nicht
mehr beweidet werden. An deren Kopf, am Fusse der
Wande, bildet Laserpitium siler ausgedehnte Bestande,
also ein neuer Hinweis darauf, dass sein Fehlen an ebenen
Stellen der untern Region nur der Abatzung zugeschrieben
254
werden muss. — In den obern Regionen kommt Laser-
pitium nicht mehr als reine Spaltenpflanze vor, sondern
nur im Sesleria- oder Carex humilis-Rasen. — Ferner ist
za bemerken, dass Laserpitiuin siler auf Neocom und
Gault entsprechend der geringen Spaltenbildung be-
deutend zuriicktritt oder sogar ganz fehlt. — Auf Wanden
mit viel Schutt an Stelle des Humus scheint es schon
bei Quinten durch Athamanta hirsuta ersetzt zu werden.
Ich dachte daran, den Grund hiefur in etwaiger Myko-
trophie von Laserpitium zu suchen, im Gegensatze zu
einer Autotrophic von Athamanta, fand aber vorlaufig
trotz gut gefarbter Schnitte keine Pilze.
Globularia cordifolia.
„Wenn sich die Stamme der herzblattrigen Kugel-
blume iiber den Absturz einer Felswand, auf deren flaeher
Terrasse sie bisher wagerecht gelagert hatten, wachseud
vorschieben, so hangen sie nicht sofort herab, was doch
der Fall sein miisste, wenn ausschliesslich ihr eigenes
Gewicht massgebend ware fiir die eingehaltene Richtung,
sondern sie kriimmen sich allmalig bogenformig um den
Rand ihrer Unterlage und bleiben mit ihren steifen Asten
selbst den einschiissigen Stellen der Felswand dicht an-
geschmiegt.u Diese ^Stamme entwickeln alljabrlich End-
und Seitentriebe, welche dem Boden parallel verlaufen.
Auch die aus ihren Knospen hervorwachsenden Triebe
sind wieder dem Boden angepresst und wiederholen iiber-
haupt die Wachstumsweise ihrer Mutterst&mme. Die neuen
Triebe sind stets beblattert, die alteren verlieren dagegen
die Blatter, sie erhalten sich aber noch Jahre hindurch
lebenskraftig und dienen der Zuleitung flussiger Nahrung
aus dem Boden u (Kerner I).
265
Durch diese teppichartige Bekleidung wird eine Art
Reclien gebildet, der samtlichen vom Fels herabrieselnden
Humus und Detritus unter dom Windschutze der
Rosetten aufspeichert. Uberall da, wo sich derselbe in
grosserer Menge ansammelt, also namentlich auf kleinen
Vorsprungen und sonstigen Unebenheiten, werden Wurzeln
in ihn getrieben, was um so bedeutungsvoller ist, als ja,
wie wir wissen (vide I. Teil I. Kap.), diese Vorspriinge
auch stets von Spalten begleitet sind ; denn niclit uberall
f allt der Detritus so reichlich, dass mit seiner Hulfe allein
das Leben gefristet werden konnte. — Das aktive An-
schmiegen an den Fels ermoglicht aber auch das Ein-
senken von Wurzeln in andere, der glatten Wand entlang
laufende Ritzen. Finden sich derartige Vorspriinge und
Ritzen nur einzeln, d. h. durch grosse, glatto Flachen ge-
trennt, so tragen sie meist eine recht kummerliche Flora,
und auch Globularia bleibt an solchen Stellen nur ein
Zerrbild ihrer Gattung, einen Stock bildend, der vielleicht
aus zwei nur wenige, kleine Blatter tragenden Rosetten
und drei bis vier toten, vergebens ausgesandten Seiten-
asten besteht. Sobald aber auf stark verwitterndem Fels
die Ritzen und Vorspriinge, von denen einer allein niclit
eine einzige gut entwickelte Pflanze ernahren kann, zu-
sammenriicken, wird es Globularia ermoglicht, eine grosse
Anzahl davon zugleich auszuniitzen unci so recht eigent-
lich das Prinzip des Grossbetriebes vertretend, gelingt es
ihr, durch uppiges Wachstum samtliche, sowieso schwach-
lichen Nebenbuhler zu iiberschatten und zu verdrangen.
Sie ist denn auch tatsachlich uberall da zu finden,
wo eine nicht iiberhangende und nicht dach-
ziegelig abwitternde Wand in starker Ver-
witterung begriffen ist und infolge dessen viele
4
266
kleine Spalten und Absatze aufzuweisen hat. (Ausnahmen
vide II. Teil III. Kap ) Dass sie hier uber alles andere
siegen muss, geht aus dem Gesagten hervor ; dass sie nor
auf solche Orte beschrankt ist, ergibt sich dadurch, dass
ihr Wurzelwerk einesteils nicht mit dem von Potentilla
caulescens in Konkurrenz treten kann; denn nie beob-
achtete ich bei ihr so papierdunne Wurzeln wie bei Poten-
tilla, und das Eindringen in so feine Spalten wie bei
letzterer ; ihre Wurzelfasern bleiben stets annahernd zylin-
drisch. Andrerseits hat sie auf lukrativeren Spalten wie
Potentilla Uberschattung zu befurchten.
Teucrium chamaedrys und die Galien1).
Auch fiir diese Glieder unserer Gesellschaft sind die
Wurzelorte der zur vollen Entwicklung gelangten Exem-
plare deutlich zu erkennen und zwar als Spalten, welche
den Humus erst in der Tiefe bergen, ca. 5—30 cm
unter der Oberflache, und daher an der Mtindung, infolge
Auswaschens oder Ausblasens, wenn auch nur spuren-
weise klaffend, keine Gelegenheit zur Keimung bieten.
Die Erkllintncj daiiir ergibt sich aus der Fahigkeit
aller Spezies dieser Gruppe, mit den vergeilten, lang-
g e s t r e c k t e n , untersten Internodien(die gelegent-
lich auch wurzeln i, solche unfruchtbare Stellen durch-
setzen zu konnen. Es ist auch beach tens wert, dass sie
zu den seltenen Felsenpfianzen gehoren, denen eine grund-
standige Blattrosette abgeht2). Das regelmassige Auf-
*.■ Siolie AniiHH'kung pag. 243.
*• Auf solche YiiWv muss wohl folgende Bemerkung Scliimpers
in Anwendung gobracht "werdon : ,,Die Chasmophyten sind, im
Gegensatze zu <U«n Lithophyten. langgestreckte Gewacbse, da ihr
Substr.'it sich oft in grosser Entfernung von der Mtindung der
Spake und hiormit vorn Lichte befindet" ; denn allgemeiner gefasst
ist sie unrichtig.
267
treten einer solchen bei den andern Spaltenpflanzen scheint
geradezu der Gruud zu sein, weshalb ihnen in diesen
Kliiften keine Konkurrenz erwachst.
Im iibrigen sind ihre Vorkommnisse nicht so leicht
mit einem Worte abzutun, da sie von einem Exemplare
aus die allerverschiedensten neu entstandenen Standorte
besiedeln konnen, wo dann ihre Schosse den konkur-
rierenden Keimpflanzen gegenuber den Vorteil einer Unter-
stiitzung vom Mutterexemplar aus geniessen, so dass
man iippige Stocke oft an Stellen trifft, wo man sie
schwerlich erwartet hatte. Ferner ist immer zu bedenken,
dass die Verhaltnisse bei der Beschickung der betreffenden
S telle ganz andere sein konnten, als zur Zeit der Be-
obachtung. Eine scharfe Scheidung der Wurzelorte der
beiden Gattungen kann ich nicht geben.
Die Succiilcnten.
Unsere einheimischen Succulenten sind bekanntlich
im Stande, lange Perioden volliger Trockenheit ohne Nach-
teil auszuhalten. Nachdem sie drei Wochen lang zur
heissesten Sommerszeit schutzlos und ohne Wurzeln auf
einem Blatt Papier gelegen, kann man sie eines schonen
Tages plotzlich ihre Bluten entfalten sehen. Im iibrigen
bewohnen die verschiedenen Spezies keineswegs dieselben
Wurzelorte.
a) Sempervivum tectorum.
Wenn sich irgendwo bei Quinten auf einem Felsband
ein Rasen gebildet hat, so findet man ihn auch fast aus-
nahmslos gegen den Absturz hin von einem breiten, senk-
recht stehenden Bande aus dichtgedrangten Sempervivum-
Rosetten eingesaumt. Lange Zeit blieb mir dieses Vor-
kommen unerklarlich, umsomehr, als sich die wenigen
268
isolierten Exemplare meistens ebenso dichtrasig auf hori-
zontaler Flache finden, namentlich auf unzuganglichen
Felspartien, die nicht mehr in Zusammenhang stehen mit
dem Massiv, hier etwa die dicke Wurzel in ein grosseres,
gehaltloses Spaltensystem senkend — bis ich eines Tages
die Erscheinung des Absferbens der fruktifizierenden Bosetten
beobachtete. Dieses Faktum scheint mir die Erklarung
zu liefern; denn von nun an stimmten Theorie und Be-
obachtung trefflich uberein. Der Platz einer solchen ver-
westen Rosette kann infolge ihres langsamen Wachstums
nicht so schnell von Sempervivum selbst wieder aus-
gefiillt werden wie von andern Pflanzen. Ein bisher un-
gefahrliches benachbartes Teucrium chamaedrys findet
jetzt auf einmal Gelegenheit, in der Liicke einen seiner
niederliegenden Aste, die sich bisher vergebens unter den
dichtschliessendenRosetten durchgezwangt, emporzurichten
und zu versamen, oder es erscheinen Graser auf dem De-
tritus, die Spalte fullt sich mit feuchtigkeitspeicherndem
Humus, und alle Bedingungen zur Entstehung einer ge-
schlossenen Gesellschaft sind gegeben. Die Hauswurz
aber wird boschattet, und soweit die Bosetten in der
Nahe der Spalten sind, gehen sie zu Grunde, der Rasen
rlickt also vor, neue Rosetten sterben ab, stets nur die
aussersten kcmnen gedeihen, und auch nur gegen den
Absturz bin konnen neue erzeugt werden und sich dort
auch dauernd erhalten, oft weit liber die Wand herunter-
hangend, wenn der Rasen, nachdem er die ganze Hori-
zontalfiache erobert, stabil geworden ist.
Im librigen kann ich uber die Wurzelorte der seltenen
isolierten Exemplare nur bemerken, dass sie das Getreten-
werden nicht ertragen.
259
b) Sedum dasyphyllum.
Es durften sich nicht viele schone, unzerrissene Exem-
plare von Sedum dasyphyllum aus unserm Gebiete in den
Herbarien finden; denn wer nicht mit einem Hammer
ausgeriistet ist, der wird beim Einsammeln kaum zum
Ziele gelangen. Es erscheint namlich charakteristisch fur
diese Succulente, die eine ausgesprochene Spaltenpflanze
ist, dass sie ihre kurzen Triebe stets zwischen vor-
springenden Kammen, in nach Siiden gerich-
teten Furchen verborgen halt, wo sie offenbar den
Vorteil einer Heizung durch den Fels geniesst.
c) Sedum album.
Schwachliche Exemplare des weissen Mauerpfeffers
sind iiberall zu treffen. Wo immer sich eine der be-
sprochenen Pflanzen angesiedelt, da stellt sich meist auch
ein Astchen von Sedum ein, und dennoch lassen sich
fur die ausgewachsenen Exemplare ganz spezifische Wurzel-
orte angeben.
Ich erinnere zunachst an das, was Darwin iiber die
Denudation durch die Eeyenwilrmer geschrieben: „In vielen
Teilen von England geht auf jeden acre Land (— ■ 0,406 ha)
ein Gewicht von mehr als 10 Tonnen, d. h. 10,516 kg
trockener Erde jahrlich durch ihren Korper und wird an
die Oberflache gesehafft, so dass die ganze oberflachliche
Schicht vegetabilischer Ackererde im Verlaufe von wenigen
Jahren wieder durch ihren Korper geht.u Regenwiirmer
finden sich aber, den Exkrementen und gelegentlich am
Tage sich zeigenden kranken Tieren nach zu schliessen,
auch (vide I. Teil II. Kap. § 1) in den Felswanden allent-
halben in Menge, so dass nichts gegen die Annahme
spricht, dass auch die gesamte Erdmenge des Felsinnern
260
in wenigen Jahren von den Regenwurmern an die Ober-
flache geschafft werde, umsomehr, als wir es ja mit sehr
alten Wanden zu tun haben, deren innere Spalten und
Hohlungen schon langst vollstandig mit Humus ausgefiillt
sind. „Wenn nun die fein abgeglatteten Wurmexkremente
in einem feuchten Zustande an die Oberflache gebracht
werden, fliessen sie wahrend regnerischen Wetters jeden
massig geneigten Abhang hinunter und die kleineren
Teilchen selbst werden auf einer nur sanffc geneigten
Flache weit herab gewaschen. Wenn Wurmexkremente
trocknen, zerbrockeln sie oft in kleine Kugelchen, und
diese rollen dann gern auf jeder geneigten Flache herab*
(Ch. Darwin).
Ferner ist bei Quinten (und auch ca. 800 m weiter
oben) noch ein anderes, die Humusversehleppung
wesentlich unterstutzendes Moment in Betracht zu
ziehen. Wir konnen sicher sein, hinter jeder losen Platte,
sofern sie mit der Wand nur eine einigermassen breite
Spalte bildet, oder auch in Globulariarasen etc. etc. zahl-
reiche, gelb punktierte, schwarze Schalenasseln l) zu finden
und mit ihnen, wenigstens im Fnihling und Vorsommer,
pfundweise kugelrunde Erdkugelchen von ca. 21 > mm
Durchmesser. Jedes dieser Kugelchen birgt im Innern
ein Ei der Assel und ist offenbar dazu bestimmt, firtiher
oder spater, sei es weggeblasen oder weggeschwemmt zu
werden, um so zur Verbreitung der ausserst tragen Art
beizutragen. (Siehe iibrigens auch neue Auflagen von
Brehms Tierleben.)
Sowohl Asselkugeln wieRegen wurmexkremente sturzen
nun aber nicht gleich bis an den Fuss der Wand; man
braucht nur einen Globulariarasen zu zausen, am zu sehen,
*) Glomeris pustulata (Latr.).
261
wie viel von der herausgefallenen Erde auf alien m5g-
lichen Vorsprungen haften bleibt, vorlaufig einen Schutt-
kegel bildend, der dann beim nachsten Begen flach-
geschwemmt wird. Steht ein solcher Vorsprung in direkter
Verbindung mit einer Spalte, so kann sich wohl alles
mogliche darauf ansiedeln und in relativ kurzer Zeit (nach
der Vegetation im Steinbruch bei Quinten zu schliessen)
ist ein Rasen entstanden. 1st aber keine Moglichkeit vor-
handen, die Wurzel vor der austrocknenden Sonnenglut
in einer Spalte zu bergen, so gelingt es nur einer Pflanze,
sich zu halten, eben dem Sedum album. Allenthalben
wird es sonst xiberschattet ; denn es wachst auch gar so
trage und schmiegt sich als Succulente dicht dem Boden
an; hier auf diesem warmen Humusbette aber schaden
ihm weder der niederliegende Wuchs, noch seine Lang-
samkeit ; denn es ist und bleibt Alleinbesitzer, ohne jeden
Kampf. Diesen ficht an seiner Statt die Sonnenhitze aus 1).
Nach dem Gesagten ist es begreiflich, dass in der
•iceitem Verhreitung von Sedum enge Beziehungen zu der
Verbreitung der Regenwilrmer zu erkennen sind. Die unter-
suchten Neocomwande bei Quinten sind offenbar zu
r) Hie und da brechen wohl Katrwtrophen iibcr eine solche
Ansiedeluiijy herein, und zwar infolge des Besuches eines eier-
legenden Apollo -We i b c h e n s i Doritis Apollo L.). Es wunderte
mich oft, Vorspriinj?e zu sehen, die wohl viele Stiiminchen, aber
kauni mehr ein Blatt von Sedum aufzuweisen hatten ; nun be-
oba<jhtete icli aber eininal auf einer Sedumkolonie sechs grosse
Apolloraupen, die mit der bekannten Raupengier den ganzen Platz
verwiisteten ; in ea. 3 — 5 Minuten war ein Blatt gefressen ; die
Rechnung ware niolit sehr kmnpliziert, zahlenmiissignachzuweiHen,
dass auf diese Art aur.h iippige Ansiedulungen zu Orunde gehen
miissen, denn die Auswanderungsmoglichkeit fur die Raupen ist
ja nur eine geringe. Da aber keine andere Phanerogame von dem
Tode des Mauerpfeffers profitieren kann (Senipervivum?), so be-
deutet die Abweidung noch keinen Verlust des Standortes.
262
kompakt, urn Wurmern Unterkunft zu gewahren (es geht
ihnen z. B. auch der Reichtum an Strauchem ab). Tat-
sachlich fehlt ihnen denn auch Sedum beinahe vollstandig.
An einer Seewerkalkwand der untern Region fand ich
allerdings einmal einen Regenwurm, wahrend Sedum der
"Wand fehlte, was sich aber aus der muschelig rund-
hockerigen Abwitterung vieler Seewerwande erklart, die
im Gegensatze zu den gestuften Malm- und Schratten-
wanden das Liegenbleiben der Exkremente verunmog-
lichen1). Dieser selbe Grund konnte ubrigens auch das
Fehlen von Sedum auf dem Neocom verschulden helfen.
Dass es nicht der Kieselgehalt oder eine andere chemische
Einwirkung des Gesteins ist, durch welche Sedum ver-
drangt wird, beweist sein Vorkommen auf einem Neocom-
absatze, der den Humus als Tannennadeln bezieht,
welcher Fall im ganzen Gebiet zahlreiche Analogien findet.
Sedum kann aber auch ebenso gut auf Moos keimen,
wie auf reinem Humus. Auf den schwellend griinen
Moosrasen der mittleren Region findet es sich selten gut
entwickelt, obwohl es an seinen eigentlichen Wurzelorten
auch in dieser Hohe ganz normal gedeiht. Es ist denkbar,
dass es hier wegen der bestandigen Uberschuttungsgefahr
und dem haufigen Losreissen solcher Polster nicht geniigend
Zeit zur Entwicklung findet. Ferner gibt es in dieser
Region zahlreiche Pflanzen, die ausschliesslich an das
Moos gebunden sind und somit eine starke Konkurrenz
reprasentieren. Standorte, wo das Moos den notigen
Humus an Stellen ansammelt, an denen alles andere ver-
dorrt und nur noch Sedum gedeihen kann, sind alle
i) Diese linden sich dann oft unten an den Wanden in sonder-
baren, 1 — 2 m hohen, walliihiilichen, stark bewachsenen Humus-
anbauen wieder.
263
moglichen Mauern and Bid eke, deren Kopf oft durch
Sedum wie mit einem Korallenkranze geziert ist.
Bis jetzt haben wir Sedum nur als die genugsame,
sich stets zuriickziehende Pflanze kennen gelernt, die
nirgends im Stande ist, andere zu verdrangen. Das andert
sich mit einem Schlage, wenn wir gedilngte FeUen be-
trachten, gedimgt, sei es dadurch, dass sie Abwasser
von einer gediingten Wiese empfangen, sei es dadurch,
dass sie sich unter menschlichen Ansiedlungen linden,
oder von Ziegen als „Lageru beniitzt werden1). An
solchen Stellen gedeiht Sedum in ganz unerhorter tJppig-
keit. Es ist von Interesse, eine derselben naher ins Auge
zu fassen. Sie befindet sich etwas ausserhalb des Hauses
„Lauiu, hart am See, westlich von Quinten. Es geht dort
an einer ca. 70—80° geneigten Wand ein ganz schmales,
vorstehendes „Banda schrag in die Hohe. Dasselbe wird
mancherorts so breit, dass sich eine Ziege bequem darauf
lagern kann, was auch, dem massenhaften Miste nach zu
schliessen, haufig geschieht. Oberhalb dieses Bandes findet
sich nun ausschliesslich Globularia cordi folia, unter-
halb, mit drei Ausnahmen und abgesehen von einigen
ganz jungen Stocken, nur Sedum. Die drei Globularia-
komplexe der untern Partie triffl man wie folgt: 1. An
einer Stelle auf dem Bande mit viel Mist, die aber beim
Passieren bestandig betreten werden muss. Merkwurdiger-
weise sind auch unter dem Gewirr der Globularien noch
alte Sedumstammchen vorhanden. 2. An einer abschus-
sigen Stelle von einer Spalte herabhangend, wo der Mist
hinabrollen mlisste, ohne Sedum zu gute zu kommen.
l) Icb mache auf die Beziohung dieser gediingten Stellen zu
dem, zahlreiche Succulenten tragenden, salzgeach wangerten Meeres-
strande aufnierksam.
264
3. Auf einem horizontalen, unterhalb des Weges gelegenen
Vorsprunge, der sonderbarerweise so gelegen ist, dass er
von dem oben herabfallenden Miste, er mag fallen, wie
er will, stets ubersprungen wird. Die Stelle ist wirklich
mistfrei, da sie auch von Ziegen ihrer Lage wegen nicht
leicht betreten werden kann. — Auf einer horizontalen Fels-
flache in der Nahe der Wand ist sodann Globularia wieder
vorherrschend , da dort den Ziegen wegen der vielen
schmalen, senkrecht in die Hohe starrenden Felsplattchen
kein ordentlicher Ruheplatz geboten wird, und infolge-
dessen auch die Diingung eine geringe ist. Die Ziegen
lassen namlich ihre Losung regelmassig nur beim Erheben
von der Lager fallen und sonst nur so vereinzelt, dass
eine Diingwirkung nicht in Betracht kommen kann.
Zu erwahnen ist iibrigens, dass Sedum gerade auf
den Hauptlagerstellen der Ziegen, den sog. j,Grufelna (vide
Einleitung), fehlt. Das lasst vielleicht darauf schliessen,
dass der weisse Mauerpfeffer nicht allein einen hohen
Stickstoffgehalt benotigt, sondern tatsachlich Humus, denn
solche Gufel bieten ihren Besiedlern nur ein feines. jeden-
falls sehr selten durch Regen befeuchtetes Kalkpulver mit
viel Ziegenmist.
Es scheint, dass auch blosse Yermehrung des Humus
eine Erhohung der Uppiglceit von Sedum zur Polge hat
(wenigstens sofern er nicht durch andere Arten besiedelt
werden kann). Ich denke an die sogen. „Glattwandtf
bei Walenstadt. Dort zeigt eine etwa 200 m hohe, vollig
glatte, urn ca. 80° geneigte, von oben her oft berieselte
Wand, einzelne machtige, 1>2 m dicke, anlehnende Platten,
also die gewohnlichen Verhaltnisse, nur in stark ver-
grossertem Masstabe und mit starkerer Befeuchtung. Ihre
vom Typus ganz abweichende Flora ist folgende: Sedum
265
album in ungewohnlicher Menge, Centaurea scabiosa, Car-
duus defloratus, Arthemisia absinthium, Laserpitium siler,
Verbascum spec, Galium mollugo var. Gerardi, Saponaria
ocymoides, Erinus alpinus, Saxifraga aizoon, Hieracium
humile, ganz wenig Sesleria, viele Baume und Straucher,
weder Potentilla caulescens noch Globularia. Es besteht
also dem Typus der Nachbarwande gegeniiber ein Plus an
kraftigen Pflanzen mit grossem Haushalte, dem wohl
auch ein Plus an Humus entsprechen muss. Im iibrigen
ist die Stelle ilirer Unzuganglichkeit halber schlecht unter-
sucht. — Die erhohte Uppigkeit und Dichtigkeit von
Sedum infolge Humusanhaufung kann auch sehr schon
an verschiedenen Stellen am See beobachtet werden, wo
liber den Wanden sich direkt Wald angesiedelt hat, oder
wie schon bemerkt. Menschen mit ihrem Vieh und Diinger-
haufen, wie gerade beim Hause Laui westlich von Quinten.
An all diesen Standorten muss seine Ausbreitung
unter Verdrangung der Globularia geschehen. Wie dieses
triige Sedum "plotzlich im Stande ist, in einem Kampfe
zu siegen, ist allerdings ratselhaft. Die Erklarung, Sedum
allein ertrage die Aufnahme so konzentrierter Losungen
wie Ziegenharn oder Jauche bei Warme, d. h. zur Zeit
der hochsten osmotischen Kraft der Wurzeln, wahrend
Globularia dadurch direkt geschadigt werde, ist in An-
betracht seines Sieges auf viel reinem Humus unzulang-
lich. Sollte der Fall bloss auf eine direkte Verminderung
der Sterblichkeit1) bei Sedum infolge guter Nahrung
herauslaufen, wahrend diejenige von Globularia, die sicht-
lich keinen Vorteil aus der Diingung zieht, sich gleich bliebe ?
J) d. i. der Quotient aus der Zabl der in einem Jahr zu Grande
gehenden Tndividuen. durch die Zahl der in der gleichen Zeit sich
neu ansiedelnden.
266
Zum Schlusse noch die Bemerkung, dass ein Gras,
Bromus erectus, Sedum album sehr oft begleitet and auch
mit ihm verschwindet. Ich weiss aber noch nichts Genaues
iiber den Fall.
Leontodon incanus.
Leider fiel mir die Haufigkeit dieser Spezies erst spat in die
Augen, als ich anting, statistische Erhebungen zu machen. Das
Folgende beruht also auf zu wenig Beobacbtungen, uni Anspruch
auf grossen Wert zu haben.
Vorderband bin ich zur Cberzeugung gelangt, dass wir es
bei dieser Spezies mit einer Art Friihlingspflanze des Felsens zu
tun haben. Ende Mai des Jahres 1902 waren beinahe nur noch seine
weissen Fruchtperiicken zu Behen. Aber nicht nur seine fruhe
Fruktifikation, sondern auch sein ganzer Bau spricht dafiir. Sein
Wurzelwerk ist eines der schlechtest ausgebildeten von sanitlichen
Felsenpflanzen, und dennoch bewohnt er die trockensten Orte des
Gebietes, namentlich z. B. die mit ganz wenig Grus versehenen
Kitzen zwischen einzelnen sich loslosenden Lamellen (z. B. auch
under warts die selbst bei Kegen wetter nur staubigen Mull auf-
weisenden Gufel). Wie sollte er da den Sommer iiber reichlich
organische Substanz produzieren konnen? An seinen extremsten
Standorten hat er keine Konkurrenz zu fiirchten.
Die nasse Witterung machte eine Kontrolie des Gesagten
durch die (ubrigens haufigen) alpinen Vorkommnisse von Leontodon
incanus unmoglich.
Ausser den hier naher behandelten Spezies tritt noch eine
in grosser Hiiuiigkeit auf: Tmcrium montanum, aber an so ver-
schiedenen Stellen. dass ich sehr bald die Hoffnung aufgab, eine
Gesetzmassigkeit in seiner Verbreitung auffinden zu konnen.
II. Kapitel.
Die Malm-TViinde miter Tsehingeln-ObersSss.
Als ich meine Beobachtungen auch auf die Malm-
Wande, die in 1300— 1600 l) m iiber Meer den „Walen-
l) Im Santisgebiet rlndet man in dieser Hone schon Spezies,
die in den Curfirsten erst an den Gipfelwanden auftreten.
267
tadterberg" krdnen und von der Tschingelnalp
rennen, auszudehnen begann, hatte ich bereits aus den
fcuintener Untersuchungen die feste Uberzeugung ge-
ronnen, dass der Verteilung der Felsenpflanzen auffind-
are Gesetze zu Grande liegen. Ich kannte solche, kannte
^ktoren, welche den einen Pflanzen die Lebensmoglich-
eit, den andern Vernichtung bedeuten, fand zum Teil
ieselben Pflanzen auch hier oben wieder, und dennoch
ot mir lange Zeit der Anblick dieser neuen Verhaltnisse
ur das Bild des vollkommensten Chaos, gerade so, wie
u Anfang der Untersuchungen jede Wand uberhaupt. —
Dass die Besiedelung im ganzen nicht mehr dieselbe
\t wie in Quinten, erschien mir nicht erstaunlich. Der
Lufbau der Wande selbst bleibt sich zwar genau der
leiche wie in den untern Regionen, aber eine durch-
reifende Verschiedenheit in der Kryptogamen-
lora ist deutlich genug zu beobachten. Statt der schw&rz-
chen Mooskrusten, die am Seeufer teils an den glatten
7anden kleben, teils die Spalten einnehmen, sind hier
ben alle Fugen mit schwellenden, saftig griinen Moos-
olsterchen ausgekleidet. Ich wusste auch (vide Sax. aizoon),
ass regelmassig mit dem Auftreten derselben die Phanero-
amenflora andert. — Was aber die Regellosigkeit der
tesiedelung anbelangt, so uberrascht vor allem, dass die
regetation keine geschlossene mehr ist, uberall
ihoner schwarzer Humus frei zutage tretend, ohne jede
tekleidung. Sodann kommt es viel haufiger als unten
or, dass sich in zahllosen Spalten auf dem Moose bei-
ahe alle Spezies einfinden, die hier iiberhaupt vorhanden
nd, ohne dass aber festgestellt werden konnte, welche
er betreffenden Ansiedler mit der Zeit ein "(Jbergewicht
rlangen; auch aus den Stellen, die einzelne Spezies in
268
uppiger Entfaltung tragen, wollten sich keine Schlusse
ziehen lassen.
Schliesslich gab ich meinen Plan auf, Gesetzmassig-
keiten zu suchen, und versuchte nur noch den Griinden
der Unordnunq nachzuspiiren. — In dieser obern Region
fallt folgendes ohne weiteres in die Augen: Jede An-
siedlung ist in hohem Grade der VerletzuDg aus-
gesetzt, welche ihre Ursache in der starkeren Ver-
witterung des Gesteins hat; denn diese bedingt ein fort-
wahrendes Herausf alien von Steinstiicken aus dem Ver-
bande; sodann schadigt der fallende Stein selbst wieder
durch sein Auffallen, und schliesslich werden dadurch
bestandige bedeutende Mengen von Humus und Detritus
der Verschwemmung ausgesetzt, die genau, wie es jeder
Wildbach im grossen tut, im kleinen, teils durch Erosion,
teils durch Uberlagerung, weiter unten liegenden An-
siedelungen neuen Schaden zufiigen. Wenn man eben
von der Betrachtung solch geordneter Verhaltnisse kommt,
wie sie z. B. bei Quinten bei dem durch aussere Ein-
griffo ungestorten Konkurrenzkampfe ermoglicht werden,
so neigt man, vor einen derartigen Wirrwarr gestellt,
leicht zu der Ansicht hin, dass man es hier mit einer
urspriinglich in glcicher Weise geordnet gewesenen Vege-
tation zu tun babe, die aber dadurch jeder Gesetzmassig-
keit in der Besiedlung vorlustig gegangen sei, dass spater
vollig wahllos bald die eine, bald die andere Ansiedelung
vernicht(it und geschadigt worden sei und infolgedessen
zufiillig verschont gebliebene Nachbarn, die eigentlich
an ganz andere Verhaltnisse angepasst gewesen, sich des
ihnen fremden Gebietes bemachtigen konnten. Eine solche
Annahme widerspricht aber unserer ganzen AuiFassung
von den Naturerscheinungen. Auch diese wahllose Ver-
269
nichtung und Schadigung bedeutet, da wir uns ja immer
noch innerhalb der allgemeinen Lebensgrenze befinden,
einen Faktor, an den eine Anpassung moglich ist, — so-
fern er nur lange genug wirkt, — einen Faktor, durch
welchen gewisse neue Bedingnngen geschaffen werden,
die auszunutzen gewisse Pflanzen am tauglichsten sein
miissen, sei es dadurch, dass sie im Stande sind, die
Schadigung besser zu ertragen und infolgedessen an be-
sonders gefahrdeten Stellen allein erhalten bleiben, sei
es dadurch, dass sie voin Tode anderer Nutzen ziehen
konnen.
Es handelt sich also nur darum, sorgfaltig nach
Stellen zu suchen, an deyien die Zerstorung fvrtwaJirend
and gleichmassig wirkt. Dadurch lernt man die Spezies
vom oben genannten Typus kennen. Ermittelt man auch
noch die Flora von Stellen, die gar keiner Schadigung
ausgesetzt sind, so ist Aussicht vorhanden, Einsicht in
das Chaos zu gewinnen, das bei beginnender Zerstorung
konstanter Bestande und Einwanderung der Spezies ex-
ponierter Stellen entsteht; denn durch diese Mischung
diirfte wohl das Wirrsal zu erklaren sein. Dass dabei
nur eine Betrachtung jedes einzelnen Falles zu einem
Resultate fuhren kann und sich hier keine allgemein ver-
breiteten Typen auffmden lassen, ist verstandlich.
Die kompakten Wande
weisen noch beinahe denselben Charakter auf wie der
Quintener Typus. An Stelle von Laserpitium siler ist
Primula auricula getreten, als Einfassungspflanze der
Rasen tritt neben Semper vivum Saxifraga aizoon auf, die
definierten Potentillenwurzelorte haben einen weitern Be-
siedler gefunden: Rhamnus pumila.
270
Stark verwitternde Wande.
Als Musterbewpiel diene eine ca. 10 m2 grosse Stelle
von ca. 55 ° Neigung, oben durch einige massivere Bldcke
von der Weide getrennt, so dass eine starke, direkte Uber-
schuttung von dieser her ausgeschlossen ist. Die Ver-
witterung lost plattige, splitterige Stucke ab, die unten
meist kontinuierlich in die Wand iibergehen und ihre
horizontalen oder schiefen Querschnittsflachen nach oben
kehren. — Ausser den reichlichen Moo spol stern tragt
dieselbe folgende Spezies:
Globularia cordifolia
Thymus serpyllum
Carex humilis
Sesleria coerulea
Saxifraga aizoon und
Primula auricula,
eine Gesellschaft, die ganz im Gegensatze zu den andern
dieser Rogion an Durchsichtigkeit und Einfachheit in der
Arbeitsverteilung unter ihre Glieder nichts zu wunschen
Iibrig lasst. — Jedes derselben hat seinen bestimmten
Beruf, wo es ihn ausuben kann, siedelt es sich an, und
fehlt anderwarts. Man fiihlt sich zur Behauptung ver-
sucht : Nur so viele Spezies sind raoglich, und fehlte eine.
so wurde man sie vermissen.
Zunachst finden wir also wieder die
Globularia cordifolia.
Sie betreibt ilir Handwerk wie unten bei Quinten; von
einer kleinen Ritzo, oder von einem Moospolsterchen aus
bant sie ein weitliiufiges Gehege fiber den Fels und fangt
darin auf, was Zufall, Wind, Regen oder Tiere in das-
selbe hineintrciben, urn sich auch von ihrem Fange zu
271
nahren. Nur macht sie hier oben bedeutend reichere
Beute. Sie lebt eben nicht mehr fast ausschliesslich von
Regenwurms Gnaden oder den Uberresten zu Grunde
gegangener Genossen; denn der Fels ist bnichig, und
wenn sich ein Stuck losgelost, so f allt von der dicken
Humusschicht der ehemaligen Spalte fruher oder spater,
namentlich wenn nicht sogleich ansgiebige Verschwemmung
eintritt, sicher Kriimchen fur Kriimchen einer darunter
liegenden Globularia zu, oder sie kann plotzlich von einem
Humusregen iiberschuttet werden, wenn starker Stein-
schlag den Rasen aufschleisst und mit jedem Aufschlag
eine kleine Erdfontane in die Lufb schickt. Ich beob-
achtete, gleich nach dem Niedergang einer grossern Wand-
partie, wie an ganz glatten, fast senkrechten Wanden
samtliche Globulariarasen prall mit Humus gefullt waren,
und wahrend rings herum die Wande vollig rein blieben,
oder die Graser auf den Rasenbandern von dem Segen
zu Boden gedruckt waren, schauten die bliihenden Rosetten
der Globularia aus der schwarzen Erde hervor, just wie
wenn ein Gartner sie eben in ein Saatbeet versetzt hatte ;
denn ihre zum Teil bogig gekrummten Blatter sind elastisch
und straff genug, urn bei einer solchen Bestreuung fort-
wahrend wieder emporzuschnellen und den Humus nur
zwischen das Netzwerk der niederliegenden Aste fallen zu
lassen.
Dieselben Vorgange aber, die die Kugelblumen so
reichlich mit Nahrung versehen, setzen sie oft auch Ge-
fafiren aus, die sie auf den kompakten Wanden kaum
zu furchten hat. Bricht einmal unter einem solchen
Globulariateppich ein Stein heraus, so hat der Korb den
Boden verloren, aller aufgespeicherte Humus fallt mit
heraus, die Pflanze verdorrt und lasst in der Zukunft von
272
den verschont gebliebenen Teilen schwarze, durre Aste
hasslich iiber die Bruchstelle herabhangen. Oder der
Uberfluss selbst gereicht zum Schaden, indem er auch
andern Pflanzen die Ansiedlung zwischen den Maschen der
Globulariaaste erlaubt und damit beginnende Rasenbildung,
Uberschattung und Vernichtung bedeutet. So namentlich
auf den Stufen treppenformiger Stellen, wo sich Globulari*
dann nur noch an den Steilabsturzen halten kann, wahrend
Carex humilis,
die stets die Invasion einleitet, beinahe ausschliesslieh die
Stufen bekleidet. Aber nicht nur im Globulariarasen,
sondern auch auf verletzten oder unversehrten Moos-
polsterchen tindet sich Carex humilis. Sie scheint an
reichliche Humusmengen gebunden zu sein, und ist so
ziemlich die haufigste Pflanze derartiger Standorte. —
Die Form ihres Auftretens ist iiberaus einheitlich, nament-
lich ausserhalb des Globulariarasens und lasst allenthalbeu
die Wirkunjfen dex herabfliessenden Regenwassers erkennen.
Da das Wasser der Wand entlang rinnt, so macht sich
zunachst auch nur an der Wand die Wirkung geltend.
Einfache Moosraschen werden an der Wand unterwaschen
und fallen schliesslich ab. Tragen sie aber Carex humilis,
so ist ein Lostrennen vvegen der kraftigen Verankerung
in den Felsritzen durch die Wurzeln derselben verunmog-
licht. Werden auch, wenn der Wasserstrom seinen Weg
zu dem betreiienden Polster nimmt, die der Wand zu-
nachst gelegenen Teile der Carex humilis tiberschuttet,
oder umgekehrt, infolge von Erosion einzelne Rhizome
von Humus entblosst, dem Sonnenbrande ausgesetzt und
samt ihren Trieben getotet, so erleiden dabei die darunter
liegenden Rhizome und damit die Terminalsprosse doch
273
inert Sehaden, und auch das Moos daselbst kann uppig
dter gedeihen, bleibt doch die ganze Ansiedelung gut
festigt l). Derart erklart sich die tiberall zu findende, auf-
lende Form dieser Carex humilis-R&schen. Gegen den
Is zu Humus und totes Material, das auch zu beiden
iten der Ansiedlung herab lauft, von der Wand ent-
nt die griinenden Triebe, darunter, in deren Schutz
l schwellendes Moospolsterchen, meist noch Saxifraga
zoon tragend, dessen Los es ist, hier unten fruher
er spater zu verkommen ; denn der erste Tritt, den ein
3r darauf tut, ist im Stande, das Moos herauszuquetschen
d mit ihm seine Epiphyten. Carex humilis aber bleibt
fgehangt und hat nur eine etwas schiefe Lage ange-
tnmen, die ebenfalls tiberall zu beobachten ist.
Diese Zustande aber ermoglichen neue Besiedler.
amal ist es
Sesleria coerulea,
5 man antrifft und zwar stets da, wo sich die Carex-
schel ein gutes Stuck von der Wand entfernt haben,
d stets aussen an den Carexexemplaren, nie so, dass
va zwischen Carex und der Wand Sesleria wuchse.
iS Warum ist mir ratselhaft, die Sonderung aber ist
cht zu erkennen.
Der viele verschwemmte Humus aber, der beinahe
Bnsoviel Fels bedeckt, wie die gesamte Vegetation selbst,
*) Es diirfte interessant sein, zu untorsucht»n, inwieweit dieser
ztbesprochene Habitus von Carex humilis (langes entblosstes
izom mit allein griinen Terminaltrieben) auch an geschutzten
^ndorten auftritt und ob nicht der Fall so liegt, dass Carex
milis deshalb andern Felsenpflanzen gegen iiber an den genannten
ten im Vorteil ist, weil sie spontan den Habitus annimmt, der
1 sowieso durch mechanische Scbadigungen auigezwungen wiirde.
274
wird, wie zu erwarten ist, von einer besondern Spezies
ausgeniitzt, dem
Thymian.
Schon drei Spezies lernten wir kennen, welche aus-
schliesslich von der Denudation leben, Globularia, Sedum
album und Carex humilis, drei grundverschiedene Pflanzen.
Und ebenso neu in der Art, sich durchs Leben zu schlagen,
ist der Thymian. Globularia treibt in besonderer Weise
starre, holzerne Aste, und halt damit auf, was von den
Wanden herabfallt. Sedum hat gelernt, lange Trocken-
heit auszuhalten, ohne zu verdorren, und kann daher den
Humus ausniitzen, wo er sich auf horizontalen Vorsprungen
angesammelt und alle andern Pflanzen durch die Sonnen-
glut getotet wiirden. Carex humilis endlich verankert
den Humus.
Dem Thymian aber ist eine grosse Beweglichkeit eigen,
so class er im Stande ist, auch da zu leben, wo ihm der
Boden bestiindig unter den Fiissen wegrutscht. — Er
keimt auf Moos oder derselben Unterlage, deren das Moos
bedarf, und verlegt sich dann, sobald er erstarkt, aufs
Wan dem. An langen d lumen Astchen hebt er kleine,
beblatterte Triebe in die Hohe, setzt damit in hubschem
Bogen liber eine benachbarto Ansiedelung, oder kriecht
auch durch einen Rasen hindurch — die Kleinheit seiner
Blattchen erlaubt ihm das — . Oft macht es genau den
Eindruck, als Hesse er an langen (40 cm) Schniiren seine
Triebe einfach senkrecht iiber eine Wand hinab auf den
nachsten Humusfleck, um sie da ihrem eigenen Schicksal zu
tiberlassen. Sobald ein Teil eines solchen Triebes auf ein
feuchtes Moosraschen, oder auf Humus zu liegen kommt,
schlagt er Wurzeln und setzt seine Wanderschaft in gleicher
Weise fort, bis die ganze Wand ubersponnen und Humus-
275
3ck an Humusfleck vielfach miteinander verbunden ist.
ommt nun auch ein Wasser und schwemmt viele davon
eg, einzelne werden doch stets ubrig bleiben, und auf
esen geniesst Thymian bis zur nachsten Keimung der
3iigen Spezies dos Standortes alle Vorteile der fehlenden
onkurrenz. Und er hat auch noch Aussichten, mehrere
eimungszeiten in ungestortem Besitze des Platzes zu
leben; denn diese angeschwemmten Humusmassen sind
cht glatt und werden, wenn auch nicht weg-, so doch
iters abgewaschen, so dass nicht viele der darauf ge-
ngten Samen zur Entwicklung gelangen diirften, um so
eniger, als ja Thymus mit seinen inagern Stengelchen,
inz im Gegensatz zu Globularia, nichts dazu beitragt,
m Samen der Keimlinge Halt oder Schutz zu gewahren.
Friiher oder spater freilich wird er doch weichen
iissen, denn wie konnten diese Stengelchen dem Vor-
•ingen eines Carex- oder Sesleriarasens Halt gebieten,
ler eine Primula auricula-Rosette an der Entwicklung
>mmen? Aber was tut's? Schon langst hat er andere
olonien gegnindet und kehrt vielleicht bald wieder an
mselben Ort zuriick, wenn der Stein, auf den alles auf-
ibaut war, samt dem was er getragen, zur Tiefe gestiirzt
b. — Ich denke mir, es miisste ein anziehendes Bild
sben, wenn man einen Kinematographen in wenigen
inuten das wiedergeben liesse, was er wahrend vieler
ihre an einem solchen Standort aufgenommen. Wahrend
an alle andern Pflanzen ruhig an einem und demselben
iatze sich entwickeln und sterben sahe, ware da stets
n Wanderer zu beobachten, eben der Thymian, der
it feinen Faden das ganze Gebiet durchzoge, iiberall
i, wo eine Wunde geschlagen, zur Entwicklung gelangte,
n gleich wieder zu weichen, sei es wegen einer neuen
276
Verwundung, sei es vor der allmalig erwachsenden Kon-
kurrenz, aber bald wiederkehrend infortwahrendemWechseL
Dass bei diesen Verhaltnissen der Thymian sich sehr
oft an Globulariawurzelorten findet, ist von vorn-
herein zu erwarten; denn eine scharfe Grenze zwischen
Orten, an denen Globnlaria gerade noch der Verzettelung
des Humus zu trotzen vermag, und solchen, wo sie selbst
unter der erodierenden Schwemmung zu leiden hat, be-
steht nicht. Und dass auch die Wurzelorte von Sedum
und Thymus oft zusammenfallen, wird nicht ver-
wunderlich erscheinen. An Ort und Stelle lassen sich die
Griinde meist leicht ersehen; allgemein kann vielleicht
noch hier erwahnt werden, dass, wie selbstverstandlich,
auf sparlich bewachsenen steilen Wanden Globularia vor-
herrscht und Thymus beinahe ganz fehlt, und umgekehrt
auf schon stark bewachsenen Steilen.
Ein Unterschied zwischen scheinbar identischen Wurzelorten
von Sedum album und Thymus serpyllum.
Bei der grossen Ahnlichkeit der Wurzelorte von Sedum
album und Thymus serpyllum, die namentlich da, wo in den
obern Regionen beide die Moospolsterchen ausniitzen, zur
scheinbaren Identitat wird, wird man den Mangel weiterer
Unterscheidungsmerkmale wohl weit eher verstehen konnen,
als manche andem Liicken in der Untersuchung. Aber
gerade da, wo die Schwierigkeiten unuberbriickbar er-
scheinen, eroffnet uns eine vollig objektive Untersuchungs-
methode, die einfache Warmemessung, wenigstens
einigermassen einen Einblick in die Ursachen, welche hier,
wo die Chancen beinahe gleich sind, bald den einen, bald
den andern Konkurrenten die Oberhand gewinnen lassen.
Es stellte sich namlich heraus, dass die von Sedum
277
bewohnten Poteterchen stets urn etwas w&rmer waren, als
die benachbarten mit Thymiaribesiedehing. — Dafur folgende
Belege.
Die Polsterchen der Bergsturzblocke am Eingang ins See-
alptal ergaben nach regnerischen Vortagen am 22. August,
einem etwas nebligen Tage mit Aufhellung am Nach-
mittage, abends S1/* — 61/* Uhr (relativer Sonnenuntergang
41/2 Uhr), folgende Temperaturen :
1. bei einer Distanz der Polsterchen l) von 1 — 2 m.
Thymus , 13,4°; 13,5°
Sedum . \ 14,5°; 14,8°
12,9°
13,3°; 13,8°
13,3°; 13,9°
11,6°
12,2°
13,6°
12,8°
lit0! H,l°
14,8°
14.0°
12.5°
14,f°
2. bei ein<
Thymus . .
Sedum . . .
?t kleineren Disto
Distanz 45 cm
13,2°
13,5°
*nz der ben ac hi) a
35 cm
12,8°
14,0°
rten Pdlsterchen
32 cm
13,0°
13,0°
Thymus und S
Sedum . .
edi
lm . .
dagege
1
1
n bei
mit £
4,0°
4,0"
>edu
finuspolsterchen
minvasion
13,6°
13,2°
Einem Ameisenhaufen aufsitzende Thymuskolonien
ergaben die Temperatur 16° C. und 14,3° C, also eine
hohere als die durchschnittliche Sedumpolstertemperatur
(vide I. Teil H. Kap. § 1 A 2 b).
Bei Schrlna (Curfirsten, Mittelwaldchen) erhielt ich
am 29. August morgens IOV4 — 11 Uhr bei leichter Ver-
schleierang der Sonne, doch nicht so starker, dass nicht
*) Die Temperaturen benacbbarter, allein vergleich barer Polster-
chen mit gleicher Exposition und gleicher Zeit der Aufnahme
stehen immer untereinander; Doppelzahlen bedeuten zwei Mes-
aungen an angrenzenden, aber etwas verschieden beschaffenen
Pdlsterchen.
278
immer noch deutliche Schattenbilder sich ergeben hatten,
an einer Gerollhalde folgende Zahlen:
i Bei Exemplaren
zwiscben Geroll | auf Humus
tief mehr oberflach- , i
Thymus
Sedum
gemessen
18,1°
18,9°
19,7°
23,0°
19,0°
23.2°
lich gemessen
22,3°
22,7°
Lufttemperatur anfangs 16,1 c
„ amEnde 15,9*
(1 m iiber dem Boden durch Sch wingen des Thermometers gemessen.)
Wenn die Quecksilberkugel direkt auf das Geroll gelegt
wurde, zeigte das Thermometer 27°.
Beim Aseher (Ebenalp, Sentis) ergaben sich am 8. Sep-
tember 1902 nach einem wolkenlosen Morgen im Momenta
der Nebelbildung 11 Uhr 10 Minnuten:
fur Thymus .... 22,5°
fiir Sedum .... 24,2°
bei einer Lufttemperatur von 21,8° bis 19,5° und einer
Temperatur der Felsoberflache (durch Anlegen gemessen)
von 27° Celsius.
An einem Orte grifFen von einer iippigen Thymus-
kolonie Aste auf den nur sparlich mit Humus bedeckten,
fast nackten Fels iiber. Dort ergab sich wie verstand-
lich eine Temj^eratur von 24°.
Beim FHhlensee wurde am 2B. September mittags
2 Uhr 40 Minuten folgende Temperatur gemessen:
Lufttemperatur 13°.
Anfang der Messungen 3 Minuten nach beginnendem
Sonnenschein (der Morgen war neblig), Schluss nacb
12 Minuten.
279
Thymus
Sedum .
18,7°
18,7°
18,0° i 16,0° J 17,9°
18,5° j 19,3° i 19,8°
Nach 15 Minuten Sonnenschein wurde eine Messung
an zwei nicht benachbarten Polsterchen ausgefiihrt, die
absichtlich so gew&hlt wurden, dass an Stelle der pein-
lichsten Sorgfalt im Vermeiden aller das geahnte Resultat
begiinstigenden Umstande, moglichste Bevorteilung eines
allf allig negativen Resultates trat (durch Wahl der Expo-
sition der Umgegend etc. etc.).
Resultat :
Thymus . . . 17,2°
Sedum .... 18,8°
Nachdem die Sonne wieder 20 Minuten lang verdeckt
worden war, wurden Messungen mit folgenden Resultaten
erzielt :
Thymus
Sedum .
17,8°
16,2°
17,8°
17,9°
17,2°; 16,8°
18,2°
17,1°
15,0°
Zur ersten Messung wurde wieder in obigem Sinne
parteiisch vorgegangen; die iibrigen drei wurden an be-
nachbarten Polsterchen ausgefiihrt. Die letzte Messung
bei einer Lufttemperatur von 12,5 °, */a Stunde nach der
letzten Besonnung ausgefuhrt, ist also das einzige, der
aufgestelltenBehauptung direkt entgegenlaufende Resultat,
das aber nicht einmal ins Gewicht f allt, weil es sehr wohl
moglich ist, dass sich die Polsterchen mit Thymus eben
weniger schnell abkiihlen, als die kleinern Sedumkolonien.
Bei alien Messungen wurde so vorgegangen, dass
die Quecksilberkugel moglichst gleich tief in eine von
Sedum oder Thymus unbeschattete Stelle des Moosraschens
oder der Erde, die ihnen als Untergrund diente, ein-
gesenkt wurde.
280
Woher riihren nun aber diese Differenzen in der Tern-
peratur? — An Ort und Stelle ist es nicht ausgeschlossen,
dieselben aus den verschiedensten Umstanden heraus za
verstehen, allgemein lasst sich aber nichts sagen, da nicht
ein Faktor allein bedingende Ursache ist, sondern das
Zusammenwirken einer ganzen Reihe solcher. Oft ist
es wahrscheinlich, dass die Struktur des Moosraschens.
locker oder kompakt ; oft, dass die grossere oder geringere
Menge der dem warmen Kalkstein auflagernden Humus-
schicht den Ausschlag gibt; oft, dass die Farbe des
Gesteines mitspielt etc. etc.
Primula auricula.
Wir kennen die Wurzelorte von Laserpitium siler.
Dasselbe kommt hier oben wohl noch vor, aber nur im
Easen. Sein Stellvertreter auf den Spalten ist Primula
auricula und es diirfte, was einst iiber Laserpitium siler
gesagt wurde, auch von Primula gelten, mit Ausnahme
der Beziehungen zum Vieh und des Verhaltens der Wurzeln.
Eine Stelle bei Betlis am Walensee ist ubrigens
kennzeichnend fur die Bediirfnisse von Primula auricula.
Sie fehlt sonst uberall in den untern Regionen, tritt aber
plotzlich auf dem Seewerkalk, der von dem Spriihregen
des Beerenbachfalles und der „Riuquelle bestandig be-
staubt wird, in Masse auf; ebenso findet sie sich auf dem
wasserspendenden Gaultbande ob der Au bei Quinten.
Die erhohte Feuchtigkeit scheint ihr Vorkommen an diesen
beiden Orten zu ermoglichen.
Wio bekannt, fulirt Kerner eine Beobachtung iiber die K<m-
traktilitat der Wurzeln von Primula auricula an, welche die Pflanze
in ausgezeichneter Weise als Spaltenpflanze charakterisiert und
deshalb hier folgen soil. — „Von den spater entstehenden Wurzeln
haben mancbe die Fahigkeit. auf ihren Stamm ein en Zug aus-
281
zuiiben. Die an den Stengelknoten der Auslaufer, beispielsweise
jenen der Erdbeerpflanze, entspringenden Wurzeln ziehen diese
Stengelknoten einon Zentimeter in den Erdboden hinein. Das-
selbe gilt von den langen Wurzeln, welche aus den Stammen der
ausdauernden Primeln hervorgehen. Wenn solche Primeln in den
Kliiften nnd Spalten senkrecht absturzender Felswande ihren
Standort haben, so wird durch dieses Hineinziehen eine Erschei-
nung hervorgebracht, welche jeden, der sie zum ersten Male be-
obachtet, iiberrascht und ihm als ein schwer zu losendes Ratsel
erscheint. Die dicken Stamme dieser Primeln (z. B. Primula auri-
cula, Clusiana, hirsuta) sind durch eine Rosette aus Laubblattern
abgeschlossen. In dem Masse, wie die untern Blatter dieser
Rosette abdorren, wird in der Achsel eines der obern Blatter eine
neue Rosette angelegt, welche die alte im nachsten Jahr ersetzt.
Wfiin die Rosettenblatter auch ziemlich gedrangt tibereinander
stehen, so hat nichtsdestoweniger das von ihnen bekleidete Stanim-
stiick ein Langenmass von ungefahr einom Zentimeter, und obenso
lang ist auch der jahrliche Zuwachs, welcher der geradlinig dem
Liichte zuwachsende Stamm erfiihrt. Dieser Zuwachs von zehn
Jahren summiert, gibt zehn Zentimenter, und man sollte erwarten,
dass die Rosette des zehnten Jahres auch um zehn Zentimeter
fiber jenen Punkt vorgeschoben sein wiirde, wo die Rosette des
ersten Jahres stand. Merkwiirdigerweise aber bleibon die Rosetten
aller folgenden Jahre immer an dem gleichen Punkte, namlich
iramer den felsigen Randern der Ritze oder Kluft angeschmiegt,
in welcher der Stock wurzelt. Es erkliirt sich die Erscheinung
daraus, dass die von dem rosettentragenden Stamm ausgehenden
Wurzeln den Stamm alljahrlich um einen Zentimeter in die mit
Erde und Humus gefiillte Ritzen hineinziehen. Das kann aber
wioder nur geschehen, wenn das hintere Ende des Stamines all-
jahrlich um ein entsprochend grosses Stuck abstirbt und verwest,
was auch tatsachlich der Fall ist. In Folsritzen, welche fur diesen
Vorgang nicht geeignet sind, gedeilien die Primeln schlecht, ihre
Stamme ragen dann liber die Rander dor Ritzen vor, die ganzen
Stocke verfallen ein em langsamen Siochtum, kommen nicht mehr
zum Bliihen und gehen nach einigen Jahren zu Grunde. Fur die
Kultur der genannten Primeln, sowie mehrerer anderer in der
freien Natur in Felsritzen wachsenden Pflanzen ist die Erkenntnis
dieser Wachstumsweise insofern von Interesse, weil sich daraus
naturgemass die Vorsicht ergibt. die Stocke so zu pflanzen, dass
die Stamme alljahrlich um ein bestimmtes Stuck von den Wrurzeln
in die Erde gezogen werden konnon."
282
Saxifraga aizoon
scheint bei der Keimung auch an das Moos gebunden zu
sein und kotnmt tiberall vor, wo sich Moos findet, oft im
bunten Durcheinander mit alien ihren Standortsgenossen \).
Da sie ziemlich viel Schatten vertragen kann (tippiges
Gedeihen in Hohlungen unter grossen Felsblocken), so
wird sie nicht leicht verdrangt, und der einen oder andern
Rosette gelingt es, zur Blute zu gelangen, auch wenn
die betreftende Spalte zu gleicher Zeit noch Primeln,
Globularien, Carices und Thymian zu nahren hat. — Zur
eigentlichen Entfaltung aber gelangt Saxifraga aizoon nur
da, wo das Moos kleineren Spalten aufsitzt, so dass die
Konkurrenz mehr oder weniger ausgeschlossen ist, und
an Orten, wo zugleich die Gefahr des Viehtrittes
oder Verse hwemmung in Wegfall kommt. Das Wurzel-
werk von Saxifraga aizoon dringt namlich nicht derart
in Spalten em, dass das Moos, ahnlich wie bei aufsitzen-
der Carex liumilis fest verankert wiirde, sondern verbreitet
sich hauptsachlich ausserhalb des Felsens; infolgedessen
konnen Moospolsterchen, die nur Saxifraga aizoon tragen,
leicht mit der Hand vom Substrat abgehoben und ebenso
leicht auch vom Wasser weggespult werden. — Mit dem
\i Sowolil Saxifraga aizoon, als auch der Thymian fehlen d?n
unbeschattetcn Felswiinden am Seeufer bei Quinten, treten aber
in gleicher Hf>ho sofort auf, wo infolge von Baumschatten oder
Baurnhumus sich griine Moospolster gebildet haben ; Thymus auch
an einer Stelle, die genau so beschaffen, wie die Wande bei Quinten.
aber mit Siidwestexposition. Ua der Walensee nur West- oder
Ostwind kennt (auch der Folin weht hier als Ostwind), so zeigt
sich eine deutlicho Differenz in der Wirkung der Spritzwellen, die
bei den Wanden mit Siidexposition beinahe Null ist, im Gegensati
zu jeder andern Orientierung. Der haufigen Bespritzung ist es
wohl zuzuschreiben, dassgedachte Stelle mit griinen Moospolsterchen
besetzt ist und Thymian tragt.
283
Gesagten steht auch die ausgesprochen xerophytische Aus-
bildung von Saxifraga aizoon in direktem Zusammen-
hange. Ich verweise diesbezuglich auf Kerners I (II. Auf-
lage, pag. 222) Angaben uber das Aufsaugen von Wasser
mit Hiilfe von Kalkventilen an den Blattern.
Als WurzehH v&n iqipigen Saxifraga aizoon-Exemplaren
findet man daher meist Moosraschen auf glatten, nicht
bespiilten oder betretenen Platten, oder in sicheren Ecken
und Winkeln auf nicht allzu lukrativen Spalten.
III. Kapitel.
Aus tier alpinen Region.
An gewissen Wanden in den obern Regionen des
Sentis, namentlich aber am obersten der gewaltigen Wand-
komplexe der Curfirsten, den Gipfelwanden, tritt mit einem
Schlage eine ganz neue Lebensform in die Felsflora ein,
die Polsterpflanzen1). Es ware unnutz, sich nach
den Wurzelorten der verschiedenen Bewohner dieser
Hohen umzusehen, bevor die Bedeutung des Polster-
wnch8es vollstandig klargelegt ist, spielen doch die Polster-
pflanzen eine Hauptrolle in unserer neuen Gesellschaft.
Androsace helvetica, eine alpine Polsterpflanze.
Bisher wurde die Bedeutung des Polsterwuchses in
dem erlwhten Verdun-atungsschutze gesucht, indem unter
dem dicht schliessenden, den austrocknenden Win den
wenig Angriffsflaohe bietenden Dacho der immorgrunen
Triebe hygroskopischer, wasserspeichernder Humus an-
gesammelt werden konne2).
*) Im Sentis steigt Saxifraga ccesia bis 1100 m hinab.
*) Warming (I) schreibt z. B.: ,Die Hochgebirge zeigen viele
284
Was ergibt die eingehende Untersuchung der Frage?
Sie kann von dem Gesagten zunachst soviel bestatigen,
class es aller Wahrscheinlichkeit nach der
Wind ist, der den Polsterwuchs bedingt Im
ganzen Sentisgebiet ist das Auftreten der Androsace ein
iiberaus gesetztnassiges, so gesetzmassig, dass man auf
mehrere Kilometer Entfernung mit Sicherheit bestimmen
kann, ob an einem Standorte Androsace vorkommt oder
nicht. Sie findet sich ausnahmslos an alien stark
windgepeitscbten Felsen, also z. B. an alien
Gipfeln und Graten und an den Wanden, die eine Fohn-
linie schneiden, namentlich an Sattelo und Kerben der-
selben und nur, aber auch stets an solchen S tell en.
Im ubrigen aber erweist sich die bisherige Erklarung
Beispiele fi'ir diese wie abgebissenen, dicht geschorenen, abge-
rundeten, festen, ja fast harten, aus Striiucbern und aus Stauden
bestehenden Polster, in denen zahlreiche Zweige, Blatter und
Blattreste zusammengepackt sind." „tTberall ist der Grund der-
selbe: Trockenheit, durch einen oder den andern Faktor hervor-
gorufen. Jene dicbte Verzweigung und die Rasenbildung werden
fiir das Individuum dadurch niitzlich, dass die jungen Sprosse
beaseren Schutz gegen die Verdunstung finden, sie schutzen ein-
ander und werden von den alten Sprossen geschiitzt, in den sub-
glazialen Gegenden gegen Austrocknen durcb die WindeT in den
tropisclien Wiistengegenden gegen Sonnenliebt und Wind." —
Siehe auch die weiter unten zitierte Ansicht Meigens. — Zuriick-
haltender iiussert sich Schimpcr pag. 751 : nManche Erscbeinungen
sind sogar okologisch noch riitselhaft, so die offenbar eine An-
passung an das alpine Klima darstellende Polsterform und der
charakteristische Habitus der Krunimholzbaume. In beiden Fallen
ersclieint ein Zusammenhang mit den heftigen Winden am wabr-
scheinlichsten. Starker Wind ist das einzige gemeinsame Merk-
mal der Standorte der Polsterprlanzen auf den Inseln der Siidsee
und in der alpinen Region und die Krummbolzgestalten wiederbolen
sich oft an den freistehenden Baumen und Strauchern offener,
windiger Meereskusten."
285
als unzulanglich, und dies aus folgenden Griinden: In
zahllosen Fallen, namlich im Qrenzgebiet der beiden
Arten, finden sich in den von Androsace bewohnten
Spalten auch iippige Potentilla caulescens-Exem-
plare, also ausgesprochene Mesophyten. Man weiss aber,
dass da, wo die Gebiete zweier vikarisierender Arten
aneinanderstossen, sich die betreffenden Spezies in ihrem
Aufkreten strenge an kleine Variationen des sie schei-
denden Faktors halten (Wiese und Sumpf : Wassergehalt
— Achillea moschata und atrata: Kalkgehalt etc.). Der
bunte Wechsel von Androsace- und Potentilla-Exem-
plaren in einer und derselben Spalte macht es also nicht
unwahrscheinlich, dass Androsace helvetica wenigstens
wahrend der Vegetationszeit des Fingerkrauts — d. h. im
Sommer — kein anderes Wasserbediirfnis hat als die
mesophytische Potentilla, denn sie senkt wie diese ihre
Pfahlwurzel tief in den Fels hinein, ist also ausgesprochene
Spaltenpflanze und hat nichts gemein mit einem
Sedura oder Thymian1). Und da zudem eine tiefgehende
Spalte, wie wir wissen, im Sommer nur ganz ausnahms-
weise ein trockener Standort ist, so kann man sich un-
moglich mit der allgemeinen Erklarung begniigen, dass
der Polsterwuchs eine Anpassung an austrocknende Winde
darstelle. Es muss das Verhdltnis genauer angegeben werden
konnen.
Eine Anpassung an Trockenheit ist der Polsterwuchs
alter Wahrscheinlichkeit nach. Dass Androsace, trotzdem
ihr im Sommer genugend Wasser zur Verfugung steht,
*) Aus den Grossenverhaltnissen der Wurzelpartien in den
Spalten und an der Oberflache geschlossen. Sedum, Thymian und
Globularia dringen zwar auch in Spalten ein, aber ihre an der
Felsoberflache verlaufenden Wiirzelchen ubertreffen die „Spalten-
wurzeln" meist an Ausdehnung.
286
eines Schutzes vor Austrocknung bedarf, ergibt sich leicht
aus folgenden Uberlegungen : Sie ist im Gegensatze zu
der sommergriinen Potentilla immergrun; sie ent-
behrt an ihren windgefegten Standorten des
winterlichen Schneeschutzes1), ist also auch in
den trockensten Monaten2) den austrocknenden Winden
und den infolge der dunnen, vollig dunstfreien Atmo-
sphare in ihrer InsolationswirkungungeschwachtenSonnen-
strahlen ausgesetzt, und das zu einer Zeit, wo jeder Wasser-
bezug aus den Spalten verunmoglicht ist, da dort nur Eis
zu finden ist, welchem der oft ganz plotzliek eintreteude
und nur kurze Zeit dauernde Sonnenschein keine Zeit
zum Schmelzen lasst. Wieso also gerade der Polster-
wuchs als Schutz vor dieser unbedingt todbringenden
Qefahr dienen kann, ergibt sich einmal aus den Wurzel-
ortsbeobachtungen und zweitens aus der Art der Be-
wurzelung der Polsterpflanzen.
An dem Musterstandort, den ioh gewahlt habe, am
Fusse des obersten Wandkomplexes des Hinterrucks, in
genau 2000 Meter iiber Meer (statt ins Valsloch ein-
zutreten, steigt man unter den „Gufelnu links an und
geht dann beim Auslaufen derselben iiber die kleinern,
vorliegenden Platten direkt an die Wand) finden sich
y) Bei Quint-en beobaohtoto ich, dass wahrend eines starken
Schnuefalles keine einzige Felsenptianze zu seben war; sogar an
senkrechten Stellen war jede Pflanze, mit Ausnahme der Bauuie
und Straucbor und der Sesleriakopfcben, vollstandig vom Schnee
bedockt. Andern Tags dagegen trat, da die ganze Nacbt hindurcb
beftiger Sturm geberrscbt, aucb das kleinste Pflanzcben wieder
unbedeckt bervor, obwobl auf alien Wiesen ca. 1 dm hocb Scbnee lag.
*) Dass tatsacblicb die Wlntermonate in der Region der An-
drosace die trockenste Luff aufweisen, ergibt sich aus den neben-
stebenden Zahlen (aus den Jabrbiicbern der Naturwissenschaft-
lichen Gesellscbaft St. Gallen).
287
Relative Luftfeuchtigkeit.
i
Sentis (2504 m) 1 Sargans (507 m) j
Jahr
Jihruiininui
Tiifste Minhn '
Jes
Somnirhalbjabrs
i ! Titfsti Hiiiii :
JihrBtainiiui ! ies
' Wlntirtilbjahrs
1890
Nov.:
Okt.:
Utt-
5
7
M..-1 Uft* !' H.-.! Uft*
llfla, FwcMifkiit, wnx FMcfctifkiit
Sept.: 10 —
1!
■Mit lift- 1
; 1891
Febr.:
10
Sept.: 15 J] Mai:
27
Marz: 30 (
' 1892
i
1
April
Jan.:
7
10
April : 7
nich&lniedrigstes
Mai: 16
Aug. :
15
Mftrz: 24
1
i
i 1893
i
Okt.:
Nov. :
Mftrz:
4
8
7
Juni : 9
Okt.:
April :
I
1
20
22
1
Okt.: 20 j
Mftrz: 25 .
1894
Jim. :
Nov.:
8
11
;'
Juni: 26 " Juli:
II
1
6
Mftrz: 19
1
1895
i
i
Sept.:
Nov.:
Okt.:
9
13
17
Sept.: 9
nirhstniwirigstes
Aug.: 22
April:
29
Marz: 37 !
1
1
I
, 1896
Febr.:
Dez.:
12
13
il
Mai: 20 Mai:
i
li
30
Milrz: 30 i
; 1897
Nov.:
4
Juni : 18 jj Dez.:
25
Dez.: 25 1
! 1898
1
Sept. :
5
Sept. : 5 . April :
30
Milrz: 35 j
! 1899
Milrz :
9
Juni: 12 Milrz:
jl
Nov.: 23
II
16
Mftrz: 16
dagegen
1901
Aug.:
22
288
auf der teils splittrig abwitternden, teils kompakten
Schrattenkalkwand von 60 — 70° Neigung und genau siid-
licher Exposition folgende Spezies :
Polster bildend:
Androsace helvetica
Saxifraga caesia
Carex firma
Silene excapa
Potentilla caulescens
Keine Polster bildend:
Carex mucronata
Sesleria coerulea
Primula auricula
Aster alpinus
Athamanta hirsuta
Gentiana vulgaris
Gypsophila repens
Erica caraea
Globularia cordifolia
Dieser Liste entspricht auch eine Sonderung nach
Wurzelorten insofern, als nur die linksstehenden, die
Polsterpflanzen plus Potentilla caulescens, an Stellen vor-
ko in in en konnen, die keinen an der Felsoberflache zutage
tretenden Humus besitzen, d. h. also an den typischen
Potentilla caulescens-Standorten, wahrend die nicht Polster-
pflanzen an Oberflachenhumus gebunden sind. Oberflachen-
humus ist also fiir die Pflanzen dieser steilen Wande often-
bar eine Lebeyxsbedingung, die einen suchen ihn auf, wo
ihn die Natur bietet, die andern, die Polsterpflanzen, er-
zeugen ihn selbst. — Er wird auch bei Androsace und
ahnlich bei andern Polsterpflanzen (z. B. Saxifraga caesia)
von besondern Wurzeln durchzogen. Kleine, wenige Zenti-
meter lange Wiirzelchen gehen von jedem Stammchen
aus in den Polsterhumus, ohne in die Spalten einzudringen.
Die Hauptachse, die in die Spalte eindringt, ist wieder
wurzellos, und erst im Innern der Wand begin nt die
machtige Aufsplitterung des Hauptwurzelsystems.
Dass es gerade dieser Oberflachenhumus ist,
289
bt diePflanze in Sudexposition bei Frost vor
sm sichernTode rettet, leuchtet nun ohne weiteres
n. Wenn nach eiskalten Nachten plotzlich die Sonne
irchbricht, so kann ein leichtes Auftauen des bis tief
8 Felsinnere zu Eis erstarrten Wassers hochstens an der
berflache siattfinden und von dort her ist auch der
nzige Wasserbezug moglich. — Ohne die Einfiihrung
>r Polsterkonstruktion waren daher samtliche Spalten
>n dem geschilderten Typus, die an der glatten Ober-
Lche miinden, trotz ihrer reichen Humusvorrate im
mern, hier oben bei der enorm gesteigerten Evaporation
r immergriine Pflanzen ganzlich unbewohnbar. Durch
iese humusbergenden Bausche aber wird da-
Lr gesorgt, dass stets eine kleine Menge Hu-
us an der Oberflache festgehalten bleibt,
essen Eis relativ rasch geschmolzen werden
Etnn und der Pflanze bei Bedarf das notige
rasser liefert. — Das Eis aber steht dem Humus
denfalls in hinreichender Menge zur Verfugung; denn
e Rauhfrostbildung sorgt ja wahrend der kalten
»it fur bestandige Eiszufuhr1). Das Problem fur die
ianze besteht nur in der schnellen Ausniitzung des-
Iben.
In den Zusaminenhang vorstehender Ausfuhrungen
»hort auch eine Bemerkung aus Warming: „Diese dichten
>lster, die in den Hochgebirgen Amerikas in typischer
>rm (bei Azorella u. a.) auftreten, konnen unter anderem
J) Wie bedeutend diese sein kann, zeigt dor Unistand, dass
r vor ca. acht Jahren in einem Waldo am Gabris (Kant. Appen-
Ll), 1200 in, ohne jeden Schneefall sclilitteln konnten, da sich
sschliesslich aus dem von den Tannen herabgefallenen Rauh-
>st eine Babn gebildet hatte.
290
gegen Austrockimng dadurch schiitzen, dass ihre alten
und dichten Massen sehr begierig Wasser aufsaugen und
festhalten, daher auch wohl wegen der token, speziftschen
Wlirme des Wassers langer warm bleiben, wenn sich die
Umgebung abkuhlt" (Groebel und Meyer, Biologische Be-
obachtungen aus der Flora Santiagos in Chile, Englers Bo-
tanische Jahrbiicher XVII, 1893).
Interessant i8t ubrigens, dass die im Februar schon
ergriinende Potentilla caulescens, deren Wurzelorte beinahe
identisch sind mit denen von Androsace, praktisch zu
demselben Mittel greift wie die Polsterpflanzen ; denn
obwohl sie zur Zeit der grossten Gefahr durch den Mangel
an transpirierendem Laube vor Austrocknung geschiitzt
ist, sind ihre ersten Blattchen keineswegs gegen Frost-
schaden gesichert. Statt aber den Humus durch dichtes
Zusammendrangen der einzelnen Triebe zu bergen, be-
client sie sich dazu ihrer Blatter, deren zuerst erscheinende
sich sofort nach Entfaltung des Spreite riickwarts biegen
und dicht dem Boden oder der vorjahrigen Blatterdeeke
anlegen; denn wie im Friihling die hasslichen gelben
Blattbuschel lehren, wirft Potentilla caulescens die toten
Blatter nicht ab, so dass also far fortwahrendes Zu-
sammenhalten und stetige Vermehrung des Humus ge-
sorgt ist. Bei Potentilla scheint ubrigens die Haupt-
menge des gespeicherten Humus nicht eigenes Fabrikat
zu sein, sondern von den Regenwurmern geliefert zu
werden, die ihre Exkremente unter das besprochene
Blatterdach abgeben. (In den Polstern der eigentlichen
Polsterpflanzen findet man ubrigens auch sehr haufig
kleine Regenwurmer.)
Eine Frage bleibt aber noch zu beantworten. Nicht
nur die Sonnenstrahlung, sondern auch der kalte Wind
291
kt wasserentziehend zu einer Zeit, wo neue Wasser-
uhr unmoglich ist. — Wenn auch die griinen Gipfel-
be der Stammchen durch ihre Einsenkung zwischen
ige Blattchen trefflichen Windschutz aufweisen und
li das ineiste Wasser der Pflanze in schwerverdunst-
es Eis umgesetzt ist, so wird doch bei der andauernden
ndwirkung der "Wasservorrat der Pflanze stetig ab-
men mtissen, und da ich keine diesbezuglichen Ex-
imente kenne, muss ich mich auf den Einwand ge-
it machen, dass dieser stetige Wasserentzug durch
Wind weit wirksamer sei, als der durch die kurze
varinung bei Sonnenschein, welcher Umstand wieder
ganzen Erklarungsversuch liber die Bedeutung des
*rflachenhumus ad absurduin fuhren konnte; denn
in kann doch die Bedeutung einer Schutzvorrichtung
it liegen, dass sie geringen Gefahren vorbeugt, grossen
[ sicher eintretenden gegeniiber aber machtlos ist!
a ist aber, selbst wenn einmal Zahlen dartiber vor-
;en, noch nichts bewiesen, so lange nicht neben deni
sserverluste bei Sonnenschein auch die Menge des
chzeitig aufgesaugten Wassers bestimmt wird; denn
ist nicht undenkbar, dass gerade bei solchen
anenblicken das ersetzt wird, was in langen
ndperioden verloren gegangen war. — Die
ttchen von And rosace haben auch nichts gemein mit
igners gelappten ^Windblattern". — Hier mag
h noch das Resultat einer mit Androsace ausgetuhrten
gang Platz finden. Ein grosses lufttrockenes Exemplar
wog 48,4 gr
Wasser vollgesaugt (nachdem koines mehr
abtropfte) 124,7 gr
292
am andern Tage 120,9 grl)
das Maximum der aufgesaugten Wassermenge
betr> also 76,3 gr
die abgeschnittenen grunen Teile allein . . 25,0 gr*)
die to ten braunen Blattchen und die Achsen
(also der „Schwammu) 91,2 gr2)
Es lasst sich aber der Frage nach der Bedeutung
des Polsterwuchses noch eine andere Seite abgewinnen.
Schimper macht darauf aufmerksam, dass Polsterpflanzen
sowohl am Meeresstrand, als auch in den Alpen, — wir
wissen, an den windgefegten und deshalb schneefreien
Stellen — vorkommen und nennt den Wind als bedingende
Ursache, da nur dieser ein gemeinschaftliches Merkmal
der beiden Lokalitaten ist. Im gleichen Zusammenhang
zahlt er die Krummbolzer auf. Er hiitet sich aber, speziell
die austrocknende Eigenschaft des Windes als Ursache
zu nennen. Wir wissen, dass Warming, der dies tut7
damit kaum das Richtige getroffen haben kann. Im
Sommer steht Androsace als Spaltenpflanze genug Wasser
zur Verfiigung, und bevor dasselbe in den Spalten ver-
eist, diirfte schon die ganze oberflachliche Pflanze ver-
eist, also einigermassen vor Wasserverlust geschiitzt sein.
— Die beiden Standorte: Meeresstrand und alpiner Grat
stimmen aber noch in einer Hinsicht iiberein, und diese
scheint mir die ausschlaggebende zu sein; an beiden fuhrt
der Wind „Schleifpulveru mit sich, am Meeresstrande
Sand, in den Alpen Eiskristalle, und an beiden
Ortm muss sich die Vegetation durch starke Behaarung
und Zusammendriingen der Triebe vor dem Abrasierttverden
v) und ') Die Gewichtsdifferenz zwischen !) und *) beruht auf
Wassorverlust wuhrend des Abschneidens.
293
xiitzen1). Vielleicht erhellt dieser Gesichtspunkt auch
n Umstand, dass das Meeresufer und die Steppe im Ver-
aich mit andern Gebieten so viele „filzigeu Xerophyten
fweisen und konnte also vielleicht zur nahem Klassi-
ierung der Xerophyten beitragen.
Noch ein accessorischer Vorteil mag allerdings ge-
jentlich den Polsterpflanzen aus ihrer Bauart erwachsen.
ireh den aufgespeicherten Oberflachenhumus ist die
lanze im Stande, in Zeiten anhaltender Diirre und Aus-
>cknung der Spalten auch die geringen Regenmengen,
3 niemals in die Tiefen des Felsens eindringen konnen,
8zuntitzen. Doch kann dieser Umstand nach dem Vor-
sgegangenen nicht von grosser Bedeutung sein. Er
tscheidet nicht (iber Sein oder Nichtsein. Hochstens
hnt er die Besiedelungsmoglichkeit auch auf etwas
musarmere Spalten aus.
Aus dem Vorhergehenden hat sich nun auch schon
yeben, was wir in der ganzen Arbeit suchen: der
urzelort. Er ist sehr oft identisch mit dem Stand-
te; denn an den obersten Graten und Zacken steigert
•,h die Gewalt des Sturmes und namentlich seine, in-
ge der mitgefuhrten Steinchen und Eiskristalle aus-
iibte Erosion swirkung so sehr, dass kein Kornchen
imus an der Oberflache haften bleibt, sogar die zahen
*) In einer Mulde eines norwegischen Fjelds (iai Vals) konnte
i folgendea beobachten : Etwa 1 in iiber dem Boden (also in
ineehdhe) beginnt dort die Farbo der Telegrapbeustangen je
ch der Exposition eine unglnichc zu werden. Auf der Seite,
i von den starken Winterstiirmen getroffen wird (je nach der
jlle N, NW, W), ist die Farbe milchweiss und das Holz zu feinen
serchen zerzaust, im Win dsc batten aber braunlicb und das Holz
mpakter. Ich zogere nicht, darin oine Wirkung der angetriebenen
skristalU zu sehen.
294
Carex firma-Polster werden da, wo sie sich zu weit vor- '
wagen, jammerlich zerfetzt. An solchen Stellen ist An- I
drosace helvetica sehr oft die einzige Besiedlerin, denn
nur sie vermag auch da den nnumgftnglich notwendigen i
Oberflachenhumus zu beschaffen. Bleibt aber solcher
trotz der Gewalt des Sturmes in Furchen und Fugen und
Lochern haften, so ist sie auf den iibrigen Raum be-
schrankt: auf glatte, senkrechte oder (iberhangende *)
Stellen, bei Seewerkalk mit senkrecht stehenden Klippen
auf die Klippen, wahrend sie den Talchen vollig fehlu
Imraer aber meidet sie Schneebedeckung, fehlt
also zumeist der Ostexposition 2). — Immerhin fand ich
unter den tausenden andern zvvei Prachtexemplare an
einer Stelle auf der Sentisspitze, wo mit Bestimmtheit
winterliche Schneebedeckung vorauszusehen war. Der
Fund qualte in ich sehr, erwies sich doch dadurch der
ganze Erklarungsversuch iiber die Bedeutung des Polster-
wuchses als n ich tig. Ich klagte mein Leid Frau Bommer,
worauf mir diese inittelte, ihr Mann, der Vorstand der
meteorologischen Station, hatte die Exemplare dorthin
gepflanzt.
Erinus alpinus als Typus eines SchneeschQtzlings.
Ganz unabhangig von den Beobachtungen iiber An-
drosace helvetica und das Wesen ihres Polsterwuchses
erschloss sich mir ein Einblick in das Leben einer unserer
zierlichsten Alpenpflanzen, und damit in eine Gesellschaft,
*) Die hiiutige Erseheinung, class an Stelle der halbkupel-
formigen Polster nur kleinere Kugelsektoren an den Wanden
klebcn, lasst vermuten, class Androsace an freien Wanden hautig
unter Steinschlag und Lawinen leidet.
*) Aus dem Vorhergehenden ergibt sich bloss, dass Androsace
an frostgefiilirdeten Stellen bestehen kann, aber nioht, weshalb
295
3 okologisch einen ausgesprochenen Gegensatz zu
adrosace darstellt.
Erinus alpinus wurde schon einmal angefiihrt als
le Spezies, die bei Quinten streng auf Gault, Neocom
d auch Seewerkalk lokalisiert ist, wahrend sie dem
dm und Schrattenkalk abgeht, mit Ausnahme zweier
)rkommnisse in Couloirs. Es wurde auch schon an-
geben, dass er sich aber weiter oben iiberaus haufig
f Malm und Schrattenkalk einstellt.
Die besondere Art seines Auftretens in den obern
jgionen ist fur uns nun interessant. Er findet sich
mlich stets nur da am Fusse grosserer Wand-
implexe, wo dieselben in Schutthalden oder Rasen-
chen eintauchen, und zwar bis in eine Hohe von ca. 4 m
er dem Boden. Er fehlt aber den obern Partien der
£nde und auch da am Fusse derselben, wo die Differenz
ischen der Neigung der Wand und der Neigung der
tide keine ausgesprochene ist, sei es dadurch, dass eine
iche iiberhaupt nicht existiert, sei es dadurch, dass der
)ergang von Wand zu Halde ein allmaliger ist, oder
ch namentlich dadurch, dass eine vorspringende Kante
r Wand sich auch in einen steil abfallenden Rasenrttcken
•tsetzt. Man denke nicht, dass diese Angaben deshalb
zuverlassig sein miissen, weil das Absuchen der obern
andpartien mit Schwierigkeiten verkniipft ist. Gerade
i Schrina-Hochrugg unter Obersass, wo ich diese Be-
achtungen zuerst anstellte, ist es an einigen Stellen
)glich, die Malmwande in ihrer ganzen Hohe zu er-
Orte mit Sclineebedeckung nieidct. Leider kann ich nicht ent-
Leiden, ob sio hier durch Konkurrenten vertrieben werden kann,
sr ob sie durch ihren Wuchs darauf angewieson ist, auch ini
nter zu assimilieren.
296
klettern und auch die Gipfelwande sind dadurch einiger-
massen kontrollierbar, dass einzelne „Gufel" (vide Ein-
leitung) es erlauben, in verschiedener Hohe denselben
entlang zu kriechen. Bis jetzt fand ich aber trotzdem
nur ein einziges Exemplar mitten an einer grossen Wand.
Aufschluss uber dieses seltsame Verhalten habe ich
der schlechten Witterung zu verdanken. Ihr zufolge
ent9andten namlich noch Mitte Juni einzelne der Couloirs
am Fusse der „Brisiu- und „Frumselu-Wande gewaltige
Neuschneelawiuen auf die Alp Obersass, so dass also etwa
die Verhaltnisse der Monate Marz oder April anderer
Jahre hergestellt waren. Stieg ich auf den so gebildeten
Schneekegeln an die Wande heran, so war nirgends etwas
von Erinus zu erblicken, untersuchte ich aber die Wande
bei den Couloirs, die noch keineNeuschneelawinen entlassen
hatten, so fand ich Erinus in schonster Bliite bis in ca. 4 m
Hohe, d. h. also genau in der Zone, die an den andera
Wanden noch von Lawinenschnee bedeckt war. Der
einzig mogliche Schluss war der: Erinus bedarf als
reine Spaltenpflanze im Winter und in der
Fro9tzeit des Schutzes vor Austrocknung. Da-
her an den warmen, schneefreien Wanden der Niederung
seine Lokalisierung auf die wasserspendenden oder doch
haufig iiberrieselten Gault- und Neocomwande, daher sein
Fehlen auf dem trockenen Malm und Schrattenfels, mit
Ausnahme der Couloirs, daher auch weiter oben seine so
auifallend modifizierte Beschrankung auf den Fuss der
Wande, an denen er durch den hochaufgetiirmten und
lange liegenbleibenden Schnee vor jedem Wasserverlust
bewahrt bleibt, solange in den Spalten nur Eis vorhanden
ist, aber auch genau nur so lange. — Die Wurzelorts-
bestimmung wurde dann spater durch samtliche Funde
297
m Erinus alpinus als richtig best&tigt. Und Erinus
pinus ist eine haufige Pflanze, so dass, wenn wir nicht
>ch greifen, 500 bis 1000 Beobachtungen gegen eine
rechen (vide Einleitung).
Es fragfc sich nun, ob Erinus alpinus die einzige
>ezies ist, welche winterlichen Schneeschutz sucht, oder
> deren mehrere sind.
Mit einiger Sicherheit kann ich in dieser Hinsicht
ir noch eine Pflanze Erinus zur Seite stellen: Alchi-
illa Hoppeana, eine Spezies, die xnir viel Kopfzerbrechens
achte, da ich anfangs nur beobachtete, dass sie auf den
>rabgefallenen Blocken am Fusse der Wande haufig
ir, den freien Wandpartien aber stets fehlte, wahrend
dere Spezies, wie z. B. Festuca pumila, sich gleich-
assig auf Wande und Blocke verteilten, so dass ich
cht von vorneherein die Schneewirkung zur Erklarung
>rbeizuziehen wagte, und forschte, ob Alchimilla nicht
wa Wurzelorte besasse, die nur auf Blocken gegeben
in konnten. Es war mir aber wider alles Erwarten
tmoglich, okologische, in den Eigenschaften der Blocke
lbst liegende Verschiedenheiten zwischen Blocken und
'anden herauszufinden. So liess ich diese Untersuchung
hen, bis ich eine auffallende Ahnlichkeit in den Vor-
^mmnissen von Alchimilla und Erinus konstatierte, so
.88 ich heute nicht mehr zweifle, dass die Bestimmung
ir Wurzelorte von Erinus auch fur Alchimilla Hoppeana
.trifft, wenigstens in Slidexpositionen. Erinus alpinus
nd ich nie in Nordexpositionen, wohl aber Alchimilla
oppeana und zwar auch an Stellen, an denen nicht mit
»soluter Sicherheit winterlicher Schneeschutz voraus-
>8etzt werden darf x). Okologisch ist dies jedoch ohne
*) Es lasst sich dies eben schwer im Sommer entscheiden. Ich
298
Belang, da in Nordexpositionen der Region der Alchi-
milla die Frostgefahr sowieso ausser Betracht fallt
Aufs ausserste verbliiffl war ich dann allerding9, als
ich ca. V* Jahr nach der Fertigstellung dieser Arbeit in
norwegischen Gebirgstdlern ostlich vom Sognefjord Alchi-
milla Hoppeana hoch oben an vollig glatten, beinahe
senkrechten Felswanden antraf. Nach der Aussage eines
Einheimischen und nach eigenem Dafurhalten kann dort
von winterlicher Schneebedeckung nie die Rede sein.
Aber auch die Frostgefahr ist in den tiefen und engen,
von Ost nach West streichenden Talern ausgeschlossen;
denn wenn in dieser Breite die Sonne so hoch gestiegen
ist, dass sie fiber den sudlichen Berghang hinwegzuschauen
verraag, zieht schon bald der Sommer ins Land. — Dieses
Verhalten der Alchimilla scheint mir nicht nur ihre eigenen
Lebensbedingungen scharf zu beleuchten, sondern aach
einen wertvollen Gesichtspunkt zuui Vergleiche der nor-
wegischen und alpinen Flora zu liefern. — Dabei habe
ich aber zu bemerken, dass mir eine norwegische Bo-
tanikerin, Frau Dr. Th. R. Resvoll, schrieb, sie entsinne
sich, Alchimilla alpina auch an stark windgefegten Stellen
gefunden zu haben.
Die haufige Saumung der Wandsockel durch Rhodo-
dendron hirsutum und deren Vorliebe fur Nord exposition
liessen mich auch fur die Alpenrose dasselbe vermuten;
ebenso fur Arabis alpina, doch mochte ich fiber diese
beiclen Spezies noch nicht das letzte Wort gesprochen
haben.
Wegen der mutmasslichen Mehrzahl der Pflanzen
weiss sic her, dass iiber 100 in hohe Wftnde verschneit sein konnen,
anderseits zeigt der verschneite Nordabhang des Sentis, von StGallen
aus geseben, bei Wind schwarze schneefreie Wande in Masse.
299
rom Typus des Erinus alpinus habe ich nach einer ge-
neinschaftlichen Bezeichnung fur sie gesucht und glaube
lie auch im Worte „Schneeschutzlingeu gefunden zu haben.
Carex firma und Silene acaulis1).
Das mir ge9etzte Ziel, Wurzelorte zu bestimrnen,
connte ich weder bei Carex firma, noch bei Silene acaulis
nreichen; vielleicht konnen aber trotzdem einige Be-
>bachtungen einmal Verwendung finden.
Ich nenne die beiden Pflanzen deshalb gleichzeitig,
veil sie oft in enger Beziehung zueinander stehen. Sie
tcheinen mir sogar besonders deutlich die Moglichkeit
ju demonstrieren, dass in topographisch einem und dem-
elben Orte die Wurzelorte fiir zwei verschiedene Spezies ge-
jeben sein konnen.
Carex firma ist Monokotyledone. Sie ersetzt die
Pfahlwurzel durch zahlreiche Faserwurzeln, welch letztere
sudem noch recht kurz sind (10 — 20 cm) und ist daher
larauf angewiesen, zugleich mit jeder Faser zu arbeiten,
venn sie mit den reich- und langwurzeligen Dikotyle-
lonen, die ihr in der xerophytischen Ausriistung keines-
vegs nachzustehen brauchen, konkurrieren will. Und so
onderbar es klingt, bewohnt die als typische Xerophyte
>ft genannte Pflanze am Stidabhange der Curfirsten denn
mch rissige Stellen, die sich dadurch auszeichnen, dass
ie stets einige Tage nach lange andauerndem Begen
ioch triefen, wiihrend alle andern schon vollig aus-
jetrocknet sind. — Dass an einem derartigen Standorte
licht nur eine Pflanze mit kurzen Wurzeln Platz hat,
ondern auch noch eine solche mit sehr tiefgehenden
!) Ich kann in diesen Bernerkungen keinenUnterschied mac hen
wischen Silene acaulis und S. excapa.
300
Pfahlwurzeln, ist leicht verstandlich, bietet doch der freie
Fels Raum genug, alles Chlorophyll ans Licht zu tragen.
Tatsachlich Ziehen denn auch iiberaus haufig unter den
Carex firma-Polstern machtige Pfahlwurzeln ebenso mach-
tiger Silene acaulis-Exemplare dahin, urn sich genau
da, wo auch die Carex wurzelt, in die Spalten zu senken,
nur bedeutend tiefer eindringend. Und die beiden Spezies
scheinen gute Nachbarschaft zu halten und einander nicht
gegenseitig zu verdrangen. Man findet namlich bei den
beschriebenen Felsverhaltnissen nirgends Stellen rnit Rein-
bestanden von Silene acaulis und erdriickten Carex firma-
Polstern oder umgekehrt Reinbestande von Carex firma
mit erdriickten Silenekolonien. Es ware auch kaum Zeit
vorhanden, einen allfalligen Kampf auszutragen, da Carex
firma, und bald auch Silene acaulis mit ihr, sobald sie
recht uppig gedeihen, durch zwei weitere Carices iiber-
wuchert werden: durch Carex sempervirens und
Carex ferruginea. — Die hauptsachlichsten Standorte
von Carex firma sind zweifellos wahrend langerer Zeit
berieselte Felsen. Aber auch die hochsten Grate
sind haufig von Carex firma-Bestanden bedeckt und daraus
hat man dann wohl auf die Xerophylie dieser Pflanze
geschlossen. Alle diese Grratstandorte sind jedenfalls
solche, an denen entweder viel Schnee liegen bleibt, oder
die doch sonst wahrend einer gewissen Zeit stark von
Schmelzwasser bespiilt werden, so dass also wenigstens
zeitweise und zwar nicht nur bei Regenwetter, sondern
oft auch bei Sonnenschein, Carex firma reichlich mit
"Wasser versorgt wird. Langere Zeit hindurch mogen
dann allerdings ihre Standorte wieder jeglichen Wassen
entbehren. — Vielleicht erweist sich Carex firma einmal
als ein ganz besondwer Typiis unter den Xerophyten; is*
301
>ch ihre Blattstruktur mit den grossen Lumina1) schon
ifallend genug, und das allerauffallendste an ihr ist
Dhl das schon erwahnte kurze Wurzelwerk. Kurze
urzeln bei einem — brauchen wir das Wort —
erophyten ! Und dann die beinahe liederlich zu nennende
sfestigung ihrer Polster! Es gibt kaura ein aufregenderes
let tern, als an den Orten, wo man sich auf Carex firma-
)lster verlassen muss. Sie liefern schone Stufen, geben
•er, indem ihre Wurzeln aus den Spalten gezerrt werden,
fort nach, wenn man sie nicht gleich wieder verlasst.
.ich durch Steinschlag und Lawinen haben die
irex firma-Rasen deshalb viel zu leiden, sieht rhan doch
fc Fetzen von ihnen den Hauptteil des auf schmelzendem
iwinenschnee zuriickbleibenden Pflanzen detritus aus-
achen. Und unten an Carex firma-Halden finden sich
lenthalben kleine und grosse, bis mehrere Zentner
hwere losgerissene Reinbestande unserer Segge. Mit
irex ferruginea oder sempervivens uberwachsen, reisst
> nicht mehr ab.
Silene acaulis unterscheidet sich von Carex firma aus-
sprochenermassen dadurch, dass ihre Teppiche immer
ichtigen, oft aiu untern Rande anderer Rasen selbst
fgestauten Humusmassen aufliegen. Viel Humus
heint ihre Lebensbedingung zu sein und findet sie
yenciwo solchen, so ist sie auch im Stande, ihn unter
3rdrangung anderer Besiedler, namentlich von Carex
ma zu erobern2), welch letztere im Gegensatz zu dem
') Es eroffnet eine interessante Perspoktive, dass Jungner
jse Lumina als typisches Merkmal seiner vKiilte blatter" anfiihrt.
*) Silene acaulis kann ubriorens auch wio Androsace an wind-
fegten Orten gedeihen, ihre hiiufigsten Standorte zeigen aber
nterliche Schneebedeckung.
H
302
vorhin Gesagten im iippig vordrangenden Silene acaulis-
Rasen einfach ertrinkt. Bezeichnend fiir das Gesagte ist
vor allem eine Stelle bei den Schniiren (ca. 2300 m Nord-
exposition). Dort wechseln in schmalen Streifen humus-
reiches Neocom und humusarmer Schrattenkalk mehr-
Und zwar tragt
der Schrattenkalk:
viel Carex firma
.Dryas octopetala
Festuca pumila
Saxifraga moschata
Saxifraga aphylla
aber keine Silene acaulis.
raals miteinander ab.
das Neocom:
viel Silene acaulis
Dryas octopetala
Salix retusa
Saxifraga aizoon
Saxifraga oppositifolia
Saxifraga aizoides
Ranunculus alpestris
Polygonum viviparum
Alsine verna
Alsine sedoides
nur sehr wenig Carex firma
und Festuca pumila.
Carex mucronata.
In den tiefern Regionen lernten wir Pflanzen kennen,
(Globularia, Sedum album. Thymus), die den verschwemm-
ten und verzettelten Humus zusammenhalten und aus-
nutzen. Es ist von vornherein einleuchtend, dass in den
haufigen Stiirmen der alpinen Region unbesiedelter Humus
nicht mehr so leicht vor dem Verwehtwerden bewahrt
werden kann wie unten und es wird nicht so sehr ver-
wundern, wenn wir hier oben nochmals einem neuen
System zur Stabilisierung des verzettelten Humus be-
gegnen.
In Carex mucronata tritt uns eine Spezies ent-
303
gegen, die sich als ausgesprochene Spaltenpfiawe darauf
verlegt hat, den verschleppten Humus aufzufangen. Die
Schrattenkalkwande besitzen sehr oft an der Oberflache
mehrere Zentimeter weit klaffende Rinnen und Spalten,
deren Gehalt an Erde die Felsoberflache nicht erreicht.
Ihre Rander sind aber von Flechten und Moosresten
derart verklebt, dass eine genugsame Pflanze an etwas
engen Stellen dennoch ausreichenden Humus findet, um
dort ein bis mehrere Jahre auszuhalten. Eine solche
Pflanze ist nun eben Carex mucronata, die haufigste
Spezies besonnter Wande in den obern Regionen, die
aber spater keineswegs den Eindruck einer anspruchslosen
Pflanze macht, steht ihren alten Exemplaren doch oft
Erde im Uberfluss zu Gebote, und dies aus folgendein
Grunde: Carex mucronata wachst dichtrasig. Die
untersten Teile vorjahriger Triebe verwittern aber nicht
nach dem Absterben, sondern bleiben als kleine, ca. 2 cm
grosse, mit der Grundachse fest verbundene, einige Milli-
meter voneinander entfernte Zapfchen bestehen und starren,
je nach der Art der Spalte, bald nach alien Seiten oder
bilden einen ebenen Rasen, der oft tiefer, oft oberflach-
licher die Spalte ausfiillt. Das Ganze sieht dann aus
wie eine Lawinenverbauung en miniature und wirkt
auch ganz ahnlich. Was durch die Spalte herabfallt,
wird an dem Rechen der Zapfchen gestaut, rasch ist die
Spalte gefullt, und als beata possidens ist Carex mucro-
nata nicht mehr so leicht zu verdrangen. Dabei scheint
es, dass Carex mucronata nicht wie Globularia cordifolia
grosstenteils trockenen Detritus aufFangt, sondern ihrer
ganzen Einrichtung und ihren Standorten gemass ist es
wahrscheinlich, dass sie denselben durch Filtrieren des
bei starkein Regen herabrinnenden, detritusfuhrenden
304
Wassers gewinnt; doch kann ich nicht wie bei Globu-
laria direkt diesbezugliche Beobachtungen anfuhren 1). So
gelangt also Carex mucronata, die wohl kaum im Stande
ist, sich an einer schon gefullten und besetzten Spalte
anzusiedeln, dennoch zu einem guten Boden, indem sie
sich auf leeren Spalten ansiedelt, noch lange bevor ihr
Konkurrenz erwachsen kann, und sie dann selbst fiillt
Noch eine Bemerkung: Carex mucronata wachst in
Rinnen; aber diese Rinnen fuhren in sehr vielen Fallen
weder Quellwasser, noch aus einem grosseren Sammel-
gebiet Regenwasser. Erheblicher Wasser- und damit
Detritustransport kann also nur bei Platzregen statthaben,
wenn sowieso alles an der Oberflache mit Wasser iiber-
reichlich bedacht wird. Wenn also Carex mucronata doch
solche Rinnen aufsucht, so deutet das darauf hin, dass
wir hier einen Fall vor uns haben, bei dem ein Wasser-
lauf nicht wegen des Wassers, sondern, wie ausgefuhrt,
des Sch we m materials wegen aufgesucht wird.
Globularia cordifolia.
Ich mochte hier nur bemerken, dass Globularia neben
dem bekannten, in der alpinen Region noch einen ganz
andern Beruf ausiiben kann. Viele kleine Moospolsterchen
bedeuten fiir sie, wie verstandlich, dasselbe, was viele
kleine humustragende Vorspriinge mit Spalten, so dass wir
sie an den Gipfelwanden der Curfirsten oft, statt an der
l) "Cberhaupt bin ich schuldig, mitzut-eilen, dass diese Be-
rn erkungen iiber Carex mucronata zwar in jedem Falle ihre Be-
statigung fanden, doch bietet dies meiner Erfahrung gemass noch
wenig Garantie fiir deron Richtigkeit, da ich erst in den letzten
Untersuchungstagen auf den erwahnten Zusammenhangaufmerksam
wurde. — P. S. An wenigen Exemplaren verifiziert. Pfingsten 1904.
306
freien Wand, die mooshaltigen Karrenfurchen entlang
kriechen sehen.
Gypsophila repens.
Ich habe nur eine kleine Beobachtung anzufiihren.
Gypsophila repens ist eine gemeine Pflanze warmer,
trockener Wande. An solchen bleibt sie jedoch stets
klein. Zu iippiger Ausbildung gelangt sie nur dort, wo
iiber die Wand zeitweise ein kleines Wasserchen zu Tale
fahrt und sie auch wahrend des sonnigsten Wetters mit
einem funkelnden Spriihregen besprengt wird. — In Zu-
sammenhang darait steht die Eigenschaft ihrer Blatter,
fast absolut xiribenetzbar zu sein ; nach tagelangem Regen
erwiesen sie sich vollstandig trocken, wahrend ihre Nach-
barn Campanula pusilla, Carex firma, Carex humilis, Rho-
dodendron hirsutum, Alchimilla Hoppeana, Galium sil-
vestre, Athamanta hirsuta, Primula auricula, Campanula
rapunculus?, Silene acaulis, Asplenum ruta muraria, Saxi-
fraga aizoon und sogar Saxifraga aizoides mit einer dtinnen
Wasserschicht iiberzogen waren. Das Experiment
lieferte Resultate in demselben Sinne. Untergetauchte
Gypsophilablattchen waren immer silberglanzend von der
adharierenden Luftschicht. Ich erwartete also eine be-
stimmte Struktur der Blattoberflache zu finden, konnte
aber auf Schnitten keine deutlichen Erhebungen wahr-
nehmen. Die Fahigkeit, nicht benetzt zu werden, scheint
denn auch nicht durch eine formelle Struktur, son-
dern durch einen Wachsiiberzug allein bedingt zu
sein, denn es geniigt ein sekundenlanges Untertauchen
in Ather, um vollkommene Benetzbarkeit mit Wasser
hervorzurufen. Dass Gypsophila an solchen Orten mit
fast ewigem Regen infolge der unbehinderten Moglich-
306
keit zu atmen, itu grossen Vorteil ist und allein so uppig
gedeihen kann, ist ohne wei teres einleuchtend.
An Saxifraga aizoides
ist zu beobachten, dass diese leicht benetzbare Pflanze
feuchter Felsen nicht etwa wie Gypsophila repens da
auftritt, wo dieselben durch herabfallendes Wasser be-
spriiht werden, sondern nur an sogenannten quelligen
Or ten, wo das Wasser dem Felsen entlang rinnt.
Im ubrigen ist Saxifraga aizoides eine Steinbrech-
art, deren Haushalt mir insgesamt unklar ist*
Pinguicula alpina.
Welches ist der Wurzelort der einzigen insekten-
fressenden Felsenpflanze ? Es steht mir nicht gerade viel
Material zu seiner Bestimmung zur Verfiigung; denn
Pinguicula alpina ist keineswegs haufig; ich glaube aber
doch, ihn zu ken n en und zu verstehen. Pinguicula stellt
sich namlich namentlich auf Schichtfugen des Schratten-
kalkes ein, oder auf den, den Schichtfugen benachbarten
Verwitterungsspalten. Wir horten schon frfiher, dass
diese Schichtfugen haufig einen feinen Schlamm ent-
halten, der entweder unbesiedelt ist oder gelegentlich
von Pinguicula alpina und Algen bewohnt wird. Er ent-
halt keine Regenwiirmer noch sonstigen Tiere; dagegen
lasst sich erkennen, dass er von einer ganz konzentrierten
Kalkkarbonatlosung durchtrankt ist; denn wo er, ohne
gleich weggeschwemmt zu werden, an die Oberfl&che
treten und also ruhig eintrocknen kann, sieht man ihn
gelegentlich von zentimetergrossen Calzitrhomboedern
durchsetzt. Dieser Urn stand und nicht zum mindesten
der, dass der Schlamm nur den Schichtfugen und nicht
307
einer Verwitterongsspalte entfliesst, lasst darauf schliessen,
class er ein Verwitterungsprodukt des Berginnern ist und
fiich also durch ausserste Sticks toff arm ut auszeichnen
muss. Es erscheint jedenfalls nicht unwahrscheinlich, dass
eine Beziehung zwischen dieser Provenienz des Schlammes
und seiner Besiedelung durch eine Pflanze mit ober-
irdischer StickstofFversorgung besteht. — Als Spalten-
oder Oberflachenpflanze kann Pinguicula alpina wegen
ihrer kurzen (10 cm) unverzweigten Wurzeln an andern
als den genannten Orten mit den ubrigen Pelsenpflanzen
nicht in Konkurrenz treten l).
Riickblick.
Drude sagt einmal : „Bei jedein Anlaufe, welcher ge-
iiommen wird, um eine bisher allgemeiner gehaltene
wissenschaftliche Methode zu vertiefen, sie in ein be-
«timmtes System zu bringen und die Literatur folge-
richtig in dieser Richtung anschwellen zu lassen, ist die
Frage notwendig, ob die aufgewendeten Mittel dem Zwecke
-teDtsprechen und ein angemessener wissenschaftlicher Wert
jene Arbeitsrichtung kront." Eine ahnliche Frage durfte
audi bei einer kleineren Arbeit am Platze sein. Was ist
mit den vorliegenden Ausfuhrungen gewonnen und was wird
l) Nach Abfassung dieser Beraerkungen erhielt ich in liebens-
'Wiirdiger Weise von Herrn Rektor R. Keller folgende Zuschrift:
^Anlasslich eines Referates sprach ich im biologischen Zentral-
blatte die Ansicht aus, dass die succulente Beschaffenheit der
flatter von Pinguicula vielleicht eine ahnliche Bedeutung hatte,
*Wie die succulente Beschaffenheit der Blatter der Halophyten.
"Wie sie hier gegen zu weit gehende Aufnahme von Na CI gerichtet
»ei, so konnte sie bei Pinguicula sich gegen zu bedeutende Auf-
tiahme von Ca(HCOs)a richten. Ich habe die Angelegenheit indes
iiicbt weiter verfolgt."
308
en getvinnen sein, wenn man derartige Unterauchungen
weiterfuhrt?
Was die erste Frage anbelangt, so glaube ich den
Nachweis geleistet zu haben, dass es moglich ist:
1. fur die verschiedenen Hauptspezies der Felsformation
unseres Gebietes Wurzelorte zu bestimmen, d. h. durch
irgendwelche Merkmale (sekundare Faktoren) be-
9onder8 charakterisierte Stellen eines Standortes mit
konstanter, meist nur eine Art umfassender Be-
siedelung und daher
2. die Anzahl und den Bau der in der Felsformation
tonangebenden Spezies aus dem Wechsel der oko-
logisch wichtigen Faktoren der Unterlage und des
Klimas verstehen zu konnen.
Ferner lassen sich aus der Arbeit durch Zusammen-
fassung ahnlicher — sagen wir, durch Zusammenfessen
ahnlicher ^Berufsformen" Typen schaffen, wodurch
sowohl die Einsicht in die mannigfaltige Okologie der
Felsenpflanzen, al9 auch bei glucklich gewahlter Ter-
minologie ihre Darstellung wesentlich vereinfacht wlirde.
Wagen wir es, nicht ausschliesslich wegen des reellen
Wertes, sondern mehr als Illustration zu dem letzten Satze,
mit dem in der Arbeit gegebenen Materiale einen der-
artigen Versuch zu inachen, ohne aber schon neue Namen
anzuwenden.
Schema der Berufisaxten.
A. Spaltenpflanzen.
I. Nur in Spalten mit winterlicher
Schneebedeckung (wenigstens
bei Sudexposition) die SchneeschiitztiW
309
II. Nur in Spalten ohne Schnee-
bedeckung
III. Nur in kalkschlammfuhrenden
Schichtfugen
IV. In Spalten an oberflachlich be-
spruhten Wanden
V. In Spalten an oberflachlich be-
rieselten Wanden
VI. In Spalten, die an vertieften
Stellen der Oberflache miinden
(in Siidexposition)
VII. Auch in andern Spalten:
1. In Spalten mit oberflachlicher
Humus - tJberlagerung oder
doch reicher oberflachlicher
Fullung
a) in der Kulturregion
b) in den G-lobulariabestan-
den
c) in den Carex firma-Be-
standen
Androsace helvetica
V 71)
Pinguicula alpina
VIII 6
Oypsophila repens
X 9—
Saxifraga aizoides
? 5?? —
(Auf Moorboden verpilzt)
Sedum dasyphyllum
X 8
Laserpitium siler
V ? 12
Primula auricula
V 6
Silene acaulis
V 12 —
') Die romischen Z if fern unter dem Speziesnaraen geben
die Gruppe der Warniingschen Einteilung nacb Sprossbau und
Verjiingung, die arabiscben die Lebensform (nach Drude), der
die betreffende Spezies zuzuordiien ist. Eine Zusammenstellung
derselben findet sicb gleicb an das Schema anschliessend. Die
Horizontalstriche (negativ) geben an (nach Stabl), dass die Wurzeln
der betreffenden Pflanze unverpilzt sind.
310
2. In an der Oberflache gehalt-
losen Spalten:
a) oberflachlich klaffende
Spalten ausniitzend
a) durch Stauung des ver-
schwemmten Detritus
(in Siidexposition)
P) aus dem SpalteDgrund
mit verlangerten Trie-
ben ans Licht drin-
gend, namentlich bei
seitlicher Offiiung der
Spalten
7) ? ? bei Offiiung der Spal-
ten nach oben (in Siid-
exposition)
b) engsehliessende od. sonst
oberflachlich humusarme
Spalten ausniitzend
a) mitaktiver,oberflaclilicher
Humuserzeugung, immer-
griin. Androsace nur au
wimlgofogten Stellen
p) oberflachliohe Humus-
erzeugung weniger aus-
gepragt, sominergriin
§ (in den Globularia-
bestanden)
§§. in den Carex firma-
bestanden
Carex mucronata
XI 10 —
Galium rubrttm
XI 12
Galium mollugo
XI 12*
Galium moUugo var
Gerardi
XI 12
Teucrium chatnaedr
II 16 — (vermutl.]
Sempervivum ted.
X 8-
(Androsace helvetica)
V 7
Saxifraga ccesia
Potentilla caulexx**
V 12
Carex firma
XI 10
811
B. Oberflfichenpflanzen.
I. Moosrasen ausnutzend:
1. mehrere zagleich (nur in der
alpinen Region)
und
2. nur einen allein
II. Von verschlepptem Humus lebend:
1. herabfallenden Humus auf-
fangend
2. entblossten Humus ausnutzend
3. den Humus an extrem heissen
Orten ausntitzend
4. beweglichen Humus veran-
kernd (bis ca. 1800 m fiber
Meer)
Olobularia cordifolia
X 5
Tliymus serpyUum
XI 5
Saxifraga aizoon
X 6
Olobularia cordifolia
X 5
Thymus serpyllum
XI 5
Sedum album
X 8 —
Carex humilis
XI 10 —
Kontroll-Tabellen.
1. Warmingsche Einteilung.
Roniische Ziffern.
1. Hapaxanthische Gew&chse.
I. Gruppe Annuelle.
II. „ Bienne = dicyklische.
Teucrium cham.
III. „ Pleio = polycyklische.
(D. i. einmal frucbtende aber vieljahrige.)
312
2. Perennierende Pflanzen.
A. Arten ohne oder mit dusserst geringem Wanderungsvermogen.
a) Persistierende Primwurzel.
IV. Gruppe Baume und Straucher.
V. „ Vielkopfige Wurzel.
(Nebenwurzel biologisch be-
deutungslos, jede Pflanze aus
einem Samen entstanden.)
Potentilla caulescent
Androsace helvetica
Sttene acaulis
Primula auricula
Laserpitium siler?
VI. ,, Perennierende Knollenbildner.
(Mit gemeinsamem Zen tr um
fur alle Sprosse.)
b) Schnell absterbende Primwurzel.
VII. Gruppe Senkrechte oder wenig schief
liegende Rhizome.
VIII. „ Sprosse, die nur eine, seltener
zwei Vegetationsperioden er-
leben und dann vollig absterben
(also keine eigentlichen Spross-
verbande)
Pinguicula alp.
B. Arten mit growerem oder geringerem Wanderungsvermbgen, da* abtr
dock im Leben der Pflanze eine Rolle spielt.
a) Lange lebonde Primwurzel (oberirdisch wandernde Pflanzen).
IX. Gruppe Wenige Straucher und Halbstraucher.
b) Schnell absterbende Primwurzel.
a) Teile der Sprosse leben mehr als ein Jahr.
X. Gruppe Oberirdisch wandernde Arten.
Globularia cord.
Gypsophila rep.
Sedum album
Sempervivum tect.
Saxifraga aizoon
Sedum dast/phyUm
XI.
Unterirdisch wandernde Arten.
Oalien
Carex mucronata
Carex humilis
Carex firma
Thymus serp.
313
XII. Gruppe p)> Die Sprosse sterben nach einer oder seltener
zwei Wachstumsperioden (keine eigentlichen
Sprossverbande).
XIII. „ y) Pflanzen, welcbe bauptsacblich durcb Wurzel-
sprosse wandern und uberwintern.
XIV. , d) Schwiminende Wasserpflanzen.
2. Drudesche Einteilung.
Arabische Ziffern.
I. Gruppe Ini Erdboden wurzelnde, selbstandig vegetierende,
bochaufrechte Stiimme.
II.
III.
IV.
1. Baunie.
Im Erdboden wurzelnde, selbstandig vegetierende,
vom Grunde an verzweigte und durcb friibzeitigen
Ersatz der uber der Erde sicb erbebenden Haupt-
triebe niedrig bleibonde Stamme.
2. Straucher.
3. Zwergstraucher.
4. Schosslingsstraucber.
Halbstraucber und oberirdiscb verbolzende Rbizom-
bildner.
5. a) Holzstauden Globularia cord.
Thymus serp.
Nicbt verbolzende Stauden.
b) Perenne Stauden.
6. Rosettenstauden.
Pinguicula alp.
Primula auric.
Saxi/raga aizoon
7. Polsterbildner der Dicotyledonen.
Andro8ace helv.
8. Blattsucculenten.
Sempervivum ted.
Sedum album
Sedum dasyphyUum
Gypsophila repens
9. Kriecbstauden.
314
c) Monocotyledons Rasenbildner,
10. Gedrangte Rasenbildner.
Carex mueronata
Carex firma
Carex humilis.
11. Auslaufer-Rasenbildner.
d) Redivive Stauden.
12. Erdstauden.
Potentilla caul.
Laserpitium siUr
Galien
SUene acaulis.
13. Zwiebel- und Knollenpflanzen.
14. Wurzelsprossen.
15. e) Fame.
V. Gruppe Kraut er.
16. Zweijahrige Bliitenpflanzen.
Teucrium cham.
17. Einjahrige Bliitenpflanzen.
VI. ,. Wasserpflanzen.
18. Schwimmpfianzen.
19. Tauchpflanzen.
VII. ., Ohne Chlorophyll.
20. Saprophyten.
21. Parasite n.
Was aber clen Wert der Kenntnis von Wurzelorten
im allgemeinen anbelangt, abgesehen von dem speziell
in dieser Arbeit geleisteten, so scheint mir derselbe gar
nicht bloss in einer Vertieftmg der Okologie zu liegen,
sondern audi in einer bedeutenden Fbrderung anderer
Dutziplinen.
Erstens wiirden bei Kenntnis der Wurzelorte die
Angaben iiber das Fehlen oder Auftreten einer Pflanze
einen weit grosseren Wert fiir die Monographic des be-
315
treffenden Ortes erhalten. Ich kann nicht erwarten, dass
dieser Vorteil schon aus der blossen LektUre vorliegender
Arbeit in die Augen springe, da erst die direkte Beob-
achtung der Wurzelorte ein so lebendiges Bild von der
parallel gehenden landschaftlichen Beschaffenheit geben
kann, dass bei spaterer Zitation der betreffenden Pflanze
auch wieder deutliche Landschaftsbilder assoziiert werden.
Allein ich glaube, dass die Forderung und Vertiefung,
welche die erstmalige Beobachtung durch die theoretische
Kenntnis der Wurzelorte erfahrt, eine so bedeutende ist,
dass auch Nicht - Spezialisten eine ganz ahnliche Er-
leichterung in der Verkniipfung von Pflanzen und Land-
schaftsbild erfahren, wie derjenige, der die Wurzelorte
primar aufgestellt hat.
Ein weiterer Vorteil durfte der historischen Botanik
aus der Kenntnis der Wurzelorte erwachsen. Kennt man
mit Sicherheit den Wurzelort einer Spezies, so kann,
wenn derselbe anderwarts eine andere Spezies tragt, mit
viel grosserer Sicherheit als bisher, darauf geschlossen
werden, dass diese Verschiedenheit durch historische
Grunde bedingt ist.
Kennt man anderseits in klimatisch verschiedenen
Gegenden verschiedene Wurzelorte genau derselben
Spezies, so erwachst fur die Physiologie der Vorteil, ein-
ander ersetzende Lebensbedingungen kennen zu lernen.
Den Hauptgewinn durfte aber neben der okologischen
die floristisvhe Pflunzengeograpliie davon tragen, indem
erst durch die Kenntnis der Wurzelorte, d. h. der Arbeits-
teilung, der Begriff Pflanzengesellschaft einen wertvollen
Inhalt erhalt. Erst durch sie wird es moglich sein,
Charakterpflanzen von den dominierenden richtig
zu scheiden und iiberhaupt den Wert des Vorkommens
316
der verschiedenen Spezies fair die Charakterisierung dee
Standortes sicher zu erkennen. Erst durch sie wird 66
moglich sein, den UDendlichen Wechsel eines Formations-
bildes durch ADgabe einiger weniger Spezies zu kenn-
zeichnen.
Also nicht nur M ehrbela stung, sondern auch
Entlastung werden die neu zu erwerbenden
Kenntnisse bedeuten.
317
Anhang.
Nachtrag zur Frage Tiber die Wasserbilanz
der Felsenpfianzen.
A priori mochte man wohl nieinen, es konnten docli, trotz
des auf Seite 56 uber die Wasserverhaltnisse des Felsens Gesagten,
irgendwelche allgemein gultige okologisch bedeutsame Experimente
uber die Feuchtigkeitsverhaltnisse der verschiedenen Felsarten
angestellt werden und tatsachlich liessen sich ja auch fur die
verschiedenen Arten von Kalk, Humus und Grus bestimmen :
1. der konstante Wassergehalt bei verschiedenen Temperaturen
nach einmaliger Sattigung (fiir Kalk auch bei verschiedenem
Drucke) ;
2. die Geschwindigkeit und Grosse der Wasseraufsaugung aus
der freien Wasserflache (fur Kalk bei verschiedenem Druck) ;
3. die Geschwindigkeit und Grosse der Wasseraufnahme aus
der Luft bei verschiedenen Taupunkten;
4. die Geschwindigkeit und Gr6sse der Wasserabgabe an die
Luft bei verschiedenem Taupunkte;
5. die Geschwindigkeit und Grosse der Wasserabgabe je eines
der Glieder bei verschiedener Feuchtigkeit an die beiden
andern in verschieden feuchtem Zustande.
Sodann fiir die verschiedenen Pflanzenspezies das Minimum
der Feuchtigkeit des Substrates, bei dem sie eben noch Wasser
aufnehmen konnen.
Und ferner: Geothermische Tiefenstufen in den "Wanden.
Aber mit all diesen Bestimmungen wiire eben gar nichts ge-
wonnen; denn wie die Verhaltnisse beim Fels mit seinen Rissen,
welch letztere einen der Messung ganzlich unzugangiichen Faktor
darstellen, lagen, ware nach wie vor unbekannt. Und zudem
fehlten nach wie vor die Hauptdaten. um Schliisse aus dem Experi-
ment auf die naturlichen Verhaltnisse ziehen zu konnen: der
Wasserverlauf im Innern der Wande und die Menge
und Anordnung des wasserspeichernden Humus.
318
Ich versuchte daher, einen der wichtigsten Faktoren in der
Wasserbilanz der Pflanzen selbst durch direkte Wagung annahernd
zu bestimmen, niimlich die Zeit, die vergeht, bis sic, ohne erneute
Wasseraufnahme. ihres gemmten Wasserinhaites verlustig gehen. Die bei-
gehefteten Kurven geben die Resultate der Experimente. Sie
wurden, nach deni Vorgange Altenkirchs, wie folgt gewonnen :
Die Pflanzen wurden am 26. Juni 1902 gesammelt und zwar
in zwei Gruppen, namlich:
und
Sesleria coerulea
Carex firma
Primula auricula Nr. 9
Silene excapa
Andro8ace helvetica
Saxifraga ceesia
Globularia cord. Nr. 16
inorgens 9 Uhr am ,,Brisit;, 2100 m
tiber Meer an einer Schratten-
wand
Teucrium chamaedrys
Laserpitium siler
Sedum album
Thymus serpylium
Potentilla caulescens
Primula auricula Nr. 7
Carex bumilis
Saxifraga aizoon
Globularia Nr. 14
Globularia Nr. 17
und Sempervivum tectorum
morgens 11 Ulir am sog. vSitz-
stein", einer Malm wand bei
„Scbrina-Hochrugg" in 1550 m
iiber Meer.
Ich schnitt dieselben moglichst nahe am Boden &b, umschloas
die Wunde mit Collodium und brachte sie dann in Glasern mit
eingeschliffenen Stopseln nach Zurich, wo sie [zunachst in den
geschlossenen Glasern gewogen wurden und dann in Becher-
glasern, im Mikroskopiersaal der Landwirtschaftlichen Scbule bei
einer durchschnittlichen titglichun Maximal temperatur von zirka
23° C. der langsamen Verdunstung im Schatten ausgesetzt.
Der allmahlige Wasserverlust ergab sich durch tagliche AVagung
morgens und abends ji» um 7 Uhr, die Kurven durch Reduktion
der erhaltenen Zahlen auf ein gleiches Frischgewicht und Ab-
tragung auf eineni beliebigen Koordinaten system.
Es haften der Methode aber eine solche Menge nicht leicht
zu vermeidender FeMer an, dass ihre Ergebnisse nur eine sebr
beschrankte Bedeutung haben. — Einmal werden nur die ober-
irdischen Teile beriicksichtigt. Allfallige Wasserspeicherung
in unterirdischen entgeht also der Untersuchung. — Es wird der
Zeitpunkt des Todes der Pflanzen nicht beriicksichtigt man
bestimmt also wahrscheinlich den Wasserverluat nicht, wie er
319
unter natfirlichen Verhaltnissen auftritU — Zudera wird der Tod
durch Athervergiftung (infolge Eintrockn ens des Collodiums)
beschleunigt. — Massgebeud fur das Vorkommen einer Pflanze ist
aber nicht die Zeitdauer, die sie zur Abgabe des gesamten verdunst-
baren Wassers braucht, sondern die Zeitdauer, die vora Wasser-
entzuge bis zu ihrem Tode verstreicbt. — Man beriicksichtigt bei
dieser Versucbsanordnung nicht, dass die Pflanzen vielleicht in
sehr verscbiedener Weise an die vorscbiedenen Verdunstungs-
gefahren angepasst sind.
So dan n ergaben sich bei der Ausfuhrung dieser speziellen
Versucbe Schtoierigkeiten. Erstens war ein grosser Teil der ge-
sam m el ten Pflanzen mit alten sehr feuchten Scheiden, Blattern
und Humusteilcben bebaftet. Zur Wagung wurden dieselben so
gut als moglich entfernt, da ihre Beibebaltung der Willkiir Tiir
und Tor geoffnet hatte. Fur das Leben aber sind diese wasser-
aufsaugenden Teile zum Teil von grosster Bedeutung. — Ferner
verstricb eine sehr lange Zeit zwischen deni Einsammeln und dem
ersten Wagen, namlich, da ich den Nachmittagszug trotz fast be-
standigen Laufscbrittes infolge eines Missgeschicks des Tragers
nicht erreicben konnte, vom Morgen bis nachts 12 Ubr, also dem-
entsprechend langes Verweilen inder Atheratmosphare.
Potentilla entfarbte sich dabei vollstandig.
Das Einsammeln dreier Exemplare von Globularia und zweier
von Primula hatte den Zweck, einen Afassstab fUr die Qrbsse der
individuellen Schwankung zu gewinnen. Bei den ubrigen Spezies ward
eine solchet mit Ausnahmo von Androsace, Sempervivum tect. und
Saxif raga csesia, dadurch korrigiert , dass eine grosserelndividuen-
zahl gesammelt und gleichzeitig gewogen wurde. Ich versaumte
es nun aber leider, fur die erst gen ann ten Arten relativ gleich
grosse Glaser zu wahlen, statt absolut gleich grosser, welchem
Umstande wohl die Unrogelmassigkeiten im Anfangsverlaufe der
Kurven zuzuschreiben sein durften, so wohl bei den G-lobularien,
als auch bei verschiedenen der ubrigen Spezies.
Trotzdem treten die Eigenschaften, die uns im II. Teil inter-
essierten, ganz deutlich hervor, indem namlich die aus den Kurven
oder der Tabelle ersichtliche BeUienfolge der Pflanzen naclt der Ge-
8churindigkeit ihrer Wasserabgabe geordnet ungefahr folgende ist :
Carex humilis
Thymus serpyllum
Potentilla caulescens (tot)
Androsace helvetica
\*
320
Laserpitium siler
Teucrium chamaedrys
Globularia cordi folia
Carex firm a
Sesleria courulea
Silene excapa
Primula auricula
Saxifraga aizoon
Saxifraga ceesia.
Sempervivum tcctorum
und Sedum album (nicht aus den Zahlen ersichtlicb). Sedum zeigte
bei den Wagungen das bekannte uberrascbende Verhalten. In
akropetaler Roibenfolge schrumpften seine Blattchen ein und fielen
ab, an der Spitze jedocb erbielten sie sicb grun und prall and
am 23. Juli entfaltete es einige Blutchen, die aucb noch am 29. Juli
bei Abbruch der Wagungen, also 33 Tage nacb der Trennung von
der Wurzel, in voller Frische und vermehrter Zabl am Leben
waren. — Sempervivum verlor audi nur die aussern Blatter der
Rosette und am 29. Juli ziihlte icb im Innern noch 24 vollkommen
friscb aussehende.
Iin iibrigen erreicbten ein k oust antes Gemeht:
Potentilla caulescens \ , - _
, , , . . . J nacb 5 Tagen
una Sesleria cujrulea J °
Carex iirma und \ R
Globularia Nr. 17 I ,?
Thymus serpyllum j
Androsaco helvetica | „ 7 „
und Globularia Nr. 14 )
Teucrium chamaedrys
Silene excapa
Globularia Nr. 16
Saxifraga c-tesia
Primula auricula
Saxifraga aizoon |
. , , | Sempervivum tectorum
siehe oben {<-,,..
( Sedum album J
9
12
j*
14
•
16
*
33
*
33
,, noch nicht.
321
li
1 "• «- Ok » W ■ 9 a£T -" "•» <ft d M M ■»■ M _ £ rf
CMOQOi>'»0!>OOCM^COQOi"-ieO''*CO""opCO'
•i*!i
:1!
1 cm"" oo~ r>- cm" ai co" cm* © — * co co* co" op t>-
i CM CM CO ■«* "^^OiOiOiOOiOOCO
- £ 3
15
2 «r » j -. «o » © '5'* •
§T3
IIS
1 -■
l|S I I Hi I I i 1
N OS © Is*" CO* CO CO -H Of 00 CM*
i ci cm ^ -^ itn ~# io »o io lc5 t>-
u
■II
S2
!1*
i1"
1 "f * *9 t* « » C M W « «0
1 » « <Q £ £ Ok <« flft 3» <N 5
M. O •*. ^ 1-^ ««-.«B«»x»a^ A
1 CO © O CO CM h « q" c4 h CO h 00 lO
. CM CO CO -^ O CO ^ 5 lO lO iO CC iO l>
ii
■ S 2 9 ** *>' Q* co' co" cm' co" ih" **" cm' oo op" m
CM CO CO T m -* CO "•* CO iO lO lO CO »0 i3 l^
0 i>
sua
©
©
i*
1 !"Salsli5s^ss5SSg = 2
"* N O N N N * «# «' !>•" -*"" lC Of lO CO Cft CT> ©*~
i CMCOCOCO^CO»O^CO-^COiOiOiOCO»OiOo5
i«
1 CD -* ih CO H CO W lO CO* n n" oc" cm' iO lO o" Cft cm"
1 CMCOCOCOiOCOCO'^CO^COiOOiOCOCOiOOO
S as
«J
1
is
1
Cftl>-CM00^t|0DC0»0-»HOCMOiCr^C0" cm" cT »o
WC0C0C0»AC0<0^^i0NOi0i0C0CDO00
a; r
\n
22»22?"3»r « — »»r-«-^»»«*
no^t-o^i-^i^flBrt^w •«. *> •«» — © —
co co co ci oo oa o i>- co' ©" co" -* co"" cT oo" •«*" ©" op"
CO^COCOiOCOtV^L^iOt^-COiOOCOCOCOOO
1
o
\li
2 2S22222 2•*,0••«£*•"•^,
2 9 iS ?3 ^ "^ "^ Q ^ w ^ * oi w o" co ^"" o"
I co io co ^ co "t i^ io r» ic i^ co »o co i^- co co cB
C S
H
«oa»onoiAOM3kOt>i-o«n«x>
2Sasrr2$®2210»*^«;» = 2
i 2' $5 S !i" E: ^ SP 7f °* '2 ^ cm* »o oo" cm' co" co* cm"
s c
©
I:
•^SSSS^S*' "*22»j*-«»*»io
lO i-H Oi CO CO CO ► CM Q Of O ' I> Is* CO*" ^ifi lO 3) N -jf
, lOt^^iOr^iOQOCOQOCOOOt^-l^t^-C^C^-COCft
lis
*2 -5 ^-j co »o co co ci co i-« -h op" co co" oo" icT irT co*
, « oo a r- x n x ffl oo n a * « oo r» « i^ cs
-
TJ-3
i ?=
1-
1 S *"
' O CM CM »o CM* io cT cf ci »cT tcT -t* cm* oo" -*" — T co" 30
t^- ONXjixxt^xxoaioxxoixo)
[8 S 8~S"8 8"8"8 8"S 8 8 8 8"3"8"8"8
i
•III
•2 M-w
1
1 T-«^H»-<»H»-<»Hf-ii-H»— lTHi-HTH«Hv-4i-li-HT-itH
«"U3
1
1
I j l 3 c! « S co c © .= co .= *^
■f-gs
*--c3i:
i
* x >, "s s "s d ^" •- 5 * "3 £; '5 £* t: -
■3 S I-
1
-? „ O.C = d.5 rtX-.S aj O £ p O -
. '.fc
i
S-a*S:3Ja = 2*3-Sls-S--S-S.S
s"gs
"» 0 ©
i
1
1
•^ oi co i -t* ia co" i> oo" ci 0 1-* cm co* *-* to co" r- oo"
1\
322
Verzeichnis
der
Felsenpflanzen des Gebietes.
Das nachstehende Verzeichnis enthait diejenigen Gtfass-
Fflanzen des Gebietes, die ich als Felsenpflanzen kennen gelernt habe.
Die fettgedruckten Namen zeigen Spezies an, die dem definierten
Begriffe: Felsenpflanzen, vollstandig entsprechen. Die ein-
geriickten , kleiner gedruckten bedeuten , dass die betreffende
Spezies nur gelegentlich als Felsenpflanze auftritt. Pflanzen,
die sich nur ausnahmsweise und gleichsam zufallig auf Fels
einstellen, wie z. B. Anemone hepatica,1) Aquilegia vulgaris, Par-
nassia palustris, Carlina acaulis, Cyclamen europseum sind nicht
angefiihrt, sofern sie nicht zu den Holzpflanzen gehoren. die
ich auch dann in das Verzeichnis aufnahm, wenn mir nur eine
einzige positive Beobachtung vorlag.
Es war ineine Absicht, in der zweiten Rubrik eine voll-
standige Ubersicht \iber die Verbreitung der einzelnen Spezies im
Gebiete zu geben. Bei der Arbeit merkte ich jedoch, dass sich
dieselbe im wesentlichen als ein Auszug aus „Wartmann und
Schlatter'") reprasentiert hiitte. Da die letztgenannte Arbeit
aber keiner Bestatigung meinerseits bedarf und auch dem Mono-
graphen Zeit erspart werden kann, so fiihre ich dort nur diejenigen
mehier Beohachtunyen an, die jenes Werk erganzen konnen. Immerhin
werde ich die Falle, in denen sich meine Beobachtungen mit den
Angaben von Wartmann u. Schlatter decken, von den andern, in
denen mir kein ausreichendes Material zur Verfugung stent, dadurch
unterscheiden, dass ich hinter diejenigen Spezies, bei denen das
letztere zutrifft, Striche( — ) setze. Belege zu den wichtigsten
Angaben find en sich im Herbarium des Naturhistorischen Museums.
St. Gallen.
1) In Baum^artnern Monographic aichtlich aus Yerseheu als sehr selten
bezeichnet, i»t sie in alien BiiBchwaldern am Beeufer in Menge zu flnden.
*) Kritische Obersicht dber die Gefasspflanzen der Kanione St. Gallen
nnd Appenzell. 8t. Gallen 1881.
323
PM
(s. Florals
pag. 259 f.)
fcpstopteris fragilis
14, 15, 21
A spidium Robertianum
■ —
8
Aspidium rigidum
Aspidium loncbitis
I Kirreaffldpfliaxen
204
taplenum trichomanes
194
1,2,3,5,6,8,
9, 10, 13, 15
■plenum viride
•plenum fontanum
Bei UaiDten an nekrerai sckat-
tigen Ortei, I. B. ob fan
StfrnviM
238
■plenum ruta muraria
194, 305
3,4,5,10,15,
20.26
Lycopodium selago
Pinus montana
Picea excelsa
Juniperus communis
244
3. 32
Juniperus Sabina
Tux us b areata
tvpa pennata
202
Pbleum Hichelii?
2
Lasingrostia ealaina-
grostis
20
Bjrostis alpina
195
fcrostis Schleicheri
^Garten^
grostis rupestris
195
10, 12, 14, 15.
1ft QO
Calamagrostis varia
taleria coerulea
Sentisgipfel 2500 m
7.8,17
i
201, 202, 226, 1 J, 2, 3, 4 5, 6,
233. 238; 2391 1 8< ^ *M3,
243 f., 247,265, i }£ 15. 16, 17,
273L275 288, ,18, 1^20,21,
318 f 23. 25. 26, 32,
! 34i 36; 37. 38
Moliuia coerulea
Melica ciliata
Poa alpina
Poa minor
Oft lonaajebfod ao bf inalit snk-
rwhlwi WiodfB, sofrrn die-
225
199, 239
: 5, 17
I 6, 13, 15, 21.
I 31, 34, 36, 37,
38
SchneefleckpEanze j 196, 198 | 36, 37, 38
324
Poa nemoralis
Festuca ovina vulgaris
capillata
duriuscula
glauca
Festuca pumila
Festuca rupicaprina
Bromus erectus
Broraus tectorum
Carex nigra
Carex mucronata
Carex digitata
Carex ornithopoda
Carex humilis
Carex tenuis
Carex firma
Carex sempervirens
228 ] 10. 18
i 202, 217, 244 3, 6, 9, i(
I 4, 18
195, 239. 297
302
Nur Gipfel- und 195
Gratpnanze !
- 244 f., 266
Sdmeefleekpflanie
196
In Sentisgebiet afenabmslos 195, 228, 233,
an alien stark geneigtw 237, 238, 288,
warmen Winder, in Slid- 302 f., 310 f.
exposition iwUchen 900 n :
(Wasserau) nnd 1900 n |
(Tiirme). Fehll der Nord-
exposition (and dem Gatlt). |
Beira. 2100 m am Pttlen- !
sehaf berg. In den Cur- ■
firslen erst an den tiipfel-
winden ct. 1800—2100.
Unten *tatl ihrer Carex
humilis
10,
15,
20,
25,
29.
33,
37,
19,
34,
1
12. 13.
17. ia
21.23.
26.27.
30. 31.
34.35.
38
21. 22.
35,36
36. 37
4. 5, 6. 7.
12, 17. 20.
• tiemein am Sadabhang der
i Cnrfirsten vom Seeofer bis
an die Gipfelwinde. An
; diesen nor nodi spirlicn.
; Wart
i tJppignurinNord-
exposition.
Scbeint mit der folgeoden die
gesetimiwige Xwhfolgerin toi
, Carex firma n seii.
237, 238, 270.
272 f ., 305;
811, 318
199,233.237f.,
288,2991,305,
310, 318 f.
239
2. 3. 4. 5
4
4, 8, 9. 10.
14. 15. 16.
19.20.2i
25.27.28,
32,34,35,
4, 8, 9. ia
15. 16. 17,
20,28:32
325
Carex ferrugina
lincus trifidus
Anthericus ramosus
Allium Tictorialis
Allium scbn&nopr&sum
■ Allium sen esc ens
Allium sphteroeephal.
Lilium croceum
Lloydia serotina?
Polygonatum multi-
florum
Polygonatum officinale
Salix lierbacea
Salix reticulata
Salix retusa
Salix caprea
Salix hastata
Salix Waldsteiniana
Populus tremula
Corylus avellana
Fagus silvatica
Quercus robur
Quercus sessiliflora
Kumex scutatus
Rumex nivalis
Oxyria digyna
Polygonum viviparum
tilene acaulis
In Nerdexptoilion aoefa an aas-
gesprochen troekenen Stellen
(Garten).
Karrtnftld ob legglis
Karrenfeld ob legglis
Scbneegeroll
Schneegeroll
Schneegeroll
Sclmeeflecken
239
195
262
204
202
244 f.
198
197, 201, 239,
302
233
199
201
196, 199, 302
197, 199, 233,
8, 9, 14, 15,
16, 23
13
3, 5, 18
15
21, 22, 24, 27,
36,38
7
3
36
15, 27, 34
13, 14, 15, 21,
22, 24, 28, 31,
32, 34, 35, 36,
37
14
24
37, 38
15, 21, 24, 27,
31, 32, 34, 36,
37,38
3,9,11,12,13,
239,288,299f.; ' 14, 15, 16, 21,
305, 314, 318 | 24, 25, 26, 27,
28, 31, 32, 36,
37,38
326
I
Silene venosa
Silene nutans
Heliosperma quadrifidum
Gypsophila repens
Dianthus inodorus
Saponaria ocymoides
Cerastium latifolium
Cerastium alpinum lanatum
Alsine sedoides
Alsine verna
Mcshringia muscosa
Ranunculus alpestris
Thalictrum minus
Berberis vulgaris
Petrocallis pyrenaica
Thlaspi rotundifolium
Sisymbrium sophia
Geroll ! 221, 228
I 202
Fist aas«chli«slieh in Sord- 1 195, 233, 239 9. 13. 14, 15.
exposition, Huritteiflgipffl | 16, 22
2110 a I |
: 195, 199, 228, ' 3, 4, 5, 9. 10.
, 233,238,288 f., 1 12, 14. 15, 16.
! 305 f., 309 ; 17, 18, 23, 26,
! ' 28, 32, 35
194
lit 3 ■ langtn Triebfi bf ] ! 265
Qoiotfii I
Geroll 1 201
Am Wtge nordlirfa vom Pihlto-
** lof Ganlt sfhr stark
bthaarte Rxtnplare
Schneefleckpflanze
Schneegeroll
Immer noch beim Awher, duo
aber inch in tioem frokti-
fixierariti KrippeltitapLr
in Sattel mxta 8dilfler
and Lideo bei a. 1870 m.
Beleg im Nat.-hi&t. Imam,
St.Gallen
Kernera saxatilis
Hutchinsia alpina Schneefleckpflanze
Draba aizoides
239, 302
228, 239, 302
196, 199, 302
202
195, 239
201
2,3,5,11,17.
'19
18
19, 21, 25, 32
15, 19, 21. 27.
31, 34, 36. 37
15, 18
11, 13. 14, 15,
16, 20, 21. 27.
34, 36, 38
19, 31, 35
36, 37
194, 237
196, 198
I 3, 4, 5, 8, 10.
1 12, 14, 15. 17.
18, 20
13, 15, 21, 30.
31,32,34,36,
I 37, 38
15, 6, 10, 18.
126, 36
327
i tomentosa
rabis alpina
s hirsute var. incana
rabis coBrulea
n maximum
>dum atratum
ii dasyphyllum
ii album
ervivum tectorum
ixifraga androsacea
ixifraga rotundifolia
raga oppositifolia
raga aizoon
raga csesia
raga aizoides
ixifraga stellaris
raga aphylla
raga moschata
Sehneeflefkpflamel'f
Schneefleckpflanze
(EinzigeAnnuelle)
Ctaill am nordlichen Wiltn-
seenfer. Slellenweiw so
mawtaliaA, diss die Wlnde
korallenrot geftrbl er-
seheiofD.
Bei Qninten gemein. Am Nord-
afer dw Flhlenwes! Am
Latispiti.
leist in Jfordeipwition.
AmUnterstrich bei
ca. 1400 m
Schneefleckpflanze
Schatten liebend
239
195, 240
239
196, 198, 199
22, 34, 35, 36
12, 15, 16, 20,
21, 34, 36, 37,
38
5, 11, 15, 32,
36, 37
37
199, 239 6, 10, 17, 20,
28, 37
194, 217, 237, 1 3, 7, 17, 18
244, 259
194, 215, 217, | 3, 5. 6. 17, 18
237, 243 f.,
249 f., 276 f.,
311, 318 i
194, 237, 243,
257, 269, 310,
318
196, 199, 239
228
195, 197, 239
302
195, 217, 238,
239, 269, 273,
282 f, 302. 305,
311,318
195,239,288 f..
310, 318 f,
195, 199, 302,
305, 306, 309
196. 197, 199
196. 302
195, 197, 199,
228, 239, 302
3, 4, 17
36, 37, 38
13, 15
9, 15, 21, 22,
24, 30, 31, 32,
34, 36, 37, 38
3. 4, 5, 8, 9,
12, 14, 15, 17,
18, 21, 22, 23,
26, 28, 30, 31,
32, 35, 36
4, 8. 10, 14,
15, 16, 17, 19,
22, 23i 24, 27,
30, 31, 32, 34,
35
6, 8. 9, 13, 14,
16,21,22,27,
34.38
13, 15, 37, 38
21, 22, 30, 31,
32, 34, 36, 37,
38
10, 13, 15, 20,
21,22,27,28,
30, 31. 34, 36,
37,38
328
Cotoneaster vulgaris
Cotoneaster tomentosa
Crataegus oxyacantha
Crataegus monogyna
Amelanchier ovalis
Sorbus aria
Sorbus aucuparia
Pirus silvestris
Pirus communis
Potentilla caulescens
Dryas octopetala
Alchimilla Hoppeana
i
j Allenthalben an den Gipfel-
winden d*r Carfirstfo bis
| «. 2000 m. Hocbler 8tu4-
| ort im Sentis : die „Llden"
1850 m.
Am iippigslfD inf splilterigea,
brieiugeii Siellen is Nord-
fiposition.
SduieesehaLxling, gemein von
880 m (Wisserau) bis 2100
(Hoehniedwe. SehraUen-
winde ob dem Wildseeli).
In den Curfirsten kenne ieh
• keioe so tief liegendei
i Htindorte.
Alchimilla glaberrima : Schneetalchen
Rosa canina
Rosa rubrifolia
Prunus spinosa
Prunus avium !
Prunus cerasus i
Prunus mahaleb \
Trifolium Thalii
Anthyllis vulneraria I Anf schuttbedecklen Absitxen
Lotus corniculatus
Astragalus alpinus
Oxytropis montana
Coronilla emerus
Hippocrepis comosa
Hedysarum obscurum
Vicia Gerardi ' Ostlich vom Stein-
i brucb b. Quinten
Geranium sanguineum j tJberall b. Quinten
I
I
244
244
194,197,217f..
233, 237, 243 f..
247 f., 288 f.,
310, 318 f.
201, 239, 302
195, 199, 240,
294 f., 305
199
238
228
3, 6, 19, i
19
202
237, 238, 243 f.
2
202, 244
2, 3, 4, 7
239
9, 15t 16,
35
202, 244
2, 3, 4. 7
7
1, 2, 3, 4,
6,7,9.10,
14, 15. 17.
26
14, 15, 22,
27, 30, 32
3, 6, 8, 9,
13, 14, 15,
17, 18, 20,
329
Geranium Robe rtia n urn
Polygala chamtebuxus
Euphorbia cyparissias
Euonymus europreus
Euonymus latifolius
Acer campestre
Rhanmus catharticu
Hmmniis pumila
Frangula alnus
Tilia oordata
Hypericum perforatum
Heliarithemurn
alpestro
Helianthemutn vulgare
Viola birlora
Daphne rnezereum
Hedera helix
Bupleurum
ranunculoides
Ithamanta hirsuta
Ligusticum mutellinu
Laserpitium latifolium
Laserpitium slier
Coriius mas
Corn us Bangui nea
Rhododendron hirsutum
Hiafig panz aospe»prock«ie
Spalltnpflanz*, namtntlirh
bfi (Joint?!.
Wart 2(XX) m
238
Bill
1, 3, 6, 10, 14
3, 4, 5, 17, 18
In seiner Kegion ! 194, 199, 237, , 3, 4, 5. 6, 9,
kaumeinerWand i 238, 269 i 10, 15, 17, 18,
fell lend. | j 20, 26. 28
Auf dem Schutt
der Absatze
202
199. 202
rihrligipfel 2203 m '. 194, 199, 233,
(Kriippel) 238,239.254,
! 288, 305
I
199, 239
19, 23. 25, 26,
28, 31
3, 4, 10
13. 15, 20
10, 20, 32
3, 4, 9. 10. 12,
13, 14, 15, 16,
17, 18, 19, 20.
23, 26, 27. 28,
35
16, 21
In den lnrOr>tfn bis zirka ! 194, 237, 243 f.. 2, 3, 4, 5, 10,
tm m (tiipfrlwirir), dort I 246, 253, 265, ! 17, 18
abr nichl mfhr Ffko- | 269,309.318f.
pflanzf. '
Schneescliutzling?! 204, 235, 240, 9. 12, 13, 14,
298 f.. 305 i 15, 16, 22, 27,
1 ! 32
Azalea procumbens
Arctostaphylos alpina
Vaccinium uliginosum
Erica carnea
Gipfrl der Fn-ihril Mi
32
192, 204 i
233,237, 288 f. 3, 4. 10, 12,
14. 17, 32
Primula auricula
Androsace helvetica
330
: Bei Batlis
Fraxinus excelsior ,
Ligustrum vulgare
Gentiana vulgaris '
Gentian a bavarica ;
Gentiana bracbyphylla
(Gentiana tenella)
Ganz ansnahmslos Ton zirka
7100 m in, an alien stark
i windgefegten Stellen, also be-
sonders den GrSten n. Gipfeln.
Pi|. Iilifl-laiar
1 194, 197, 233, ' 3, 4, 5, 6, 8,
238f..269,275, ! 9, 10, 12. 14,
288, 305, 309, 15, 16. 17, 18.
119,20.23,25,
26, 28. 31, 32
111, 12, 14, 19,
, 21. 22, 26. 28.
130.31.32,35.
36
! 318 f.
195, 239, 283 f.,
310, 318 f.
244
244, 246
|288
199
14, 19
i
Vincetoxicum officinale
Echium vulgare
Teucrium montanum
Teucrium chamsedrys ,
Stachys recta |
Satureia calamintlia
var. nepetoides
♦Satureia alpina
Satureia acinos
Thymus serpyllum
Scrophularia canina
Veronica aphylla
Veronica fruticulosa
Digitalis ambigua
Erinus alpinus
Pedicularis recutita
Pinguicula alpina
Selten anf nacktem Pels. In
vielen Exemplaren anf dem
Ganltband ob dem Valsloeh
an der Sodwestwand d«
Kaiserroekgipfels. nnd do.
anf dem Sentisgipfel. am
Weg rom Ga&lhans inm
Obvervatoriom.
36, 37
36
! 201, 202, 244 ! 6
I
An der Wart bei
ca. 2000 m
Bei tyninten allenlbalben
ansnerst haofig
, 0>llich vom Steinbrofh bei
1 Qointen bart am See
j Schneefleckprlanze
I Mwee^hniilinfj. Bisher nnr
j in Sndeipotition angetroffen.
202.244f.,266 1, 2, 3, 4, 5,
! 10, 17
201, 202, 237,
243,256f„258,
310, 318
202, 244
1, 2, 3
1,3
13, 6
L
202, 237
202
202
199, 217. 238, ! 3, 4, 5, 6, 12,
270,274f..311, 1 17, 19, 23. 28
318
237
195, 227, 238,
240, 265, 294
306, 309
1 12, 36, 37
2, 3, 18
2, 3, 11, 12,
18. SO
15, 21
' 14, 15
331
Blobularia cordWoHa
Balium mollugo
Balium mollugo var. Gerard!)
Bali urn rubrum I
Balium asperum
subsp. anisophyllum
Galium helveticum
Galium boreale
Viburnum lantana
Lonicera pericly menum
Valeriana tripteris
Valeriana montana
Valeriana saxatilis
Scabiosa columbaria
Campanula rotundifolia
Campanula pusilla
Ph.
1 194, 197, 199,
233, 237 f.,
i 243 f ., 247,
j254f., 260,
i265f., 270 f,
! 276, 288 f, 304,
| 311, 318
1, 2, 4, 5, 6,
10, 12, 14, 15,
17, 18, 20, 23,
26. 28, 32
Ostlich vom Stein-
brucbbei Quinten
202, 217, 1 2* 3
243 f., 256 f., |
265,305,31012, 3
j 6, 10, 12, 13,
. 14, 15, 20, 32.
"36
201
Einiig am tint* zvisehtn
Ka»ten und Stanbmn in |
Sfidwtexposition bet xirb i
1750mg<fudeu. I
Nnr in Nordrxposition ob den i 195, 239
Schrennen (Stntiwitade der |
tiloggeren) u.tmFlhlensw.
Ao beiden Ortcn in Maw* '.
(nnd der gelblicben Blittcr !
Wfgpn within siditbar).
8. 9, 10, 12,
13, 15, 16, 17
18,20
16
I
Adonostyles alpina u. | Anf frndrtem Ffbsrknlt. Anf 202, 204
Adenostyles albifrons Schrattenkalk namentlidi bei '
i BwduUnng. InolTea«r&id-
j expocition i. B. uf den
I Gailt am Triitei.
,6
.1,5
194, 228, 305 ! 2, 3, 4, 6, 8.
! 9, 10, 12, 13,
1 14, 15, 16, 17,
18, 20, 21, 23,
| 26, 27, 28, 30,
j 31, 32, 35, 36
1 8, 9, 16, 18
332
Bellidiastrum Michelii
Aster alpinus
Erigeron uniflorus
Erigeron alpinus
Leon topodi urn alpinum
Buphtalmum salici-
folium
Achillea atrata
Artemisia mutellina
Artemisia absinthium
Aronicum scorpioides
Carduus defloratus
Centauroa scabiosa
Leontodon incanus
Mulgedium alpinum
Lactuca muralis
Schneefleckpflanze
Hie nod da u dea GipfeJ-
wandeo der Carfirsteo, I. B.
ob der Zieregg.
Schneegeroll-
pflanze
Hiofig. aber nnr in Shdeipo-
sition. In dea Curfirsten
\m toufrr I'tunrifl) bt>
tt M Nil tt;in UmS.nl \>
bi> \m m (kiilim^dl
Karren irisehra Kins and
Thierwies.
ph.
246
243 f., 288
239
196, 199
202, 265
201
265
244 f., 265
194,238.243 f.,
266
204
bltf-tamr
9, 15
I, 20, 25, 32
4, 26, 36
6
II, 17, 18
17
13, 15, 20, 21,
36, 37. 38
113.21,36,37,
| 38
7, 16, 17, 20,
28
2, 3, 7, 17? 18
2, 4, 17
Hieracium.
(Nach gutiger Bestimmung durch Herrn Kaser, Zurich.)
H. Berardianum Arvet-Touvet. In Siidexposition : 1. Gault am
Fahlensee. 2. Ascher.
H. humile. Jacq. Schiifler, Neocomwand, Westexposition, Dorn-
better Schratten, Westexposition.
H. Abbatiscellanum Dutoit-Haller. Schratten wande ob der Sch wag-
alp. Nordwest-Exposition. Laden, Neocom, Nord-Ex-
position, 1700 m. Mar, Schratten, West-Exposition.
333
H. squalidum A.-T. ssp. pseudohumile. Zahn. Schratten wan de ob
der Schwagalp, Nordwest-Exposition.
H. squalidum A.-T. ssp. erucifolium. A.-T. Gault in Siid-Exposition
am Tristen.
H. humile Jacq. ssp. lacerum Rout. Ascher. Fiihlenschafberg,
Schratton in Siidexposition.
H. villo8um L. I. 4. ssp. villosurn L. a gon. 1. norm. b. simplicius
NP. Schratten am Fahlensee, Nord-Ex position.
H. villosiceps NP. Ohrli.
H. subspeciosum. Nageli.
ssp. dolichocephalum? N. P. Garten, Schratten, Siid-
Exposition, ferner Karrenfeld Kiihmahd.
H. bupleuroides Gniel. Am Fusso der Wart. Curfirsten in Siid-
Exposition. 2000 m.
II. 1. ssp. lteviceps 2. angustiusculum N. P. Fahlen-
schafberg, Schratten, Siid-Exposition.
Floriila*1).
1. SUdexposition bei Quinten.
Ca. 450 m. Kompakte Malm wand 70°. 27. Mai. Oa. 40 m« Flache
am Seeufer (ca. 25 m erhoht).
Potentilla caulescent* .... 15
Globularia cordifolia .... 8
Asplenum trichomanes ... 7
J) Da bei dor Aufnalime der nacbt'olgonden LiHten anch solche Spezies
Beriicksichtigung fanden, wclche an Ort und Stclle nur par distance be-
stimmt werden konnten. so dfirfm dieselben hn Geyensatze zu den rorher-
gehenden nur bedingitngsircine zur Feststellung der Verbreitung kritisrher
Arten beniltzt tcerden. Es liegt in der Natnr der Sache begrundet, dass Ver-
wechslungen zwisclien Spezkw v,iv AgrostiH rupestris und A. alpina, Silone
acaulis und 8. excapa, Salix hastata und H. Waldnteiniana, Asplenum viride
und A. trichomanes, ja nogar Petrocallis pyrenaica und Saxifraga aphylla etc.,
trotz aller Sorgfalt nicht ganz vennieden werden konnen.
1st ein Speziesnamen dureb den Drunk bervorgeboben, so bedeutet
das nur, daws ich auf das betreffende Vorkommnis aus irgond einem Grunde
(Hdhe, be Bonders charakteriBtisch) aufmerksam machen niochte.
334
Polygala cbamsebuxus ... 4
Teucrium cbamsedrys .... 2
Teucrium montanum .... 2
Aster alpinus 1
Campanula rotundifolia ... 1
Stacbys recta 1
Sesleriarasen
ein Komplex von Bromus erectus.
2. SUdexposition bei Quinten (Seerenwald).
Ca. 550 m. Neocom, Neigung 67°, 100 m* Flacbe, keine Regen-
wurniexkremente. 28. Mai.
Globularia cordifolia .
42
Einzelexemplare
Sesleria ccerulea . . .
30
,,
Leontodon incanus . .
8
j»
Erinus alpinus . . .
5
V
Asplenum trichomanes
3
V
Galium
2
11
Stupa pennata ....
2
11
Teucrium montanum .
2
11
Teucrium cbamtedrys .
2
11
Centaurea scabiosa . .
2
9
Potentilla caulescens .
2
r>
Carex buinilis ....
1
n
Veronica fruticulosa
1
?•
Amelancbier ovalis . .
1
i
Silene nutans ....
1
?i
Ferner eine Menge kleiner Rasenfleckcben von folgender
Zusammensetzung :
1 Sealeria coprulea -\- Teucrium chama?drys
1 „ + „
9
- i?
2
1
+
+ ,.
-|- Carex humilis
+ Carex bumiles
-(- Laserpitium siler
Globularia cordifolia
-|- (unkenntlich)
-f Cotoneaster vulgaris
+ Campanula pusilla
-h Teucrium cbam.
+ Campanula pusilla
+ Teucrium cbam.
335
2 Sesleria caerulea -f- Laserpitium siler
„ ,, + Galium + Dianthus inodorus
„ „ -f- Erinus alpiiius
„ „ + Coronilla emerus
Carex liumilis + Globularia cordifolia
„ „ -f- „ „ -+■ Teucrium montanum
,, ,, -f" Leontodon incanus
„ ,. -4- r .. + Centaurea scabiosa
„ ,. + Teucrium chameedrys
„ „ + Laserpitium siler -\- Hippocrepis comosa
Globularia cord. + „ „ -(- Hieracium spec.
., „ -f- Centauroa scabiosa.
3. SUdexposition bei Schrina-Hochrugg.
1400 m. Unterste Malmwiinde. 3. Juni 1902.
Potentilla caulescens, Globularia cordifolia, Sesleria coerulea,
wenige Laserpitium siler an der Wand selbst, Kernera saxatilis,
Carex humilis, Centaurea scabiosa. Polygala chamsebuxus, Primula
auricula (haufig), Sempervivum tectorum, Teucrium montanum,
Rhamnus pumila, Asplenum trichomanes und ruta inuraria, Cam-
panula pusilla, Athamanta hirsuta, Sedum album, Saxifraga aizoon.
Thymus serpyllum, Erica carnea; Erinus alpinus und Alchimilla
Hoppeana unton an den Wiinden. Arctostaphylos uva ursi, Veronica
fruticulosa, Gypsophila repens. Allium sphwrocephalum, Anthyllis
vulneraria, Hippocrepis comosa (spiirlich). Stachys recta, Silene
acanlis (noch selten), Teucrium chamrodrys, Amelanchier ovalis,
Euphorbia cyparissias, Satureia alpina, Festuca ovina, Galium
mollugo, Dianthus inodorus, Sedum dasyphyllum, .luniperus com-
munis, Helianthemum vulgare.
(Anthericus und Polygon atum im Geroll.)
4. SUdexposition der Gipfelwande der Curflrsten.
Am Fusse der AVart, ca. 2000 in, Schrattenkalk. 29. Aug.
Potentilla caulescens. Carer mucronata, Athamanta hirsuta,
Globularia cordifolia, Rhamnus pumila, Primula auricula, Kernera
saxatilis, Leontodon incanus, Erica carnea, Festuca ovina glauca,
Laserpitium siler, Erigeron unirlorus, Hippocrepis comosa, Thymus
serpyllum, Carex humilis, firma, sempervirens, Amelanchier ovalis,
Helianthemum vulgare. Gymnadenia odoratissima, Asplenum ruta
336
muraria, Saxifraga ceesia. wenige Saxifraga aizoon, Teucrium mon-
tanum, Gypsophila repens, Campanula pusilla, Sesleria co^rulea
und Euphorbia cyparissias, Senipervivum tectorum, Hieraciuin
bupleuroides, Carex tenuis.
5. SUdostexposition bei der Wasserau.
Ca. 950 m. Schrattenkalk. Ca. 80° Neigung. 14. Aug.
Stellenweise Berieselung durch Quellwasser.
Auf berieselten Stufen :
Molinia ccerulea mit Carex mucronata.
Auch an unberieselten Stellen :
Carex mucronata, Laserpitium siler, Gypsophila repens, Pri-
mula auricula, Anthericus ramosus, Sesleria coarulea, Euphorbia
cyparissias, Campanula rotundifolia, Potentilla caulescens, Dianthus
inodorus (= silvestris), Teucrium montanum, Kernera saxatilis,
Asplenum trichomanes und ruta muraria, Draba aizoidcs, Rhamnus
pumila, Saxifraga aizoon, Bupleurum ranunculoides, Campanula
persicifl. (?), Arabis hirsuta, Globularia cordifolia, Sedum album,
Thymus serpyllum und Carex humilis an der Wand recht sparlich,
d. h. nur da, wo jode Betriiufelung und daheriges Wegwaschen
obertlachlich angesammelter Humusmengen durch die kleine, oben
herabfallende und -rinnende Wasserader ausgeschlossen ist, dagegen
auf den Moosrasen des Gerolls am Fusse der Wand recht iippig.
6. Blockflora bei der Wasserau.
Ca. 900 m. Neocombergsturz. Blocke bis zu 5 m Hohe. 14. Aug.
* Sesleria coerulea, Potentilla caulescens, Globularia cordifolia,
Thymus serpyllum, Bhamnus pumila. Campanula pusilla, Polygala
chamn'buxus, Satureia alpina, Galium anisophyllum, Asplenum
trichomanes, Sedum album und atratum, Saxifraga aizoides, Aqui-
legia nrfgaris, Vincetoxicum officinale, Poa alpina, Primula auricula,
Festuca ovina, Euphrasia stricta, Scabiosa columbaria, Erigeron
alpinus, Anthyllis vulneraria, Carex mucronata, Draba aizoides,
Thosium(?), Alchiniilla lloppeami (in wassergefullten Karrenlochern),
wozu sich noch eine Anzahl Spezies der auf die Blocke uber-
greifenden Wiese gesellen.
Im Vergleich mit der Flora des Anstehenden erscheint mir
typisch das Auftreten von Alchimilla Hoppeana und das Fehlen
von Molinia, Anthericus und Laserpitium siler.
337
Das Tal Wasserauen-Seealpsee.
14. August. Ca. 1100 m.
7. Siidexposition: 8. Nordexposition:
Neocom und Schrattenkalk: Schrattenkalk:
Florula von Nr. 5.
Dazu:
Hippocrepis comosa
Centaurea scabiosa
Seduni dasyphyiluin
Sorb us aria
Amelanchier ovalis
Origanum vulgare
Carduus defloratus
Polygonatum multiflorum
Calamagrostis varia.
An senkrechten Partien beinahe
nur:
Potentilla caulescens und
Carex mucronata.
Keine
Carex firma
Carex sempervirens und
Carex ferruginea.
Carex firma | in dichten
Carex sempervirens w^Xn^n
Carex ferruginea J 75°Neigung!
Adenostyles alpina
Tofieldia calyculata
Alchimilla Hoppeana(anstehend)
Laserpitium lati folium
Campanula pusilla
Saxifraga cresia
Saxifraga aizoides
Saxifraga aizoon
Hieracium amplexicaule
Hieracium bupleuroides
Asplenum trichomanes
Aspidium Robertianum
Sesleria coerulea (oft nirht frnktifixierend)
Kern era saxatilis
Primula auricula
Calamagrostis varia
Valeriana montana
Salix grandifolia
9. Nordexposition am Unterstrich.
Ca. 1400 m. Schrattenkalk (teilweise bespriiht). 11. Sept. 1902.
Campanula pusilla, Saxifraga oppositifolia, aizoides und aizoon,
Heliosperma quadrifidum , Valeriana montana, Carex ferruginea
(sempervirens?) und firma, Asplenum trichomanes, Rhododendron
hirsutum, Alchimilla Hoppeana, Primula auricula, Hedysarum
obscurum, Siiene acaulis, (Parnassia palustris), Adenostyles, Poten-
tilla caulescens, Athamanta hirsuta, Gypsophila repens, Festuca
ovina, Bellidiastrum Michelii, Rhamnus pumila.
10. SUdwestexposition bei Wesen (Ebenalp).
Ca. 1650 m. Schrattenwand. Neigung 75° und dariiber.
Lawinengefahr. 17. August 1902.
Potentilla caulescens, Sesleria coerulea, Globularia cordifolia,
Carex mucronata, Primula auricula, Teucriuin montanum, Rhamnus
7JL
338
pumila, A th am ant a hirsuta, Heliantheinum vulgare, Gypsophila
repens, Galium anisophyllum, Agrostis rupestris, Asplenum tricho-
manes und Asplenum ruta muraria, Erica carnea, Saxifraga csesia.
Festuca ovina und pumila, Sedum atratum, Polygala cham&buxus,
Daphne Mezereum, Hieracium humile. Saxifraga moschata, Poa
nemoralis oder Festuca pulchella? Carex firma und senipervirens.
Draba aizoides, Kernera saxatilis, Campanula pusilla, Laserpitium
siler vereinzelt im Sesleriarasen, ferner nicht bliihende Valeriana
montana.
11. SUdwestexposition bei der Altenalp.
Neocom. Im iibrigen obige Verhaltnisse. 16. August 1902.
Flora: Obige ohne Erica carnea und Hieracium humile.
Dazu: Androsace helvetica, Hieracium villosum, Gyranadenia
odoratissima, Leontopodium alpinum. Dianthus inodorus, Biscutella
laevigata, ferner Silene acaulis, llanunculus alpestris und Arabis
hirsuta. Erinus unten an den Wanden.
12. Ost- und Westexposition am Steckenberg.
Ca. 1740 in. Schrattenkalk. 11. September 1902.
Sowobl in Ost- als in Westexposition :
Potentilla caulescens, Primula auricula, Valeriana montana,
Athamanta hirsuta, Festuca pumila, Kernera saxatilis, Carex firma.
Campanula pusilla, Gypsophila repens, Galium silvestre, Carex
mucronata, Androsace helvetica, Silene acaulis, Sesleria co?ruloa.
Nur in Ostexposition : In Westexposition viel haufiger
Rhododendron hirsutum
und oine Erica carnea
Ostexposition :
Arabis alpina
als in Ostexposition:
Androsace helvetica
Gypsophila repens
Nur in Westexposition?
Agrostis rupestris
Globularia cordifolia
Erinus aljnnus
Am Fusse der Wiinde bei :
Westexposition :
Ausser vielen kleinen Athamanta hirsuta:
Erinus, Alchimilla Hoppeana, Gypsophila.
Veronica aphylla, Thymus serpyllum, wenige
Festuca pumila, Agrostis rup., Carex firma,
Silene excapa, Globularia, Saxifraga aizoon.
339
13. Nordostexposition beim Garten.
Ca. 1730 m. Trockene Schrattenwand. 17. August 1902.
Heliosperma quadrifidum, Asplenum trichomanes, Viola biflora,
Ranunculus alpestris, Saxifraga steilaris, Poa alpina, Valeriana
montana, Saxifraga rotundifolia, aizoides und moschata, Campanula
pusilla, Festuca puinila, Hieracium amplexicaule, Achillea atrata,
Galium silvestre=anisophylium, Aronicum scorpioides, J uncus tri-
iidus, Salix retusa, Rhododendron liirsutum, Hutchinsia alpina,
Silene excapa, Alohimilla Hoppoana, eine Athamanta hirsuta, wenige
Sesleria cu»rulea.
14. Nordexposition der Lohbetter.
Ca. 1500 m. Schrattenkalk. 20. Sept. 1902.
Carex firma, sempervirens und ferruginea, Silene acaulis. Pri-
mula auricula, Campanula pusilla, Rhododendron hirsutum, Helio-
sperma quadrifidum, Galium anisophyllum ?, Agrostis rupestris,
Saxifraga aizoon, wo quellig aizoides und ciesia, Salix hastata?,
caprea und retusa, Alchimilla Hopjieana, Pinguicula alpina, Ranun-
culus alpestris, Cystopteris fragilis, Gentiana vulgaris, Sesleria
co?rulea, wenige Festuca purnila und Gypsophila repens, ferner
Athamanta hirsuta, Dryas octopetala.
Bei Nordwentej-position dazu :
Globularia cordifolia, Potent Ma vmdesccn*. Erica carnea, Kernera
saxatilis, Polygala chaimebuxus, weiter ol)en Androsace helvetica.
15. Nordexposition oberhalb der Schwagalp.
Ca. 1650 m. Schrattenkalk, zum Toil So.hneerleok. Neigung ca. 75°.
4. September 1902.
Athamanta hirsuta. Campanula pusilla, Heliosperma quadri-
fidum, Carex firma. Gypsophila repens, Asplenum ruta muraria
und trichomanes, Rhododendron hirsutum, Arabis alpina und hir-
suta, Kernera saxatilis, Cystopteris fragilis, Ranunculus alpestris,
Achillea atrata, Hutchinsia alpina, Pinguicula alpina, Agrostis
rupestris, Dryas octopetala, Salix reticulata, Sesleria ccerulea,
Mo.»hringia muscosa, Saxifraga oppositifolia, aizoon, moschata, caesia,
stellaris, rotundifolia. Alohimilla Hoppeana, Hedysarum obscurum,
Anemone nareissiflora, Viola biflora. Polygonum viviparum, Salix
retusa, Poa alpina, Hieracium squalidum (A.-T.) und Abbatiscel-
lanum (Dutoit-Haller), (Nordwestexposition), ferner wenige Exem-
plare von Carex ferruginea, Allium schoenoprasum, Bellidiastrum
340
Michelii, Silene acaulis, Primula auricula, Carex senipervirens,
nicht bluhende Valeriana montana, Pedicularis spec, Alsine verna.
Auf Neocom tritt Carex firma zuriick, dafur mehr Salix retusa
und Saxifraga oppositifolia und Festuca pumila (neu).
In Westexposition stellen sich ein: Potentilla caulescens,
Festuca pumila, Galium anisophyllum, Globularia cordifolia und
Rhamnus pumila, sowie ol)ige Hieracien.
16. Nord- und SUdexposition beim Fahlensee.
Siidexposition siehe Nr. 17 und 18.
Nordexposition, ca. 1600 m. Schrattenkalk, verschiedene Neigung.
25. September 1902.
Carex firma
Carex sempervirens
Carex ferruginea
Primula auricula
Saxifraga csesia
Gypsophila repens
Athamanta hirsuta
Sesleria coerulea
Silene excapa (wenig)
Carduus defloratus
Hedysarum obscurum
Rhododendron hirsutum
Campanula pusilla
Ranunculus alpestris
Agrostis rupe stria
Valeriana saxatUis
Valeriana montana
Adenostyles
Alcbimilla Hoppeana
Meum mutellina
Saxifraga aizoides
Heliosperma quadrifidum
Arab is alpina
Gault und Schrattenkalk beim Fahlensee.
Ca. 1500 hi. Siidexposition. 80° Neigung. 25. Sept. 1902.
17. Schrattenkalk (plattig).
Athamanta hirsuta
Carex mucronata (copiose)
Potentilla caulescens
Primula auricula
Globularia cordifolia
Gypsophila repens
Festuca ovina capillata (copiose)
Festuca pumila
Campanula rapunculus?
Leontopodium alpinum
Hieracium bupleuroides
Hieracium villosum
Hieracium Abbatiscellanum
Dutoit-Haller
Kern era saxatilis
Molinia coerulea
Carex firma (wenig)
Laserpitium siler (wenig)
Sesleria coerulea (wenig)
Carex sempervirens
Centaurea scabiosa
Rhamnus pumila
Leon tod on in can us
Euphorbia cyparissias
341
Dianthus inodorus (copiose) Campanula pusilla \ utci u
Saxifraga ctesia Alchemilla Hoppeana J far WuJ
Saxifraga aizoon Thymus serpyllum
Dazu an einer brockigen Stelle des Schrattenkalkes :
Erica camea
Buphthalmum salici folium
Teucrium montanum
Valeriana montana
Sedum dasyphyllum
Sedum atratum
Carduus defloratus
Anderwarts noch:
Sedum album
Senipervivum tectorum
Calamagrostis varia
Carlina acaulis
Athamanta hirsuta
Carex mucronata fehlt
Potentilla caulescens
Primula auricula
Globularia cordifolia
Anthericus ramosus
Festuca pumila
Festuca ovina glauca (copiose)
Dianthus inodorus (sparse)
Rhamnus pumila
Laserpitium siler
Centaurea scabiosa
Digitalis ambigua
Sesleria c<r*rulea
Sedum dasyphyllum
Sedum album
Kernera saxatilis
18. Gault:
Euphorbia cyparissias
Anemone narcissitiora
Leontopodium alpinum
Draba aizoides
Adenostyles spec.
Poa nemoralis
Saxifraga aizoon
Valeriana montana
Veronica fruticulosa
Erigeron spec
Cerastium alpinum, lanatum
Erinus alpinus
Campanula pusilla
Mxnhringia muscosa
Alchimilla Hoppeana
Hieracium Berardianum A. T,
unten
an der
Wand
19. SUdexposition beim Fahlenschafberg (Lochlibetter).
Ca. 2100 m. Schrattenkalk (splitterig). 26. August 1902.
Saxifraga caesia, Androsace helvetica, Athamanta hirsuta,
Helianthemum alpestre, Astragalus alpinus, Gypsophila repens,
Festuca pumila und rupicaprina, Carex tirma, Anthyllis vulneraria,
Petrocallis pyretiaica. Primula auricula, Gentiana acaulis, TJiymus
serpyllum, Alsine verna und scdoides, wenige Sesleria c<erulea und
Carex sompervirens.
20. Ca. 2000 m. Kompakte Schrattenwand: ca. 75°.
Unten: Erinus alpinus und Alchimilla Hoppeana; sonst:
Olobularia cordifolia, Carex mucronata, Rhamnus pumila, Athamanta
342
hirsuta, Sesleria coerulea, Carex firma, Galium anisophyllum, Carex
seinpervirens, Kernera saxatilis, Aster alpinus, Campanula pusilla,
Saxifraga moschata, Valeriana montana, Sedum atratum, Daphne
mezereum, Asplenum ruta muraria, Primula auricula, Agrostis
alpina, Carduus defloratus, Hieracium.
Wenige Festuca pumila. In einer Schrunde Arabis alpina,
Achillea atrata, Ranunculus alpestris und Viola biflora.
Nordexposition bei den Lochlibetten.
21. Ca. 2000 in. Neocom. 26. August 1902.
Saxifraga moschata, oppositifolia, aizoides, aphylla und aizoon.
Androsace helvetica (oben an den Wanden), Silene excapa, Alsine
verna und sedoides, Campanula pusilla, Poa alpina, Lloydia sero-
tina, Achillea atrata, Cystopteris fragilis, Sesleria coerulea, Pedi-
cularis spec, Hedysarum obscurum, Festuca pumila und rupi-
caprina, Polygonum viviparum, Salix retusa, Ranunculns alpestris,
Taraxacum officinale, Ligusticum mutellina, Hutchinsia alpina,
Aronicum scorpioides, Arabis alpina, Veronica alpina?'?
Ranunculus montanus haufig im Schutt, aber nie am Felsen
selbst.
22. Ca. 2100. m. Schrattenkalk.
Saxifraga moschata, ciesia, oppositifolia, aphylla, aizoides und
aizoon. Heliosperma qiiadrifidum, Draba tomentosa, Carex firma,
Festuca rupicaprina, Dry as octopetala, Salix retusa, unten Lloydia
serotina. oben Androsace helvetica.
Nord- und SUdexposition
Ca. 1950 m. Schrattenkalk.
23. SUdexposition:
Gypsophila repens
Athamnnta hirsuta
Thymus serpyllnm
Globularia cordifolia
Carex ferruginea
Primula auricula
Saxifraga aizoon
Helianthemum alpestre
Campanula pusilla
Festuca pumila
Sesleria ca»rulea
Saxifraga ceesia
der Rossmahd.
23. September 1902.
24. Nordexposition:
Carex firma
Salix retusa
Dryas octopetala
, Lloydia serotina
Polygonum viviparum
Rhododendron hirsutum
Silene excapa
Saxifraga oppositifolia
Saxifraga ceesia
Festuca pumila
843
26. Grat (auf der Stidseite):
Carex firma Primula auricula
Sesleria ccerulea Silene excapa
Festuca pumila Alsine sedoides
Helianthemum alpestre Aster alpinus?
Nord- und SUdexposition der Lftden.
Ca. 1850 m. Neocom. 10. September 1902.
26. Sud wand, ca. 80° gestuft. 27. Nord wand, ca. 50° plattig.
Carex mucronata
Athamaiita hirsuta (viel)
Sesleria coerulea
Globularia cordifolia
Rbamnus pumila
Festuca ovina
Gypsophila repens (wenig)
Draba aizoides (wenig)
Antbyllis vulneraria
Helianthemum alpestre
Potentilla caulescens
Primula auricula
Festuca pumila
Asplenum ruta muraria
Festuca rubra faliax
Erigeron uniflorusV
Campanula pusilla
Saxifraga aizoon
ben am Grat
Androsace helvetica
i der Wiese wenige kleine
Silene excapa.
Carex firma
Silene excapa
JJryas octopetala
Saxifraga caesia
Salix reticulata (wenig)
Lloydia serotina (wenig)
Campanula pusilla
Polygonum viviparum
Saxifraga moschata
Festuca pumila
Alsine verna
Athamanta hirsuta
Saxifraga aizoides (wenig)
Pedicularis?
Rhododendron hirsutum
Winzige Bliittcben von
Ranunculus alpestris.
Nord- und SUdexposition am Ohrligipfel.
a. 2100 m. Gestufte Schrattenwand. Neigung 50°, mit winter-
licher Schneebedeckung. 21. Sept. 1902.
28. Sudox posit ion.
Globularia cordifolia l), Thymus serpyllum, Gypsophila repens,
thamanta hirsuta (ganz kleine Exemplare), Alchimilla Hoppeana,
helianthemum alpestre, Carduus defloratus, 1 Primula auricula*
') Von Bchwarzgriiner Farbe.
344
Hieracium spec, Rhamnus pumila, Saxifraga aizoon und moschata,
Silene acaulis, Oarex firma und sempervirens, Sedum atratum.
Campanula pusilla, wenige Festuca pumila.
29. Nordexposition.
ca. 2200 m. Glatte, plattige Schrattenwande, windgefegt.
Nur Androsace helvetica, Festuca pumila, Carex firma und
Salix retusa.
30. Zacken bei der Thierwies.
Ca. 2100 m. Schrattenkalkklippe. 4. Sept, 1902.
Dberall wo der Humus weggeblasen werden kann :
Androsace helvetica, Festuca rupricaprina, wenige Festuca
pumila und Saxifraga oppositifolia.
Wo der Humus liegen bleiben kann:
Moos mit Saxifraga oppositifolia, moschata, ctesia, aizoon,
Festuca pumila, Campanula pusilla, Dry as octopetala, sogar Hut-
chinsia alpina und Saxifraga aphylla.
31. Gipfelflora des Altmann.
2438 m. Schrattenkalkklippe. 23. August 1902.
Auf der Gipfelflache :
Festuca pumila, Saxifraga moschata, aizoon, ceesia und aphylla,
Androsace helvetica, Carex firma, Salix retusa, Silene excapa (wo
viel Humus), Poa alpina, Polygonum viviparum, Petrocailis pyre-
naica, Alsine verna, Helianthemum alpestre.
Die moosfreie Siid- und Westseite mit sehr viel
Festuca pumila.
An der moosreichen Nordwand fehlt Festuca pumila etwas
unterhalb des Gipfels ganz.
Am Siidostabfall (gegen das Schaffhauserkamin) :
Hutchinsia alpina, Campanula pusilla, Saxifraga oppositifolia
und Rudimente von Primula auricula.
32. Gipfelflora der Freiheit.
2142 m. Schrattenkalk. 24. August 1902.
An der Siid wand und auf der Gipfelflache:
Sesleria coerulea, Festuca pumila, Carex firma, Primula auri-
cula, Salix retusa, Juniperus communis, Androsace helvetica, Erica
carnea, Globularia cordifolia, Daphne mezereum, Rhododendron
345
hirsutum, einzelne Dryas octopetala und Silene excapa, Saxifraga
aizoon, Polygonum viviparum, Campanula pusilla, Galium aniso-
phyllum, Aster alpinus und Agrostis rupeatris?
Im Carex sempervirena-Raaen der Gipfelfliiche dazu:
Parnassia palustria, Gypsophila repens, Featuca rubra, fallax,
Azalea procumbens, Campanula Scheuchzeri, Globularia nudicaulis.
Gegen Norden :
Viel mehr Silene excapa, Dryasteppiche, Saxifraga c^sia,
Pedicularis verticillata, viel weniger Festuca pumila ala auf der
Sudaeite; sodann Saxifraga oppositifolia und aphylla, Arabia hir-
auta, Hutchinsia alpina, Alsine sedoides.
33. Gipfelflora des Hundstein.
2159 in. Schrattenkalk. 24. August 1902.
Ebenfalls an der Sudwand massenhaft Festuca pumila, die
an der Nordwand beinalie vollig fehlt.
34. Nordwand des Hundsteingipfels.
Schratten. 24. August 1902.
Von 2159 m an abwarts bis zum Kamin (2000 m):
Festuca rupicaprina, Poa alpina. Sesleria cuurulea. Carex firm a,
Arabia alpina, Salis retusa und reticulata, Alaine verna, Polygonum
viviparum, nicht bliihende Foatuca pumila, Saxifraga moschata,
aphylla, aizoides, ciesia und oppositifolia, Hutchinsia, Ranunculus
alpestris, Draba tomentosa, Heliosperma quadrifidu-m.
35. Gipfelflora des Ohrli.
Ca. 2203 m. Schmale Schrattenklippe. 21. September 1902.
Typische Gipfelbeschaffenheit : Scheinbar ist der Fels nur mit
ausgewaschenen, gebleichten Steinsplittern bedeckt. wahrend sicb
tatsachlich unter denselben, in den kleinen Furchen dea Felsens
achone braune Erde in Menge findet (in mebr als Dezimeter tiefer
Lage), Regenwiirmer scbeinen zu feblen.
Auf den aus den Splittern sicb erhebenden Felskanten :
Androsace helvetica.
Auf Stellen. wo der Scbnee sicb wahrscheinlich halten kann:
Festuca pumila, Carex firma, Salix retusa, eine kriippelhafte
Athamanta hirsnta, Gypsophila repens mit roten Bliittcben, Saxifraga
ceesia, in einem Winkel auch Saxifraga aizoon und Hedysarum
346
obscurum; Campanula pusilla, Draba tomentosa, Festuca rupicaprina,
Petrocallis pyrenaica.1)
36. Gipfelflora des Sentis.
2504 m. Seewerkalkgewolbe. 12. September 1902.
Westliche Abdachung.
Auf vorspringenden Rippen beinabe nur:
Festuca pumila, Androsace helvetica, Saxifraga oppositifolia
und kleine Blattchen von Campanula pusilla, Draba tomentosa.
Im iibrigen in den kleinen Mulden und auf Flatten sofort
BasenH)Udvng von Sileno exeapa, Salix herbacea, Saxifraga aizoon.
Draba aizoides, Festuca pumila und wenigen Festuca rupicaprina.
Darin eingestreut und auch einzeln Saxifraga moschata, Gentiana
brachypbylla. Taraxacum officinale, viel Androsace cham*ejasme,
Carex nigra, Sesleria ccerulea, Erigeron uniflorus. Saxifraga andro-
sacea. eine kleine Carex firma, Galium anisopbyllum. Pedicularis?
Arabis alpina. Poa minor. Blattchen von Ranunculus alpestris.
Auf dem grobsplitterigen Scbutte inieht Geroll):
Aronicum scorpioides und Thlaspi rotundi folium, welch letztere
aber dem feinen, humusdurchsetzten Schutte vollig fehlt. Cirsium
spinosissimum, Achillea atrata.
Nordliche Abdachung. (Die Spezies, die der Siidexposition feblen.
sind durch ein N gekonnzeichnet).
Viele Hutchinsia alpina -Exemplare (an der Sudabdachung
beinahe ganz fehiend). aber meist nur auf nacktem Fels und den
kleinen Raschen fehiend. Poa alpina. Ranunculus alpestris, Silene
acaulis, Lloydia serotiua N. Arabis hirsuta, Gentiana brachypbylla,
Saxifraga oppositifolia. androsacea und aphylla N, Salix retusa
und herbacoa. Alsine verna. Veronica aphylla. Phleum alpinum.
Polygonum viviparum N, Festuca (rubra??), keine Dryas. (Ini
Geroll Cerastium spec.)
Die siidliche Abdachung in ihrer Artenliste abnlich wie die
westliche, aber mit viel mehr Rasen, der z. B. Gentiana teneHa,
Farnassia palustris. Salix herbacea und Festuca (violacea???)
enthiilt.
*) Eino uuziiv^rliisHige Angabe. An Ort und Stelle notierte ich Saxi-
fraga aphylla, da ich in jenor Zeit nnr nolche und keiue Petrocallis gesehen.
Naohher ainlenvartH gefundene Petrocallisexeniplare veranlat*sten mich znr
Korrvktur. sowohl wegen dea Aunnehens jenor Ohrlipflanzen, als auch wegen
des fiir Sax. aphylla ganzlich ungeuohnten Standortea.
347
37. Die Schneemulde : der grosse Schnee.
Unteres Ende ca. 2100—2200 m. Seewer- und Schrattenkalk.
6. September 1902.
Dem Schnee zun achat: Hutchinsia alpina und Arabis ccerulea.
Dann : Saxifraga oppositifolia, moschata und androsacea. Rumex
nivalis, Arabis alpina, Alsine verna, Poa minor, Silene excapa, alle
auf Kies oder Fels. In humusrcichen Lochern Saxifraga stellaris.
An leicht erhohten Stellen : Festuca pumila und Silene excapa-
rasen, Carex nigra, Poa minor, Rumex nivalis, Salix retusa, Saxi-
fraga moschata und aphylla, Poa alpina, Gentiana brachyphylla,
Polygonum viviparum, Sedum atratum, wenige Achillea atrata,
Arabis hirsuta und Veronica aphylla.
ImGeroll: Thlaspi rotundifolium, Aronicum scorpioides und
ganz wenige Sesleria cwrulea.
38. Schneemulde am Altmann.
Ca. 2200 m. Sudostexposition. 23. August 1902.
Auf dem Gault, der Muldensohle. Sudostexposition.
Aronicum scorpioides, Saxifraga stellaris, Hutchinsia alpina,
Poa alpina (V), Achillea atrata, Polygonum viviparum, Saxifraga
aizoides und androsacea, nicht bliihende Ranunculus alpestris.
Auf dem Seewerkalk, Rand der Mulde, Nordostexposition.
Festuca pumila, Lloydia serotina, Saxifraga moschata, oppositi-
folia, androsacea, aphylla, Poa alpina, Polygonum viviparum,
Sesleria coerulea, Aronicum scorpioides, Silene excapa, Rumex
nivalis, Ranunculus alpestris.
Auf Schrattenkalk. Ca. 80°. Nordexposition, nahe dem Schnee.
Hutchinsia alpina, Saxifraga stellaris, moschata, oppositifolia
und aphylla, Poa alpina und minor.
348
Hilfstabelle fur das Aufsuchen der Ortsnamen.
Zur leichteren Orientierung iiber die ira Texte verwendeten
Ortsnamen wird in der folgenden Tabelle in alphabetiscber An-
ordnung die Lage derselben in bezug auf andere. als bekannt
vorausgesetzte Orte bostimmt. Als bekannt vorausgesetzt wird
die Lage der Sentisspitze, des See alp- und Fablensees.
der Curfirsten: Kaserrugg, Hinterrugg, Scheiben-
stoll, Zustoll, Brisi, Friimsel, Selun, und des Leist-
kamrns.
Namen, die in den Siegfriedkarten (1 : 25,000) nicht enthalten
sind, tragen ein Sternchen (*).
Luftdi statu
Achselkamm* SW Leistkamm 1000 m
Ascber siebe Escher
Altenalp WNW Seealpsee 500 m
Altmann, Scbrattenkalkklippe SO des Sentis 2500 m
Betlis, Dorfchen am Walensee zwiscben Quinten u. Weesen
Berenbach, Wasserfall bei Betlis
Blauscbnee NO des Sentis (Gletscbercben) 100 m
Bogarten, Gratliicke SSO des Seealpsees 1500 m
Dorn better*, Sclirattenklippen am Nordabfall des Sentis,
neben den Lobbctten. NNW des Seealpsees 1250 m
Ebenalp NNO des Seealpsees 1500 m
Escber, Schrattenwande. NNO des Seealpsees 1500 m
Fahlenschafberg. Scbrattenklippo, WSW des Fahlensees 1500 in
Freiheit. Schrattenkalkturm W des Fablensees 1000 m
Garten. Kessel N des Seealpsees 1000 m
Glattwand S Brisi Seeufer
Gloggeren, Alp ob den Scbrennen SO des Seealpsees 500 m
Grossscbnee, Scbnee- und Karrenfeld SO des Sentis 150 m
Hocbniedere, breite Gratliicke NO des Sentis 1500 in
Hober Kasten, Kopf ONO des Seealpsees 6000 m
do. Kasten
Hundstein. Sclirattenkalkturm NW des Fablensees 500 m
Klus. hier: die Alp SSW des Sentis 1750 m
Kuhinahd, Grasband und Weg (Megglis-Sentis) O Sentis 1000 m
Laden, Xeocomklippe NW des Seealpsees 1000 ra
349
Lohbetter, Schrattenwande des Nordabfalls des Sentis
N des Seealpsees
Mar, Circus 0 des Seealpsees
Megglis(alp) SW des Seealpsees
Obersass (Tschingeln) S Friimsel
Ohrii, Schrattenklippe NNO des Sentis
Quinten, Dorfchen am Walenseeufer S Leistkamm
Raticon, Kette im Kan ton Graubiinden.
Rossegg, Karrenfelder NNO des Sentis
Rossmahd, Grasband ob der Kuhmahd O Sentis
Schafler, Gipfel NW des Seealpsees
Schniire*, Kamin an der Nord wand des Sentis NNO der
Sentisspitze
Schrandenberg *, Uferwande 0 Quinten
Schrina-Hochrugg, Heuberge S Friimsel
Schrennen, Grasband und Weg Megglis-Wasserau
SO des Seealpsees
Schwagalp NW der Sentisspitze
Sitzstein*, Stufen und Tritteisen an den Malmwanden
S Brisi
Stauberen, Grat NNO des Fahlensees
Steckenberg, Schrattenklippe W Seealpsee
Steinbruch, Uferwande 0 Quinten
Tierwies, Schnee- und Karrenfeld SW des Sentis
Turme, Schrattenklippen WNW des Seealpsees
Tristen(kolben), Kopf SO der Kaserruggs
Tschingeln, Obersass S Scheibenstoll
Unterstrich*, Weg an den Wanden S des Seealpsees
(nach Megglis)
Vals (Valserloch), Kamin S des Kaserruggs
Wart, Gaultgipfei WSW des Seluns
Wasserau, Ende der Alluvionsebene NO des Seealpsees
Wesen (nicht Dorf Weesen) Alp N Seealpsee
Wildseeli WSW des Fahlensees
Zieregg, vorspringende Wandkante S des Hinterruggs
Luft-disUnx
1500
m
1250
m
500
m
2250
m
1000
m
1500
m
1000
m
1000
m
500
m
1000
m
250
m
1250
m
750
m
3000
m
500
m
250
m
1000
m
1250
m
1500
m
300
m
150
m
500
m
750
m
2500
m
500
m
2250
m
500
m
350
Literatur - Verzeichnis.
Altenkirch, G. Studium iiber die Yerdunstungsschutzeinrichtungen
in der trockenen Gerollflora Sachsens.
Englers Botanische Jahrbucher Bd. 18. 1894.
Baumgartner, G. Das Curfirstengebiet in seiuen pflanzengeu-
graphischen und wirtschaftlichen Verhaltnissen.
St.Gallen, Jahrbuch der Naturw. Ges. 1899,1900.
Beitrage zur geologischen Karte der Schweiz. Lief. 14. III.
Bern 1881.
Bretscher, K. Die Oligochaeten von Zurich.
Revue Suisse de Zoologie. I. III. fasc. 4. 1896.
Christ, H. Das Ptlanzerileben der Schweiz. Zurich 1879.
Correvon, H. Les plantes alpines et de rocailles. Paris 1895.
Crepin, M. Quelques reflexions sur les travaux de statistique
vegetale.
Bull. d. 1. Soc. roy. de botaniquo de Belgique 1885 t.2).
Darwin, Charles. Die Bildung der Ackererde durch die Tatigkeit
der "VViirmer. Gesammelte Werke. Stuttgart 1882.
Djeinil, Mehmed. Untersuchungen iiber den Einnuss der Regen-
wiirrner auf die Entwicklung der Pflanzen.
Halle a. S. 1896.
Drude, O. Dcutschlands Pflanzengeographie. Stuttgart 1896.
— Uber die Prinzipien in der Unterscheidung von Vegetations-
formen, erlautert an der zentraleuropaischen Flora.
Bot. Jahrbuch von Engler. 1890. Bd. 11.
Drude, O. Uber ein gemischtes Auftreten von Haiden- und Wiesen-
vegetation. Flora 1896.
Engler, A. Die PHanzenformationen und die pflanzengeographiscbe
Gliederung dt*r Alpenkette. Leipzig 1901.
Goebel, li. tJber Studium und Auffassung der Anpassungserschci-
nungen bei Pilanzen. Munchen 1898.
Gradmann 11. Das Pflanzenleben der schwabischen Alb.
Tubingen 1900.
Gracbner. (Siehe Warming.'!
Gremblich, J. Pflanzenverhiiltnisse der Gerolle in den nordlichen
Kalkalpen. Ber. d. bot. Ver. Landshut 1874/75.
351
remli, E. Exkursionsflora der Schweiz. 7. Aufl., Aarau 1893.
aberlandt, G. Physiologische Pflanzenanatomie.
2. Aufl., Leipzig 1896.
eer, 0. Beitrage zur Pflanzengeographie. Froebels und Heers
Mitteilungen ans deni Gebiete der theoretischen Erdkunde.
I. 3. Zurich 1835.
iccard. P. I. Etude comparative de la distribution florale dans
une portion des Alpes et du Jura.
Bull. d. 1. soc. vaudoise des sc. nat. Vol. XXXVII.
Lausanne 1901.
— II. Gesetze der Pflanzenverteilung in der alpinen Region.
(Flora 1902). Manuskript. Beniit-zt als handschriftliche
tlbersetzung von Prof. Dr. P. Vogler.
jngner, J. R. Klima und Blatt in der Regio alpina. (Flora 1894.)
ast's Botaniscber Jabresbericht 1873 — 1899 V. Leipzig,
eller, R. Vegetationsbilder aus deni Val Blenio.
Mitteil. der Naturw. Ges. in "Winterthur. IV. Heft. 1902.
erner, A., von Marilaun. I. Pflanzenleben.
2. Aufl. Leipzig und "Wien 1896.
— II. Pflanzenleben der Donaulander. Innsbruck 1863.
idforss, B. Zur Physiologie und Biologie der wintergrunen Flora.
Bot. Zentralblatt 1896. Bd. 68.
ayer, A. Lebrbuch der Agrikulturchemie. Heidelberg 1901.
ichaelsen, W. Oligochreta in : Das Tierreich. Berlin 1900.
untz, M. A. Sur la dissemination du ferment nitrique et sur
son rdle dans la desagr6gation des rocbes.
Ann. d. chimie et de physique, 6me serie T XI. 1887.
>himper, A. T. W. Pflanzengeographie auf physiologischer Grund-
lage. ' Jena 1898.
!hinz und Keller. Flora der Schweiz. Zurich 1900.
shlattcr, Th. t}ber die Verbreitung der Alpenflora mit spezieller
Beriicksichtigung tier Kantone St. Gallon und Appenzell.
Jabresbericht der Naturwiss. Ges. St. Gallon 1872/73.
ihroter, G. I. Das St. Antoniertal iin Priittigau in seinen wirt-
schaftlichen und pflanzengeographischen Verhjiltnissen.
Landwirtsch. Jahrbuch. IX.
— H. Die Alpenflora.
— III. Le climat des Alpes, et son influence sur la flore alpine.
72. Session de la soc. Helvetique des sciences nat.
Geneve 1889.
ihroter, L. und C. Tascbenflora des A lpen wanderers.
Zurich 1900.
352
Stahl, E. Der Sinn der Mycorhizenbildung.
Jahrbuch f. wiss. Bot. XXXIV. 4. Leipzig 1900.
Stebler und Schroter. Die Alpenfutterptianzen. Bern 1899.
— Beitrage zur Kenntnis der Matten und Weiden der Schweiz.
Landwirtschaftl. Jahrbuch III.
Stenstrom, R. O. E. tFber das Vorkommen derselben Arten in ver-
schiedenen Klimaten, mit besonderer Beriicksichtigung der
xerophil ausgebildeten Pflanzen.
Flora 1895. Heft 1 u. 2. Marburg.
Thurmann, Jules. Essai de Phytostatique. Bern 1849.
Vallot, J. Recherches physico-chimiques sur la terre vegetale.
Paris 1883.
Vogler, P. Beobachtungen uber die Bodenstetigkeit der Arten ini
Gebiete des Albulapasses.
Bericht d. schweiz. bot. Ges. Bern 1901.
— Die Bodenstetigkeit der Pflanzen mit spezieller Beruck-
sichtigung der Kalk- und Kieselpflanzen. Manuskript, Diplom-
arbeit. Zurich 1898.
— t)ber die Verbreitungsmittel der schweizerischen Alpen-
pllanzen. Miinchen 1901.
Volkens, G. Beziehungen zwischen Standort und anatomischem
Bau der Vegetation sorgane.
Jahrbuch d. k. bot. Gartens zu Berlin III. 1884.
Warming, Eug. Lehrbuch der okologischen Pflanzengeographie.
II. Aufl. von A. Graebner, Berlin 1902.
Wartmann, B. und Schlatter, Th. Kritische "Cbersicht uber die
Gefasspflanzen der Kan tone St. Gallen und Appenzell.
St.Gallen 1881.
4
~1
IX.
Das Relief.
Vortrag, gehalten bei Gelegenheit der Gbergabe des
S&ntisreliefs in i : 5000 an das Naturhistorische Museum
am 8.Januar 1904 in SiQallen
von
Dr. Alb. Heim, Prof.
Als Agidius Tschudi 1506, und spater noch 1713, als
Joh. Jak. Scheuchzer ihre Schweizerkarten zeichneten, da
bereiteten ihnen die Berge viele Verlegenheiten. Sie fanden
keine andere Darstellungsart, als so, dass sie sich den
Aufriss des Berges in die Kartenebene hinuntergeklappt
dachten, wodurch die Bergketten im Bilde in Reihen von
Maulwurfshaufen zerfielen. Von 1766 bis 1780 arbeitete
in Luzern Oberst Pfyffer. Soviel man weiss, ist er der
erste, der das Gebirgsrelief gemacht hat. Ich zweifle
nicht daran, dass das Prinzip der Darstellung der Erd-
oberflache in plastischem Bilde mehrmals und unabhangig
an verschiedenen Orten erfunden worden ist, aber die
erste erfolgreiche Tat, die wir kennen, ist diejenige von
Oberst Pfyffer. Im Gletschergarten von Luzern wird sein
klassisches Werk gezeigt, das noch ohne jede feinere
topographische Vermessung mit einfachen Visierscheiben
konstruiert und direkt nach der Naturanschauung mo-
delliert ist.
Als der gemeinntitzige sogenannte „Vateru Rudolf
Meyer von Aarau (1739-1813) das Pfyffer'sche Relief
354
sah, da empfand er lebhafl, dass es leichter sein miisse,
ein Relief als eine Karte nach der Natur zu machen.
Nachher kann die Karte nach dem Belief gezeichnet
werden. Meyer fasste den Entschluss, ein Relief der
Schweiz herstellen und danach den ersten Atlas der
Schweiz zeiehnen zu lassen. In Eugen Mailer von Engel-
berg hatte er ein topographisches Genie entdeckt. Er
liess den einstmaligen Geissbuben studieren und tibertrug
ihm die Arbeit. Miiller vollendete 1814 sein gewaltiges
Relief von etwas mehr als der Halfte der Schweiz im
Maasstab von 1 : 20,000, von dem das eine Exemplar von
Zurich auf Empfehlung von Hans Konrad Escher von
der Linth fur 6000 Fr. gekauft worden ist. Es ist auf-
gestellt im Turmsaale des schweizerischen Landesmuseums.
Nach diesem Relief ist der Meyer'sche Atlas der Schweiz
gezeichnet worden.
Sie sehen also: das Relief ist in der Schweiz er-
funden worden. Pfyffer, Eug. Miiller, Exchaquet (1783)
und andere haben nach der Natur Relief aufgenommen,
und die Karten warden nach dem Relief gemacht Das
Gebirgsrelief war leichter als die Gebirgskarte, es war
die geringere Abstraktion.
Nun machte allmalig die Kartographie grosse Fort-
schritte. Sie fand Methoden, nicht nur die relative Lage
von Berg und Tal, sondern auch die Form der Berge,
der Gehange, der Talgriinde darzustellen. Die schweize-
rische naturforschende Gesellschafb stellte auf Anregung
der Geologen zuerst bei der Eidgenossenschaft das Ge-
such um Herstellung einer topographischen Karte. Und
als unsere topographischen Karten zu erscheinen begonnen
hatten — etwa in der Mitte des vorigen Jahrhunderts
— da wendete sich das Blatt : Jetzt machte man die Reliefs
365
nach den Karten, nicht mehr nach der Natur. — Aus der
Schweiz nenne ich nur Scholl in St. Gallen, Beck in
Bern, Bilrgi in Basel, Perron in Genf. Diese und zahl-
reiche andere haben das Relief bloss als eine tJbersetzung
der Karte in das Raumliche aufgefasst. Meistens meinten
sie, sich moglichst sklavisch an die Karte halten zu mussen
— ohne Verstandnis dafur, welche Unrichtigkeiten und
Mangel auch nocb unsern Karten anhaften und dass und
wo sie ihre Reliefs besser machen konnten als die Karten.
Es ist die Periode der Kartensklaverei. Wie weit die-
selbe ging, will ich an einem uns nahe liegenden Bei-
spiel zeigen. Der Kanton St. Gallen hatte frtih durch
Eschmann, Mertz, Hennet und Eberle eine topographische
1 : 25,000 Karte herstellen lassen von St. Gallen und Appen-
zell. Sie ist in Schraffurstich und Kurven, letztere von
100 zu 100 m, die Gebirgszeichnung unter Leitung von
J. M. Ziegler, ausgefuhrt. In ihrer Vertikalbeleuchtung,
ihrer Gebirgszeichnung ist sie seither nicht nur nicht uber-
troffen, sondern auch niemals mehr nur annahernd er-
reicht worden. Gegenuber diesem klassischen Werke er-
scheinen die modernen farbigen Relief karten als Spielzeug,
als blosse Wanddekorationen. Dies nebenbei. Im einzelnen
ist die Karte vielfach ungenau. Sie hat z. B. den grossen
Fehler, dass der Ostgrat des Santisgipfels, statt rasch
abzufallen, in den Grenzkopf lauft, so dass der Kessel
ostlich zwischen Santis, Gyrenspitz und Graukopf sich
nach Norden, statt gegen das Toggenburg offnet. Diesen
Fehler haben auch die ersten Ausgaben der Dufourkarte
nachgemacht. Scholl war oft auf dem Santis; er hatte
diesen Fehler erkennen sollen, er hat ihn aber in seinen
vielen S&ntisreliefs stets genau nachgemacht. Aus diesem
Fehler ist schliesslich ein grosser bundesgerichtlicher
356
Grenzstreit entstanden. Sdwll arbeitete eben nach der
Karte, niclit nach der Natur.
Eine Menge von Dilettanten haben nun angefangen,
aus Karten Belief zu fabrizieren. Jeder meinte, dazu
befahigt zu sein, sobald er Lust daftir empfand. Man
hielt die Uberwindung der technischen Schwierigkeiten
fur die Losung des Problems und nannte sich „Geoplast*.
Bald waren es Buchbinderarbeiten, bald Hafnerarbeiten,
oft recht sorgfaltig durchgefiihrt, aber eben stets nur
noch mechanisclie Ubersetzungen der Karte, nicht Nach-
bildungen der Natur. Und nur der kleinste Teil dieser
„Geoplastenu hat die Karte vollstandig verstanden und
ausgenutzt. Immer noch bot die Karte demjenigen, der
sie zu lesen verstand, mehr als das Relief. Die Relief-
arbeiten dieser Periode haben dennoch viel Gutes ge-
leistet, sie haben das erste Verstandnis vermittelt, so weit
sie es selbst enthielten, sie haben den Sinn fur Karten und
Relief geweckt. Auf die Hauptfehler, die den meisten an-
hafbeten, haben wir noch naher einzutreten und dabei unsere
Forderungen an ein gutes Relief genauer aufzustellen.
1. In der Regel wurde fast allgemein bis zum Jahre
1880 absichtlich der Hohenmasstab iibertrieben. Man be-
hauptete, die Berge machen sonst im Relief „ nicht den
richtigen Eindrucku. Tatsachlich sahen die Berge dieser
Geoplasten ohne HOhenubertreibung ode und blode aus.
Aber warum? Bloss deshalb, weil kein ins Einzelne
gehender Charakter in der Modellierung zur Geltung ge-
bracht war, weil sie verstandnislos geformt waren. Die
Erfahrung lehrt, dass bei scharfer bezeichnender Formung
sofort der richtige Eindruck entsteht und dann jede Uber-
hohung peinlich und widernatlirlich aussieht — etwa so
wie die Berge bei geringerer Schwerkraft auf dem Monde
357
sind. Statt herunterzusteigen und zu sagen: „Ich tiber-
treibe den Hohenmasstab, damit es den Beschauern besseren
Eindruck machta, hatte der Reliefkunstler sagen sollen:
„Ich will bei der Wahrheit bleiben und nicht liigen, urn
die Beschauer zur richtigen Anschauung und Erkenntnis
zu erziehen." Die Reliefjury der schweizerischen Landes-
ausetellung 1883 in Zurich hat dann beschlossen: Ein
Belief des Gebirges mit tibertriebenem Vertikalmasstab
ist nicht diplomierbar ! Bei uns in der Schweiz ist diese
Auffassung seither ziemlich durchgedrungen ; in Deutsch-
land aber werden jetzt noch Reliefs mit vierfacher Uber-
hohung von den Schulbehorden den Schulen empfohlen
(Relief des Bodensee-Gebietes).
2. Das Relief ist ein viel unbequemeres Ding als die
Karte. Es kostet mehr, es kann nicht leicht vervielf fcltigt
werden, wir konnen es nicht in der Rocktasche mit-
nehmen. Es hat also nur Existenzberechtigung^ wenn es
mehr bietet als die Karte. Das Relief soil uns vor allem
auch diejenigen Dinge bieten, die die Karte nicht dar-
stellen kann. Das kann es aber nicht, wenn es nur in
der Werkstatte nach der Karte gemacht ist. Dieser
Forderung kann es nur entsprechen, wenn zur richtigen
Benutzung der Karte noch neue Terrainstudien, Studien
nach der Natur hinzugetreten sind. Die Profilform eines
Felsgrates z. B. kann in der Karte nicht gezeichnet werden,
im Relief dagegen ist sie sehr wichtig, wir miissen sie
nach der Natur modellieren oder zeichnen und photo-
graphieren und dann von den Bildern ins Relief bringen.
Wir stellen das Postulat auf : Das Relief mass mehr bieten
als die Karte und muss auf ergdnzenden Studien in der
Natur beruhen. Es soil die Natur zum hbchsten Vorbild
nehmen, nicht die Karte!
358
3. Die Ausfuhrung muss dem Masstab entsprechen.
Jene plumpen Relief klotze, welche nach Karten vergrossert
worden sind ohne entsprechende Vermelirung der feinen
Formung, haben keinen Sinn. Ebenso wenig haben urn-
gekehrt Beliefs in so kleinem Masstab einen Wert, in
welchem die Karte immer mehr leisten kann, als das
Relief. Bei kleinen Masstaben behalt stets die Karte
das tJbergewicht. Das Relief ist besonders in grosseren
Masstftben, wenigstens 1 : 50,000 und dariiber, wiinschens-
wert, denn da konnen erst seine grossen Vorziige iiber
die Karte zur Geltung kommen. Aber die Forderung
muss gestellt werden: Es sind in richtigem Verhaltnis
alle Einzelheiten so genau darzustellen, als es der Mass-
stab erlaiibt. Selbstverst&ndlich hat das seine praktischen
Grenzen, wir wollen nicht mit dem Vergrosserungsglas
modellieren.
4. Und nun die Hauptsache: Es war ein Irrtum, zu
meinen, ein Relief konne von jedem fleissigen und tech-
nisch Geschickten auf Grundlage einer guten Karte ge-
macht werden, es handle sich da bloss um technisches
Geschick und Lesen der Karte. Es handelt sich viel-
mehr um fachliche Ausbildung.
Es ist langst erkannt, dass nur, wer Anatomie des
Menschen versteht, eine Menschenfigur richtig zeichnen
oder gar richtig bildhauerisch formen kann und der be-
ziigliche anatomische Unterricht ist in alien Kunstschulen
eingerichtet.
Es ist aber auch eine ebenso selbstverstandliche alte,
wenn auch oft vergessene Tatsache, doss kein Mensch
einen Berg richtig zeichnen oder gar richtig im Relief wieder-
geben kann, ohne dessen anatomischen inneren und Uusseren
Aufbau zu verstehen. Es ist uberhaupt eine Tatsache, dass
359
man nur das rich tig darstellen kann, was man verstanden
hat. Beobachten, Verstehen, Begreifen ist der Schliissel
aller darstellenden Wiedergabe. Der Stecher der Dufour-
karte z. B. hat die Bildung der Wildbachschuttkegel nicht
verstanden und darum ist in der Dufourkarte kein einziger
Schattkegel richtig dargestellt.
Nun, den fruheren Vergleich wieder aufzunehmen:
Bei verschiedenen Menschen liegen Knochen, Muskeln,
Sehnen usw. gleich, die Mannigfaltigkeit liegt in der
Stellung und daraus hervorgehenden verschiedenen Be-
anspruchung der Muskeln. Beim Berg ist es anders, er
steht still. Dafur aber liegt enorme Mannigfaltigkeit und
Komplikation darin, dass jeder Berg wieder seinen be-
sonderen, vom Nachbar verschiedenen Bau hat. Die Ana-
tomie der Berge ist ein Teil der Geologie, die Vermessung
derselben ein Teil der Geodasie. Ohne tilclHige geodatische
und geologische Kenntnisse und Untersuchungen kotnmen
wir im Relief wesen nicht iiber jenen Dilettantismus hinans,
der rneint, das Belief sei eine ungefdJire Ubersetzung der
Karte ins Korperliche. In alien Zweigen menschlichen
Schaffens ergibt sich mehr und mehr, dass umfassende
fachliche Durchbildung des Geistes, des Blickes und der
arbeitenden Hand einzig den wahren Erfolg sichern.
Sollte es auf dem uns jetzt beschafbigenden Gebiete anders
sein konnen? Aber diese Erkenntnis scheint sehr schwer
zu erfassen. Ich habe fleissige, ttichtige Leute jahrelang
ihre Arbeitskraft in einem Reliefwerke aufwenden sehen,
ohne Ahnung davon, dass ihnen die fachliche Vorbildung
fehle, und ihr Mtihen vergeblich sei — sie haben nichts
Brauchbares geschaifen (Mont Blanc -Relief in Genf,
^Landesrelief* in Appenzell etc.).
Wir sind zu dem Schlusse gelangt : Das Belief soil
360
amgearbeitet sein aufOrundlage nicht nur der topographisclien
Karten, sondern auch der Naturbeobadxtung eines fachlich
Vorgebildeten, es soil aus dem Naturverstandnis hervor-
gegangen sein und das Verstdndnis wiederspiegeln und dem
Beschauer belehrend vermitteln. Das ist sein Zweck.
Die technische Art der Herstellung ist ganz Neben-
sache. Da ist nicht eines nur das Richtige. Da kann
man verschieden verfahren. Man kann die Formen aus
einem Klotz herausschneiden, man kann dazu sinnreiche
Apparate beniitzen (Perron), oder man kann sie auf-
bauen. Wenn nur die Dimensionen genau festgehalten
und das Beobachtete scharf modelliert wird — ob das
in Plastilina oder in Ton, oder Wachs oder Gips oder in
der ScholFschen Masse geschehe, das mag jeder tun, wie
es ihm im besonderen Fall am besten scheint. Das Material
aber, in welchem zuletzt die feinsten sch&rfsten Formen
geschnitten werden. muss hart genug sein, um Scharfen
annehmen zu konnen.
Vervielfaltigung, Umguss ist wieder eine rein tech-
nische Frage, deren gute Losung zwar viel Geschick und
Erfahrung verlangt. Bald passt Stiickform in Gips, bald
Umguss mit Gelatineform, bald galvanoplastischer Kupfer-
niederschlag. Dariiber will ich mich nicht weiter ver-
breiten, dariiber konnen wir nur sagen : „ Eines schickt
sich nicht fiir alle, suche jeder, wie er?s treibe."
Das Relief hat veischiedenen Zwecken zu dienen und
nach dem Zweck haben wir auch die Forderungen an
das Relief zu stellen und zu modifizieren. Nicht jedes
Relief braucht dem uns vorschwebenden Ideal nahe zu
komraen, um schon in gewissen Richtungen niitzlich zu sein.
Das Relief kann sein: I. Unterrichtsmittel an Volks-
schulen und Mittelschulen. Hier kann es den Zweck haben:
361
a) Mittel zu sein zum Verst&ndnis der Earten und
zum Lernen, Karten zu lesen.
Gewiss ist die Abstraktion von der Natur zum Belief,
also gewissermassen nur in dem verkleinerten Masstab,
leichter und geringer, als von der Natur direkt zur Karte.
Was ich mir hier als wiinschenswert vorstelle, habe ich
noch nirgends verwirklicht gesehen und nie Zeit gehabt,
es selbst zu machen. Man sollte eine bestimmte Gegend,
am liebsten die Umgegend des Schulortes, zunachst in
gutem, fein ausgearbeitetem und moglichst naturlich be-
maltem Relief haben. Dann das gleiche Belief in bloss
konventionellen Farben bemalt, dasselbe in Hohenschichten
zerlegt, sodann daneben die Karte in gleichem Masstab
und verschiedener Behandlungsart (Schraffen , Kurven,
Farbtone). Dann kann man Schritt fur Schritt von der
Natur durch das Belief zur Karte gelangen. Ferner sollte
man Belief und Karte der gleichen Gegend erst in
grosserem, dann in kleineren Masstaben vorzeigen konnen
und endlich nach den notigen Erlauterungen die Schuler
selbst nach dent Belief eine Karte skizzieren lassen.
b) Der Schiiler soil selbst nach Anleitung des Lehrers
einfache Beliefs nach Karten machen. Selbstverstandlich
kommt dabei nichts heraus, was an sich irgend einen Wert
hatte, aber dem Schiiler gehen dadurch die Augen auf
ftir das Verstandnis der Karten und sogar fur die Boden-
f or men in der Natur.
c) Der Unterricht kann auch Typenrelief verwenden
zum Anschauungsunterricht iiber allerlei geographische
Dinge ; so z. B. Belief eines Kettengebirges, eines Kuppen-
gebirges, eines Plateaugebirges nebeneinander, Belief eines
Gletschers, eines Vulkans, von Steilkiisten, Diinen, Wild-
bachschluchten usw. Solche Typenrelief bestehen aller-
362
dings nur wenige, und namentlich bis jetzt keine der
Volks- und Mittelschule angepassten. Das Typenrelief
ist eben kein einfaches Ding. Der Hersteller hat den
Gegenstand so grtindlich zu kennen und muss so sehr
von beziiglichen Anschauungen erfullt sein, dass er ge-
wissermassen im Kleinen den Schopfer spielen kann. Er
kann und soil da seine Phantasie walten lassen, aber
ohne den Naturgesetzen zu widersprechen. Er darf nichts
schaffen, das nicht genau so auch moglich ware und nichts,
an welchem ein besserer Kenner, ein geiibteres Auge
irgend etwas Unwahrscheinliches oder Unm6gliches findet.
Am besten sind in der Kegel Typenreliefs, welche ein
wirklich recht typisches Individuum darstellen, weil hier
die Natur selbst, die wir nachbilden, vor Fehltritten be-
wahrt.
II. Das Relief soil dem Hochschulunterricht dienen.
Ein recht gutes Relief hat, ahnlich wie die Natur selbst,
den Vorzug, dass aus ihm alle, die Kleinen wie die
Grossen, lernen konnen. An einem guten Vulkanrelief
z. B. werden wir den Kleinen zeigen : Seht da die Kegel-
gestalt des Berges und oben das trichterformige Loch,
das ist der Krater, aus welchem beim feuerspeienden
Berg die gliihenden Massen herausspritzen. Dem Studenten
werde ich sagen: An dieser Wand des Vulkanes sieht
man den schichtformigen Auf bau aus Laven und Schlacken
und Aschen und quer durchsetzend die Lavagange; diese
rostigen Farben riihren von der Zersetzung der Laven
und Schlacken durch die Salzsauredampfe her usw.
Die Lehre an der Hochschule kann Typenrelief und
Relief benutzen, die bestimmte Gegenden darstellen. Sie
kann sie benutzen zum Unterricht in Geodasie, Topo-
graphic, Geographie, Geologie und noch andern Zweigen.
363
Die vielen Relief, die in den vereinigten geologisohen
Sammlungen im Polytechnikum in Zurich ausgestellt sind,
sind meistens zum Hochschulunterricht hergestellt worden.
III. Das Belief kann aber auch ein Mittel sein zur
Fixierung und Darstellung von Forschungsergebnissen, es
wird ein wissehschaftliches Dokument, ein Museumsstiick.
Ein Unterrichtsmittel ist es damit von selbst in erhohtem
Masse und selbstverstandlich von der tiefsten bis zur
hochsten Schulstufe.
Wort und Ansichtsbild, Karbe und Schnitte reiohen
oft nicht aus, die Beobachtungen an einem Gebirge dar-
zustellen, so dass man sie iiberblickt. Im Relief, als der
vollkommensten Darstellungsart, sind sie zu verstehen,
zu erfassen mit einem Blick. Keine Fahrt im Ballon
gewahrt uns den Uberblick, diese leichte, rasche Ver-
stellung des Standpunktes und der Beleuchtung nach Be-
diirfnis wie das Relief. Das Idealrelief, wie es mir vor-
schwebt, sollte eine solche von Verstandnis durchdrungene
Nachbildung der Natur sein, dass es wie die Natur selbst
alien Bedurfnissen zugleich dienen kann, den einfachsten
wie den hochsten wissenschaftlichen, und dass wir darin
studieren und suchen konnen wie in der Natur.
Die Bemalung ist nach dem Zweck zu fassen. Wir
konnen es auf pflanzengeographische, forstwirtschaftliche,
alpwirtschaftliche, rein geologische etc. Erkenntnisse hin
in konventionellen Farben malen. Das Vollkommenste
aber wird erreicht, wenn wir es nach der Natur malen,
so genau und sorgfaltig, dass alle genannten Zwecke zu-
gleich zur Geltung kommen konnen und befriedigt werden.
Viele Relief, die in den letzten dreissig Jahren gemacht
worden sind, verraten Annaherung an dieses Ideal. Es
kommen hier nicht nur Werke der Schweizer, sondern
1^
364
auch manche andere in Betracht, besonders sind in Oster-
reich, Amerika, zum Teil auch in Italien, gute Relief-
arbeiten ausgefuhrt worden. Vor alien nenne ich Ober-
lerchers Grossglockner-Relief etc. Ein Belief, wie ich es
mir denke, ist die vollkommenste Darstellungsart wissen-
schaftlicher Gebirgsforschung. Dem Belief im Dienste
von Unterricht und Wissenschaft steht nach meiner tlber-
zeugung noch eine grosse Zukunft bevor, sobald wir uns
einmal auch hierin zu der Erkenntnis erhoben haben:
Nur auf Grundlage eines tiefen allseitigen Verstandnisses
des darzustellenden Gegenstandes ist eine wahre und
niitzliche Darstellung moglich.
Wenn wir in einem Relief von kleinerem Masstabe
die Farben so auftragen, wie wir sie in der Nahe sehen.
— Fels, Wiesengriin, Waldgriin, Hauser, Wege, — so
macht das Ganze einen abschreckenden Eindruck, alles
wird hart, schreiend, fleckig und sieht ganz kleinlich und
klein aus, man glaubt einen einzelnen Stein mit Moos
und Flechten fleckig bewachsen vor sich zu sehen. nicht
einen Berg. Nur ein Relief im unverkleinerten Masstab
der Natur konnten wir mit den natiirlichen nahen Farben
bemalen. In der Natur liegt stets zwischen dem Be-
schauer und dem Berge der blauliche Schleier be-
leuchteter Luft — um so weisslicher blau, je heller das
Sonnenlicht, je tiefer und dichter die Luftschicht ist.
Der Luftschloier mischt Weiss und Kobaltblau in alle
Farben und mildert ihre Gegensatze. Probieren Sie, in
Olfarben das Wiesengriin, das Felsengrau, das Waldes-
griin zu mischen, so wie wir sie an sonnigen Tagen auf
einige Kilometer Distanz sehen. Es besteht das Grun
aus viel Weiss, etwas Kobaltblau und etwas Gelb und
das ist die Wirkung des Luftschleiers. Ich habe die
365
Farben der Berge nicht nur in den Bergen, sondern auoh
von oben aus dem Ballon studiert bei Gelegenheit von
vier Ballonfahrten, die ich zum Teil zu diesem Zwecke
unternommen hatte1). Stehen Sie nun vor einem Relief,
z. B. in 1 : 5000, so ist die Entfernung Ihres Auges vom
Relief 60 bis 100 cm. Das entspricht im Masstab des
Reliefs einem Abstand des Auges vom 3 bis 5 km. Soil
nun das Gebirge im Relief einen naturlichen Eindruck
machen, in richtiger Gr6sse erscheinen und nicht bloss
ein buntfleckiges Steinhauflein darstellen, so mussen wir
es in den Farben so halten, wie wir die Landschaft bei
3 bis 5 km Distanz sehen, d. h. (ibereinstimmend mit der
mittleren Distanz im Reliefmasstab, aus welcher wir das
Relief ansehen. Gewiss sind dann die entfernteren Teile
des Reliefs zu wenig luftblau, die nachsten eher zu viel.
Das lasst sich nicht andern. In der Natur wechselt aber
die Tonung in noch weiteren Grenzen nach dem Grade
der Beleuchtung und der momentanen Beschaffenheit der
Luft. Es ist aber richtige Bemalung auf mittlere Be-
obachtungsdistanz moglich. Farbenstudien nach der Natur
auf solche Distanzen sind notwendig. Darin aber bleibt
Reliefmalerei von Landschaftsmalerei auf die Leinwand
stets verschieden : die erstere hat nur die Farben in hellem
Lichte zu beriicksichtigen, der Schatten ergibt sich auf
dem Relief von selbst.
*
Am heutigen Tage gestatten Sie mir wohl, auch in
unsere Betrachtungen einige Bemerkungen mehr person-
licher Art zu mischen.
Ak Knabe von noch nicht ganz zehn Jahren, nach-
!) Die Fahrt der Wega iiber Alpen und Jura. Basel, bei
Benno Schwabe (mit vielen Illustrationen).
\T
366
dem ich mil meinem Yater meine erste kleine Bergreise
machen durfte, kam mir von selbst die Idee, die Berge
im Kleinen nachzuformen und ich probierte mit Zusammen-
kleben von Steinchen, Zucker ersetzte den Schnee; ich
hatte vorher noch nie ein Relief gesehen. Die Berg-
freude war gewaltig in mir erwacht und sie begleitet
mich mein Leben lang. Bald fing ich an, die Berge
nach der Natur zu zeichnen, urn sie dann nachformen
zu konnen. Im Jahre 1861, da ich 12 Jahre alt war,
sah ich hier in St. Gallen das erste Relief von Scholl. Es
machte mir einen gewaltigen Eindruck und bot mir grosse
Anregung, fur die ich den Manen von Papa Scholl mein
Leben lang dankbar bin. Da war ja das verwirklicht,
was ich anstrebte! Bald erschien die Ziegler'sche Karte
des Kantons Glarus 1 : 50,000. Ich sah sie in einem
Schaufenster. Oft ging ich hin und blieb lange davor
stehen. Das war die erste, die Bergformen zeichnende
Karte, die ich gesehen. Ich wunschte sie mir, allein
meine Eltern hatten zun&chst nicht die geniigende Ein-
sicht von dem Nutzen fur mich. Nachdem ich aber fast
taglich von dieser Karte gesprochen und mir sie ein Jahr
lang bestandig auf jede Gelegenheit gewunscht hatte,
ruhrte sie das und ich bekam sie. Jetzt modellierte ich
in Topferton nach dieser Karte eine Todigruppe und einen
Glarnisch und benutzte dabei selbst ausgedachte und aus-
fuhrte Instrumente zur Massiibertragung. Aber das Ge-
leistete befriedigte mich jeweilen nur kurze Zeit. Ich
sah, dass die Karte nicht ausreicht und man erst noch
nach der Natur Studien machen miisse. Im Jahre 1865
erhielt ich von meinem Vater die Erlaubnis, acht Tage
in der Todigruppe herumzusteigen und Zeichnungen auf-
zunehmen. Zwischen meinen Schulzeichnungen war am
367
Kantonsschulexamen 1866 auch mein Belief der T8di-
gruppe in 1 : 25,000 ausgestellt.
Einer meiner Lehrer machte nachher Arnold Escher
v. d. Linth darauf aufmerksam. Escher kam zu mir ins
Haus, urn mein Todirelief zu sehen. Ich erinnere mich
mein Leben lang des inneren Jubels in meinem Herzen,
als der grosse Forscher mit Interesse bis ins Einzelste
mein Relief betrachtete und sich freute, darin den Ver-
lauf der Schichten richtig dargestellt zu sehen. Es war
das erste Mai, dass ich ihn sah, der nachher mein un-
vergesslicher Meister geworden ist. Escher lud mich ein,
ihn auf Exkursionen zu begleiten. Unterdessen ging mir
immer klarer die Erkenntnis auf, dass man den Berg
nach seiner Zusammensetzung und der Entstehung erst
verstehen muss, um ihn richtig zu modellieren. Das
Streben nach einem Relief hat mich zuerst zur Oeologie
geleitet und das Relief hat mich zum Qeologen gemacht
Stetsfort begleitete mich das Reliefwesen. Es ent-
stund eine Art Reliefschule unter meinen Studierenden
— ich nenne nur Becker, Simon und besonders Imfeld.
Ich hatte das Gluck, von meinen Schulern ubertroffen
zu werden. Mir selbst fehlte leider im uberm&ssigen
Gedr&nge der Pflichten die Musse, selbst anhaltend an
Relief zu arbeiten. Ich konnte mich mehr nur indirekt
an den Fortschritten des Reliefwesens durch Rat und
Kritik (z. B. als Reliefjury an der schweizerischen Landes-
ausstellung 1883 etc.) beteiligen. In der Eile zwischen-
hinein konnte ich die paar Typenrelief (Vulkan, Gletscher,
Wildbach, Kusten, Bergsturz von Elm, Zentraljura) her-
stellen. Aber immer deutlicher schwebte mir das vor,
was ich als Ideal eines Reliefs erkannte. Endlich im
Alter, von dem es heisst „stille stahnu, entschloss ich
4
368
mich doch noch, den Versuch zu wagen, ein solches Belief
herzustellen, um daran zu zeigen, was das Belief sein
soil, was es leisten kann, und dass ihm in der Wissen-
schaft noch eine grosse Zukunft bevorsteht. So reifte
der Plan zu einem Santisrelief in 1 : 6000.
Warum ich den Santis wahlte und nicht ein ge-
waltigeres Gebirge, einen Todi oder einen Monte Rosa?
Ich kann sagen, dass mich zum Santis eine alte Liebe
zog, von der das Sprichwort sagt: „sie rostet nicht/
1867 war ich zum ersten Mai am Sfi-ntis, 1870 und 1871
weilte ich dann wochenlang oben, um das Panorama zu
zeichnen. Der .Zachner Albert", wie ich damals in ganz
Innerrhoden hiess, freute sich immer wieder, zum Santis
zuruckzukehren. Hauptsachlich war es aber die wissen-
schaftliche Erkenntnis, dass der Santis eines der schonsten,
vielleicht sogar das schonste Gebirgsstiick der Erde ist.
Klarer, eindringlicher, feiner als irgendwo sonst tritt hier
dem Auge der Zusammenhang von innerem Bau und
ausserer Form in den grossen Ziigen wie in dem aus-
drucksvollen Einzelnen entgegen; ode oder plump, fast
langweilig scheint dem Geologen trotz der ausserlich ge-
waltigen Form ein Galenstock, ein Finsteraarhorn, ein
Monte Bosa oder ein Uschba im Kaukasus, ein Mount
Cook in Neuseeland im Vergleich mit diesem herrlich ge-
gliederten Santis. Ich habe die merkwurdigen Gestalten
des norwegischen Hochgebirges, des Kaukasus, der neu-
seelandischen Alpen studiert, aber den Santis erreicht an
Formenschonheit und Klarheit und besonders an, ich
mochte sagen : Formenehrlichkeit, keiner, und wenn er auch
doppelt so hoch und zehnmal so schwierig zu ersteigen ist
Und wie wurde nun das Santisrelief vorbereitet und
durchgefiihrt?
369
Die Escher'sche geologische Karte des S&ntisgebirges
des sich als ganz ungenugend. Zunachst war die topo-
phische Grundlage, auf welcher Eseher seine Beob-
Ltungen damals eintragen musste, sehr ungenau, sodann
te Eseher die Karte erst angefangen, sie wurde nach
lem Tode vom Lithographen nach den vorhandenen
bizkarten zusammengestellt. Die horizontalen Quer-
che hatte Eseher aus lauter Angstlichkeit noch nicht
die Karte eingetragen. Seit Eschers Tode sind wir
der Auffassung der Gebirge um ein Stuck klarer ge-
rden. Vor allem war also eine vollstandige detaillierte
logische Neuaufnahme des im Relief darzustellenden
Dietes notwendig. Erst musste nach innerem und
serem Aufbau verstanden werden, was es darzustellen
b. Ich fiihrte diese geologische Neuaufnahme in der
ler nur sparlich zu erobernden Ferienzeit 1898 bis 1903
ch. Die Resultate werden als Lieferung 16, Neue
ge der ^Beitrage zur Geologie der Schweiz", heraus-
;eben von der schweizerischen geologischen Kommission,
jheinen.
Unterdessen konnte die rein technische Vorarbeit er-
gt werden und zwar: Photographische Vergrosserung
Siegfriedatlas auf das Fiinffache, Ausschneiden der
•izontalkurven von 50 zu 50 m in Brettchen von exakt
jprechender Dicke, Zusammenschrauben derselben, Ein-
isen und Einschlagen von Drahtstiften zur Festlegung
r gemessenen Fixpunkte der Karte. Auf diesem Holz-
[ett wurde nun zunachst in Plastilina ausmodelliert.
Wahrend der geologischen Aufnahme hatte ich im
iefgebiet schon ca. 350 Zeichnungen aufgenommen,
ein schon weit liber die Karte hinausgehendes Detail
lielten. Sodann konnten wohl gegen tausend von mir
24
i
370
gemessene Schichtlagen mit der Boussole und dem Klino-
meter auf das Relief tibertragen werden. Wir hatten
ferner ca. 200 Photographien iiber das Reliefgebiet ge-
8ammelt und herzlich dankend erwahne ich dabei der
Mithtilfe der St.Galler Bergfreunde, besonders der Mit-
glieder des Alpenklub und des Touristenklub ,, Edelweiss*.
Sodann habe ich noch selbst etwa 6B0 photographische
Aufnahmen angeordnet, welche teils durch meine Assi-
stenten, besonders durch meinen Sohn Arnold Heim, cand.
phil., gemacht worden sind. So viel als moglich wurden
die Photographien von Fixpunkten der Karte aus auf-
genommen, so dass sie dann messtischartig zur Bestimmung
zahlreicher anderer Punkte, oder auch photogrammetrisch
verwendet werden konnten.
Schon die erste Modellierung in Plastilina benutzte
reichlich alles dieses Material und ging so weit, als es
die weiche Substanz der Plastilina ermoglichte. Dann kam
Umgiessen in Gips vermittelst „verlorener Form", dann
die sehr zeitraubende feine Ausziselierung in Gips, nachher
Umgiessen mittelst Gelatineform und endlich Bemalen.
In meiner Idee sah ich das Santisrelief mit alien
seinen Einzelheiten und in seiner Gesamterscheinung vor
mir fertig und schon, entsprechend dem wunderbaren
Anblick, den mir der Santis geboten hat, als ich ihn aus
der Hohe von zirka 3200 m senkrecht liber Wil aus dem
Ballon bewundern konnte.
Aber niemals hatte ich das Werk durchfiihren konnen
allein odor mit blosser Hulfe von rein technischen Arbeits-
kraften, denn ich bin ein im Ubermass der Anforderungen
an meine Arbeitskraft abgehetzter Mann. Das Gliick hat
mich einen vortrefilichen Heifer finden lassen in der
Person des Herrn Kunstzeichner Karl Meili. Er hatte
371
schon eine Reliefmodellierschule bei X. Imfeld durch-
gemacht und nachher unter meiner Leitung modelliert.
Er ging auf meine Ideen ein und liess sich zum wissen-
schaftlichen Schauen leiten. Ein wahrer Kiinstler ist er,
nicht von jener Sorte, die meinen, die Wahrheit ver-
achten and die Natur iibertrumpfen zu konnen, sondern
von der viel edleren Art, die feinen Sinn und Gefiihl
haben fur die Wahrheit, gute Beobachter an der Natur
sind und die Natur richtig zu verstehen und wiederzugeben
vermogto. Kunst und Wissenschaft ist es, die Wahrheit
zu sehen und zu lieben, die Wahrheit in der Natur im
grossen wie im kleinsten. So haben wir im Dienste
unseres Reliefs gemeinsam gearbeitet in treuer Verbindung,
der Forscher auch kiinstlerisch empfindend, der Kiinstler
auch wissenschaftlich erkennend, die neu sich zeigenden
Fragen gemeinsam priifend und losend. Herr Meili hat
wahrend vollen 3!/2 Jahren in meinem Dienste fast seine
ganze Zeit und Arbeitskraft dem Relief gewidmet und
unter meiner Leitung die ganze Modellierung und Be-
malung ausgefiihrt. Um nicht Uneinheitlichkeit zu er-
zeugen, habe ich an der Ausmodellierung und Bemalung
nicht Hand angelegt, sondern nur Gruppe um Gruppe
mit Herrn Meili nach ihrem Bau besprochen, das Be-
obachtungsmaterial erlautert, die Ausfiihrung kontrolliert
und geleitet. Herr Meili hat nun seinerseits im Modellieren
der Form auf Grundlage mehrseitiger Ansichten eine Ubung
und Sicherheit erlangt, wie ich sie mir im gleichen Grade
niemals zu erwcrben Zeit und Gelegenheit gehabt habe,
und nicht weniger verdanke ich ihm in der glucklichen
Losung der Bemalung.
Unser Santisrelief im Masstabe 1 : 6000 ist im Laufe
des Sommers 1903 fertig geworden. Wir haben ein mir
372
vorschwebendes Ideal angestrebt. Wir sind demselben
naher gekommen, wir diirfen vielleicht sagen viel naher,
ak irgend ein bisher hergestelltes anderes Relief. Aber
wir haben das nicht erreicht, was vielleicht dereinst er-
reicht werden kann, — in zwei Bichtungen nicht. Es
ist uns nicht in alien Dingen gelungen, das uns vor-
schwebende Ideal zu erreichen ; so z. B. befriedigt mich
die Formdarstellung des Waldes, die gerade in diesem
Masstabe technisch besondere Schwierigkeiten hat, nicht;
aber auch das uns vorschwebende Ideal ist wohl an sich
noch durchaus nicht vollkommen, sondern nur relativ.
Unser Santisrelief ist ein Dokument iiber diese Gegend:
es enthalt die Darstellung der Resultate topographischer
und geologischer Beobachtung, es stellt ein herrliches und
ein verstandenes Stiick Erdrinde dar. Es vermittelt dem
Beschauer das Verstandnis und die Erkenntnis, zu welcher
hier der topographische und der geologische Forscher erst
nach vielen Jahren angestrengter Arbeit gelangt sind.
Fast in einem Male und viel durchgreifender ist hier der
Bau des Gebirges zu iiberblicken, als das jemals durch
den kleinen Menschen in der grossen Natur selbst direkt
moglich ware.
An dieser Stelle will ich nicht den geologischen Bau
des Santisgebirges, den Aufbau aus den verschiedenen
Stufen des Kreidesystems, den Faltenbau, die Querbruche,
die Modellierung durch die Verwitterung und die auf-
gelagerten Schuttmassen naher erlautern. Das soil iiber-
morgen vor dem Relief geschehen, und das werden die
spateren Publikationen (Beitrage zur Geologie der Schweiz,
neue Folge, Lief. 16) tun.
Mit dem Relief verhalt es sich ahnlich wie mit der
Natur. Wer es oberflachlich ansieht, sieht nur wenig,
373
wer es vertieft studiert, findet viel und immer mehr. Ein
Werk, an welchem Naturforscher und Kunstler jahrelang
gearbeitet haben, 1st nicht in einigen Minuten zu er«
fassen. Man muss darin studieren wie in der Natur,
man muss es lernen anzuschauen und sich darein zu ver-
tiefen. Alles, was Sie darin finden werden, ist der Natur
getreu entnommen. Darin zeigt sich der Unterschied
vom Dilettantenrelief, das auf den ersten Blick vielleicht
einen guten Eindruck macht, dem n&heren Studium aber
nicht Stand halt. # ^
*
Ein Freudentag war es fur mich, als meine liebe
Vaterstadt St. Gallen lange vor Vollendung des Relief
durch den Pr&sidenten der Naturwissenschaftlichen Qe-
sellschaft und den Kustos des Naturhistorischen Museums
bei mir anfragten, ob und zu welchen Bedingungen ich
dem Museum St. Gallen ein Exemplar des S&ntisrelief
herstellen konnte.
Ein Freudentag ist es fur mich heute, da ich Ihnen
liber Reliefwesen und uber die Entstehung des S&ntis-
relief hier vortragen durfte.
Ein Freudentag endlich wird mir der n&chste Sonntag
Vormittag sein, da ich vor Ihnen das fertig aufgestellte
Relief enthtillen und Ihnen erlautern darf.
Ich danke alien denen, die dazu beigetragen haben,
mir diese Genugtuung zu bereiten.
Moge unser Santisrelief Ihnen alien Freude schaffen !
Moge es zum Verstandnis unserer herrlichen Gebirgswelt
leiten. Moge es besonders auch der heranwachsenden
Jungmannschaft die Augen offnen fur die Natur, dass
wir alle immer neu erfahren : Das Schauen mit Verstiindtiis
beseligt und veredelt den Menschengeist !
X.
Beitrage
zur
Geologie der Umgebung St. Oallens.
Von Ch. Falkner und A. Ludwig.
(Schluss.)
C. Das Alluvium.
Man versteht darunter nicht bloss, wie der Name
andeutet, angeschwemmtes Land, „sondern tiberhaupt alle
der Beobachtung zuganglichen geologischen Neugestal-
tungen am Erdkorper, die in historischer Zeit statt-
gefunden haben und noch fortwahrend vor sich gehen
und bezeichnet hauptsachlich die letztern als Alluviumu
(Schwalbe, Grundriss der Mineralogie und Geologie); das
Alluvium umfasst also, kurz gesagt, hauptsachlich die
rezenten Bildungen und Umbildungen, wie letztere z. B.
durch die Erosion des Wassers bewirkt werden konnen.
Eine scharfe Abgrenzung von Diluvium und Alluvium
erweist sich haufig als eine Unmoglichkeit, weil ein all-
maliger Ubergang von der Diluvialzeit zum Alluvium
stattgefunden hat. Gegeniiber dem Tertiar und Diluvium
treten die Alluvialbildungen an Bedeutung weit zunick,
weshalb sie auch nur kurz behandelt werden sollen.
I. BaehalhiTionen.
Die von den beidseitigen Talflanken sich in das Tal
von St. Gallen ergiessenden Fliisse undBache miissen infolge
der plotzlichen und starken Verminderung ihres Gefalles
seinerzeit dazu veranlasst worden sein, manchenorts den
mitgobrachten Schutt (das Aquivalent ihrer Tobel) in
375
Form von Schuttkegeln beim Eintritt ins Tal oder als
mehr oder minder zusammenhangende Alluvialdecke auf
dem Talboden selbst auszubreiten. Es kann deshalb als
sicher angenommen werden, dass das Erratikum in unserm
Hochtal an manchen Stellen von Alluvionen bedeckt wird ;
da sich jedoch eine genugend genaue Feststellung und
Umgrenzung derselben einstweilen als ein Ding der Un-
moglichkeit erwies, wurde von einer Kartierung derselben
Umgang genommen, um so mehr, als dadurch auch das
Kartenbild in ungunstigem Sinne beeinflusst worden ware.
Schon Gutzwiller halt dafiir, „dass der kieselreiche, von
Gletscherbildungen nicht bedeckte Sand im Westen der
Stadt durch Biiche von den benachbarten Hohen herbei-
gefuhrt worden sei.u Alluvialen Ursprungs sind selbst-
verstandlich auch die Kies- oder Lehmdecken iiber einigen
unserer Torf lager ; auf der Geltenwilerbleiche werden zwei
bis drei iibereinander lagernde Torfschichten durch Allu-
vionen mehr oder weniger deutlich voneinander geschieden
(siehe Abschnitt II. Torf). Wir halten es auch fur durch-
aus moglich, dass die den Torf stets unterlagernde lehmige
Schicht an einigen Stellen unseres Kartengebietes nicht
diluvialen, sondern selbst auch alluvialen Ursprungs ist.
Kach Angabe eines Parliers wurde anlasslich einer Grabung
in der Stadt beim Hause zur Wahrheit (Gallusplatz) bis
zur Tiefe von 9 m (?) ein schmutzig blauer Lehm mit
vielen eingeschwemmten Holzstucken konstatiert; darunter
kam ein feiner Kies (^Gartenkies*) zum Vorschein; an
der Notkerstrasse beobachteten wir selbst gelegentlich
eines Neubaues solchen schmutzig blauen, schlammartig
aussehenden Lehm mit Holzresten ; er erinnert lebhaft an
den im Steinachbett oberhalb der Station St. Fiden sich
anhaufenden schmutzigen Schlamm und wird wohl auch
376
eine Alluvion darstellen. Auch fur den Banderton St.Fidens
(Ziegelei bei Buchental) ist ein alluvialer Ursprung durch-
aus kein Ding der Unmoglichkeit ; besonders auf der
linken Talseite finden sich tonige Mergel, bedeckt von
lehmigem Gletscherschutt, welche beide sehr wohl infolge
Ausschlammung das feine Material geliefert haben konnen,
das dann durch die zahlreichen kleinen Wasserlaufe in
einem ruhigen Becken zum Absatz gelangt ware. Immer-
hin ist auf der Karte an dem von unsern Vorg&ngern an-
genommenen diluvialen Ursprung des Bandertons noch
festgehalten worden.
Der Mittellauf eines Flusses wird durch zahlreiche
Kriimmungen (Serpentinen) charakterisiert ; auf der kon-
vexen Seite bilden sich, vom Fluss angeschwemmt, kleiDe
Alluvialebenen, wahrend das Wasser auf der konkaven
Seite sich einfrisst; diese Bachalluvionen sind (auf unserm
Kartengebiet) besonders schon und deutlich an der Sitter
von Stocken abwarts zu verfolgen; doch fehlen sie auch
nicht in entsprechend kleinerer Ausdehnung an den Ufern
der Goldach und Steinach; sie sind nach Moglichkeit in
die Karte mit aufgenommen worden; naheres iiber die-
selben bringt der Abschnitt iiber die Erosion und Fluss-
terrassen.
Einem interessanten Fall von Auffiillung begegnen
wir am Bildweiher in Winkeln; nach einer Mitteilung
von Herrn Reallehrer Flury war dessen Flache noch vor
ca. 25 Jahren mindestens doppelt so gross als heute; der
sudostliche Teil, wo sich der kleine Einfluss befindet, ist
in dieser Zeit vollig aufgefiillt worden und stellt jetzt
eine sumpfige Flache dar, welche auch heute noch stetig
im Wachsen begriffen ist. Der durch das Vordringen
der Sumpfvegetation gegen die Mitte des noch vorhandenen
377
Weiherrestes hin leicht zu verfolgende Verlandungsprozess
geht sozusagen vor unsern Augen vor sich und in nicht
allzuferner Zeit wird auch der Bildweiher vom Schicksal
so mancher friiheren Seen und Seelein ereilt werden und
vollig verschwunden sein ; schon heute hat der Bildweiher
nicht mehr die auf der topographischen Grundlage an-
gegebene Ausdehnung. Die erwahnte Auffiillung ist
iibrigens nur durch ein llbersehen unserseits auf der Karte
nicht besonders als eine Alluvion hervorgehoben worden.
Ahnlich liegen die Verh<nisse beim Wenigersee:
die durch Anlage desselben bewirkte kunstliche Stauung
gab zu einer kleinen Alluvion Anlass, welche sich in der
Tiefe vom Einfluss der Steinach gegen Loch zu erstreckt ;
auf dem sumpfigen Boden hat bereits der Vermoorungs-
prozess eingesetzt, welcher mit der Zeit zur Bildung eines
kleinen, unbedeutenden Torflagers fuhren wird. Auch
hier lasst sich iibrigens das Vordringen des Alluvial-
schuttes und damit der Einmiindung in den kleinen kiinst-
lichen See hinaus sehr gut verfolgen — auch hier droht
somit das Schicksal einer volligen Ausfullung, wenn die-
selbe auch (immer gleichbleibende Umstande vorausgesetzt)
bei weitem nicht so schnell eintreten wird, als beim oben
erwahnten Bildweiher.
II. Der Torf.
Torfmoore von grosserer Ausdehnung und technischer
Bedeutung fallen nicht in unser Kartengebiet ; es handelt
sich nur um verhaltnismassig unbedeutende, meist in
Mulden gelegene Vorkommnisse, wobei die Machtigkeit
des Torfes selten wenige Meter ubersteigt ; der Torf wird
nur gelegentlich vom Besitzer, und meist zum eigenen
Gebrauche gestochen. Die Unterlage des Torfes wird nie
vom anstehenden Fels, sondern stets von lehmiger Grund-
378
mor&ne oder fluvioglacialem Lehm (auch stark lelimigem
Sand), gelegentlich wohl auch von lehmigen Alluvionen
gebildet; die Lagerung des Torfes ist fast immer eine
muldenformige, d. h. die Machtigkeit nimmt von den
Randern gegen die Mitte zu, wo sie ihr Maximum erreicht.
Bei Gelegenheit der Bahnhofumbauten auf der Gelten-
wilerbleiche zeigten sich in der siidwestlichen Ecke, NW
der Stelle, wo der Irabach den Talboden betritt, zwei
und an einer Stelle sogar drei durch Alluvionen deutlich
voneinander geschiedene Torfschichten iibereinander ge-
gelagert; Sondierschacht V wies folgendes Profil auf:
Humus und gelber Lehm (Alluvion) 0,5 m
Torf 1,5 m
Gelbes Lehmband (Alluvion) . . . 0,3 m
Torf 1,20 m
Sandiger Lehm (Alluvion) .... 1.20 m
Torf 0,80 m
Fester, sandiger Lehm (wahrscheinlich
fluvioglacial) bis 1,80 m
erbohrt.
Stellenweise liessen sich im westlichen Teil deutlich
gesonderte Torflagen nicht mehr unterscheiden ; der Torf
durchzog dann die Alluvion in mehr oder weniger zu-
sainmenhangenden Fetzen und Nestern. Das Material
der untern Torfschichten war stark gepresst und erinnerte
bereits einigermassen an die nicht mehr auf unser Gebiet
fallende Schieferkohle von Morschwil, welche interglacialen
Ursprungs ist. Die gro.sste Machtigkeit wurde mit ca. 3,5 m
bei der mittleren Torfschicht, etwas westlich vom Irabach
unci ostlich vom Sondierschacht V konstatiert; die Lage-
rung ist deutlich muldenformig. Dagegen erschien in der
siidostlichen Ecke der Geltenwilerbleiche ein im Maximum
379
2 m Machtigkeit erreichendes Torflager, welches inter-
essanterweise ein ausgepragtes Gehange bildet. Zwischen
diesen beiden Torflagern im Westen und Osten liegt eine
Lehmablagerung (von uns als Alluvion aufgefasst, wegen
der kurzen Erstreckung von ca. 50 m jedoch nicht kar-
tiert), in welcher beim westlichen Torflager aufrecht-
stehende Baumstiimpfe beobachtet werden konnten, ein
sichererBeweis fiir den autochthonen Ursprung des letzteren.
Die jetzt durch Aplanation ganzlich verschwundene Wall-
morane, welche von der Sudostecke her die Geltenwiler-
bleiche quer durchzog, trennte im Norden (Bahnlinie) das bis
hieher reichende westliche Lager von einem dritten, welches
sich, dem Irabache folgend, ostlich bis in das eigentliche
Stadtgebiet hinein erstreckt, jedenfalls aber haufig Unter-
brechungen aufweist *) ; eine genaue Feststellung der ost-
lichen Ausdehnung erwies sich als unmoglich ; bei unserer
Eintragung hielten wir uns deshalb an die Mitteilungen,
welche uns hierauf beziiglich von mehreren Seiten in
verdankenswerter Weise gomacht worden sind.
Zum Schlusse geben wir eine Liste der im Gelten-
wiler Torfgebiet, speziell in seinem westlichen Teile, von
uns gesammelten Einschliisse; die genaue Bestimmung
derselben verdanken wir Herrn Dr. Neuweiler in Zurich,
dem wir an dieser Stelle unsern besten Dank dafur aus-
sprechen.
l) Es wird uns das durch eine beziigliche Mitteilung von
HeiTn Gemeinderat Rliesch bestiitigt; wtellen weise tindet sich
namlich ein feiner Sand (oder kiesiger Lehm), wohl audi alluvialen
Ur»j»run^8 (siehe Abschnitt Alluvion), an Stelle des Torfes; letzterer
erstreckt sich noch weiter r)Stlich als an#e«reben ; er wurde von
Herrn Riiesch von der Goliatp:asse bis zum Viadukt an der St. Jakob-
strasse angetroffen.
380
Abies pectinata ( Weisstanne) : Holz (meist Wurzel-
holz), Samen, Zapfenschuppen.
Picea excelsa (Rottanne): Holz, Zapfen, Samen.
Quercus sp. (Eiche) : Holz, FrtLchte und Fruehtbecher
sehr haufig.
Corylus Avellana (Haselnuss): Holz und Fruchte.
Alnus sp. (Erie): Holz.
Populus tremula (Zitterpappel) : Holz.
Acer campestris (Feldahorn) : sehr gut erhaltenes Holz.
Rubus Idaeus (Himbeere) : Samen, verhaltnismassig
selten.
Menyanthes trifoliata (Fieberklee): wenige Samen.
Phragmites communis (Schilf): Blattreste, sehr haufig,
besonders ostlich der Vonwilerbriicke und der
Unterstrasse entlang.
Carex sp. (Segge): Friichtchen.
Gramineen (Graser): Oberhautreste
Cyperaceen
Laubmoos sp.: Blattreste
Pilzfiiden: spurenweise
Von Herrn Reallehrer Flury wurde uns mitgeteilt,
dass auch schon Birkenholz im Torf gefunden wurde.
An tierischen Resten, die als accessorisch zu bezeichnen
sind, erwahnt Herr Dr. Neuweiler ein Ei einer Schnirkel-
schnecke (Helix arbustorum sive nemoralis) und Chitin-
lilillen und Chitintonnchen ; ein Rohrenknochen konnte
nicht bestimmt werden und eine metallglanzende Kafe^
fliigeldecke ging uns leider durch Zerbrockeln zu Grunde,
ebenso wie eine uns unbekannte, nur in einem Exemplar
aufgefundene Frucht.
Die tibrigen Torfmoore sind von uns bis jetzt einer
speziellen Untersuchung nicht unterworfen worden.
mikro-
skopischer
Befund.
381
In der Wittenbacher Gegend finden sich in den-
selben manchenorts ebenfalls viele Holzreste und Nadel-
holzzapfen vor, so dass auch hier der Torf sich wie auf
der Geltenwilerbleiche infolge Versumpfung und Ver-
moorung eines Waldbestandes gebildet haben muss; die
einzeln stehenden Birken im feuchten, unwirtlichen Moor
lassen verschiedene Stellen als reizvolle Landschaftsbilder
aus dem hohen Norden erscheinen, deren melancholischem
Einfluss man sich nur schwer entziehen kann.
Ganz unbedeutende und darum auf der Karte nicht
eingetragene Torfbildungen f and en sich auch auf dem
kleinen Plateau zwischen Walenbtihl und Hechtacker,
zwischen Vonwil und Bruggen, sowie im Krontal, wo die
Strasse nach dem Griitli und Speicherschwendi abzweigt ;
an beiden Orten zeigte sich wieder reichliches Holzmaterial
eingeschlossen und an der erstgenannten Lokalitat wurden
auch die Zapfen der Rottanne wieder in ziemlicher Zahl
angetroffen. Sudlich Rutzenwil, am linken Ufer der Sitter
(im Norden unseres Kartengebietes), erstreckt sich ein
mooriger Boden, dessen Bildung jedenfalls nur wenig weit
zunickreicht ; fanden sich doch hier noch die Uberreste
einer fruhern Waldflora bliihend vor, z. B. eine reichliche
Individuenzahl von Platanthera bifolia, deren Wuchs aller-
dings schon deutliche Spuren der Verkiimmerung auf-
weist; der botanischen Forschung sei die interessante
Lokalitat angelegentlich empfohlen; vielleicht hatte die-
selbe es wohl verdient, auch auf unserer Karte eingetragen
zu werden.
Die kleinen, auf der topographischen Grundlage ver-
zeichneten Turbenhauschen, deren Stand selbstverstandlich
gelegentlichem Wechsel unterworfen ist, lassen leicht die
Lokalitaten erkennen, wo brauchbarer Torf gestochen
382
wird ; derselbe dient ubrigens fast nur dem Privatgebrauch
des jeweiligen Besitzers ; wo die Hauschen fehlen, handelt
es sich meist nur um lokal ganz eng begrenzte, unbedeutende
Vorkommnisse oder auch um erst im Entstehen begriffene
Torf lager: Moorboden, wie ein solcher beispielsweise auch
zwischen Beckenhalden und dem Untern Brand, sowie
(auf der Karte nicht dargestellt) im westlichen Teile des
Tales der Demut wahrzunehmen ist.
Bei Schimishaus S Morschwil ist der Torf bereits
abgestochen worden, weshalb er auf der topographischen
Grundlage fehlt; auch der Torf von Abtwil ist wohl an
manchen Stellen infolge Abstiches vollig verschwunden.
Die Bezeichnung „Moosu auf der Karte deutet stets
mit Sicherheit das Vorhandensein von Moor- oder Torf-
boden an.
III. Kalktuff.
An Abhangen, wo der anstehende Molassefels von
einer betrachtlichen Gletscherschuttdecke (spez. Glacial-
scliotter) uberlagert ist, findet sehr haufig Tuffbildung
statt; in dor Humus- und Vegetationsdecke beladt sich
das Wasser mit Kohlensaure und ist daher im Stande,
beim Durchsickern des Erratikums kohlensauren Kalk zu
losen; tritt nun das Sickerwasser am Abhang (z. B. als
Quelle) wieder zutage, so scheidet es, indem es einen Teil
dor Kohlensaure verliert, den gelosten Kalk in Form von
Sinter und Tuff als Kegel oder auch als Decke wieder
aus. Dass also Kalktuff mit Erfolg an und unterhalb
einer Kontaktstelle von Erratikum mit Molasse zu suchen
ist, dtirfto ohne weiteres klar sein ; triffl man, einen Ab-
hang hinansteigend, auf Kalktuffspuren, so kann man
iwie die Erfahrung uns gelehrt) meist sicher sein, in der
Niihe des Kontaktes zu sein; der Kalktuff war uns tat-
383
sachlich gelegentlich ein ausgezeichnetes Hilfsmittel, das
Kontaktniveau auch bei fehlendem deutlichem Aufschluss
verhaltnismassig sicber zu bestimmen. So haufig wir
dem Kalktuff auch begegnet sind, so handelt es sich dabei
doch meist nur urn ganz untergeordnete Vorkommnisse
(dunne Krusten von geringer Flachenausdehnung), welche
daher auf der Karte nicht eingetragen warden ; immerhin
seien einige derselben hier erwahnt.
Lochmtihle (Goldach), an dem das linke Ufer empor-
fiihrenden Waldweg; auf dem rechten Goldachufer im
Rutschgebiet nordwestlich vom Hinterhof (schoner Kontakt
mit dem dort entblossten MolasserifF) ; im Herrenholz ost-
lich der Martinsbriicke ; Gstaldenbach rechtes Ufer (ober-
halb der St. Galler Strassenbahn) in der Nahe von Bilchen,
mit zahlreichen eingeschlossenen Buchenblattern ; zwischen
Erlenholz und Schontal, an dem linken Ufer des der
Sitter zufliessenden Bachleins; an mehreren Stellen am
Ufer des Wattbaches usw. usw.
Es Hess sich deutlich erkennen, dass die Kalktuff-
bildung im Friihling zur Zeit der Schneeschmelze be-
sonders intensiv von statten geht, wobei Blatter, Stengel,
Tannzapfen, Moos usw. oft uberraschend schnell inkru-
stiert werden.
Der einzige, dafiir aber auch typische, von uns auf-
genommene KalktufFkegel befindet sich bei Tellen am
Siidabhang der Steinegg ; dort lehnt er sich an die Kante
des Deckenschotters an, welcher auch zweifellos zusammen
mit dem ihn liberlagernden jiingern Gletscherschutt das
Material zu seiner Bildung geliefert hat; noch jetzt ist
das kleine Bachlein sichtbar, welches, als Quelle aus dem
Kontaktniveau iiber den Abhang fliessend, den Tuff
dabei an demselben abgelagert hat; haufig linden wir in
384
und auf dem Tuff heruntergefallene Stiicke des Decken-
schotters; es ist wohl derselbe hier infolge der ein-
schneidenden Erosion teilweise abgerutscht, worauf die
einzelnen Stiicke von Kalktuff eingehiillt wurden. Die
Bestimmung der im Tuff eingeschlossenen postglacialen
Schneckenfaunula verdanken wir Herrn Dr. Gutzwiller.
dem wir dafur, sowie fur das unserm Unternehmen iiber-
haupt entgegengebrachte fordernde Interesse gerne an
dieser Stelle unsern besondern Dank aussprechen; es
fanden sich bis jetzt:
Hyalina intens Michaud.
„ cillaria MiiU.
Clausilia (unbestimmbar)
Buhinus montanus Drap.
Patula ruderata Stud.
Helix candid ula Stud.
„ arbustorum L.
„ nemoralis L.
„ hortensis Miill.
„ villosa Drap.
„ pomatia L.
„ fruticum Miill.
„ incarnata Miill.
„ personata Lam.
Von dieser Lokalitat stammen auch prachtige In-
krustationen von Buchenblattern, welche uns von Herrn
Kantonsschiiler Vonwiller in verdankenswerter Weise zur
Verfugung gestellt worden sind.
Die Bezeichnung „Tugstein" im Tanner- resp. Bern-
hardzeller Wald deutet in unmissverstandlicher Weise
das Vorhandensein von Kalktuff an ; es fand sich solcher
wenig westlich davon bei Anlage eines neuen Waldweges
iiber der entblossten Molasse, ohne dass es uns moglich
gewesen ware, einen Anhaltspunkt iiber seine mutmass-
liche Erstreckung zu gewinnen, weshalb auch von einer
Eintragung Umgang genommen wurde. Man gewinnt
den Eindruck — zahlreiche Spuren weisen darauf hin —
386
class eine lokal mehr oder weniger reichliche Tuffbildung
sich an der Basis der Deckenschotterkante mit gelegent-
lichen Unterbrechungen einem Mantel gleich dahinzieht.
IV. Flusserosion und Flussterrassen.
Die fruheren Flusslaufe sind durch die wiederholten
Vergletscherungen der Eiszeit, durch gewaltige Moranen-
ablagerungen, machtige Schmelzwasser und durch die in
den Interglacialzeiten wirkende Erosion bedeutend ver-
andert, ja vielerorts in eine ganz andere Richtung ab-
gelenkt und oft sogar einem andern Fluss-System zuge-
wiesen worden. Halten wir uns indessen fur unser Ge-
biet an den Zustand, wie er sich herausbildete, nachdem
der Rheingletscher sich endgultig in die Alpen zuriick-
gezogen hatte und lassen wir die Frage offen, ob die
drei hier in Betracht kommenden Flusse resp. Flusschen,
Goldach, Steinach und Sitter mit Urnasch, sich ungefahr
die namlichen Flussbetten wieder ausgewahlt haben, welche
die letzte Eiszeit mit gewaltigen Gletscherschuttmassen
ausgefiillt hatte.
Wie schon im Abschnitt uber das Diluvium ange-
deutet, kann uns das Niveau von ca. 600 m liber Meer,
welchem die Wittenbacher Drumlins aufgesetzt sind, dazu
dienen, den Betrag der Tiefe der postglacialen Fluss-
erosion festzustellen. Wir diirfen dieses Niveau nicht nur
fur Sitter und Steinach zu Rate ziehen, sondern unbe-
denklich auch fur die Goldach, wenigstens fiir die in
Frage kommende Strecke zwischen Unter Weid-Riedern
einerseits und Mittlerhof anderseits. Hier namlich erreicht
das postglaciale Einschneiden der Goldach das Maximum
mit dem Betrage von ca. 120 m.
Fur die Steinach dagegen ergibt sich als grosster
386
Betrag die Tiefe von 80 m zwischen Kronbuhl-Gommens-
wil einerseits und Reggenswil anderseits.
Zwischen dem Niveau Kronbtihl - Weid - Mittlerhof
(ca. 600 m) und dem Bodensee (398 m) arbeiten Goldach
und Steinach fast unter den gleichen Bedingungen. Aber
die Goldach ist wasserreicher und eine Vergleichung der
obenerwahnten Erosionsbetrage fuhrt zu dem zu erwarten-
den Resultat, dass unter sonst gleichen Verhaltnissen der
grossere Fluss sich merklich tiefer einschneiden wird.
Doch nicht allein die grossere Wassermasse ist es,
welche die Goldach in ihrer erodierenden Tatigkeit gegen-
iiber der Steinach in Vorteil setzt, sondern auch die Ge-
steinsbeschaffenheit im Sammelgebiete. Im Einzugsgebiet
der Goldach finden sich nur wenige Nagelfluhschichten,
wahrend die Steinach in ihrem ohnehin bedeutend kleineren
Sammelgebiet eine grossere Anzahl von widerstandsf ahigen
Nagelfluhbanken zu iiberwinden hatte. Die reichere Ge-
schiebefuhrung der Goldach, bedingt durch die raschere
Abtragung von Sandstein, Mergel und Gletscherschutt
im Quellgebiet, beforderte selbst wieder die Talvertiefung
auch im untern Teil des Flusslaufes unter der Martins-
biiicke.
In ihrem Ruckwartseinschneiden zeigen die Fliisse
das Bestreben nach einer Ausgleichung des Gefalles. Die
Goldach ist hierin schon bis hinter die Ruine Rappen-
stein gelangt, die Steinach dagegen nur bis in die Gegend
unter Espenmoos und Heiligkreuz. So setzt z. B. die
Hohenkurve 570 ca. 200 m hinter der Nagelfluh von
Rappenstein uber die Goldach, wahrend die gleiche Hohen-
kurve die Steinach schon zwischen Bruggbach und Hagen-
wil iiberschreitet.
Grossere Wassermenge und reichere Geschiebefiihrung
387
bewirkten gemeinsam nicht nur raschere Ausgleichung
des Gefalles der Goldach, sondern auch etwas grossere
Breite des Flussbettes durch Serpentinenbildung. Natiir-
lich kann bei diesem kleinen Fluss von einer breiten Tal-
sohle nicht die Rede sein, aber doch zeigen sich schon
zahlreiche Serpentinen (Flusskriimmungen) mit begleitenden
kleinen Alluvialebenen in so deutlicher Weise, dass sie
auf der Karte Beriicksichtigung finden mussten.
Die Steinach mit ihrem grossern Gef&lle weist in
ibrem Flussbett zwischen Espenmoos und dem nordlichen
Rand unseres Kartengebietes nur unbedeutende Anf&nge
von Serpentinen und Alluvialebenen auf, so bei der Tobel-
miihle, ferner E unter Durrenmuhle und W unter Hub.
Gehen wir zur Sitter iiber, die absolut genommen
auch noch nicht ein grosser Fluss genannt werden kann,
aber verglichen mit Steinach und Goldach doch schon
als bedeutenderes Gewasser erscheint.
Es ist interessant, dass die Urnasch nicht nur der
Rich tun g nach, sondern in der Gegend des Zusammen-
flusses auch der Talbildung nach der wasserreicheren und
den Namen behaltenden Sitter gegenuber als Hauptfluss
erscheint. In der Regel wird ein starker Nebenfluss bei
seiner Einmundung in den Hauptfluss den letztern nach
der gegeniiberliegenden Uferseite drangen, von welcher
er wieder zuriickgeworfen wird und so fur das Miindungs-
gebiet zur Bildung einer Flusskrummung und damit einer
etwas breiteren Talsohle Anlass gibt. Die Kubelgegend
steht in dieser Beziehung nicht normal da; man erhalt
geradezu den Eindruck, dass die Sitter in die Urnasch
miinde.
Nach dem Zusammenfluss macht sich die vermehrte
Kraft der vereinigten Gewasser durchaus nicht etwa sofort
388
in einer auffalligen Verbreiterung des Flussbettes bemerk-
bar; es bleibt enge, fast schluchtartig bis westlich unter
Stocken. Hier aber, in der Gegend der Fabrik, beginnen
plotzlich die nun in grosser Zahl sioh folgenden bedeutenden
Flusskriimmungen ; die Talfurche weitet sich auffallig und
verhaltnismassig ausgedehnte Alluvialebenen treten auf.
Die so ganzlich verschiedenen Charaktere des Flusslaufes
oberhalb und desjenigen unterhalb Stocken sind ein ekla-
tantes Beispiel fur den Einfluss der Gesteinsbeschaffenheit
auf die Talbildung. Auf der kurzen Strecke von P. 601
beim Elektrizitiitswerk bis westlich unter Stocken hatte
der Fluss sechs starke, zum Teil sogar sehr machtige
Nagelfluhschichten zu durchschneiden, wogegen von Stocken
an abwarts neben vorwiegendem Mergel und einzelnen
Sandsteinbanken nur noch wenige in weiten Abstanden
sich folgende Nagelfluhschichten zu uberwinden waren.
Allgemein gesprochen: Die Gesteinsbeschaffenheit beein-
flusst die Talbildung ganz vorwiegend in Hinsicht auf
die Breite, viel weniger auf die Tiefe des Flussbettes.
In der Gegend zwischen Wittenbach und Bernhardzell
konnen wir fur die Sitter als Tiefenbetrag der post-
glacialen Erosion 70 m konstatieren, ein Resultat, das
hinter demjenigen der Goldach (120 m) merklich zuriick-
steht und nicht einmal das der Steinach (80 m) erreicht.
Die Tatsache ist leicht erklarlich, da die Einmiindung in
die Thur wesentlich hoher liegt als das Niveau des Boden-
sees, die Sitter somit, verglichen mit Steinach und Gold-
ach, in ihrer Austiefungstatigkeit gleichsam gebunden
und unter nachteiligen Bedingungen arbeitete.
Die Neigung der Fllisse zur Bildung von halbkreis-
formigen, ja mitunter fast schleifenartigen Krummungen
ist auffallig. Die Frage, warum eine Krummung gerade
389
an dieser oder jener Stelle sich gebildet, ist in den meisten
Fallen eine miissige, da sehr oft der Zufall die Haupt-
rolle spielt. Ein scheinbar geringfugiges Hindernis, z. B.
ein bei abnehmendem Hochwasser im Flussbett liegen
gebliebener grosserer Stein, bei kleineren Gewassern sogar
ein Stuck Holz, kann die Ursache der Serpentinenbildung
werden. Das genannte Hindernis verlangsamt an der
betreffenden Stelle die Geschwindigkeit des Wassers und
vermindert seine Stosskraft, so dass mitgefuhrte Geschiebe
hier liegen bleiben und so den Anfang einer Kiesbank
darstellen. Das Wasser wird dadurch von seiner geraden
Bahn mehr oder weniger abgelenkt und nach einer Ufer-
seite gewiesen. Der Anfang zur Kriimmung ist hieinit
gemacht. Zugleich erhalt die Konvexitat des fliessenden
Wassers vermehrte Geschwindigkeit und Stosskraft und
greift das Ufer stark an, in der Weise, dass durch direkte
Abtragung und Unterhohlung der unteren Uferpartien
die oberen zum Nachsturz gebracht werden. Auch der
von einem einmundenden Bach abgelagerte Schutt kann
zu einer Kriimmung des Flusslaufes Veranlassung geben,
falls die Stosskraft des Wassers nicht ausreicht, um den-
selben sofort wegzuspiilen.
Um Missverstandnisse zu vermeiden, sei gleich hier
bemerkt, dass die Ausdrlicke konvex und konkav hier in
folgendem Sinne angewendet werden : Die Konvexitat des
Flusses bespiilt die konkave Ufer- oder Landseite, wahrend
die Konkavitat des Flusses die konvexe Ufer- oder Land-
seite umschliesst.
Es ist erstaunlich, was fiir Arbeit der Fluss am kon-
kaven Ufer verrichtet. Unablassig, namentlich aber bei
Hochwasser erfolgreich arbeitend, ringt er dem Fels ein
neues Bett ab, verursacht kleinere und grdssere But- 4
390
schungen, Erd- und Pelsschlipfe und verkiindet seine
Tatigkeit durch weithin sichtbare Abbruchstellen. Ein
Blick auf die geologische Karte zeigt uns von Stocken
weg bis nach Radlisau zahlreiche Rutsch- und Schutt-
gebiete. Die Grosszahl liegt, wie sofort ersichtlich, an
der Konvexitat der Flusskrttmmungen, d. h. am konkaven
Ufer. Wird das konkave Ufer angegriffen und abgetragen,
so geschieht auf der gegeniiberliegenden Seite das Gegen-
teil. Hier wird der anfanglich unbedeutenden Kiesbank
immer mehr Material angelagert, da die Stosskraft des
Wassers auf dieser Seite nur gering ist und zur Weiter-
beforderung der Geschiebe nicht mehr hinreicht. So ent-
steht nach und nach eine kleine Ebene, die immer noch
vorriickt, so lange der Fluss am gegeniiberliegenden Ufer
noch erodiert. Also: Auf der einen Seite Erosion, resp.
Abtraguug oder Abspiilung, auf der andern Alluvion,
resp. Auffiillung oder Anspiilung.
Steht man am Sitterufer zwischen Biittingen und
Malerhof, so lassen sich die beiden Vorgange mit einem
Blick iibersehen. Man sieht und fiihlt gleichsam, wie der
Fluss sich am rechten Ufer ein neues Bett erobert, wahrend
am linken Ufer die Alluvialebene vorriickt, um einst auch
das jetzt noch felsige, neugewonnene Bett der jetzigen
rechten Seite mit Kies zu iiberdecken.
Im Gebiet der Kriimmungen lauffc der Fluss nur
selten noch parallel zu den taleinfassenden Uferwanden?
moistens stosst er in starkem Winkel auf die letztern und
wird folgerichtig jeweilen auf die gegentiberliegende Seite
zuriickgeworfen, welcher Vorgang an das bekannte Ge-
setz liber Ein- und Ausf alls winkel erinnert. So arbeitet
eine Krummung schon der andern vor ; auf langere Strecken
reihen sich die Serpentinen in ununterbrochener Folge
391
aneinander, so von Stocken bis Spisegg und vom H&ttern-
wald bis zur Sage, wo die Sitter unser Gebiet verl&sst.
Wie aus dem Vorangegangenen ersichtlich, ist die
Entstehung der Flussalluvialebenen bedingt durch die
Serpentinenbildung. Die jiingsten Alluvionen konnen
jeweils bei hohem Wasserstand noch vom Wasser bedeckt
werden ; sie gehoren dem Inundationsgebiet an. Im Laufe
langer Zeitraume aber schneidet der Fluss sich tiefer ein ;
er greift die von ihm selbst gebildeten Alluvialebenen
mit dem darunter liegenden Fels an und lasst von den
friiheren ausgedehnten Kiesebenen oft nur noch Reste
ubrig, die nun, merklich hoher liegend als das Fluss-
niveau, als sogenannte Flussterrassen Kunde geben vom
einstigen hohem Laufe des Flusses. Die Flussterrassen
konnen vom Wasser nicht mehr iiberdeckt, wohl aber
durch Unterfressung fortgespiilt werden. Die Terrassen
liegen meist in gewissen Abstanden tibereinander und
wo sie auf beiden Seiten des Flusses erhalten geblieben
sind, da entsprechen die gegeniiberliegenden einander in
der Hohenlage. Solche Terrassen zeigen sich an der
Sitter am schonsten bei Erlenholz und Leo, sowie bei
Radlisau und Sage am Nordrande unseres Gebietes. Audi
an andern, auf unserer Karte eingezeichneten Stellen,
finden sich solche Reste alter Talboden. An der Goldach
dagegen, deren Inundationsgebiet kleine, aber doch deut-
liche Alluvialboden und Serpontinen zeigt, sind die altern
Terrassen an den steilen Uferwanden spurlos verschwunden.
Das Wort „alter;i ist librigens mit Vorsicht aufzunehmen;
denn es ist festzuhalten, dass alio hier in Frage stehenden
Flussterrassen postglacial sind.
Auch die Terrassen an der Sitter sind im Grunde
sowohl an Ausdehnung, als an Hohe recht bescheidener
I
392
Natur und nicht zu vergleichen mit imposanten, eDt-
gprechenden Bildungen grosserer Fliisse. An der Sitter
liegen die hochsten mit Sicherheit als solche anzusprechen-
den Terrassen 30 — 40 m Tiber dem jetzigen Flussniveau,
soweit der Flusslauf von Stocken an ab warts in Frage
kommt.
Bei jeder Terrasse ist zu unterscheiden zwischen dem
eigentlichen Terrassenboden und der dem Fluss zuge-
wendeten Kante1) mit dem darunter folgenden, bis zur
nachstuntern Terrasse reichenden Steilhang oder Absturz.
Der Terrassenabsturz, der hie und da teilweise, seltener
ganz entblosst ist, wird von oben nach unten meistens
folgendes Profil zeigen:
1. Verwitterungsschicht,
2. Flusskies,
3. Molassefels.
Doch hat sich ja der Fluss mitunter nicht in den
Fels, sondern hie und da in gewaltige Moranemassen oder
in fluvioglaciale Schotter eingeschnitten und es ist in
diesem Falle als dritte Schicht statt Molassefels Moranen-
schutt, resp. Schotter einzusetzen, unter welchem erst bei
tieferem Einschneiden die Molasse folgen wiirde.
Der schonste Anschnitt einer ziemlich hoch uber dem
jetzigen Wasserniveau gelegenen Flussterrasse findet sich
gegenuber Radlisau am rechten Sitterufer. (Siehe Photo-
l) In die Karte wurde stots die Terrassenkante eingezeiclinet.
AVenn sie da und dort widersinnig zu verlaufen scheint, d. h. ver-
glichen mit der nachsten Hdhenkurve, flussabwarts scbeinbar steigt
anstatt fast horizontal zu bleiben oder schwacb zu fallen, so ist
nicht iminer an einen Fehler bei der Aufnahme oder an eine Ver-
schiebung beim Drucke zu denken. In manchen Fallen stimmen
eben auch die Kurven der Siegfriedblatter nicht genau mit der
Wirklichkeit iiberein.
393
graphie.) Ein jiingerer AUuvialboden, ebenfalls mit Fels
als Unterlage, ist gut angeschnitten am linken Sitterufer
etwas oberhalb von Radlisau.
Unsere Karte verzeichnet auch zwischen Sitter und
Urnasch (bei Weitenau, Lenggern und Storgel) und ost-
lich der Sitter bei Schwantlen, Gassli, Kiihnishaus und
Sommerhaus-Haupteten Flussterrassen. Sind es wirkliche
Flussterrassen, so hat sich hier die Sitter seit dem Riick-
zug der Gletscher 120 bis gegen 130 m tief eingeschnitten.
Es erscheint dieser Betrag, verglichen mit den 70 m
zwischen Wittenbach und Bernhardzell, etwas hoch ; aber
hat nicht die kleine Goldach das namliche (120 m) ge-
leistot? Fiir das Vorhandensein wirklicher Flussterrassen
spricht ganz besonders die Bodengestaltung bei Sommer-
haus-Haupteten-Nord mit der mehrfachen in kleinen Hdhen-
abstanden sich folgenden Terrassierung. Dafiir spricht
ferner eine deutlich sich abhebende, genau im obersten
Terrassenniveau liegende Schicht grober Gerolle, welche
in der weithin sichtbaren Kiesgrube von Kiihnishaus die
unregelmassig steil geschichteten fluvioglacialen Schotter
horizontal iiberlagert und daher sehr wohl als postglaciale
Flusskiesdecke aufgefasst werden kann. Wir hatten so
ein schones Beispiel fiir den oben angedeuteten Fall der
Flusserosion in glacialen Schottern, statt in anstehendem
Fels. Wahrend beide Autoren in dem vorliegenden Fall
eine Flussterrasse der Sitter erkennen, weichen sie dagegen
in ihrer Ansicht iiber die horizontale t^berlagerung von
einander ab ; der eine deutet dieselbe als eine postglaciale
Flusskiesdecke, wahrend der andere eine horizontale Uber-
gusschicht fluvioglacialer Natur darin erblickt (vergleiche
Diluvium. .Das G-ebiet des Santisgletschers).
Absichtlich sind im ganzen Kapitel iiber Flusserosion
394
und Flussterrassen die Bezeichnungen Erosionsterrasse und
Akkumulationsterrasse vermieden worden, da sie nur ge-
neigt sind, Verwirrung zu stiften, sofern sie einen Gegen-
satz andeuten sollen. Wir haben bei Besprechung der
Serpentinenbildung gesehen, dass beide Prozesse gleich-
zeitig vor sich gehen, am konkaven Ufer die Abtragung
(Erosion), am konvexen Ufer die Ablagerung oder Auf-
fullung (Akkumulation). So lange der Fluss uberhaupt
sich noch einschneidet, iiberwiegt allerdings die Erosion
und es miissten deshalb unsere Flussterrassen, falls man
sie naher prazisieren wollte, als Erosionsterrassen bezeichnet
werden, da sie ja nur Reste friiherer Talboden darstellen,
die durch Erosion und Akkumulation, vorwiegend aber
durch erstere gebildet wurden. Von eigentlichen Akku-
mulationsterrassen konnte man in jenen Talstrecken reden,
wo die Erosion vollig zum Stillstand gekommen ist, ferner
bei Deltabildungen diluvialen Alters, die sich heute als
Terrassen prasentieren. Das Wort Akkumulationsterrasse
ist aber auch deshalb zweideutig, weil die Gefahr nahe
liegt, es auf alle Falle anzuwenden, in welchen fluvio-
glaciale Schotter durch einen terrassenbildenden Fluss in
postglacialer Zeit angeschnittcn wurden. Kurzer gesagt,
man ist nicht klar, ob die Bezeichnung Akkumulations-
terrasse Bezug haben soil auf die ablagernde Tiitigkeit
des Flusses, oder aber auf das friiher abgelagerte Material,
in welchem er arbeitete. Deshalb legen wir der ganzen
Unterscheidung wenig Wert bei.
Schliesslich sei noch angedeutet, dass die Erosion in
interglacialer und in friihester postglacialer Zeit jeden-
falls auch in unserm Gebiet Flussablenkungen veranlasst
hat, wie sie anderwarts so iiberzeugend nachgewiesen
wurden. Es ist anzunelimen, dass das Tal der Demut
395
einst dem Flussgebiet der Steinach angeh6rte, die ihren
Querdurchbruch nach dem Tal von St. Gallen damals in
der Qegend des „Nesta hatte (Stadium I). Vielleicht
wurde die Steinach sogar der Sitter tributar, indem der
Wattbach ihr in die Seite fiel und sie nach Suden und
Siidwesten ablenkte (Stadium II). Bevor sich jedoch der
Fluss riickwarts gegen St. Georgen tief genug einschneiden
konnte, erfolgte, vielleicht begiinstigt durch eine Kluft
in der Nagelfluh, die Ablenkung nach dem Tal von
St. Gallen durch die Schlucht der Muhlenen (heutiges
Stadium). Es fragt sich nur, ob die Sache nicht noch
wahrscheinlicher wird, wenn man Stadium I und II in
der Zeitfolge vertauscht. Jedenfalls spielten dabei die
der Hauptsache nach dem Santisgletscher entstammenden
Moranenmassen beim „Nesta eine ausschlaggebende Rolle.
Noch andere Fragen drangen sich auf. Welcher
Fluss hat das Tal von St. Gallen geschaffen, dessen be-
deutender Breite die kleine Steinach so gar nicht entspricht.
Waren es in der Hauptsache machtige Schmelzwasser
des sich zuriickziehenden Gletschers? Oder floss in der
Tat einst, wie Deicke meint, die Sitter iiber den Haggen
(naturlich in etwas hoherem Niveau) nach der Gegend
von St. Gallen? Wenn ja, so ware die auffallige Richtung
der Terrassenkanten Sommerhaus-Nord-Haupteten leicht
erklarlich. Und -welchem Fluss verdankt das Breitfeld
bei Winkeln - Gossau und der dortige Niederterrassen-
schotter sein Dasein ? Waren es Schmelzwasser der letzt en
Vergletscherung oder floss die Urnasch einst hoch iiber
dem jetzigen Kubel nach Westen und erfolgte die Ver-
einigung mit der Sitter erst in spaterer Zeit, als beide
Flusse durch riickwartsgreifende Erosion eines rasch
arbeitenden Nebenflusses der Thur abgelenkt und zugleich
396
vereinigt warden? "Wir konnen diese Fragen nicht be-
friedigend beantworten.
V. AlluYlalschutt und Rutschungen.
Ein Molassegebiet wie das unsrige, das von zahl-
reichen Bachsohluchten durchzogen und bis auf betracht-
liche Hohen von Gletscherschutt iiberdeckt ist, wird sich
stets als ein Schutt- und Rutschgebiet par excellence aus-
weisen miissen. Auf der einen Seite ist es der an und
fur sich meist leicht bewegliche Gletscherschutt, welcher
an den Berghangen abwarts gleitet oder vom Eande
unserer Erosionstobel in dasselbe hinunter rutscht. Auf
der andern Seite sind es vor allem die Mergel unserer
Molasse, welche sich bei andauerndem Regenwetter durch
Wasseraufnahme in eine breiartige Masse verwandeln
und auf diese Weise nur allzuhaufig grossere und kleinere
Rutschungen veranlassen, wobei selbstverstandlich je nach
Umstanden auch Schichten der ubrigen Molassegesteine
in Mitleidenschafb gezogen werden konnen.
In den Tobeln der Sitter, Steinach und Goldach sind,
wie ein Blick auf die Karte lehrt, Rutschungen ausser-
ordentlich haufig zu konstatieren — stellt sich doch z. B.
der nordliche Lauf der beiden letztern geradezu als je
ein fast ununterbrocheries Rutschgebiet dar. Die west-
liche Steilwand dieser Tobel wird von den Schichtkopfen
der Molasse gebildet und das uberlagernde Erratikum ist
stellenweise iiber die Uferkante hinabgerutscht, um sich
in der Tiefe in Form von Schuttkegeln und -Halden an-
zuhaufen.
Infolge der unablassigen Abspiilung und Unterhohlung
des Molassesteilhangs, ganz speziell an der Konvexitat
der Flusskriimmungen (resp. am konkaven Ufer), ist aber
397
auch an manchen Stellen die Molasse selbst zum Absturz
genotigt worden ; ein prachtiges Beispiel hiefur bildet der
grosse Absturz am linken Sitterufer gegentiber Erlenholz ;
er beeintrachtigte auf Jahre hinaua die Kiesgewinnung
weiter unten im Sitterbett zwischen Wittenbach und
Schrattenwil, da der Fluss von der abgestiirzten Fels-
masse her soviel Sandstein- und Mergelgeschiebe mit sich
fiihrte, dass dieselben zuerst nach Moglichkeit ausgelesen
und entfernt werden mussten. Ubrigens finden hier (be-
sonders an einer Stelle) auch jetzt noch fast alljahrlich
kleinere Nachstiirze statt, sei es bei starker Wasserfuhrung
durch Unterspiilung oder bei anhaltender Trockenheit
durch Austrocknen und Zerbrockeln des Molassegesteins.
Selbstverstandlich stiirzt mit der Molasse auch der die-
selbe uberlagernde erratische Schutt in die Tiefe, so dass
das abgebrochene Molassematerial meist mit erratischen
Gesteinsbrocken reichlich bedeckt und durchsetzt erscheint;
die durch den Absturz gebildeten Schuttkegel oder Halden
reichen oft nahezu bis zur Uferkante empor; es ergeben
sich dadurch an Stelle der urspriinglich sehr steilen, bei-
nahe senkrechten Uferwande sanftere Boschungen, welche
einen verhaltnismassig leichten Aufstieg gestatten, wes-
halb leicht begreiflicherweise gerade solche Stellen bei
der Anlage kleiner, aus dem Tobel emporfuhrender Fuss-
wege in erster Linie Beriicksichtigung gefunden haben.
Treffliche Beispiele hiefur bilden unter andern der Fuss-
weg von Riedern abwarts zur Goldach, die beiden Wege
von Zinslibiihl und Tobel zur Steinach und auf der linken
Sitterseite ganz besonders charakteristisch der Weg vom
Hatterensteg aufwarts. Der Abrutsch von Molassefels
dokumentiert sich stets mehr oder weniger deutlich durch
den Umstand, dass die obere Uferkante weiter landw&rt*
398
ausbiegt, als es durch die Erosion des Wassers an und
fur sich bedingt ist; die entstandenen Nischen sind, wie
bereits angedeutet, vom Schutt meist hoch hinauf wieder
aufgefiillt worden.
Anders liegen die Verhaltnisse auf dem rechten Ufer
von Sitter, Steinach und Goldach, wieder von Stocken,
resp. Espenmoos und Martinsbriicke an abwarts. Hier
8ind es nicht die Schichtk5pfe, sondern die Schichtflachen1),
welche den Uferabhang bilden, welch letzterer daher ver-
h<nismassig leicht zu begehen ist. Hier ist es meist
der Gletscherschutt, welcher liber die schiefen Schicht-
flachen der Molasse heruntergeglitten ist und dieselben
oft auf weite Strecken vollig bedeckt, wie das z. B. vom
nordlichsten Nagelfluhriff der Goldach an abwarts der
Fall ist, wo die Molasse nur noch in einzelnen Fetzen
sichtbar ist; alles iibrige ist von Schutt bedeckt, wie
denn auch westlich vom Mittlerhof eine Abrutschstelle
an dem hier sehr machtigen Erratikum deutlich wahr-
genommen werden kann. Bei der leichten Beweglichkeit
des Gletscherschuttes, die durch starke Niederschlage noch
bedeutend erhoht wird, ist es leicht begreif lich, dass gerade
auf dem rechten Ufer unserer Flusslaufe die Butschungen
am zahlreichsten sind, und, auch einzeln genommen, gegen-
uber denjenigen der linken Seite eine grossere Fl&chen-
ausdehnung aufweisen; in Bezug auf den Kubikinhalt
dagegen lasst sich dasselbe nicht ohne weiteres behaupten.
Auch auf der rechten Uferseite beschranken sich die
Abrutschungen nicht immer auf den Glacialschutt ; auch
hier kann der anstehende Molassefels in Mitleidenschaft
*) Genau stimint das natiirlich nur an denjenigen Stellen.
wo sich dor Fluss wenigstens anniihernd im Streichen der Schichten
bewegt.
399
gezogen werden and zwar ganz besonders die Mergel,
welche in Perioden anhaltender Niederschlage leicht auf-
geweicht und zu einer breiigen Masse verwandelt werden.
Vor allem gefahrlich ist auch hier die Erosion; ist der
Fuss der Schichten einmal angeschnitten und ihnen damit
der natiirliche Halt genommen, so ist auch hier die Be-
dingung zum Abgleiten auf einer tiefer liegenden Schicht-
flache gegeben.
Von der Spisegg bis zum H&tterensteg lauft die Sitter
fast in der Streichrichtung der Schichten. Hier musste
das Einschneiden des Flusses fur die rechte Talseite mit
den Schichtflachen ganz besonders augenfallige Folgen
haben, indem das durch Anschneiden der Schichtbasis
in erster Linie hervorgerufene Abrutschen und Nach-
gleiten der Schichten viel weiter riickwarts, d. h. in der
Bergseite aufwarts sich geltend machen musste. In der
Tat kann denn auch der Hatterenwald ohne allzu grosse
tlbertreibung als ein grosses Rutschgebiet aufgefasst
werden. Wohl mogen auch die zahlreichen sekundaren
Wasserrinnen, kleine Seitenbache der Sitter das Ihrige
zu den Rutschungen beigetragen haben, aber die Haupt-
sache war jedenfalls das Anschneiden der Schichten durch
die Sitter. Wie leicht die Schichten nachgleiten, wenn
sie in solcher Weise ihres Haltes beraubt werden, das
erfuhr St. Gallen besonders drastisch gelegentlich der Aus-
hebungsarbeiten ftir den Erganzungsbau des Reservoirs
an der Speicherstrasse, als innert kurzer Zeit infolge des
kunstlichen Anschneidens der Schichtflachen zwei ver-
derbliche Erd- und Felsschlipfe niedergingen, wodurch
die Arbeiten eine bedeutende Verzogerung erlitten; der
zweite Abschlipf erfolgte am 14. Januar 1904 ; er lagerte
ca. 2000 Kubikmeter Schutt und Felstnimmer ab; der
400
erste scheint weniger bedeutend gewesen zu sein. Erst
nach Vornahme der Ausraumung und griindlicher Siche-
rungsarbeiten konnte die Ausgrabung wieder fortgesetzt
werden.
Der verhangnisvollste Schlipf dieser Art, ein eigent-
licher Felssturz, ereignete sich seinerzeit im Martinstobel ;
es war uns bis jetzt unmoglich, das genaue Datum dieser
Katastrophe in Erfahrung zu bringen, doch muss dieselbe
bestimmt im September des Jahres 1846 stattgefunden haben.
Ein ganzer Komplex von Schiefermergeln auf der rechten
Uferseite ist infolge des Anschneidens der Schichtbasen
durch die Goldach und unmittelbar infolge Aufweichung
des Gesteins durch anhaltende Niederschlage ins Wanken
geraten und zum Goldachbett abgestiirzt. Von dem
Punkte aus, wo die Strasse von Unterschachen nach
Martinsbruck slid warts umbiegt, lasst sich die noch fast
nackte, glatte Flache, auf welcher die Massen abrutschten,
trefflich beobachten; auch der allerdings bereits wieder
in reichlicherem Masse mit Vegetation bedeckte Schutt-
kegel an der Basis hebt sich deutlich ab. Er reicht vom
Goldachbett aufwarts bis zu der Strasse, welche von der
Martinsbrucke empor nach Hinterhof und Untereggen
fiihrt und bildet ein formliches Blockmeer, wo von man
sich leicht von der Strasse aus uberzeugen kann; viele
Blocke zeichnen sich durch ihre ganz bedeutende Grosse
aus und man wird durch dieselben einigermassen an das
bekannte Triimmerfeld von Goldau erinnert. Sicher musste
seinerzeit infolge des Absturzes eine unheildrohende Stauung
der Goldach eingetreten sein, deren schlimmen Folgea
wohl durch entsprechende Ausraumungsarbeiten vor-
gebeugt werden konnte; leider aber waren der eigent-
lichen Katastrophe schon vorher zwei Menschenleben zum
401
Opfer gefallen: zwei junge TSchter von Rehetobel f and en
dabei ihren Tod.
Schliesslich sei noch ganz besonders auf das Rutsch-
gebiet der Steinach im Galgentobel hingewiesen ; es sind
hier am rechten Ufer, wo die Bahnlinie liegt, gerade in
den letzten Jahren wieder zahlreiche Sicherungsarbeiten,
vor allem sehr zweckentsprechende Drainierungen, aus-
gefuhrt worden, welche geeignet sind, jede unmittelbare
Gefahr abzuwenden; freilich bedarf diese Strecke einer
stetigen scharfen Kontrolle. welche unsers Wissens auch
ausgeiibt wird. Besonders nach einer Periode reichlicher
Niederschlage wird eine eingehende Kontrolle der ganzen
rechten Uferwand geboten erscheinen.
Bei der Eintragung der Rutschungen wurden vor allem
die ausgepragten Rutschgebiete der Sitter, Goldach und
Steinach beriicksichtigt ; es muss aber darauf hingewiesen
werden, dass auch das ubrige Gebiet, wenn auch mehr
isoliert und in kleinerem Masstabe, haufig solche auf-
weist, trotzdem sie auf der Karte nicht verzeichnet worden
sind. Die sudlich der Strasse nach Schwendi (Speicher-
schwendi) zur Goldach ziehende Mulde ist reich an grossen
und vielen Rutschungen ; auf dieso, sowie auf solche weiter
oben (Strasse nach Speicher, vom Baren aufwarts) hat
uns Herr Dr. Fruh speziell aufmerksam gemacht; der
verzeichnete Aufschluss beim Rank liegt wohl in ge-
rutschtem Material und die iibrigens recht grobe Schichtung
ware dann lediglich eine Folge des den Rutsch bewirkenden
Wassers; die Eintragung unterblieb, hauptsachlich um
diejenige der Terrassen nicht zu storen. Auch die flache
Mulde am Nordhang des Kapfwaldes weist, der welligen
Oberfl&che nach zu urteilen, auf Rutschungen hin.
Der Vollstandigkeit wegen sei noch erwahnt, dass an
402
der Basis fast aller Steilhange (ob im Streichen oder Fallen
der Gesteinsschichten) mehr oder weniger Schutt lagert,
ohne dass er in jedem Falle von einer eigentlichen Eut-
schung herzustammen brauoht; er ist dann eben das
Produkt langsamen Abbrockelns, resp. der Verwitterung
des Gesteins : Verwitterungsschutt. Besonders an Stellen.
wo Nagelfluhriffe den Steilhang durchziehen, fehlt er
sozusagen nie (Nordabhang des Wattbachs im Napfwald,
Sudseite der Bernegg usw.) ; die Nagelfluh, sowie iibrigens
auch die iibrigen Molassegesteine werden durch das ein-
dringende atmospharische Wasser im Winter infolge des
Gefrierens leicht gesprengt, woraus sich die merkliche Zu-
nahme des Schuttes im Friihling von selbst erklart. An der
St. Georgenstrasse, auf dem reohten Steinachufer, lasst sich
an der hier im Fallen angeschnittenen Harfenbergnagelfluh
in kleinerem Masstabe dieBildungdes Verwitterungsschuttes
und dessen verhaltnismassig starke Zunahme im Friihling
trefflich beobachten; dass die Petrefaktenfundstellen im
Friihjahr stets wieder neue und oft reichliche Ausbeute
gewahren, ist selbstverstandlich ebenfalls eine Folge der
Verwitterung des Gesteins.
Auf der Karte wurde dem Verwitterungsschutt, der
oft nur eine diinne und vielfach unterbrochene Decke
uber dem anstehenden Gestein bildet, begreiflicherweise
keine besondere Beriicksichtigung zuteil, so dass der ein-
getragene Schutt, von den Bachalluvionen abgesehen, aus-
nahmslos auf Ruischungen zuriickzufiihren ist.
Um Irrtumern vorzubeugen, sei zum Schluss aus-
driicklich bemerkt, dass wir stets nur die jetzige Schutt-
lagerungsstatte, nicht aber die Abbruchstelle selbst ver-
zeichnet haben ; die letztere ergibt sich dabei von selbst,
da sie selbstverstandlich liber der erstern und event, an
403
deren seitlichen Randern liegen muss. — Zum Schlusse
verdanken wir aufs beste die Unterstiitzung, welche uns
von Seiten des Herrn Forstverwalter Wild in Bezug auf
einige Rutschgebiete zuteil geworden ist.
D. Topograptasch-geologisclie Wechsel-
bezielmngeiL
Die allgemein bekannte Tatsache, dass die Topo-
graphic einer Landschafb in hohem Masse durch ihre
petrographischen, stratigraphischen und tektonischen Ver-
haltnisse bedingt wird, gilt selbstverstandlich auch fur
unser Gebiet. Die folgenden Bemerkungen sollen diesen
Zusammenhang kurz beleuchten, wobei einzelne Wieder-
holungen friiher erwahnter Tatsachen natiirlich nicht zu
vermeiden sind.
Durch eine Linie, die man sich etwa von Untereggen
nach dem Gtibsenmoos, also ziemlich genau in der Streich-
richtung der marinen Molasse gezogen denkt, wird unser
Gebiet in zwei topographisch durchaus verschiedene Teile
zerlegt. Das nordwestlich dieser Linie gelegene Gebiet
ist ganz vorwiegend von Gletscherablagerungen bedeckt,
wahrend im siidostlichen, etwas kleineren Teil die an-
stehende Molasse unbedingt vorherrscht. Breite Riicken,
sanft geneigte Hange und ausgedehnte Plateaus kenn-
zeichnen den Charakter des nordwestlichen Gebietes; aller-
dings wird derselbe nicht allein durch den mehr oder
weniger lockeren Gletscherschutt, sondern auch durch das
geringere, nach Nordwesten immer mehr abnehmende
Gefalle der unterlagemden Molasseschichten bedingt. Die
scharfe Gliederung durch Isoklinalkamme , welche den
404
Charakterzug des sudostliohen Teiles bildet, fehlt fast ganz-
lich — nur der Rosenberg vermag sich noch als solcher
zu behaupten, so dass das Hochtal von St. Gallen geradezu
als ein typisches Isoklinaltal sich darstellt; statt eines
scharf ausgepragten Kainmes weist aber der Rosenberg
schon einen ziemlich flachen, grosstenteils mit Gletscher-
schutt bedeckten Riicken auf. Eine Gliederung anderer
Art wird dagegen bewirkt durch die Erosionstaler der
Goldach, Steinach und Sitter, welche Flusse sich tief in
die Molasse eingeschnitten haben, so dass an ihren Steil-
ufern mancherorts der Kontakt zwischen Anstehendem
und Gletscherschutt sehr schon zu beobachten ist. Von
diesen Fliissen ist es nur bei der Sitter, als dem be-
deutendsten, zu einer ausgepragten Serpentinenbildung
gekommen, ja selbst ein System friiherer Flussterrassen
lasst sich, wie schon fruher erwahnt, nachweisen; der
deutlichen Reste von alten Talboden in der Gegend von
Erlenholz und Lee ist schon gedacht worden. Besonders
an den Steilufern der genannten Flusse linden sich haufig
rezente Schuttkegel und Schutthalden, deren Material zu
einem bedeutenden Teil aus der uberlagernden Gletscher-
schuttdecke stammt ; es ist deshalb oft schwierig, an den
Flussufern die Grenze zwischen Molasse, Gletscherschutt
und eventuell Alluvion genau festzustellen.
Sehr zahlreich, aber von geringerer Bedeutung sinJ
die iibrigen Wasserrinnen dieses Gebietes. Der Tiefen-
bach bei Engelburg und der Bach am Tannerrain bei
Bernhardzell haben sich noch weit hinauf auf grosse
Strecken in die Molasse einzusagen vermocht und fliessen
in tiefen, steilufrigen Tobeln der Sitter zu; von den
iibrigen haben die meisten wenigstens in ihrem untern
Teile die Molasse entweder angeschnitten oder doch bloss-
405
gelegt, w&hrend sie in ihrem Quellgebiet den Gletscher-
schutt nicht abzutragen vermochten. Dieser Umstand
beweist, dass die kleineren Bachrinnen postglacialer Ent-
stehung sind.
Bei plateauartigen Erhebungen strahlen die Bach-
laufe mehr oder weniger radial aus, wie dies am Tannen-
berg und auch bei Peter und Paul gut zu beobachten ist.
Im Sstlichen Teile des Bernhardzeller Waldes greifen die
Erosionsgebiete der zahlreichen Bache in ihrem obern
Teile ineinander, so dass hier die Molasse auf grossere
Strecken zusammenhangend entblosst worden ist.
Betrachten wir nun das topographische Verhalten
der in Betracht kommenden Gesteinsablagerungen in nach-
stehender Reihenfolge: Gletscherschutt, Nagelfluh, Sand-
stein und Mergel.
I. Das Erratikuin oder der Gletscherschutt.
Die 61et8cherablagerungen bedeoken vor allem die
Talboden, wo sie gelegentlich eine grosse Machtigkeit
erreichen (Tal von St. Gallen, Wittenbacher Gegend); an
den Talgehangen steigen sie, vor allem den zahlreichen
Mulden und Nischen im Sammelgebiet unserer Flussrinnen
folgend, in zusammenhangenden Massen oft hoch empor
(Stuhlegg, Kapf, Steineggwald westlich Speicher, Neppen-
egg-Harzig siidlich Speicher) und weisen hier gewohnlich
infolge der leicht eintretenden, mehr oder weniger be-
deutenden Rutschungen auf den geneigten Molasseschicht-
flachen eine unregelmassig gewellte Oberflache auf, wo-
durch sie sich schon ausserlich oft gut von anstehender
Molasse unterscheiden lassen; nur die Mergelmolasse der
Abhange zeigt gelegentlich aus demselben Grunde eine
ahnliche Oberflache, nie aber eigentlicher Sandstein oder
406
gar Nagelfluh; an den siidwestlichen Steilhangen der
Molasse, welche die Schichtkopfe zeigt, konnte sich der
Gletscherschutt begreiflicherweise nicht wohl festhalten
— er ist hier mehr am Fusse derselben angehauft. Schliess-
lich bedeckt Gletscherschutt als zusammenhangende mach-
tige Decke die Plateaux unseres Gebietes: Rotmonten,
Engelburg, Tannenberg. Uberall, wo sie die Molasse
iiberlagert, verwischt sie die scharferen Ziige der Molasse-
landschaft und verleiht derselben ein weicheres, mehr
ausgeglichenes (man mochte fast sagen verschwommenes)
Geprage.
Fiir sich allein verschaffib sich der Gletscherschutt
topographisch vor allem Geltung als sogen. Desor'sche
Moranenlandschaft, d. h. als eine Vergesellschaftung
von bogenformig das Tal durchziehenden, meist unter-
brochenen Querwallen als Endmoranen mit den dem Tal-
gehange folgenden Seitenmoranenwallen. Prachtige Bei-
spiele dieser Art weisen die Gegenden von Bern und
Zurich1) auf. In unserm Gebiet finden wir sie dagegen
nur schlecht und vor allem durchaus nicht typisch ent-
wickelt, insofern unseres Erachtens nur ein sicherer
Endmoranen wall 2) zu verzeichnen ist, namlich derjenige
am Bildweiher mit der hinter ihm liegenden, mit Torf
erfullten, auffallenden Depression (Abtwiler Moos); als
eventuelle Seitenmorane kommt hochstens der kleine Wall
Rosenbuhl, der sich an den Westabhang der Sohttide
anlehnt, in Betracht. Das enge Hochtal von St. Gallen
x) Vgl. Dr. A. Baltzer: Der diluviale Aaregletscher. Beitrage
zur geologischen Karte der Schweiz, 30. Lieferung ; sowie A. Wett-
stein: Geologie von Zurich und Umgebung. Zurich 1885.
■) t)ber den Endmoranonwall der Geltenwilerbleiche siehe
Abschnitt Diluvium pag. 589 im lotztjahrigen Bande; da er ausser-
lich nicht mehr hervortritt, kann er hier nicht in Betracht kommen.
407
mit den zahlreichen, von den Talgehangen sich in das-
selbe ergiessenden grossern und kleinern Wasserrinnen,
konnte der Erhaltung von End- und Seitenmoranen, falls
mehr solcher iiberhaupt hier zur Ablagerung kamen (was
ubrigens durchaus moglich, ja sogar wahrscheinlich ist), in
keinem Fall giinstig sein.
Ob vielleicht die zahlreichen Hiigel siidlich Morsch-
wil und nordlich Hochstenwald nicht eine durch nach-
tragliche Erosion zerschnittene Endmorane darstellen, kann
wohl kaum mehr mit einiger Sicherheit festgestellt werden ;
Aufschliisse in denselben ergaben ungeschichtetes Grund-
moranenmaterial, doch ist kiesige resp. sandige Beschaffen-
heit einiger derselben durchaus nicht ausgeschlossen ;
Spuren einer solchen zeigten sich nachtraglich in einem
schlechten Aufschluss auf dem Hiigel 634 siidlich Alberen-
berg ; durch eine entsprechende Verbindung dieser Hiigel
lassen sich allerdings ohne grosse Kunstelei zwei dicht
aufeinander folgende, durch das Lenermoos voneinander
getrennte, das Tal von der Sitter zur Goldach durch-
querende Endmoranenwalle rekonstruieren ; trotzdem sind
wir nach wiederholter Begehung des hiigeligen Gelandes
zur tjberzeugung gelangt, dass hier teils reine Erosions-
formen der Grundmoranen, teils aber auch mehr oder
weniger sichere Drumlins (Diluvium pag. 006) vorliegen.
Die Drumlinslandschaft, jene Vergesellschaftung
meist langgezogener, flachriickiger Hiigel, welche sowohl
in Bezug auf Form als auch Orientierung sich in be-
stimmter Weise charakterisieren, stellt einen zweiten, haufig
vorkommenden topographischenTy pus des Gletscherschuttes
dar; ein pr&chtiges Beispiel hiefur bildet die ausgepragte
Drumlinslandschaft von Wittenbach ; bei der Behandlung
derselben im Abschnitt Diluvium war es nicht zu ver-
408
meiden, die topographischen Ziige dieses sich ala ein
„geographisches Individuum" Geltung verschaffenden
Landschaftsbildes eingehender zu schildern, weshalb an
dieser Stelle eine nochmalige Besprechung wohl unter-
bleiben kann.
Eine weitere topographische Einheit, als welche der
Gletscherschutt auftreten kann, ist das „Feldu; mit
diesem Namen bezeichnet man vielerorts weite, talabwarts
ziehende Flachen, welche dem Auge einen angenehmen
Ruhepunkt gewahren; es sind fluvioglaciale Kiesboden,
welche sich meist an Moranenwalle anlehnen, aus welchen
sie infolge Abschwemmung durch den Gletscherfluss ent-
standen sind und mit welchen sie in verschiedener Weise
verkniipft erscheinen. Ein treffliches Beispiel hiefiir liefert
das vom Niederterrassenschotter gebildete Breitfeld bei
Winkeln ; es schmiegt sich direkt an die dort verzeichnete
Endmorane (Bild) an und ist in St. Gallon als Schiessplatz
unseres Militars wohl bekannt. Wenn wir den Nieder-
terrassenschotter talwarts, also in westlicher Richtung,
verfolgen, so stossen wir ausserhalb unseres Kartengebietes
noch mehrmals auf die Bezeichnung Feld: Niederdorfer
Feld, Burgauer Feld und Glatterfeld zwischen Gossan
und Flawil.
Nur nebonbei sei einer, wenn auch an und fiir sich unbe-
deutenden, so dock in gewisser Hinsicht interossanten Bildung
von Erdpyramiden en miniature gedacht, welche oft da zu be-
obachton ist, wo lehmige Morane in niassig steilen Wandchen
entblosst ist. Einzelne kleinere wie grossere Geschiebe schutzen
namlich die untor ihnen liegende Partie vor der Erosion des atmo-
spharischen Wassers und lassen steingekrSnte Erdpfeiler hervor-
troten, welche im kleinen an die allbekannten Bozener Erd-
pyramiden erinnern, Eintagsgebilde, welche ebenso rasch vergeben,
als sie entstanden sind, urn andern ihresgleichen Platz zu macben.
Ganz im Gegensatz zu den ubrigen mehr oder weniger
409
lockeren glacialen Ablagerungen bildet die diluviale Nagel-
fluh ein festes Konglomerat, welches sich topographisch in
ganz gleicher Weise geltend macht, wie die tertiare Nagel-
fluh ; sie lagert deckenformig fiber der Molasse des Tannen-
bergplateaus und tritt seitlich als steile Wand deutlich
hervor.
II. Die Nagelfluh.
Von alien in unserm Gebiete vorkommenden Fels-
arten vermag die Nagelfluh infolge ihrer Festigkeit in
besonders ausgepragten Formen sich zu behaupten und
der zerstorenden Wirksamkeit des Wassers am starksten
Widerstand zu leisten. Sie tritt deshalb im Landschafts-
bilde meist augenfallig hervor.
Als sehr steile bis senkrechte, lokal sogar uber-
hangende Felswande zeigen sich ihre Schichtenkopfe an
der Sudseite der isoklinalen Hugelztige (Brandtobel, Watt-
bach, Philosophental, Siidostabbruch des Freudenberges
usw.). Dieselben steilen bis senkrechten Wande finden
sich auch dort, wo sich Gewasser quer zur Streichrichtung
ihre tiefen Tobel eingeschnitten haben, wobei natiirlich
eine und dieselbe Nagelfluhbank auf beiden Seiten des
Flusses sich verfolgen lasst (Urnasch, Sitter, Miihlenen,
Bappenstein etc.).
Da, wo die Nagelfluh von weicherem Gestein, z. B.
Mergel, unterlagert wird, vermag letztere der Erosion
weniger Widerstand zu leisten und es tritt eine Unter-
hohlung der Nagelfluh ein. Solche iiberhangende Nagel-
fluhwande sind im ganzen Gebiet nicht seiten (z. B.
zwischen St. Josephen und Sitterbrucke). Haufig geben
Nagelfluhw&nde Anlass zur Bildung von Wasserfallen
und es ist gerade in diesem Falle die Unterhohlung oft
besonders deutlich zu beobachten (Tobel sudlich von
410
Edliswil und nordlich von Bernhardzell, Sennhaus bei
Abtwil, Kalkofen siidlich von Winkeln, Tannraintobel etc.).
Auch da, wo es zur Bildung von eigentlichen Wasser-
fallen nicht kommt, gibt die Nagelfluh wenigstens zur
Verengerung des Bettes und zur Entstehung von Stroin-
8chnellen im Kleinen Anlass. So erschweren oder ver-
unmoglichen die Nagelfluhbanke das direkte Vorwarts-
dringen sowohl im Flussbett selbst, als auch an den
Seiten desselben, indem jeweilen da, wo die Nagelfluh
von einem Flussufer zum andern hinlibersetzt, die schroffen
seitlichen Kanten und Abbriiche entweder gar nicht oder
nur schwierig zu uberschreiten sind (Urnasch und Sitter
vom Kubel aufwarts, Rappenstein). An den steilen Tobel-
wanden treten die schief in der Richtung des Flussbettes
fallenden, mit Mergeln und Sandsteinen wechsellagemden
und scharf von ihnen sich abhebenden langen Nagelfluk-
wande oft schon aus grosserer Entfernung deutlich hervor.
Auf der Nordseite der Isoklinalkamme bildet die
Nagelfluh Hange von grosser Gleichm&ssigkeit und mit
dem Fallwinket der Schichten ubereinstimmender Neigung.
Es konnen diese Hange geradezu als schiefe Ebenen be-
zeichnet werden. So bildet eine und dieselbe Nagelfluh-
bank weit hinauf den Harfenberg, die Bernegg und
Menzlen. Weitere ausgezeichnete Beispiele : Nordhang
des Freudenberges, Hang links vom Wattbach bei der
Nordmuhle, Teufenerstrasse bei P. 760 zwischen Riet-
haule-Lustmuhle, Brandwald etc.
Oft lassen sich an einem solchen Nordhang mehrere
Nagelfluhschichten unterscheiden, die jeweilen durch mehr
oder weniger breite plateauartige Streifen von Sandstein
und Mergel getrennt sind, wodurch der Hang eine ter-
rassenartige Gliederung erhalt (Terrassen von Buch und
rNCl
411
Dreilinden, ferner im ostlichen Teil des Hagenbuchwaldes,
auch an der Solitude).
Kleinere, aber ganz ausgezeichnete Nagelfluhhange
mit dem Charakter schiefer Ebenen finden sich vereinzelt
selbst in den sonst so steilen Seitenwanden tief ein-
geschnittener Flusstaler, z. B. westlich von Schwantlen
an der Sitter, am Rande unseres Kartengebietes. Solche
Hange vermitteln einen bequemen, da und dort durch
einen Pfad angedeuteten Abstieg zu dem Flussbett, wahrend
die Steilabsturze sonst ziemlich unwegsam sind.
Uberall, wo Nagelfluhriffe anstehen, sei es nun auf
der Nord- oder Siidseite der Isoklinalkamme oder auch
innerhalb plateauartiger Massen, ragen sie infolge ihrer
grossen Widerstandsfahigkeit fast stets als deutlich er-
kennbare Kanten tiber die zwischenlagernden Mergel-
und Sandsteinschichten hervor. Die Kanten lassen sich
oft auf weite Strecken als mehr oder weniger parallele,
im allgemeinen der Streichrichtung entsprechende Linien
verfolgen, selbst wenn sie, was hie und da der Fall ist,
von Vegetation ganzlich verdeckt sind. Ein Blick aus
der Gegend zwischen Bernegg und Muhlegg nach Osten
lasst z. B. fiinf solcher Kanten deutlich erkennen (gebildet
durch die Nagelfluhschichten vom Harfenberg bis Kamelen-
berg bei St. Georgen). Dieser Ausblick muss als einer
der interessantesten und instruktivsten im ganzen Gebiet
bezeichnet werden und demonstriert besser als jede Be-
schreibung die Abhangigkeit der Oberflachengestaltung
von den geologischen Verhaltnissen. Auch der Blick von
Hofstetten hinuber nach dem Ringelsberg ist in dieser
Beziehung lehrreich. Weitere Beispiele finden sich in
der Gegend vom Gubsenmoos bis Herisau und auch bei
Fahrnbuhl an der Urnasch.
412
Die Festigkeit der Nagelfluhbanke ist in erster Linie
von der Verkittung der Geschiebe abhangig; sie ist am
grossten bei der Kalknagelfluh, deren Zement, dem Ge-
schiebematerial entsprechend, aus Kalk besteht. Es gilt
der Satz: Um so kalkiger der Zement, desto fester die
Nagelfluh, um so steiler die von ihr gebildeten Wande.
Bei der granitischen Nagelfluh treffen wir die verschie-
densten Abstufungen der Festigkeit, je nach dem grossern
oder geringern Kalkgehalt des Bindemittels. Wo er bei-
nahe fehlt, kann die Nagelfluh sogar sehr locker und
leicht verwitterbar sein und Anlass zur Bildung von
Schuttkegeln und Halden geben.
III. Der Sandstein.
Da derselbe in Bezug auf Festigkeit ausserordent-
lichen Schwankungen unterworfen ist, so lasst sich auch
wenig allgemein Giiltiges iiber sein topographisches Ver-
halten sagen.
Die schonste Entblossung im Sandstein unseres Ge-
bietes ist wohl das Martinstobel. Die Sandsteinwande
dieser gewiss sehenswerten Schlucht diirfen sicherlich
imposant genannt werden, obwohl der grossenteils platten-
formige Sandstein lange nicht die Harte besitzt, wie die
sogenannte subalpine Molasse, welche unser Gebiet in der
Nahe der ersten Antiklinale nur noch streift.
Eine machtige Sandsteinschicht vermag auch unter
der Vegetationsdecke sich noch augenfallig geltend zu
machen. Man kennt den lang sich hinziehenden steilen
Hang, tiber welchen man vom Schaugenhof und Riet
hinabgelangt ins Schaugentobel.
Es ist diese Steilwand nichts anderes als die Fort-
setzung jener machtigen Sandsteinbank, welche, weithin
413
in die Augen fallend, sich auf der andern Seite der Goldach
in der Richtung gegen Eggereriet schrag hinaufzieht.
An der Goldach in stumpfem Winkel zusammentreffend,
schliessen die beiden Zweige dieser Sandsteinbank gleich-
sam den machtigen Zirkus des Goldach-Einzugsgebietes,
dessen prachtvolle Mulde, von der Kurzegg aus gesehen,
den Blick des Wanderers so sehr fesselt.
Auch an andern Stellen vermogen Sandsteinb&nke,
ahnlich der Nagelfluh, als Kanten unter der Vegetation
hervorzutreten. Ein schones, einschlagiges Beispiel findet
sich beim Kubel, rechts an der Urnasch, nordostlich von
P. 601.
Ein ganz eigentumliches Gepr&ge zeigt die Gegend
von Wiesen bis Hub mit ihren Drumlins ahnlichen Hugeln,
die aber, von unbedeutenden Gletscherschutt-Auf lagerungen
abgesehen, aus anstehendem Fels (Sandstein und Mergel,
am Nordrand auch Nagelfluh) herausmodelliert wurden.
Besonders auffallig ist der Hiigel beim „btt im Wort
Tablat. Man erhalt den Eindruck, dass man hier die
Wirkungen der abhobelnden und glattenden Tatigkeit
des Gletschers vor sich hat, gewissermassen Rundhocker-
formen im grossen. Reine Erosionstatigkeit fliessenden
Wassers hatte in anstehenden, unter starkem Winkel
NNW fallenden Molasseschichten einseitiger gebaute
Riicken, d. h. Isoklinalkamme herausbilden miissen.
IV. Die Mergel.
Der Leberfels, so leicht zerbrockelnd, dass es un-
moglich ist, ein grosseres Stlick zusammenhangend heraus-
zubringen, ist natiirlich nicht im Stande, so steile Bo-
schungen zu bilden, wie Nagelfluh und harte Sandsteine.
Wenn Mergelw&nde in ihrem obern Teile nicht gangbar
414
sind, so tragt weniger die Steilheit daran schuld, sondern
vielmehr der Umstand, dass der Fuss auf dem weichenden
Gestein auch nicht einen Tritt findet, der halten wiirde
Ebenso verschuldet es nicht die Steilheit allein, dass
manche Mergelwande von Vegetation entblosst sind. Die
Ursache liegt vielmehr darin, dass jeder Regenguss die
lockern aussern Teile stets wieder wegwascht.
Zwischen steilen Nagelfluh- und Sandsteinfelsen finden
sich oft sanft geneigte, mit Vegetation bedeckte Bander,
deren Rasen und Gestrauch in oft weithin zu verfolgendem
Verlauf den Untergrund aus Mergel oder mergeliger
Molasse verraten.
Da und dort treten die Mergel durch ihre rotliche,
violette, schwarzliche und gelbliche Farbe im Landschafts-
bilde auffallig hervor.
Wo Mergel und Sandstein abwechseln, treten die
festen Sandsteinbanke steiler hervor und es entsteht ein
gebrochenes Profil. Es stehen in solchem Falle fur unser
Gebiet Sandstein und Mergel in einem ahnlichen Ver-
haltnis zu einander, wie Kalke und Schiefer in den Sedi-
ment-Vorketten der eigentlichen Alpen.
Zwischen Nagelfluhbanken eingelagerte Sandstein-
und Mergelschichten sind eine giinstige Vorbedingung fiir
die Bildung von Langstalchen.
Bekannt ist ferner, class in Sandstein- und Mergel-
gebieten Rutschungen sehr haufig sind (Goldach, Sitter,
Katzenstrebel).
Die tektonischen Verhaltnisse, vorbedingend fiir die
Erosion, erklaren den einseitigen (d. h. isoklinalen) Bau
unserer Hugelziige, wie er, schon am Rosenberg sich
geltend machend, in noch scharferer Weise am Freuden-
415
berg und Menzeln, Kapf, Brandtobel und Frdhlichsegg-
Birt, sowie in zahlreichen hier nicht genannten Erhebungen
auftritt. Die Gewasser der eingeschlossenen Isoklinaltaler
(Langstaler unseres Gebietes) suchen sich ihren Ausweg
in engen, oft schluchtartigen Durchbruchstalern oder Quer-
talern (Martinstobel, Miihlenen, Galgentobel, Sitter auf
gewisse Strecke, daneben noch zahlreiche kleinere Durch-
briiche).
In ausgezeichneter Weise tritt bei unseren Htigel-
ziigen der Parallelismus mit den Alpen hervor. Im iibrigen
erinnert ihr einseitiger Bau mit den Schichtkopfen der
Siidseite und den Schichtflachen der Nordseite in seiner
vielfachen Wiederholung an eine Sage. Dieser Vergleich
wurde zuerst gebraucht von Dr. J. Friih, der die an-
gedeuteten Verhaltnisse fiir ein wei teres Gebiet sehr an-
regend behandelt in dem Aufsatz „Geologische Begriindung
der Topographie des Santis und der Molasse" (Bericht
1879/80 der St. gallischen Naturwissensch. Gesellschaft).
Kurz zuiiickblickend, konnen wir sagen, dass, im
geologischen Sinne gesprochen, hauptsachlich folgende
Elemente am Auf bau unserer Gegend sich beteiligen:
Isoklinaltal und Isoklinalkamm, beide mit Schichtenkopfen
einerseits und Schichtflachen anderseits, Durchbruchstal
(Quertal), Morftnendecke und Moranenwall, bezw. Drumlin,
glaciales Schotterfeld, Alluvialebene, resp. Flussterrasse,
Schuttkegel und Schutthalde, Torfmoor. Die Gesteins-
beschaffenheit des Untergrundes muss eine ziemlich ein-
formige genannt werden, obwohl die stratigraphischen
Verhaltnisse, verglichen mit andern Molassegegenden, inter-
essant genug sind, und noch einformiger sind die Lagerungs-
verhaltnisse. Immerhin diirfen wir nicht glauben, dass
Mutter Natur in dieser Hinsicht uns besonders stiefmtitter-
416
lich bedacht habe. Denn einerseits haben die andern
Molasseland gelegenen Schweizerstadte una hierin nichl
voraus, sind im Gegenteil sowohl punkto Stufen als auc
Lagerung sogar in noch einformigerer Gegend gelegei
und anderseits ist nicht zu vergessen, dass es selbst
den Alpen grosse und weite Gebiete gibt, die keinei
reichen Gesteinswechsel aufweisen.
Topographisch, resp. orographisch ist indes die Umi
gebung von St.Gallen keineswegs einffcrmig zu nennen
Dieser scheinbare Widerspruch ist dadurch zu erklaren
dass bekanntlich auch aus wenigen Elementen sich schoB
ziemlich zahlreiche Kombinationen ergeben und dass eim
gewisse Abwechslung auch schon in der stets starkei
akzentuierten Wiederholung des namlichen Elementes liegt
wofiir unsere Gegend geradezu ein klassischer Beleg g©
nannt zu werden verdient.
Nun mussen freilich noch zwei andere Umstand
hinzutreten, um die Umgebung St. Gallens landschaftlicl
flir den Naturfreund so abwechslungsreich und lohnei
zu machen. Da ist einmal die Tatsache, dass man
kiirzester Zeit aus dem Getummel des Alltagslebens
stille, fast weltverloren zu nennende T&lchen gelan,
kann. Steigt man aber aus diesen Talchen auf die Hohei
ziige, so fesselt uns eine umfassende, gewaltig zu nennend
an Kontrasten reiche Aussicht auf den Bodensee und sei
Uferlandschaften einerseits, auf Santis und Appenzell
land anderseits. Auf dem Zusammenwirken der erwahnte
Umstande beruht die eigentumliche Schonheit und <fc
unbestrittene Reiz der Umgebung von St.Gallen.
681 m Weitenau
Fahrnbuhl 742 m
erbett P. £65
Hugel bci Rflti
ct. 800 m
350
n*l m«u... Urniseh ca. 615 m
r = Rote Molissc
(7 m)
417
Berichtigungen und Nachtr&ge.
In erster Linie ist ein argerlicher und sttfrender Fehler (Ver-
schrieb) zu berichtigen. Auf Seite 477 (Jahrbuch 1901/02) soil
Zeile 2 von oben natiirlich heissen :
obere Susswassermolas.se (Oeningerstufe),
was iibrigens aus dem weiteren Text (Seite 552, Jahrbuch 1901 /02)
und aus der Farbenerkl lining der geologischen Karte ohne weiteres
ersichtlich ist.
Der Vollstandigkeit halber sei hier noch erwiihnt, dass die
untere Siisswassermolasse un seres Gebietes der oberaquitanischen
Stufe angehort.
Der blaue Strich, welcher nach der Farben- und Zeichen-
erkl&rung die SeelafFe (Muschelsandstein) andeuten soil, ist auf der
Karte infolge der Farbenmisehung griinlich herausgekommen
( Martinsbriicke zu beiden Seiten der Goldach).
Dagegen ist der blaue, mit mk bezeichnete Strich ira untern
Oebiet des Tiefenbaches N E St. Josephen selbstverstandlich nicht
etwa als Seelaffe aufzufassen, sondern soli die dortige, wenig
miichtige Schicht von Siisswasserkalk reprilsentieren, wie dies aus
der Farben- und Zeichenerklttrung hervorgeht (siehe unter „ Siiss-
wasserkalk" mit mk bei dem Strich in den Farbenvierecken der
untern und obern Siisswassermolasse). Dieser Strich ist in der
Farben- und Zeichenerkliirung etwas diinn geraten. Er gelangte nur
am Tiefenbach zur Anwendung, nicht aber bei den iibrigen auf
der Karte verzeichneten Siisswasserkalkvorkommnissen, da sonst
verschiedene Zeichen hiltten durchstrichen werden miissen (am
Weniger-Weiher eine Kiesgi*ube, E vom Stuhleggwald ein Auf-
schluss und bei Hatschen E von FrShlichsegg ein Steinbruch).
In der Farbenerklarung fur das Diluvium ist das Komma
zwischen „Fluvioglacialea und „Auffiillungsterrassen" zu streichen.
Die Bezeichnung der miocenen Ablagerungen als jiingste
Tertiarbildungen (Seite 476) bedarf insofern einer PrUzisierung,
als pliocene Bildungen in der Ostsehweiz eben nicht vorhanden sind.
Im Spatherbst 1908 wurde bei den Sprengungen fur die
Schutzenfestbauten die Fortsetzung der Freudenberg-Nagelfluh
i
418
entblflsst. Sie bildet, wie Gutzwiller richtig vermutete, den Kern
jener Bodenwelle zwischen dem Drahtseilbahn - Station sgebaud**
Miihleck und der von St. Georgen nacb dem Tal der Demut fiihren-
den Strasse. Sie hat auch hier noch bedeutende Machtigkeit (gegen
10 m). An ihrer Basis fanden sich sparliche Cardieureste, welch*-
dartun, dass die direkt unterlagernden Sandsteine und Mergel un-
zweifelhaft noch marin sind.
Bei der Erstellung des Scheibenstandes fan der Beckenhaldem
fur das eidgen5ssische Schiitzenfest wurden zwar Sandsteine und
Mergel entblttsst. aber Fossilien fanden wir nicht. Daruber. da*s
die Meeresmolasse noch tiefer reicht, kann nach den im grossen
Steinbruch gefundenen Versteinerungen (Jahrbuch 1901/02, Seit«*
515/516) kein Zweifel walten, aber die Hoffhung, dass die grossen.
bei den Schiitzenfestbauten erforderlichen Erdbewegiingen vielleiclit
die zwischen den beiden Abteilungen der Meeresmolasse liegende.
an der Urnaseh und Sitter bedeutende, an der Goldach schwachere
Siisswasserbildung aufdecken wurden, hat sich nicht erfullt. Beini
Scheibenstand lasst der Mangel an Fossilien kein Urteil zu, ob man
Meeres- oder Siisswasserbildung vor sich hat, und so wie so ware
die fragliche Zwischenschicht vermutlich stratigraphisch etwas
holier zu such en.
An der UrnRsch fehlen auf der Karte zwei Nageliiuhbanke in
der Gegend, wo die Riffe schief gegen Fahrnbuhl hinaufziehen. Die
eine der beiden fehlenden Banke ist allerdings von nicht bedeutender
Machtigkeit und zudem von der nachsttiefern nur durch eine dunne.
aber immerhin deutlich zu konstatierende und durchziehende
Zwischenschicht getrennt. tvberhaupt tritt die Nagelfluh recht oft
in Doppelbtlnken auf, deren obere Schicht gewOhnlich weniger
machtig ist und deren Vereinigung mit der untern machtigern
Bank man mitunter beobachten kann, z. B. bei derjenigen von Buti
an der UmUsch ^siehe Proiil).
Ferner sind auf der Karte mehrere Nagelfluhbanke zwischen
Kubel und Stocken im Druck mit zu feinen Punkten heraus-
gekommen, was hier bemerkt werden muss, um irrtiimlichen Schluss
auf Gertfllbander zu vermeiden. Es gilt dies namentlich fur die
Biinke siidlich vom „ W" und zwischen e und k bei ,Elefctr. Werk*,
ferner bei der Krazenibriicke. Nur eine der eingezeichneten
419
Schiehten ist ganz unbedeutend and hatte fuglich wegbleiben
konnen, und zwar diejenige zwischen jWerk* und der Zahl „601 ".
Leider konnten auch die beiden Bohrmuscheln ftihrenden
Gerollbftnder unmittelbar iiber der die Basis der obern Meeres-
molasse-Etage bildenden Nagelfluh nicht berucksichtigt werden.
An der Sitter bot sich im nSrdlichen Teil des Gebietes eine
giinstige Gelegenheit zur Messung des Fallwinkels. Zwischen den
Punkten 538 und 546 fliesst die Sitter beinahe in der Fallrichtung
und da die Erosion die Schiehten sehOn entbldsst hat und zudem
eine hartere Sandsteinbank auf lUngere Strecke gut hervortritt, so
l>eobachtet man sofort, dass die Schiehten immer noch etwas steiler
fallen als das Flussbett. Bei so giinstigen Verhaltnissen lftsst sich
mit dem Klinometer auch vom gegeniiberliegenden Ufer aus der
Fallwinkel befriedigend genau bestimmen. Er betrftgt 2°; wir
bennden uns also immer noch im Gebiet der gehobenen Molasse.
Was das Streichen anbetrifffc, so ist nochmals daran zu erinnern,
dass die Abweichung von der Ost-Westrichtung im Gebiet der
obern Siisswassermolasse entschieden etwas starker ist, als weiter
siidlich, und mindestens 30° betragt. Bei nachster Gelegenheit
werden wir versuchen, fur das nOrdliche Gebiet die Streichrichtung
mQglichst genau festzustellen.
Das Nagelfluhriff bei Tellen und seine entsprechende Fort-
setzung im Tobel des Tiefenbaches sollte entsprechend seinem
west-lichen Verlauf (Silberbach-Miihle) auf der Karte grflber punktiei-t
erscheinen, da es von nennenswerter Machtigkeit ist.
Im Dezember 1903 erfolgten anlasslich der Erganzungsbauten
fur das Reservoir an der Speicherstrasse erneute Sprengungen 5st-
lich von den bisherigen. Dabei kam, htfher als die beiden bis-
herigen versteinerungsfuhrenden Schiehten, noch einmal eine 10 bis
15 cm machtige, an tierischen Resten (fast lauter Cardien) reiche
Schicht zutage. Dariiber trafen wir ein schwaches GerOllband,
eigentlich mehr eine Aneinanderreihung sich gegenseitig nicht be-
liihrender Geri5lle, weshalb auch die der Nagelfluh eigentiimlichen
Eindriicke fehlten. tlber, unter und zwischen den GerSllen fanden
sich ebenfalls Versteinerungen. Bohrmuscheln im Innern der
meistens kleinen Gertflle fanden wir nicht, doch ist ihr Vorhanden-
sein nicht mit Sicherheit zu verneinen. Es ist m5glich, dass wir
420
in diesem schwachen Band eine Spur des bekannten, auch in Heers
„Urwelt der Schweiz8 erwfthnten Bavaria-Gerollbandes vor uns
haben, das seinerseits als Fortsetzung der Muhlegg-Nagelfluh zn
betrachten ist, welche am Nordabhang des Hagenbuchwaldes (z. B.
beim Scheibenstand) nochinals als dunne Schicht zu beobachten ist.
Der bei Lachen-Vonwil kartiertenY im Talboden selbst an-
stehenden Molasse h&tten wir allem nach getrost eine etwas grtfssere
Ausdehnung geben diirfen ; im Frubling 1904 wurde dieselbe in-
folge von Neubauten in der quer zur Burg ziehenden Bodenwelle
aufs neue entblftest und zwar direkt an der Strasse ; die Morftnen-
decke, in ihrer Machtigkeit wechselnd, diirfte speziell hier einen
Meter nicht erreicht haben. Unsere Ansicht, dass ein Moranenwall
nicht vorliegt, ist somit aufs neue bestatigt worden.
Am Wattbach, und zwar auf der rechten Seite des Brand-
tobels, ist es uns gelungen, zwei neue, ausserordentlich gut ent-
wickelte Susswasserkalkb&nke nachzuweisen.
An dem Wege vom Kubel (Urn&sch) aufw&rts zur Terrassen-
landschaft von Weitenau triffib man oben am linken Sitterufer (665)
eine auf der Karte eingetragene, ca. 10 m m&chtige Nagelflnh,
deren westliche Fortsetzung man vergeblich sucht; sie keilt sich
namlich bald aus, wobei Sandstein an deren Stelle tritt, welcher
seinerseits bald, wenigstens zum Teil, in bunte Mergel ubergeht.
und zwar schneiden die letztern in einer scharfen, deutlich sicht-
baren Linie vom grauen Sandstein ab. (Vgl. Abschnitt Molasse
pag. 533.) Wir glauben auf diesen interessanten wiederholten
petrographischen Fazieswecbsel auf kurzer Distanz (100 m) speziell
aufmerksam macben zu miissen.
Nach einer giitigen Mitteilung von Herrn Reallehrer Volkart
in Herisau wurden seinerzeit am linken Ufer des Bachleins, welches
SO von Sturzen egg (zwischen 799 und 798) den Weg kreuzend,
sich in ein em tiefen Tobel in die Urnasch ergiesst, Kohlen ans-
gebeutet ; zwei zur Zeit nicht mehr sichtbare Gruben befanden sich
direkt beim Cbergang iiber das Bachlein, westlich vom Weg ; von
einer andern Ausbeutungsstelle zeugt eine klinstliche H6hle, welche
ca. 100 m weiter Sstlich im Tobel liegt; sicher hat man es bei
alien diesen Fundstellen mit einer und derselben Kohlenschicht za
tun ; dieselbe ist auch beim Stollenbau fur den Gubsenmoostunnel
421
als aspbaltglanzende Pechkohle durchbohrt worden und in ihrein
Streichen mag auch eine seinerzeit am Ufer der Urnasch von Tins
beobachtete ganz diinne Schicht kohligen Kalkmergels liegen. Die
Ausbeutungsstellen liegen allem nach hart an der Grenze zwischen
der Susswassereinlagerung und dem nachfolgenden sudlichen ma-
rinen Streifen, welchem wir wohl nach Norden eine etwas zu grosse
Ausdehming gegeben haben.
Herr Bauunternehmer Gemeinderat Riiesch war so freundlich,
uns anliisslich einer Neubaute auf einen Aufschluss aufmerksam
zn machen, worin ihm neben den gewohnten abgestumpften Ge-
schieben das ziemlich zahlreiche kantige Material sofort aufgefallen
war; der Aufschluss, den wir selbst in Augenschein genommen
haben, befand sich an der Oberstrasse, Ostlich der Geltenwiler-
strasse, genau an der Stelle, wo sich der von uns vermutete End-
moranenwall der Geltenwilerbleiche an den Abhang der Berneck
anlehnen muss, und liefert somit eine weitere Best&tigung unserer
diesbeziiglichen Auffassung.
Urn Irrtumern vorzubeugen, sei ausdriicklich darauf hin-
ge wiesen, dass die auf der Karte verzeichneten erratischen Blocke
durchaus kein Bild von der Hiiufigkeit der verschiedenen Gesteins-
arten als Findlinge geben sollen ; auf einige wichtige Gesteine, wie
z. B. Pontaiglasgranit und Seelafte, wurde eben speziell gefahndet,
so dass dieselben eine besondere Beriicksichtigung beim Kartieren
gefunden haben. Sicher wiegen in unserer Gegend die verschiedenen
Kalkgesteine als Findlinge vor.
Auf Seite 612 wird der beste Aufschluss im Deckenschotter
als zwischen der Wirtschaft Hohentannen und den Hausern von
Grimm gelegen nachgewiesen ; da nun auf dem beim Druck ver-
wendeten revidierten Blatt die Bezeichnung Grimm fehlt, dieselbe
aber S der Steinegg nochmals vorkommt, so mag hier, um Miss-
verstJlndnisse zu vermeiden, vennerkt werden, dass der Aufschluss
westlich vom Signal Hoheutannen (871 m) gemeint ist. Die Be-
zeichnung Grimm (gelegen tlich auch Gremm) bedeutet nach einer
mundlicben Mitteilung des Herrn Dr. FrOh soviel als Steinhaufen
oder Steinwall ; gerade durch den Anblick der iiber ihnen sich er-
streckenden dilmdalen Nagelfluhkante mSgen die ersten Ansiedler
zu die9er Bezeichnung ihrer GehCfte veranlasst worden sein.
422
Seit Erscheinen des letzten Jahrbuches liessen sich auf der
Hflhe des Tannenwaldes, am Wege S der diluvialen Nagelflubkant*
904, eine ganze Zahl von erratischen Silikatgeschieben nachweisen.
z. B. ein Pontaiglas- und ein Julier- Albula-Granit ; dieselben scheinen
somit noch etwas zahlreicher in der HOhe von 880 m aufw&rts vor-
zukommen, als wir selbst glaubten annebmen zu diirfen. (Siehe
Diluvium : Das Tannen berg- Plateau.)
In der Karte ist unterbalb Josriiti an der Sitter ein kl eines
Diluvialfetzchen eingetragen, welches aber selbstverst&ndlicher-
weise hier nur eine Alluvion (auf Molasse) sein kann; die erste
Kiesgrube auf der rechten Seite der Strasse von Bild nach Winkeln
ist zu streichen, dagegen muss eine solehe im W der Stadt ober-
halb der Ruhbergstrasse (NW vom Nest) nachgetragen werden.
Die auffallenden Terrassen an der Goldach von Gadmen-Riiti-
Ntfrdli (ca. 790 m) einerseits und Au-Wiesbiihl (ca. 710 m) andrer-
seits, mSgen auch hier im Text noch eine entspreehende Beriick-
sichtigung ei*fahren ; auf die init der obern Reihe iibereinstiruniende
Terrasse von Lee hatte uns schon Dr. J. Friih aufmerksam ge-
macht. In den (schlechten) Aufschliissen erblickt man steile, etwas
unregelmiissig geschichtete Schotter (Deltas truktur), die ziemlich
genau nach N, also gegen die Goldach zu gerichtet sind. Eine
horizontale Decke konnte bis jetzt nicht konstatiert werden. Beide
Autoren stimmen darin iiberein, dass es sich hier um die Aus-
fiillung eines friihern Gletscherstausees durch fluvioglaciale Kies-
massen handelt ; im ubrigen gingen die Meinungen auseinander,
insofern sich der eine dafur aussprach, dass die Terrassen die
(event, infolge Abtragung durch kleine Steilnischengewasser etwas
zuriickgewichenen) Render eines fluvioglacialen Deltas darst^llen.
wahrend der andere die MSglichkeit der Entstehung derselben
durch postglaciale Flusserosion hervorhob ; um eine Einigung zu
erzielen, wandten wir uns an Dr. J. Friih, welcher sich ohne Zaudern
fur die Auffassung als fluvioglaciale Auffiillungsterrassen l) ent-
schied. so dass wir diese auffalligen BQden als solehe in der Karte
eintrugen und sie von den postglacialen und mithin jiingern Fluss-
terrassen durch besondere Zeichnung unterschieden.
1 j Vgl. Dr. J. Friih : Anleitung zu geologiscben Beobtchtungen innerhalb
der Blatter Dufour IV und IX. Jahrbuch 189596. ptfif. 285.
423
Nach sehr verdankenswerten MitteiluDgen von Herrn Korrektor
Diem ist der 6. September 1846 das genaue Datum der grossen
Rutschung bei der Martinsbriicke ; im gleichen Gebiet muss in den
1870er Jahren nochmals ein betriichtlicher Rutsch erfolgt sein,
wahrscheinlich wieder nach einer Periode anhaltender Nieder-
sehlftge. Zahlreiche grOssere und kleinere Rutschungen auf der
Strecke Rieth&usle-Lustmuhle gefilhrdeten die Strasse nach Teufen
und haben den Strassenaufsichtsorganen viel Sorgen und Kosten
bereitet. Herr Diem hebt z. B. den im April 1889 erfolgten
Absturz bei Jonenwatt hervor, welcher auch auf unserer Karte
eingetragen ist. Eine milchtige Nageltiuhschicht glitt hier auf
schliipfrigem Merge 1 (Leberfels) iiber die Strasse zum Wattbach
hinunter. Schon aus weiter Entfernung hebt sich die Abbruch-
kante deutlich ab und grosse Felstrummer lagern regellos im und
auf dem linken Ufer des Wattbaches. — Die im Hiitterenwald
(Sitterwald* verzeichneten zwei Schtipfe fistlich und westlich vom
Holzli sind nach einer Mitteilung von Herrn Forstverwalter Wild
im Jahre 1876 erfolgt.
Die Nachtrage fur diesmal abschliessend, gedenken wir noch
<ler guten Dienste, welche uns von Seiten unseres Kollegen Lehrer
Schmid in Teufen, eines verstandnisvollen Beobachters der Natur,
bei der Begehung jener Gegend geleistet word en sind ; ihm ver-
dankt das St. OJaller Museum auch eine Kollektion zum Teil sehr
gut erhaltener Petrefakten vom Horst (Unt. Siisswassermolasse),
die wir aber, weil noch der Be.stimmung harrend, erst in spiitern
Nachtriigen eingehender wiirdigen kunnen.
424
Literatur.
Dr. Schlapfer. tfber die bei St. Gallen befindlichen Versteinerungen*
— Neue Alpina. 1821.
B. Studer. Beit rage zu einer Monographic dor Molasse. Bern 1825.
id. Geologie der Schweiz. II. Band. 1853.
Blum. Nagelfluh der Umgebung yon St. Gallen. Jahrbuch for
Mineralogie. 1840.
Th, Scheerer. Nagelfluh von St. Gallen- Herisau-Schonengrund. Jahr-
buch fur Mineralogie. 1852.
C, Deicke. Beitrage fiber die Molasse der Schweiz mit einer Tafel.
Neues Jahrbuch fur Mineralogie. 1852.
id. tJber die Eindrucke in den Geschieben der Molasseformation
der ostlichen Schweiz. Neues Jahrbuch fur Mineralogie. 1853.
id. Saulenformige Absonderungen in den Gesteinen der Molasse
und polierte Flachen in den Nagelfluhgerollen. Neues
Jahrbuch fur Mineralogie. 1857.
id. tlbersicht der Molasseformation zwischen den Alpen der
Ostschweiz und dem Ostrande des Schwarzwaldes. Neues
Jahrbuch fur Mineralogie. 1857.
id. Cfber das Vorkommen der mineralischen Kohlen in den
Kantonen St. Gallen und Appenzell. Neues Jahrbuch
fur Mineralogie. 1858.
id. Geologische Skizze iiber die Kantone Appenzell, St. Gallen
und Thurgau. Vortrag. St. Gallen, Scheitlin A Zolli-
kofer. 1859.
id. Das Erratikum und das Diluvium mit besonderer Beziehung
auf die Ostschweiz und den badischen Seekreis. Bericht
der St, Gallischen Naturw. Gesellschaft. 1858/60.
id. Nachtrage iiber die Quartargebilde zwischen den Alpen und
dem Jura. Bericht der St. Gallischen Naturwissenschaft-
lichen Gesellschaft. 1860/61.
id. Die nutzbaren Mineralien der Kantone St. Gallen und Appen-
zell. Bericht der St. Gall. Naturw. Gesellschaft. 1861/62.
id. tjber die Eindrucke in den Geschieben der Nagelfluh und
den Gesteinen der Quartarformation zwischen den Alpen
der Ostschweiz und dem Jura im Grossherzogtum Baden.
Neues Jahrbuch fur Mineralogie. 1864.
id. Bildung der Molassegesteine in der Schweiz. Neues Jahr-
buch fur Mineralogie. 1864.
426
C. Dekkc Phantasiebilder fiber die Ursache einer ehemaligen
Eiszeit and Andeutungen fiber den damaligen Zustand.
Zeitschrift fur die ges. Naturwissenschaften. 1868.
id. Andeutungen liber die Quartargebilde in den Kantonen
St. Gall en und Appenzell. Neues Jahrbuch fur Mine-
ralogie. 1868.
id. Die al teste Geschichte des Tales von St. Gallon und seiner
Uragebung. St Galler-Blatter 1869.
Arnold Escher von der Linth. Geologiscbe Bemerkungen fiber das
nordliche Vorarlberg und einige angrenzende Gegenden.
Neue Denkscbriften. XIII. 1853.
A. Escher und B. Studer. Geologiscbe Karte der Scbweiz. 1 : 380,000.
O. Heer. Die Urwelt der Scbweiz. 2. Auflage.
id. Tertiare Flora der Schweiz. 1855—59.
jP. J. Kaufmann. Untersuchungen iiber die mittel- und ostschweize-
riscbe subalpine Molasse. Neue Denkscbriften. XVII. 1860.
Dr. A. GutzuriUcr. Beitrage zur geologiscben Karte der Scbweiz.
Lieferungen 14 und 19. Molasse und jungere Ablagerungen.
Hiezu die Blatter IV und IX der geologiscben Karte
1 : 100,000.
id. Das Verbreitungsgebiet des Santisgletscbers zur Eiszeit.
Mit 1 Karte. Bericbt der St. Galliscben Xaturwissen-
scbaftlicben Gesellscbaft. 1871/72.
id. tfber die bei St. Gallen und Rorschach ausgefiihrten Bobr-
versucbe zur Herstellung artesiscber Brunnen. Mit 1 Tafel.
Bericht der St. Gallischen Naturw. Gesellschaft. 1873/74.
id. Verzeicbnis der erratischen Blocke, erbalten im Sommer 1874.
Bericbt 1873/74.
id. Verzeicbnis der erratischen Blocke, erbalten im Sommer 1875.
Bericbt 1874/75.
id. Altere diluviale Scbotter in der Nabe von St. Gallen und
von Biscbof szell. Eclogte geologicse Helvetiee, Vol. VI, Nr. 4.
Dr. J, Friih. Geologiscbe Begrundung der Topographic des Santis
und der Molasse. Bericbt der St. Gallischen Naturw.
Gesellschaft. 1879/80.
id. Zur Geologie von St. Gallen und Thurgau. Bericht 1884/85.
id. Beitrage zur Kenntnis der Nagelfluh der Schweiz. Neue
Denkschriften. XXX. 1890.
id. Die Drumlins-Landschaft mit besonderer Berucksichtigung
des alpinen Vorlandes. Bericht der St. Gallischen Natur-
wissenscbaftlichen Gesellschaft. 1894/95.
426
Dr. J. Friih. Anleitung zu geologischen Beobachtungen innerhalb
der Blatter Dufour IV und IX. Bericht 1895/96.
Dr. Ch. Mayer. Systematisches Verzeichnis der Versteinerungen
des Helvetian der Schweiz und Schwabens. Beitrage
zur geologischen Karte der Schweiz. 11. Lieferung. 1872.
Dr. A. Heim. Mechanismus der Gebirgsbildung.
id. Gletscherkunde.
Dr. A. Heim und Dr. C. Schmidt. Geologische Karte der Schweiz
1:600,000.
C. W. Stein. Verzeichnis der erratischen Blocke, welche seit 1876
in den Besitz der St. Gallischen Naturwissenschaftlichen
Gesellschaft gelangt sind. Bericht 1879/80.
C. Rehsteiner. Eroffnungsredo bei der 62. Jahresversammlung der
Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft. 1879.
id. Unsere erratischen Blocke. Mit 3 Tafeln. Bericht 1900,-01.
Dr. R. Keller. Beitriigo zur Tertiai-flora des Kantons St. Gallen.
Mit Tafeln. Bericht 1890/91 und 1893/95.
Dr. A. Peidc und Dr. E. Bruckner. Die Alpen im Eiszeitalter.
Leipzig 1902.
427
Bemerkungen zu den Profilen.
Die eingeklammerten Seitenzahlen beziehen sich auf den im Jahrbuch 1903
erschienenen ersten Teil unaerer Arbeit.
I. Abtwil-Stocken-Kubel-FahrnbUhl.
Die Profillinie lauft nicht genau in der Fallrichtung der
Schichten, sondern bildet mit ihr einen Winkel von ca. 13°.
An der Basis des Profiles tibor einem grossen, weithin sicht-
baren Mergelabriss (rechtes Ufer der Urnasch) machtige Nagelfluh-
bank (gegen 15 m, ira SE Teil Doppelbank, der obero Teil be-
deutend wenigor niachtig). Ausgepragter Charakter des Quertales
in Nagel flu h- Region. Bis zur tiefsten Meeresmolasse noch fiinf
Nagelfluhbiinke von ca. 8, 10, 5, 6 und 6 m Maehtigkeit. Zwischen
den beiden letztgenannten eine unbedeutende Nagelfluhschicht von
ca. l!/« m; die weiter siidlich eiiigezeichnote schwachere Bank ist
in den 10 m inbegriffen. In den Schicbten zwiscben den Nagel-
tluhbanken scbeint der Sandstein gegen iiber den Mergeln das
Cbergewicbt zu besitzen.
Als Grenzscbicht gegen die tiefste Meeresmolasse ca. 7 m
rote Molasse (Mergel). Machtigkeit der tiefern Etage der Meeres-
molasse (I, 510 — 513) ist nicht genau zu bestimmen, ubersteigt
jedenfalls nicht 50 m. Versteinerungsfiihronde Schicht unter
der ca. 10 m machtigen Nagelfluh doppelbank.
Unter P. 665 in der bedoutend machtigeren Siisswasser-
zwischenlagerung Cbergang von Nagelfluh in Sandstein und Mergel.
Als Basis des obern Teiles der Meeresmolasse sehr machtige
Nagolfluhbank, ca. 15 m, daruber zwei Bohrmuscheln fiihrende
Gerollbander, von denen iin Protil nur eines eingezeichnet ist.
Verstoinerungen.
Innerhalb des oberen Teiles der Meeresmolasse Nagelfluh-
bank von ca. 6 m. Darunter und daruber mehrmaliger Wechsel
von Sandstein und Mergel. Uber der letzterwahnten Nagelfluh-
schicht die bekannten versteinerungsfiihrenden Schichten, gegen
das Dach hin blaue Turritellen mergel.
Die gegen 20 m machtige Nagelfluh bank unter der Eisen-
bahnbriicke ist nach Clausilien-Funden und dortigen roten Mergeln
schon zur obern Susswassermolasse zu Ziehen, was auf der geo-
logischen Karte wenigstons fur die linke Sitterseite nicht deutlich
genug hervorgehoben ist; bei P. 764, Im Hof, sollte also an Stelle
428
des Hellgelb die Farbe der obern Silas wassermolasse treten, ebenso
vielleicht auf der rechten Sitterseite bei Aufschluss N 687 und
Weid-Lehn.
tJber der Nagelfluh bei der Kratzernbriicke bunte, vorwiegend
rote Mergel ; noch besser an der linken Sitterseite zu beobachten.
Die Nagelfluhschichten von Geissberg und Altenwegen werden
moglicherweise durch die Profilebene geschnitten, konnten aber
auf der fraglichen Strecke einstweilen nicht konstatiert werden.
Nagelfluh bildet den als deutliche Boden welle aus den glacialen
Ablagerungen hervortretenden Riicken von Billenberg.
Das vortreffliche Gestein der ca. 10 m machtigen Abtwiler
Kalknagelfluh (I, 556/557) wird gegenwartig beim Bau der neuen
Abtwiler Kirche verwendet.
Das Fallen der Schichten betragt bei Abtwil hoc h 8 tens noch
14° gegeniiber 35° an der Basis des Profiles.
Machtigkeit der Meeresmolasse an der Sitter niit Einschluss
der Siisswasserzwischenlagerung ca. 320 m, wovon ca. 140 m auf
die obere Etage en tf all en (I, 521).
II. Peter und Paul-Kapf-Egg-Ramsen.
Die Profillinie steht fast genau senkrecht zum Streichen der
Schichten.
In der fur die Beobachtung ungiinstigen Antiklinalzone (1,561)
betragt auf dem Siidfliigel am Bergriicken Hohe Buche-Ramsen
der bochste sicher zu konstatierende Fallwinkel 64° SSE.
Nordlich der Antiklinale ca. 2 km breite Zone des granitischen
Sandsteins (I, 479/480). N der Egg beginnt eine nach W immer
machtiger werdende Zone bunter Nagelfluh (vierte Zone Gutz-
willers, St. Gal len -Horn li).
Die Nagelfluh von Horlen, ca. 4 m, zu konstatieren im ein-
gezeichneten Aufschluss, entspricht wahrscheinlich derjenigen von
Frohlichsegg.
Diejenige von Riiti, 5 — 6 m machtig, zeigt im dortigen Auf-
schluss (hinter einem Hause) auffallend kleine Gerolle.
Die Grenzschicht gegen die Meeresmolasse, Fortsetzung der
Wenigerweiher-Nagelfluh, zeigt im Steinbruch bei der Fabrik S
Ladern, wo sie gegen 6 m Machtigkeit erreicbt, viele ausgezeichnet
schone und charakteristische kristallinische Geschiebe. Rutsch-
streifen, gequetschte Gerolle etc. ebenfalls an dieser Lokalitat in
wahren Kabinetstucken.
Am Siidhang des Kapf nochmals zwei Nagelfluhbanke. Bei
429
Notkersegg Steinbruch in Plattensandstein. Darttber Susswaaser-
schichten, die uns von Sitter und Goldach her bekannte Ein-
lagerung zwischen dem hohern und tie fern Teil der Meeresmolasse.
Wir konnten diese Zwischenschicht zwar nicht bei Notkersegg
konstatieren, wohl aber E vom Freudenberg, N 904, wo sich un-
mittelbar westlich neben dem Stall des dortigen Heimwesens
Mergei mit unzweifelhaften Siisswasser-Petrefakten fanden1).
Die Machtigkeit der Siisswasser-Zwischenschicht la sat sich
nicht gonau bestimmen; sie ist im Profil wahrscheinlich eher zu
hoch als zu niedrig angegeben.
Bei Wiesen Freudenberg-Nagelfluh, schon bedeutend weniger
machtig als am Freudenberg selbst, sodann im Walde unbedeutende,
am Bachlein beim T zu konstatierende Schicht von Nagelfluh.
Neuer Steinbruch in den obern Meeresmolasseschichten von Hagen-
buch, die von Alters her durch ihren Reichtum an Versteinerungen
bekanut sind (Muschelnberg und Muschelnbach !).
Gestiitzt aui Petrefaktenfunde E der Eisbahn ziehen wir
auch im Profil die bekannte Grenz-Nagelfluhbank noch zur Meeres-
molasse und lassen die Grenzlinie erst etwas N davon verlaufen.
Die Machtigkeit der gesamten Meeresmolasse im Profil Hagen-
buch-Kapf (Siisswasser-Zwischenschicht inbegriffen), kommt der-
jenigen im Martinstobel nicht nur gleich, sondern iibertrifft sie
noch um ca. 30 m (480 gegen 450 m).
In der Gegend von Heiligkreuz-Peter und Paul betragt der
Fallwinkel hochstens noch 16 °7 zeigt also gegeniiber Hagenbuch
eine Abnahme um 9°, wahrend von Horlen (28°) bis zur obersten
Meeresmolasse im Hagenbuch auf noch etwas grossere Distanz
die Abnahme nur 3° betragt.
Man beachte im vorliegenden Profil das unvermutet steile
Fallen (I, 562/563) am Nordhang desKapf (36°) und am Nordhang
der Egg (40 — 46°), an letzterer Lokalitiit an einem Waldweg unter
den Punkten 1022 — 1045 konstatiert, nachdem ein ahnliches Vor-
kommnis weiter westlich, bei der Waldegg (I, 562/563), den Ge-
danken hieran nahegelegt hatte.
1) Auch Pflanzenreate fan don aich bier. Moglicherweiae stanimt das
sogen. Knnkler'ache Gestein (d.h. die pflanzeufuhrenden Findlinge St. Gallena)
ana dieaer die beiden Etagen der Meerenmolaase trennenden Susswasser-
eiiilagerimg zwischen Sitter und Goldach. Eiuen weiten Transport hatte es
nicht aushalten konnen. AVenn ea auch nicht vom Kubel heratammen kann,
xro Kunkler und Deicke ein ahnlichea Gestein, aber ohne Pflanzen fanden,
bo ist ea doch intereaaant, daaa die Lokalitat beim Kubel eben dieaer Zwiachen-
Bchicht angehort.
430
III. Profil im Martinstobei.
Damit das Profil in seiner ganzen Lange auf dem rechten
Goldachufer verbleibt, wurde die Profilebene ca. 300 m ostlich von
Martinsbrticke gewablt ; die Goldach erscheint somit als Projektion
auf dieselbe; die Ricbtung der Profillinie weicht urn ca. 10° von
der Fallrichtung der Scbichten ab. Fur die Eintragungen war
selbstverstandlich das an der rechten Uferwand gut aufgeschlossene
Profil massgebend.
Mit den stratigraphisch hochst gelegenen Schichten begin nend.
begegnen wir zunachst einem einen deutlichen Riegel im Fluss-
bett bildenden Nagelfluhriff, welches durch eine kleine Mergel-
und Sandsteineinlagerung (wenigstens an der Basis) als Doppel-
riff erscheint; mit Einschluss des 2—4 m machtigen Zwischen-
lagers mag dieselbe eine Machtigkeit von 10—12 m erreichen ; sie
entspricht der Nagelfluhschicht, welche den Nordabhang der Menzlen,
Bernegg, Hagenbuchwald usw. bildet und kann somit als Dach
der marinen Molasse betrachtet werden, wobei jedoch immerhin
mit der Moglichkeit gerechnet werden muss, dass die direkt daruber
lagernden, durch Schutt ganzlich bedeckten Schichten zum Teil
auch noch marinen Ursprungs sind (vgl. Jahrbuch 1901/02 pag. 519).
Es folgen plattenartige Sandsteine (Steinbrtiche zu beiden Seiten
der Goldach) und eine nur ca. 1 — 1,5 m machtige, unbedeutende
Nagelfluhschicht, welche schon an der Strasse nach Untereggen
nicht mehr angetroffen wird; hierauf ein machtiger Kotnplex von
Schiefermergeln (Bergrutsch), in welchen mehrere Banke festeren
Sandsteins oingelagert sind, mit einem Gerollband und etwas tiefer
einer unbedeutenden, wenige Dezimeter machtigen, iiber der Strasse
nur noch als handdickes Gerollband auf tre ten den Nagelfluhbank.
welche zweifellos die letzte Spur der Freudenbergnagelfluh dar-
stellt — kann doch dieselbe fast ununterbrochen bis zu dieser
Stelle verfolgt werden (siehe Karte). Fast unmittelbar darunter
erscheint die von uns nachgewiesene, wonig machtige Siisswasser-
einlagerung !), welche hier, im Einklang mit unserm Text, als die
trennende Schicht zwischen dem oberen und dem tieferen Teil
der Meeresmolasse aufgefasst worden ist. Es folgen teils massige,
teils plattenartige Sandsteine und wenige Meter S der Martins-
briicke die hier ca. 3—4 m machtige Seelaffe. Direkt unter der
Seelaffe beginnt der machtige (ca. 130 m) Komplex der Platten-
sandsteine, in welchem nur vereinzelt diinne Mergelschichten
l) Um dieae Schicht genugend hervorzuheben, ist im Profil ihre Mach-
tigkeit eher etwas zu Btark angegeben worden.
431
eingelagert sind. Auf der rechten Seite der Goldach ist in den
Platte n ein Steinbruch angelegt worden ; zur Zeit ist derselbe
aber ausser Botrieb, was auch fur die iibrigen Briiche des Martins-
tobels gilt. Zahlreich fin den sich in den Platten die auch in der
oberen Meeresmolasse haufig auftretenden zylindrischen Wurm-
steine (wahrscheinlich Spurgange von Schlammschnecken) und
nach einer Mitteilung von Dr. Friih die so merkwiirdigen Spiral-
steine. Erwahnenswert ist auch das kleino eingezeichnete Geroll-
band, wegen der hier aufgefundenen Cardie n ; bisher waren nam-
lich aus der Plattenzone Petrefaktenfundstellen nicht bekannt
geworden (vgl. Text). Die folgenden Schichten sind fast ganzlioh
von Schutt bedeckt; allem nach liegt eine Wechsellagerung von
Mergel- und Sandsteinbanken vor. Bei dein Briicklein unterhalb
der Ruine Rappenstein sind dagegen Sandsteine und Mergel gut
entblosst; sie schliessen einige dunne Kohlenbander (vgl. Jahr-
buch 1901/02, pag. 484) ein und erweisen sich durch entsprechende
Petrefakten bereits als der untern Susswassermolasse angehorig.
Unter denselben liegt, wieder einen deutlichen Biegel bildend,
eine sehr machtige zweiteilige Nagelfluhbank, welch e derjenigen
vom Wenigerweiher entsprechen muss; sie zeichnet sich durch
einen ausserordentlich grossen Reichtum an zerquetschten Ger6llen
init zahlreichen tiefen Eindrucken und Rutschspiegeln aus. Die
schliesslich folgenden wechsellagernden Sandstein- und Mergel-
schichten bieten kein besonderes Interesse dar; dagegen sei zum
Schluss darauf hingewiesen, dass der kleine Schichtkomplex zwischen
der Plattenzone und der sicher festgestellten untern Susswasser-
molasse moglicherweise (wenigstens zum grossern Teil) schon der
letztern zuzuzahlen ist; darauf scheint auch eine eingelagerte
(ca. 2 dm machtige) kalkige Bank hinzuweisen.
432
Bemerkungen zu den Abbildungen.
Fiir die photograpbiHcheu Aufnahmeii Bind wir den Herren J. B&he, Flury,
Prof. Dr. Steiger und W. Mayer zuni beaten Danke verpflichtet.
1. Felswand in der tieferen Meeresmolasse.
(Aufnahme von J. Rtihe.)
Linkes Goldachufer, ca. 300 in S der Martinsbrttcke.
Plotzlicher Tjbergang von massigem San detain zu dunn-
scbicli tiger Wechsellagerung zwischen Sandstein und MergeL Die
den Gesteinswecbsel andeutende Linie hat 26°Neigung, wihrend
die Schichtlinien der nicht in der Fallrichtung angeschnittenen
Schicbten eine Neigung von 5—15° zeigen.
2. Felspartie aus der obern Meeresmolasse.
(Aufnahme von J. Riihe.)
Locherige Auswitterungsformen am Felskopf 602 (Unkea
Goldachufer). Links und rechts vom Felskopf verlassene Stein-
briiche in Plattensandstein. Darunter die versteinenmgsreichsn
Schicbten der oberen Meeresmolasse. Rechts vom Kirschbaum in
halber Hohe die macbtige Nagelfluhscbicht, welche das Dach der
marinen Molassc bildet.
3. Bergsturzgebiet an der Goldach.
(Aufnahme von J. Riihe.)
Rechts obon neben der Felswand das Abrissgebiet, angedeotet
durcb eine Schichtnache, von und neben welcher die Sohiefer-
mergel abglitten. Das Ablagerungsgebiet reicht von der Strasse
Martinsbrucke-Untereggen bis zum Flussbett der Goldach and ist
fast ganz mit Wald bewachsen ; doch erkennt man auf dem Bilde
sow obi an der Strasse, als auch im Walde und unten am Floav
bett einzelne der grossorn vom Sturz herriihrenden Blocks. Auf
der Karte eingezeicbnet zwischen der sich auskeilenden Frsnden-
berg-Hub-Vogelberd-Nageifluh und dem daruber folgenden ganx
unbedeutenden Gerollband (rechtes Goldachufer).
4. Steilwand am linken Ufer der Goldach.
(Aufnahme von J. Riihr.)
Ca. 800 m unterbalb der Lochmuhle.
Die gauze Wand ist ca. 70 m hoch. Davon entfallt fast ein
DritteL auf verscbwemmte Morane, deren Sand- und Kiesschichton
im allgemeineii nordlich fallen. tTber dem Ladeplatz und Fahr-
o
O
c
CO
Tafel 3- Bergsturzgebiet an der GoJdachr
phot. j. nun.. Tafel 4# steiiwand am linken Ufer der Goldach.
483
weg, auf welcbem der Arbeiter steht, erreichen diese glacial en
Kiesmassen im Maximum 15 m, wozu noch ca. 6 m unter dem
Wege kommen. Darunter anstehender Molassefels (Mergel und
Sandstein der obern Siisswassermolasse). An der Basis zwei Schutt-
kegel, wovon derjenige rechts aus glacialen Gerollen, derjenige
links teils aus Molasseschutt, teils aus Sand besteht, der aus den
glacialen Schichten stammt.
5. Flussterras8en bei Lee an der Sitter.
(Auinahme von J". Riihe.)
tTber der Inundationsflache erkennt man funf Flussterrassen,
d. h. Reste einstiger Talboden oder friiherer, in hoherem Niveau
gelegener Sitterbetten. Auf der Fortsetzung der vierten steben
die Hauser rechts der S trass e. Die Hdhendifferenz zwischen dem
Flussbett und der funften, hochsten Terrasse betragt ca. 34 m.
6. Anschnitt einer Flussterrasse an der Sitter.
(Aufnahme von J. Riihe.)
Gegenuber Badlisau, Nordrand der Karte.
Profil von oben nach unten:
Verwitterungsschicht (ca. 2 m).
Flusskies des einstigen Sitterbettes (ca. 1\'2 m), fast 12 m
iiber dem jetzigen Sitterlauf.
Molassefels, ca. 10 m, im tiefern Teil verdeckt durch Schutt-
massen (Erosionstatigkeit der Sitter am konkaven Ufer!).
7. Morftnenwall (Endmorane) vom Bildweiher.
(Auf nab me von P. Flury ; ebenso Bild 8, 11 und 12.)
Der Wall erreicht eine Hohe von ca. 10 m; die Aufnahme
erfolgte von SO in einer Entfernung von etwa 150 m, so dass
dem Beschauer die Innenseite des Walles entgegentritt.
8. Kiesgrube am Bildweiher.
Aufgenommen wurde die erste Grubo rechts an der Strasse
vom Bild nach Winkeln. Der untere Teil zeigt ausgepragte Delta-
struktur; nicht ganz in der Mitte ist eine Schichtverbiegung deut-
lich wahrzunehmen ; iiber den geneigten Schichten hebt sich als
oberer Teil trefflich die horizontale tj bergussschicht ab; der "Ober-
gang von den schiefen Deltaschichten zum flachschichtigen tfber-
guss kommt auf dem Bilde rechts in ausgezeichneter Weise zur
Geltung.
434
9. Einschnitt der Gaiserbahn auf der Gertenwilerbleiche.
Der Aufschluss war nur voriibergebend zur Zeit der Bahn-
hofutnbauten sichtbar und befindet sich dort, wo das neue Geleise
der Gaiserbahn in die Richtung der TJnterstrasse umbiegt; er liegt
somit in dem von uns nachgewiesenen friihern Endmoranenwall.
welcher, quer durch die Geltenwilerbleiche ziehend, wahrend der
Arbeiten mehrmals angeschnitten wurde (vgl. Jahrbuch 1901/02.
pag. 589, und Jahrbuch 1903, Nachtrage). In dem hauptsachlieh
aus Grundmorane bestehenden Material fallen zwei grdssere Bldcke
auf, von welchen der obere gut geschliffen erscheint. Mit dem
Stock wird auf den etwas verwischten Kontakt mit dem im Osten
an den Wall sich anlehnenden verschwemmten Material hingewiesen.
Diese, sowie einige andere im Museum deponierte Photo-
graphien voriibergehender Aufschlusse auf der Geltenwilerbleiche
verdanken wir der Gefalligkeit des Herrn Zahnarzt W. Mayer.
1 0. Fluvioglaciale Anschwemmung (Oilti) 5stl. der LinsabOhlkirche.
Der nicht mehr sichtbare Aufschluss trat bei Anlasa der
Vorarbeiten zum Kirchenbau zutage ; die Sand- und Kiesschichten
fallen von der Talflanke mit ca. 23° nach NW ein.
Die trefflicbe Aufnahme wurde von Herrn Prof. Dr. Steigvr
veranlasst und uns nachher in sehr verdankenswerter Weise zur
Verfiigung gestellt.
11. Steinbruch bei Notkersegg.
Das Bild zeigt den deutlichen, scharfen Kontakt des an-
stehenden plattenartigen Molassesandsteins mit der uberlagernden
lebmigen, an Geschieben iiberaus reichen Grundmorane. Die Basis
des Aufsch hisses wird durch den sich in Form einer Halde an-
gebauften Schutt (der Betrieb ist namlich seit einiger Zeit ein-
gestellt) bis weit hinauf verdeckt; auf der rechten Seite Bind da-
gegen die Molassescbichten tiefer entblosst.
12. Drumlinslandschaft von Wittenbaoh.
Die Aufnahme erfolgte vom Drumlin bei Biittingen (610 o.
im X der Karte) aus in annahernd norddstlicher Richtung. E*
fallen daher auf das Bild auch einige Drumlins, welche auf der
Karte selbst nur teilweise zur Darstellung kommen. Drumlin
Biittingen zeigt oine deutliche Terrassierung ; von demselben ab-
geseben, konnten nicht weniger als vier Drumlins auf dem Bilde
vereinigt werden.
<3
;
Tfefrl 10. Fluvioglaciale Anschwetnmung tD^Hav
ustlich der LinsebuhlkircUe*
(
v
— , _* .
«
L
* .
*
&'/■
1
;
u ^ •
™^Sjr .
Ha
ft
W
i
«
• ;•
K
I
■
Wk
'v- -A 1
fe
: ' ■ ■ t
: ;
1 W-'**
1 V
1
■
i »
iU
,•■■-
■
*. ■ >
436
13. Quertal der Urnftsch sUdlich vom Kubel.
(Aufnahme von J. Biihe, ebenso Bild 14)
Ort der Aufnahme ca. 150 m hinter dem abgebrochenen Kubel-
gebaude. Das Bild zeigt den Charakterzug eines in der Nagelfluh-
region der gehobenen Molasse eingeschnittenen Quertales: die
typische Spitzkurve im Flussbett und die an beiden Talwanden
schief ansteigenden Nagelfluhbanke. Die machtige Nagelfluhschicht
ist durch eine eingelagerte Sandstein- und Mergelpartie deutlich
als Doppelbank erkennbar. Eine etwas hellere Sandstein- und
Mergelpartie unter der Nagelfluh, besonders deutlich sichtbar auf
der rechten Talseite, enthalt die mehrmals erwahnte, Meeres-
petrefakten fuhrende Schicht. Wir haben hier die nur noch wenig
machtige tiefere Etage der Meeresmolasse vor uns.
tTber der Nagelfluh folgen Susswasserbildungen als ziemlich
machtige Zwischenlagerung zwischen den beiden Etage n der Meeres-
molasse. Talauswarts sind im Hintergrunde noch die Felsen der
oberen Meeresmolasse sichtbar.
14. Isoklinaltal der Sitter 5stlich vom Kubel.
Da die Sitter ostlich vom Zusammenfluss mit der Urnasch
auf kurze Strecke fast in der Streichrichtung der Schichten fliesst,
so erscheinen die Schichten der rechten Talwand (im Sinne des
Flusslaufes) fast horizontal angeschnitten. Der hohere Teil der
Wand gehort der oberen Meeresmolasse an, der tiefere Teil den
Susswasser-Zwischenbildungen. Die Grenze wird durch eine
machtige Nagelfluhbank gebildet.
Die Nagelfluhschicht im Vordergrundo des Bildes, welche vom
Zusammenfluss der Urnasch mit der Sitter ostsiidostlich ansteigt,
bildet die Schichtflache des „Kamm" und senkt sich mit ca, 25 — 26°
NNW Fallen zum Sitterbett hinunter. Also Schichtflache auf der
linken, Schichtkopfe auf der rechten Sitterseite bei gleichem Fallen
der Schichten — daher eben der Name Isoklinaltal.
XI.
Die Eibe (Taxus baccata L.)
in der Schweiz.
Von Prof. Dr. Paul Vogler.
Elnleitung.
Wer von St. Gallen aus den steilen Abhangen der
Schluchten der Urnasch, Sitter, Steinach oder Goldach
nachklettert, muss oft zwischen dicht bis zum Boden ast-
reichen Nadelholzern sich durchwinden ; er nimmt keinen
freundlichen Eindruck von diesen dusteren Q-esellen mit,
deren dunkelgriine spitzen Nadeln ihn fast blutig ge-
stochen. Es sind Eiben, die an diesen schwer zugang-
lichen Orten in grosser Menge wachsen, freilich nicht
als stattliche Baume, mehr nur als buschiges Unterholz.
Ein ganz anderes Bild gewahrt die Eibe, wo sie ver-
einzelt im Hochwald vorkommt. Zwischen den Stammen
der Rottannen, Weisstannen und Fohren, die in ihren
untern Teilen als kahle S&ulen erscheinen, taucht z. B.
im Sitterwald da und dort eine dunkle Pyramide auf;
etwas schlaff liegen die untersten, weit ausgreifenden
Aste beinahe auf dem Boden; von unten bis oben alles
reichlich mit oberseits schwarzgrtinglanzenden, unterseits
hellen, mattgriinen Nadeln bedeckt. Die Eibe erscbeint
auch hier noch duster, fast unheimlich; aber sie belebt
doch das Waldbild, sie bietet dem Auge einen Ruhepunkt.
Wie ich dazu komme, diesem Baum eine grossere
437
i
Untersuchung zu widmen, mag einer fragen. Nun, ich
hatte die Absicht, der Eibe einen Nekrolog zu schreiben.
Aus den Arbeiten von Conwentz1) war mir bekannt,
dass in Preussen der Baum zuriickgeht; dass er fruher
viel haufiger gewesen. Damals, als ich diese Arbeit
unternahm, waren mir als einziges Gebiet mit massen-
haften Eiben nur die Abhange des tltliberges und des
Albis an der Sihl bei Zurich bekannt; da, wo ich auf-
gewachsen, in Frauenfeld, gehorte die Eibe als Wald-
baum zu den Rarit&ten. So schien mir also die Eibe
auch in der Schweiz auf dem Aussterbeetat zu stehen,
und es regte sich in mir eben der Gedanke, ihren Spuren
in der Schweiz nachzugehen, das jetzige Vorkommen zu
fixieren und, kurz gesagt, die Geschichte der Eibe in der
Schweiz zu schreiben.
Es ist anders gekommen, nicht durch meine Schuld.
Wir wurden namlich bald genug inne, dass es noch zu
filih ist zur Geschichtsschreibung. Die Eibe gehort in
der Schweiz noch nicht zu den aussterbenden Wald-
baumen; sie behauptet unsor Gebiet gegenwartig noch
recht tapfer und wird es noch lange behaupten. Aber
bei meinen Untersuchungen habe ich doch manches ge-
funden, was der Aufzeichnung wert ist, was diesen und
jenen interessieren mag, was endlich einem spatern „Ge-
schichtsschreiberu der Eibe wertvoll sein wird ; denn dass
die Eibe mit dem Fortschreiten der Kultur einmal aus
grossen Gebieten unseres Vaterlandes verschwinden wird,
ist wohl moglich.
Nach dieser kleinen Rechtfertigung meines Unter-
nehmens sei dem Leser auch gleich noch gesagt, was er
*) Die Eibe in Westpreussen, ein aussterbender Waldbaum.
Danzig 1892.
438
auf den folgenden Blattern zu erwarten hat. Also keine
Geschichte der Eibe ; aber noch viel weniger eine eigent-
liche pflanzengeographische Monographie. Ich mochte
ihm nur zunachst den Baum selbst vorstellen mit seinen
Eigentiimlichkeiten ; seine praktische Bedeutung und Ver-
wertung speziell in unserm Vaterlande mag ein weiteres
Kapitel bilden. Fur den Pflanzengeographen und Fdrster
habe ich im fernern die s&mtlichen mir bekannt gewordenen
Standorte der Eibe zusammengestellt und sie auch auf
einer Schweizerkarte eingetragen. Ein kleiner Riickblick
auf die Vergangenheit und ein Ausblick in die Zukunft
soil den Abschluss bilden.
Und nun noch ein kurzes Wort dariiber, wie ich das
Material zusammengebracht habe. Obschon unser Vater-
land zu den kleinsten gehort, kann ein einzelner nicht
das ganze Gebiet selbst absuchen ; nur die vereinte Arbeit
vieler kann etwas halbwegs Vollstandiges zustande bringen.
Ich war also auf vielseitige Unterstiitzung angewiesen.
Diese wurde mir auch reichlich zuteil. Ein kurzer Aufraf
in s&mtlichen Zeitungen der Schweiz, ein Zirkular an die
Mitglieder des schweizerischen Forstvereins, brief liche An-
fragen bei Bekannten und Unbekannten trugen mir eine
grosse Menge von Angaben ein. Mehr als 200 Schreiben
habe ich im Laufe der Zeit erhalten. Nicht alle waren
fur mich natiirlich gleich wertvoll; aber sie zeigten alle
ein erfreuliches Interesse an der von mir unternommenen
Arbeit. Es sei also an dieser Stelle alien meinen zahl-
reichen Mi tarbeitern nochmals der beste Dank ausgesprochen.
Meinen verehrten Lehrer und Freund, Herrn Professor
C. Schroter in Zurich, dem ich die erste Anregung und
spater manchen Rat bei dieser Arbeit zu verdanken habe,
mochte ich noch speziell erwahnen.
439
Beschreibung des Baumes.
Die Eibe (Taocus baccata L.) [in den deutsch-schweize-
rischen Mundarten nach dem schweizerisohen Idiotikon:
Iwe, I(j)e (Urkantone und Glarus), Ei(j)e (Aargau, Basel,
Bern, Uri, Luzern, St. Gallen, Solothurn, Unterwalden,
Zug, Zurich), J (Bern, Luzern, Uri), Ei (Bern, Zurich),
Eile (Aargau), Ib(e) (Aargau, Graubiinden, Luzern, St. Gallen,
Schaffhausen, Thurgau), als Femininum; Jw (Graubiinden,
Luzern, Schaffhausen), Ei (Bern) als Masculinum, auch
Hag-Eie und Bolleli-Eie (Aargau) und Ibsche (Luzern,
Bern, Freiburg, Graubiinden, Schaffhausen)], ist der einzige
bei uns einheimische Vertreter der Familie der Taxacece,
die mit unseren iibrigen Nadelholzern die Klasse der
Coniferce (Zapfentrager) bildet. Sie ist so eigenartig in
ihrem ganzen Bau, dass sie nicht leicht mit andern Nadel-
holzern verwechselt werden kann; einzig auf grossere
Entfernung mag bisweilen eine junge Weisstanne ihr
ahnlich sehen. Aber in der Nahe lasst sie sich leicht
von dieser unterscheiden an den spitzen Nadeln, dem
Fehlen der weissen Striche auf der Unterseite der Nadeln
und an dem braunen, rotlich abschuppenden Stamm.
Versuchen wir aber doch eine etwas einlasslichere
morphologisch-biologische Beschreibung unseres Baumes *).
Im Boden finden wir eine reichverzweigte, tiefgehende
Wurzel; trotzdem ist die Eibe nicht absolut auf tief-
grundigen Boden angewiesen ; sie vermag selbst als Felsen-
pflanze zu leben, wo sie dann ihre Wurzeln hineinsendet
in die Ritzen und Spalten des Gesteins. Ein sehr hiibsches
Beispiel dafiir bietet das Nordufer des Walensees, wo sie
stellenweise die Felswande reichlich schmiickt. Geniigende
l) Vergl. Kirchner, Loew und Schroter: Lebensgeschichte der
Blutenpflanzen Mitteleuropas. I, pag. 60 — 78.
440
Feuchtigkeit scheint eine Hauptbedingung fur ihr Gre-
deihen zu sein; da sie aber unter gunstigen Verhaltnissen
ihre Wurzeln sehr tief hinunter senden kann, findet sie
eben solche fast tiberall.
Uber dem Boden erhebt sich der sich meist bald in
mehrere aufstrebende Stamme teilende Stamm, wie die
starkern Aste von rotbrauner, blattrig sich ablosender
Rinde bedeckt. Die horizontal weit ausladenden Aste
bleiben auch im dichten Wald bis weit herunter, oft bis
zum Boden erhalten, so dass der Baum aus dieser Ursache
und wegen der reichen Teilung des Hauptstammes bei
uns fast immer buschig erscheint. Die Eibe kann aber
doch zu einem recht stattlichen Baum heranwachsen.
Lowe1) gibt eine grosse Liste alter Eiben in England
und Irland; darunter finden wir viele Baume aufgefulirt
mit uber 18, ja bis 20 m Hohe und freiem Stamm bis
zu 4 m. Stamme mit 2 — 3 m Durchmesser sind eben-
falls zahlreich vertreten ; es gibt sogar solche mit 4,5 m
Stammdurchmesser unmittelbar iiber dem Boden. In
Deutschland scheinen nach Jaennicke2) Baume iiber
10 m Hdhe selten zu sein ; der hochste in diesem Gebiet
ist die Eibe im Frankfurter botanischen Garten mit 13,80 m.
Der dickste, der von ihm aufgefuhrten, hat in 1 m Hohe
einen Durchmesser von 1,25 m.
Auch unsere Schweizer Eiben bleiben innerhalb
massiger Dimensionen. Uber 10 m hohe Baume sind
ebenfalls sehr selten und ein Stammdurchmesser von Vi m
ist schon der Erwahnung wert. Stattliche Exemplar*
!) Lowe, John: The Yew-trees of Great Britain and Ire-
land. London 1897. (Ein reich illustriertes Prachtwerk!)
2) Jaennicke, Frd. : Die Eibe, natur- und kulturwissen-
schaftlich betrachtet. Bericht des Offenbacher Vereins fur Xatur-
kunde 1895 und 1901.
441
mogen sich da und dort in Garten und auf Friedhflfen
finden ; doch habe ich hier und iiberall bei meiner Arbeit
nur die wildwachsenden berticksichtigt. Ein paar Zahlen
mogen hier angefiihrt werden. Die grosste, schonste und
wohl auch alteste Eibe der Schweiz steht auf dem Gerstler
in Heimiswil bei Burgdorf. Dieser Baum, Eigentum
der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft, ein
Geschenk der Herren Fritz und Paul Sarasin in
Basel, ist jetzt 15 m hoch, der Umfang seines Stammes
betr> am Boden 4 m (Durchmesser ca. 1,25 m), in 1,20 m
Hohe noch 3,60 m.
Wartmann und Schlatter1) berichten aus dem
Kanton St. Gallen : „Noch anfangs der Fiinfzigerjahre
stand auf dem Achsler-Vogelherd (Gemeinde Tablat)
ein Exemplar, das ca. 2,9 m Stammumfang (= ca. 90 cm
Durchmesser) hatte. Gegenwartig gehoren Baume von
20—25 cm Durchmesser und 10 — 12 m Hohe schon zu
den Ausnahmen; im Engetobel bei Heiden findet
sich z. B. noch ein Exemplar von 47 cm Durchmesser
und 12 m Hohe, bei Halden im Martinstobel ein
solches von 36 cm Durchmesser. — In manchen Berg-
waldern trifft man nicht selten uralte Stocke von 50 — 60 cm
Durchmesser, welche immer wieder samentragende Stock-
ausschlage treiben, so in der Taminaschlucht hinter
Bad Pfafers, auf Dachsenegg und Zimmerwiesli bei
Schanis, in der Nafleren bei Kaltbrunn, Hof-
statt bei Alt St. Johann, imGlatttobel beiFla-
wil.u Genaue Hohenangaben sind selten, da dieselben
meist nur auf Schatzungen beruhen. Dagegen habe ich
eine ganze Reihe von Mitteilungen tiber grossere Durch-
*) Kritische "Obersicht iibor die Gefasspflanzen der Kantone
St. Gallen und Appenzell.
442
messer erhalten, aus denen hervorgeht, dass Stammdicken
von 20 — 30 cm bei uns noch ziemlich haufig sind. Die
grossten Zahlen sind folgende: Im Stulserwald zwischen
Bellaluna und Stuls stehen bei 1250 m zwei Exem-
plare mit 2,10 m und 2,45 m Umfang in BrusthShe
(Durchmesser also 66 resp. 78 cm) [15] *); im Lauelen-
wald binter Eigental (Unterwalden) fand Revier-
forster Lussi Baume mit fiber 70 cm Durchmesser. In
den Klusen von Moutier und Court (Berner Jura)
stehen zahlreiche Baume mit 50 — 60 cm Durchmesser
[164]; in Herisau wurde eine Eibe gefallt, die „2 Fuss
iiber den Schnitt massu [50]; in Wo If ha 1 den 1899 eine
solche mit folgenden Dimensionen: Lange 8,50 m, Stamm-
durchinesser in der Mitte 21 cm, Stock 36 cm [17]; ob
Villeneuve auf 1200 m mass Badoux [115] awei
Baume mit 46 und 51 cm Durchmesser in 1,3 m H6he,
und 10,5 resp. t) m absolute Hohen.
Bezirksforster H e r s c h e , Uznach [182], berichtet mir
folgende Zahlen: nordlich vom Bildstein-Benken eine
Eibe mit grossem geradem Stamm, in Brusthohe 35 cm
Durchmesser, Stammhohe ca. 6 m, Kronenhdhe ca. 5 m,
gleich 11 in Totalhohe.
Spitzenegg-Gommiswald: auf 1 m Hohe 38cm
Durchmesser, dann sich in zwei Stamme von je 22 cm
Durchmesser teilend, ganze Hohe 7 m.
Schorruti-Kappel: Durchmesser 35 cm, Stamm-
hohe 1.80 m.
Schwende-Ebnat: Durchmesser 35 cm, Stamm-
hohe 2,(50 cm.
Im Walde Jean Mate der Gemeinde Mtinster
') Die in Klanunor sti»liondon Zahlen verweisen auf das Ver-
zek'hnis der Herichterstntter ;im Schlusse der Arbeit.
!&>
V»..'<
■' *■■-■■■ «y: «' -*
-■ ,
■ff
2i. ^
.■•> .*■«
VM
Grosse Eibe auf der Alp Brunnenberg bei Rtiti (Rheintal).
Umfang am Boden 3,46 m, in Brusthohc 3,15 m ; in Mannshohe teilt sie sich in x*rc\Vy&&e*.\
Oesamthdhe ca. 10 m. - Das Bild ist recht charakteristisch tux dwv Vxvotxx^yxw W^»\N»a *&»
Eiben. (Lcidcr erlaubie der ungunsiigt Standort nicht erne vo\\s\atvd\^t kutaikunK. Ar^iwsmm
<i
MiucarcfrMMt •wCMOau««i«t<
'W i
:
443
(Berner Jura) stehen bei ca. 1000 m auf exponiertem
Grat tJberreste einer Eibe. Noch vor zehn Jahren
war der untere Teil des Stammes vollst&ndig, aber hohl,
mit mittlerem Durchmesser von 1,20 m. Jetzt ist auf
den ostlichen ca. 2/6 die Hiille eingesunken. Von Westen
erscheint der Stamm gesund mit ca. 1,3 m Durchmesser;
wenige Meter uber dem Boden h6rt der Stamm auf und
tragt mehrere 1 — 3 m hohe griine Aste, resp. Gipfel.
(Praktischer Forstwirt 1888, p. 111.)
Auf der Alp Brunnenberg bei Riiti steht ein
Exemplar mit folgenden Dimensionen [114]: Umfang am
Boden 3,46 m (also Durchmesser ca. 1,10m), in Brust-
hohe 3,16 m. In Mannshohe teilt sie sich in zwei Dolden;
die ganze Hohe betragt ca. 10 m.
Nach Christ (Pflanzenleben) befindet sich ob Schwyz
eine Eibe mit 60 cm Durchmesser.
Wie alt mogen solch stattliche Exemplare sein ? Wo
nicht direkte historische Daten vorliegen oder nicht Jahr-
ringe gezahlt wurden, ist die Altersschatzung ausser-
ordentlich schwierig. Der Eibenstamm wachst sehr lang-
sam in die Dicke; aber trotzdem die Jahrringbreite aus
vielen Messungen auf 2 — 2,5 mm gefunden wurde, d. h.
also die jahrliche Dickezunahme auf 4 — 6 mm, darf man
doch nicht ohne weiteres daraus das Alter berechnen,
weil sehr oft bei alteren Bauraen die aufstrebenden Aste
mit dem Hauptstamm verwachsen und so einen viel
dickeren Stamm vortauschen. Ganz alte Eiben, die auf
1300 — 1600 Jahre geschatzt werden, findet man auf Fried-
hofen in England. Auch aus Deutschland fuhrt Jaen-
nicke eine Anzahl Baume auf mit der stattlichen An-
zahl von 600 — 1000 Jahren, freilich ohne fur die Genauig-
keit dieser Zahlen Garantie zu leisten. An solche alte
444
Baume kniipfen sich oft historische Uberlieferungen und
Sagen an. So soil z. B. ein Baum in Fountain Abbey
(York) 1133 bereits den Monchen als Zufluchtsstatte ge-
dient haben (Jaennicke).
Rechnen wir mit Jaennicke 4 — 5 mm als jahr-
lichen Dickenzuwachs , so diirften wir die Eibe vom
G e r s 1 1 e r auf etwa 300 Jahre schatzen. Auf dem Schnitt
der schon erwahnten Eibe von Herisau mit zwei Fuss
Durchmesser wurden 222 Jahrringe gezahlt; Forster
Schmidt in Wellhausen ermittelte an zwei beim Lust-
haus Wellenberg gefallten Baumen 1901 das Alter auf
186 Jahre.
Noch eine wichtige Eigenschaft des Stammes und
der Aste muss erwahnt werden. Der Baum besitzt eine
enorme Ausschlagsfahigkeit. „Uberall ist er bereit,
aus schlafenden Augen und bei Verstiimmelungen auch
aus Sekundarknospen Wasserreiser zu treiben. Bald sitzen
sie reihenweise auf der Oberseite starkerer Seitenaste.
bald entspringen sie dichtgedrangt dem Stamm und tiber-
ziehen ihn vollig mit einer grtinen Hiille. Bei Verlust
des Gipfeltriebes tritt meist nicht ein einzelner Ersatz-
trieb, sondern ein ganzer Biischel an seine Stelle" (Schroten.
Kurz, der Baum ist kaum umzubringen ; alte hohle Striinke
treiben aus Adventivknospen neue Aste und Zweige;
unter der Schere des Gartners lasst sich die Eibe in
beliebigen Formen halten, ohne darunter zu leiden. Unter
den Bissen der Ziegen und des Rindviehs kann sie bis-
weilen jene eigentiimlichen Formen bilden, die wir von
der Rottanne unter dem Namen „Geissetannliu kennen,
wie mir Forstverwalter Landolt in Biiren (Bern) von
den Weiden der Jurahohen mitteilte.
Auch den B 1 a 1 1 e r n , gewohnlich N a d e 1 n genannt,
445
miissen wir noch einige Zeilen widmen. Sie werden bis
35 mm lang und 2 mm breit; vorn zugespitzt. Von der
Basis aus zieht sich, wie bei der Fichte, ein sogenanntes
Nadelkissen dem Zweig entlang nach unten. Die glanzend
schwarzgriine Oberseite verleiht dem Baume das dustere
Aussehen, die Unterseite ist mattgrun. Die Eibennadeln
werden bis acht Jahre alt, daher die reichliche Benade-
lung der Zweige. In ihrer Anordnung verhalten sie sich
gleich wie die der Weisstanne. An senkrecht stehenden
Asten sind sie rund um den Stamm angeordnet, etwas
nach vorn gerichtet, an den horizontal ausragenden Asten
dagegen erscheinen sie durch Drehung des kurzen Stieles
scharf gescheitelt. Einige auffallige Beobachtungen lassen
sich bei uns iiberall leicht machen. Die Baume an schat-
tigen Standorten haben immer viel grossere Nadeln als
die an sonnigen, so dass man oft auf den ersten Blick
im Zweifel sein kann, ob man es wirklich mit der gleichen
Pflanze zu tun hat. Ferner findet man haufig an den
Enden der jiingsten Verzweigungen die Nadeln nicht ge-
kammt, sondern knospenartig zusammenneigend. Das ist
eine krankhafte Missbildung unter dem Einfluss einer
Gallmiicke (Cecidomya taxi). Diese Gallen sind im Sitter-
wald bei St. Gallen und in der Umgebung von Zurich so
haufig, dass stellenweise alle Baume solche in grosser
Anzahl tragen, scheinbar ohne starke Schadigung. Dass
die mannlichen Baume verschont bleiben, kann ich im
Gegensatz zu Jaennicke nicht bestatigen.
Die Fortpflanzung der Kibe.
Wenn die Eibe 20 Jahre alt ist, beginnt sie ge-
wohnlich zu bliihen. Sie ist im Gegensatz zu unsern
iibrigen Nadelholzern zweihausig, die einen Exemplare
446
tragen nur m&nnliche, andere nur weibliche Bliiten. Be-
reits im Marz sind die Bliiten vollstandig entwickelt;
die Staubbeutel entlassen ibren Pollen und die Fnihlings-
winde tragen ibn zu den Samenanlagen. Es ist recht
auffallig, dass um St. Gallen herum wie bei Zurich die
mannlichen Bourne viel zahlreicher sind als die weib-
lichen. Trotzdem findet man auch hier wie in der iibrigen
Schweiz nicht selten fruktifizierende Exemplare.
Die Bliiten sind sehr einfach gebaut; sie stehen
immer auf der Unterseite der Zweige, wohlgeschiitzt gegen
den Regen. Betrachten wir im Friihjahr die Zweige
eines bliihenden mannlichen Baumes, so sehen wir sie
auf der Unterseite mit ganz kurz gestielten braungelben
Kopfchen von etwa 4 mm Durchmesser besetzt. Umgeben
von einer Anzahl brauner Schuppen ragen 6 — 15 Stanb-
gefasse hervor, jedes wieder mit 5 — 9 Pollensacken. Wie
alle Windblutler muss eben die Eibe grosse Massen trockenen.
leichten Bliitenstaub entwickeln. Schlagt man bei trockenem
Wetter an den bliihenden mannlichen Ast, so sieht man
ganze gelbe Wolken aufsteigen.
Die weibliche Bliite ist die denkbar einfachste
Bliite. Sie besteht namlich nur aus einer Samenanlage
(Ovulum) am Ende eines ganz kurzen Zweigleins. Ein
schiitzender Fruchtknoten fehlt. Am vordern Ende des
Ovulums, auf der sogen. Mikropyle, findet man einen
wassorhellen Tropfen, von (Jem die durch den Wind
herbeigewehten Pollenkorner aufgefangen werden. In
diesem Flussigkeitstropfen keimen die Pollenkorner aus;
der Pollenschlauch dringt im Ovulum bis zur Eizelle, wo
die Befruchtung stattfindet.
Aus der Samenanlage entwickelt sich spater der
dunkelbraune, harteSame. Der fleischrote Becher,
447
in dem er steckt, ist keine eigentliche Fruchthnlle, sondern
eine Bildung von der Basis des Ovulums aus, ein soge&.
Arillus. Der Laie mag diese ganze Bildung als eine
Beere bezeichnen. Ein reichlich fruktifizierender Eiben-
baum gewahrt im August und September einen wunder-
hubschen Anblick; er ist dann uber und uber bedeckt
mit scharlachroten, zart blaulich bereiften Becherchen,
in deren Tiefe man vorn den braunen Samen erblickt.
Der rote Samen mantel ist sussschmeckend und essbar;
er besteht aus einem schleimigen Gewebe, das „Faden
ziehtu ; „Schnuderbeeria heissen die Eibenfruchte im
Dialekt.
Die Verbreitung der Samen erfolgt durch Vogel,
hauptsachlich Drosseln, Amseln und Bachstelzen, welche
von dem aus dem dunkeln Grim der Nadeln hervor-
leuchtenden roten Friichtchen angelockt, die ganzen
Friichtchen verschlingen, die Samen aber, die durch eine
harte Schale geschiitzt sind, unverdaut und in keimf &higem
Zustand wieder absetzen. Eine hiibsche Beobachtung
dieser Art berichtet mir Herr de B Ion ay, Lausanne:
„Dans nos pares et jardins, la propagation de 1'If est
frequents sous les cedres, sur lesquels les oiseaux vont
digerer les graines recueillies dans le voisinage ; les pepins
tombent sur un lit d' aiguilles de cedres et sont recou-
vertes des ces aiguilles, ce qui parait etre une condition
tres favorante a leur germination et a leur croissance."
Da die Vogel rasch reisen, konnen sie die Samen oft
weit transportieren, wahrend sie ihren Darmkanal passieren.
So erscheint es gar nicht wunderbar, wenn da oder dort
einmal weit weg von alien Standorten der Eibe gelegent-
lich im* Wald ein einsames Exemplar auftritt. So fuhrt
Aubert wohl mit Recht die zwei B&ume Au Soliat im
448
Jouxtal auf eine Einfuhrung durch Vogel zuruck. Ahn-
lich durfte sich die einzige Eibe erklaren, die im Walde
von Oberhausen bei Tobel (Thurgau) beobachtet wurde,
aber schon ah junges Baumchen einem Frevler zum Opfer
fiel [34], Uber Beobachtungen, die den Transport durch
Vogel beweisen, schreibt mir auch Herr Kantonsoberforster
Seeli in Glarus: „Die Eibe ist in den Waldungen des
Kantons Glarus ein sehr seltener Baum. Ganz besonders
beobachtet man ihn in Felsritzen, wo nur Vogel ihre
Zuflucht haben. Dieser Umstand wird ganz besonders die
Veranlassung sein zu Anflugen, die ich in letzter Zeit
an zwei Waldstellen am Fusse von hohen Felsen be-
obachtet habe, so einerseits im Klontal-Vorauen, auf der
linken Seite des sogen. Sulzbaches, andrerseits im Gasi-
Tschachen, auf der rechten Seite des Escherkanals. Beide
Stellen sind schon mit 10 — lSjahrigen Eiben verjungt,
die ihr Dasein wohl den Exkrementen der Vogel ver-
danken. Da in beiden Waldungen keine samentragenden
Mutterbaume sich vorfinden, so kann ich eine Verjungung
auf anderem Wege kaum erklaren. — Der Umstand, dass
die jungen Eiben vielfach unmittelbar am Stamme anderer
Baume emporwachsen, lasst wohl schiiessen, dass die
Vogel (Raben, Bergdrosseln etc.) ihre Exkremente vom
Gipfel der Baume fallen liessen.u
Die Samen behalten ihre Keimfahigkeit bis drei
Jahre ; im ersten Jahr nach der Reife keimen nur wenige,
im zwei ten die meisten, im dritten nur noch wenige. Wo
ein weiblicher Baum steht, findet man bei uns gewohn-
lich auch reichlichen jungen Nachwuchs.
So erhielt ich Berichte liber reichliche naturliche
Verjungung aus Samen: z. B. von Reute [2], Walzen-
hausen [18], Brunnadern [25], Mammern [33], Oberegg [65],
449
Kirchberg [82], Chillon [116], Chur [14], Wadenswil [14],
Turbental [38], Baden [160]. Von Wolf halden [17] schreibt
man mir, dass auf einem Komplex im Gem, wo vor
20 Jahren noch kein Stuck stand, jetzt ca. 26 — 30 vor-
handen sind, darunter solche von 3 m Lange. Berneck
[149] berichtet kurz und biindig: „Nachwuchs mehr als
una lieb." Auch aus dem Distrikt Rolle und Nyon [92]
heisst es : „Dya actuellement plus d'exemplaires qu'il ne
a' en trouvait il y a un demi siecle." Selbst in der Hohe
von 1000—1600 m bei Bellaluna (Albula) scheint sie sich
eher zu vermehren, wie aus den zahlreichen jungen Baum-
chen geschlossen werden muss [36].
Wenn man die zahlreichen Berichte der Art liest,
kommt man zur Uberzeugung, dass in der Schweiz von
einem naturlichen Rlickgang nicht gesprochen werden
kann ; dass sich die Eibe im Gegenteil durch ihre Samen
immer mehr auszubreiten versucht.
Auf feuchtem Boden keimt der Same; ein neuer
Baum wachst heran. Die junge Eibe ertragt, mehr als
ein anderes Nadelholz, Schatten und die Kronentraufe ;
doch kann sie auch, wie das Vorkommen an Felswanden
beweist, an sonnigen Standorten aufgehen. Aber eines
scheint sie nur schwer zu ertragen, den plStzlichen tJber-
gang von Schatten zur Sonne. Bei Verpflanzung aus
dem Schatten ans Licht beginnen die Baume zu serbeln.
Beispiele dafur findet man in alien Parkanlagen. An
eines mochte ich nur erinnern. Im Sommer 1903 sollte
eine alte unschone Eibe im obern Briihl (St. Gallen) durch
ein schoneres Exemplar ersetzt werden. Das geschah
wohl; aber das stattliche neue Exemplar ging nach
wenigen Wochen wieder ein ; es hat das Sonnenlicht nicht
ertragen konnen.
*2a
460
Noch beweisender sind jene Falle, wo bei Kahlschlag
einzelne Eiben als tJberstander stehen gelassen wurden.
So schreibt mir der Stadtforster von fiischofszell [81]:
„Wenn im Groldachtobel das andere Holz geschlagen, die
Eiben aber stehen gelassen wurden, fingen sie an zu
kummern, wurden gelb, und ihre Friichte waren viel
kleiner als fruher, oder die der nebenan im Schatten
stehenden." Ahnliche Beobachtungen machte Revierforster
Lussy in Nidwalden und Professor Schroter bei Sihl-
brugg.
Ausser durch Samen kann man den Eibenbaum
kiinstlich leicht durch Stecklinge, selbst armdicke, ver-
mehren, die sich rasch bewurzeln und bald zu stattlichen
Baumen heranwachsen.
Auch in der Natur scheint ein ahnlicher Vorgang
bisweilen stattzufinden, indem die untersten Aste sich
bis auf den Boden senken, dort Wurzeln schlagen, so
dass im Kreis um den alten Baum eine ganze Familie
junger entsteht. So berichtet mir Herr Forstinspektor
Delacoste aus Visp: „La propagation de cette espece
interessante a lieu encore plus par le moyen du marcottage
naturel que pas le reensemencement naturel qui certaine-
ment se presente aussi. Les branches flexibles et rap-
prochees du sol par Teffet de la neige et des pierres tendent
a se rapprocher encore davantage de celui-ci, et, recouvertes
peu a peu de terreau et de pierres, elles finissent par prendre
racine et de donner naissance a de nouveaux individus
qui restent longtemps encore en contact intime avec leur
parents: un pareil groupement ne peut etre mieux com-
pare qu'a une vigne provignee.u
461
Die Giftlgkeit der Elbe.
Uber die Gifbigkeit der Eibe ist schon viel gestritten
worden. Curioser botanicus oder Sonderbahres Krauter-
buch vom Jahre 1730 berichtet: „dass der gantze Baum
giftig, ja auch der Schatten desselben schadlich sey, wird
von vielen beglaubigt", eine Notiz, die auf Dioskorides
und Plinius zuriickgeht. Noch heute berrscht an einzebien
Orten die Meinung, dass ein junges Obstbaumchen, dem
man einen eibenen Pfahl gebe, unfehlbar verdorren
werde [31]. Dass die Eibe giftige Eigenschaften besitzt,
ist sicher. Namentlich Pferden, aber auch dem Rindvieh
kann der Baum leicht gef ahrlich werden. Ich habe auch
Mitteilung von etwa zehn Fallen der Art erhalten; aber
abgeklart ist die Frage noch nicht. Wie unsicher und
schwankend die Anschauungen dariiber auch jetzt noch
sind, zeigen folgende Ausfiihrungen Jaennickes (a. a.
O. 1901): „Bezuglich der Giftigkeit der Eibe sind noch
immer so viele, die grellsten Widersprtiche bergenden
Ansichten und Tatsachen verbreitet, dass ein sicheres
Urteil erst nach langerem Studium der physiologischen
Wirkungen und chemischen Versuchsreihen moglich sein
wird. Seit der Vergiftung des Catavolgus durch Taxus,
berichtet von Julius Caesar (De hello Gallico VI, 31),
liegen eine grosse Zahl von Beobachtungen vor, welche
aber durchweg der inneren Ubereinstimmung entbehren.
Tax in, ein vorzugsweise in den Blattern enthaltenes
Alkaloid, gilt als das Gift der Eibe. — — Lowe hat
des ofteren an sich selbst die Wirkung des Taxins ge-
priift und erklarte es als ein mit Digitalis und Convallaria
vorteilhaft kontrastierendes, weitere ausfuhrliche Beob-
achtungen verdienendes Herzmittel. Kleinere Dosen von
3—8 mg verlang8amen die Herztatigkeit, wahrend der
452
Herzdruck deutlich zunimint; gr5ssere unterdrucken die-
selbe. Pferde, iiberhaupt Einhufer und Rindvieh.
auf welche der Genuss von Eibenblattern am nachteiligsten
wirkt (was jedoch in der landwirtschaftlichen Praxis nicht
in alien Fallen bestatigt wird), konnen sich scheinbar
durch tagliches Fressen kleinerer Portionen auf der Weide
an das Gift gewohnen (vgl. die bereits erwahnten ver-
bissenen Eiben aus dem Jura), allein grosse Vorsicht, wie
ubereinstimmend zugegeben wird, ist angezeigt, nachdem
das Vieh langere Zeit im Stalle gestanden hat und dann
leicht mehr davon frisst als zutraglich. Von Vogeln ver-
zehren Truthiihner, Pfauen, Drosseln und andere die Beeren
ohne Nachteil, wahrend Fasanen leicht durch Eibenblatter
Schaden nehmen. Lowe hat geaussert, dass vielleicht
in der Eibe noch andere Alkaloide enthalten sein mochten;
dann, ob das Gift in den mannlichen Pflanzen nicht
starker als in den weiblichen vertreten sei, oder ob nicht
der Gehalt an Gift ohne Riicksicht auf das Geschlecht
aus andern Ursachen mehr oder weniger wechsle, da sich
nur auf diese Weise die zahlreich vorliegenden, teilweise
recht kapriziosen Beobachtungen von Vergiftungsfallen
und diametral gegenseitigem Verhalten erklaren lassen.
Es liegen Falle vor, wo Kinder nach dem Genusse der
Beeren — die Samen sollen sehr giftig sein — unter
Anzeichen von Vergiftungen starben, wahrend in anderen
Fallen keine besorgniserregenden Zufalle sich einstellten.
Andererseits ist der Abkochung der Blatter eine abortive,
der „Sabinau ahnliche Wirkung zugeschrieben worden.
(Auch im Prattigau wird diese Anschauung vertreten [77]).
Jedenfalls scheint der Genuss Vorsicht zu erfordem und
wird am besten ganz unterlassen."
Man sieht aus diesen Ausfuhrungen am besten, wie
463
wenig die gauze Frage noch abgeklart ist. Jedenfalls
ist es das beste, den von Jaennicke gegebenen Bat
zu befolgen.
Die Verwendung der Elbe.
In meinem Zirkular an die Mitglieder des schweize-
rischen Forstvereins hatte ich auch die Frage nach dem
forstlichen Wert der Eibe gestellt, und die Antworten
lauteten ubereinstimmend, dass derselbe so ziemlich gleich
Null zu setzen sei. Das kommt in erster Linie davon
her, dass die Eibe von alien unseren Waldbaumen die
langsamste Holzproduktion besitzt, so dass ihre Zucht
auf gutem Boden sich niemals lohnen kann ; auf geringem
Waldboden, an sehr steilen Abhangen der Bachschluchten
usw. kann sie vielleicht doch noch rentabel sein; denn
auch heute noch findet bei uns die Eibe vielfach Ver-
wendung.
Friiher freilich hat die Eibe eine viel grossere Be-
deutung gehabt als heutzutage. Sie lieferte das wichtigste
Rohmaterial fur Armbr ustbogen; denn ihr Holz
ist sehr zah und elastisch. Die Bogen der alteren Zeit
waren alle aus Eibenholz hergestellt, so dass Eibe und
Bogen geradezu gleichbedeutend sind. Am 9. Oktober
1523 ladt die Stadt Winterthur z. B. zu einem Schiitzen-
fest ein durch „Ein messif vnd Verkiindung eines Schiessens
mit den Iben oder Bogenu [112]. Auch der Name Eiben-
schtitz = Bogenschiitz zeugt in gleicher Eichtung.
Eine zeitlang, namentlich im 16. Jahrhundert, be-
stand ein reger Eibenexport aus der Schweiz nach Eng-
land. So schreibt Prof. Vetter1): „In Pellikans drittem
*) Englische Fliichtlinge in Zurich wahrend der ersten Half to
des 16. Jahrhunderts. (Neujahrsblatt der Stadtbibliotbek in Ziirich
auf das Jahr 1893, p. 5/6.)
454
Kostg&nger treffen wir einen Vertreter der englischen
Nation (William Petersen), der auch in ernsten Zeiten
seinen Handelstrieb nicht ganz unterdriicken kann. —
Das Kaufmannische zeigt sich in dem Versuche, aus der
Schweiz Holz, welches sich zu Bogen verarbeiten liess,
nach England zu importieren ; aber die erste Sendung,
welche aus Glarus kam und .in Zurich vorlaufig zubereitet
wurde, befiiedigte nicht, und so wird dem vielbeschaftigten
Bullinger zugemutet, sich auch solcher Dinge anzunehmen
und dafur besorgt zu sein, dass eine zweite Lieferung
besser ausfalle. In der Tat scheint der stets hulfsbereite
Mann sich sogar diesem Freundschaftsdienst unterzogen
zu haben; sonst wiirde es ein anderer Englander zwei
Jahre spater kaum haben wagen durfen, Bullinger zu
bitten, er mochte den Rat von Zurich dazu bestimmen,
dass er in einer stadtischen Waldung das Schlagen von
Holz erlaube, das sich besonders gut zu Bogen eignete.*
An einer andern Stelle der zahlreichen Briefe aus jener
Zeit ist, nach Mitteilung von Herrn Prof. Vetter, auch
davon die Rede, ein Stuck Wald am Albis, in welchem
dieses „Holz fur Bogen" vorzuglich gedeiht, zu erwerben.
In alien diesen Fallen handelt es sich naturlich uin
Eibenholz. Doch will ich nicht Geschichte schreiben,
sondern in der Gegenwart bleiben ; ich verweise iibrigens
auf Lowe und Jaennicke.
Auch heute noch weiss man bei uns die Elastizitat
des Eibenholzes zu schatzen. Die Armbrust ist nicht
mehr die Waffe des modernen Schtitzen, und wo sie noch
im Sport und fur Jugendschiessen gebraucht wird, ist der
eibene Bogen meist durch Stahl ersetzt ; aber viele Schutzen
scheinen die „Eibeu immer noch vorzuziehen. So wird
mir aus Affoltern a. A. [68] berichtet: „Hier werden
465
von Ostermontag bis Auffahrt oder Pfingsten nach alter
Sitte die ersten Schiessiibungen mit der Armbrust fur
die Schulkinder abgehalten. Diese Armbriiste sind meist
mit Eibenholzbogen versehen, und werden diese Instru-
mente den sogen. Bolliger-Armbriisten mit Stahlbogen
immer noch vorgezogen." Auch in Nidwalden spielt der
Eibenbogen noch eine Rolle [80]. Aus dem Thurgau
schreibt mir ein alter Schiitze [64]: „Ich schiesse heut-
zutage — als 67jahriger — mit einer „Eibeu und erziele
Resultate wie mit Stahl, auf 30 m Distanz ein Scheiben-
bild von 25 cm Durchmesser selten fehlend." So ein
Armbrustbogen wird aus zwei bis drei Auf lagen schon
gewachsenen Eibenholzes hergestellt und liefert ein gleich-
massig weittragendes Instrument. (Speicher [16]).
Ebenfalls wegen seiner Elastizitat ist das Eibenholz
noch heute beliebt fur Peitschenstocke. Junge, grade
gewachsene „Eitannenu werden, wenn sie die richtige
Starke, etwa Daumendicke, erreicht, von der Jugend
haufig gefrevelt. Vor dreissig Jahren zahlte man in
Olten z. B. per Stuck derartiger Stocke 16—25 Rappen
[107]. Aus dem gleichen Grunde eignet sich das Holz
ausgezeichnet fiir Bergstocke. „Dafiir wurde ein ganzes,
gerade gewachsenes Tannchen mit moglichst wenig Asten
zur Winterszeit geschnitten. Bis zur Verarbeitung band
man dieselben fest an eine gerade Stange, bis sie aus-
getrocknet waren. Diese Bergstocke waren sehr leicht,
ausserst zahe, aber doch „wedleichu (biegsam, weiden-
ahnlich), was namentlich bei Rutschpartien angenehm
war. Dagegen sprang das Holz mitunter durch das
Biegen der Lange nach, weshalb wir unten einige Eisen-
ringe in einiger Entfernung anbrachten und zudem die
Stocke vor voraussichtlich schwerem Gebrauch eine Nacht
456
in den Brunnen legten.a Ein weiterer Vorfceil der eibenen
Stocke vor denen aus andern Holzarten ist ausser der
grosseren Elastizitat der Umstand, daas sie im Winter
sich weniger kalt anfuhlen [16].
"Wegen des langsamen Wachstums des Baumes wird
das Holz dicht und fein; dabei bleibt es leicht zu ver-
arbeiten und wird deswegen und wegen seiner fein orange-
gelben bis tief rotbraunen Farbe gem zu Drechsler-
und Schnitzarbeiten aller Art verwendet. Es darf
fiir Kunsttischler, Drechsler etc. als eines der feinsten
europaischen Holzer bezeichnet werden. „Es versorgt das
Rebland im Jura mit Fasshahnen" (Christ). Fiir Salat-
bestecke, Papiermesser, Nadelbiichsen, Strumpfkugeln,
Zahnstocher, Oberlanderhauschen etc. konsumiert das
Berner-Oberland noch heute sehr viel Eibenholz. Aus
der ganzen Schweiz werden schone Eibenstamme von
Brienz und Thun aus aufgekauft. Ho gehen z. B. aus
den Stadtwaldungen am Hockler bei Zurich jedes Jahr
einige Kubikmeter Eibenstamme bester Qualitat nach
Brienz [84]. In St. Gallenkappel wurden vor einigen
Jahren fiir astreine kernrote Stamme 2 Fr. per 60 kg
von Brienz aus bezahlt [113], Auch Qui n ten [140],
Affoltern a. A. [68], Hugelshofen [41], Vevey [115],
Orbe [124], Boudry [164] sandten und senden zum
Teil noch ihre schonsten Stamme bisweilen in ganzen
Wagenladungen dorthin.
Eine weitere wertvolle Eigenschaft des Eibenholzes
ist seine Widerstandsf ahigkeit gegen Faulnis. Im feuchten
Boden soil es mindestens so lange oder noch langer aus-
halten als Eichenholz. Grenzpfosten, Zaunpfahle,
Rebstickel etc. werden deswegen in den Eibengebieten
aus diesem Holz hergestellt. Ein eibener Rebstickel soil
467
100 Jahre halten [49] oder mindestens 3 — 4 tannene iiber-
dauern [103]. Von ca. 25 Orten, aus der deutschen, fran-
zosischen und italienischen Schweiz, wurde mir von dieser
Art der Verwendung berichtet. Einige Preisangaben
haben vielleicht etwas Interesse. In Morschwil wurde
der Hagpfahl von 1,5 m Lange und ca. 5 cm Dicke mit
1 Fr. bezahlt [81]; in Wolfhalden kostet ein gleich
langerPfahl, 10-20 cm dick, 1— 1,60 Fr. [17]; in Gru-
yeres wurden fur 1,70 m lange und 10 — 20 cm dicke
sogar 2 Fr. bezahlt [74].
Soviel ist mir bekannt geworden iiber die Verwertung
des Holzes in der Schweiz. Aber auch Eibenreisig
findet reichlich Verwendung. Die dunkelgriinen Zweige,
die zudem leicht biegsam sind, machen ihn wie geschaffen
zu Dekorationszwecken. Triumphbogen aus Eiben-
reisig wurden schon aufgestellt in Bernhardzell [81],
Bazenheid [82], Pelagiberg [121]. In Vers am besteht
die Sitte, dass bei Hochzeiten die Ture der Braut mit
Eibenkranzen geschmiickt wird [93]. Fast uberall in
katholischen Gebieten spielt sie auch die Rolle der Palme
am Palmsonntag und wird deswegen da und dort direkt
flP&lmeli" genannt. Und zwar herrscht diese Sitte so-
wohl in der deutschen Schweiz: Risch (Zug) [63], Unter-
vatz [168], als auch in der franzosischen : Attalens [132],
Gruyeres [166]. In der Tat konnen wir uns neben der
Stechpalme kaum einen Baum denken, der an diesem
Festtage die Palme so gut ersetzt wie die Eibe.
Noch seien zwei recht prosaische Arten der Ver-
wendung des Eibenreisigs angefuhrt. Im Zurcher Ober-
land [64] und im Fricktal [7] waren namentlich fruher
Stubenbesen aus Eibenreisig sehr beliebt. Die bieg-
samen Aste schmiegen sich dem Boden leicht an und die
468
reichlichen Nadeln zeichnen sich dadurch vorteilhaft vor
denen der Rottannen aus, dass sie nicht abfallen. An
einigen Orten, z. B. Bazenheid [82] und Hugelshofen [41],
braucht man Eibenreisigwasser, urn dem Vieh die Lause
zu vertreiben.
Bevor wir dieses Kapitel schliessen, sei wenigstens
noch hingewiesen auf die Eibe als Zierbaum. Es gibt
auch heute kaum eine grossere Gartenanlage, in der die
Eibe fehlt, bald in normaler Form, bald in irgend einer
Spielart. Im wohltuenden Gegensatz zu fruheren Zeiten
lasst man den Eiben heute meistens ihre natiirliche Ge-
stalt. Frtiher wurde sie zu phantastischen Formen zu-
geschnitten. Selbst Statuen und Tiere entstanden da
unter der Schere des Gartners. Die jetzige und fruhere
Verwendung der Eibe als Zierbaum beruht hauptsachlich
auf ihrer dichten Benadelung; sie bildet leicht undurch-
sichtige Hecken und Gebiische.
Seit alter Zeit ist die Eibe auch ein Baum unserer
Fried hofe. In ihrem dusteren Gewande ist sie wie
geschaffen, bei uns die Cypresse des Sudens zu ersetzen.
Wie alt dieser Brauch ist, moge Folgendes zeigen: „Gi-
raldus Cambrensis, der 1184 Irland besuchte, hat in
seiner Topographia Hiberni® bereits dieser Tatsache ge-
dacht, wahrend schon Ossian die Eibe als einen Trauer-
baum der Kelten bezeichnete. In Beziehung damit scheint
der eigentiimliche Umstand zu stehen, dass alle Adjektive,
die seit fruhester Zeit und namentlich in der altenglischen
Dichtung mit der Eibe in Verbindung gebracht sind, auf
Trauer, Sorge und Tod sich beziehen. Nach anderer
Meinung hatten die Druiden den Baum in ihren heiligen
Hainen und Opferkreisen gepflanzt, und sei diese Sitte
\
469
in christlicher Zeit auf die Friedli6fe und Tempel uber-
tragen worden." (Jaennicke.)
Das jetzige Vorkommen dor Elbe in der Schweiz.
Taxtis baccata gehort, wenn auch stellenweise nur
vereinzelt vorkommend, zu den verbreitetsten Waldb&umen
Mitteleuropas. Ascherson und Grabner1) umschreiben
sein Gebiet folgendermassen : „Er erstreckt sich vorzugs-
weise liber das Bergland Mittel- und Sliddeutschlands
(inkl. Belgien, Oberschlesien und Slidpolen), das Alpen-
und Karpathen-System, wo der Baum vorzugsweise auf
kalkreichem Boden gedeiht, und bis liber 1100 m (in den
slidlichen Karpathen 1600 m) ansteigt. Viel weniger
verbreitet ist er im nordlichen Tiefland." Ausserhalb
dieser Gebiete findet sich der Baum noch in „Frankreich,
britische Inseln, Danemark, slidliches Norwegen bis 621/*,
Schweden bis 61 °, Alands-Inseln, westliches Esthland
und Livland, Kurland, Russisch-Littauen, Wolhynien,
Polodien, Krim, Kaukasus, untere Donaulander, Gebirge
des Mittelmeergebietes in Slideuropa, Algerien, Klein-
asien, Amanus in Nordsyrien.u
Un8ere Karte stellt also nur einen kleinen Ausschnitt
aus dem ganzen Gebiet der Eibe dar; aber gewiss nicht
den armsten. Das klarste und libersichtlichste Bild der
Verbreitung der Eibe in der Schweiz gibt ein Blick auf
die Karte ! Suchen wir sie aber doch mit einigen Worten
zu charakterisieren. Das Mittelland ist verhaltnis-
inassig arm an Eiben; viel reicher sind die ihm zu-
gekehrten Abhange unserer beiden Gebirgsketten. Im
Jura zieht sich die Eibe von Schaffhausen bis Genf;
an beiden Enden allerdings nur vereinzelt, im Gebiet von
*) Synopsis der mitteleurop&ischen Flora. Leipzig 1896 — 98.
460
Baden bis Orbe sehr haufig. Die vorderste, dem Mittel-
land zugekehrte Kette, ist die reichste ; je tiefer wir ins
Gebirge eindringen, urn so armer an Eiben werden die
Walder.
Ganz ahnlich verhalt sie sich in den Alp en. Dem
Innern derselben fehlt sie fast vollstandig, nur im Albulatal
und Rhonetal dringt sie tiefer ein; sonst beschrankt sie
sich auf die Vorberge. Am nordwestlichen Alpenrand
treten vierVerbreitungszentren besonders hervor : St.Gallen-
Appenzell ; Vierwaldst&ttersee - Rigi ; Thunersee ; un teres
Rhonetal. Dazu k&me noch mehr im Innern der Alpen:
Walensee-Rheintal. Am Sudfusse der Alpen bildet der
Sottocenere ein eigenes Zentrum.
Im Mitt el land zeigt sich eine deutliche Zunahme
nach Nordosten. Von Genf bis Aargau nur ganz ver-
einzelt, tritt die Eibe um Zurich (tltliberg-Albis) plStzlich
in Massen auf. Winterthur-Tosstal-Toggenburg bildet
ein grosses zweites Zentrum; kleinere: Immenberg-Wellen-
berg und Nordabhang des Seeruckens.
Es ist interessant, nach den Griinden zu suchen,
die diese doch auffallige Verteilung der Eibe in der
Schweiz bedingen. In erster Linie konnte man klima-
tische Ursachen vermuten, namentlich Feuchtig-
kei ts verhaltnisse. Die Eibe ist namlich von alien
unsern immergninen Nadelholzern am wenigsten gegen
das Austrocknen geschiitzt. Die Epidermis ihrer Bl&tter
ist verhaltnismassig schwach verdickt. Den Spaltdffhungs-
gruben fehlen die bei den Tannen etc. vorkommenden
Wachspfropfen vollstandig. Wir werden unsern Baum
also von vornherein in den relativ feuchten Gebieten
suchen.
Ein Yerg\e\c\i m\V» ^t ftYVVwiUar'achan Regenkarte
Eiben als Felspflanzen bei Quinten am Walensee.
461
der Schweiz ergibt nun in der Tat, dass die Eibe den
excessiv trockenen Gebieten und denen mit ausgepragt
kontinentalem Klima fast oder vollstandig fehlt: inneres
Wallis, Biindner Hochland, Mittelland l&ngs dem Jura.
Die Hauptverbreitungszentren am Alpenrand liegen wirk-
lich. im Gebiet relativ reicher Niederschl&ge ; ebenao ist
im Jura die Strecke Olten-Solothurn, wo sie besonders
reichlich vertreten ist, fur den Osthang des Jura ver-
haltnism&ssig niederschlagsreich.
Sobald wir aber die Niederschlagszahlen herbeiziehen,
sehen wir, dass die Feuchtigkeitsverh<nisse zur Er-
klarung der Verbreitung nicht ausreichen. Ich gebe zu-
nacbst die Mittelzahlen der meteorologischen Elemente1)
(40jahriges Mittel) einzelner Stationen aus den Haupt-
verbreitungszentren der Eibe:
Hoke Niedrodilag Mitteltemperatur in ° C.
in d ii on Jihr Juur Jili
Unteres Rhonetal:
Montreux 380 1107
Thunersee :
Beatenberg 1160 1453
Vierwaldstattersee :
Luzern 463 1153
Ziirichsee :
Zurich 719 1139
Tosstal:
Winterthur 445 1147
Immenberg :
Frauenfeld 427 1113
St. Gallon:
St. Gallen 703 1372 7,2 —2,0 16,6
l) Nach gii tiger Mitteilung der Meteorologischen Zentral-
station in Zurich.
.0
+ 1,0
19,4
6
-1,9
14,6
8,5
-1,3
18,3
8,6
-M
18,4
8,3
-1,6
18,1
8,2
-1,7
17,9
462
Seerucken :
Hobe
in m
Ki<dm«iUg
Mitteltemperatur
Jahr Jaiair
in« C
Jili
Kreuzlingen
425
1029
8,6
-1,3
18,2
Rheintal :
Altstatten
460
1279
8,6
-1,7
18.1
Chur
610
836
8,4
-1,3
17,6
Jura:
Chaumont
1128
999
5,6
— 2,2
14,4
Neuenburg
488
936
8,9
-0,9
18,8
Olten
396
1006
8,7
— 1;2
18.4
Sottocenere :
Lugano
275
1708
11,3
+ 1,3
21,5
Man vergleiche die Niederschlagsmengen von Chur.
Neuenburg, Olten einerseits mit Lugano, Beatenberg,
St. Gallen andrerseits, um sofort zu erkennen, dass in den
Niederschlagsverhaltnissen allein nicht der Grund der Be-
schrankung auf diese Zentren liegen kann ; der grosste
Teil der librigen Schweiz liegt zwischen diesen Extremen.
Schon aus obiger Tabelle geht auch hervor, dass
nicht die Mitteltemperaturen ein ausschlaggebender
Faktor sind. Das wird noch einleuchtender bei Beriick-
sichtigung weiterer Stationen (fur die die mittleren Nieder-
schlagszahlen leider fehlen) aus den Eibengebieten :
Sargans
Seewis (Prattigau)
Wildhaus (Toggenburg)
Weissenstein (Jura)
Ebnat (Toggenburg)
Gersau (Vierwaldstattersee)
Das heisst also, die mittlere Jahrestemperatur bewegt
Hone ia o
Jakr
Jili
Juur
607
8,7
17,7
— 1.1
950
6,7
16,6
-2,3
1116
6,2
14,8
— 1.5
1285
4,5
13,0
-2,9
649
6,8
16,5
-3,0
442
9,3
18,3
+ 0,2
463
rich zwischeii 6 und 11°, die Julitemperatur zwischen
14 und 21 °, die Januartemperatur zwischen — 3,6 und
+ l,3o.
Fur den Pflanzengeographen besitzen die obersten
Standorte einer Art ein besonderes Interesse. Ich stelle
darum hier noch die „hochsten Eiben" aus Alpen und
Jura z us am men.
Alpen: Weissiiifi bei Mutten (am Schynpass) 1700 m
Siidabhang der Kurfirsten .... 1700 m
Ob Troosen (Santis) 1600 m
Am Schanielen-Bach (Prattigau) . . 1600 m
An der Albula zu Stuls und Bellaluna 1600 m
Kobelwald des Schilztales .... 1400 m
Lamuz am Kunkelspass (B. Sch. Bot.
Ges. XI.) 1400 m
Jura: La Corne, westlich von La Br^vine
(Neuchatel) 1200 m
Nord westlich von Les Ponts .... 1160 m
Siid westlich von Le Locle .... 1100 m
Les Planchettes dessous (Neuchatel) . 1100 m
(Weitere hohe Standorte siehe weiter unten im Ver-
zeichnis samtlicher Eibenstandorte.)
Die klimatischen Bedingungen fur diese extremen
Standorte lassen sich leider nicht genau angeben, da sie
meist ziemlich woit von der nachsten meteorologischen
Station entfernt sind. Fur die Temperatur konnen
immerhin durch Interpolation aus zwei Stationen der
weitern Umgebung Naherungsziffern erhalten werden;
fur die Regenmenge ist das freilich unmoglich. Fur die
Alpenstandorte berechnete ich folgende Durchschnitts-
temperaturen :
Jitonhld
Juitr
Mi
Mutten
1700 m
1,9
-8,2
11,3
Curfirsten
1700 m
3,7
-2,0
11,9
Troosen
1600 m
6,6
-4,6
12,9
Schanielenbach
1600 m
3,5
-4,2
11,9
Bellaluna
1600 m
3,1
-7,0
12,6
464
Iittrpobtrt m
fa Aigifci tm
Char and
Davos
Sargans
undEbnat
Ebnatund
Wildhaua
Char and
Seewis
Char and
Davos.
Die hochsten Jurastandorte liegen im Gebiet von
LaBrevine und La Chauxdef onds allerdings etwas
hoher. Die Mitteltemperaturen dieser beiden Stationen
sind genau bekannt:
Jihmaittd Jtour M
La BreWine 1080 m 4,5 —3,96 13,40
La Chauxdefonds 990 m 6,01 —2,76 16,42
Die Zahlen von La Brevine mogen for Locle und
Les Planchettes ann&hernd gtiltig sein. For La Corni
and Les ponts erhalt man durch Interpolation aus den
beiden B-eihen ungefahr: Jahresmittel 3 °, Januar — 4,1°,
Juli 11«.
Demnach macht also die Eibe erst bei einer Jahres-
mitteltemperatur von ca. 2°, einem Januarmittel von
— 7 bis 8° und einem Julimittel von ca. 11,6° definitiv
halt; mit andern Worten, sie ertragt ein ziemlich kaltes
Klima.
Ein ziemlich ausgepragter Zusammenhang zeigt sich
zwischen geologischer Unterlage und Verbreitung
der Eibe. Im grossen Ganzen ist sie auf die Kalk-
gebiete beschrankt. Der Jura, das Mittelland, der
466
ganze Nordabfall der Alpen, das Bheintal bis hinauf nach
Filisur, iiberall sind kalkreiche Gesteine. Leider fehlen mir
ganz genaue Angaben, was fur geologische Schichten im
Einzelfalle vorhanden, und aus der geologischen Karte
lasst sich wegen der Mor&nenschuttbedeckung meist nicht
viel dafur herauslesen. Die Standorte im Innern des
Kantons Wallis widersprechen einer Annahme von Be-
vorzugung des Kalkgesteins durch die Eibe auch nicht
direkt. Im ganzen ist sie auch dort beschrankt auf den
Siidabhang der Berneralpen, also in der Hauptsache Kalk-
gebiet. Fur das Oberwallis betont Forstinspektor Dela-
coste ausdrucklich : ^CVest, en general, le long des bisses
(Wasserleitungen) sur des terrains calcaires bien frais et
fertiles que Ton le rencontre le plus frequemment."
Einzig die zerstreuten Standorte in den Tessiner-
alpen liegen zum grossten Teil so vollstandig im Gneiss-
gebiet, dass die Annahme, die Eibe sei in der Schweiz
kalkstet, nicht zulassig ist. Immerbin wiirde eine Unter-
suchung an Ort und Stelle vielleicht doch zeigen, dass
diese zerstreuten Standorte in Beziehung zu einzelnen
Kalkbandern stehen, die den Tessinergneiss da und dort
durchziehen. Fiir ein blosses Bevorzugen des Kalkbodens
spricht auch das Verhalten der Eibe in Sottocenere.
Herr Forstinspektor Freuler, Lugano, schreibt mir
daruber: „Besonders zahlreich begegnet man den Eiben
auf dem Porphyr (Brusio-Arsizio z. B.) ; dann kommt die
Eibe in auffallend grosser Zahl auf dem Dolomitband
vor, das bei Rancate im Mendrisiotto beginnend, zum
Monte San Giorgio aufsteigt. Zahlreich und in sehr
schonen Exemplaren erscheint sie im weitern auf der
Kalkbreccie am Fusse des Generoso (Capolago). Ver-
haltnismassig selten ist sie auf dem Glimmerschiefer, doch
30
466
habe ich sie auch dort, besonders in tiefern Lagen. fast
in alien Talschaften beobachtet."
Nach alien diesen Angaben lasst sich also die Eibe
in der Schweiz entschieden als kalkliebend, wenn auch
nioht als direkt kalkfordernd bezeichnen. Und bis zu
einem gewissen Grad steht gewiss ihre Verbreitung mit
dieser Eigenschafb zusammen. Sie erklart uns zum min-
desten, warum sie in ausgedehnten Teilen der Alpen,
deren Klima sie nicht direkt ausschliessen wiirde, aber
fur sie doch nicht als besonders giinstig erscheint, fehlt.
Zur Erkl&rung der liickenhaften Verbreitung der Eibe
in der Schweiz konnte man auch geneigt sein, die An-
nahme zu machen, dass sie urspriinglich fiber das ganze
Gebiet mehr oder weniger gleichmassig verteilt gewesen
sei; dass sie mit fortschreitender Kultur durch die
Axt des Menschen auf grosse Strecken ganz ausgerottet
worden sei. An einer stellenweisen Vernichtung diirfen
wir nicht zweifeln, namentlich da wir wissen, wie oft in
den unter der Axt gehaltenen Staatswaldern die Eibe
fehlt, wahrend sie in den bisweilen weniger „rationella
bewirtschafteten Privatwftldern der gleichen Gebiete noch
haufig ist. Aber diese Einzelbeobachtungen auf grosse
Gebiete auszudehnen, berechtigt uns nichts. Die Annahme
eines Zuriickdrangens der Eibe im grossen durch die
Kultur gibtuns vor allem auch keine Antwort auf fol-
gende Fragen: Warum sind die doch langer unter der
Axt stehenden ausseren Ketten des Jura eibenreicher als
die inneren? Warum das nordliche Mittelland reicher
als das siidliche?
Wenn wir also die Frage nach den Ursachen der
jetzigen Verbreitung zusammenfassend beantworten wolle^
so konnen wir nur anfuhren : bis zu einem gewissen Grade
467
ist sie bedingt in erster Linie durch die geologische Unter-
lage und in zweiter durch die Niederschlagsverh<nisse.
Eine wirklich geniigende Erklarung geben aber diese
beiden Faktoren nicht.
Ein paar Worte wenigstens verlangt die Art des
Vorkommen8 der Eibe. In der Eegel bildet sie nur
das Unterholz, wozu sie wegen ihrer Unempfindlichkeit
gegen Sohatten und die Kronentraufe geradezu geschaffen
ist. Ak vereinzelter Einsprengling, haufiger aber in
grdsseren oder kleineren Horsten findet sie sich innerhalb
ihres Verbreitungsgebietes am haufigsten. Sie scheint
den Nadel- und Mischwald eher vorzuziehen; so nach
Christ im Jura. Dm St. Gallen herum gedeiht sie tiberall
im Nadel- und Mischwald. Doch meidet sie auch den
Laubwald nicht vollstandig, so bei Wegenstetten [7],
am Seeriicken [33] und im Tessin.
Ein typisches Bild des Auftretens der Eibe bieten
die zahlreichen Eibenvorkommnisse um St. Gallen herum.
Bald 1 oder 2 Stuck, bald Gruppen von 4 — 6 Stuck,
dann wieder in grosseren Horsten; ebenso bei Zurich.
Zwischen grossern Horsten und eigentlichen Bestanden
gibt es keine scharfe Grenze. Am Nordufer des Thuner-
sees ist sie stellenweise auf grossere Strecken so haufig,
dass sie die herrschende Holzart wird. Eine hubsche
Schilderung entwirfb Freuler l) von einem Eibenbestand
in der Schlucht des Wildbaches Cassone bei Lugano ; ich
gebe ihm zum Schluss dieses Abschnittes nochmals das
Wort: „Aus einiger Entfernung betrachtet, glaubt man
!) „Forstliche Vegetationsbilder aus dem Tessin." (Atti della
Societa elvetica di Scienze naturali 86"1* Session e. Locarno 1903.
Auch als Nr. 2 der botanischen Exkursionen und pflanzengeogra-
phischen Monograpbien in der Schweiz.)
468
es hier mit einem lockeren Weisstannenwald zu tun za
haben. Die Eibe stockt hier teils auf einer kalkigen,
lochrigen Nagelfluhbank, teils auf Bundnerschiefer. In
der Hauptsache halt sie sich an den Nordabhang der
Schlucht, steht aber auch auf der Hohe, sowie auf dem
West- und Siidabfall des Nagelfluhfelsens. Der ganze
Eibenwald liegt zwischen 390 und 560 m ii. M. Im
Gegensatz zum sonstigen Auftreten der Eibe bildet sie
hier nicht das Unterholz des Laubwaldes, sondern das
sorgsam geschonte Oberholz eines Ausschlagwaldes, der
sich aus Ostrya carpinifolia, Quercus cerris und pubescefis,
Corylus avellana, Celtis australis, Castanea vulgaris. Fiats
carica, Fraxinus ornus und excelsior etc. etc. zusammen-
setzt. Gegen die lithologische Unterlage scheint die Eibe
hier ganz indifferent zu sein, wie auch gegeniiber dem
Boden; denn sie ist bald eine Erd-, bald eine Felsen-
pflanze. An ausgewachsenen Baumen mogen hier etwas
liber hundertstehen, deren Brusthohendurchmesser zwischen
26 und 43 cm schwankt; die Hohe bewegt sich bei den
schoneren Exemplaren urn die 10 Meter."
469
Liste der Eibenstandorte.
In der folgenden, nach Kantonen geordneten Liste sind alle
mir bekannt gewordenen Standorte aufgefuhrt. Im grossen Ganzen
musste ich mich dabei auf schriflliche Mitteilungen stiitzen ; die
meisten Kantonalfloren geben eben nur das allgemeine Vorkoinmen
der Eibe ohne genaue Lokalitatsangaben. Diejenigen Arbeiten,
denen ftir das Verzeichnis etwas entnommen werden konnte, sind
an der Spitze der Kantone angefuhrt. Auf die Gewabrsmanner
weisen die in Klammer beigeftigten Ziffern bin, die iibereinstimmen
mit der am Schlusse der Arbeit gegebenen Liste. Auf der Karte
habe ich so genau, als der Masstab erlaubte, die Standorte ein-
getragen, und zwar bedeutet ein Punkt reichliches, ein Ring ver-
einzeltes Vorkommen. Da die Angaben in dieser Richtung nicht
uberall spezifiziert waren, ist natilrlicb die Scheidung keine absolut
zuverlassige.
Vollstandigkeit wird niemand von mir verlangen. Immerhin
glaube ich nicht, dass ausgedehntere Eibenvorkommnisse auf der
Karte fehlen. Zur Sicherheit habe ich die meisten Kantone vor der
Publikation noch einigen Forstmannern vorgelegt. Eine Bitte
sei mir endlich noch gestattet an alle diejenigen, welche
sich die Miihe nehmen, das Standorts-Verzeichnis und
die Karte zu durchgehen: Irrtiimer, Auslassungen, die
sie entdecken, mttchten sie mir direkt mitteilen, damit
ein spaterer Nachtrag dasFehlende ergilnzen kann. Allen
denen, die mich bisher mit Mitteilungen unterstiitzt haben, noch-
mals meinen besten Dank.
1. St. Gallen-Appenzell.
[Literatur : Wartmann und Schlatter : Getasspflanzen von St. Gallen
und Appenzell; Baumgartner: Das Curtirstengebiet. 1901. Brief-
liche Mitteilungen von: 1, 2, 7, 16, 17, 18, 25, 31, 39, 50. 55,
67, 78, 81, 82, 97, 102, 110, 113, 114, 116, 118, 119, 121,
131, 135, 140, 148, 149, 182, 183.]
Eine Hauptzone sehr dichter Verbreitung zieht sich von Alt-
statten-Rheineck iiber St. Margrethen-Heiden-Rorschach-St. Gallen
bis nach Teufen-Herisau. Im iibrigen Vorland und Toggenburg
ist die Eibe mehr zerstreut; reichlicher wird sie im Gebiet des
Wale n sees und der Seez bis nach Ragaz. Im obern Rheintal, den
470
alpinen Gebieten des Oberlandes und der Santiskette mehr ver-
einzelt. —
Die meisten Standorte liegen an den Abhangen der tief ein-
geschnittenen Tobel : die Eibe kommt aber am Nordufer des Walen-
sees auch als typische Pelsenpflanze [181] vor; in den leicht zu-
ganglichen Waldern mit intensiver Bewirtschaftung scheint sie
durch die Forstkultur vernichtet zu sein ; denn wo man sie in Ruhe
lasst, verjiingt sie sich tiberall sehr stark selbstfindig.
Als hSchste Standorte werden von Wartmann und Schlatter
angegeben: im Kobelwald des Schilztales bei 1400 m, ein Exem-
plar mit 20 cm Durchmesser ; ob Troosen als Strauch in siidlicher
Exposition bis 1600 m, am Hfidernberg bei Alt St. Johann bis
1800 m. Baumgartner gibt fur den Sudhang der Kurfirsten 1700 m
als oberste Grenze an.
Standorte: Rheintal: UmTriibbach und Azmoos, Sevelen-
Buchs, zwischen Grabs und Wiidhaus, von Wildhaus bis Rati
uberall vereinzelt. Riiti: auf der Alp Brunnenberg (ein grosses
Exemplar, junge nicht selten), am Hi rschen sprung und auf dem
St. Valentinsberge viele [114]. Oberriet-Eichberg. Unterhalb Alt-
statten beginnend bis Rheineck uberall: Leuchingen, Rebstein,
Marbach, Balgach, Berneck, Reute, Walzenhausen , Oberegg,
St. Anton [2, 7, 18, 31, 55, 78, 149, 182, 183] mit reichlichera
Nachwuchs. Ebenso urn Heiden und Wolfhalden.
Goldach: oberster Standort zwischen Trogen und Ruppen
[16], von Rehetobel und Eggersriet bis unterhalb MOrsch-
wil massenhaft; stellenweise an den Tobelabh&ngen fast Bestand
bildend [1, 16, 116].
S t e i n a c h : Im Galgentobel in Menge.
Sittergebiet: Am Weissbach [50] , Brandbach, Gmunder-
tobel bei Teufen. Im Tal der Sitter unterhalb Teufen beginnend.
und ebenso im untern Teil des Tales der Urnasch haufig: vom
Kubelwerk ab warts bis gegen Bischofszell an den steilen H&ngen
der Sitter selbst und ihren kleineren Zuflussen uberall, bald mehr
vereinzelt, bald in Menge [16, 50, 81, 118, 121].
GebietderThur: G 1 a 1 1 a 1 : Sch wellbrunn (Nordabhang
der Risi), ostlich von Herisau und Lutzenland, Gossau, Oberglatt,
Flawil, Degersheim [16, 39, 102, Wartmann und Schlatter].
T og g e n b u r g : Hofstatt und Hfidernberg bei Alt St. Johann
[Wartmann und Schlatter], Schoriitti bei Ebnat (an dem Hdhen-
zug vom Speer zur Kreuzegg ofter), Kappel an den Bacheingangen,
Wattwil, Lichtensteig. Im Untertoggenburg einzeln fast in alien
471
Waldern, am meisten urn Kirchberg und Liitisburg, Brunnadern
i^auf einem alten Bergsturzgebiet im Schartenwald yon ca. 1 ha
besteht fast saintliches Unterholz aus Eiben [182]), Mogelsberg,
Mosnang, St. Peterzell [Wartmann und Schlatter, 16, 25, 82, 135,
148, 182].
Seebezirk: St. Gallenkappel, Kaltbrunn, Schftnis, Weesen,
Schaniserberg bis 1400 m, einzelne Exemplare bei Wurmsbach,
Spitzenegg-Gauen und Nafleren- Kaltbrunn [113, 182, Wartmann
und Schlatter].
Oberland: Am Nordufer des Walensees von Quinten
bis Walenstadt als Felsenpflanze fast iiberall, ferner bei Batlis und
Amden [Wartmann und Schlatter, 67, 110, 119, 131, 140], bei
Quart en, Flums (in den Gufferen, Spanilohwand, Kohlwerk,
Graphing, Grossberg, Kleinberg etc.), Mels (Gitzikopf ob Rag-
natsch, Ragnatschwald, Palmenwand etc.), im Seeztobel gegen
Weisstannen (hauptsftchlich bei Vermol) ; Sargans (am Gonzen und
Falinienbach), Vilters (im Tobel hinter dem Dorf), Ragaz (Bad-
hotel) [119]; Staatswaldungen von Niclausen und Valens-Bovel
[140], Taminaschlucht hinter Bad Pfafers [Wartmann u. Schlatter].
2. Thurgau.
[Brietliche Mitteilungen von 11, 20, 29, 33, 34, 36, 40, 41, 65,
66, 81, 100, 141, 157, 184.]
Im Kanton ist die Eibe sehr liickenhaft verbreitet; drei Haupt-
verbreitungsbezirke treten hervor: 1) Nordabhang des Seerlickens
von Eschenz bis Tiigerwilen, 2) nordliche Abdachurig des Hohen-
riickens vom Wellenberg bis Haarenwilen und des Immenberges,
8) Hiigel des Hinterthurgaus. Sonst mehr vereinzelt. Den aus-
gedehnten Laubwaldungen des Oberthurgaus und den Abhangen
gegen den Bodensee fehlt sie vollstiindig [141].
Standorte: 1. Seeriicken-Nordabhang. Tagerwilen,
Fruthwilen, Salenstein, Berlingen, Glarisegg, Steckborn (sehr viele),
Mammern, Seehalde ob Neuburg isehr viel), Gaishof (Gemeinde
Kaltenbach, 580 m, Nordabhang des Stammheimerberges), aufder
Spitze des Rodenberges (Bezirk Diessenhofen) [11, 20, 29, 33,
41, 141, 157).
2. Wellenberg-Immenberg. Uberall in den Tobeln von
Wellhausen, Mettendorf, Hiittlingen, Eschikofen, Bietenhard,
Haarenwilen, Griesenberg [11, 34, 36, 40, 100, 141].
3. Hinterthurgau. Dussnang, Oberwangen, Littenhaid
[141], Fischingen [65], Haselberg (massenhaft) [184].
i
472
4. Weitere Standorte. Staatswaldtmgen Kalchrain und
Steinegg [34, 65], Ittingerwald [184], am Ottenberg, am Nord-
abhang (Gemeinde Ottenberg und Hugelshofen) [36, 41], Horn-
burgertobel [184]; Aumuhle bei Frauenfeld [66], Lauftertobel in
der Gemeinde Gottshaus bei Bischofszell und dann den linksufrigen
Sitterhang aufwarts, anschliessend an die Eiben im St. Galler-
Sittertal [81], Roggwil [184].
3. Schaffhansen.
[Literatur: Meister: Flora von Schaffhausen. 1887. Briefliche
Mitteilungen von 49, 51, 95, 120, 157.]
Die Eibe ist sehr selten. Aus dem Hauptteil des Kantons
stehen mir nur folgende Angaben zur Verfugung : Nordabhang des
Hallauerberges gegen das Wuttachtobel einige wenige Exemplare
[51, 120], ferner ein Exemplar bei Teuggibuck (Neunkirch) am
siidttstlichen Ausl&ufer des Hinterhemmig, ostlich vom Ergoltinger
Tal [95]. In der Gemeinde Ramsen im Staffel, westiich des Ein-
flusses der Biber in den Rhein [157] und bei Opfertshofen [Meister].
4. ZUrlch.
[Literatur: Keller: Flora von Winterthur. 1896. Briefliche Mit-
teilungen von 1, 4, 5, 6, 8, 21, 26, 32, 38, 45, 46, 54, 56, 57,
58, 63, 64, 65, 75, 84, 94, 99, 103, 125, 134, 147, 158.]
H. H. = Herbarium helveticum Polyt. helv.
H. T. = Hebarium turicense Univ. turic.
Im Kanton Zurich besitzt die Eibe zwei Verbreitungszentren.
Das eine umfasst die Abhange des TOsstales von Wald bis Winter-
thur ; an den weniger leicht zuganglichen Stellen und in den Privat-
waldungen ist sie besonders hauflg ; iiberall fruktifizierend und mit
reichlichem Jungwuchs. Das zweite Zentrum bildet der Ctliberg
und die Albiskette, wo sie stellenweise fast bestandbildend auftritt.
In den iibrigen Gebieten ist die Eibe ein ziemlich seltener Gast.
Standorte: Oberland: Rtiti, Diirnten, Wald, Allmann,
Schnebelhorn, Tfissstock, Baretswil bis Bauma, HSrnli, Turbental
gegen Xeubrunn und Oberhofen, Schauenberg bis Elgg, Hegiberg
gegen Elsau, Hegi, Tossberg gegen Hohwiilflingen, im hintern
Eschenberg bei Winterthur, Kyburg, Stadtwald Winterthur (und
andere Standorte um Winterthur herum) [Keller, H. T., 4, 8, 26,
38, 45, 54, 56, 57, 63, 64, 65, 84, 125, 147, 158].
Glatttal: Hombrechtikon (in einem Hoi zbe stand bei Rang-
hausen lauter junge Baume) [21], Wald ob Binz bei Maur (ein
473
Exemplar 4 m hoch), Hoh-Geeren bei Diibendorf ein 10 ra hohes
Exemplar (vielleicht jetzt geschlagen) [32].
Pfannenstielkette: Nur ganz vereinzelt; Obermeilen l/«
mid */♦ Stunde iiber dem See je ein Exemplar, nahe bei der Oken-
hfthe eine ganze Allee, ca. 50 Stuck, mit Nachwuchs [1], bei
Mftnnedorf, rechts von der Strasse nach Krenzlen ein Exemplar
[H. H.], bei Zollikon bis ca. 1860 in den sogen. Stocken noch eine
Anzahl [108]. Klissnacht 2 — 3 Stiick im Tobel [75], eine kleine
Kolonie im Tobel des Eleph an ten baches bei Zurich ; je ein Exem-
plar stand im jetzigen Dolderpark und im Degenried.
Sihltal und Albiskette: Steilufer der Sihl bei Hutten in
grOsseren Best&nden [1], Albis von der Schnabellucke bis zum
Ctliberg ; im untern Teil in viel grOsserer Zahl (Hochwacht, Adlis-
wil, Pelsenegg, Baldern, HOckler etc. etc.) [H. H„ 8, 46, 84].
Auf der vorderen Kette: Neuhalde, Gemeinde Hirzel ob
Horgen, Wadenswil, in der Lugwies bei der Au [5, 134].
Westabhang des Albis: Bei Affoltern a. A. (am Ostabhang
des sogen. Muhleberges bis gegen Wolfenhof und Turler-Augster-
tal) 600 — 740 m, ziemlich zahlreich ; noch weiter talwarts bis zur
Aumuhle recht gut vertreten. — Auch am Westhang der Albiskette,
selbst am Bergvorsprung zwischen Buchenegg und Tiirlersee [58].
Am Irchel nur wenige Exemplare [63].
Auf der Nordseite der Lagern ein Exemplar [6].
5. Glarus.
[Literatur: Wirz: Flora des Kantons Glarus. 1893/96. Brietifche
Mitteilungen von 88, 173, 175.]
Die Eibe ist im Kanton Glarus ein seltener Gast. Wirz gibt
allgemein an : "W alder der Bergregion bis 950 m. Genaue Stand-
ortsangaben kamen mir nur vier zu: Jm Klontal-Vorauen, auf
Felssimsen ; im Gasi-Tschachen rechts vom Escherkanal (junger
Anflug) [88], Sandwald bei Linthtal 1200 — 1300 m [173]; in
der sogen. Elgis zwischen Glarus und Netstal auf der rechten Seite
der Linth in Felskopfen [175J. Nach Rhiner auch beim Grenz-
bach Bilten.
(>. (wraubiinden.
[Literatur: Brugger (Chur), Killias «. Unterengadin), Geissler und
Fisch (Davos), Schroter (St. AntOnien), Kaeser, Schroter und Stebler
(Avers), Geiger (Bergell). Briefliche Mitteilungen von 14, 15, 35,
42, 72, 77? 93, 101, 104, 131, 168, 173.]
474
Die Eibe fblgt dem Vorderrhein bi9 Panix, dem Hinterrhein
bis zur Viamala, geht von dort der Albula nach bis nach Stuls :
im Prattigau htfrt sie bei Kiiblis auf. Die grSsste Hoh en quote er-
reicht sie im Prattigau an der Schaniela mit ca. 1600 m [104];
im Albulatal steigt sie bis 1500 m [35], zwischen Bellaluna
und Stuls stehen zwei Exemplare bei 1250 m mit einem Stamm-
umfang am Boden von 2,10 resp. 2,45 m [15]; in Mutten (am
Schyn) fand Coaz [178] 1864 noch bei 1700 m ii. M. ein Exemplar
von 42 cm Durchmesser, stockfaul; das hflchste Exemplar bei
Flims stent am Weg im Segnestobel auf 1120 m [15]. — Dem
iibrigen Gebiet nflrdlich des Alpenkammes und auch dem Engadin
fehlt sie nach Killias, Geissler, Schrflter und Kaser. Aus den
transalpinen Talern habe ich nur Angaben aus dem Val Calanca
[101, 173] mit zwei Standorten, Misox zwei Standorte; aus dem
Bergell (Geiger), dem „von verschiedenen Seiten das Vorkommen
der Eibe im Luvertobel und Morengatobel bei Soglio angegeben
wurde " , der aber kein Exemplar mehr fand, so dass sie mtfglicher-
weise jetzt ausgestorben ist.
Standorte: Rheintal: Flasch (Ellstein dem Rhein nach
und Ausstein ob St. Katharina), Steigwald (Maienfeld) 1 Exemplar,
Jenins (Tschurch, Scheibenbiihl, Kastenlatsch) 650 bis 800 ni
hftufiger; Malans bis 950 m uberall einzeln zu treffen : Igis, Zizers
bis Trimmis. Chur (alterer Teil des Schuttkegels der Skalararufi
haufig als Unterholz, starke Verjiingung 600 — 750 m), Pizokel
800 m (1 Exemplar), siidlich Ems, rechte Talseite ziemlich haufig.
— Rappenflub, ca. 5 — 600 m, bei Mastrils, Rappentobel, Flidis-
stem, Fehrenwald bei Untervatz, ein Strauch an der Ruine Neuen-
burg bei Haldenstein, Felsberg am Fusse des Calanda [168, 181].
Vorderrheintal : Flimserwald (Trins, Flims, Sagens,
Versam) uberall [168, 93, 15, 173, 181), Versam-Bnicke, Versam
( Aclatobel bis zur Rabiusa) haufig : Langwald Vallendas, Felswand
ob Kastris ; Ilanzerwald bis zur Ruiser Grenze, zwischen Ruis und
Panix [173, 181].
Hinterrheintal: Domleschg und Heinzenberg vereinzeit:
in „pallen fravi" bei Rhilziins. Sils und Sklarans in den Tobeln, im
Wald iiber der Nolla gegeniiber Thusis: am Fusse von Hohen-
Rhatien ; Viamala herwarts dem verlorenen Loch [98, 173, 181].
Schams und Rhein wald fehlt sie.
Albula: beidseitig des Flusses zei*streut; Weissriife bei
Mutten 1700 m [173]. Solisbnieke-Schynpass, Walder um Filisur.
Bellaluna und Stuls, besonders haufig in der Nahe von Bellaluna
[15, 35, 181].
475
Pr&ttigau: In den tiefeingeschnittenen T&lern der Seiten-
bftche der Landquart: Schrankenbach (Valzeina), Faschinenbach
(Grii8ch, Seewis, Fanas), iiber das ganze Revier von Schiers 1300
bis 1650 m, Scbanielentobel (Luzein-Kiiblis) zahlreich bis 1600 m,
Fideris an der Felspartie unterbalb des Kastels ; Furna und Furna-
tobel. — Von Kiiblis an einwarts fehlt sie [77, 104, 168, 181].
Scbanfigg: Links der Plessur nCrdlich von Prada haufig, bei
Maladers und Castiel, im Pagigerwald-Lflschis [181].
Transalpin : Calanca : tre essemplari si trovano sulla mon-
tagna di fronte a 100—300 metri dal fondo della valle a 870—1000
metri sul mare [101], zwischen Braggio und Arvigo ca. 920 m
[173, 181]; Misox: auf der linken Talseite bei Lostallo, San
Vittoriowald bei Roveredo [181].
Bergell: Ehemals bei Soglio (Geiger).
7. Basel.
[Litteratur: Schneider: Taschenbuch der Flora von Basel. 1880.
Briefliche Mitteilungen von 128, 159.]
In Baselstadt nur als Zierbaum [128]. Auch in der Land-
schaft sehr selten. Nach Schneider : Roggenfluh und Schlosshtfhe
bei Langenbruck.
8. Solo th urn.
[Literatur: Liischer: Flora des Kan tons Solothurn. 1898. Brief-
liche Mitteilungen von 9. 12, 37, 83, 107, 133, 161, 178.]
Walder der Jurakamme und Fluhe meist vereinzelt, nament-
lich in den vorderen Ketten, von Grenchen bis 01 ten. Liischer
gibt folgende Standorte an : Weissenstein, Onsingen, Roggenfluh,
Schlosshohe und Alt-Bechburg ob Holderbank, Kambenberg am
B6lchen, Rumpel, Mieseren, Born, Sali, Engelberg, Ifental, Hard-
fluh, Halde ob SchOnenwerd, Dottenberg, Wartenfels und Rebenfluh
bei Lostorf, Schafmatt, Geissfluh, Passwang, Beinwil, Barschwil.
Die iibrigen Angaben bestiitigen diese Standorte. Dazu kommen
noch: bei Grenchen in der zweiten Jurakette, Siidabhang ob
Ortschaft Rotmund 2 bis 3 Exemplare [83]. Bei Grin del und
Biisserach (Jura in derNiihe von bernisch Laufen) ganze Striche
[12]. Beim Weiler Herrenmatt (Gemeinde Hochwald) im Schwarz-
bubenland eine sch5ne grosse Eibe [167]. Ganze Kette von der
Hasen matte bis zur Rotifluh ; ebenso von Gansbrunnen bis Balstal
in der H5he von 800—1100 m [178].
4
476
9. Aargan.
[Literatur: Miihlberg: Standorte und Trivialnamen der Ge&ss-
pflanzen des Aargaus. 1880. Luscher: Flora von Zofingen und
Umgebung. 1886. Briefliche Mitteilungen von 7, 10, 43, 60, 87,
143, 160, 161, 177.]
Anschliessend an den Kanton Solothorn hauptsachlich in den
vordem Ketten des Jura bis zur Lfigern; auch in der Stilli bis
zum Rhein. Im ubrigen Kanton nur vereinzelt.
Standorte: Jura: Erlinsbach, Hausen, MQlligen, Kiittigen,
Biberstein, Auenstein, Veltheim [161], Baden [160], linkes Liminat-
ufer zwischen Baden und Turgi verh<nisma'ssig sehr viel [177].
Stilli: Westlicher Abhang des Iberig von der Station
Siggental bis gegen Wurenlingen sehr zahlreich [43], auf dem
Zurzacherberg, im Gemeindebann Rekingen zahlreich [60]. —
Bei Leibstadt am Rhein zahlreich [10].
Fricktal : Waldungen von Wegenstetten und Schupfart ziem-
lich haufig [7].
Mitt el land: bei Zofingen (Heiternplatz und Brunngraben),
[Luscher], im Griindel, bei Schongau am Lindenberg, bei Biitti-
kon, auf der Nordseite des Heitersberg und Martinsberg, auf der
Westseite des Hundsbuck [Miihlberg], oberhalb Dietikon [77].
10. Luzern.
[Literatur: Steiger: Flora des Kantons Luzern. 1860. Briefliche
Mitteilungen von 109, 117.]
Im Kanton scheint die Eibe nicht stark verbreitet. Vereinzelt
zieht sie sich von Luzern selbst Qstlich iiber den Dietschenberg.
Hertenstein (Weggis), Liitzelau und Viznau, dem Siidfuss des Rigi
entlang. Am linken Seeufer stent sie bei Biregg und im Haltiwald
bei Ennethorw. — •• Im Entlebuch hin und wieder. Steiger gibt
an : Fliihli in der Lamm, Schwandenalpfluh und K ray en berg ; Ro-
moos in Hintergadenstadt, Entlebuch im Rossfarn. — Am Napf
selbst und im Lutherntal am Fuss desselben [109] wurde sie eben-
falls beobachtet. — Aus dem ubrigen Kanton kennt Steiger nur:
Herrlisberg in der Ehrlosen (westlich vom Baldeggersee), zwischen
Hftmikon und Schongau am Lindenberg.
11. Zug.
[Literatur: Rhiner. Briefliche Mitteilungen von 27, 53, 111, 130.]
Nur wenige Standorte: im Tobel der Sihl bei Sihlbruck
477
[Rhiner], in der Lorzeschlucht bei Baar ziemlich viele [27], zahl-
reich auf der Baarburg [111], im sogen. Kohlrain an der Strasse
von Neu&geri nach Menzingen viel Jungwuchs [130], in den
Zweiern bei Risch spfirlieh [111, 53].
12. Urkantone.
[Literatur: Rhiner: Die Gef&sspflanzen der Urkantone und von
Zug. 1891/94. Briefliche Mitteilungen von 22, 24, 48, 89, 179.]
Rhiner gibt die Verbreitung im allgemeinen folgendermassen
an : An felsigen, waldigen Talabh&ngen nicht haufig. Von Weggis
bis ins Bisistal, von Sihlbrack bis ob Biirglen.
Standorte: Schwyz: Hinter Siebneu, Biltener Grenzbach,
Hochetzel, Kalktluh bei Steinbach: Guggerenfluh [Rhiner]. Im
Rigigebiet sehr haufig (um Art, Goldauer Bergsturz [22]), nament-
lich auf den Nagelfluhb&ndern der Nordseite ; die kleinste Ritze
geniigt[24]. Ziemlich stark vertreten an der Rossberglehne zwischen
Arth und Walchwil ; ebenso an der Rigilehne zwischen Goldau
und Immensee [179].
Uri: Ob Biirglen [Rhiner], Seelisberg [24].
Unterwalden: Gross- Em metten, Biirgen, Lopper, Rotz-
berg, Mutterschwand, St&dmeterberg, Diegisbalm, Amiband Engel-
berg [Rhiner]. Diese Angaben werden fiir Nidwalden von 89 be-
st&tigt, der sie folgendermassen erganzt: Selten am Nordabhang
des Pilatus gegen Hergiswil und Eigental ; stark vertreten am
Nordabhang des Lopperberges, am Siidabhang selten : in gleicher
Verteilung am Burgenstock, gegen die Nase zu zahlreicher. —
Stanserhorn Nordabhang bis 1000 m, Siidabhang seltener; zahl-
reich am Nordabhang des Mutterschwanderberges am Alpnachsee;
stark vertreten in Kehrsiten bis 600 m.
13, Bern.
[Literatur: Fischer: GefUsspflanzen des Berner Oberlandes. 1876
und If. Flora von Bern. 1897. Briefliche Mitteilungen von 3, 9,
12, 23, 44, 47, 52, 70, 80, 83, 85, 90, 96, 108, 126, 129, 137,
142, 162, 163, 164, 180.]
In diesem Kanton steht die grosste Eibe der Schweiz, die
Eibe auf dem Gerstler bei Burgdorf, Eigentum der Schweizerischen
Naturforschenden Gesellschaft. Im Gebiet des schweizerischen
Mittellandes ist sie selten, haufiger in den vordern Juraketten. Ihr
Hauptverbreitungszentrum hat sie im Oberland, um den Thuner-
see herum.
478
Standorte: 1. Oberland. Am ganzen Nordufer des
Thunersees von Steffisburg bis Unterseen, bis 1000 m. Stellen-
weise fast bestandbildend, meist aber nur als Unterholz : Steffis-
burg-Rabbenfluh-Fuchsloch [52]. Oberhofen-Hilterfingen, am Griisi-
berg ob Thun, in den Wildnissen des alten Bergsturzes ob Ralligen,
an den Abhangen der „spitzen Fluh* zur vorderst am Sigriswiler-
grat; Beatenberg, Nase [44]. Nachtstall, Balmholz (Oberhofen)
vom Seespiegel bis 1000 m, Balm- und Gsteigenfluh, Schwanen-
hals, Ruchenbiihl, Birch, ob und unter Hohlen, Faulenwasser,
Kienberg, Eiwald (lttngs des Lambaches), Lambachtal hinter dem
Harder [80].
Am Siidufer des Thunersees weniger haufig; Kander-
grien in der Nahe von Gtinteleymatt und im Barenholz [28], im
Glutschtal bei AUmendingen [44]. Spiez-Au, Faulensee, Krattigen,
Leissigen, Darligen bis 1000 m [80], Abendberg bei Interlaken
[Fischer].
Ferner im untern Simmental: Wimmifluh, Siidabhang der
Stockhornkette bis hinauf nach Mannenberg, Ruine Unspunn [44].
Im Suldtal, Gemeinde Aschi; Nordseite der Niesenkette
im Frutigertal ca. 700 — 1500 m, einzeln und in Gruppen be-
sonders am Eingang der Wildbttche. Zuvorderst im Kiental (720
bis 800 m) [80], Lutschental; Stockental ; Ballenberg bei Brienz
[Fischer]. Brienzersee und Aaretal selten: Kirche Ringgenberg
(alte Burgruine), zwischen Brienz und Oberriet, Cstlich Brienzwiler,
dstlich und westlich von Meiringen, Prastiwald gegeniiber Mei-
ringen, Rumpel wald bei Unterbach, Ranftwald bis Giessbach [180].
2. Jura. Namentlich vordere Ketten: Twannbachschlucht
[96], Taubenlochschlucht [47], iiber Niederbipp (9).
Gemeinde Wahlen (Amt Laufen) einige Exemplare : Siid-
seite am Fusse des sogen. Sturm enkopfes (zwischen Wahlen und
Barschwil [12].
Gorges de Moutier et Court [164]. Valbalin, commune
de Bessancourt (Porrentruy) [187]. Les Bois am Doubs noch
ziemlich zahlreich [162].
3. Mittelland. Auf dem Gerstler in Heimiswil bei Burg-
dorf; Nordseite des Belpberges (Seftigen) [168]; zwischen Miin-
singen und Belp [129], Lindental zw. Krauchtal und Worb [126,
129]. St. Petersinsel im Bielersee, z. Z. haufig als Unterholz: ob
Riggisberg (Gurnigelgebiet) [85]. Roggwil bei Langental ein
Exemplar mitten im Wald [3] ; im Emmental sehr sparlich, einzeln
oder in Gruppen (ohne nllhere Ortsangabe) [142].
479
14. NeuchAtel.
[Briefliche Mitteilungen von 62, 68, 69, 98, 151, 152, 153, 154,
155, 156.]
Das Hauptverbreitungsgebiet umfasst die vordere Jurakette
l&ngs den beiden Seen; von da strahlt die Eibe aus im Val Tra-
vers und im Val de Ruz. In den weiter riickwarts liegenden Ge-
bieten nur ganz vereinzelt.
Standorte: 1. Arrond. : Im allgemeinen in alien Waldern
der untern Region, speziell in den Schluchten des Seyon, am Chan-
mont, an den Felsen von St. Blaise und Voens [153].
2. Arrond. : In den Schluchten der Areuse 4 — 600 m (Nord-
exposition); bei Vaumarcus, bei Boudry [154]. Umgebung von
Neuchatel : forfit des Pierrabots, sur Peseux, les cotes du B6le a
Rochefort [151]; im Vallon de l'Eremitage noch vier maehtige
Baume auf ehemaligem Waldboden [68].
3. Arrond. (Val Travers): Sporadisch in fast alien Waldern,
aber meist selten : Combes des Cambudes, Grandschamps sur Cou-
vet, au Mont de Couvet [155], Creux du Van [62, 69].
4. Arrond.: F6rets cantonales de Valangin, fdrets com-
munales de Valangin et Fenin [156],
5. Arrond.: Talfurche des Doubs auf Neuenburger Gebiet
nur ein Standort (ein ganz kleines Exemplar) bei les Planchettes
dessous nahe am Felsabsturz von Morron (1100 m). — Vereinzeltes
Exemplar auf den Hiigeln siidwestlich von Locle (1100 m); ebenso
nordw. von Les Ponts am felsigen Abhang unterhalb La Rochette
dessus (1160 m). — Cernil firard ob les Brenets Westabhang
(1000 m) ; a la Cornee, westlich von La Brevine, im scharfen
Winkel der Grenze gegen Frankreich (1200 m) [98].
15. FrlbourjEr.
[Literatur: Cottet et Castella: Guide du botaniste. 1891. Brief-
liche Mitteilungen von 74, 91, 105, 132, 145, 146, 166, 169.]
Im Kan ton Freiburg ist die Eibe sehr selten ; sie fehlt in grossen
Gebieten vollstllndig : so im Distrikt de la Glane et de la Veveyse
[105], district de la Sarine et de la Singine [91], im Seebezirk [145].
Relativ am hilufigsten erscheint sie in den Alpen des Grey-
erzerlandes : la Tine pres Montbovon, les Combes, Gruyeres, Al-
beuve, sous Chets et les Douves (C. et C), Charmey-Gruyeres [74];
Vorgebirgsketten der Alpettes, Noirmont und Berra; stidlich
BuUe [145].
480
Ferner: Chatel St. Denis [145]; Attalens beaucoup [182].
Perroyes bei Roraont [169].
16. Vaud.
[Literatur: Durand et Pittier: Catalogue de la flore vaudoise;
Aubert : Flore de la vallee de Joux. Briefliche Mitteilungen von
44, 71, 73, 76, 86, 92, 106, 115, 124, 136, 139, 145, 150, 174.]
Hauptverbreitungsgebiet der Jura zwiscben St-Croix, Orbe
und Vailorbe ; im iibrigen Jura mehr vereinzelt. Ein zweites Zen-
trum liegt im Rhonetal von Bex — Chexbres. Im Mittelland ist die
Eibe ein sehr seltener Gast.
Standorte. l.Alpen: Aigle, Alpes de Bex, la Sionnaise,
bois de la Chenaux, Bouillet, bois de Salins, roeailles de Hauta
Siaz, sous Chamossaire (1400 m); Bois sur Roche, marbriere de
Roches, Chillon, Souchaux, Ghatelard (D. et P.) ; for^ts du mont
d'Arvel sur Villeneuve et Roche, sur le massif montagneux entre la
Grande-Eau et TAvencon [71]. Planches, Villeneuve, Yvorne, Cor-
beyrier, Veytaux, Lepin, Chillon [115]. — Selten: alpes de
Chateau d'Oex: la Vausseresse 1500 m, le Montiaux 1450 m, les
Chabloz 1300 m.
2. Mittelland: Vevey et environs, Puidoux, Gourze, Sau-
vabin, entre Penthallaz et la Vallee de la Venoge (D. et P.). —
Au dessus de Vevey sur le versant sud-ouest de la montagne des
Pleiades 900 — 1000 m uberall mit starker Selbstaussaat [86]. —
Ein grosses Exemplar bei Schloss Lucens [106, 145]; ein statt-
liches einzelnes Exemplar fruktifizierend mitten in einer Wiese bei
Rolle [76].
3. Jura: Croy, Romainmotier. Arnex, pres d'Orbe. Agiez.
Tine de Conflans, pres de Bonmont. — Suchet, Dent de Vaulion
Noirmont, sur Rolle (1). et P.). Sehr spezifizierte Angaben aus
dem Distrikt d'Orbe und dem Cercle de St-Croix verdanke ich
Herni Moreiilon, Forstinspektor [174]: Envy 640 m, Romain-
motier 710 m, Croy 700 m, Arnex 605 m, Agiez 540 m, Clees
600 m, Montcherand 565 m, St-Croix 600-950 m? Vuitteboeuf
1100 m, Baulmes (sous les Roches, belles Roches, Torel) 650 bis
1000 m, Abergement (Grande - Roche) 950—1180 m, Vailorbe
1080 m, Vaulion 1150 m, Bretonnieres 550—600 m, Premier
990 m. — Im nordlichen Teil des Jura: La Concise, haufig [174].
Weitere Standorte im Jura: Valine de Joux 1200 m; au
Solliat, Piquet dessus, expos, ouest. Nous avona observe deux in-
481
dividus settlement, d'immigration accidentelle (oiseaux) probable-
ment (Aubert).
Dans le bois de la Riffe [136]. Bonmont sur Gingins (650
a 750 m), a Guinfard pres St-Cergues [92]. — Sehr hftufig auf
dem Riicken, der die Vallee de Joux trennt vom Vallon de Val-
lorbes; Abhange des Mont d'Or [150]. Bierre, Cheserex und La
Rippe (sur Nyon). Coinsins [174].
17. OcnfeYe.
[Literatur: Reuter: Catalogue des plantes vasculaires. 1861.]
Reuter kennt keinen Standort auf Schweizerboden : weitere
Mitteilungen habe ich auch nicht erbalten.
18. Valais.
[Literatur: Jaccard: Catalogue de la flore Valaisanne. 1895. Brief-
liche Mitteilungen von 171, 176.]
Aus dem Wallis kamen mir nur zwei einzige Mitteilungen zu,
die die Angaben Jaccards erganzten. Jaceard hat die Verbreitung
bereits ziemlich vollstandig angegeben, mit folgendem: „Bois
rocheux des montagnes calcaires. Commune du Lac au Catogne et
alaLizerne; RR et disperse ailleurs. 400—1400 m.
1. C. de la plaine aux alpes: St-Gingolph, Bouveret-Vouvry
et montagnes. C. a Vionnaz et Muraz, Val d'llliez, sur Verossaz,
Mex, CrGte, vallee du Trient, Ravoire. — Outre Rh6ne, la Crottaz
sur Collonges.
. 2. SaUlon (Torrent^), sur Leytron RR. val Triquent, C. aux
mayens de Mottelon. — Ayent ; manque plus a Test dans le centre.
— Stegenwald 1000 m, Hasehvald de Rarogne 1050 m. (Doit se
trouver dans les vallons de Bietsch et Baltschieder ou M. Barbeiini
en a vu des rameaux coupes.) — Naters.
3. Durnand, Champey (1400 m), Clou. — Aproz, Val Rechy.
171 bestatigt: Vallee de Baltschieder et de Bietsch, und fugt noch
zu : Vallee de Lou£che et de la Dala ; la presence reste douteuse
pour la vallee de Lotsch. 176 in zahlreichen Exemplaren bei Raron
im Bietschtal.
19. Tessin.
[Brief!. MitteU. von 131, 168, 170, 172, 185, 186, 187, 188, 189.]
Die Karte zeigt in Sopracenere ein sehr zerstreutes, vereinzeltes
Vorkommen ; dagegen ein massenhaftes Vorkommen am und sud-
31
482
lich vom Luganersee. (tfber Bodenanspriiche und Art des Vor-
kommens im Sottocenere vergl. oben pag. 465.)
Vod genauern Standortsangaben kann ich nur folgende an-
fuhren: Sopracenere: Zwei Exemplare, ca. 400 Jahre alt, in der
Faura dei Morti bei Ambri, 1000 m, flstiiche Exposition; Faido
(Felsen des rechten Bergabhanges), namentlich vertreten am Tici-
netto Chironico [175]; bei Giornico. — Valle d'Orseiina, di Mer-
goscia, della Navegna ; einzeln und in kleinen Gruppen durch das
Verzascatal, bei Frasco bis 1250 m [186]. An einem Gneissbloek
zwischen Brione und Chiosetto [168]; zwischen Contra und Mer-
goscia [172]. — Zerstreut von Brissago bis Locarno-Solduno und
benachbarte Taler; langs des Isorno (Loco und Auressio); von
Intragna der Melezza nach ; zahlreich bei Someo (V. Soladino) und
Avegno (V. del Riale Grande) ; V. Bavona (S. Carlo ; Cavergno) ;
V. Lavizzara (Prato) Cevio-Linescio ? Cerentino [187].
Sottocenere: Taxuswald am Cassone bei Lugano (vide
pag. 467); Brusio-Arsizio, Rancate-San Giorgio, Capolago; auf
dem Generso bei 1207 m ein gepflanztes Exemplar; in Arogno
liber dem Hof Canova bei 1050 — 1100 m viele Exemplare. —
Miindung der Mera oberhalb Maroggia, am Nordabhang des Ar-
bostora ; Figino Grancia, ein Exemplar auf der Nordseite des Monte
Caslano ; zwei alte Exemplare auf dem Sasso dei Nass, Nordabhang
des Monte Caprino ; ein Exemplar beim Roccolo von Suvigliana ;
auf dem Nordhang eines Hiigels oberhalb Pazzalino [170, 188].
— Mezzovico, Canobbio. — An der Grenze bei Gandria [131].
483
Rtickblick und Ausblick.
Ich habe im Vorstehenden versucht, das jetzige Ver-
halten der Eibe in der Schweiz kurz und xibersichtlich
darzustellen. Es hat sich dabei ergeben, dass sie bei
uns stellenweise noch recht haufig ist, aber eine eigen-
tumliche Verbreitung besitzt, fur die eine befriedigende
Erklarung noch nicht gegeben werden kann. Das aus-
gedehnteste zusammenhangende Areal der Eibe
beginnt am nordlichen Abhang der Kantone St. Gallen
und Appenzell, wo sie besonders reichlich entwickelt ist.
Von da zieht sie sich, mehr zerstreut, einerseits uber die
Berge des Toggenburgs und des Tosstales bis gegen
Winterthur und Rapperswil, andrerseits das Rheintal hin-
auf bis iiber Uanz hinaus, mit Abzweigungen an den Walen-
see, ins Prattigau, Schanfigg und Hinterrheintal. Weitere
Zentren des Alpenhanges iinden wir am Vierwald-
stattersee, Thunersee und Rhonetal von Martigny bis zum
Genfersee. Im Jura geht ein kontinuierlicher Zug langs
dem ganzen Abfall gegen das Mittelland; da und dort
auch auf die inneren Ketten ubergreifend. Das Mittel-
land ist arm an Eiben. Einzig die Albiskette bei Zurich
bildet ein eigenes, etwas grosseres Zentrum ; zwei kleinere
finden wir noch im Thurgau : Immenberg und Nordabhang
des Seeiiickens. Im transalpinen Gebiet ist die Eibe zer-
streut uber die Tessiner- Alpen ; reichlich vertreten im
Sottocenere.
Die Eibe war wohl einmal haufiger bei uns; an zahl-
reichen Orten ist sie im Laufe der Zeit zuriickgedrangt
worden. Ihr Verbreitungsgebiet freilich hat sie behaupten
484
konnen ; es sind mir wenigstens gar keine Daten bekannt
geworden, welche auf Standorte schliessen liessen in Ge-
bieten, wo die Eibe jetzt gar nicht mehr vorkommt. "Ober-
all lauten die Berichte nur, dass der Baum fruher haufiger
gewesen, jetzt aber selten und vereinzelt geworden sei.
Studien in alten Archiven etc. habe ich allerdings nicht
gemacht ; es kann sich also wohl noch da und dort eine
Angabe finden.
Auch die Ortsnamen lassen kaum auf eine fruhere
grossere Yerbreitung schliessen. Brandstetter1) fiihrt
43 solcher aus der deutschen Schweiz auf.
Dem Gebiet von St. Gallen gehdren an:
Ibach, Hof am Neoker SO von Ganterswil;
Ibach, Hof auf einer H5he W von Nesslau;
Iental, Gegend SW von Nesslau;
Iberg, Burg auf einer Anhdhe bei Wattwil.
Wenn wir seine Liste durchgehen, so finden wir
keine ausserhalb des jetzigen Gebietes der Eibe. Da und
dort habe ich allerdings gerade von der betreffenden Stelle
keine Standortsangabe ; aber in der weitern Umgebung
kommt sie meist jetzt noch vor. Der Brandstetter' schen
Liste sind noch folgende beizufugen: bei Eschenz be-
findet sich ein Eibenhof [20], in der Gemeinde Unter-
seen am Nordufer des Thunersees ein Eiwald [80];
im Emmental kehrt der Ortsname Ey (Dialektname der
Eibe) vielfach wieder [142]; bei Speicherschwendi heisst
ein Abhang Iberah (oft korrumpiert zu Wiberrah) [19].
An alien diesen Orten kommt die Eibe jetzt noch mehr
oder weniger haufig vor.
l) Die Namen der Baume und Straucher in Ortsnamen der
deutschen Schweiz. (Beilage zum Jahresbericht der hoheren Lehr-
anstalt in Luzern 1901/02.)
486
Die Eibe hat also ihr Gebiet im grossen und ganzen
behaupten kSnnen; aber innerhalb desselben ist sie arg
dezimiert worden. Die Ursachen dafur sind nicht schwer
zu finden. Die direkte Verwertung der Eibe nach den
verschiedenen Richtungen mag ihr da und dort Eintrag
getan haben, da die umgeschlagenen wegen des langsamen
Wachstums des Baumes erst nach langer Zeit wieder auf
natiirlichem Wege ersetzt wurden; aber dass das mflg-
lich isty beweisen die zahlreichen Angaben liber jungen
Nachwuchs aus alien Teilen der Schweiz.
Viel mehr hat ihr die stellenweise systematisch be-
triebene Ausrottung geschadet. Der Landmann, der die
Gefahrliohkeit des Baumes fur seine Weide- und Zug-
tiere erkannte, reutete ihn langs der Waldwege aus. Aber
noch radikaler ging, eine zeitlang wenigstens, der Forst-
mann vor. Der Wald wird vom Unterholz ges&ubert
und dabei fallt auch die Eibe der Axt zum Opfei* Bei
Neuaufforstungen wird ein reiner Bestand oder eine be-
stimmte Misohung von Baumen vorgezogen ; aber die Eibe
ist nie darunter. Sie produziert zu wenig Holz ; sie rentiert
nicht. Aus alien diesen Grtinden ist es begreiflich, dass
die Eibe in unsern frisierten Kulturwaldern mehr und
mehr verschwindet. Es ist uberaus charakteristisch, dass
iiberall Privatwaldungen noch eibenreicher sind als Staats-
und Gemeindeforste. Der Privatmann erlaubt sich eben
hie und da von dem rationellen Forstbetrieb eine Ab-
weichung. Ich habe in manchen Briefen scharfe An-
griffe lesen miissen gegen die Forster, die die Poesie des
Waldes mit ihrer Axt zerstoren. Es muss in der Tat
eine zeitlang so gewesen sein; aber heute diirften jene
„theoretischen Griinrocke", die nur dann einen Wald
schdn finden, wenn die Rottannen oder Weisstannen in
486
soldatisch geraden Reihen dastehen und man ein paar
hundert Meter weit zwischen ihnen durchsehen kann,
bald gezahlt sein.
Damit sind vielleieht auch wieder bessere Zeiten fur
unsere Eibe gekommen. Yon verschiedenen Seiten habe
ich Mitteilung erhalten, dass man anfangt, sie etwas zu
schonen, da, wo sie nicht bessern Holzarten zu viel Raum
und zu guten Boden streitig macht. Und wenn man
auch wohl kaum daran denken wird, Eiben in grosserem
Masstabe gar anzupflanzen, so ist doch damit der Gefahr
einer noch weitern Zurttckdrangung des Baumes vor-
gebeugt. Sollte aber selbst in Zukunft je einmal eine
feindselige Stimmung gegen den dttsteren Gesellen unserer
W alder erwachen, zum Aussterben wird man ihn nicht
so leicht bringen. Als Befestiger der Steilhange unserer
Schluchten wird ihn der Praktiker immer achten. Vor-
ubergehend mag die Eibe auf diese fast unzuganglichen
Orte zuriickgewiesen werden ; aber bei ihrer Lebenszahig-
keit und ihrer reichlichen Fruktifikation wird sie diese
Posten noch lange verteidigen und mit Hilfe der V6gel
immer wieder neue Ausfalle in andere Walder unter-
nehmen. Eine Gefahr des Aussterbens der Eibe in der
Schweiz existiert heute nicht und wird nach unserem Er-
messen nicht sobald eintreten. Das ist das nicht grossartige,
aber recht erfreuliche Resultat meiner kleinen Studie.
487
Verzeichnis der Gewahrsm&niier.
(Die eingeklammerten ZIffern im Text bcziehcn sich auf dieses Yerzelchnls.)
1. Herr Th. Steinberg, Meilen.
2. , EmanuelSturzenegger,Knollhausen,Reute,Kt.Appenzell.
3. „ W. Christen, Roggwil bei Langental.
4. „ Aug. Zuppinger, Lehrer, Hegi, Oberwinterthur.
5. , J. Haab, Landwirt, Steinacher-Au bei Wadenswil.
6. „ H. Angst, Direktor des Scbweizerischen Landesmuseums
in Zurich.
7. „ J. Eichenberger, Fortbildungslehrer. Wegenstetten.
8. fl A. Niischeler, Direktionssekretiir der Otlibergbahn Zurich.
9. „ P. Born. Entomologe, Herzogenbuchsee.
10. „ Peter Vogeli, Redakteur, Leibstadt a. Rh.
11. , J. Herzog, Kunstmaler in Florenz.
12. , Benj. Schmidlin, Wahlen, Berner Jura.
13. „ Jos, Tierarzt, Wangen a. A.
14. „ A. Henne, Forstverwaltung Chur.
15. „ Gustav Bener, Tngenieur der Rhatischen Bahn, Filisur.
16. „ Rud. Zeller-Stahel, Flawil.
17. „ Heinrich Heller, Landwirt in Hinterlochen, Wolfhalden.
18. „ Iwan Hohl, Seidenweber und Landwirt, Walzenhausen.
19. „ Professor J. Friih, Zurich.
20. „ J. Bachrnann, Forstaufseher, Diessenhofen.
21. „ Emil Strickler, Wydum-Hombrechtikon.
22. „ Dr. Friedrich Schreiber, Rigi-Kulm.
23. Notiz im »Taglichen Anzeiger", Thun, 17. Mai 1902.
24. Herr C. von Segesser-Schwyzcr. Luzern.
25. „ Th. Mayer, Gut Auboden bei Brunnadern, Toggenburg.
26. „ J. J. Ruppert, Luzern.
27. „ Hermann Keiser, Kantonsschuler, Zug.
28. „ J. Zollinger, Ziirich-Enge.
29. Frau E. Bftrlocher, Zurich.
30. Herr A. Schwarzenbach-Furst, Kilchberg-Ziirich.
31. „ Alb. Zuberbubler. Seidenweber, Reute.
32. n A. Kuhn, Zurich.
33. „ Joseph Schiifli, Mammem.
34. v Gubler, Staatsfbrster, Oberhausen bei Tobel.
35. „ Sylv. Victor Sprecher, Filisur.
488
36. Herr Jb. Spiri, Ottoberg, Mfcrstetten.
87. „ Karl Meyer, Student, Solothurn.
38. , J. J. Jucker, Turbental.
39. „ Otto Eichmann, Gossau.
40. „ Jakob Schmid, Fflrster, Wellhausen.
41. „ Jak. Nater, Landwirt, Hugelsbofen bei M&rstetten.
42. , A. Obrecht, Griisch, Graubunden.
43. „ Gottl. Meyer, Fflrster, Wiirenlingen, Aargau.
44. , Dr. Ris, Arzt, Thun.
45. „ Hch. Wettstein, Landwirt, Platten-Ruti, Zurich.
46. t C. F. Meyer, Lehrer, Adliswil.
47. „ H. Stampfli, Gemeindeschreiber, Rumisberg.
48. , A. Gyr-Wickart, Zug.
49. , Hch. Risch-Sigg, Ddrflingen (Schaffhausen).
50. , Bernhard Huber, Landwirt, Herisau.
51. , J. G. Bringolf, Baumgttrtner, Unter-Hallau.
52. „ P. Montandon, Glockental bei Thun.
53. „ A. Scherer, Organist, Thun.
54. , Alb. Diggelmann, Schulverwalter, Bauernboden am
Schnebelhorn.
55. , J. Kellenberger, Bezirksschreiber, Oberegg.
56. n E. Bodmer, Kyburg.
57. „ Emil Meier, Griinau, Adentswil, Zurich.
58. , E. Weiss-Meier, Affoltern a. A.
59. , M. Giinthardt, Bezirksrichter, Adliswil.
60. ,, Hans Hauenstein, Rektor, Zurzach.
61. „ Th. Hahn, Ennetbaden.
62. „ Alb. v. Riitte, Pfarrer, Bern.
63. , Anonymus.
64. „ Bernhard Bliggensdorfer, Neukirch-Egnach.
65. „ Wilhelm Kressibucher, alt FSrster, Weidhof bei Elgg.
66. , Jakob Egg, Aumiihle, Frauenfeld.
67. „ Fidel Linder, Wallenstadt.
68. , Th. Geiser, Neuchatel.
69. „ Dr. E. Lardy, Genf.
70. , A. Kupferschmid, pat. Ober£b*rster, Bern.
71. „ Charles Martel, Aigle.
72. , L. Rimathe, Kreisftirster, Schuls.
73. „ F. Grobet, Morges.
74. , Retornaz, garde-chasse, Charmez-Gruyere.
75. , H. Abegg, Holzkorporation Kiisnacht, Zurich.
489
76. Fran Cecile Scheup-Roessinger, Rolle.
77 Herr Ulrich Juklin, Seminarist, Fideris.
78. „ J. Sonderegger, Landwirt, Berneck.
79. , Dr. J. Messikommer, Wetzikon.
80. , C. Risold, Oberfbreter, Spiez.
81. „ 6. Braun, Stadtfttrster, Bischofszell.
82. „ W. Ammann, Kreisfftrster, Bazenhaid.
83. „ Cunier, Oberffirster, Aarberg.
84. , Riiedi, Forstadjunkt, Zurich.
85. „ W. Schttdelin, Oberftorster, Bern.
86. „ H. de Blonay, Lausanne.
87. „ C. Mauchle, Kreisffirster, Baden.
88. „ H. Seeli, Kantonsoberffcrster, Glarus.
89. „ J. Lussi, Revierffcrster, Stans.
90. „ H. Landolt, Forstverwalter, Biiren a. A., Bern.
91. . Jos. de Week, Insp. forest., Fribourg.
92. „ Henri Dubois, Forestier d'Arrond., Nyon.
98. „ Martin, Reallehrer, Thusis.
94. „ R. Btflsterli, Pfarrer, Wangen bei Diibendorf.
95. , W. Wildberger, Oberlehrer, Neunkireh, Schaifhausen.
96. „ Dr. Leo Wehrli, Geolog, Zurich.
97. „ L. A. Zollikofer, Regierungsrat, St. Gallen.
98. s Pilliehody, Insp. des forets, Le Locle.
99. „ Jk. Burchler-Berchtold, Zollikon, Zurich.
100. , Emil Bischof, Holzhauer, Thundorf bei Frauenfeld.
101. w C. Rigassi, Revierfiirster, Arvigo-Calanca, Grigioni.
102. , H. Gubler, Reallehrer, Herisau.
103. , Dr. H. Bruppacher, Redaktetir des Schweiz. Idiotikons,
Zurich.
104. , Dr. Krilttli, Klosters-Dflrfli.
105. „ von der Weid, lnsp. des forets, Fribourg.
100. , Lucien Briod, Lucens, Vaud.
107. „ Jules Nilf, Verwalter der Stadtkasse Olten.
108. , Max de Diesbach, Villars les Jones pres Fribourg.
109. j, J. Diiret, Propst, Luzern.
110. w Joseph Stossel, Biitlis (Walensee).
111. , Clem. Zurcher, Pfarrer, Risch (Zug).
112. , A. Waldburger, Pfarrer, Martha] en.
113. , M. Hofstetter, Kreistttrster, St. Gallenkappel.
114. „ Wilhelm Gachter jun., Riiti, St. Gallen.
115. , H. Badoux, KreisfBrster, Montreux.
490
116. Herr A. Amstein, alt Theaterkassier, St. Gallen.
117. „ Spieler, Forstadjunkt, Luzern.
118. . A. Miiller-Kehl, Lachen-Vonwil, St. Gallen.
119. , Franz Eberle, Waldarbeiter, Mels.
120. , J. G. Pfund, Archivar, Unter-Hallau.
121. . Sev. Baumann, Hand lung, Hagenwil-Amriswil.
122. „ Theodor Felber, Professor am Polytechnikum, Zurich.
123. „ Jacques Baur, Geneve.
124. „ Curchod-Verdeil, Insp.forest.de la com munede Lausanne.
125. „ Rud. Riiegg, Neutal-Bfcrentswil, Zurich.
126. „ J. Luginbtihl, Sinneringen bei Bern.
127. „ J. von Siebental, Chillon.
128. , S. Bar, FOrster, Basel-Stadt.
129. . Gottfr. Stampfli, Ornithologe, Boll bei Bern.
130. „ Dr. med. J. Hiirlimann, Aegerisee.
131. „ H. Brockmann, Assistent, Zurich.
132. w Max de Diesbach, Fribourg.
133. „ F. Haller, Postbeamter, Basel.
134. „ Otmar Schnyder, Tierarzt, Horgen.
135. „ Hch. Schweizer, Schmied, WattwiL
136. „ V. Charbonnier, Mezieres, Vaud.
137. „ Major Jb. Jolissaint, Fribourg.
138. „ Gougginsberg, Pharmacie, Bussigny (Lausanne).
139. „ F. Isabel, Instituteur, Villars sur Ollon, Vaud.
140. „ M. Bachtold, Bezirksftrster, Ragaz.
141. „ P. Etter, Adjunkt des Kantonsffcrsters, Frauenfeld.
142. „ G. Ziircher, Oberffcrster, Sumiswald (Emmental).
143. „ Zehnder, Gemeindefb'rster, Suhr (Aargau).
144. „ J. J. Deduah Advokat, Chur.
145. » Lieehti, Forstverwaltung Murten.
146. , Paul Barras, Oberftrster, Bulle.
147. „ Gottlieb Schneider, Landwirt, Durnten.
148. . J. J. Boesch, Fabrikant, Kappel (Toggenburg\
149. „ R. Rietmann, Bezirksfftrster, Rheintal.
150. „ Leop. Piguet, Horloger, Sentier.
151. . F. G. Borel. aide aux Archives de l'Etat, Xeuchatel.
152. , Roulet, Tnsp. general des forets, Neuchatel.
153. . J. Jacot-Guillarmod, forest. d'Arrond.. Saint-Blaise.
154. „ Dupasquier, forest. d'Arrond., Areuse.
155. „ Biolley, forest. d'Arrond., Couvet.
156. „ Veillon, forest. d'Arrond., Cernier.
491
157. Herr Hartmann, Oberfttrster, Stein a. Rh.
158. „ M. Triimpler-Pestalozzi, Zurich.
159. „ A. Garonne, Forstverwalter, Liestal.
160. j, Albert Frey, Forstverwalter, Baden.
161. „ Rud. Heusler, KreisfBrster, Lenzburg.
162. Frl. Bertha Gouveron, Les Bois, Jura bernois.
163. Herr H. R. Pulfer, Forstdirektor des Kantons Bern.
164. „ H. Gobat, Insp. scol., Delemont.
165. „ H. Kasser, Direktor des Berner Historischen Museums.
166. „ F. Castella, cure\ Romont, Fribourg.
167. „ Dr. Fritz Baur, Basel.
168. , Josias Braun, Lotfstrasse, Chur.
169. , Walter Schmid, pat. Oberftrster, Basel.
170. „ B. Freuler, insp. forest, Lugano.
171. „ F. Delacoste, insp. forest., Visp (Wallis).
172. Frl. Dr. Marie Jerosch, Zurich.
173. Herr Dr. Coaz, Oberforstinspektor, Bern.
174. „ Moreillon, For. d'Arrond. Montcherand s/Orbe.
175. , Seeli, Kantonsoberfftrster, Glarus.
176. „ Ed. Barberini, KreisfBrster, Brieg.
177. , E. Baldinger, Oberftirster, Aarau.
178. , von Arx, Oberffirster, Solothurn.
179. „ Burn, Forstinspektor, Luzern.
180. „ Ad. Miiller, Oberfttrster, Meiringen.
181. „ F. Enderlin, Kantonsoberfftrster, Chur.
182. T Hersche, Bezirksffirster. Uznach.
183. „ Sehnider, Oberfbrster, St. Gallen.
184. „ Dr. 0. Naegeli, Zurich.
185. „ 0. Furrer, Forstinspektor, Faido.
186. „ Albisetti, Forstinspektor, Bellinzona.
187. „ Bezzola, Forstinspektor, Locarno.
188. „ Dr. Bettelini, Bellinzona.
189. „ F. Merz. Kantonsforstinspektor, Bellinzona.
XII.
Notizen
zur
Naturgeschichte des Kantons St. Gallen.
Von J. FrOh, Zurich.
I. Isolierte marine Molasse in der Rheinebene Sstlich
Blatten-Rorschach.
Auf einer Eisenbahnfahrt von Staad bei Rorschach
tiber Bauriet (^Bannriet" bei J. Scheuchzer 1712) be-
obachtet man ostlich Fuchsloch zwischen der Bahnlinie
und der Landstrasse zwei kleine Hiigel. Der ca. 160 m
lange grossere und westliche ist der „grosse Studen-
biichel" mit Cote 408 (Eidg. top. Atlas Nr. 78), der
kleinere ostliche der „kleine Studenbiichel" 402,54 m
(Top. Atlas, Bl. Bauried, Nr. 81). Beide fehlen auf der
schweiz. geolog. Karte 1 : 100,000 (Blatt V Dufour) und
den entsprechenden „Beitragenu, Lief. XIX, Teil I, Bern
1883. Veranlasst durch Untersuchungen uber die Moore
im Rheintal, ersuchte ich im Mai dieses Jahres das Tit.
Rheinbaubureau um einen orientierenden Augenschein,
der in der vielfach erprobten und sehr verdankenswerten
Bereitwilligkeit ausgefuhrt wurde. Ich war nicht wenig
iiberrascht, in dem ausfuhrlichen und mit Proben be-
gleiteten Bericht von Herrn Ingenieur J. Seitz Belege fur
anstehende Meeresmolasse zu finden.
Ein Besuch meinerseits best&tigte alles. Die Tat-
493
sache hat ein doppeltes Interesse, ein geologisches und
ein morphologisches.
a) In beiden Hugeln erkennt man WSW bis ENE
streichende und ca. 12°NNW fallende „Seelaffeu mit
Austern, Cardien, aber weniger reich an Mollusken als
der kalkreiche und zu Schotter verwendete obere Muschel-
sandstein von Blatten, als deren direkte Verlangerung
die Studenbiichel zu betrachten sind ; doch fehlen am
gros8en karrenahnliche Verwitterungsformen nicht. Dieser
Aus: Topographischer Atlas der Schweiz 1 : 26,000, Blatt 78 und 81.
letztere erhebt sich etwa 3,6 m uber Terrain und ist am
15 — 20 m breiten Ostende ca. 2 m hoch abgesprengt;
in den obern Partien zeigen sich wellenformige Schichten,
stellenweise mit Tongerollen. Der „wilden", mehr massigen
Beschaffenheit des Gesteins hat man die Erhaltung der
Hugel zu verdanken. Der kleine Buchel ist ca. 16 m
breit und 1 — 1,5 m uber Terrain.
Bereits Herr Seitz erkannte etwas westlich der Land-
strassenbrucke tiber den Neugraben noch Felsreste. In
der Tat findet man dort ca. 4 m vom siidlichen Strassen-
rande bei Repere 57a (Blatt Nr. 81, Edition 1900) von
494
E nach W drei rundbucklige, 0,2 bis 0,35 m empor-
ragende, mit Sedum acre oder ausgedorrtem Rasen be-
deckte „SeeIaffenu, wekhe eine gngammftnhAngftndft
Platte darstellen mussen.
Die Molasse lasst sich noch weiter nachweisen. Der
Steinbruch Fuchsloch ist vor etwa 100 Jahren in dea
sogen. „Blattenu, d. h. den die Seelaffe unterteufenden
marinen Banken angelegt worden. Zwischen den Hausern
Fuchsloch and dem Bahnwfirterhauschen verzeichnet Bl. 78
(mit Nachtragen bis 1891) drei Teiche, d. h. ertrankte
Bruche, von denen der westliche ganz zugefullt und nur
der nordostliche noch mehr oder weniger gut erhalten
i8t, mit herrlichen phytogenen Verlandungszonen (Nuphar,
Nymphcea, Scirpus lacustris, Arundo Phragmites, Typha latif.
etc.). Vom Bahnwarterhauschen dem Sudrand der Eisen-
bahnlinie entlang auf 80 m gegen Osten gehend, konnte
ich an dem Graben nur Rheinalluvium erkennen. Das
im Winkel zwischen Bahnh&uschen und der Nordseite
der Linie erbaute Wohnhaus steht nach Aussage von
Bahnwarter Herzig teils auf Fels, teils auf Pfahlen.
Der auf Blatt 81 verzeichnete Weg von diesem Haus
in ostlicher Bichtung und bis ca. 11 m westlich des von
Biizel herkommenden Baches fiihrt auf einer von Westen
nach Osten von 0,6 bis 2 m ansteigenden Kante von
fossilienleeren (?) „Blattenu, dem Nordrande ernes auf der
Halfte verlandeten alten Steinbruches, welcher 1817
an einem Mittag plotzlich samt Werkzeugen ertrunken
sei. Zwischen dieser Kante und dem Wohnhaus im Siiden
und den beiden Studenbucheln im Norden stehen unter
mehr oder weniger r angel egtem Land" (Rheinsand und
Rheinletten !) viele kleine Felskopfe an, d. h. vom Haus
Fuchsloch erstreckt sich ein 1,6 — 2 Hektaren grosser
495
und ca. 450 m langer, mehr odor weniger tief erodierter
Mola88e8porn bis zur Landstrasse. Wenn er bei der
1877 — 79 erfolgten Kartierung iibersehen worden, so mag
sich das daraus erklaren, dass die Blatter Nr. 78 und 81
des eidgen. topographischen Atlas erst 1885 resp. 1888
erschienen und die Hugel auf der 1840—46 aufgenommenen
Eschmann'schen Karte 1 : 25,000 fehlen und danach auch
auf Dufour V (Ausgabe 1860).
b) Morphologisch treten als drei nordlichste Sporne
vor dem Bodensee auf: Buchberg-Blatten (Halden)-
Staudenbtichel und die Eippen Hurlibuck-Speck bei Staad.
Der Riicken ostlich Blatten zeigt nach Osten bis zum
Str&sschen N— S nach „Haldena eine Stufe von 16 m.
Yon hier bis zur Eisenbahn nach Fuchsloch und nordlich
„Haldena breitet sich ein schrag abgeschliffenes und von
der Ebene 3 — 10 m plotzlich sich abhebendes Plateau
aus als abgeschliffener Grat, das linksufrige Aquivalent
der aus SeelafFe bestehenden, von der Eisenbahn durch-
schnittenen und mit Gletscherschliffen und „Miihlenu ver-
sehenen Riedenburg bei Bregenz.
II. Flugsand (Diineii) 1m Rheintal.
a) Bereits an anderer Stelle l) habe ich auf die zwei
W — E streichenden asymmetrischen D tin en zwischen der
Eisenbahn und dem Bhein bei B,iiti aufmerksam gemacht.
Sie liegen im Norden eines „Sandu genannten Gelandes
und erscheinen auf der topographischen Karte (Blatt 239)
als zwei kleine mit 434 und 432 kotierte Hugel.
b) Innerhalb des nordlichsten Teiles der Gemeinde
!) Der postglaciale Loss im St. Galler Kheintal mit Beriick-
Bichtignng der Lossfrage im allgemeinen (Vierteljahrsschrift der
Naturwissenscbaftlichen Gesellschaft Zurich. XXIV. 1899. S. 188).
496
Ragaz verzeichnet Blatt 270 (Ausgabe 1886) einige iso-
lierte und kotierte Htigelchen:
a) „Bagola 407 m NW Malangga-St. Leonhard, doroh
Abbau reduzierter Sandhiigel mit 1,5 m relativer H5he,
von SE nach NW ansteigend, direkt auf Geschieben des
Rheines und der Tamina aufgesetzt. Der grane nn-
geschichtete Sand enth< noch einen erheblichen Prozent-
satz grober eckiger Splitter von Biindnerschiefer, Quarz,
Calcit, Glimmer von 0,7 bis 1,5 mm, welobe auf kurzen
Weg der Verwehung deuten. Von gebleiehten Mollusken-
gehausen erkannte ich Helix (Fruticicofa) villosa Drap.,
Patula ruderata (?) Studer.
P) Nach Aussage von Bahnwarter Looher in Basch&r
besteht auch Hxigel 600 in der unteren Au aus 1,6 m
Sand, ebenso der langliche E 493 ostlich Baschar mit
einer relativen Hohe von 1 m. Dagegen ist die Erhebung
499 E „Heul68era ein altes Schwellwuhr. Nach Analogie
zu Bagol diirften die Erhebungen 600 und E 493 Flug-
sande, vielleicht Reste grosserer Diinen sein. Th. Lorenz l)
hebt die bis 5 m machtigen grauen Dunensande hervor,
welche sich am Fusse des Flascherbergea zwischen
Heidenschopf und Ellhorn hinziehen.
III. Hochmoore oberbalb Plons W Mela.
Gelegentlich einer Exkursion streifte ich im September
dieses Jahres zwei Hochmoore, uber die hier eine kurze
Notiz niedergelegt werden mag. Die Hohlformen, iiber-
wiegend Isoklinaltalchen, beherbergen in hoheren Lagen
noch vielfach Streueboden (Molinieta), nicht selten Sphag-
neta bis entwickelte Hochmoore.
*) Beitr&ge zur geologischen Karte der Schweiz, Neue Folge
X. 1900. S. 62.
497
a) Das TurbenrietEKapfeberg 1030 m, ca. 400
Meter lang, 80 — 100 m breit, liegt in einer ausgezeichneten
Rundhockerlandschaft und zeigt peripherisch, besonders
am Ost- und Westrande, Flaehmoorrasen, im iibrigen ein
ausgezeichnetes Hochmoor, das zu zwei Dritteln schon
ziemlich abgebaut ist. Die Vegetationsdecke ist speziell
an letzteren Stellen verherrschend eine triefende Torf-
moosdecke (Spliagnum medium) mit eingestreutem Erio-
phonim vaginatum, Trichophorum alpinum, Aulacomnium
palustre, Drosera rotundifolia, Potentilla Tormentilla, junge
Betula pubescens, Frangula alnus, Alnus incana.
Dazu kommen Drosera rotundifolia, Oxycoccus palustris
und Andromeda polifolia. Weniger feuchte Stellen be-
herbergen Trichophorum cwspitosum, Molinia, Vaccinium
myrtillus und V. Yitis Idcea und erhohte Reste des nicht
ausgebeuteten Moores weisen ein iippiges Callunetum auf
mit Besten von Vaccinium tdiginosum, Salix nigricans,
Aspidium spinulosum, Abies eoccelsa. Zahlreiche flache, alte
Torfgruben sind mit Rhynchospora alba, insbesondere mit
Lycopodium inundatum geschmuckt, das gelbgnine Beete
darstellt. Wasserreiche Stellen und Graben sind verlandet
mit Carex rostrata oder Mmyanthes trifoiiata oder Teppichen
von Sphagnum cuspidatum. Wahrscheinlich dlirfte Scheuch-
zeria palustris gefunden werden.
Pinus sylvestris, das Rundhocker bewohnt, erscheint
stellenweise auch im Moor; im ostlichen Teil ist dafur
noch ziemlich haufig JPitius montana var. lutcinata
Ram. in 1 — 6 m hohen, nicht sehr iippigen Exemplaren.
Ftinf auf der topographischen Karte (Blatt 267) nicht
verzeichnete kleine Schuppen dienten der Aufspeicherung
des Torfes. Dieser ist Hochmoortorf, 0,3 — 1,5 m machtig
und nach seinen wesentlichen Komponenten ein Sphagneto-
498
Eriophoreto-Scheuchzerietum, an einer Stelle in dieser Form
direkt iiber Verrucano beobachtet. Eine Probe zeigte
unter dem Mikroskop einen Fasertorf aus Scheuchzeria
palustris, Eriophorum vaginatum mit halb humifizierten
Stengelchen und Blattchen von Sphagnum cuspidatum und
Sphagnum cymbifol. Ehrh., sowie wenig Vaccinien und in
deren Begleitung Mykorrhiea&den. Eingestreut ziemlich
viel Sporen von Sphagneen, Pollen von Alnus, Betula,
Pinus, Picea,Tilia, Mtickenskelete und ziemlich viel Mineral-
splitter, unter welchen die mit Rutiln&delchen erfullten
und Mikrokrystalle des Rheinerraticums nicht selten waren.
b) Zwischen Kapfeberg und Alpnagelikopf,
etwas nordlich „Turbenrietu und dem rechten Ufer eines
linken Zuflusses des Schmelzibaches, traf ich in ca. 1000 m
einen vor kurzer Zeit geschlagenen Rottannenwald, dessen
Boden durchaus die Komponenten eines Sphagneto-Erio-
phoretums zeigt: Sphag. cymb. Ehrh., Sphag. acut, Aula-
comnium, Drosera rot., Oxy coccus, Voce. Vitis Idcea, Yacc.
myrtillus, V. uliginosum mit 6 — 8 mm grossen, blau be-
reiften, wohlschmeckenden Beeren; reichlich Andromeda
polifolia; eingestreut Rhododendron ferrugineum, Betula
pubescens, Lycopodium annotinum nebst Erioph. vag., Tricho-
phorum ecespitosum, Molinia etc., letztere besonders im ost-
lichen Teil, wo immer dichter kiimmerliche Exemplare von
0,8 — 2 m hohen Pinus uncinata auftreten. Das Ganze
bietet das interessante Bild eines durch Hochmoorbildung
gefahrdeten bis zerstorten Rottannenwaldes.
xm.
Meteorologische Beobachtungen.
Jahr 1903.
A.
Station Altst&tten (450 M. a. M.).
Beobachter: J. Haltner.
1903
i
i
!
Lu
ftdruck
Mittel
Minimum
Tag
Maximum
Tag
Januar
726,5
710.7
11.
736,5
29.
Februar
730,5
710,6
2.
739,8
10.
Marz
724-,4
704,1
3.
735,0
20.
April
719,0
700,5
23.
727,4
6.
Mai 1
720,9
1 707,2
4.
730,7
16.
Juni ;
721,5
1 712,9
19.
729,1
27.
Juli 1
723,5
71t5.0
17.
729,5
1.
August |
724,3
715,3
14.
731,5
27.
September \
725,2
1 710,9
11.
731,2
23. 24.
Oktober |
721,4
712,4
28.
727,6
19.
November
723,9
! 697,2
30.
733,4
23.
Dezeraber
718.8
702,8
1.
733,7
22.
Jahr
723,3
1 697,2
1
II.
739,8
II.
!
Luftt
empera
tur
1903 |
— _ _
1
lh 9h
Bed. j M
inimum Maximum
1
Mittel 1
Tag j Tag
Januar
-3.4'
i 1
1.4 — 1,7 -
- 1,4,-1
5,3
19.
15,3 9.
Februar !
— 0,8!
5,5 I 1.7
2.0 —
8,5
18.
15,3 23.
Marz j
3,5!
ll,0i 5,5
6,4 —
3,7
8.
20,3 1 27.
April '
3,9,
8,4 | 4,8 i
5,5 —
1.5
18. , 17,9 30.
Mai
11,2
17,9, 11.9
13,2
6,3
11. ' 25,8 29.
Juni ',
14,1,
19,3 1 14,4
15.6
9,3
8. , 26,8 29.
Juli ,
15,0 1
2'».3 15,2
16.4
B,7 1 8. ' 27,6 : 3.
August :
14,8'
21,3 ' 15,8
16,9
9,5 16. 27,1 9.
September
11,2 1
18,6 j 13,3
14,1
5,6 j 14. 26.8 1 2.
Oktobe.
8,3'
13,7 | 9,0 ,
10.0 —
[),7 20. 22,5 ■ 6.
November ,
Dezember
2.7 1
6.3 3,8
4.2 — <
4,2 ; 9., 11,1
3.
- 2,3 j
0,5 |— 2,0 -
- 1.5 — <
Mi 31. 12,3
13.
Jahr |
6.5 1
1
12
,0, 7*1
! 1
8,4 -11
&,3
I.
27
,6
VI.
4
500
Station Altstatten.
Relative Feuchtigkeit
BewAlkunp
1903
7*
111
»»
11**1 j MlDi^
7»- 1 lfc
0b MJU*1
Jamiar
! 90
81
86
86
81
9.
6,4 1 5,0
4.7
5,4
Februar
88 76
82
82
39
27.,
5,0 5,7
+.5 5.1
Marz
i 79 1 53
72
68
20
2ii.
3,8 4,5
3,5 3,9
April
81 ' 63
76
78
30
30.:
7,7 8,3
7,4 i 7,8
Mai
1 77 i 51
69
66
27
6 -
4,6
4.9
4,4 { 4,6
Juiii
1 80 | 60
75
72
36
19.1
6,0
6,8
7,0 i 6,6
Juli
86 ' 68
83
79
48
16.
6.8 i 6,6
6.0 6,5
August
1 85 62
80
76
37
29.!
5,6 I 5,4
4,3 5.1
September
i 90 1 69
87
82
54
utx ■
5,2 4.4
3,8
4.5
Oktober
87 i 68
86
80
33
28.
5.6 6,3
5,3
5.7
November
i 90 1 78
88
85
56
20.
8.1
8.0
8,5
8.2
December
I 94 ! 84
1 «i : pes
1 1
94
81
91
78
40
SO
13-
8,6
7,4
6.1
7.1
7,7
5.9
liilir
Ml.
6,1
Nieder^chlflg- Zahl der Tage mit
1903
Bnmrn.1 U"Sm^
«m'.i !**^W|iL ,fbl'
Htiltr Trli
] 1
SO 8
L b.
Januar
3,
7. fl
1 4
0
0
8
8 y
Feb mar
57 l 15
15.
10. £
6
0
0
6
9 8
Milrz
57 i 18
3.
8. E
1
0
0
5 1
12 5
April
. 104 1 19
7.
20.1?
10 0
0
1 '
I ! 17
Mai
40 i 8
17.
12. 8
1 0
0
2
0
11 8
Jnni
91 18 21.
16.14 0
0
1
0 i
4 ' 14
Juli
1 216 , 43 | 19.
^2.20
0
0
3
o I
6 12
August
1 156 > 58 ' 15.
His
0
0
2
0
7 8
September
63 25 1&
9, E
0
0
0
2 !
11 9
Oktober
j 113 , 19 1 12.
20.16
0
0
0
0
9
11
November
1 115 16 , 21.
is. ie
8
0
1
5
1
22
December
25 I 12 6.
6. 4
s
0
0
12
2
i:
■ l:i hr
1067 ' 58 1 VIII-
1
161. 139
1
. 32
—
9
89 ,
81 140
i
In dor A
1 rl
nbrik „Zfthl dor Tig* mit N
aderit
bit*4
gvfafiU
df« Zifl
i
tern nnUr *
die AtjJiftbl d#r
Tug* bo, bu wtlchen din JilftdenBhUgiraepge mind*it«ui 0,fl mm.
djrj«ntgen antei
b j ■• i i*
, fllJ tt
elehflu
dieHltx
i ilj uv
GtlttDi
1,0 nu
m tmlBht h
it
601
Station Altstatten.
1
Windverteilung
1903
!
Zahl der Beobachtungen :
s
NE
B ' SE 1 S I SW
1 1 ! i
w
' NW
Calnn
Januar
11 i
2
o ; 2 ! 2 ! io i
7
1 *
55
Februar
2 !
5
1 i 1 - 0 | 4 ,
5
1 7
59
Man
1 7 i
12
1 i 1 ! 3 1 9
10
I 11
39
April
U |
7
1 : 2 ' 3 12 '
6
1 10
35
Mai
17 i
6
4 ! 1 ! 4 1 6 i
9
14
32
Juni
11 '
3
2 ' 3 i 4 i 6 1
3
11
47
Juli
11 1
7
3 3 5 9
7
i 12
36
August
' 7 I
5
1 1 2 4 ! 5
16
i e
47
September
1 8 1
2
2 , 2 ' 1 ! 4 1
6
4
61
Oktober
1 7 i
11
2 ' 2 ! 7 : 8 ,
8
1 10
38
November i
9 !
4
0 ' 0 i 2 , 8 :
9
I 8
50
Dezember
Jahr
i
2 !
8
3 i 2 , 2 0 '
2
i o
74
106 |
i
72
20 . 21 i 37 | 81
88
• 97
573
B.
Station Ebnat (649 M. ii. M.).
Beobachter : J. J. Kara tie.
1903
| Luftdruck
1 «#ii.«~i ■ Minimum Maximum
| M't,Sl | T.K | Tag
Jaouar
Februar
Mara
April
Mai
Juni
Juli
August
September
Oktober
November
Dezember
Jahr
1 1 1 1 1 1 1 ! 1 1 1 1
1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1
1 1 1 1 i 1 1 II 1 1 1
I I i i i i ; I ; i I I
i i i i i i M ' 1 1 I
:
i !
602
Station Etana
Luffctem
1903
9fc
K«d.
Miuet
J ; i n u i I r
Februar
Morz
April
Miii
Jani
,hili
August
September
Oktober
November
December
Jahr
-4,8
- 1,7
M
1.8
8,4
11,2
13,1
12,9
9,1
6.2
2,4
- 4.3
4,6
1,5
5,8
9,3
6,4
16,6
17,3
19,2
20,3
17,3
13,0
5,2
-0,7
10,9
- 3,2
1,2
3,2
23
9,2
12,5
13.9
15,0
11,3
7,4
3,1
-3,7
- 2,<
M
4,S
10,£
13,4
15,1
15J
12,<
3^
-3,1
6,1 ftfl
1903
R<
slative Feuchl
,igke
7t
lb
9t IkimI M|f"
Jamiar
tVbruar
Mil-,-:.
April
Mai
Juui
Juli
August
September
Oktober
November
Deaember
—
—
—
—
—
Jahr
603
Station Ebnat.
Niederschla^
/.:llll Uei
■ Ta
ge niit
3903
Sumiue
Maximum
Tig
IE Mill
ScKihi
HlEli
wrttir
Hibil
Hittir
Trdh
k. b.
Jaguar
94
30 , 2J; 6, ft
3
0
0
0
12
fl
Februaj
72
27
15. 6. 6
3
0
0
0
12
6
Mitral
103
33
3. 10. 10
4
0
0
0
9
5
April
129
21
8. 18. 17
10
0
0
0
0
17
Mai
56
15
1. 10.10
0
0
0
0
9
5
Juni
187
45
12. ! 14. 13
0
0
8
0
5
13
juli
246
46
29. i 21. 19
0
0
2
0
5
12
Aaguat
169
48
19. 1 14. 14
0
0
1
1
7
8
S«pt ember
63
29
13, if 6. 6
0
0
1
%
10
7
Oktober
202
23
16. 17. 17
0
0
0
1
7
13
November
1*2
29 25, i 15. 14
B
0
0
2
3
22
December
43
14
6,, 6, 6
ft
0
0~
0
7?
6
18?
5
81
12
126
Jalir
1551
•
H
Hi I3S
u
Station Heiden (797 M. a. M.).
Beobachter: J. J. Niederer.
Luftdruck
1903
Mittel
Minimum
Tag
Maximum
; Tag
Januar
695,8
681,7
11.
703,3
25.
Februar
699,9
680,8
2.
709,2
10.
Marz
694,4
674,7
3.
704,2
20.
April
689,1
672,0
23.
696,8
6
Mai
691,7
678,7
4.
701,2
22.
Juni
692,5
684,4
19.
699,9
26.
Juli
694,6
687,9
17.
700.3
1.
August
695,4
687,4
14.
702,1
26.
September
696,2
682,6
11.
701,9
23.
Oktober
691,8
683,2
28.
696,9
19.
November
693,6
667,7
30.
703,1
23.
Dezember
688,1
672,7
1.
701,6
709,2
22.
Jahr
693,6
667,7
XI.
11.
I
604
Station Heide
Ltofttem
1903
7h
lk tfi
Bed,
BittUl
Januar
- 2,3
2,4?- 3,9
- 0,9
Februar
- 0,1
5,4 1,1
1,9
MiLrz
2,5
7,3 2,9
4,0
April
2,1
5,5 2,3
3.1
Mai
10,1
15,6 1 8,6
10,7
Juni
12,0.' 16,5] 11,1
12,7
Juli
18£ 17,6, 12,8
14,2
August
14,1 j 18,7, 13,0
14.7
September
10,6
15,7
10,4
*M
Oktober
8,2
12,0
7,9 1
9,0
November
2,1
4,3
u !
2,5
December
i- 3T3
-0,4
-8,4
- 2,6
Jahr
6,8
1<U
6,6
64
Relative Feuchttffke
1903
1~
! 7fc
i*
gb
Mlttrt
Mink
Jammr
75
66
74
72
as
Februar
70
56
70
65
26
M r.'-
70
54
74
66
, 25
April
75
60
74
70
, 26
Mai
67
49
75
64
1 27
■Tuns
74
59
78
70
1 35
JuK
72
60
80
71
. 36
August
72
57
78
69
1 32
September
79 * 64
83
75
1 38
Oktober
1 75 62
77
71
1 35
November
M 79
87
£4
34
December
89
79
87
85
35
Jalir
75
62
78
72
25
605
Station Heiden.
wm
Niederscblag
MftlllDUOl
■ Summe
T*g
Zahl der Tage in it
Mtir L Trlh
,,is;iw-l"",|i
Januar
Februa r
Murz
April
Mai
Juni
Jnli
Augrmt
September
Oktober
November
December
Jahr
j I
56 25 I2t
87 , 17 I 15.
58 I 14 ; 6,
. 142 | 24 7.
52 U ! 17.
135 , 37 I 21.
1 263 54 8.
' 196 57 15.
I 142 51 I 13.
136
162
36
!►
24 12.
28 25.
23*! 6-
7, 7
11. 10 I
11. 8
22. 20
12.10 1
17.12
23. 22 i
17. 14 '
9. 9
20. 16 ;
1465 57 Mil
21.17
8. 6
lit. 151. ' 57 I
5 1
7 |
16
0
0 .
0 i
0 :
0
2 '
12
7 !
0
0
0
0 I
0 i
0 I
0
o !
o I
0
I
0 i 3
o i
0 1
0 '
3 i
S1
}!
0
o I
0
12
13
13
2
12
5
E
10
13
8
a
4
7
4
3
16
6
18
10
5
7
9
20
13
0 21~i 24 1100 1
I
1903
Januar
Pebruur
Man
April
Mai
Juni
Juli
August
September
Oktober
November
Dezember
Windverteilung
Zabl der Beobachtungen;
M.
11 I
SI
9
10 <
16 I
20 !
9 i
15
23
5 ,
13
29
i
2
0
i
0 i
1
0 i
0
s
>'■
15
10
14
10
7
6
9
3
1
21
5
8
svr
sw .citaw
5 i
6
19
16
23
10
10
24
•lalir
I 15
8
I 20
30
10
11
7
7
14
16
14
9
2
2
53
45
38
34
45
38
28
«6
38
32
38
47
163 10 i 16 84 109 19 ' 180 96 472
606
D.
Station St Gallen (703 M. a. M.).
Beobachter: J. G. Kessler.
1903
L
uftdruck
Mittel
1
Minimum ! Maximum
Tag ! Tag
Januar
! 704,1
i
!
689,8
11
713,9
i 29.
Februar
i 708,1
688,7
2
717.5
1 10.
Marz
i 702,5
683,2
a
712i3
20.
April
, 697; I
680,0
2a
704,8
! 6. 10.
Mai
! 699,6
686.2
A
708,8
21. 22.
.luni
! 700,4
692,1
19
707.9
! 26.
Jnli
. 702,5
1
695,6
17
708,3
1-
August
1 708,2
i
694,2
14
710,1
, 26.
September
704,0
689,9
11
709,9
1 23.
Oktober J
November
Dezember
699,8
690.9
28
705,2
, 19.
701,8
1
675,7
1 30
711.1
1 23.
696,4
1
680,8
1
710,4
22.
Jahr "|
701,6
i
1
i
675,7
~ XI
. ~ 717.5
in.
i
Lufttemp
e r a t u r
1903
7h
1»
9b
Red.
Mittel
Minimum
Tag
Maximum
Tag
Januar !
1
- 2,6
2.1
- 1.7;
- 1,0
!
— 12.0 1 19.
13,8 9.
Februar
0,0,
5,3
1.4 '
2,0
-11,0 17.
14,6 28.
Murz '
8.0
8.9
3,6
4,8
- 4.3 1 8.
19,0 27.
April
2.6,
6,5
2,8 '
3,7
- 3,6 | 19.
13.6 7.
Mai
10.4
15,5
9.9
U.4
4.4! 2.
22,3 29.
Juni
12.6
17,0
11,9,
13,4
6,6 i 8.
25.5 29.
.Tuli
14.5
18.6
13,5;
15,0
5,1 | 8.
27,0 3.
August
14.7
19,4
14.4
15,7
9,2 j 19.
25,2 9.
September
11,3
16.4
11,6
12,8
4,0 14.
25.1 2.
Oktober
8.0
12,4
7.9:
9,1
- 2,1 20.
22,1 7.
November
2.5
4.9
2,7
3,2
— 1,4 1 27.
10,8 24.
Dezember
— 2.8 -
1,0
— 2,8 i-
- 2,4
- 9,5 1 31.
6,3 10.
Jahr
6,2
10,5
"(SL8
7,3
-12,0
I.
~277o VII.
607
Station St.Gallen.
1903
Relative Feuchtigkeit 'I Bewdlkung
7h
lh , 9h iMittel MiuIm™ ' 7h | lh ' 9h !mM01
I i i*g ,, | |
Januar
Februar
Marz
April
Mai
Juni
.Tali
August
September
Oktober
November
Dezember
Jahr
79
74
75
I 78
70
78
77
77
86
81
88
93
67
| 63
! 55
! 53
! 61
! 62
58
! 69
. 67
I 82
75
72
, 74
I 77
1 72
77
| 80
j 80
I 87
! 85
I 93
80 i 66 I 80
I
74
70
68
73
65
72
73
72
81
78
86
91
28 9.
23 I 20.
27 I 26.
28 , 21.
31 I 6.
39 26.29.
43 I 3.
35 ' 14.
55 :2.6.
31 I 28.
54 : 29.
51 9.
5,6
ll 3,9
4,3
m
m
,5,3
II 6,0
5,7
i|8,7
8,7
I
5,0
5,1
4,8
i 8,1
4,5
6,3
6.5
I 4'9
1 4,1
6,1
8,0
8,5
4.6
4,7
3,9
7,0
5,1
6,8
6,4
4,7
3,8
5,5
8,0
8,2
5,1
4,6
4,3
7,5
5,0
6,6
6,5
5,0
4,6
5,8
8,2
8,5
75 23 I II. I! 6,2 > 6,0 5,7 6,0
I
1903
Niederschlag
Zahl der Tage mit
Summe1
Maximum
Tag
!;*;;- sch.„H.,.« Jj-ri
Nibil : Heitir i TrOk
b. I
Januar
Februar
Marz
April
Mai
Juni
Juli
August
September
Oktober
November
Dezember
Jahr
62 34 . 12.
58 14 2.
52' 13 3.
109 18 7.
42: 9 1.
112 34 - 21.
235 | 40 19.
163 48 15.
110 40 13.
134 27 30.
136 i 20 '. 17.
32 19 I 6.
I a.
8. 7| 5
10. 81 8
i; 10- 8, 6
20.18 14
12.10' 0
1 16. 13 | 0
21.21
114.13
10. 8
20. 16
19.16
7. 4
0 '
0
0 i
2
12 l
7 '
S!
S
0 ,
0 I
0
1
Si
ti
4
7 I
4
0
0 I
0 :
0 I
I
5
i i
o
0 ■
0
2 i
1
0 i
3 i
n
13 '
10
11
10
2
10
5
5
7
10
7
10
8
5
16
10
14
14
7
10
9
1 ; 21
0 | 22
1245 48 VIII. 167.141
i
54 i 0 17 30 78 146
508
Station St. Gallon.
Windverteilung
1903
»""
Zahl der Beobachtunge
n:
NB | B | 8E j S 8W j
w
KW
Calati
Januar
4
I'll,
6 i 2 1 2 j 1 ! 7 1
6
0
! 65
Februar
2
1 3 0 2 : 14 1
5
2
• 55
Marz
1
6 j 4 ' 8 I 3 1 13 i
2
3
; 53
April
3
4 0 i 4 ' 5 1 22 1
7
3
i 42
Mai
2
10 ' 13 ' 3 1 0 6 ,
5
3
51
Juni
3
16 | 14 i 1 , 3 i 4 i
5
4
40
Juli
1
5 9 , 3 ' 14 ' 7 .'
4
7
i 43
August
0
4 ! 9 16; 7 !
11
7
i 48
September
4
4 j 17 i 0 , 1 1 ,
7
2
54
Oktober
0
2 i ' 8 i 2 1 5 1 12
14
4
! 46
November
0
b 4 0 | 2 ; 24
2
0
53
Dezeraber
1 l
. 6 i 2 ' 0 | 0 ' 3
1 j 1
0
0
i 81
Jahr
1 21
69 86 24 | 42 j 120 ;
68
35
631
E.
Station Santis (2500 M. a. M.).
Beobachter : J. Bommer.
1903
Luf tdruck
i
!
Mittel |
i
Minimum
Tag
Maximum
Tag
i
Januar
561,8 !
548.8
I
i 12'
572,6
27.
Februar i
565.9 1
548,1
1 2.
575,2
21.
Marz
561.3 j
545,3
1 3.
571,8
22.
April
555.7 '
545.8
23.
562,0
4.
Mai
561,7 '
551,8
i 4.
572,2
22.
Juni i
563.3
556,6
8.
571,9
29.
Juli
565.8 '
561.3
, 7. 24.
570,8
1. 3.
August
567,0 ,
559.6
1 19.
572,7
31.
September
566.S
554,2
1 lh
574,0
1.
Oktober
561,8
555.5
1 23.
568,5
7.
November
560,5
537,7
! 30.
569,1
8.
Dezember
555.5
541,1
i I-
567,8
21.
Jahr
562,3
5377
II.
575,2
1 U.
i
609
Station Santis.
r
IL _ _ ..
Lufttemperatur
1903
__
_
_ .. _
t " '
h 1
9b
Red. Minimum
Mittel Tag
Maximum
Tag
Januar
1
'1 ■
„- 7.9!-
6,7 -
■ 7,7:
1
- 7,5 -17,2 '
13.
0,3
2
Februar
- 6,8 -
4.7 -
6,2
- 5,8 -18,3 '
16.
2,5
23*
Man
- 7,0,-
5.4-
- 7,2 !
- 6,7 ,—15,1 i
7.
2,0
23.
April
1'- 9,1 1-
7,5,—
■ 8,9,
- 8,6 -17.7 | 19.
-0,4
29.
Mai
i~ W
0,9 -
" L2i
- 0.7 - 8,2
18.
7,3
29.
Juni
1,8
3.9,
1,4 1
2,1 «- 3,7 i
15.
10,5
28.
Juli
1 3,0;
5.2
3,0 i
3.5 — 5,0
8.
11,8
16.
August
4,1 •
6,5
4,4
4,8 — 2,2 ««.».
13,1
9.
September
! 2.9,
4.9
2,5
3,2 — 7.6 !
15.
13,2
2.
Oktober
— 1,2
0,1 -
- 0,9,
- 0,7 - 8,4 ,
19.
9,9
8.
November
.— 5,8 -
5,1 -
5,9'
- 5,7-13,6
27.
2.3
4.
Dezember
.— 8,3 -
6,7,-
- 7,7
1
- 7,6 —14,1 1
*
-1,5
19.
Jahr
- 2,9 -
1 i
" 1
1,2 -
1
i
2,9
!
- 275 i-lM j
1
1
11.
13,2
1x7
|| Relatii
re Feucht
i g k e i t Hew
Glkun
g
1903
._
j 7h ' lh
J 9h
Mittel
Miuimum ■ - h
Tag 7
! lh
9b
Mittel
Januar
! 1
i| 80 82
i
: 79
' 80
1
38 ,31. , 4,5
' 4,C
) 3,5
4,0
Februar
i| 71 ' 71
1 75
72
22 ; 10. IK. ; 4,8
5,5
> . 5.0
5,1
Marz
|| 79 1 80
, 80
: 80
41 , 24. " 5,5
6i
t 4,1
5,3
April
!! 94 ; 95
' 97
95
64 ; 4. !| 8,2
: 8,8
\ ' 8.2
8,4
Mai
i| 88 88
1 90
89
53 23. ;i 6.5
7,5
> 5,5
6,5
Juni
:; 85 ' 88
, 89
87
24 ■ 27. 6,8
, 8,8
\ 7,6
7,7
Juli
91 1 90
91
91
58 '■, 12. ! 7,2
8,5
> 7.3
7,7
August
■j 84 85
88
86
30 27. ' 6,0
6,b
5 6,1
6,3
September
■' 78 86
85
83
14 24. 4,7
6,4
[ 4,0
5,0
Oktober
'1 85 ' 85
86
85
36 ! 20. j 7,1
7,1
6,0
6,7
November
■■; 86 86
88
87
24 6. ' 6,2
5,1
\ 5,6
5,8
Deezmber
.83 78
'! 84 i 85
1 82
86
1
81
1 ~85
1
46 i 28. ; 4,7
18 IX . 1 6,0
1 ;
4,5
1 6,;
) 4,4
r 5,6
1
4,7
6,r
Jahr
510
Station Santis
Nieder&chlag
Zahl der Tage mil
1908
«nmmrt M»xliaam
Mi in in > _
Hlidir*
tchltf
ScfelM
1 Ci-
HiHl ^'#r tfibu Htiiir Ml
a. b
Jamuar
107
39
3. ! 10, 8
10
0
0
9 12 i 7
Febmar
12H
36
9. 15.11
15
0
0
13 I 8 ' *
Milrz
108
22
81. IH5.12
15
0 i 0
16 ! 8 7
April
| 241
33
7. f 26. 24
26
0 0
26 0 ( 20
Mai
i 113
17
15. j 17. 14
15
9 ' 5
21 3 It
.l>i in
154
36
21 J' 20, 17
14
0 , 4
24 1 17
Joii
446
47
29+ 21.21
12
0 5 26 1 18
Auguat
3B4
98
19. |) 19. 16
6
0 1 2
20 6 14
September
61
18
7. 1 10. 8
9
0 : I
15 7 9
Oktober
389
53
16 J: 20. 19
16
0 0
20 4 15
November
810
43
15. || 19. 16
19
0 i 0 19 i 7 13
Dezember
36
13
8, !: 8. 5
8
0 0 6 10 6
Jahr
3472
96
viiLimm
165
"nirns'! 67 145
i
Wind
vert
eilung
1903
Zahl der Beobachtungen :
N | NK
E SE
; s
>W W NW Ciimi
JtUlUUT
1 4
r
6
u
44
14 i 7 3
Februar
7 ; 11
! 3
1
2
36
18 4 2
M&rv.
7 4
i
2
15
1 50
9 4 1
April
7 4
i °
1
1 5
41
22 6 4
Mai
6 11
1 4
8
10
18
20 5 5
Jun?
9 U
1 10
11
8
1 *
5 11 17
Ju)i
3 3
1 1
5
17
51
5 1 7
Auprunt
0 0
0
7
26
58
10 I
September
2 3
: 4
10
24
1 -4
6 9 8
Oktober
0 1
i
4
11
55
13 1 7
November
0 10
i 4
10
4
18
28 8 8
Dezem ber
0 5
3
13
22
i SS
7 3 5
Jahr
_ 42~
67
sir
i
78
153
i
; 438
\
i
i&T 59~ fi8
i
511
F.
Station Sargans (507 M. ti. M.).
Beobachter: J. A. Albrecht.
1903
j
Lu
ftdruci
[
1 Bed.
Minimum
Maximum
Mittel
1
Tag
Tag
Januar
721,4
1
, 704,9
11.
731,2
!
1
26.
Februar
725,2
1 705,9
2.
734,6
i
10.
Marz
719.2
. 699.8
3.
729,8
j
20.
April
1 713,8
1 795,5
23.
721,7
!
6.
Mai
715,7
1 702,4
4.
725,5
i
16.
Juni
716,1
, 708,1
19.
723,9
27.
Juli
718,4
1 711,5
17.
724.4
i
1.
August
719,2
1 711,3
15.
726,0
I
27.
September
720,1
! 706,0
11.
726,3
i
24.
Oktober
716,4
1 707,4
12.
722,2
!
19.
November
718,7
i 692,1
30.
728,9
i
23.
Dezember
713,5
697,9
1.
727,8
i
22.
Jahr
~ 7iai
'~~692,f
1
XI. "
734,6
i
i
i
i
II. "~
1903
l -^
! 7h i
Luftt
empera
tur
lb 91» j
Red. 1 Minimum
Mittel ' Tag I
Maximum
Tag
Januar
1
r- 1,6
3,0 :— 0,7 '
0,0 -11,6, 18.
15.4
i
11.
Februar
1,1!
6,8 2,7
3.3 - (
5.5 18. ,
15,6
27.
Marz
4,1
11,9 5,9'
7.0- 5
lf> 1 8.
22.4
1 23.
April
3,4 1
8,4 4,7
5,3 '— \
2,3 19. ;
18,0
30.
Mai
1 10,4,
19,0 | 12,3 !
13.5 ' .
5,7 i 2.:
2«,5
1 29.
Juni
13,1 1
20,2 ' 14,4
15,5 i
«.0 8. |
30,3
1 29.
Juli
14,3,
21,1 ' 15,2
16,5, (
5,4 ' 9.
29,2
1 3.
August
14,5 '
1 11,6,
21,5 ' 16.1
17,0, J
).8 19.
28,2
1 23.
September
19,6 13.8
14,7. 4.8 ' 14. I
31,8
1 2.
Oktober
8,7
14,2 ' 9,8
10.6 ■
1,0 20.
22,1
: 8.
November
2,4;
5,9 ! 3,6 ;
3,9 i—
1,6 ' 29. 1
12,6
; 2.
Dezember
j- 1,9 ■
0,9- 0,9 !
- 0,7 '- '
7,6 ! 30. :
9,3
13.
1
Jahr
6.7 ;
1 ;
i 1
127 8,1 ;
8,9pll,6l 1. ("
! ! 1
313
IX.
!
512
Statior
i Sargaxis.
Relative Feuchtigkeit
BewtHkung
1903
7*
i* 1
e>
hunt MlnlM™
7»
lb " tfb Mitl*l
Januar
i
87 . 76 i
86
83
38 ' 11.
4,6
3,6 , 3,7 4,0
Februar
80 63 ,
79
74
28 1 27,
4,3
4,4 i 4,2 4,3
M&T2
70 I 49 I
70
63
20 f
26.
3,8
4,5 8,9 4,1
April
83 63
81
76
32
30.
7,7
7,8 1 7.7 7,7
Mai
76 \ 53 !
72
67
25
6.
4,4
4,6 ! 4,6 j 4,5
Juni
82 !, 62
79
74
33
Ml
6,4
6,1 i 7,2 6,6
Juli
86 «8
86
SO
47
18.
5,8
6,3 6,5 0,2
August
85 , 69
83
79
49
23.
5,5
4.6 , 4,9 ' 5,0
September
83 67
84
78
48 22,
4,2
3.9 1 3,7 3,9
Oktober
83 ' 69 '
81
78
30
26
5,0
5.5 5,5 i 5.3
November
90 i 82 |
90
87
60
9.
7,2
6,4 7,5 7,0
December
94 | 85 |
91
90
38
16+
7,4
6,8 : 6,5 6,9
Jahr
8S l~67~i
i i
82
77
20
!
III.
M
i
1
1908
1
Niederjchlag
Z a b I der f t' a g e m i t
1
««.* J Maximum
Salome Tig
icMt|
Sennit
*rt|JSi
Nihil | Hlitlr Trtl
.1.(1 in;1 i
57
14
4.
t. b.
9. 7
6
0
0
2 ' 11 7
Fobru&r
57
23
15.
, 9. 7
5
0
1
3
10 7
Milrs
58
19
31.
1 9. 8
3
0
0
1
12 , 5
April
160 ' 26
17.
18.15
11
0
0
0
1 19
Mai
59 13
1.
12.10
0
0
0
0
11 4
Juni
96, 17
13.
' 18, 14
0
0
2
9
3 ' in
Juli
161 | 44
19,
,20.19
0
0
s
0
4 13
August
126 50
15.
14.11
0
0
&
3
9 1 9
Sep timber
69 42
13.
7, 6
1
0
0
0
15 8
Oktober
97 ' 18
30.
1 18. 17
0
0
0
1
7 i, 11
November
140 23
17,
1 16. 14
?
0
0
1
4 16
December
Jahr
37, 21
1117, 60
i
i
11.
NIL
± 4
' lit m
5
0
0
9
2 | 15
38
0
9
28
89 124
i
513
Station
Sargans
1
i
Wind verteilung
1903
Zahl der Beobachtungen :
N
NE
£
SB
8 j SW
w
NW
Cilmu
Januar
0
0
19
5 | 33 | 0
10
0
26
Februar
0
0
12
7 ' 9|0
18
1
37
Marz
0
0
9
7
16 ! 0
30
0
31
April
Mai
0
0
0
2
14
0 | 33
4
37
1 0
0
8
12
23
0 | 22
1
27
Juni
1 o
0
13
8
15
0 I 32
1
21
Juli
i 0
0
1
0
19
0 ' 30
0
43
August
1 o
0
4
1
15
0 l 25
0
48
September
i!
0
1 l 10
17
0 i 14
0
48
Oktober
0
2 1 1
22
1 1 29
o
38
November
IS
0
14 1 3
8
0 , 16
2
47
Dezember
o
20 2
11
1 ' 10
i
0
49
Jahr
!•
0
103
i M
302
2
1 209
9
452
G.
Station Vattis (951 M. G. M.)
Beobachter: J. Graf.
1
Lu
ftdruck
1903 '
1
i
i
Mittel |
Minimum
Tag
Maximum
Tag
i
Januar
683.4
668.9
12.
693,9
26.
Februar
687,4
667,9
2.
696,8
20.
Marz i
681,8
664,0
3.
692,0
20.
April l
676,2
661,2
23.
683,6
6.
Mai |
679,3
667,7
4.
688,7
22.
Juni
679,8
672 9
19.
687,3
27.
Juli i
682,2
677,0
17.
687,6
1.
August
683.1
675,0
19.
689,6
26.
September
683,7
669,6
11.
690,0
25.
Oktober
679,9
672,4
29.
685,0
19.
November
t 681,0
655,2
30.
691,6
23.
Dezember
675,5
659,6
1.
689,5
21.
Jahr
681,1
655,2
XI.
696,8
II.
3&
514
Station Vattis.
Lnfttemperatur
1903
?h
lh »b
lie 1
Minimum
Tig '
Maximum
Januar
-3,6
1,6
- 2,3
- 1,6 ! -16,5
16.
9,4
10.
Februar
- l.l
4,8
- 0,1
0,9 —12,6
17.
11,5
U
Marz
1,2
8,3
2.8
3,8— 8,5
8.
17.2
23,
April
1,2
4,7
1.2
2,1 — 6,2
19.
14,2 3'i,
Mai
9,8
15,0
8,7
10.5 1,6
1.
24.0 1 22.
Juni
i 11,6
16,0
1K2
12,5 5,8
15.
25.8 1 29.
Juli
13,5
17,5
12,3
13,9 45
9,
25,0 i 3,
An gust
12,1
18,6
12,7
14.0 : 7,5
19.
24,8 i 23,
September
9,7
16,5
10,3
11,7 2,0
14.
26,:t ' 2.
October
6,7
11,5
7,3
8,2 2,9
20.
20,4 j u
November
- 0.4
3,7
0,6 ;
l.l - 6.2
20
106 | 2.
Pezember
Jahr
- 2,6
r **
1,5
10.0
- 0,8 J
5,3
- 0,7 -11,8
30.
9.8
18.
6.4
-16,5
i
2fc8~
IV
iyo3
Relative Feucbt
igkeit
Be w tf
I k u n p
7 It lh ! flh
Mitt*]
Minimum
7h
ih
9 fa M(tt*!
Januar
69 ! h'6
65 62
21
18.
3,8
4.4
2,6 ' 3.6
Februar
67 ' 48
67 61
25
27.
4.0
4,5
4.1 , 4.2
Mara
66 41 , 67 i 58
14
23.
4.1
52
4,0 ' 4.4
April
76 56 ! 77 70
28
2t.
7,6
8,0
7,0 7,5
Mai
64 41 67 1 58
25
m.
5,4
5,1
3.3 4.6
Jtmi
75 i 56 | 72 i 68
30
2.
6,4
6,9
6,7 | 6.7
Juli
74 55 81 70
31
M.J
5,9
M
6,0 6,1
August
84 ' 56 1 83 ' 74
26
2,
5,5
5.5
4,4 [ 5.1
September
7* 50 | 80 69
16
2.
4,2
3,7
3,6 1 3,8
Uktofoer
75 m \ 75 69
21
26. 1
5,7
5,8
4.6 5,4
November
90 i 74 91 1 85
41
9.
6,1
5,5
6.9
6,2
December
Jalir
77 ! 60 i 70 1
75~,~54 74 "'
i !
69
25
3
L0.
1L
4,4
4,5
5,1
4,7
68
14
1
6,3
5,5
4>9
5.2
516
Station V&ttis.
NieJerecblag
Zahl der 'fage mit
1903
1 Niidir-
tcMifl
tdnn'
HjQll
-Sir"""
Klrtir
Trflb
1
a. b.
1
Januar
88 | 13
4.
1 7. 6
4 '
0
0 ' 0
13
5
Feb mar
50 . 17
15.
9. 8
7 1
0
0 1 0
12
3
Mans
41 ! 12
3L
1 7. 6
4 1
0
0 ' 0
12
8
April
1 88 17
23.
.17,15
16 |
0
0 1 0
2
13
Hal
76 ' 29
9.
111. 6
1
0
0 0
11
6
Juni
i 81 , 13
! 115 21
13,
,17, IB
0 '
0
2 0
4
14
Juli
29.
1 15, 15
0 1
0
5 0
4
11
August
1 149 i 63
15,
! 14. 10
0 '
0
1 0
6
7
September
71 47
13.
5+ 5
2 i
0
0 1
16
8
Oktober
77 ' 16
9. 1
15.14
4
0
0 0
9
10
Not ember
109 i 23
26.
15.12
13 I
0
0 1 1
7
14
December
42 27
i
11.
7. 6
6 1
0
0 ' 0
10
9
Jahr
937 53
i
I'M.
139, It*.
W|
u
8 2?
1
i
106
118
Wind
v ert
c i I u
>ng
1903
Za
it der
Seobf
8
Lchtu
ugen:
N
NK
E
BE
1 BAN
W 1 3
sw
Caimen
Januar
1 0
U
0
0
0
1 27
it
0
56
Febraar
0
10
0
0
0
, 19
]
0
54
Mar*
| 0 20
0 0
0
26
1 0 <
0
47
April
0 | 48
0 0
0
22
0
0
20
Alui
0 24
0 0
0
. 21
0 '
0
48
Juni
0 | 39
0 0
0
1 11
0
0
40
Juli
0 Stl
0 0
0
i 13
1
0
46
August
0 i ay
0 | 0
0
1 ii
1 1 1
0
53
September
0 26
0 0
0
i w
0
0
54
Oktober
0 | 24
0 | 0
0
i :u
3 1
0
33
November
0 24
0 0
0
5
1
0
60
Dexembar
0
12
0 | 0
0
,jte
i ° '
0
49
Jalir
r
301
~" 0
: V
0
22?
J 1 *
1
i :
0 |
1
1
1
559
516
H.
Station Wildliaus (1115 M. ii. M.).
Beobachter: J. Kir.
i
Luftd
ruck
1903
1
! MiWel | Minimum^
Maximum
Tag
Januar
!
'
Februar
-
1
—
Marz
!
—
April
i
-
Mai
_
—
-.
Juni
i
: —
Juli
'
1
- -
—
August
—
1
—
1 ~
September
--
—
__ 1
—
i
i
Oktober
—
- i
-■
' —
November
—
i
- -
1
Dezember
—
—
1 "~
Jahr
1903 I
Lufttemp
eratur
1
7h
1 k ok I Bed.
lh i 9b ' Mittel
Minimum
Maximum
Tag
Januar
1,9
1.8
— 1,2
— 0,6
-15,4
16. '
10.4 : 6.
Februar
0,5
4,6
1,0 1,8
—10,5
17. I
13.9 1 21.
Marz
1,6
6,6' 1,9 3,0
- 7,4
8.
16,4. 23.
April .
0,0
3,2 0.2
0.9
- 7,7
19. 1
11,8 ! 30.
Mai
8.7
12,8 1 8,0
9,4
1,5
2. '
20,2 29.
Juni 1
10,9
14,4 1 10,0 j 11,3
4,0
8. '
23,0, 29.
Juli j
12,5
15,8 1 11,2 12,7
1,4
8. ,
24,3 ' 3.
August
September "
13,1
17,2 ' 12,7 1 13,9
6.4
lf.4t.tt.
24,8 23.
10,5
14.7 1 10,6
11,6
1,0
15. ,
25,4 1 2.
Oktober j|
6,9
10,2 1 6,7
7.6
- 1.9
20.
20.2 ! 8.
November |
0,7
2,9 0,7
1,3
- 4,5
29. j
10,1 24.
Dezember
- 2,3
0,5
"~8,7
- 1,1
- 1,0
-11,4
29. 1
8,0! 18.
Jahr
5,1
6,0
-15
4
I. '
26,4
n.
617
Station Wildhaus.
1903
Relative Feuchtigkeit
i i
7 i. j u yi. M ,11,-4
MiUlJJjQlU
Tag
Bewfllkung
7 1 I b I 0L MlUel
Januar
Febrnar
MtLrx
April
Mai
Jinti
Jul!
August
September
Oktober
November
December
Jahr
; - i
4,5
4,5
4,7
8,1
5,5
7TG
7,3
fij
3,9
6,3
7.7
5.6
5lT
3,8
5,7
5,9
8,6
6,2
7,6
7,3
5,7
4,2
6,6
7,7
6,3
3,3
4,2
4,1
8.2
4,9
7.2
7,1
6,1
3,8
M
7,7
5,0
1 3,9
4,8
I 4.9
8,8
1 5,5
i 7,3
; 7,2
1 6,0
i 4,0
I 7,7
, M
U ■ 5,6 I 5,9
1903
Niederscblag
Zahl der Tage mit
sttmme, Mtoim™ I "j£ mJ idm ^V-tI **"' ' H,,t,ri Tflfc
Jiiiniar
Februar
Marz
April
Mai
Jmii
Jnli
August
September
Oktober
November
Dezeniher
■lahr
67
94
73
203
66
115
253
174
52
167
149
30
20
30
] w
i 35
1 13
I 16
1 54
, 25
36
1 21
: 13
*.n 8, 7
I5.| 8. 8
8.. 9. 8
8. ' 22. 17
1. I 1311
30, | 17. 16
I 8. 21.21
[ 15 J 14.12
1 13. , 8, 8
! 18. 18. 17
21. ! 15.15
1443 54
4. 5
VIII. t^. US
H I 0
20 I 0
ft 0
0 I 1
0 i D
0
3
6
11
0 '
o i
0 i
0
i :
2 I
»i
o !
2'
o i
0 i
3
14
6
0
10
8
I
8
6
1
0
Id
1
4
9
5
3
16
1
2
17
1
5
9
I
14
7
3
7
13
I
3
18
B
8
12
67 1 , 10 ' 37 78
140
518
Station "Wlldliaiis.
j
Wind
verteilung
1903
i
i
Zahl der
Beobachtungen :
! N
KE
£ | SB
8 j BW
w
NW
Januar
1 o
2
i
27 i 12
1
0 25
23
0
Februar
i 0
1
26 i 5
0 1 20
30
0 ;
Marz
0
5
16 11
0 22
36
o 1
April
i o
3
6 ! 8
o
22
50 i
0
Mai
! 0
4
17 18
0
18
30 '
0 i
Jnni
! o
5
18 ' 14
0 i 25
22
0
Juli
i 0
1
2 | 18
0 1 27
41 i
0
AugQ8t
i 0
2
4 . 16
0 ! 45
18
0
September
0
3
5 j 33
0 1 32
13
0
Oktober
! 0
9
10 12
0 ! 23
38
0
November
i o
0
2 ! 30
0
13
44
0 .
December
1
1
5
25 ; 30
0
23
9I
0 1
Jahr
40
1G8 j 207
__o~
296
354 :
1
i
0 i
1
1
t
1
1
HRBUCH
i!;r
St. Gallischen
Naturwissenschaftlichen Gesellschaft
fiir das Vereinyahr
1003
1VQ3)
H7^@w
Kedaktion: Dr, G. Ambit hi
¥
UNIVERSITY OF MICHIGAN
IIIJHIIIIIM
3 9015 03546 3358