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Full text of "Jahrbuch des Kaiserlich Deutschen Archäologischen Instituts"

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Ja  HR  BUCH 


DES 


Deutschen 


Archäologischen  Instituts 


Band  xxxvi 

1921 


MIT  DEM  BEIBLA  IT  ARCHÄOLOGISCHER    ANZEIGER 


BERLIN  UND  LEIPZIG  1923 


WALTER  DE  GRUYTER  &  CO. 

^^uttenta 

—  Veii 


vormals  G.  J.  Güschen'sohc  Verlag^shandlung^  —  J.  Guttentag-,  Verlag-sbuchhandtung  —  Georg  Reimer 

Karl  J.  Trübner  —  Veit  &  Comp. 


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Druck  von  Walter  de  Gruyter  i'^  Co..  Berlin  W.  lo 


Inhalt 


Seite 

Delbrueck  R.,  Der  Südostbau  am  Forum  Romaniim.    Mit  Tafel  2 — 9 

und  8  Abbildungen 8 

Delbrueck  R.,  Nachtrag   zu  Seite  8ff.    »Der  Südostbau    am  Forum 

Romanum« 186 

Delbrueck  R. ,  Bemerkung 186 

Gütschow  M. ,  Untersuchungen  zum  korinthischen  Kapitell.    I.    Mit 

7   Abbildungen  und   2  Beilagen 44 

Lippold  G.,  Doppelseitiges    Relief  in   Barcelona.      Mit   Tafel    10 

und  2  Abbildungen 33 

Oelmann  F.,  Zur  Baugeschichte  von Sendschirli.  Mit  7 Abbildungen.       85 

Rodenwaldt  G. ,  Fragment  eines  Votivreliefs  in  Eleusis.    Mit  Tafel  i 

und  2  Abbildungen  i 

v^Schwendemann    K. ,   Der  Dreifuß.      Mit   1    Beilage        98 


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IV 


Inhalt. 


ARCHÄOLOGISCHER  ANZEIGER 


Spalte 
Jahresbericht     des    Archäologischen 

Instituts  für  das  Jahr    1920 I 

Institutsnachrichten 272,  358 

Eduard  Gerh  ard- S t ift unp 358 

Zographos-Stiftung 357 

Baumgart  G. ,  Aus  der  Heidelberger 
Sammlung.  II.  Mit  4 
Abbildungen 288 

V.  Duhn   F.,  Funde    und    Forschun- 

gen. Italien  19 14 — 1920. 
Mit  55  Abbildungen  ...      34 

Eichler  F.,  Ein    neues    Pa,rthenon- 

fragment 272 

HeklerA. ,  Museum  für  bildende 
Kunst  in  Budapest. 
Ausstellung  thasi- 
scher  Funde.  Mit  10 
Abbildungen 297 

IjjpelA. ,  Ein  Sarapisrelief  in 
Hildesheira.  Mit  1 
Abbildung i 

KazarowG.  1.,  Ein  Mithrasrelieiaus 
Bulgarien.  Mit  i  Ab- 
bildung      344 

—  —        ZurArchäoIogie Thra- 

kiens (Ein  Nachtrag). 
Mit  2    Abbildungen  ....    346 

Matz  F. ,  Zur  Wiener  Busiris- 
vase.    Mit   2   Abb II 

Noack  F. ,  DieSammlungderGips- 

abgUsse  nach  Wer- 
ken griechisch  er  und 
römisch  er  Skulptur 
an  der  Universität 
Berlin.       Mit    11    Abb.      15 

Oelmann  F.,        Persische  Tempel.    Mit 

5  Abbildungen 273 


Spalte 
Preuner  E. .  H.  N.  Ulrich's    Nachlaß   357 

SievekingJ. ,      Zu     den     Cardelli-Re- 

liefs  in  Rom 347 

—  —      ZurSima     von     Palai- 

kastro.     Mit     2   Abbil- 
dungen   549 

—  —     Eine   Darstellung    des 

Seneca?    Mit    i  Abb...    351 
Studniczka  F.,   Archäologisches      aus 
Griechenland.  Mit  15 

Abbildungen 308 

—  —    Zu     der    ältesten    atti- 

schen   Inschrift....   340 


Are  häo  logische  Gesell  Schaft  zu  Berlin 
1921: 

Januar-Sitzung     (Val.    Müller,     Delbrueck). 

Mit  4  Abbildungen 231 

Februar-Sitzung  (Neugebauer,  Delbrueck)..  237 
Außerordentliche     Februar-Sitzung    (Noack, 

Wiegand,    Dragendorff,    Brückner,    Val. 

Muller) 238 

März-Sitzung    (Borrmann,    Pernice).      Mit  4 

Abbildungen 249 

April-Sitzung  (Schuchhardt,   Amelung) 259 

Mai-Sitzung  (Schäfer) 262 

Juni-Sitzung  (Ippel,  Rubensohn) 262 

Juli-Sitzungen    (Sundwall,  Schede,    Bosch- 

Gimpera) 354 

November-Sitzung  (Slrzygowski)   355 

Dezember-Sitzung  (Studniczka) 357 

Archäologische  Doktordissertationen 

(Wrede,   Möbius,  Frankenstein) 264 

Register     35^ 


FRAGMENT  EINES  VOTIVRELIEFS  IN  ELEUSlS. 

Mit  Tafel   i. 

Im  Museum  von  Eleusis  liegt  ein  kleines  Relieffragment,  das  uns  einen  Blick 
in  eine  verlorene  Welt,  die  Polychromie  des  attischen  Reliefs,  tun  läßt.  Taf  I 
zeigt  es  nach  einem  Aquarell,  das  Emile  Gillieron  im  Sommer  J914  angefertigt  hat'). 


Abb.  I.     Fragment  eines  Votivreliefs  in  Eleusis. 

A.  Brückner  hatte  die  Freundlichkeit,  es  nachträglich  nochmals  mit  dem  Original 
zu  vergleichen  und  die  Richtigkeit  aller  wesentlichen  Angaben  zu  bestätigen. 
Zur  Ergänzung  dient  die  in  Abb.  I  wiedergegebene  Photographie,  die  genau  von 
vorne   aufgenommen  ist,   während  Gillieron,    um    alle  Einzelheiten   der    Bemalung 


')  Die  ursprünglich  beabsichtigte  Wiedergabe  in 
Vierfarbendruck  war  der  hohen  Kosten  wegen 
unmöglich.  Das  gewählte  Verfahren,  Lichtdruck 
mit  Handkolorierung,   zeigt   die  Verteilung   der 

Jahrbuch  de»  Rrchäologrischen  Instituts  XXXVI. 


Farben,  gewährleistet  jedoch  nicht  die  Richtig- 
keit der  Farbnuance  und  kann  den  künstlerischen 
Eindruck  der  Vorlage  nicht  hinlänglich  wieder- 
geben. 

I 


Gerhart  Rodenwaldt,  Fragment  eines  Votivreliefs  in  Eleusis. 


wiedergeben  zu  können,  einen  mehr  nach  rechts  verschobenen  Standpunkt  gewählt 
hat.  Das  Fragment  iiat  eine  Höhe  von  20  und  eine  Breite  von  27,5  cm.  Die 
Fundnotiz  des  Inventars  besagt:  Eöps&rj  1895  sJ?  to  pcuXEO-r^piov  ei?  |xr/a  ßäöo?.  In 
der  Literatur  ist  es  bisher  m.  W.  nicht  erwähnt.  Herrn  Kuruniotis  bin  ich  für  die 
freundlich  gewährte  Erlaubnis  der  Veröffentlichung  zu  aufrichtigem  Dank  ver- 
pflichtet. 

Erhalten  ist  die  linke  obere  Ecke  eines  Reliefs.  Die  Seitenfläche  ist  glatt, 
nicht  als  Anschlußfläche  gearbeitet.  Den  oberen  Abschluß  bildet  ein  aus  einem 
lesbischen  Kymation  und  ejner  glatten  Leiste  bestehendes  Glied.  Auf  der  Photo- 
graphie sind  die  Spuren  der  gemalten  Herzblätter  des  Kymations  noch  deutlich 
sichtbar,  während  Gillieron  sie  nicht  erkannt  und  daher  auch  nicht  genau  wieder- 
gegeben hat.  Aus  dieser  Form  des  Abschlusses  und  dem  Format  der  Figuren- 
reste ergibt  sich  ohne  weiteres  die  Denkmälergattung,  zu  der  unser  Fragment  ge- 
hört; es  ist  der  Rest  eines  Weih-  oder  Urkundenreliefs  der  älteren,  am  Ende  des 
fünften  und  dem  Beginn  des  vierten  Jahrhunderts  herrschenden  Form,  die  einen 
seitlichen  Abschluß  des  Reliefs  durch  Anten  noch  nicht  kennt  und  oben  von 
einem  lesbischen  Kymation  mit  Leiste  bekrönt  wird  ^). 

Von  den  Figuren  ist,  wenn  wir  an  der  linken  Seite  beginnen,  zunächst  der 
nach  rechts  gewandte  Kopf  eines  Jünglings  erhalten.  Es  folgt  der  ebenfalls  nach 
rechts  gewandte  Kopf  einer  Frau.  Das  Profil  hebt  sich  von  dem  Schleier  ab,  der 
hinten  auf  dem  Kopfe  aufliegt  und  sich  beiderseits  schräg  symmetrisch  nach  den 
Schultern  herunterzieht.  Der  Schleier  ließ  die  Masse  des  Haares,  die  jetzt  ab- 
gesprungen ist,  frei.  Der  Oberkörper  war,  wie  schon  aus  der  Anlage  des  Schleiers 
hervorgeht,  nach  vorne  gedreht.  Er  ist  ebenfalls  abgebrochen ;  nur  an  der  linken 
Seite  der  Figur  sind  die  Schulter  und  die  linke  Hand,  die  sich  anscheinend  an  den 
Schleier  legt,  erhalten.  Rechts  von  dieser  Figur  ist  der  Schaft  einer  etwas  schräg 
nach  links  in  die  Höhe  gehaltenen  Fackel  sichtbar. 


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')  Vgl.  Milchhöfer,  A.  M.  V  1880,  220t.;  Loewy, 
Text  zu  Amdt-Amelung,  Einzelaufnahmen  Nr. 
1220  und  1242.  Zu  dem  Eindringen  der  An 
tenumrahmung    aus    der    ionischen  Kunst   vgl 

'  Rodenwaldt,  Arch.  Jahrb.  XXVIII  1913,  323f. 
Das  älteste  Beispiel  auf  einem  Urkundenrelief, 
wo  wie  bei  den  entsprechenden  Grabstelen  das 
unorganisch  über  den  Anten  stehen  gebliebene 
Kymation  deutlich  die  Zusammengesetztheit  zeigt 
ist  wohl  die  Urkunde  von  405/4  Kern,  Inscrip 
tiones  Graecae  Nr.  19,  Brunn-Bruckmann  475  a 
Dagegen  fehlen  die  Anten  auf  dem  von  der- 
selben Hand  gearbeiteten  Relief  der  Übergabe 
Urkunde  vom  Jahre  400,  Svoronos,  Athener  Na 
tionalmusenm  Taf.  CCIII.  Ebenso  fehlen  sie 
auf  der  Übergabeurkunde  von  398/7,  Svoronos 
a.  a.  O.  Taf.  CVII,  sowie  auf  einigen  nach  der 
Form  der  Inschriften  an   das  Ende   des  fünften 


bzw.  an  den  Beginn  des  vierten  Jahrhunderts  zu 
datierenden  Werken,  dem  Relief  der  Xenokra- 
teia  in  Athen,  'E<f.  'Apjr.  1909,  Taf.  8;  Svoronos 
a.  a.  O.  Taf.  CLXXXI  (vgl.  Lippold,  Text  zu 
Brunn-Bruckmann  Taf.  679),  dem  diesem  gleich- 
zeitigen Relief  mit  Echelos  und  Basile,  Svoronos 
Taf.  XXXVIII,  und  dem  Relief  mit  Herakles 
Alexikakos  in  Boston,  A.  M.  XXXVI  1911,  Taf. 
II  S.  121  (Frickenhaus).  Die  alte  Form  hält 
sich  noch  lange  neben  der  jüngeren  ;  die  Anten 
fehlen  noch  auf  der  Übergabeurkunde  von  376, 
Svoronos  Taf.  CCX,  während  auf  dem  Relief 
der  Urkunde  des  Vertrages  zwischen  Athen  und 
Kerkyra  vom  Jahre  375/4,  Svoronos  Taf.  CHI 
die  entwickelte  Form  mit  Anten  und  richtigem 
Architrav  erscheint.  Eine  Geschichte  der  attischen 
Votivreliefs  an  der  Hand  der  datierten  Urkunden 
wäre  dringend  erforderlich. 


Gerhart  Rodenwaldt,  Fragment  eines  Votivreliefs  in  Eleusis. 


Daraus  läßt  sich  mit  Sicherheit  die  Gestalt  einer  in  Vorderansicht  stehenden 
Köre  ergänzen,  die  in  jeder  Hand  eine  Fackel  hält.  Da  von  der  Hand,  die  die 
Fackel  hält,  nichts  mehr  erhalten  ist,  können  wir  noch  einen  weiteren  Schluß  auf 
die  Haltung  der  Arme  ziehen.  Würde  Köre  die  Fackeln  mit  erhobenen  Unter- 
armen halten,  wie  wir  es  von  zahlreichen  Darstellungen  gewohnt  sind '),  so  müßte 
die  Hand  an  dem  erhaltenen  Teil  des  Schaftes  sichtbar  sein,  mag  ihre  Gestalt  bis 
zum  oberen  Bildrande  gereicht  oder  nur  die  Höhe  der  beiden  anderen  Figuren  ge- 
habt haben.  Da  dies  nicht  der  Fall  ist,  muß  zumindest  der  rechte  Unterarm 
schräg  abwärts  gesenkt  gewesen  sein,  und  damit  kommen  wir  zu  dem  Motiv,  das 
im  Flachrelief  auf  der  Seite  des  Naiskos  des  Reliefs  aus  dem  Asklepieion  Svöronos, 
Athener  Nationalmuseum  Taf.  XLVIII  Nr.   1377  dargestellt  ist. 

Schwieriger  wird  der  Weg,  wenn  wir  versuchen,  die  beiden  anderen  Figuren 
zu  rekonstruieren.  Der  nächstliegende  Gedanke  ist  der,  daß  die  stehende  Köre, 
wie  es  auf  den  Reliefs  dieser  Form  und  Zeit  das  Häufigere  ist,  mit  ihrem  Kopfe 
bis  an  das  ^lymation  reichte,  daß-  links  neben  ihr  Demeter  saß,  als  die  wir  die 
Frau  mit  dem  Schleier  zu  erkennen  haben,  und  daß  hinter  ihr  eine  jugendliche 
Gottheit  des  eleusinischen  Kreises  stand.  Das  Schleiermotiv  kommt  gerade  bei 
sitzenden  Figuren  häufig  vor^),  und  in  der  Zusammengruppierung  mit  der  stehen- 
den Köre  würden  wir  die  Abhängigkeit  von  dem  Kultbilde  von  Eleusis  3)  er- 
kennen. Aber  diese  Deutung  stößt  auf  eine,  wie  mir  scheint,  unüberwindliche 
Schwierigkeit.  Gehörte  der  linke  Kopf  zu  einer  stehenden  Figur,  so  müßte  der 
Kopf  wesentlich  kleiner  sein,  wie  z.  B.  auf  dem  Totenmahlrelief  Svöronos  Taf. 
LXXXIII  Nr.  1501.  Das  ist  aber  nicht  der  Fall,  vielmehr  ist  der  kräftige  Kopf  in 
den  gleichen  Proportionen  gehalten  wie  der  zierlicher  scheinende  Kopf  der 
Göttin.  Daß  der  Meister  unseres  Reliefs  aber  einer  Figur  einen  so  unverhältnis- 
mäßig großen  Kopf  gegeben  haben  sollte,  ist  ausgeschlossen.  Es  bleibt  die  Mög- 
lichkeit, auch  diese  Figur  sitzend  zu  rekonstruieren.  Dabei  kommen  wir  aber  wieder 
mit  der  Deutung  in  Konflikt.  Triptolemos  sitzt  auf  seinem  Drachenwagen,  wenn 
die  Szene  seiner  Aussendung  dargestellt  wird ;  daß  er  aber  nahe  hinter  der  Gruppe 
die  Göttinnen,  die  ihm  keine  Beachtung  schenken,  sitzend  erscheinen  sollte,  ist 
kaum  denkbar,  und  eine  andere  sitzende  jugendliche  Figur  kommt  nicht  in  Betracht. 

So  bleibt  noch  die  Möglichkeit,  daß  alle  drei  Figuren  stehen.  Dann  könnte 
allerdings  auch  die  Köre  die  beiden  anderen  Figuren  nicht  überragt  haben.  Nun 
reichen  zwar  an  den  meisten  gleichartigen  Reliefs  die  Köpfe  der  Figuren  bis  an 
den  oberen  Rand,  aber  es  ist  dies  durchaus  kein  Zwang".  Es  sei  nur  auf  das 
eleusinische  Rehef  der  Brückenbauurkunde  (A.  M.  XIX  1894,  Taf.  VII)  und  das 
Totenmahlrelief  bei  Svöronos  Taf.  LXXXIII  Nr.  1501  verwiesen.  Es  scheint,  als 
ob  ein  weiteres  Detail  dagegen  spräche,  den  Kopf  der  Köre  bis  zum  Rande 
reichen  zu  lassen.     Es  müßte  dann  auch  die  Fackel  bis  zum  Rande  reichen.    Nun 


<)  Z.B.  Arndt-Amelung  Nr.  1241 ;  A.M.  XVn  1892,  Besonders   häufig   anscheinend    in  der  Malerei ; 

130,    Fig.  6;  XX   1895,  Taf.  VI.  vgl.  M.  d.  I.  XII  tav.  VI,  tav.  XXVI  5  u.  6. 

»)  Z.  B.  bei   der   Aphrodite    des   Parthenonfrieses.        3)  Kern,  A.  M.  XVII   1S92,   i25ff. 


Gerhart  Rodenwaldt,  Fragment  eines  Votivreliefs  in  Eleusis. 


sieht  man  auf  der  Photographie  unseres  Fragmentes  deutlich,  daß  am  oberen 
Ende  bereits  die  Flamme  beginnt  und  nach  rechts  umbiegt.  Zieht  man  zwei 
allerdings  erheblich  jüngere  Darstellungen  zum  Vergleich  heran,  die  Köre  auf  dem 
Votivrelief  Arndt- Amelung  Nr.  1241  und  auf  dem  eleusinischen  Weihrelief  mit 
der  Aussendung  des  Triptolemos '),  so  sieht  man,  wie  auf  dem  ersten,  wo  der 
Kopf  der  Köre  an  das  Gebälk  stößt,  auch  die  Fackeln  bis  dicht  heranreichen,  so 
daß  die  Flamme  von  dem  Architrav  niedergedrückt  wird,  während  auf  dem  anderen 
kaum  die  Spitze  der  schräg  emporzüngelnden  Flamme  das  Gebälk  berührt  und 
der  Kopf  der  Köre  von  den  Fackeln  überragt  wird.  So,  wie  auf  diesem  zweiten 
Relief,  könnten  wir  uns  das  Verhältnis  bei  unserem  Fragment  denken.  Aber  wir 
müssen  uns  bewußt  bleiben,  daß  das  alles  Wahrscheinlichkeitsrechnungen  sind 
und  daß  ganz  eindeutige  Merkmale  für  eine  bestimmte  Rekonstruktion  nicht  vor- 
handen sind.  Das  beruht  eben  darauf,  daß  dieses  so  unvergleichlich  hochstehende 
Kunsthandwerk  sich  an  feste  Normen  und  Schemata  nicht  bindet.  Bei  aller 
festen  Typentradition  ist  keines  dieser  attischen  Votivreliefs  eine  blo15e  Kopie  des 
anderen,  sondern  jedes  neu  gedacht  und  geformt.  Ebensowenig  läßt  es  sich  mit 
Sicherheit  entscheiden,  ob  unser  Fragment  zu  einem  Weihrelief  oder  zu  einem 
Urkundenrelief  gehört  hat*). 

Gewisser  läßt  sich  der  Kreis  stil-  und  zeitverwandter  Werke  feststellen. 
Eine  Gruppe  von  Votiv-  und  Urkundenreliefs  kann  teils  nach  den  erhaltenen  Daten, 
teils  nach  der  Form  der  Inschriften  um  die  Wende  des  fünften  und  vierten  Jahr- 
hunderts datiert  werden  3).  Andere  lassen  sich  aus  Gründen  des  Stils  daran  an- 
schließen. Zu  dieser  Gruppe  gehört  das  Weihrelief  der  Xenokrateia  und  das 
Totenmahlrelief  Svoronos,  Taf  LXXXIII,  mit  denen  unser  Fragment  stilistisch  auf 
das  eng.ste  zusammengeht.  Gegenüber  einer  gewissen  Herbheit  einer  etwas  älteren 
Gruppe  von  Votivreliefs,  zu  denen  das  Relief  der  eleusinischen  Brückenbauurkunde 
und  das  Nymphenrelief  des  Archandros,  Svoronos,  Taf  XLIV  Nr.  1329  gehören  4), 
hat  sich  hier  ein  Stil  von  duftiger  Weichheit  gebildet,  lockerer  in  der  Linien- 
führung und  malerischer  in  der  Formengebung,  dazu  von  größerer  Relieferhebung. 
Unser  kleines  Bruchstück  enthält  in  sich  den  ganzen  Zauber  dieser  gesunden  und 
heiteren  attischen  Kunst. 

^  Aber  nicht  die  Darstellung  und  nicht  die  Formen  sind  es,  die  dem  Bruchstück 
einen  ganz  eigenartigen  Reiz  geben,  sondern  die  Farbe.  Bis  auf  die  dürftigen  Farb- 
spuren an  den  Bauwerken  des  fünften  Jahrhunderts,  war  uns  ja  bisher  aus  dem  klassi- 
schen Lande  des  Reliefs,  aus  Attika,  von  der  Polychromie  der  klassischen  Zeit  nichts 
erhalten,  ^um  ersten  Male  begegnen  wir  hier  erhaltener  Bemalung.  Auch  hier 
ist  nur  teilweise  die  Farbe  erhalten,  der  blaue  Grund  um  den  Kopf  des  Jünglings 
und   am   oberen  Rande  der  Bildfläche,   Reste  eines  Rotbraun  an  den  Haaren  des 


>)  A.  M.  XX   1895,  Taf.  VI.  4)  Vgl.  Loewy,  Text  zu  Arndt-Amelung  Nr.  1242. 

')  Im  erstcren  Falle  wären  rechts  ein  oder  mehrere  Vgl.  das  Fragment  bei  Arndt-Amelung  Nr.  12 18, 

Adoranten,  im  »weiten  der  Vertreter  des  anderen  i;    Svoronos,   Taf.  XXXVIl.     Um  420  ist  auch 

vertragschließenden  Teils  zu  erganzen.  das     Kopenhagener     Relief,    Brunn-Bruckmann 

3)  Vgl.  oben  S.  2,  Anm.  i.  Taf.  679  (Lippold)  anzuseUen. 


Geihart  Rodenwaldt,  Fragment  eines  Votivreliefs  in  Eleusis. 


Jünglings,  Gelb  auf  dem  Schleier  der  Demeter"),  Rot  an  den  Augen,  Augenbrauen 
und  Konturen  der  Köpfe,  an  den  Umrissen  des  Arms  und  zwischen  den  Fingern 
der  Göttin  und  zur  Angabe  der  Rillen  der  Fackel  ^).  Aber  das  Vorhandene  sitzt 
so  günstig,  daß  es  ohne  jede  Ergänzung  genügt,  uns  einen  vollen  Eindruck  von 
der  Farbigkeit  zu  geben.  Erst  die  Farbe  beseelte  die  antike  Plastik.  Hier  werden 
wir  einmal  unmittelbar  der  Wärme  und  Freudigkeit  inne,  die  die  Farbe  der 
Form  verleiht. 

Das    kleine  ■/stji.i^Xtov  gewährt  im  Original  einen  seltenen  ästhetischen  Genuß. 
Aber  auch  auf  die  Geschichte  der  Polychromie  des  antiken  Reliefs  wirft  es  ein  ganz 
unerhofftes  Licht.     Einiges  ist  ganz  so,  wie  wir  es  erwarten,  die  blaue  Farbe  des 
Grundes,    die    rotbraune  Färbung    des 
Haares,   die   rote  Angabe  der  Lippen, 
Augen   und  Augenbrauen.     Es  sei  da- 
für   auf  Winters    ausgezeichnete    Dar- 
legungen in  dem  Text  zu  seiner  Aus- 
gabe des  Alexandermosaiks  S.  lO  und  17 
verwiesen.     Aber  höchst  überraschend 
ist    die  Verwendung   des   Rot  für  die 
Konturierung    von   Gesicht,    Hals    und 
Gliedmaßen. 

Wir  kennen  diese  Konturierung 
bisher  nur  auf  Reliefs  römischer  Zeit. 
Am  besten  ist  sie  erhalten  auf  den 
Neumagener  Reliefs,  von  denen  ein 
Beispiel  hier  Abb.  2  nach  Hettners 
Illustriertem  Führer  durch  das  Trierer 
Provinzialmuseum  (1903)  S.  18  Nr.  16 
wiederholt  wird.  Die  Aufnahme  ist 
nach  einem  Gipsabguß  gemacht,  auf 
dem  die  Farben  nach  dem  Original  hergestellt  sind.  Mit  braunroter  Farbe  [sind 
hier  die  Umrisse  des  Körpers  und  der  Gliedmaßen  angegeben,  die  Vertiefungen 
zwischen  den  Fingern  sind  in  gleicher  Weise  getönt,  auch  die  Grenze  zwischen  Haar 
und  Gesicht  ist  wie  an  unserem  Fragment  durch  einen  roten  Strich  bezeichnet.  Dar- 
über hinausgehend  ist  auch  die  Angabe  der  Gewandfalten  durch  rote  Streifen  verstärkt. 
Verstärkt  ist  die  Wirkung  an  diesem  Beispiele  noch  dadurch,  daß  die  Konturen, 
in  denen  das  Rot  sitzt,  auch  noch  plastisch  vertieft  sind. 

Diese  Einritzung  ist  auf  den  Neumagener  Reliefs  nicht  obligatorisch ;  häufig 
und,  wie  es  scheint,  gerade  auf  den  älteren  Monumenten,  sind  die  Konturen  nur 
gemalt.  Die  lang  erwartete  Verötfentlichung  der  Neumagener  Reliefs  wird  hoffent- 
lich   über  die  Polychromie  dieser  Werke  und  ihre  kunstgeschichtlichen  Zusammen- 


Abb.   2.     Relief  aus^Neumagen. 


')  Das  Gelb  des  Schleiers  ist  nur  ein  dünner  Farb- 
ton im  Gegensatz  zu  der  dicken  Schicht  des  Blau 
auf  dem  Reliefgrundc. 


^)  Der  Ansatz  eines  Querstriches  am  oberen  Teile 
rührt  wohl  von  einem  Bande  der  Fackel  her. 


Gethart  Rodenwaldt,  Fragment  eines  Votivreliefs  in  Kleusis. 


hänge  abschließende  Aufklärung  bringen.  Vorläufig  kann  nur  auf  die  sorgfältige 
Untersuchung  von  A.  Grenier,  La  Polychromie  des  reliefs  de  Neumagen,  Rev.  arch. 
1904,  245  ff.  verwiesen  werden.  Grenier  hat  die  bisweilen  geäußerte  Vermutung, 
daß  diese  Konturierung  eine  Eigentümlichkeit  gallischer  Kunst  sei,  mit  Recht  zu- 
rückgewiesen und  die  stadtrömischen  Beispiele  gesammelt,  auf  denen  sich  teils 
gemalte,  teils  eingeritzte  Konturen  finden.  Es  kann  kein  Zweifel  sein,  daß  die 
geritzten  Konturen,  deren  nachweislich  ältestes  Beispiel  wohl  die  Reliefs  vom 
Grabmal  der  Julier  in  Saint- Remy  sind,  in  allen  Fällen  ebenfalls  mit  roter  Farbe 
ausgezeichnet  waren.  Als  weiteres  Beispiel  erhaltener  roter  Konturierung  wären 
zwei  Nebenseiten  eines  Sarkophages  in  Budapest  (Robert,  Sarkophagreliefs  III  3,  S. 
403)  zu  nennen.  Vermutet  ist  eine  solche  Konturierung  in  Alexandrien  von 
Schreiber,  Die  Nekropole  von  Köm-esch-schukäfa  291   und   297  Anm.    18. 

Es  ist  von  vornherein  unwahrscheinlich,  daß  dieser  Gebrauch  als  eine  Neue- 
rung der  römischen  Kunst  der  zweiten  Hälfte  des  ersten  vorchristlichen  Jahrhunderts 
entstanden  ist,  sondern  es  muß  eine  griechische  Tradition  vorliegen.  Das  hat  denn 
auch  Grenier  vermutet,  ohne  daß  er  wirkHche  Analogien  hätte  anführen  können. 
Diese  bietet  zum  ersten  Male  das  eleusinische  Relief  Die  Übereinstimmung  ist 
schlagend.  Nur  ein  Unterschied  ist  vorhanden,  in  dem  sämtliche  Reliefs  römischer 
Zeit  zusammengehen;  während  bei  ihnen  die  Konturlinie  immer  auf  dem  Relief- 
grunde sitzt,  ist  sie  bei  dem  eleusinischen  Fragment  an  der  Rundung  des  Reliefs 
angebracht.  Aber  die  Wirkung  ist  die  gleiche,  ebenso  die  Angabe  der  Haar- 
grenze und  die  Färbung  zwischen  den  Fingern.  Der  Unterschied  in  der  Anbringung 
der  Linie  hat  Bedeutung  gegenüber  einem  etwaigen  Einwände,  daß  die  Bemalung 
des  eleusinischen  Reliefs  nicht  die  originale  sei,  sondern  auf  eine  Restauration 
römischer  Zeit  zurückgehe.  Daß  man  in  römischer  Zeit  ein  Votivrelief  vom  Ende 
des  fünften  Jahrhunderts  neu  bemalt  habe,  ist  schon  an  sich  nicht  gerade  sehr 
wahrscheinlich,  aber  immerhin  nicht  ausgeschlossen.  Bei  unserem  Bruchstück 
spricht  jedoch  nichts  dafür;  die  Linien  sind  mit  der  Feinheit  und  etwas  lässigen 
.Sicherheit  gezogen,  die  genau  dem  Stil  des  Plastischen  entspricht,  und  ein  römischer 
Restaurator  hätte  sich  vermutlich  der  Gewohnheit  seiner  Zeit,  die  Konturen  auf 
dem  Grunde  zu  ziehen,  gefügt.  Die  Erklärung  der  guten  Erhaltung  der  Farben 
finden  wir  vielmehr  in  der  Fundnotiz,  daß  das  Fragment  in  großer  Tiefe  gefunden 
ist.  Wahrscheinlich  ist  es  früh  beschädigt  worden  und  bei  Fundamentbauten  in 
die  Tiefe  geraten,  in  der  eine  glückliche  Lagerung  die  Farben  konserviert  hat. 

So  läßt  sich  die  in  Neumagen  vertretene  Tradition  bis  an  die  Wende  des 
vierten  und  fünften  Jahrhunderts  hinaufdatieren.  Es  braucht  uns  nicht  zu  schrecken, 
daß  wir  ein  zweites  Beispiel  dafür  nicht  besitzen.  Denn  es  ist  uns  ja  bitter  wenig 
von  der  Polychromie  des  griechischen  Reliefs  erhalten»),  und  das  Wenige  zeigt,  daß 
es  nicht  ein  kanonisches  Schema  gab,  sondern  eine  Vielheit  von  Methoden.  Neben 
der   seit   dem   fünften  Jahrhundert   wohl  immer  überwiegenden  blauen  Farbe  des 


')  Für  das  Theseion  vgl.  .Sauer,  D.is  sog.  Theseion  125  u.  226f. ;  Lethaby,  Atbenaeum  1913,  Aug.  i6. 

187;  für  den  Parthenon  Michaelis,  Der  Parthenon  Im  allgemeinen  vgl.  Winter,  .Mexandermosaik  17. 


Gerhart  Rodenwaldt,  Fragment  eines  Votivreliefs  in  Eleusis. 


Grundes  steht  der  weiße  Grund  des  Alexandersarkophags,  neben  dem  Marmorton 
oder  der  Ganosis  der  nackten  Teile  fand  sich  am  Mausoleumsfriese  ihre  Bemalung 
mit  Deckfarben").  So  kann  es  uns  nicht  wundern,  hier  einem  für  uns  neuen 
Verfahren  zu  begegnen,  und  es  bleibt  nur  zu  fragen,  ob  wir  den  Sinn  desselben 
zu  begreifen  vermögen. 

In  ihrer  ästhetischen  Funktion  ist  die  Konturlinie  ohne  weiteres  einleuch- 
tend und  begreiflich.  Man  denke  sich  die  Umrißlinie  an  dem  Jünglingskopf 
fehlend.  Die  kleine  weiße  Fläche  in  der  blauen  Umgebung  würde  wie  ein 
Loch  wirken,  und  bei  dem  Zusammenstoß  von  Relief  und  Grund  würde  sich, 
da  in  dem  kleinen  Maßstab  die  Grenzlinie  nicht  mit  genauester  Akkuratesse 
durchgeführt  wird,  eine  etwas  unscharfe  Silhouette  des  blauen  Grundes  er- 
geben. Durch  die  Umrißlinie  wird  der  Kopf  von  dem  blauen  Grunde  abge- 
setzt und  gelöst,  die  Formen  des  Kopfes  selbst  werden  zu  einer  Einheit  zu- 
sammengefaßt, die  zugleich  eine  farbige  ist.  Denn  der  rote  Umriß  im  Verein 
mit  der  roten  Innenzeichnung  teilt  der  ganzen  von  ihm  umzogenen  Fläche 
einen  Farbton  mit.  Daß  diese  Umrißlinie  nur  rot  sein  konnte,  erklärt  sich  ebenso 
wie  die  rote  Farbe  der  Augen  aus  dem  in  der  älteren  griechischen  Kunst  herrschen- 
den Schema  der  Polychromie  ohne  weiteres^).  Es  ist  klar,  daß  die  ästhetischen 
Anstöße,  die  die  Konturlinie  beseitigt,  nicht  oder  in  sehr  viel  geringerem  Maße 
vorhanden  waren,  wenn  das  Relief  ein  wesentlich  größeres  Format  oder  eine 
größere  Erhebung  hatte.  Ein  größerer,  voller  gerundeter  Kopf  hebt  sich  selb- 
ständig aus  dem  blauen  Grunde  heraus,  zumal  wenn  er  sich  unterschnitten  vom 
Grunde  loslöst.  Damit  mag  es  zusammenhängen,  daß  wir  auf  den  größeren  grie- 
chischen Reliefs,  auf  denen  Farbspuren  erhalten  sind,  die  Umrißlinie  nicht  finden. 
Vielleicht  ist  sie  innerhalb  des  kleinen  Formates  des  Votivreliefs  und  innerhalb 
des  Kunsthandwerkes,  dem  die  Herstellung  der  großen  Mehrzahl  der  Votivreliefs 
zufiel,  entstanden,  oder  hat  sich  darin  erhalten  3).     Aber  wir  können  nicht  erwarten  ^ 


•)  Brit.  Mus.  Catal  of  Greek  Sculpture  II  97. 

')  Vgl.  Winter,  Alexandersarkoghag  S.  lü. 

3)  Nachträglich  kann  ich  ein  weiteres,  noch  älteres 
Beispiel  der  roten  Konturierung  von  einem 
Monumentalrelief  beibringen,  nämlich  das  Ber- 
liner Bruchstück  (Inv.Nr.  1531 ;  Kekule,  Sitzungs- 
ber.  d.  Berl.  Akad.  1902,  387  ff;  ders.,  Die  grie- 
chische Skulptur'  15)  der  attischen  .Stele,  die  sich 
im  Metropolitan-Museum  befindet  (Gisela  M.  A. 
Richter,  Handbook  oftheClassical  CoUection,  New 
York  191 7,  203,  Fig.  121).  Die  Karbe  des  Grun- 
des ist  ein  dickes  bläuliches  Rubinrot.  Am  Kopf 
des  Mädchens  zieht  sich  von  der  Haargrenze  ab  auf 
der  plastischen  Rundung  entlang  dem  Rande  des 
Grundes  ein  etwa  3  mm  breiter  Farbstrich  von 
einem  helleren,  dünneren  Rot.  Ebenso  sind 
die  Kinger  von  einem  2  —  3  mm  breiten  roten 
Farbstrich  konturiert,  der  besonders  gut  am  Dau- 


men (auch  innen,  wo  er  an  die  Blume  anstößt), 
an  Innen-  und  Außenseite  des  Zeigefingers  und  an 
den  Gelenken  der  übrigen  Finger  erhalten  ist. 
Kekule  a.  a.  O.  392/.  hat  den  Konturstrich  am 
Gesicht  übersehen  und  die  Farbreste  an  den 
Fingern  für  zufällig  übergeflossene  Farbe  erklärt. 
Unter  dem  Vergrößerungsglase  aber  kennzeichnen 
sich  die  Farbreste  als  deutlich  abgesetzte  und 
durchgezogene  Pinselstriche.  Wenn  die  Kontu- 
rierung hier  auf  rotem  Grunde,  allerdings  in 
einer  anderen  Farbennuance,  auftritt,  dient  sie 
weniger  der  Loslösung  vom  Grunde  als  der 
Zusammenfassung  und  Tönung  der  Formen. 
Ästhetisch  ist  sie  von  großem  Interesse.  Ihre 
Funktion  wächst  bei  blauem  Grunde.  Es  ist  wohl 
möglich,  daß  sich  bei  näherer  Nachprüfung  die 
rote  Konturlinie  noch  an  weiteren  Monumenten 
mit   erhaltenen  Farbspuren  nachweisen  läßt.  — 


8 


Richard  Delbrueck,  Der  Sudostbau  am  Forum  Romanum. 


daß  das  Relief  alle  Fragen  löst,  die  es  stellt;  ungetrübt  bleibt  uns  die  Freude,  das 
farbenfrohe  Leben  eines  attischen  Reliefs,  wenn  auch  nur  an  einem  kleinen  Bruch- 
stück, unmittelbar  zu  genießen. 

Gießen.  Gerhart  Rodenwaldt. 


DER  SÜDOSTBAU  AM  FORUM  ROMANUM. 

Mit  Tafel  2—9. 

Das  sogenannte  Templum  Divi  Augusti '),  hier  nach  seiner  Lage  zum  Forum 
als  Südostbau  bezeichnet,  ist  vermutlich  ein  für  Empfänge  bestimmter  Teil  der 
domitianischen  Palastanlage,  der  unvollendet  blieb,  dann  in  hadrianischer  Zeit  als 
Sklavenkaserne  eingerichtet  wurde;  am  Ende  des  Altertums  erhielten  einige  Räume 
reiche  Dekoration. 

Das  Grundstück  (Abb.  i)  ist  ein  westöstlich  gestrecktes  unregelmäßiges  Fünf- 
eck; größte  Länge  von  West  nach  Ost  rund  70  m,  von  Nord  nach  Süd  rund  65  m, 
Fläche  knapp  4000  qm.  Im  Osten  und  Süden  war  durch  die  Grenzen  des  Grundstückes 
die  Raumbildung  beengt  und  blieben  Zwickel  übrig.  Die  Meereshöhe  beträgt  rund 
12  m.    Die  Grenzen  sind  folgende: 

im  Osten  der  ziemlich  schroffe  Abhang  des  Palatin  mit  dem  »Clivus  Victoriae« 
und  dem  vom  Juturnabezirk  südlich  emporsteigenden  Treppenweg,  die  18  m 
über  dem  Forum,  etwas  über  halber  Höhe  des  Hügels,  unter  einem  westlich  geöffneten 
stumpfen  Winkel  zusammentreffen; 

im  Süden  die  Horrea  Germaniciana,  die  von  der  Orientierung  des  Forums 
östlich  abweichen   (Hülsen,   Forum^  169); 

im  Westen  der  Vicus  tuscus  (noch  nicht  ausgegraben); 

im  Norden  eine  Nebenstraße  des  Vicus  tuscus,  nördlich  vom  Castortempel 
überragt;  östlich  anschließend  der  kleine  Platz  südlich  des  Juturnabezirkes. 

Der  Südostbau  muß  zur  VHI.  Region  Forum  Romanum  gehört  haben;  denn 
die  konstantinische  Regionsbeschreibung  zählt  die  nördlich  und  südlich  benachbarten 
Bauten     Castortempel,   Jutumaheiligtum,   Horrea  Germaniciana  in  dieser  Region 


Obrigens  bestätigt  der  männliche  Kopf  der  Stele 
in    New    York    (G.  M.  A.  Richter  a.  a.  O.  205, 
Fig.    122)    Kekules    Zusammenstellung   mit   der 
Aristionstele  gegenüber  Kleins  (Kunstgcsch.  I  263) 
Vergleichung  mit  der  Grabstele  des  Diskophoros. 
')  Ausgrabung  1900/1  durch  Giacomo  Boni,  —  Eine 
eingehende  Bearbeitung  begann  ich  19 14  gemein- 
sam mit  dem  Architekten  Erik  von  Stockar ;   Herr 
Julius  Darnistätter  stellte  die  Mittel  zur  Verfügung, 
wofür    ich    ihm    auch    an    dieser    Stelle    danken 


möchte.  Auf  den  unvollendeten  Aufnahmen  und 
Notizen  beruht  der  folgende  Bericht,  der  nicht 
den  Anspruch  erhebt,  eine  abschließende  Ver- 
öffentlichung zu  sein ;  besonders  war  eine  Schluß- 
kontrolle an  der  Ruine  nicht  möglich. 

Literatur  zuletzt  bei  Jordan-Hülsen  I  3,  Soff.  — 
Grueneisen,  St.  Marie  Antique  61  ff.  (Hülsen);  dort 
die  —  unwichtigen  —  Renaissancezeichnungen.  — 
Wilpert,  Römische  Mosaiken  652  S.  —  Über  die 
nähere   Umgebung    des   Baues   Hülsen,    Forum'. 


Richard  Delbrueck,  Der  Sttdostbau  am  Forum  Romanum. 


auf  (Jordan  II  553).  Lancianis  Vermutung  (Bull.  com.  1890,  115  ff.),  daß  südlich 
vom  Forum  die  zehnte  Region  (Palatium)  bis  zum  Vicus  tuscus  gereicht  habe,  ist 
durch     die     Entdeckung     der 


\  Viiihxliriri«nViqu5 


Wov,     Via 


Horrea  Germaniciana  überholt ; 
vermutlich  war  die  Grenze  der 
»Clivus  Victoriae«. 

Der  Südostbau  besteht 
aus  folgenden  Teilen: 

1.  im  Osten  ein  Treppen- 
haus; 

2.  eine  mittlere  Raum- 
flucht  von  Norden  nach  Süden 
folgen  sich:  a)  ein  kleiner  Saal, 
b)  ein  Atrium,  c)  eine  Exedra 
mit  zwei  Nebenräumen;  in  der 
mittleren  Raumflucht  liegt  S. 
Maria  Antiqua; 

3.  im  Westen  ein  großer 
Saal,  der  die  Hälfte  des  Grund- 
stückes einnimmt;  infolge  des 
schrägen  Verlaufes  der  südli- 
chen Grenze  bleibt  zwischen 
seiner  Südwand  und  den  Hor- 
rea Germaniciana  ein  keilförmiger  Zwickel  übrig,  in  dessen  breiterem  östlichen 
Teile  ein  aus  der  mittleren  Raumflucht  und  dem  Westsaale  zugängliches  Zwischen- 
zimmer liegt    (2  d) ; 

4.  an  der  nördlichen  Straße  eine  Porticus;  an  ihrem  östlichen  Ende  ein  älterer  » 
Einzelraum,  hier  Nordostraum  genannt,  das  spätere  Oratorium  der  4oMärtyrer  (4a); 

5.  am  Vicus  tuscus  ein  Vorbau. 


Tibariu» 
Palast-  ^ 


LaöEPL&N   /v\=-i.  -1500 


Abb.  1. 


I.  DER  DOMITIANISCHE  BAU. 
A.  Technik  M. 

I.    Baustoffe. 

Der  Bau  besteht  aus  Mörtelwerk,  Ziegeln  und  Haustein. 

Mörtel.  —  Der  Puzzolansand  ist  rein,  scharf,  staubreich,  bis  erbsengroß  im 
Korn.  Er  wurde  gesiebt,  da  er  sonst  größere  Brocken  enthalten  würde,  aber  nicht 
gewaschen,  da  der  Staub  geblieben  ist.  Man  unterscheidet  drei  Sorten :  grobkörnig 
und  braunrot,  feinkörnig  und  schwarzgrau,  staubreich  und  grau;  die  dritte  Sorte 
ist  schlechter.  —  Der  Kalk  ist  rein,  anscheinend  aus  Travertin  gebrannt.  —  Der 
Mörtel  ist  ziemlich  fett,  die  Härte  schwankt. 

')  Choisy,   L'art  de  bätir  chcz  les  Romains.  —  F.  Töbelmann,  Bogen  von  Malborghetto.  —  Am.  J.  1912. 

230 ff.,  307  ff.  van  Deman. 


IQ  Richard  Delbrueck,  Der  SUdostbau  am  Forum  Romanum. 


Hausteinbrocken  (Ziegelbrocken  s.  "u.).  —  Selten  mehr' als  faustgroß. 
Neu  beschafft  Basaltlava  für  Fundamente,  leichter  gelber  Tuff  für  Gewölbe;  die 
übrigen  Brocken  Abfall  oder  Trümmer  älterer  Bauten:  Travertin  (z.  T.  aus  bearbei- 
teten Werkstücken  zugeschlagen);  Peperin  (meist  ältere  Caementa  und  Reticulat- 
steine);  Inkrustationsreste  aus  weißem  Marmor,  Giallo  und  Rosso  antico,  Affricano, 
Pavonazzetto,  Porphyr  (auch  grünem),  Granit;  Schieferplatten  von  Inkrustations- 
bettungen; Trümmer  feiner  Marmorskulpturen  usw. 

Ziegel.  —  Sie  bestehen  aus  Mergelton,  der  hart  und  knollig,  in  seinen  Schichten 
ziemlich  verschieden  ist.  —  Bei  den  domitianischen  Ziegeln  ist  der  Ton  nicht 
gründlich  durchgearbeitet,  da  Risse  und  Knollen  geblieben  sind.  Puzzolansand  in 
verschiedener  Menge  ist  als  Magerungsmittel  zugesetzt.  Die  Ziegel  wurden  in  offenen 
Holzrahmen  geformt,  die  Oberseite  mit  einem  nassen  Holz  abgestrichen,  das  Schlieren 
hinterließ,  die  Ränder  öfters  naß  mit  einem  Messer  beputzt.  Engobe  ist  nicht  nach- 
zuweisen. Beim  Trocknen  sank  die  obere  Fläche  nach  der  Mitte  zu  ein  und  bogen 
sich  die  Ränder  etwas  auf.  Der  Brand  ist  ungleichmäßig;  gute  Steine  sind  hart,  gelb- 
rot bis  braunviolett;  schlecht  gebrannte  mürbe,  blaßgelblich  oder  grünlich. 
Freiliegende  Kanten  sind  fast  stets  mit  der  Hammerschneide  bearbeitet  und  zwar 
sicher  nach  dem  Brande.  —  Ziegelformate:  Bipedales  und  Sesquipedales,  60 — 55  und 
45—42  cm  ,  meist  4,5  cm  stark,  selten  bis  5,5  cm;  sie  dienen  als  Durchbinder,  für 
Bögen  und  als  Bodenbelag.  Bessales,  21  cm^  meistetwa  3,6  cm  stark  (4,2— 3,2);  dia- 
gonal halbiert  als  Verkleidungssteine.  —  Im  Inneren  des  Mörtelwerks  erscheinen 
nur  einzeln  domitianische  Verkleidungssteine  sowie  Trümmer  von  Bipedales. 
Flavische  Ziegelstempel  finden  sich  auf  Bipedalcs  und  Sesquipedales;  (CIL 
XV,.259,  635,  638,  999,  1000,  1006,  1094/7,  1290,  1362,  1449,  1907,  vgl.  Hülsen- Jordan 
I  3,  83  A.,  106  und  RM.  1902,  79).  Mehrmals  1346  (Q.  Oppius  Natalis)  von  Dressel 
um  120  datiert,  von  Hülsen  a.  a.  0.  mit  Recht  als  schon  flavisch  betrachtet;  vgl. 
S.  :i    (flavisch),   S.  25,  3,  a,  i    (hadrianisch),  S.  18   (fraghchen  Alters). 

Älteres  Ziegelmaterial  erscheint  unter  den  Brocken  des  Mörtelwerks, 
überwiegend  Trümmer  feiner  hochroter  Dachziegel,  darunter  schon  einmal  ver- 
wendete Verkleidungssteine,  ferner  Campanareliefs,  dünne  Tonplatten  usw. 

Hausteinquadern.  Travertine  von  0,60  bis  0,90m  Stärke  bilden  die  obere 
Fundamentschicht;  die  Bearbeitung  ist  summarisch,  außer  an  den  Stoßfugen.  — 
Aus  gewöhnlichem  karrarischem  Marmor  sind  die  Stufen  der  Porticus. 

2.  Aufbau. 

Fundamente  bestehen  aus  einer  Bank  von  Mörtelwerk  und  einer  Deck- 
schicht aus  Travertinquadern.  Die  Tiefe  ist  nirgends  festgestellt.  Das  Mörtelwerk 
enthält  meist  Lavabrocken.  Aufgemauert  ist  es  in  hölzernen  Kästen  aus  viereckigen 
Pfosten  und  außen  vorgenagelten  Brettern;  es  scheint  gestampft  zu  sein,  da  die  Ver- 
schalung sich  genau  abgedrückt  hat.  Zu  oberst  liegt  auf  einer  Kiesschicht  eine  Mörtel- 
decke, in  der  die  Travertine  verlegt  sind.  Ihre  Fügung  ist  unregelmäßig,  oft  eine 
Läuferreihe  neben  ein  oder  zwei  Binderreihen;  keine  Dübel. 

Wände.  —  Auf  der  Travertinschicht  wurde  eine  Mörteldecke  ausgebreitet 
und  in  dieser  die  Brocken  wie  ein  lockeres  Mosaik  verlegt;  dann  folgte  eine  zweite 


Richard  Oelbrueck,  Der  Südostbau  am  Forum  Romanum.  j  i 

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Mörtelschicht  usw.  Infolge  der  verschiedenen  Dicke  der  Brocken  wurden  die  Schichten 
uneben;  daher  ist  das  Mauerwerk  in  Abständen  mit  Bipedales  oder  Sesquipedales 
abgeglichen;  sie  finden  sich  alle  6  bis  i6  Schichten.  Die  Verkleidung  der  Wandflächen 
besteht  aus  diagonal  halbierten  Bessales,  s.  o.,  mit  der  rechtwinkeligen  Ecke  nach 
innen.  Mauerecken  sind  mit  parallel  halbierten  Bessales  gebildet,  Rundungen  ijiit 
entsprechend  zugeschnittenen.  Die  Verkleidungssteine  bilden  gut  wagerechte  Schich- 
ten mit  ziemlich  regelmäßigem  Fugenwechsel.  Die  Mörtelfugen  sind  gut  verstrichen, 
ihre  Stärke  schwankt  infolge  der  Verschiedenheit  der  Steine,  1,5  bis  2  cm.  Zehn 
Schichten  messen  52  bis  57  cm. 

Anschlußflächen  für  Wände  und  Gewölbe  treten  etwas  zurück,  außer  den 
Durchbindern.  Die  Vcrkleidungssteine  sind  Ziegeltrümmer,  die  eine  Bruchfläche 
oder  eine  Spitze  nach  außen  wenden.  In  der  Ausführung  finden  sich  Verschieden- 
heiten, die  nicht  immer  einen  Grund  zu  haben  scheinen.  —  Gerüstlöcher  gehen  in 
wagerechten  Reihen  über  die  Wände.  Sie  stammen  von  den  Querhölzern  der  Gerüst- 
böden, die  eingemauert  und  anscheinend  später  nicht  herausgezogen  wurden,  da 
die  Löcher  in  der  Tiefe  oft  krumm  verlaufen. 

Wandbögen  bestehen  aus  Bipedales  oder  Sesquipedales  mit  keilförmigen 
Mörtelfugen.  Die  Neigung  der  Steine  ist  selten  genau  radial,  die  Kurven  sind  häufig 
unkorrekt,  besonders  am  Anfang  zu  flach.  Es  finden  sich  scheitrechte  Bögen,  Rund- 
bögen (meist  etwas  kürzer  als  ein  Halbkreis),  Nischenkuppeln  (mit  einemi  Rund- 
bogen eingefaßt).  Entlastungsbögen  greifen  in  der  Regel  nicht  tiefer  ein,  als  die 
Öffnung,  auf  die  sie  sich  beziehen. 

Freitragende  Bögen  zeigen  die  Abdrücke  von  Bretterverschalungen;  Nischen- 
kuppcln  nicht,  wurden  also  wohl  auf  einem  Erdkern  erbaut.  Die  Gerüste  müssen 
freigestanden  haben,  da  Löcher  von  wagerechten  Tragbalken  nur  selten  vorkommen, 
die  Anfänger  auch  nicht  wie  später  üblich,  gegen  die  Kämpfer  zurückgesetzt  sind, 
um  ein  Auflager  freizulassen. 

Gewölbe.  —  Außer  den  erwähnten  Nischenkuppeln  nur  Tonnen.  Die  Wölb- 
linie meist  etwas  kürzer  als  ein  Halbkreis  und  an  den  Anfängen  straffer.  Im  Treppen- 
haus ansteigende  und  kegelförmig  verengte  Tonnen;  in  den  Ecken  des  Atriums  sollten 
sie  rechtwinkelig  umbrechen,  s.  u.  Durchdringungen  scheinen  nicht  vorgekommen 
zu  sein.  —  Das  Mörtelwerk  enthält  vorwiegend  leichten,  gelbgrauen  Tuff.  Es  ist 
wagerecht  geschichtet. 

Meist  sind  auch  die  Gewölbe  über  Bretterschalen  gebaut,  die  sich  abgedrückt 
haben.  Die  Gerüste  standen  frei,  wie  bei  den  Wandbögen.  —  In  unzugänglichen 
Räumen  ist  ein  anderes  Verfahren  angewendet.  Am  Gewölbe  finden  sich  keine 
Bretterabdrücke,  sondern  feiner  Sand,  Steinbrocken  und  Erde,  die  etwas  Kalk  ent- 
hält ;  an  den  Widerlagern,  dicht  unter  dem  Gewölbeansatz,  Abdrücke  der  Ränder  eines 
wagcrechten  Bretterbodens.  Auf  diesem  Boden  war  also  ein  Erdkern  locker  auf- 
gemauert, der  nach  Vollendung  des  Gewölbes  fortgeschlagen  wurde ;  der  Vorteil  war, 
daß  man  Holz  und  die  für  die  Herstellung  einer  halbzylindrischen  Form  nötige  exakte 
Zimmermannsarbeit  sparte. 


I  2  Richard  Delbrueck,  Der  Sudostbau  am  Forum  Rgmanum. 


Die  Widerlagsmauern  tonnengewölbter  Räume  sind  stets  erheblich  stärker 
und  zeigen  wenig  Durchbrechungen. 

Fußböden  sind  nur  in  Nebenräumen  domitianisch;  sie  bestehen  aus  magerem 
grauem  Mörtel  mit  Asche  und  Scherben  oder  aus  Plattenziegeln,  die  an  eine  Durch- 
binderschicht der  Wand  anschließen;  diese  Durchbinderschicht  tritt  dann  meist  etwas 
vor.   So  sind  auch  Türschwellen  gebaut,  Taf.  2  in  den  östlichen  Substruktionsräumen. 

Gemessen  ist  nach  dem  Fuß  von  0,295  m  zu  12  Zoll. 

Die  Höhenangaben  des  Textes  und  der  Pläne  beziehen  sich  auf  die  Oberkante 
der  Fundamente.    Die  Orientierung  ist  dem  Plan  Notizie  1901  Abb.  13  entnommen. 

B.   Beschreibung. 

I.   Treppenhaus.     Taf.  2.  4.  5. 

Größte  Länge  rund  45,  größte  Breite  rund  8  m,  Richtung  nordsüdlich.  Im 
Osten  war  die  Raumbildung  durch  den  Abhang  des  Palatin  und  ältere  Mauern 
beengt.  Die  Mittelmauer  hat  im  Fundament  keine  Travertinschicht;  sie  enthält 
Entlastungsbögen,  die  sich  vielleicht  auf  Öffnungen  in  den  zerstörten  oberen  Teilen 
beziehen.  Die  Treppe  selbst  geht  in  Rampen  von  rund  3,5  m  Breite  empor,  mit  Po- 
desten an  den  Enden;  Stufen  erscheinen  nur  vereinzelt.  Die  Gewölbe  der  Gänge 
steigen  an,  mit  Absätzen,  die  durch  Quermauern  über  Rundbögen  getrennt  werden. 

Erhalten    vier    Gänge,    im    Westen    beginnend. 

Gang  I.  Ausgang  in  die  Porticus  in  voller  Breite,  Sturz  zerstört ;  niedrige  Neben- 
tür in  den  nördlichen  Saal  der  mittleren  Raumflucht;  hohe  Haupttür  in  das  Atrium. 
Die  Steigung  beginnt  erst  südlich  der  Haupttür.  (An  der  Ostseite  Eingänge  in  Sub- 
struktionen,   s.   u.) 

Gang  H.  Stufen  am  oberen  Ende,  wohl  auch  am  unteren  anzunehmen.  An 
der  Ostseite  Substruktionsräume,  In  der  Nordwand  des  zweiten  Podestes  breites 
Fenster,  mannshoch  über  dem  Boden,  entsprechende  vermutlich  in  den  höheren 
Podesten. 

Gang  III.  Keine  Stufen,  Gewölbe  zerstört.  In  der  Südwand  des  dritten  Po- 
destes vermutlich  Tür  in  Nebenräume  über  der  südlichen  Raumgruppe  der  mittleren 
Raumflucht. 

Gang  IV.  Gewölbe  und  nördlicher  Teil  zerstört,  in  der  Mitte  bei  rund  18  m 
kleine  schräge  Tür  auf  den  Clivus  Victoriae  (Richtung  des  Tiberiuspalastes).  Die 
Rampe  stieg  weiter. 

Bis  zur  Höhe  des  Tiberiuspalastes  (etwa  30  m),  in  den  das  Treppenhaus  geführt 
haben  muß,  sind  noch  weitere  Gänge  zu  ergänzen. 

Substruktionen  unter  Gang  IL  Durch  Querwände  geteilt.  Tonnengewölbe, 
an  den  Enden  verengt.  Im  südlichsten  Teilraum,  unten  an  der  Westseite  kasten- 
förmige Vertiefung  mit  nicht  verkleideten,  glatten  Wänden;  hier  könnte  eine  Stein- 
kiste mit  einem  Bauopfer  eingemauert  gewesen  sein  (Taf.  2).  Die  beiden  südlichen 
Teilräume  waren  bei  der  Auffindung  antik  mit  Schutt  und  Sand  gefüllt.  —  Östhch 
noch  zwei  Substruktionsräume. 


Richard  Delbrueck,  Der  Sttdostbau  am  Forum  Romanum.  j  3 


2.  Mittlere  Raumflucht.    Taf.  2.  5.  6,  B. 

Lichte  Weite  19,20  m  =  65',   Länge  auf  der  Mittelachse  rund  55  m. 

a)  Kleiner  Saal.  —  19,20  :  20,35  m  =  65':  70'.  Die  Westseite  mit  dem  Ansatz 
der  Nordwand  28  m  hoch  erhalten,  die  übrigen  Wände  in  unteren  Teilen.  Das  nord- 
südlich laufende  Tonnengewölbe  begann  schon  bei  rund  16  m,  Scheitel  rund  26  m; 
Anfang  und  Anschlußfläche  im  Westen  erhalten.  An  den  Schmalseiten  breite  Portale; 
das  nördliche  war  ursprünglich  fast  6,5  m  =  22'  weit  und  trug  einen  bei  8  m  auf- 
setzenden Rundbogen  (noch  in  gleicher  Technik  wurde  es  unsymmetrisch  verengt 
und  erhielt  einen  tiefer  sitzenden  Stichbogen;  der  Grund  waren  Veränderungen  im 
Plan  der  Porticus  S.  18 f.).  Das  südliche  Portal  ist  fast  6  m  =  20'  weit  und  hatte 
verrtiutlich  einen  entsprechenden  Rundbogen;  die  Laibungen  stehen  nur  bis  5  m.  Am 
südlichen  Ende  der  Langseiten  führen  niedrige  Nebentüren  mit  horizontalem  Sturz 
in  das  Treppenhaus  und  gegenüber  in  den  Westsaal.  —  Die  Wände  haben  Nischen; 
an  den  Langseiten  je  5  —  wovon  i,  3,  5  rechteckig,  2  und  4  Apsiden  sind  — ,  an  den 
Schmalseiten  je  eine  rechteckige  beiderseits  der  Portale.  An  der  Nordseite  ist  über  der 
westlichen  Nische  die  westliche  Laibung  eines  horizontal  bedeckten  Fensters  erhalten, 
von  der  Breite  der  Nische,  aber  niedriger,  Taf.  5,  B.  Über  dem  Portal  wird  ein  größeres 
Fenster  anzunehmen  sein.  Ferner  erscheint  in  Kämpferhöhe,  hart  an  der  Westwand 
die  westliche  Laibung  eines  horizontal  bedeckten  Fensters;  also  wird  hier  eine  zweite 
Fensterreihe  zu  ergänzen  sein;  ihre  äußeren  Fenster  wurden  innen  von  den  Anfängen 
des  Saalgewölbes  halb  verdeckt. 

Der  zerstörte  obere  Teil  der  Südwand  wird  ebenfalls  zwei  Fensterreihen  ent- 
halten  haben. 

Die  Dachfläche  des  Saales  war  nach  der  Höhe  der  Anschlußfläche  des  Gewölbes 
eine  ebene  Terrasse.  Ob  sie  überdeckt  war,  ist  nicht  zu  ermitteln;  ein  Zugang  vom 
Treppenhaus  ist  anzunehmen,  aber  nicht  erhalten. 

Vielleicht  stand  über  der  Nordwand  eine  Halle,  denn  die  obere  Fensterreihe 
hatte  anscheinend  andere  Intervalle  als  die  untere,  was  bei  dieser  Annahme  ver- 
ständlich würde. 

b)  Atrium.  —  19,20  :  21,30  m  =65'  :  73'.  Hoch  erhalten  die  Westwand, 
die  übrigen  in  den  unteren  Teilen.  Im  Süden  öffnet  sich  die  Exedra,  rechts  und  links 
führen  kleine  Türen  in  ihre  Nebenräume;  in  der  Ostwand,  am  nördlichen  Ende  die 
erwähnte  Haupttür  in  das  Treppenhaus;  gegenüber  in  der  Westwand  eine  Nebentür 
in  den  Westsaal,  am  südHchen  Ende  der  Westwand  eine  Haupttür  in  das  Zwischen- 
zimmer. 

Im  Boden  des  Atriums  liegt  konzentrisch  ein  Fundamentrechteck.  Der  Um- 
gang sollte  ein  Tonnengewölbe  erhalten,  dessen  Anschlußfläche  an  den  Außenwänden 
bei  6,5  m  beginnt;  an  den  mittleren  Öffnungen  der  Schmalseiten  konnte  es  nicht 
durchlaufen,  da  sie  zu  hoch  waren ;  wie  hier  die  Überwölbung  des  Umganges  beab- 
sichtigt war,  ist  unsicher,  vermutlich  durch  etwas  höher  sitzende,  quer  gerichtete 
Tonnen.  —  Das  innere  Fundament  ist  für  kräftige  Mauern  von  etwa  1,80  m  bestimmt, 
die  also  über  das  Gewölbe  des  Umganges  hinaufreichten.  Vermuthch'  waren  Öff- 
nungen vorgesehen,  besonders  auf  der  Längsachse,  gegenüber  dem  nördlichen  Portal 


Ij  Richard  Delbrueck,  Der  SBdostbau  am  Fonim  Romanum. 


und  der  Exedra.  Der  mittlere  Teilraum  sollte  nicht  überwölbt  sein,  da  sonst  die 
Widerlagsseiten  bereits  in  den  Fundamenten  stärker  sein  würden.  Wahrscheinlich 
ist  ein  Impluvium,  denn  von  der  domitianischen  Kloake,  die  im  Umgänge  umläuft 
(S.  20),  geht  an  der  Südseite  ein  Nebenkanal  in  der  Richtung  auf  das  mittlere  Funda- 
ment ab.  Sonst  käme  noch  ein  Dachstuhl  in  Frage;  in  diesem  Falle  mußten  die  Wände 
des  Einbau's  oberhalb  des  Umganges  Fenster  haben.  An  den  Umfassungswänden 
sind  keine  Spuren  oberer  Geschosse  nachzuweisen. 

c)  Exedra  und  Nebenräume.  —  Breite  19,20  m,  Tiefe  7  m  (das  westliche 
Seitenzimmer  weniger,  weil  die  Südgrenze  des  Grundstücks  schräg  läuft).  Erhalten 
die  Wände  mit  Ansätzen  der  nordsüdlich  laufenden  Tonnen;  diese  haben  gleiche 
Scheitelhöhe,  12  m,  daher  liegen  bei  den  schmäleren  Seitenzimmern  die  Ansätze 
höher.  Äußerlich  nachantiker  Fußboden  rund  0,60  m  über  den  Fundamenten.  Türen: 
in  den  nördlichen  Wänden  der  Seitenzimmer  und  an  den  Enden  der  Zwischen- 
wände, alle  klein.  Die  Lünetten  waren  auf  der  Nordseite  oberhalb  des  Umgangs- 
gewölbes geöffnet.  In  der  weiten  nördlichen  Öffnung  der  Exedra  könnte  ein 
Säulenpaar  gestanden  haben;  in  der  Südwand  lag  eine  rechteckige  Nische,  das  Ende 
der  Längsachse  der  mittleren  Raumflucht  bezeichnend.  Das  östliche  Nebenzimmer 
hat  eine  entsprechende  Nische,  das  westliche  nicht. 

Über  der  Exedra  und  ihren  Nebenräumen  standen  noch  zwei  Stockwerke 
unregelmäßiger  Räume,  mit  Zugängen  von  Süden.  Sie  bleiben  bei  Seite,  da  sie  ilirem 
Gebrauchszwecke  nach  nicht  zum  Südostbau  gehört  zu  haben  scheinen. 

d)  Zwischenzimmer.  Taf.  2.  6,  A.  —  Es  schließt  am  südhchen  Ende  der 
Westseite  des  Atriums  an;  nördlich  grenzt  es  an  den  Westsaal,  südlich  an  die  Außen- 
mauer, westHch  an  Substruktionsräume.  Tiefe  rund  6  m  =  20',  Breite  rund  6,5  m 
=  22';  je  eine  hohe  Haupttür  nach  dem  Westsaal  und  dem  Atrium,  die  letztere  nicht 
axial,  da  sie  sonst  mit  dem  westlichen  Nebenraum  der  Exedra  kollidiert  hätte. 
Westöstlich  laufendes  Tonnengewölbe,  eingestürzt;  an  den  Enden  (früher  wohl  auch 
dazwischen),  verstärkt  durch  Querrippen  aus  Bipedales.  —  An  der  Westseite  große, 
bis  zum  Boden  reichende  Bogennische  von  rund  4,30  m  Breite  und  2,40  m  Tiefe?;  in 
ihrer  Rückwand  kleine  rechteckige  Nische  mit  Öffnung  in  die  anschließende  Sub- 
struktion ;  in  der  Übermauerung  der  Bogennische  überwölbter  Hohlraum. 

Die  Bogennische  ist  nicht  konstruktiv  bedingt;  es  fehlt  ein  Postament  für  eine 
Statue  oder  einen  Sitz,  die  auch  in  dem  kleinen  Räume  nicht  zu  erwarten  sind;  ver- 
mutUch  sollte  in  der  Nische  ein  Ruhebett  stehen,  vgl.  z.  B.  die  Schlafzimmer  im  soge- 
nannten Gefolgequartier  der  Hadriansvilla,  Winnefeld  35  f.  Taf.  9. 

3.  Westsaal.    Taf.  2.  5—9.  Abb.  2. 

32,50  :  23,50  m  =  80'  :  iio'.  Erhalten  die  östhche  Längswand  und  die  Schmal- 
wände bis  über  28  m,  von  der  westlichen  Längswand  das  südliche  Ende  und  das 
Fundament.  —  Haupttüren  an  den  östlichen  Enden  der  Schmalseiten  in  die  Porticus 
und  das  Zwischenzimmer,  Nebentüren  beiderseits  der- Mitte  der  Ostwand  in  den  kleinen 
Saal  und  das  Atrium  der  mittleren  Raumflucht;  vielleicht  noch  eine  Tür  in  der  Mitte 
der  Westwand,  s.  u. 

Die  östliche  Längswand  und  die  Schmalwände  haben  in  3  m  Höhe  Nischen- 


Richard  Delbrueck,  Der  Sudostbau  am  Forum  Romanum. 


reihen,  abwechselnd  rechteckige  und  Kuppelnischen;  an  der  Ostwand  sind  es  7,  an 
den  Schmalwänden  4,  dazu  an  den  östlichen  Enden  die  erwähnten  Haupttüren,  die 
eine  fünfte  Nische  vertreten.  Die  mittleren  Nischen  sind  etwas  größer;  an  der  Ost- 
wand ist  es  eine  Apsis,  an  den  Schmalwänden  eine  1  echteckige  Nische.  Oberhalb  der 
Nischen  läuft  bei  etwa  12  m  ein  vertieftes  Lager  von  etwa  2  m  Höhe  um,  vermutlich 
für  das  Gebälk  einer  Pilasterordnung  bestimmt,  Taf.  7,  A.  —  Auf  der  Westseite  fehlten 
die  Nischen  und  das  Gebälklager.  Hier  tritt  das  Fundament  1,50  m  einwärts  vor, 
ist  also  ein  Aufbau  anzunehmen;  seine  Höhe  wird  durch  eine  bei  12  m  beginnende 
Fensterreihe  bestimmt,  s.  u. ; 
am  wahrscheinlichsten  ist  eine 
Säulenstellung.  Die  Mitte  der 
Westwand  war  vermutlich 
leicht  betont,  da  die  mittlere 
frische  der  Ostwand  etwas  grö- 
ßer ist.  Ob  eine  Tür  da  war, 
läßt  der  Befund  nicht  erkennen, 
jedenfalls  kein  weites  Portal,  da 
sonst  der  gegenüberliegende  Teil 
der  Ostwand  analog  ausgestal- 
tet sein  müßte. 

Die  Schmalwände  haben 
bei  rund  21  m  =  70'  je  5  Fen- 
ster, axial  über  den  Nischen 
bzw.  Türen,  ebenso  breit,  aber 
etwas  niedriger,  gerade  ge- 
schlossen; für  die  etwas  brei- 
teren mittleren  Fenster,  deren 
Stürze  zerstört  sind,  könnte 
man  Rundbögen  vermuten. 
Die  äußersten  Fenster  wurden 
schon  während  des  Baus  auf- 
gegeben und  vermauert.  Die 
östliche  Längswand  hat  nur  ein  kleineres  Fenster  über  der  zweiten  Nische  von  Süden. 

Der  südliche  Stumpf  der  Westwand  zeigt  in  12  m  Höhe  die  südliche  Laibung 
eines  rund  5  m  hohen,  gerade  überdeckten  Fensters,  wohl  des  letzten  einer  durch- 
gehenden Reihe.  Bei  der  Annahme,  daß  diese  Fenster  axial  zu  dcii  Nischen  der  Ost- 
wand standen,  ergibt  der  Abstand  der  erhaltenen  Laibung  von  der  Ecke  eine  Fenster- 
breite von  rund  3,50  m  mit  Pfeilern  von  nur  rund  0,70  m  Stärke,  die  jedoch  die  Tiefe 
der  Mauer,  2,40  m,  besaßen.  Eine  zweite  Fensterreihe  ist  schon  aus  statischen  Gründen 
anzunehmen.  Sie  begann  bei  oder  über  20  m,  wo  außen  die  Terrasse  eines  zweiten 
Stockwerks  des  westlichen  Vorbau's  anschließen  sollte,  S.  20,  5.  Eine  dritte  Reihe 
würde  wenigstens  bei  gleicher  Höhe  mit  dem  anzunehmenden  oberen  Wandgesims 
kollidieren. 


Abb.  2.     Westsaal,  Rekonstruktionsskizze. 


iQ  Richard  Oelbrueck,  Der  Sttdostbau  am  Forum  Romanum. 


Die  Wände  enden,  wie  gesagt  bei  über  28  m  mit  Bruch.  Außen  am  Ostende 
der  Südwand  liegt  ganz  oben  ein  scheitrechter  Entlastungsbogen,  Taf.  6,  A;  er 
greift  nicht  durch  die  Wand,  bezieht  sich  also  nicht  auf  das  darunterstehende  Fenster, 
sondern  auf  ein  darüber  liegendes  Bauglied,  vermutlich  das  äußere  Gesims.  Demnach 
reichten  die  Wände  höher  hinauf;  vermutlich  war  ihre  Höhe  gleich  der  Breite  des 
Saales,  32,5  m.  — 

In  der  Mitte  der  Ostmauer  führt  eine  von  Osten  zugängliche  ganz  enge  und 
steile  Treppe  aufwärts   (nicht  in  den  Aufnahmen). 

An  den  Schmalseiten  des  Saales  ist  die  Mauerstärke  größer,  3  m  gegen  2,40  m, 
und  liegen  mächtige  Widerlager.  Also  war  die  Decke  des  Saales  ein  über  seine  Breite 
gespanntes  Tonnengewölbe,  s.  u. 

An  der  Nordseite,  Taf.  2.  5,  A,  waren  sechs  Strebepfeiler;  erhalten  die  vier  öst- 
lichen und  der  Ansatz  des  fünften ;  ihr  Fundament  geht  auch  in  den  Intervallen  durch^ 
Diese  messen  rund  3m  (  =  Mauerstärke  und  Mittelnische),  die  Pfeiler  sind  rund  i,8om 
breit  (Abstand  der  Nischen  =rund  i,6om).  Ungefähr  entsprechen  also  die  Intervalleden 
Nischen,  die  Pfeiler  deren  Abständen.  Jedoch  messen  vom  zweiten  Pfeiler  von  Osten 
ab  alle  Intervalle  3  m,  wie  die  mittlere  Nische,  während  die  seitlichen  Nischen  nur 
2,70  breit  sind.  Aus  diesem  Grunde  und  weil  die  Pfeiler  wie  gesagt  etwas  breiter  sind, 
als  die  Abstände  der  Nischen,  verschieben  sie  sich  nach  Westen  zu  gegen  die  Nischen 
und  die  axial  über  diesen  stehenden  Fenster.  Es  könnte  ein  Versehen  in  der  Auf- 
messung vorliegen.  —  Der  letzte  Pfeiler  im  Westen  muß  etwas  stärker  oder  das  letzte 
Intervall  etwas  weiter  gewesen  sein. 

Unterhalb  der  Fenster  sind  die  Pfeiler  zweimal  durch  Bogenreihen  verbunden, 
bei  rund  6  m  und  rund  18  m  (jedoch  ging  im  ersten  Intervall  von  Osten  die  wagerechte 
Decke  der  Tür  bis  zur  Pfeilerstirn  durch).  Über  der  ersten  Bogenreihe  liegen  in  den 
Intervallen  Kammern  mit  parallel  zur  Wand  laufenden  Tonnen;  ihre  Übermauerung 
erreicht  rund  12  m;  von  rund  10,50  m  an  ist  außen  Anschlußfläche  für  das  Gewölbe 
der  Porticus  (besonders  schwieriger  Befund).  An  der  Ostgrenze  des  östlichen  Strebe- 
pfeilers läuft  eine  Regenrinne  aufwärts,  ist  jedoch  nicht  bis  oben  durchgeführt,  s.  u. 
Oberhalb  der  Fenstersohle  sind  nur  die  beiden  östlichen  Pfeiler  erhalten;  der  zweite 
ist  nach  Westen  zu  schmäler,  obwohl  er  noch  nicht  mit  der  Fensteröffnung  kollidieren 
■yyürde.  Dies  war  der  Fall  bei  den  folgenden  Pfeilern;  der  dritte  und  vierte  konnten 
noch  ebenso  breit  sein  wie  der  zweite,  der  fünfte  jedoch  höchstens  1,30  m.  Die  er- 
haltenen Pfeiler  enden  bei  etwa  28  m  mit  Bruch;  vermutlich  waren  sie  durch  Bögen 
verbunden,  womit  mindestens  30  m  erreicht  würden. 

An  der  Südseite,  Taf.  6,  A,  füllen  die  Widerlager  den  Zwickel  zwischen  dem  West- 
saal und  den  Horrea  Germaniciana  aus  (Aufnahme  nicht  abgeschlossen).  Sie  sind  weniger 
regelmäßig  gestaltet,  aber  in  ihrem  Zweck  unverkennbar.  Am  östlichen  Ende  setzt 
sich  die  Ostwand  des  Saales  in  voller  Höhe  fort  und  wirkt  als  Strebepfeiler.  Im  übrigen 
zerfallen  die  Widerlager  in  drei  Geschosse.  Die  Einteilung  entspricht  den  Nischen 
und  Fenstern  des  Saales  sowie  den  Strebepfeilern  der  Nordseite  nur  ungefähr. 
Das  untere  Geschoß  reicht  bis  über  13  m.  Den  östlichen,  breiteren  Teil 
des  Bodenzwickels   nimmt   das    Zwischenzimmer   ein;    sein    westöstlich    laufendes 


Richard  Delbrueck,  Der  Sudostbau  am  Forum  Romanum.  ly 


Tonnengewölbe  ist  wie  erwähnt  abnormerweise  durch  Ziegelrippen  verstärkt, 
was  jetzt  durch  seine  Funktion  als  Teil  des  Widerlagers  verständlich  wird.  Der 
westliche,  spitz  zulaufende  Teil  des  Zwickels  enthält  4  Strebepfeiler,  die  oben  und 
etwa  in  V3  Höhe  durch  Tonnen  verbunden  sind.  —  Das  zweite  Geschoß  reicht  bis 
unter  die  Fenster.  Es  besteht  aus  einem  tonnengewölbten  Gang,  der  nach  Westen 
spitz  zulief  und  kurz  vor  dem  Ende  der  Wand  durch  einen  etwas  höher  sitzenden 
Stirnbogen  abgeschlossen  wurde  (erhalten  das  östliche  Drittel);  am  östlichen 
Ende  ging  ein  Lünettenfenster  in  das  Atrium.  Das  Gewölbe  ist  auch  hier  durch 
Querbögen  aus  Bipedales  verstärkt;  die  Wölbhnie  ist  singulär  steil.  Die  Strebe- 
pfeiler des  ersten  Geschosses  setzen  sich  im  zweiten  fort;  über  dem  dritten 
Strebepfeiler  von  Westen  ist  Anschlußfläche,  über  dem  vierten  ein  Mauerrest  er- 
halten ;  über  dem  ersten  und  zweiten  fehlen  allerdings  entsprechende  Reste.  —  Vom 
dritten  Geschoß  sind  nur  Spuren  da.  Schwach  charakterisierte,  aber  unverkennbare 
Anschlußflächen  für  Strebepfeiler  erscheinen  an  beiden  Seiten  des  westlichsten 
Fensters  und  an  der  Westseite  des  östlichsten;  die  zwischenliegenden  Fensterpfeiler 
sind  zerstört,  auch  hier  sind  Strebepfeiler  anzunehmen ;  da  sie,  wie  an  der  Nordseite, 
mit  den  Fensteröffnungen  kollidierten,  mußten  sie  schmäler  sein  als  im  ersten  Ge- 
schoß. Oben  werden  die  Strebepfeiler  durch  Bögen  verbunden  gewesen  sein.  Der 
erste  und  letzte  Strebepfeiler  standen  unkonstruktiver  Weise  über  hohlem  Raum, 
hatten  also  nur  für  die  äußere  Erscheinung  Bedeutung. 

Die  bei  der  Errichtung  des  Südostbaus  erneuerte  Außenmauer  der  Horrea  Ger- 
maniciana  reichte  bis  etwa  zur  Sohle  der  Fenster. 

Aus  dem  Befund  folgt,  daß,  wie  gesagt,  die  Decke  des  Saales  ein  über  die  Schmal- 
seiten gespanntes  Tonnengewölbe  war,  Taf.  7,  A.  Die  Höhe  der  Wände  wurde  oben 
mit  mindestens  30  m  ermittelt  und  vermutungsweise  auf  das  Maß  der  Spannweite 
=  32,50  m  festgesetzt;  dann  ergibt  sich  für  den  inneren  Gewölbescheitel  die  kolossale 
Höhe  von  32,50  16,25=48,75  m  =165'.  Ob  das  Gewölbe  ausgeführt  wurde,  ist 
unsicher,   vermutlich  nicht,  da  entsprechende  Schuttmassen  fehlen. 

Bemerkungen  zu  den  Rekonstruktionen  Taf.  8,  Abb.  2,  die  Wände  können  unbe- 
deutend niedriger  gewesen  sein;  die  durchbrochenen  Lünetten  sind  wegen  der  Fenster 
in  der  Westwand  nicht  unwahrscheinlich;  die  obere  Fensterreihe  der  Westwand  kann 
höher  gesessen  haben;  die  untere  Pilasterzone  ist  durch  das  Lager  über  den  Nischen 
gesichert,  Einzelheiten  unsicher;  von  dem  Vorbau  am  Fuße  der  Westwand  steht 
Ausladung  und  Höhe  fest,  nicht  die  Form;  die  Dekoration  der  oberen  Wandteile  ist 
Konjektur,  ebenso  der  rundbogige  Abschluß  der  mittleren  Fenster. 

Der  Eindruck  des  vollendeten  Westsaales  wäre  eigenartig  gewesen.  Die 
Maße  sind  riesig;  auffallend  ist  die  Betonung  der  Breite  und  Höhe  gegenüber  der 
Tiefe.  Durch  die  Fensterfläche  der  Westwand  wurde  der  Saal  bis  zum  Gewölbe  mit 
Licht  erfüllt;  die  Fensterreihen  der  Schmalseiten  milderten  die  einseitige  Beleuchtung 
und  brachten  die  Tiefen dimension  zur  Geltung.  Der  Raum  ist  abgeschlossen; 
nirgends  geht  der  Bück  über  seine  Grenzen  hinaus;  seine  Form  ist  denkbar  einfach: 
vier  gerade  Wände  und  ein  Tonnengewölbe.  Die  Dekoration  der  Wände  hielt  sich 
an  die  Fläche ;  nur  die  Säulenstellung  am  Fuße  der  Westwand  war  rundplastisch ; 

Jahrbuch  des  archäolo|pschen  Instituts  XXXVT.  2 


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Richard  Delbiueck,  Der  SUdostbau  am  Forum  Romanum. 


ob  die  tiefen  Fensterlaibungen  in  Erscheinung  traten,  oder  Gitter  in  der  Flucht  der 
Wand  liegen  sollten,  ist  nicht  zu  ermitteln,  das  Letztcrc  wohl  wahrscheinlicher. 
Die  Dekoration  der  Wände  zerfiel  in  breite  Zonen,  die  an  der  Westwand  sich  durch 
andere  Bemessung  abhoben;  durchgehende  Vertikalglieder  fehlten,  doch  war  die 
Jochteilung  der  Zonen  gewiß  gleich,  so  daß  die  Achsen  von  oben  bis  unten  durchliefen. 
Die  Konstruktion  trat  nicht  in  Erscheinung  und  bestimmte  den  Eindruck  nur  unbewußt. 

4.  Porticus.    Taf.  2,  Abb.  3. 

Die  Porticus  läuft  an  der  Nordseite  hin  und  biegt  noch  auf  die  Westseite  um. 
Ihren  äußeren  Abschluß  bildet  am  östlichen  Ende  die  Südwand  des  Nordostraumes, 
von  der  westlichen  Laibung  des  Portals  des  kleinen  Saales  ab  ein  Stufenunterbau; 
dieser  ist  auf  der  Westseite  bis  zur  inneren  Flucht  der  Nordwand  des  Westsaales  am  Boden 
zu  verfolgen,  etwas  weiter  südlich  wird  sein  Fundament  von  einer  Kloake  durchschnitten, 


Abb.  3. 


das  Ende  ist  nicht  festzustellen.  Die  Stufen  bestehen  aus  wiederverwendeten  Blöcken 
von  karrarischem  Marmor.  An  der  Nordseite  standen  auf  dem  Stufenunterbau 
II  Bogenpf eiler,  bis  auf  den  nordwestlichen  Eckpfeiler  in  unteren  Teilen  erhalten. 
"Die  Westseite  hat  keine  Bogenpfeiler,  und  die  auf  dem  Stufenunterbau  stehenden 
hadrianischen  Quermauern  (S.  26)  sind  kaum  mit  solchen  vereinbar.  Sie  wurden  also 
entweder  nicht  gebaut  oder  später  abgetragen,  s.  u. 

Die  Pfeiler  sind  1,50  m  =5'  breit,  l,io  m  tief  und  haben  Dreiviertelsäulen  von 
0,55  m  Durchmesser,  deren  Basis  durch  eine  Schräge  gebildet  wird;  eine  Bogenstellung 
von  10'  Weite  ist  zu  ergänzen.  Die  Anschlußfläche  des  Deckengewölbes  läßt  sich, 
wie  erwähnt,  an  der  Rückwand  verfolgen;  ihr  unterer  Rand  hegt  bei  10,50,  der  obere 
bei  rund  12  m.  Die  Technik  der  Pfeiler  entspricht  der  domitianischen  (ganz  gleiche 
Pfeiler  auch  im  domitianischem  Stadium  auf  dem  Palatin).  Der  erste  Pfeiler  von  Osten 
enthält  den  Stempel  CIL  XV  1346  (Q.  Oppius  Natalis),  der  am  Südostbau  sowohl 
f lavisch  (S.  21)  als  hadrianisch  (S.  25,  3,  a,  i)  vorkommt,  vgl.  S.  10.  Die  beabsichtigte 
Lage  der  anscheinend  nicht  ausgeführten  Oberschicht  des  Paviments  der  Porticus  be- 


Richard  Delbrueck,  Der  Sudostbau  am  Forum  Romanum.  |q 


zeichnet  ein  Ausschnitt  in  den  Travertinquadern  der  Rückwand.  Die  Unterschicht 
besteht  zwischen  den  Pfeilern  aus  Bipedales,  dahinter  aus  Spicatum;  ein  faßbarer 
Unterschied  gegen  das  sicher  hadrianischc  Spicatum  in  anderen  Teilen  des  Gebäudes 
ist  nicht   vorhanden. 

Der  östliche  Abschnitt  der  Porticus  bis  zum  zweiten  Pfeiler  zeigt  Besonder- 
heiten, die  einer  Erklärung  bedürfen,  Taf.  5,  A.  2. 

a)  Die  Anschlußfläche  für  das  Deckengewölbe  der  Porticus  ist  bis  zum  Bogen- 
portal  des  kleinen  Saales  durch  Anhacken  der  Wandverkleidung  nach  unten  verbrei- 
tert. 

b)  Über  dem  Portal  wurde  sie  anscheinend  erst  nachträglich  durchgeführt,  wäh- 
rend ursprünglich  die  Wand  glatt  gewesen  zu  sein  scheint. 

c)  Der  erste  Pfeiler  von  Osten  umfaßt  die  Ecke  des  Nordostraumes  und  schiebt 
sich  vor  die  Öffnung  des  Portals. 

d)  Nachträglich  ist  die  Öffnung  des  Portals  unsymmetrisch  verengt,  die  Lünette 
geschlossen. 

Anscheinend  war  die  ursprüngliche  Absicht  l.  das  Deckengewölbe  der  Porticus 
bis  zum  östlichen  Ende  in  gleicher  Breite  durchzuführen,  2.  es  über  dem  Portal  zu 
unterbrechen,  wo  es  vermutlich  von  einer  breiteren,  höher  sitzenden  Tonne  überquert 
werden  sollte;  folgerichtig  hätte  das  vor  dem  Portal  stehende  Pfeilerpaar 
dessen  Laibungen  symmetrisch  flankieren  müssen,  Abb.  3.  —  Voraussetzung  wäre 
die  Niederlegung  des  Nordostraumes  gewesen.  Da  er  stehen  bheb,  mußte  entsprechend 
seinem  etwas  größeren  Abstände  von  der  Rückwand  die  Spannung  des  Gewölbes 
im  letzten  Abschnitte  gesteigert,  also  die  Anschlußfläche  verbreitert  werden.  Das 
dem  Portal  gegenüberliegende  Pfeilerjoch  wurde  ferner  von  Osten  verengt  und  aus  der 
Achse  verschoben ;  daher  unterblieb  das  beabsichtigte  Quergewölbe  und  wurde  die  Tonne 
der  Porticus  auch  über  dem  Portal  durchgeführt;  hierzu  mußte  die  Lünette  geschlossen 
werden,  was  wieder  eine  Verengerung  der  Öffnung  bedingte.  Diese  erfolgte  unsym- 
metrisch, um  die  Verschiebung  des  ersten  Joches  der  Porticus  gegen  das  Portal  wenigstens 
zu  mildern.  Durch  die  Niederlegung  des  Nordostraumes  wäre  auch  ein  freier  Raum  vor 
dem  Ausgange  des  Treppenhauses  entstanden.  —  Das  letzte  Stück  der  Porticus  mit  dem 
Ausgang  des  Treppenhauses  sollte  ursprünglich  durch  eine  Quermauer  abgetrennt 
werden,  deren  Anschlußfläche  da  ist.  Den  östlichen  Abschluß  bildet  jetzt  eine  ältere, 
schräg  laufende  Stützmauer  aus  mehreren  Perioden,  S.  29,  5,  e;  gewiß  war  eine 
andere  Lösung  beabsichtigt. 

Der  östhche  Abschnitt  der  Porticus  hatte  ein  oberes  Geschoß;  erhalten  ist  der 
Anfang  der  östlichen  Quermauer  (älter)  und  Spicatum,  das  unter  freiem  Himmel 
meines  Wissens  nicht  üblich  ist.  Vor  dem  Westsaal  war  ebenfalls  ein  oberes  Stockwerk 
beabsichtigt,  wie  die  erwähnte  Regenrinne  zeigt,  S.  16;  es  wurde  jedoch  schon  wäh- 
rend des  Baus  aufgegeben,  da  keine  Spur  einer  Decke  vorhanden  ist. 

Nach  Errichtung  der  Porticus  bekam  der  Nordostraum  eine  Vorhalle  (vermut- 
lich an  Stelle  einer  früheren,  S.  30),  die  gleichzeitig  auf  das  Portal  des  kleinen  Saales 
zuführte.  In  unteren  Teilen  erhalten  sind  4  starke  Wandpfeiler  an  der  Türwand 
(deren  südlichster  gegen  den  ersten  Pfeiler  der  Porticus  gebaut  ist),  und  eine  ent- 


20  Richard  Delbrueck,  Der  Sudostbau  am  Forum  Romanum. 


sprechende  Vorlage  an  dem  zweiten  Pfeiler  der  Porticus.  Vermutlich  waren  es  2  x  4 
Pfeiler,  die  ein  Gewölbe  trugen.  Die  Technik  gleicht  noch  genau  der  domitianischen. 
—  Die  Türwand  des  Nordostraumes  erhielt  Inkrustation  aus  staft-ken  weißen  Marmor- 
platten; Reste  des. Sockels  sind  da;  gleichzeitig  ist  wohl  ein  Bodenbelag  aus  weißem 
Marmor. 

Der  Grund,  weshalb  der  Nordostraum  entgegen  dem  ursprünglichen  Projekt 
stehen  blieb,  ist  vermutlich  darin  zu  suchen,  daß  es  ein  Heiligtum  der  Minerva  war, 

s.  30. 

Den  Oberbau  der  Porticus  wegen  der  Veränderung  des  Planes  auf  der  Nordseite, 
vielleicht  auch  auf  der  Westseite,  erst  nachdomitianisch  (dann  wohl  hadrianisch  ?)  an- 
zusetzen, ist  diskutabel;  eine  Entscheidung  läßt  sich  meines  Erachtens  nicht  treffen; 
die  Technik  gleicht  der  domitianischen,  findet  sich  aber  noch  hadrianisch,  z.  B.  an  den 
Verstärkungsbauten  der  Domus  Augustana;  der  Stempel  des  Q.  Oppius  Natalis  er- 
scheint wie  gesagt  am  Südostbau  in  flavischer  und  hadrianischer  Zeit;  das  Spicatum 
ist  zu  wenig  charakteristisch.  Vielleicht  könnte  man  durch  ausgedehnte  technische 
Vergleichung  weiter  kommen. 

5.  Vorbau  der  Westseite.   Taf.  2.  5. 

Erhalten  der  nördliche  Abschluß,  eine  starke  Mauer,  nach  Westen  zu  zerstört, 
12  m  hoch  (ursprüngliches  Maß),  mit  breiter  Apsis  im  Norden;  auf  der  Wand  des 
Westsaales  Anschlußfläche  für  ein  Tonnengewölbe,  anscheinend  unbenutzt.  —  Der 
Vorbau  war  breiter  als  die  Porticus;  eine  zweite  Apsis  im  Norden  ist  ausgeschlossen, 
da  hier  wenig  spätere  Mauern  aufrecht  stehen.  —  Am  Südende  der  Westwand 
in  etwa  20  m  Höhe  erscheinen  gleichmäßig  vortretende  Bipedales,  darunter  eine 
Schicht  rauhe  Verkleidung,  —  Anschluß  für  den  Plattenfußboden  der  Terrasse  eines 
zweiten  Stockwerks,  Taf.  9.  Unter  den  Bipedales  ist  die  Wandfläche  etwa  1,20  m  weit 
zerstört,  dann  glatt  verkleidet ;  also  fehlt  der  Platz  für  die  Anschlußfläche  eines  der 
Breite  des  Vorbaus  entsprechenden  Tonnengewölbes ;  eher  ist  eine  wagerechte  Decke 
aus  Mörtelwerk  oder  Holz  anzunehmen.  Eine  Regenrinne  für  das  Dachwasser  der 
Terrasse  geht  nicht  bis  oben  durch;  daraus  ist  wohl  zu  schließen,  daß  das  obere  Ge- 
schoß schon  während  des  Bauens  aufgegeben  wurde.  (Der  gleiche  Befund  an  der 
Nordseite.    S.  16  ) 

6.  Kloaken.     Taf.  2. 

Gefälle  nach  dem  Vicus  tuscus;  allgemeiner  Verlauf  ostwestlich,  ungefähr  in 
der  Orientierung  der  Horrea  Germaniciana,  Ausmündung  in  einen  mit  annähernd 
gleicher  Orientierung  nordsüdlich  unter  dem  Vicus  tuscus  laufenden  Kanal.  —  Drei 
Abschnitte:  a)  Treppenhaus,  b)  umlaufend  unter  dem  Umgang  des  Atriums,  c)  durch 
den  Westsaal.  Nur  der  zweite  Abschnitt  ist  ganz  domitianisch,  die  übrigen  früher, 
S.  30f . ;  er  erhält  einen  sich  stark  verengenden  Zufluß  aus  der  Exedra,  und  wird  durch 
ein  geknicktes  Stück  mit  dem  dritten  Abschnitt  verbunden;  unter  der  Nordseite  des 
Umganges  eine  südlich  auf  den  Einbau  gerichtete  Abzweigung,S.  14.  Ferner  domitia- 
nisch eine  von  Norden  in  den  ersten  Abschnitt  mündende  überdeckte  Rinne,  die  an 
der  Westwand  des  Treppenhauses  hinläuft.  Bauweise  der  Kloake:  Boden  Bipedales, 
Wände  normal  verkleidet,  Decke  zwei  zusammengelehnte  Bipedales.     Stempel  auf 


Richard  Delbrueck,   Der  Sudostbau  am   Forum  Romanum.  2  I 


den  Bipedales  (nach  freundlicher  Feststellung  von  Dr.  Lugli),  CIL  XV  638,  1094, 
1095,  1097,  1362,  ferner  1346  (Q.  Oppius  Natalis);  da  die  zur  Entwässerung  des  Bau- 
platzes nötige  Kloake  kaum  später  sein  kann,  ist  auch  dieser  Stempel  hier  wohl  fla- 
visch,  vgl.  S.  10.  Wo  die  Kloake  durch  ein  domitianisches  Fundament  geht,  ist 
eine  Lücke  ausgespart;  man  sieht  die  Abdrücke  der  Bretterschalung. 

Die  Regenrinnen  in  der  Nordmauer  lassen  einen  Kanal  an  ihrem  Fuß  vermuten, 
er  ist  nicht  zugänglich. 

Über  die  älteren  Abschnitte  a)  und  c),  S.  30,  8,  den  hadrianischen  Kanal  im 
Einbau  des  Atriums  S.  25, 3,  a,  l,  ein  vielleicht  hadrianisches  Stück  im  Westsaal  S.  25,  c. 
(Die  Erforschung  der  Kloaken  war  nicht  beendet,  als  die  Arbeit  abgebrochen  wurde.) 

7.  Unfertigkeit;  ursprüngliche  Bestimmung;  architektonische  Vor- 
aussetzungen. 

Der  domitianische  Bau  blieb  unvollendet: 

a)  das  innere  Fundament  des  Atriums  und  der  Vorsprung  des  Fundaments 
an  der  Westwand  des  Westsaales  erhielten  keinen  Oberbau ; 

b)  im  Umgange  des  Atriums,  am  westlichen  Vorbau  und  anscheinend  auch  im 
Westsaal  wurden  die  geplanten  Gewölbe  nicht  ausgeführt; 

c)  nirgends  erscheinen  sichere  Reste  von  domitianischem  Fußboden; 

d)  Wandinkrustation  war  geplant,  wie  aus  dem  Lager  für  das  Gebälk  einer  Pi- 
lasterordnung  im  Westsaal  hervorgeht  —  außerdem  selbstverständlich  ist  — ,  wurde 
aber  nicht  ausgeführt;  es  fehlt  selbst  jede  Spur  der  Mörtelbettung  sowie  der  Löcher 
für  die  Klammern,  mit  denen  die  Inkrustationsplatten  befestigt  wurden  (Töbelmann, 
Malborghetto   8). 

Der  Südostbau  steht  durch  das  Treppenhaus  in  so  enger  Verbindung  mit  dem 
Tiberiuspalast,  daß  er  ein  Annex  der  Kaiserpaläste  sein  muß.  Am  Forum  hat  er  nur 
zwei  Eingänge,  ist  also  kein  Verkehrsgebäude,  etwa  eine  Basilika;  ein  Heiligtum  ist 
durch  die  Gestalt  der  Räume  ausgeschlossen,  ebenso  ein  Wohngebäude.  Hingegen 
paßt  manches  für  einen  Empfangspalast,  ein  Seitenstück  zu  der  Domus  Augustana 
auf  dem  Palatin.  —  Der  beabsichtigte  Verlauf  des  Verkehrs  ergibt  sich  aus  den 
Verkehrsbahnen,   die  besonders  durch  die  Haupttüren  bezeichnet  werden,   Taf.  3. 

A.  Vom  Palatin  in  den  Westsaal  (für  den  Kaiser  und  sein  Gefolge) ;  Treppenhaus, 
Haupttür  in  der  Westwand  des  unteren  Ganges,  östlicher  Umgang  des  Atriums, 
Exedra  —  hier  Ruhepunkt  — ,  Haupttür  in  das  Zwischenzimmer  (Ruhegemach 
für  den  Kaiser),  Haupttür  aus  dem  Zwischenzimmer  in  den  Westsaal;  hier  kein  deut- 
Hcher  Zielpunkt,  am  ersten  die  Mitte  der  Ostwand. 

B.  Vom  Forum  in  die  mittlere  Raumflucht ;  nördliches  Portal  des  kleinen  Saales 
(6,5  m  weit,  daher  für  starken  Verkehr),  Stauung  im  Saal  (rund  400  qm),  südliches 
Portal,  östlicher  Umgang  des  Atriums,  an  der  Exedra  vorbei,  durch  den  westlichen 
Umgang  des  Atriums  zurück  in  den  kleinen  Saal  und  auf  das  Forum.  (Für  Treppen- 
haus und  Westsaal  wäre  das  Atrium  ein  Umweg,  das  Zwischenzimmer  ist  wohl  zu 
klein  um  einen  so  starken  Verkehr,  wie  er  den  Portalen  des  kleinen  Saales  entspricht, 
passieren  zu  lassen.) 

Die  Bahnen  A  und  B  berühren  sich  an  der  Exedra;  hier  hätte  ein  vorbeidrängen- 


22  Richard  Delbrueck,  Der  SOdostbau  am  Forum  Romanuro. 


der  Zug  den  Kaiser  flüchtig  begrüßen  können;  die  Nebenräume  der  Exedra  eignen 
sich  für  Wachen.  —  Möglich,  daß  die  Exedra  außerdem  Kultraum  werden  und  im 
Atrium  ein  Brandaltar  stehen  sollte.  —  Querverbindungen  gingen  aus  den  beiden 
Türen  des  Treppenhauses  durch  die  gegenüberliegenden  Nebentüren  in  den 
Westsaal. 

C.  Vom  Forum  in  den  Westsaal  führte  dessen  nördUche  Haupttür;  ein  Ziel  für 
den  Verkehr  ist  architektonisch  nicht  gegeben ;  er  hätte  sich  im  Saale  verteilen  müssen, 
der  also  zu  längerem  Aufenthalt  bestimmt  sein  sollte;  das  entspricht  auch  seiner 
Kolossalität.  Hier  sollte  wohl  der  Kaiser  in  einem  engeren  Kreise  von  Gästen  ver- 
weilen. Durch  die  Annahme,  daß  die  Verteilung  der  Menschen  durch  Möbel  näher 
bestimmt  sein  sollte,  käme  man  auf  einen  Speisesaal,  der  mit  rund  750  qm  etwa  150 
bis  200  Menschen  hätte  fassen  können;  das  Zwischenzimmer  wäre  bei  dieser  Auf- 
fassung vielleicht  als  abgesondertes  Speisezimmer  für  den  Kaiser  zu  betrachten. 

Ich  möchte  also  für  den  Südostbau  die  Bezeichnung  »unvollendeter  Empfangs- 
Palast  des  Domitian  am  Forum«  vorschlagen.  Unter  den  Bauten  Domitians  (Jordan 
n  31  ff.)  ist  er  nicht  genannt,  begreiflicherweise,  da  er  unvollendet  blieb. 

Der  Empfangspalast  bildete  den  westlichen  Abschluß  der  Bauten,  durch  die 
Domitian  den  Palatin  umgestaltete.  Neu  errichtet  wurden  der  Hauptpalast  (Domus 
Augustana),  mit  den  südlich  anschließenden  Sälen,  der  kleine  Palast  am  Zirkus  Maxi- 
mus und  das  Stadium,  umgestaltet  der  Raum  zwischen  Nova  Via  und  Tiberiuspalast. 
—  Daß  Domitian,  wie  vor  ihm  Caligula  »Palatium  Forum  usque  promovit«  und  daß 
er  gerade  die  Repräsentation  dorthin  verlegen  wollte,  war  der  Ausdruck  seiner  gegen 
den  Senat  gerichteten  Politik;  in  gleicher  Absicht  stellte  er  seine  riesige  Reiterstatuc 
mitten  auf  das  Forum  und  errichtete  gegenüber  dem  Tempel  des  Divus  Julius  den 
des  Verspasian.  Diese  politische  Bedeutung  würde  verständlich  machen,  daß  der 
Bau  des  Empfangspalastes  nach  dem  Tode  und  der  Damnatio  memoriae  Domitians 
nicht  fortgeführt  wurde. 

Gefordert  waren  für  den  Südostbau  anscheinend  hauptsächlich  ein  Aufgang 
zum  Palatin,  ein  großer  und  ein  kleiner  Saal.    Die  Raumeinteilung  war  bestimmt: 

a)  durch  konstruktive  Voraussetzungen;  der  Architekt  verwendete  tonnen- 
gewölbte Räume,  die  von  den  Stirnseiten  her  beleuchtet  werden  mußten; 

b)  durch  die  Umgebung  des  Bauplatzes  (Abb.  i ) ;  die  Treppe  zum  Tiberiuspalast 
mußte  am  Abhang  des  Palatin  liegen,  die  Südseite  des  Bauplatzes  wurde  durch  die 
etwa  20  m  hohe  Horrea  Germaniciana  abgeschlossen,  die  westliche  Hälfte  der  Nord- 
seite durch  den  35  m  hohen  Kastortempel  verdunkelt.  Also  mußten  die  Licht  zu- 
führenden Stirnseiten  der  beiden  Säle  am  Vicus  tuscus  und  dem  Juturnabezirk 
liegen.  Daraus  ergab  sich  die  Breite  beider  Räume;  die  Tiefe  des  Westsaales  wurde 
beschränkt  durch  den  kleinen  Saal,  die  Tiefe  des  kleinen  Saales  durch  das  für  die 
Beleuchtung  des  südlichen  Teiles  der  mittleren  Raumflucht  nötige  Atrium. 

Da  die  Widerlager  des  Westsaales  Fenster  haben  sollten,  mußten  sie  über  die 
Horrea  Germaniciana  und  den  Schatten  des  Kastortempels  emporgeführt  werden. 
Die  Höhe  des  kleinen  Saales  war  vermutlich  dadurch  beschränkt,  daß  die  östliche 
Lünette  des  Westsaales  durchbrochen  sein  sollte. 


Richard  Dclbrueck,   Der  Südostbau  am   Forum   Ronianum. 


Die  Binnenwände  sind  großenteils  Widerlager  der  tonnengewölbten  Decken; 
daher  blieben  die  nebeneinanderliegenden  Räume  gegenseitig  ziemlich  abgeschlossen. 

Aus  der  Lage  des  Südostbaus  im  Mittelpunkt  des  Verkehrs  ergab  sich,  daß 
seine  freien  Seiten  von  Portiken  eingefaßt  wurden. 


II.  DIE  HADRIANISCHEN  EINBAUTEN.     Taf.  2.  4.  6,  B.  7,  B.,  Abb.  4. 

Nachträglich  wurde  der  Südostbau  für  praktische  Zwecke  eingerichtet.  Zwei 
Perioden  sind  zu  scheiden.  Die  zweite  ist  durch  Stempel  hadrianisch  datiert,  die  erste 
kaum  älter,  da  die  Technik  identisch  ist.  — 
Die  Mauern  enthalten  fast  nur  Ziegclbruch;  die 
Verkleidungssteine  sind  zugeschlagen  aus  dun- 
kelroten, mittelguten  Dachziegeln,  seltener  aus 
Bipedales  oder  Bessales;  wenig  Durchbinder, 
grauer  Mörtel;  Stempel  CIL  XV  78,  319,  500; 
123  n.  Chr.  Gewölbe  sind  an  den  Auflagern  zu- 
rückgesetzt, manchmal  mit  Plattenziegeln  ge- 
füttert. Häufig  ist  mittelgutes  Spicatum  aus 
roten  und  gelben  Steinen. 

A.  Erste  Periode,  —  gesichert  nur  im 
Treppenhaus.  Wandsockel  aus  festem  starkem 
Ziegelputz;  Spicatam,  dem  Putz  gleichzeitig, 
an  dessen  untere  Schicht  es  anschließt.  (Kleines 
älteres  Stück  feines  gelbes  Spicatum  im  un- 
teren Gange  des  Treppenhauses,  am  Beginn  der 
Steigung,  S.  29.) 

Latrine  auf  dem  ersten  Podest,  Abb.  5.  Loch  in  der  Südosteckc,  davor  niedriger 
Mauerwinkel  mit  Türöffnung  nach  Norden ;  etwas  südlich  Quermaucr  über  den  Podest, 
rund  4  m  hoch,  Tür  am  östlichen  Ende.  (Die  Mauern  der  ersten  Periode  sind  im 
Plan  Taf.  4,  A  und  auf  Abb.  5  dunkler  schraffiert). 

B.  Zweite  Periode. 

1.  Treppenhaus.    Zwei  Treppen  an  der  Latrine: 

a)  abwärts  zum  Atrium,  roh  aus  der  Mauer  geschlagen,  Travertinstufen;  gegen- 
über dem  oberen  Ende  neuer  Zugang  zum  Loch. 

b)  auf  den  Umgang  des  Atriums;  einige  Stufen  vor  der  Quermauer  der  ersten 
Periode,  dann  westUch  aufwärts  auf  einem  steilen  Schwibbogen,  dessen  unteres  Ende 
erhalten  ist  (gefüttert  mit  Bessales);  am  oberen  Ende  durchgebrochene  Tür.  Gegen 
Norden  wurde  die  Latrine  durch  diese  Treppe  abgeschlossen,  daher  der  neue  Zugang 
vom  Atrium  her.  Stempel  auf  einer  der  ersten  Stufen  CIL  XV  319,  123  n.  Chr.  und 
auf  einem  Bessalis  am  Schwibbogen  ebenda  500,  123  n.  Chr. 

2.  Atrium.  Taf.  2.  6,  B. 

a)  Aufbau  auf  dem  inneren  Fundament;  nur  0,85m  Wandstärke;  an  den  Schmal- 
seiten breite  Öffnungen  mit  Rundbögen  (Ansätze  erhalten);  an  den  Langseiten  je  drei 


Abb.  4.   Siidostbau,  Planskizze,  hadrianischer 
Zustand,   I  :  1500. 


24 


Richard  Delbnieck,  Der  Sadostbau  am  Forum  Romanum. 


Joche  mit  quadratischen  Zwischenpfeilern,  ursprünglich  scheitrecht  überdeckt 
(Ansatzspur  am  südwestlichen  Eckpfeiler);  das  Kämpferprofil  der  Rundbögen, 
—  Schräge  und  Platte  —  lief  um.  Stempel  am  ersten  Zwischenpfeiler  der  Westseite 
CIL  XV  78,  123/7  n.  Chr.  —  Die  Öffnungen  des  Einbaus  waren  durch  Schranken- 
mauern geschlossen  (im  Westen  schwächer),  von  denen  untere  Schichten  erhalten 
sind;  ein  Zugang  scheint  nur  in  der  Mitte  der  Südseite  gewesen  zu  sein;  Befund  schwie- 
rig und  nicht  restlos  klar. 


Abb.  5.     Abtritt  im  Treppenhaus. 


b)  Tonnengewölbe  im  Umgang,  etwas  tiefer  sitzend  als  der  domitianischen  An- 
schlußfläche entspricht;  an  den  Schmalseiten  in  Verlängerung  der  Bogenöffnungen 
des  Einbaus  überquert  von  breiteren  Tonnen,  die  auf  Segmentbögen  ruhten;  da 
die  gegenüberliegenden  Bogenöffnungen  der  Umfassungsmauer  nicht  genau  ent- 
sprachen, mußten  sie  niedriger,  im  Süden  auch  enger  gemacht  werden.  Oben  trägt 
das  Umgangsgewölbe  Ziegelestrich.  —  Auf  dem  östlichen  Abschnitt  des  Umgangs 
niedrige,  tonnengewölbte  Galerie;  erhalten  am  nördlichen  Ende  Spur  der  Tonne 
mit  einem  Bipedalis  von  der  Fütterung,  Stempel  CIL  XV  319,  123  n.  Chr.  Eine 
ähnhche  Galerie  im  Westen  wird  durch  den  stark  zerstörten  Befund  nicht  ausge- 
schlossen. 


Richard  Delbtueck,  Der  Sttdostbau  am  Forum  Romanum. 


25 


c)  Fußboden. 

a)  Bettung:  Spicatum,  zwischen  den  Pfeilern  Bipedales;  im  Einbau  rund  0,25  m 
tiefer.  Um  den  inneren  Rand  des  mittleren  Fundaments  läuft  im  Norden,  Osten  und 
Westen  dicht  unter  dem  Spicatum  ein  kleiner  Wasserkanal,  nach  der  Technik  sicher 
hadrianisch;  unlesbarer  Stempel  mit  kleinem  Orbiculus;  Abfluß  östlich  in  die  domi- 
tianische  Kloake,  nachträglich  angelegt.  In  der  Mitte  des  Einbaus,  etwas  östlich 
verschoben,  achteckiges  flaches  Stück  Mörtelwerk,  außen  verkleidet,  oben  glatt, 
s.  u.,  nordsüdlich  von  einer  Furche  durchschnitten,  die  für  ein  Wasserrohr  passen 
würde;  vielleicht  Unterlage  für  ein  tellerartig  flaches  Marmorbecken  mit  kleinem 
Springbrunnen,  wie  vor  der  Kurie   (RM.   1902,   37). 

^)  Oberschicht.  Im  Einbau  zerstört;  die  Höhe  gesichert  durch  ein  Stück 
Wandsockel  aus  weißem  Marmor  am  nordwestlichen  Pfeiler  und  die  glatte  Oberfläche 
des  Achtecks.  —  Im  Umgang  Marmormosaik,  von  dem  einige  weiße  Würfel  an  der 
Westseite  des  Einbaus  kleben  (Taf.  2  durch  Stern  bezeichnet).  Der  Niveauunter- 
schied ist  derselbe  wie  bei  der  Bettung,  rund  0,25  in  (nicht  genau  notiert).  —  Aus 
dem  Niveauunterschied  und  dem  Wasserkanal  folgt  mit  Wahrscheinlichkeit,  daß 
der  mittlere  Teil  des  Atriums  auch  in  hadrianischer  Zeit  nicht  überdeckt  war. 

7)  Wandputz.  Spuren  an  den  Wänden  des  Atriums,  gut  erhalten  in  der  Exedra 
und  ihrem  östUchen  Nebenraum;  dort  Malerei  »vierten  Stils«;  im  oberen  Teil  der 
Wand  —  der  untere  ist  verdeckt,  S.  27,  leichte  flüchtige  Phantasiearchitektur;  in 
Kämpferhöhe  und  am  Gewölbescheitel  Bandgeschlinge  mit  figürhchen  Medaillons, 
erhaltene  Farben  rot  und  kupferblau.  (Es  ließe  sich  noch  mehr  feststellen,  vergleich- 
bar sind  die  Malereien  in  den  unteren  Zimmern  der  hadrianischen  Apsis  am  domi- 
tianischen    Stadium.) 

3.  Westsaal.   Taf.  2.  7,  B. 

An  den  Langseiten  waren  Einbauten  von  je  3  Stockwerken  zu  7  tonnengewölbten 
Kammern;  Auflager  der  Gewölbe  bei  rund  7,14,  21  m.  Datierung  durch  die  Mauer- 
technik.   Schlecht  erhalten,  Beobachtung  nicht  abgeschlossen. 

a)  Fußboden. 

1.  Unterschicht;  an  der  Westseite,  rund  0,70  m  unter  der  Oberkante  des 
Wandfündaments ;  Spicatum  (älter,  S.  2X),  darinQuerreihenvon  Bipedales  entsprechend 
der  Stirnwand  und  den  Querwänden  des  Oberbaus;  Stempel  CIL  XV  1346  (Q.  Oppius 
Natalis)  hier  nach  dem  Befund  hadrianisch,  S.  10.  Die  Querreihen  greifen  mit  dem 
östlichen  Ende  auf  den  Fundamentvorsprung  an  der  Westwand  des  Saales  über, 
dessen  obere  Travertinschicht  nachträghch  fortgenommen  ist;  Abdrücke  einzelner 
Blöcke  sind  zu  erkennen.  Das  dem  Einbau  entsprechende  Stück  der  älteren,  großen 
Kloake  des  Westsaales  ist  gebaut  wie  die  domitianische  Strecke  unter  dem  Atrium, 
vermutlich  aber  erst  hadrianisch  (Stempel  nicht  notiert). 

2.  Oberschicht;  an  der  Ostseite,  dicht  über  den  Travertinen  des  Fundaments, 
Spicatum,   darunter  ein  Boden  aus  Bipedales  auf  Pilae  aus  Bessales  =  Hypokausten. 

b)  Oberbau. 

I.  erstes  Geschoß:  an  der  Ostwand,  südlich  der  mittleren  Nische,  Stumpf  einer 
Quermauer  (wo  die  nächste  Quermauer  nach  Süden  zu  liegen  müßte,    ist  auffallender- 


26  Ricliard  Ddfaiae^  Der  Sldosibaa  am  Fonmi  Romamm. 

weise  Spicatum  erhalten,  vielleicht  war  hier  eine  Tür) ;  vor  der  Westwand  die  Bettung 
der  Stirnmauer  und  der  Quermauem  s.  o.,  a  i.  An  den  Schmalwänden  nachträglich 
eiiigehackte  Auflager  für  die  äußeren  Schenkel  der  letzten  Gewölbe:  eine  Lücke  in 
den  Auflagern  und  Spuren  an  den  Wänden  lassen  erkennen,  daß  die  Kammern  durch 
eine  nordsüdlich  laufende  Zwischenmauer  geteilt  wurden. 

2.  Zweites  Geschoß,  entsprechende  Auflager; 

3.  Drittes  Geschoß  dgl. ;  femer  an  den  äußeren  Laibungen  des  zweiten  und 
vierten  Fensters  auf  der  Sohle  Anfänge  der  Stimbögen,  etwas  tiefer  Spuren  der 
Stirnwände.    An  der  Ostwand  Putzreste  von  den  Rück\^'änden  der  Kammern. 

4.  Das  Fenster  der  Ostwand  ist  fast  bis  oben  nachträglich  vermauert ;  die  höchsten 
Schichten  der  Füllung  haben  rauhe  Anschlußfläche,  anschließend  geht  ein  ange- 
hackter Streif  über  die  Ostwand  und  eine  Spur  über  die  Nordwand ;  vermutlich  An- 
schluß für  einen  Dachestrich. 

5.  Im  Saale  liegt  das  Kopfstück  einer  Zwischenmauer  mit  dem  Ansatz  zweier 
divergierender  Stichbögen,  die  unten  Bruch  zeigen,  also  auf  Mauerwerk  lagen ;  dem- 
nach waren  die  Kammern  nicht  in  voller  Breite  geöffnet.  Die  Ziegeltechnik  des 
Stückes  ist  charakteristisch  hadrianisch. 

Auf  den  Fenstersohlen  der  Schmalseiten  stehen  untere  Schichten  schwacher 
Mauern;  sie  waren  also  mindestens  teilweise  zugesetzt.  Das  Lager  über  den  Nischen 
ist  vermauert,  ebenso  die  untere  Hälfte  der  Mittelnische  der  Ostwand.  Möglich  ist, 
daß  der  Einbau  auch  an  den  Schmalseiten  umlief:  der  Befund  war  nicht  ge- 
klärt, als  die  Arbeit  abgebrochen  wurde. 

Anzunehmen  sind  Galerien  vor  den  oberen  Stockwerken  und  Treppen.  Das 
rohe  Travertinpflaster  zwischen  den  Einbauten  könnte  zum  Teil  ursprünglich  sein. 

Außen  vor  der  Westwand  läuft  eine  Reihe  entsprechender  Kammern,  die 
aber  nach  Norden  zu  2  Räume  mehr  hat.  Die  Quermauem  sind  mannshoch  erhalten; 
vom  enden  sie  in  etwas  breiteren  Pfeilern,  die  mit  Bessales  verkleidet  sind.  Der  Boden 
besteht  aus  Spicatum;  ob  Hypokausten  da  sind,  läßt  sich  nicht  feststellen.  Das 
Intervall  in  der  Querachse  des  Westsaales  ist  etwas  enger,  vielleicht  lag  hier  eine  Tür, 
S.  15.  Die  nördlichste  Ouermaucr  ist  etwas  stärker;  sie  war  also  die  letzte  und  die 
Kammern  waren  über\s"ölbt.  Über  das  \'erhältnis  zur  Porticus  S.  18,  4.  In  der  süd- 
lichsten Kammer  steigt  eine  Treppe  empor.  —  \'ermutlich  waren  auch  hier  drei 
Geschosse  vorhanden.  Westlich  von  den  Kammern  muß  ein  überdeckter  Raum  ge- 
legen haben,  da  sie  breit  geöffnet  sind. 

Zweck  der  hadrianischen  Umbauten.  —  Die  Hypokausten  führen 
darauf,  daß  die  Kammern  bewohnt  waren :  das  .\trium  und  die  Exedra  konnten  zu 
gemeinsamem  Aufenthalt  dienen,  .\hnlich,  nur  etwas  vornehmer  ist  das  sogenannte 
Gcfolgequartier  der  Hadriansvilla  (Winnefeld  35  f.  Taf.  IX).  Es  handelt  sich  also 
um  eine  Sklavenkaseme  für  die  Kaiserpaläste,  mit  über  60  Cellae  von  rund  4  :  6  ra 
Bodenfiäche. 

Daß  die  Porticus  möghcherweise  erst  hadrianisch  ist,  wurde  er\vähnt  S.  20. 
Sicher  spät  ist  ihr  mürber  weißer  Putz;  unter  ihm  ist  die  Wandflächc  mit  kleinen, 


Ridiaid  Ddbnieck,  Der  Sldosäno  am  Fonim  Romanam. 


27 


breitköpfigen  eisernen  Nägeln  unregelmäßig  besetzt,  die  vermutlich  durch  Fäden 
verbunden  waren,  um  dem  Putz  Halt  zu  geben. 

Ejnige  nebensächliche  hadrianisrhe  Veränderungen  und  Zusätze  bleiben  bei 
Seite. 

ni.  DIE  SPÄTANTIKE  AUSSCHMCCKUNG. 

In  der  Spätantike  erhielten  das  Atrium,  die  Exedra  und  ihr  östlicher  Nebenraum 
kostbare  Dekoration.  Vom  Paviment  sind  im  Einbau  des  Atriums  große  Platten 
aus  grauem  Granit  erhalten;  im  Umgang  ist  es  zerstört,  in  der  Exedra  jünger.  Die 
quadratischen  Pfeiler  des  Einbaus  wurden  durch  Säulen  ersetzt,  wobei  Stümpfe  der 
Pfeiler  als  Postamente  blieben.  Die  Säulenschäfte  sind  aus  grauem  Granit,  spätantik, 
die  weißen  Basen  und  Kapitelle  älter.  Die  Inkrustation  der  VV'ände  ist  am  besten 
erhalten  in  der  Exedra  und  ihrem  östlichen  Nebenraum:  Reste  von  weißem  Marmor- 


Abb.  6.     Spätantike  Kapitelle. 


sockel,  darüber  in  der  Südostecke  der  Elxedra  etwas  buntes  Opus  sectile,  sonst  Mörtel- 
bettung mit  Abdrücken  und  Klammcrlöchem.  Die  Inkrustation  bestand  aus  niedrigen 
Pilasterzonen  und  reichte  bis  zur  Höhe  der  Nischen;  darüber  lag  die  hadrianische 
Wandmalerei  frei.  Im  Atrium  finden  sich  nur  Klammerlöcher  und  geringe  Reste  der 
Mörtelbettung. 

Wahrscheinlich  zugehörig  sind  Wandkapitelle  und  andere  Teile  einer  Relief- 
architektur aus  feinem  durchscheinendem  weißem  Marmor,  um  400  n.  Chr.  (AM. 
1914,  46  f.  Taf.  VI  3  und  6.    Weigand).    Abb.  6. 

Ob  der  Mittelraum  des  Atriums  überdeckt  war,  ist  nicht  zu  entscheiden;  ich 
möchte  vermuten,  daß  es  der  Fall  war,  und  daß  vier  große,  nachträglich  eingehauene, 
noch  später  wieder  zugesetzte  Balkenlöcher  an  der  Westwand,  oberhalb  des  Um- 
ganges, in  diese  Zeit  gehören.     (Taf.  5,  B.) 

Der  Baubefund  er^bt  nicht,  ob  die  neu  geschmückten  Räume  schon  eine 
Kirche  waren;  wahrscheinHch  ist  es.  Die  späteren  Veränderungen  werden  hier 
nicht  behandelt,  obwohl  zu  den  bisherigen  Bearbeitungen  mancherlei  nachzu- 
tn^en  wäre. 


28 


Richard  Delbrueck,  Der  SQdostbau  am  Forum  Romanum. 


IV.  VORDOMITIANISCHE  RESTE.     Taf.  2.  4,  A.  Abb.  7. 

I.  Im  westlichen  Teil  des  Westsaales,  in  der  Orientierung  der  Horrea  Germani- 
ciana  nordsüdlich  laufende  Fundamentbettung  mit  Quaderrest  aus  mürbem  grauem 
Tuff,   frührepublikanisch. 

2.   Ebenda  und  m  gleicher  Richtung  Tabernae  aus  kleinsteinigem  Retikulat, 
augusteisch. 

3.  Im  kleinen  Saal,  westlich  der  Mitte,  der  Längsachse  parallel,  ein  Stückchen 
von  der  Ostseite  eines  sehr  gut  gebauten  Mörtelfundaments,  augusteisch  ? 

4.  Für  die  in  domitianischer  Zeit  neu  erbaute  Nordmauer  der  Horrea  Germani- 
ciana  ist  das  augusteische  Fundament  benutzt. 

5.    Hofanlage,     ungefähre 


Cditortemptl. 


TJUIiUl  " 


r->  r-~- 


bofonlagf  unfiKdtin 


Orientierung  der  Horrea  Germa- 
niciana,  mit  Abweichungen  im 
Einzelnen.  Vgl.  Abb.  7 ;  die  Buch- 
staben entsprechen  dem  Text. 

a)  In  der  mittleren  Raura- 
flucht,  nordsüdlich  gestreckter  La- 
cus,  etwa  8,5  :  27,5  m,  oben  zer- 
stört ;  Wandverkleidung  meiner 
Erinnerung  nach  Bessales  von 
harter,  etwas  löcheriger  Qualität, 
ähnhch  f lavischen;  an  den  Wän- 
den flache  Einsprünge,  abwech- 
selnd eckig  und  konkav,  da- 
zwischen Falze;  Marmorbelag,  auf 
den  Schmalseiten  kleine  Treppen 
aus  Mörtelwerk. 

b)  Nördlich  des  Lacus  un- 
deutliche parallele  Fundament- 
reste im  kleinen  Saal  und  in  der 

Porticus,  wohl  von  einer  Säulenhalle.  (Im  zweiten  Joch  der  Porticus  wieder  ver- 
schüttet, ältere  Aufnahmen  Notizie  1901,  Abb.  13.  —  RM.  1902,  Taf.  IV.)  Wenn 
im  Süden  eine  entsprechende  Halle  lag,  blieb  bis  zu  den  Horrea  Germaniciana  noch 
Platz  für  Räume  übrig. 

c)  Etwa  16  m  westlich  des  Lacus  im  Westsaal,  Fundamente  einer  Raumgruppe; 
I.  nördlich  geöffneter  Raum  mit  flacher  Apsis  im  Süden,  Spicatum  S.  25 ;  2.  südlich  an- 
schließender Raum,  Pavimentbettung  aus  Dachziegeln;  im  nordöstlichen  Teil  des  Saa- 
les starkes,  westöstlich  laufendes  Fundament,  östlich  und  südlich  anscheinend  beendet. 

d)  Am  ersten  Podest  des  Treppenhauses  in  der  Ostmauer  die  Rückwand  eines 
westhch  geöffneten  Raumes.  Verkleidung  aus  dichten  mürben  fuchsroten  Bessales, 
keine  Durchbinder,  oben  vollständig;  beide  Enden  verschwinden  hinter  domitiani- 
schem  Mauerwerk,  nach  Norden  scheint  die  Mauer  zerstört  zu  sein. 


Abb.  7. 


Richard  Delbrueck,  Der  SUdostbau  am  Forum  Romanum.  2Q 

Ein  kleiner  südlicher  Teil  (2  m)  liegt  in  der  domitianischen  Mauerflucht;  der 
größere  nördliche  (7  m)  trat  ursprünglich  etwas  vor  und  ist  bis  zum  Fuß  abgehackt; 
vor  dem  Rücksprung  der  Wand  wird  eine  Quermauer  gelegen  haben.  In  der  Mitte 
des  nördlichen  Abschnitts  rechteckige  Nische,  am  nördlichen  Ende  Anfang  der  Krüm- 
mung einer  großen  Apsis,  die  wohl  in  der  Mitte  der  Wand  lag.  Vermutlich  lief  die 
erste  Strecke  der  Kloake  (s.  u.  10,  a)  außen  an  der  Nordwand  hin,  ihr  zweiter  nörd- 
licher Zufluß  an  der  Westwand;  dann  war  der  Raum  etwa  15  m  breit  (die  Lage  der 
Apsis  stimmt)  und  8  m  tief.  Die  Wände  waren  rund  9  m  hoch,  wenn  die  Nischen 
3  m  über  dem  Boden  begannen.  —  (Ein  Stück  feines  Spicatum  im  Anfange  der  Steigung 
des  Treppenhauses  gehört  wegen  der  Richtung  der  Spicae,  die  der  domitianischen 
und  augusteischen  (3.)  Orientierung  entspricht,  nicht  zu  diesem  Raum.  Es  schien 
mir  vordomitianisch  zu  sein.) 

e)  Eine  Stützmauer,  die  vom  nördlichen  Teil  des  Treppenhauses  bis  hinter  die 
Nordost-Cella  reicht;  schwer  verständlich,  sicher  sind  augusteische  und  etwas  spätere 
Teile;  kurz  vor  dem  südhchen  Ende  bezeichnet  ein  rechteckiger  Einsprung  die  nord- 
östliche Ecke  des  Hofes;  der  südliche  Schenkel  entspricht  der  vermuteten  Front 
des  Raumes  d.  —  Der  Lacus  wurde  bei  der  Auffindung  sofort  auf  den  bis  zum 
Castortempel  reichenden  Teil  des  Caligulapalastes  bezogen,  gewiß  mit  Recht 
(Jordan  I  3,  85).  Allerdings  sind  die  zu  dem  Komplex  5  gehörigen  Mauern  an- 
scheinend nicht  alle  gleichzeitig;  der  Lacus  könnte  nach  dem  Eindruck  der 
Technik  flavisch  erneuert  sein. 

6.  Der  Nordostraum  ').    Taf.  2.  .^ 

Das  Mörtelwerk  enthält  hauptsächlich  Ziegelbrocken,  wenig  Durchbinder,  Ver- 
kleidung aus  zerschlagenen  dunkelroten  Dachziegeln,  vereinzelt  Fragmenten  von 
Bipedales  und  Bessales,  vorwiegend  grauer  Mörtel.  Die  östliche  Außenseite  ist  gegen 
die  Erdfeuchtigkeit  mit  Tegulae  hamatae  belegt,  Stempel  CIL  XV  999,  60—93  i^- 
Chr.  Der  Belag  ist  wahrscheinlich  gleichzeitig,  möglicherweise  später,  keinesfalls 
früher. 

Orientierung  des  Südostbaus;  innere  Weite  11, 75,  Tiefe  8,50  m.  Die  Schmal- 
wände stärker,  die  nördliche  bedeutend  mehr  (s.  u.).  Im  Osten  stößt  der  Raum  an 
die  Stützmauer  des  vom  Juturnabezirke  emporsteigenden  Treppenweges,  daher 
verdickt  sich  die  Rückwand  nach  Süden  zu;  eine  hier  in  der  Mauer  emporführende, 
äußerlich  moderne  Treppe  könnte  in  der  Anlage  antik  sein.  Die  Decke  war  eine 
Tonne  über  den  Schmalseiten,  die  auffallend  steilen  Anfänge  der  Wölblinie  sind  auf 
der  Ostwand  erhalten.  In  der  Westwand  liegt  ein  breites  Portal  mit  wohlerhaltener 
Schwelle  aus  karrarischem  Marmor,  darauf  Spuren  der  Antepagmente,  einer  ur- 
sprünglichen bronzenen  und  einer  nachantiken  hölzernen  Tür.  Gegenüber  eine  große 
Apsis  über  einem  —  fast  zerstörten  —  Podium.  In  der  Südwand  zwei  kleine,  mit 
gleichem  Mauerwerk  geschlossene  Türen.  An  der  äußeren  Westwand  und  im  Inneren 
Mörtelbettung  und  Klammern  einer  Inkrustation,  die  auch  über  die  Türen  der  Süd- 

•)  Notizie  1901   Abb.  13   sehr  gute  Aufnahmen  des  schütteten  Mauern    westlich    vor    der  NO-Cella 

mittelalterlichen  Zustandes ;  die  jetzt  wieder  ver-  zu  wenig  charakterisiert,  um  historisch  eingereiht 

zu  werden.  —  RM.   1902  T.  IV. 


30 


Richard  Delbrueck^  Der  Südostbau  am  Forum  Romanum. 


Vicus  Tutcus 


Seite  hinwegging.  Vom  Paviment  Mörtelreste.  —  Da  die  Nordwand  stärker  ist  als 
die  Südwand  bildet  sie  den  Abschluß  einer  Gruppe  von  mindestens  zwei  Tonnen 
und  muß  im  Süden  ursprünghch  ein  überwölbter  Raum  gelegen  haben.  Im  Westen 
ist  wegen  des  weiten  Portals  eine  Vorhalle  anzunehmen,  die  bei  der  geringen  Stärke 
der  Westwand   kein  Gewölbe  gehabt  haben  kann.     Spätestens  bei  der  Anlage  der 

Porticus  muß  sie  abgetragen  worden 
sein.  —  Über  die  bei  dieser  Gelegen- 
heit erfolgte  Umgestaltung  der  Front 
des  Nordostraums,    S.  19,  20. 

Daß  der  Nordostraum  vordomi 
tianisch  ist,  ergibt  sich  aus  dem  Ver- 
hältnis zum  Südostbau  S.  18  und  dem 
erwähnten  Stempel. 

Die  spätantiken  Veränderungen 
werden  hier  nicht  berücksichtigt;  sie 
sind  jünger  als  die  Ausschmückung 
des  Atriums  und  der  Exedra.  —  Über 
die  im  Boden  liegenden  Mauern  vor 
der  Westseite  siehe  S.  29  Anm. 

Die  Bestimmung  des  Nordost 
raums  läßt  sich  vermuten.  Das  Cu- 
riosum  nennt  in  der  VIII.  Region 
»Templum  Castoris  et  Minervae«  (Jor- 
dan II  1,553),  also  bestand  entweder 
ein  Kult  der  Minerva  im  Castortempel, 
was  sonst  nicht  überliefert  wird,  oder, 
wahrscheinlicher,  es  lag  in  der  Nähe 
des  Castortempels  ein  Heiligtum  der 
Minerva;  hierfür  käme  außer  dem 
Nordostraum  kein  anderer  Raum  in 
Frage;  seine  Gestaltung  paßt  (die 
Notitia  erwähnt  allerdings  nur  das 
Templum  Castoris). 

7.  Ältere  Stützmauer  im  vierten  Gange  des  Treppenhauses,  südliche  Hälfte; 
technisch  von  domilianischen  Mauern  nicht  zu  unterscheiden. 

8.  Ältere  Teile  der  Kloake.     Taf.  2. 

Übersicht  S.  20,  6.  Verlauf  ostwestlich  in  der  ungefähren  Orientierung  der  Horrea 
Germaniciana. 

a)  Östliche  Strecke  unter  dem  Treppenhaus.  Technik:  Boden  Plattenziegel, 
Wände  z.  T.  unverkleidetes  Mörtelwerk,  Decke  aus  zusammengelehnten  Bipedales. 
Zwei  Zuflüsse  von  Süden,  anscheinend  gleichzeitig;  von  Norden  mündet  eine  domi- 
tianische  Rinne  S.  20,  6.  Wegen  des  Verhältnisses  zu  den  älteren  Mauern  auf  dem 
ersten  Podest  (5  a)  vielleicht  diesen  gleichzeitig   (Caligula?). 


Abb.  8.     Fragment  der  Form.i  Urbis. 


Richard  Delbrueck,  Der  Südostbau  am  Forum  Romänum.  31 


b)  Domitianische  Strecke  (S.  20,  6). 

c)  Westliche  Strecke;  Beginn  im  kleinen  Saal,  noch  innerhalb  des  Lacus,  an 
dem  augusteischen  Fundament  (S.  28,  3).  Ausmündung  in  einen  nordsüdlich  laufenden 
Kanal  unter  dem  Vicus  tuscus.  Bauweise  (soweit  nicht  umgebaut) :  Boden  in  der 
Mitte  Dachziegel,  an  den  Seiten  kleine  Plattenziegel;  Wandverkleidung  aus  zer- 
schlagenen Dachziegeln;  Tonne  aus  Mörtelwerk.  Zuflüsse:  i.  aus  der  Mitte  des  Lacus; 
2.  in  der  Mitte  des  Westsaales  eine  Rinne,  die  an  der  Ostseite  des  dort  liegenden 
Fundaments  (5  c)  hinläuft;  vor  der  Nordseite  dieses  Fundamentes  wird  sie  durch- 
kreuzt von  einem  der  Hauptkloakc  parallelen  kleineren  Kanal.  Sichere  Beziehungen 
zu  der  Hofanlage  (5)  scheinen  nicht  nachweisbar;  die  Kloake  ist  eher  älter,  etwa  augu- 
steisch. Vermutlich  bestand  ursprünghch  eine  direkte  Verbindung  zwischen  a)  und 
c),  die  durch  die  Anlage  des  Lacus  gestört  wurde. 

.Der  Kanal  unter  dem  Vicus  tuscus  ist  aus  Tuffquadern  erbaut  und  falsch  ge- 
wölbt, also  ziemlich  alt.  Die  Kloake  mündet  in  einer  beim  Bau  des  Kanals  vorge- 
sehenen Öffnung,  die  mit  hochstehenden  Tuffplatten  eingefaßt  ist;  hier  war  demnach 
immer  ein  Zufluß. 

9.  Ein  Fragment  der  Forma  Urbis,  Abb.  8  (Notizie  1882,  Taf.  14  —  Jahrbuch 
1898,  113  Abb.  10),  umfaßt  den  nördlichen  Rand  des  Grundstücks  des  Südostbaus. 
Dargestellt  ist  eine  Porticus,  dahinter  Tabernae,  am  östlichen  Ende  ungefähr  dem 
Nordostraum  entsprechende  Mauern.  Schon  seit  Caligula  war  die  Bebauung  stets 
anders,  so  daß  wahrscheinlich  der  augusteische  oder  tiberianische  Zustand  dargestellt 
ist.  (Boni,  Notizie  1901,  61  f.  bezieht  das  Fragment  auf  den  Caligulapalast,  dessen 
Hof  aber  zu  weit  nördlich  reichte.) 

V.  TEMPLUM  DIVI  AUGUSTL 

Hülsen  hat,  Lanciani  folgend,  den  Vorschlag  gemacht  (zuletzt  Jordan  I  3,80  ff.), 
in  den  Räumen  des  Südostbaus  die  nachgenannten,  der  Überlieferung  zufolge  örtlich 
zusammengehörigen  Bauwerke  zu  erkennen:  im  Westsaal  das  Templum  Uivi  Augusti, 
im  Atrium  und  der  Exedra  die  zugehörige  Bibliothek,  in  dem  kleinen  Saal  das  Atrium 
Minervae.  Das  ist  meines  Erachtcns  nicht  möglich.  Der  Westsaal  hat  keine  Ähn- 
lichkeit mit  einem  Tempel,  es  fehlen  ihm  vor  allem  ein  Portal  und  eine  Säulenhalle 
an  der  Front.  Das  Atrium  und  die  Exedra  sind  nicht  als  Bibliothek  charakterisiert. 
Der  tonnengewölbte  kleine  Saal  kann  nicht  Atrium  heißen.  Vertauscht  man  die 
Namen  in  der  mittleren  Raumflucht,  so  wird  nichts  gewonnen,  denn  der  kleine  Saal 
kann  ebenfalls  keine  Bibliothek  sein. 

Ferner  gehörte  der  Südostbau  zur  VHL  Region  und  lag  das  Templum  Divi 
Augusti  auf  dem  Palatin  (Plin.  12,94.  —  CIL  VI  4222);  (es  ist  dort  am  Westabhang 
zu  suchen,  da  die  Brücke  des  Caligula  nach  dem  Capitol  »super  templum  Divi  Augusti« 
lag  (Sueton  Cal.  22);  näher  lokalisieren  läßt  er  sich  bei  dem  jetzigen  Stande  der  Aus- 
g^rabungen  wohl  nicht). 

Endlich  die  Baugeschichte.  Der  Tempel  wurde  erbaut  unter  Tiberius,  erlitt 
68  n.  Chr.  Brandschaden  (Sueton  Galba  i.  —  Plin.  12,94)  und  wurde  wohl  sofort 
wiederhergestellt     (die  Annahme  eines  Neubaus  durch  Domitian  dürfte  kaum  ge- 


92  Richard  Delbrueck,  Der  SUdostbau  am  Forum  Romanum. 


sichert  sein,  anders  Hülsen  bei  Jordan  I  3,  8i  A.  loi).  Eine  Restauration  durch  An- 
toninus  Pius  bezeugen  Münzbilder  (Cohen  797—810).  Er  scheint  bis  zum  Ende  des 
Altertums  in  Gebrauch  gewesen  zu  sein. 

Zu  erwarten  ist  also  eine  Ruine  mit  folgenden  Bauperioden:  Tiberius,  Vespasian, 
AntoninusPius;  hingegen  finden  sich  auf  dem  Grundstück:  eine  Hof  anläge  der  frühen 
Kaiserzeit,  nach  der  Technik  schwerlich  schon  tiberianisch,  ganz  abgesehen  von 
der  Kombination  mit  dem  Palast  des  Caligula;  ein  unvollendeter  domitianischer 
Monumentalbau,  der  unter  Hadrian  als  Sklavenkaserne  eingerichtet  wurde;  endlich 
Reste  der  Zeit  um  400  n.  Chr. 

Selbst  wenn  man  also  eine  domitianische  Bauperiode  für  das  Templum  Divi 
Augusti  zugäbe,  sind  die  vorhandenen  Angaben  mit  dem  Befund  des  Südostbaus 
unvereinbar. 

VI.  KUNSTGESCHICHTLICHE  BEMERKUNGEN. 

Da  der  Südostbau  unvollendet  blieb,  ist  er  wahrscheinlich  der  jüngste  Teil  der 
domitianischen  Palastanlage.  Ein  Vergleich  ist  dieser  Annahme  günstig;  bei  weit- 
gehender Übereinstimmung  bestehen  auch  faßbare  Unterschiede.  —  Die  Mauer- 
technik ist  ganz  gleich.  Die  Gewölbe  sind  auch  auf  dem  Palatin  überwiegend  Tonnen. 
Der  gewagten  Durchbrechung  der  Wände  im  Westsaal  entsprechen  z.  B.  die  Nischen 
der  Achtecksräume  in  der  Domus  Augustana  und  im  kleinen  Palast.  Die  Behandlung 
des  Äußeren  ist  ähnlich;  die  Mauern  erscheinen  in  nackter  Konstruktion,  im  unteren 
Teile  sind  sie  von  Hallen  eingehüllt. 

Hingegen  geht  der  Westsaal  mit  32,50  m  Gewölbespannung  selbst  über  den 
sogenannten  Thronsaal  der  Domus  Augustana  —  29,50  m  —  noch  hinaus.  Die  Raum- 
bildung ist  am  Südostbau  einfacher;  die  Wände  sind  eben,  die  Dekoration  war  flach; 
in  der  Domus  Augustana  sind  die  Wände  oft  geschwungen,  ist  die  Dekoration  durch 
ineinanderliegende  Nischen  und  vorgesetzte  Säulen  hochplastisch  modelliert.  Inderge- 
messeneren Haltung  des  Südostbaus  kündigt  sich  bereits  der  traianische  Zeitge- 
schmack an. 

In  einem  größeren  Zusammenhang  hat  der  Westsaal  Bedeutung,  als  abschlie- 
ßende Höchstleistung  der  frühkaiscrzeitlichen  Entwicklung  tonnengewölbter  Säle. 
Die  Anfänge  liegen  in  spätrepublikanischer  Zeit,  z.  B.  die  gewölbten  Säle  der  pom- 
pejanischen  Thermen.  Die  Zwischenglieder  sind  noch  nicht  bearbeitet;  daher  können 
die  Steigerung  der  Gewölbespannung  und  der  Wandhöhe,  die  Ausgestaltung  der 
Stirnseiten  zu  Fensterwänden,  die  Durchbrechung  auch  der  Widerlager  durch  Fenster 
nicht  verfolgt  werden.  Zu  erkennen  ist  erst  wieder  der  letzte  Fortschritt  in  domi- 
tianischer Zeit. 

Nach  Domitian  werden  große  tonnengewölbte  Einheitsräume  seltener;  die 
Raumbildung  ist  mehr  und  mehr  durch  gruppierte  Kreuzgewölbe  bestimmt  (die 
Kuppeln  bleiben  hier  bei  Seite).  Der  Anlaß  zu  dieser  veränderten  Raumgestaltung 
war  technisch,  mag  auch  die  letzte  Ursache  eine  schwer  ergründbare  Wandelung 
des  Gestaltungsdranges  sein. 

Bei  tonnengewölbten  Räumen  ruht  das  Gewölbe  auf  den  Widerlagsmauern ; 


Georg  Lippold,  Doppelseitiges  Relief  in  Barcelona.  -jo 


diese  vertragen  daher  keine  stärkeren  Durchbrechungen.  Schwingungen  und  Wand- 
öffnungen bleiben  wesenthch  auf  die  Stirnseiten  beschränkt;  die  Beleuchtung  muß 
hauptsächlich  von  diesen  aus  erfolgen;  sehr  gestreckte  Verhältnisse  sind  ausge- 
schlossen, hintereinandcrliegende  Säle  müssen  durch  Lichthöfc  getrennt  sein.  Paral- 
lele Räume  sind  durch  diegemeinsamen  Widerlager  stark  gegeneinander  isoliert.  Basi- 
likale Gliederung  ist  möglich,  einem  Hauptraume  können  niedrigere  Nebearäunie 
angeschlossen  werden;  jedoch  verbietet  die  Rücksicht  auf  die  Standfestigkeit  der 
Widerlager,  diese  so  weit  zu  öffnen,  daß  die  Raumgruppc  von  innen  übersichtlich 
wird. 

Große  Binnenräume  müssen  also  im  Ganzen  eingewölbt  werden  ;  bei  wachsender 
Spannung  vermindert  sich  die  Standsicherheit,  besonders  wenn  die  Wände  hoch  sind. 

Das  Kreuzgewölbe  besteht  aus  zwei  sich  durchdringenden  Tonnen  von  gleicher 
oder  fast  gleicher  Spannweite,  kann  daher  nur  wenig  länger  als  breit  sein.  Die  Last 
ruht  auf  den  Eckpfeilern;  die  Wände  sind  konstruktiv  bedeutungslos,  sie  können 
geschwungen  und  behebig  geöffnet  sein;  breite  Verbindung  wird  nach  jeder  Rich- 
tung möglich,  die  Raumgruppen  treten  von  innen  voll  in  Erscheinung,  die  Frage  der  Be- 
leuchtung verschwindet.  Die  Planbildung  beruht  auf  der  Teilung  in  Joche;  große 
Binnenräume  werden  zusammengesetzt  aus  einzeln  eingewölbten  Teilräumen  von 
geringerer  Spannung   und   Höhe;   die  Standsicherheit  wächst  daher  bedeutend. 

Typisch  sind  die  Thermensäle,  deren  erstes  voll  ausgebildetes  Beispiel  in  den 
Traiansthermen  erscheint:- drei  Kreuzgewölbe  auf  der  Längsachse,  beiderseits  zwischen 
den  Pfeilern  niedrigere  tonnengewölbte  Nebenräume.  —  Auf  die  Vorstufen  des  Kreuz- 
gewölbes und  der  gruppierenden  Raumbildung  kann  hier  nicht  eingegangen  werden; 
es  sollte  nur  ein  Hinweis  gegeben  werden,  wie  der  Westsaal  des  Südnstbaus  historisch 
aufzufassen  ist. 

Berlin,  Mai  1921.  Richard  Delbrueck. 


DOPPELSRITICxES  RELIEF  IN  BARCELONA. 

Mit  Tafel  10. 

Die  auf  unserer  Tafel  lO  abgebildete  Marmorscheibe  ist  vor  einiger  Zeit  im 
Kunsthandel  in  Barcelona  aufgetaucht,  wo  sie  sich  jetzt  im  Besitz  von  Dr.  Schäfer 
befindet ').  Vermutlich  ist  sie  also  in  dieser  Gegend  Spaniens  gefunden.  Obwohl  sie 
einer  in  vielen  Exemplaren  verbreiteten  Monumentengattung  angehört,  verdient  sie 
doch  aus  mancherlei  Gründen,  vor  allem  wegen  ihrer  vorzüglichen  Arbeit,  eine  ge- 
sonderte Besprechung. 

•)  Dm.  34,7  cm.    Unten  kleines  Stück  ergänzt.    Die  «las   Relief   hier    in    würdiger  Form  veröffentlicht 

Photographien    verd.inke    ich    A.    Schulten,     das  werden  kann,    verdankt  die  Redaktion  der  Libe- 

Original    habe   ich  seihst  nicht  gesehen.  —  Daß  ralität  des  Besitzers. 
Jahrbuch  des  archäologischen   Instituts  XXXVI.  3 


'i^  Georg  Lippold,   Doppelseitiges  Relief  in  Barcelona. 


Beide  Seiten  sind  mit  Relief  geschmückt,  aber  nicht  ganz  gleichmäßig  behandelt: 
auf  A  hat  das  Relief  etwas  höhere  Erhebung  und  das  gleiche  gilt  von  dem  Randprofil. 

A  ist  also  als  Hauptseite  zu  betrachten.  Über  felsigen  Boden  —  die  übliche 
Terrainandeutung  für  im  Freien  spielende  Szenen  —  eilt  ein  jugendlicher  Mann  nach 
rechts;  er  ist  fast  nackt,  nur  um  die  Hüften  ist  ein  Tuch  geschlungen,  das  aber  bei  der 
raschen  Bewegung  sich  verschoben  hat  und  das  Genital  frei  läßt.  Dazu  noch  eine 
spitze  Mütze,  oben  mit  Schlinge  zum  Aufhängen.  Die  Rechte  hält  einen  Knotenstock 
mit  Schleife  am  oberen  Ende,  die  Linke  faßt  das  über  die  Schultern  gelegte  Tragholz, 

—  auch  hier  Schlingen  an  beiden  Enden— an  dem  zwei  geflochtene,  zylindrische  Körbe, 
mit  drei  kurzen  Füßen,  hängen.  In  den  Körben  Früchte.  Dem  Mann  zur  Seite  springt 
ein  Hund  *).    Ein  Landmann  also,  der  seine  Ware  in  die  Stadt  bringt. 

Auf  der  Rückseite  (B)  ist  der  Boden  ebenfalls  angedeutet.  Ein  Satyr,  ähnlich, 
etwas  lässiger  bewegt,  wie  der  Mann  auf  A  3),  wieder  nach  rechts.  Ein  Fell  dient  als 
Lendenschurz,  die  Rechte  hält  den  bebänderten  Thyrsos;  auf  der  linken  Schulter  ein 
Schlauch,  aus  dem  Wein  in  einen  Krater  läuft.  Dieser,  von  schlanker  Kelchform,  ist 
in  seinem  unteren  Teil  geriefelt,  die  Lippe  mit  Kymation  verziert  4).  Nur  ein  Henkel 
ist  angegeben.  Der  Krater  steht  auf  einem  rechteckigen  Untersatz  mit  abgesetztem 
Rand.  Daran  schließt  sich  eine  Herme  auf  würfelförmiger  Basis;  der  Schaft  nach 
unten  verjüngt,  ohne  Genital;  der  bärtige  Kopf,  mit  Stirnkrone  und  aufgebundenem 
Nackenhaar,  ganz  ins  Profil  gedreht,  während  der  Schaft  fast  von  vorn  gesehen  ist; 
auch  die  Armansätzc  nicht  richtig  in  der  Verkürzung.  Hinter  dem  Satyr  ein  Fels  mit 
Pantherfell. 

Die  Ausführung  der  Reliefs  ist  von  großer  Delikatesse  und  Feinheit.  Die  Kon- 
turen sind  durch  leichte  Vertiefung  des  Reliefgrundes  hervorgehoben  5). 

Marmorscheiben  von  der  Art  der  unseren,  gewöhnlich  o  sei  IIa  genannt,  sind 
ziemlich  häufig.  Eine  vollständige  kritische  Zusammenstellung  aller  bekannten  Exem- 
plare —  etwa  100  —  existiert  noch  nicht.  Die  umfassendste  Sammlung  ist  noch 
immer  die  von  Welcker  *).  Dann  hat  Maurice-Albert  die  Stücke  des  Neapler Museums 
besprochen  7),  leider  ohne  Welcker  oder  die  Nummern  des  Museums  anzuführen  oder 
gar  über  die  Provenienzen  Nachforschungen  anzustellen,  so  daß  die  Identifizierung 
öfters  Schwierigkeiten  macht.  Maurice-Albert  hat  auch  bei  Daremberg-Saglio  ^) 
4?urz  die  Gattung  behandelt.     Ich  beabsichtige  hier  nicht  eine  neue  Liste  zu  geben 

—  Voraussetzung  wäre  eine  erneute  Untersuchu/ig  der  Originale  —  nur  wichtige 
Stücke,  die  in  jenen  Zusammenstellungen  fehlen,  sollen  nachgetragen  werden. 

')  Die  Rasse  entspricht  am  ehesten  der  von  Keller  5)  Dieses  Markieren  der  Umrisse  kommt  anscheinend 
(Die  antike  Tierwelt  I,  Ii8  ff.,  namentlich  Fig.  46)  vereinzelt  schon  im  5.  Jahrb.  vor,  vgl.  Br.  Schrö- 

als  Lakoncr  erklärten.  der  zu  Brunn-Bruckmann  646  b.     Auf  neuatti- 

3)  Die  Ergänzung  des  Randstückes  läßt  es  zweifei-  sehen  Reliefs  sehr  häufig, 

haft  erscheinen,    ob  die  Fußstellung  genau  die  ')  Alte  Denkmäler  II  122  ff. 

gleiche  war;  der  Fuß  des  Satyrs  könnte  auch  frei  7)  Rev.  arch   XLII  1881,  2  p.  92,  129,  193,  273. 

über  den  Boden  gehoben  gewesen  sein.  *)  s.  v.Clipeus  1 1258  ff.  Vgl.a.  IV  257  s.  v.  oscillum 

*)■  über  die  im  neuattischen  Kreis  häufige  Form  (Hikl).   Bulle,  Jahrb.  d.  Inst.  1919,  161  ff. 

vgl.   Hauser,  Neuattische  Reliefs  S.   113!.   132. 


Georg  Lippold,  Doppelseitiges  Relief  in  Barcelona.  ■jr 


Die  »oscilla«  sind  in  der  westlichen  Hälfte  des  Römerreiches  weit  verbreitet. 
Am  häufigsten  haben  sie  sich  in  Pompeii  und  Herculaneum  gefunden  —  auch  die 
meisten  Stücke  in  Neapel,  bei  denen  die  Herkunft  nicht  mehr  festzustellen  ist,  werden 
dorther  stammen  9).  Das  ist  in  den  günstigen  Fundverhältnissen  an  diesen  Orten  be- 
gründet. Bei  den  in  römischen  Sammlungen  aufbewahrten  ist  in  der  Regel  trotz  der 
fehlenden  Fundangaben  römische  Herkunft  anzunehmen,  ebenso  bei  den  aus  dem 
römischen  Handel  in  die  verschiedensten  Museen  gelangten'").  Aus  der  Umgebung 
Roms  werden  Gabii"),  Aricia"),  Tusculum'S),  die  Sabina'4),  Ostia'5),  als  Fundorte  ge- 
nannt. In  Oberitalien  finden  wir  sie  ebenfalls  nicht  selten  (Aquileja'*),  Verona'7),  Par- 
ma'^), Veleia'5)),  ebenso  in  Südfrankreich *").  Aus  Spanien  ist  mir  außer  dem  unsrigen 
nur  ein  einziges  Exemplar  bekannt^').  Selten  sind  sie  in  Nordafrika ^^),  ebenso  auch 
im  Osten  ^3).  Es  ist  natürlich  nicht  ausgeschlossen,  daß  neue  Funde  dieses  Bild 
etwas  verschieben,  doch  ist  sicher,  daß  die  überwiegende  Masse  dem  Westen  angehört. 

Die  »oscilla«  gehören  also  zu  den  Elementen  der  römischen  Wanddekoration, 
und  zwar  anscheinend  im  wesentlichen  relativ  früher  Zeit:  die  wenigen  Stücke,  die 
man  äußerlich  datieren  kann,  sind  augusteisch  oder  nicht  viel  später.  Es  sind  die- 
jenigen, welche  in  pompeianischen  Häusern  des  3.  Stils  gefunden  sind,  namentlich 
in  der  Casa  della  Parete  nera*4)  und  der  Casa  degliAmorini  dorati^s).  Doch  scheinen 
sie  auch  da  auf  besonders  reiche  Häuser  beschränkt.  Aber  kein  Zufall  wird  sein,  daß 
sie  auch  in  den  stattlichsten  Häusern  des  vierten  Stils,  wie  in  dem  der  Vettier,  fehlen. 
Auch  aus  der  Hadriansvilla  ist  kein  Exemplar  bezeugt.  Dem  entsprechend  macht 
auch  die  Arbeit,  obwohl  oft  dekorativ  und  zuweilen  fast  roh,  durchwegs  einen  frühen 
Eindruck  2*). 


9)  Literatur  b.  Drexel,  Anhang  zu  Mau,  Pompeji',  '7)  Welcker  33 ;  noch  im  Theater. 

S.  62  zu  466;    namentlich  Avellino,  Mem.  Acc.  '*)  Welcker  30.     Dütschke  V  932;  919. 

Ercol.  III,  1843,  199  ff.;  Fiorelli,  Giorn.  d.  scavi  "))  Welcker  31.    Dütschke  zu  V  919. 

:86i,  31  f.     Drei  Stücke  in  Neapel  stammen  aus  '»)  Sainte  Colombe  b.  Vienne:  Esp6randicu,  Recucil 

Sammlung  Borgia  (Welcker  a.  Anm.  6  a.  O.  Nr.  des   Bas-reliefs  Nr.   400 — 402   (zu  untersuchen, 

34*1  35/36;  Documenti  inediti  I,  284  f.,  33,  47,  ob  401  und  402  nicht  Reste   ein  und  desselben 

48),  also  wohl  aus  der  Umgegend  von  Rom.  Stückes  sind).  Vienne:Espdr.  403.  Nimes:  Esper. 

'")  Sichere   Fundnotizen    römischer    Stücke    kenne  486,    489.     Orange:    Einzelaufnahmen  1894/95. 

ich  nicht,  doch  wird  z.  B.  Matz-Duhn  3622  in  Argelies    (Aude):    Espi5r.    813.     La    Buisse  bei 

Vigna  del  Pigno  auch  dort  gefunden  sein.  Moirans:  Esp(Sr.  828. 

")  Welcker  Nr.  3  u,  4  (=  Berlin  1042).  -')  In  Mailand:  Dütschke  1026,  aus  Tarragona. 

")  Welcker  Nr.  5.  ")  Karthago;  Mus^e  Alaoui  Suppl.  p.  55,  1005,  pl. 

'3)  Canina,  Tusculum  p.  24.     Rev.  arch.  XXXVII  XXX,  2.  —  Etwas  abweichend  im  Typus:  Compte 

1879,  2  p.  24  pl.  XV.  Rendu  Ac.  Inscr.  1913,  155  (EI  Djem). 

■4)  Dresden:  Arch.  Anz.  1889,  99;  Amelung, Florenz  '!)  Das  einzige  Stück,    das  ich  kenne,    ist  ein  mir 

S.  64;  Brunn,  Kl.  Schriften  III,  190.  nur  in  (Arndt  verdankter)  Photographie  bekann- 

'5)  Not.  d.  scavi  1909,  20/21  (Reinach,  Rep.  d    Rel.  tes  aus  dem  Kunsthandel  in  Smyma. 

III  36,  3—4);   Not,  d.  scavi   1920,  49  f.  Nr.  13,  =4)  Mau,  Gesch.  d.  dckor.  Wandm.  S.  94.    Wekker 

Fig.  4u.  5.  S.  131,  Nr.  37  ff. 

'')  Sacken,  Die  antiken  Skulpturen  in  Wien,  S.  34;  '5)  Not.    degli   scavi    1907,    596/91,    Fig.    33— S«"'- 

Maionica,  Führer  durch  das  K.  K.  Staatsmuseum  Reinach,  Rdp.  de  relicfs  III  68,  i — 2. 

in  Aquileia,  1910,  S.  19,  5.  ^')  Dem  widerspricht  nicht,  daß  die  Augen  öfters 


^5  Georg  LippoW,  Doppelseitiges  Relief  in  Barcelona. 


Die  Verwendung  ist  am  klarsten  bei  den  gut  beobachteten  pompeianischen 
Stücken:  sie  sind  zwischen  den  Säulen  der  Peristyle  gefunden,  und  zwar  waren  sie  am 
Epistyl  aufgehängt.  Dafür  zeugen  die  Eisenringe,  die  bei  vielen  Exemplaren  vor- 
handen oder  durch  ausgebrochene  Stücke  oben  indiziert  sind.  Auch  an  unserm  Exem- 
plar scheint  eine  Spur  vorhanden  zu  sein.  Solche  aufgehängte  Scheiben  sehen  wir 
auch  auf  bildlichen  Darstellungen  von  Säulenhallen,  namentlich  auf  sog.  Campana- 
reliefs, die  Hallen  der  Palaestra  wiedergeben  *7).  Man  erkennt,  daß  die  Scheiben  an 
Ketten  herabhängen.  Die  Zeit,  in  der  die  Typen  der  Campanareliefs  geschaffen  wur- 
den, die  augusteische,  ist  die  gleiche  wie  die  der  datierten  Marmorscheiben. 

In  selteneren  Fällen  scheinen  die  Scheiben  nicht  aufgehängt,  sondern  auf  einem 
unten  eingreifenden  Zapfen  aufgestellt  gewesen  zu  sein 2^)  und  hie  und  da  mögen 
Stücke  bei  einer  zweiten  Verwendung  auch  in  anderer  Weise  angebracht  worden  sein*9). 
Auch  Portiken  anderer  Art,  außer  in  Privathäusern,  waren  mit  solchen  Reliefs  ge- 
schmückt; auf  den  Campanareliefs  erscheinen  sie  in  der  Palaestra,  andere  sind  in 
Theatern  gefunden  3"). 

Die  Bestimmung  der  Scheiben  ist  rein  dekorativ.  Ebenso  entspringt  die  Ver- 
wendung desMarmors3i)alsMaterial  für  derartig  schwebend  aufgehängte  Gegenstände 
gewiß  erst  römischer  Prunksucht.  Herkunft,  ursprünglichen  Sinn  und  ursprüngliches 
Material  muß  man  erst  mit  Hilfe  anderer  Monumente  zu  erschließen  versuchen.  Die 
Erklärung  scheint,  wie  Albert  bemerkt  hat,  gegeben  durch  die  erwähnten  »Campana «- 
Reliefs  mit  Darstellung  von  Palaestrahallen:  hier  wechseln  mit  den  aufgehängten 
Rundscheiben  solche  ab,  die  die  Form  des  Amazonenschildes,  der  sog.  pelta  haben. 
Solche  Pelten  sind  auch  in  Marmor  erhalten  32),  sie  entsprechen  völlig  den  Rund- 


plastische Pupillenangabe  zeigen  (Albert  p.  282,  Exemplares   im   Privatbesitz    in   München   hat 

pl.  XVI,  XVII):  das  sind  Masken,  bei  denen  die  unten  Reste  eines  Bohrloches,  nicht  in  der  Mitte, 

Aushöhlung  des  Auges  naturgemäß  war.  sondern  dicht  an  der  Oberfläche  der  einen  Seite, 

V)  Vgl.  Albert  p.  96  ff.     Die  Reliefs  jetzt    bei  v.  der  obere  Teil  ist  verloren,  also  nicht  festzustellen, 

Rohden-Winnefeld,     Die     antiken     Terrakotten  ob  oben  auch  ein  Ring  0.  dgl.  war.  Es  könnte  sein, 

IV  I,  144,  wo  auch  S.  147  bemerkt  ist,  daß  das  daß  an  den  oben    aufgehängten  Scheiben  unten 

von  Albert  p.  97  abgebildete  Stück  des  Louvre  noch  irgend  etwas  hing,  wenn  auch  die  Vermu- 

wissenschaftlich  nicht  zu  verwerten  ist.     Eine  tungen  von  Albert  p.  98  nur  auf  dem  verdächtigen 

,    solche  Scheibe  unter  einem  Rundbogen  aufge-  Campanarelief  des  Louvre  basieren. 

hängt  auf  einem  Relief  von  Narbonne:  Esp^ran-  's)  Vgl.  Not.  d.  scavi  1909,  20  f.  (R^p.  dereliefs  III 

dieu  739.  —  Darstellungen  in  Malerei  z.  B.  Not.  39,  3—4)  aus  Ostia.    Oben  ausgebrochen,  wohl 

d.  sc.  1910,  471,  Fig.  II,  wo  eine  offene  Halle  vor-  von  Ring.    Später  verwendet  als  Verschluß  einer 

getäuscht  werden  soll.  Öffnung  im  Boden.   Ein  in  die  Außenwand  eines 

"*)  Wenigstens  behauptet  das  Canina,   namentlich  Ladens  in  Pompeii  eingelassenes  Exemplar  er- 

von  zwei  Stücken  aus  Tusculum  (oben  Anm.  13);  wähnt  Fiorelli  a.  Anm    9  a.  0. 

es  müßte  untersucht  werden,  ob  sie  nicht  auch  3")  Parma:  Dütschke  V932  (=  Welcker  30).  Verona 

oben  Spuren  haben.    Das  Stück  Welcker  Nr    i  (Welcker  33;  32  hat  Form  der  Pelta  (vgl.  unten)). 

=  Vatican  Bclvedere  39g  hatte  nach  Zoega  (bei  Orange:    Einzelaufnahmen    1894/95.     El    Djem 

Welcker)    »ursprünglich    einen    eisernen    Zapfen  (Amphitheater;   vgl.  Anm.   22). 

un'en«,  von  dem  Amclung  nichts  erwähnt:  die  3")  In   der    Regel    weißer  Marmor;    nur    ein  Stück 

Spur  wohl  durch  die  moderne  Aufstellung  zer-  aus  Ostia  (Not.  d.  scavi  1920,  49  f.;  oben  Anm. 

stört;  die  leichte  Beschädigung  oben  wohl  kaum  15)  ist  aus  »marnio  giallo  antico«. 

von  ausgebrocheneni  Ring.   Das  Fragment  eines  3=)  Vgl.  Albert  a.  Anm.  7  a.  0,,  p.  200  ff.,  p.  286. 


Georg  Lippold,  Doppelseitiges  Relief  in  Barcelona.  ^7 


Scheiben  in  der  Dekoration  auf  beiden  Seiten  und  den  Aufhängespuren.  Hier  ist  die 
Herkunft  von  Schilden  außer  Zweifel;  danach  wären  auch  die  Rundscheiben  als 
Schilde,  clipei,  anzusehen.  Albert  will  sogar  noch  eine  dritte  Form,  rechteckige  Schilde, 
also  scuta  erkennen.  Allein  einmal  ist  die  Form  nicht  sehr  charakteristisch,  dann  sind 
diese  Rechtecke  immer  so  verziert,  daß  die  längere  Seite  horizontal  ist,  während  beim 
scutum  die  Langseite  senkrecht  steht.  Auch  ist  für  solche  dekorative  Stücke,  die  sich 
ganz  an  Griechisches  anlehnen,  die  von  griechischen  Künstlern  ohne  Rücksicht  auf 
römische  Realität  ersonnen  sind,  die  Verwendung  einer  speziell  römischen  Form  kaum 
anzunehmen,  wenn  sie  auch  zur  Zeit  unserer  Reliefs  im  römischen  Heere  die  übliche 
war.  Mit  den  Rundscheiben  und  Pelten  sind  zudem  nur  die  Stücke  in  Parallele  zu 
setzen,  die  wirklich  zum  Aufhängen  bestimmt  waren  —  das  sind  relativ  wenige  33). 
Die  meisten  waren  nicht  aufgehängt,  sondern  aufgestellt  34).  Ihre  Dekoration  zeigt 
in  der  Regel  auf  der  Hauptseite  zum  mindesten  Masken.  Im  übrigen  sind  sie  aus  der 
gleichen  Zeit  wie  unsere  Scheiben,  dienten  ebenfalls  zum  Schmuck  der  Häuser.  Auch 
sie  tragen  Relief  auf  beiden  Seiten  —  meist  auf  der  einen  Hoch-  auf  der  anderen  Flach- 
relief. Sie  gehen  zweifellos  zurück  auf  Votive  in  Dionysosheiligtümern,  ihre  Auf- 
stellung entspricht  der  für  griechische  Votivreliefs  üblichen 35).  Man  müßte  annehmen, 
daß  in  römischer  Zeit,  als  die  ursprüngliche  Bedeutung  verblaßt  war,  man  vereinzelt 
nach  dem  Beispiel  der  Rundreliefs  auch  rechteckige  aufgehängt  hat,  wie  man  umge- 
kehrt auch  Rundscheiben  vereinzelt  wie  die  rechteckigen  Reliefs  aufgestellt  hat. 

Wenn  also  rechteckige  und  runde  Reliefs  verschiedenen  Ursprungs  sind  und  in 
der  Regel  verschieden  verwendet  werden,  müssen  wir  dann  für  die  gleich  verwendeten 
Rundscheiben  und  Pelten  gleichen  Ursprung  annehmen,  sind  die  Rundscheiben  von 
Rundschilden  abzuleiten?  An  sich  beweist  die  gleiche  Verwendung  nichts:  denn  ab- 
wechselnd mit  Pelten  und  Rundscheiben  finden  wir  auch  aufgehängte  Masken  36). 
Aber  es  erscheint  natürlich,  daß  man  bei  Nachbildung  der  als  Votive  in  Heiligtümern 
aufgehängten  Schilde  neben  dem  Amazonenschild  auch  den  griechischen  Rund- 
schild verwendete. 

Freilich  ist  außer  der  Kreisform  nichts  speziell  an  Schilde  erinnerndes  vorhanden. 

Andere  z.  B.  Berlin  1045,  Esp^randie  ■,  Bas-reliefs  richtung  nicht  die   ursprüngliche  ist.      Andere 

414/5  (Vienne),  296  (aus  Vaison),  722  (Argehcs);  gleichartige    Reliefs,    die    zum    Teil    beschädigt 

Coli.  Waroque   II  178.      Sittl,    Würzburger    An-  waren,  wurden,  wohl  bei  der  Wiederherstellung 

tikenTaf.  XIH/XIV.    In  Relief  unter  Rundbogen  des  Hauses  nach  dem  Erdbeben  von  63,  in  die 

dargestellt    (vgl.    Anm.    27):    Esp^randieu    295  Wände  eingemauert   ebenda  S.  558 ff.,  Fig.  8,  10, 

(Vaison),  731  (Narbonne).  11,  12;  es  wäre  zu  untersuchen,   ob  diese  Reliefs 

33)  Von  den  bei  Albert  aufgezählten  haben  sichere  skulpierte  Rückseiten  haben. 
Aufhängespuren  p.  283  ff.,  3  (Nimes,  Esp^rand'eu  35)  Vgl.  Reisch,  Griech.  Weihgeschenke  145  ff- 
487),  4,6  (Nimes  vgl.  Esp^randieu  I  p.  323).  Arndt,  La  Glyptotheque  Ny-Carlsberg  p.  205. 
Bei  Berlin  1047  diente  der  Eisenzapfen  zur  Zur  Aufstellung  vgl.  BUnkenberg,  Athen.  Mitt. 
seitlichen  Verbindung  mit  dem  angestückten  XXIV  1899,  295.  Dazu  die  Reliefs  vom  Phaleron 
Teil.  (Athen,  Nat.  Mus.  Stais,  Guide  p.  43  ff.),  über 

34)  Die  Art  der  Aufstellung  auf  Pfeilern  am  anschau-  die  zuletzt  Homolle,  Rev.  arch<5ol.  XI,  1920,  i  ff. 
lichsten  bei  den  vier  Reliefs  der  Casa  degli  Amo-  gesprochen  hat. 

rini  dorati  in  Pompeii:  Not.  d.  sc.  1907,  568  ff.,       3^)  Casa  degli  Amorini  dorati:  Not.  d.  scavi  1907, 
Fig.  18/9,  21/2,  25/6,  28/9,  wo  allerdings  die  Her-  588  ff.,  Fig.  37—40- 


38 


Georg  Lippold,  Doppelseitiges  Relief  in  Barcelona. 


Die  Größe  ist  selbstverständlich  dem  dekorativen  Zweck  angepaßt,  durchweg  ge- 
ringer als  beim  Gebrauchsschilds?).  Das  verschieden  hohe  Relief  teilen  die  Scheiben 
mit  den  rechteckigen  Maskenreliefs  und  andern  doppelseitigen  Reliefs,  die  eben  meist 
eine  Haupt-  und  eine  Rückseite  haben:  es  findet  sich  das  schon  in  archaischer Zeit3*j. 
Allerdings  könnte  auch  das  Vorbild  der  Schilde  zu  dieser  Differenzierung  mitgewirkt 
haben:  beiderseits  verzierte  Schilde,  wie  derderParthenos,  pflegen  außen  mit  Relief, 
innen  mit  Malerei  geschmückt  zu  sein  3S).  Das  verschieden  hohe  Relief  beider  Seiten 
wäre  nur  eine  Steigerung  dieser  Verzierungsweisc.    Auch  gibt  es  Scheiben,   die  nur 


Abb. 


Kunstliandel. 


auf  einer  Seite  Relief  haben,  während  die  Rückseite  glatt  ist-i») ;  hier  war  wohl  öfter, 
wie  in  einem  Fall  noch  beobachtet  ist4i),  dieDekoration  in  Malerei  ausgeführt.  Übri- 
gens gibt  es  eine  Anzahl  Exemplare,  wo  die  ReHefhöhe  auf  beiden  Seiten  gleich  ist  42): 
die  verschiedene  Höhe  könnte  erst  von  den  rechteckigen  Reliefs  übertragen  sein. 

Selbstverständlich  fehlt  jede  Andeutung  einer  Handhabe  auf  der  Innenseite 
des  Schildes,  auch  findet  sich  nichts  von  der  starken  Wölbung,  die  wenigstens  der 
griechische  Rundschild  hatte.     In  der  Bildung  des  Randes  lassen  sich  verschiedene 


3;)  Der  Durchmesser  schwankt  zwischen  20  (Albert 
p.  281,  I  =  Esp^r.  I  489)  und  45  (Sammlung 
Heyl)  cm. 

3*)  A.v.Netoliczka.österr.  Jahresh.XVII  1914,  124. 

w)  Dragendorff,  Jahrb.  d.  Inst.  XII  1897,  8. 


4°)  Albert  23,  24.    Espdrandieu  401/2. 

4')  Fiorelli,  a.  Anm.  9  a.  0.,  tav.  VIII  l. 

4')   Scheiben  aus  Casa  degli  Amorini  dorati  (Anm. 

25),  aus  Ostia  (Anm.   15),   aus  Sainte-Colombe 

(Esp£r.  400;  Anm.  211). 


Georg  Lippold,  Doppelseitiges  Relief  in  Barcelona. 


39 


Gruppen  scheiden:  Selten  fehlt  jede  besondere  Umrahmung  43).  Nicht  besonders 
häufig  ist  auch  die  Profilierung  wie  an  unserm  Stücke  44).  Gewöhnlich  ist  der  Rand 
ganz  glatt,  scharf  abgesetzt  (vgl.  Abb.  i);  seine  Breite  wechselt  45).  Hier  könnte  man 
eine  Reminiszenz  an  den  abgesetzten  Rand  wirklicher  Schilde  sehen;  aber,  während 
bei  diesen  der  Rand  gegen  die  Wölbung  zurücktritt,  ist  bei  den  Scheiben  umgekehrt 
der  Rand  höher.  Bisweilen  umgibt  das  Bild  ein  breiter  Kranz  oder  eine  WcUenrankc 
(vgl.  Abb.  2)  4^).  Der  Rand  ist  auf  beiden  Seiten  manchmal  verschieden  gebildet 
oder  verziert.     Auch  für  die  Kränze  um  den  Rand  gibt  es  Analogien  auf  Schilden  47); 


Abb.  2.    Kopenhagen. 

aber  Kränze  als  Einfassung  von  Runden  sind  selbstverständlich  auch  ohne  Vorbild 
der  Schilde  immer  wieder  verwendet  worden.  In  Pompeii  will  man  auch  Einfassung 
von  Holz  beobachtet  haben  4^). 

Die  Darstellungen  endlich  sind  nicht  von  der  Art  der  auf  Schilden  üblichen, 
der  Schildzeichen.  Die  Mannigfaltigkeit  der  figürlichen  Schildzeichen,  die  wir  in  ar- 
chaischer Zeit,  auch  noch  auf  Vasen  des  strengen  Stils  finden,  hatte  ja  bald  einer 
ziemlichen  Einförmigkeit  Platz  gemacht.  Wenn  man  von  Prunkschilden  absieht, 
die  auch  in  späterer  Zeit  mit  figurenreicheren  Bildern  versehen  wurden,  trat  eine  Be- 


43)   Nimes,  Esp^randieu  489  (andere  Seite  mit  glattem 

Rand). 
■•4)  Albert  8  (Neapel;  vgl.  Phot.  Sommer  11 247);  11 

(Schreiber,    Hellenist.    Reliefbilder    Taf.     102); 

Ostia   (s.  Anm.   29);     Vatican    Belvedere   39  g; 
45)  Wien  Sacken  Fig.9;  schwächer  bei  Esp^r.  401/2. 

Z.  B.  Amorini  dorati  (Anm.  25);   Berlin   1041 

bis  43;   Auct.  Weizinger,  2.8. — -31.  X.   iS,   1^56 

(Abb.  1)  usw. 


4')  Campana  (Brunn  Kl.  Schriften  III  183  f.  Darem- 
berg-Saglio  s.  v.  Clipeus  Fig.  1670);  Ny-Carlsberg 
817  a  (hier  Abb.  2)  vgl.  Anm.  81;  London  2456; 
Esperandieu  403;  Phot.  Moscioni  11 574  (angeb- 
lich Lateran);  Welcker  5  (nur  die  im  übrigen 
rauh  gelassene  Rückseite);  Smyrna  (Anm.  23). 

47)  Z.  B.  griechisch:  Furtwängler- Reichhold  116, 
118;  römisch:  Esperandieu  722;  745. 

48)  Welcker  S.  134, 


40 


Georg  Lippold,  Doppelseitiges  Relief  in  Barcelona. 


schränkung  auf  wenige  Gegenstände,  Symbole  und  Zeichen  ein  49).  Zu  diesen  gehört 
das  Gorgoneion,  das  auf  unsern  Runden  gewiß  vom  Schild  übernommen  ist.  Wir 
finden  es  aber  nur  ganz  vereinzelt  S»).  Von  sonstigen  Bildern  könnten  wenigstens  in- 
haltlich an  eine  ursprüngliche  Bedeutung  als  Kriegswaffe  erinnern  die  Darstellungen 
von  Athena,  Nike,  Kriegern  u.  dgl.  5'). 

Allein  auch  diese  Darstellungen  sind  durchaus  in  der  Minderzahl.  Selten  sind 
auch  andere  Gottheiten  5^),  sonstiges  mythologisches,  darunter  Herakles  mit  Löwe, 
Hindin,  Stier  53),  Apoll  und  Marsyas  54),  Odysscus55),  Diomedes  5^),  Kentauren  57). 
Häufiger  schon  sind  Darstellungen  von  Meerwesen  5$),  die  ja  in  der  römischen  deko- 
rativen Kunst  so  sehr  beliebt  sind,  darunter  Eros  auf  dem  Delphin  59).  Eros  kommt 
auch  sonst  vor  *°). 

Alles  andere  überwiegen  jedoch  die  Gestalten  des  dionysischen  Kreises  —  wenn 
man  auch  nicht  mit  Albert  alle  Bilder  auf  unsern  Reliefs  in  Zusammenhang  mit  Dio- 
nysos bringen  kann.  Dieses  Vorherrschen  des  Bacchischen  ist  in  der  Kaiserzeit  ja 
überall  zu  beobachten  und  an  sich  nichts  auffallendes.  Doch  gibt  es  zwei  Gattungen 
von  Darstellungen  auf  unsern  Scheiben,  deren  Häufigkeit  eine  besondere  Erklärung 
verlangt.  Einmal  die  Masken^').  Hier  liegt  gewiß  eine  Übertragung  von  den  recht- 
eckigen Maskenreliefs  vor.  Das  andere  sind  die  Opferszenen.  Viel  häufiger  als  in 
anderen  Denkmälerklasscn^^)  finden  wir  hier  brennende  Felsaltäre  u.  dgl.,  vor  denen 


49)  Die  historische  Entwicklung  ist  in  den  Arbeiten 
von  Chase  (Harvard  Studie*  XIII,  6i  ff.)  und 
M.  Greger,  Schildfcrmen  und  Schildschmuck 
bei  den  Griechen  (Diss.  Erlangen  1908)  53  ff.  nicht 
genügend  dargestellt. 

y)  Albert  13  =  Welcker  35.  Ein  weiteres  Stück  im 
Kunsthandel  (angeblich  aus  Pozzuoli,  Amphi- 
theater) sieht  auf  der  Hauptscite  (Gorgoneion 
auf  Aegis,  Pupillen  angegeben)  etwas  seltsam  aus, 
während  die  Rückseite  (Satyr  mit  Fruchtschalc 
vor  brennendem  Felsaltar)  einen  guten  Eindruck 
macht.  Ich  kenne  nur  Photographien,  die  ich 
Arndt  verdanke.  —  Welcker  6  (Hübner,  Madrid 
802)  wird  auch  wohl  hierher  gehören.  Auch  der 
'Ammonskopf  (Welcker  Taf.  VI,  11;  Nr.  21;  Es- 
p6randieu  82S),  der  als  Schildschmuck  vorkommt 
(z.  B.  Esperandieu  272),  ist  zu  vergleichen. 

5")  Athena:  Albert  15  (Rdp.deRel.  III,  66,  3;  Phot. 
Sommer  11*47).  Nike:  Albert  9,  16  (mit  Krie- 
ger). Pollak,  Samml.  Kopf  14,  Taf.  IV. 
Waffentänzer?:  Not.  d.  sc.  1907,  586,  Fig. 
36.  Kriegerkopf  =  Welcker  21  (WoburnMich.94, 
wo  aber  diese  Seite  nicht  erwähnt  ist). 

■;')  Apollon?  Matz-Duhn  3621  =  Auct.  Kat.  Wei- 
zinger  15.  XII.  19,  690,  Taf.  10.  Aphrodite  (.>) 
und  Eros:  Pollak,   Samml.  Kopf  14,  Taf.   IV. 

53)  Herakles;  Albert  12  (Welcker  40;  Phot.  Napoli 
759    (B));    mit    Löwe:    München    Antiquarium, 


Lützow,  Münchner  Antiken  Taf.  2,  3;  mit  Hindin: 
Albert  11  (s.  Anm.  44);  mit  Stier:  Heyl  (s.  Anm. 
3/)-    Vgl.  a.  Welcker  9. 

51)  Dresden  (Anm.  14). 

5>)  Welcker  26  (wenn  hierher  gehörig). 

5'')  El  Djem  (Anm.  22). 

57)  Not.d.sc.  1907,  584,  Fig. 33/34.  Arndt,  La  Glyp- 
totheque  Ny-Carlsberg  p.  130,  Fig.  68  (auf  der 
Rückseite  Hinterteil  eines  Kentauren). 

5')  Delphin:  Welcker  3;  24  (Louvre  Cat.  somm. 
2462);  31  (Dütschke  zu  V  919);  Esperandieu  400. 
Seepanther:  Espdr. 486.  Seedrache:  Berlin  1041. 
Triton:  Welcker  13.  Triton  und  Nereide: 
Not.  d.  scavi  1920,  49  f.,   Fig.  4  (vgl.  Anm.  15). 

59)  Berlin  1041;  Welcker  34*  (Rep. de  ReliefsIII66,5). 

'")  Lon  Ion  2456  (Opfer).  Tusculum  (Canina,  Tus- 
culum  p.24.    Rev.  arch.  38,  1879,  2  (auf  Bock)). 

'')  Albert  7;  20;  21;  22.  Welcker  14;  20  (London 
2457);  24;  31  (vgl.  6);  Espdrandieu  400;  486  — 
die  vier  letztgenannten  zeigen  auf  der  andern 
Seite  Seewesen  (vgl.  Anm.  58);  Welcker  47; 
Parma  D.  919;  Louvre  C.  S.  2463;  Espdr.  489; 
828.  Cambridge  Mich.  72.  Matz-Duhn  3622. 
linzelajfnah  1  en  1894/95.  Vgl.  dazu  die  komi- 
sche Muse,  Espdr.  403  (nicht  Schauspieler: 
Hauser,  Neuatt.  Reliefs  S.  97,  Nr.  22). 

'*)  Von  den  bei  Hauser,  Neuattischc  Reliefs  aufge- 
zählten   Monumenten    gehört   hierher   eigentlich 


Georg  Lippold,  Doppelseitiges  Relief  in  Barcelona.  4I 

Satyrn,  Silene  oder  Pan  mit  Fackeln,  die  sie  oft  am  Altar  zu  entzünden  scheinen,  oder 
mit  Opfergaben  sich  befinden  ^3).  Auch  Dionysos  selbst  steht  einmal  vor  einem  solchen 
Altar*4).  Dazu  kommen  Idole  —  Priap  — *S),  auch  findet  sich derAltar  ohne  Figuren**). 
Auch  die  Masken  liegen  zuweilen  vor  oder  auf  einem  Altar  *7). 

In  diesen  Kreis  gehört  auch  die  Rückseite  unserer  spanischen  Scheibe,  der  Satyr, 
der  vor  einer  Herme  des  Dionysos  seinen  Schlauch  in  einen  Krater  entleert.  Die 
nächsten  Analogien  dazu  sind  ein  Stück  aus  dem  Theater  von  Parma,  wo  die  Herme 
fehlt  und  ein  Baum  hinzugefügt  ist  **),  und  eines  in  Würzburg  *9),  wo  der  Satyr 
von  links  gesehen  ist,  viel  energischer  bewegt;  die  Herme  fehlt.  Beides  also 
keine  genauen  Wiederholungen. 

In  diesen  Darstellungen  haben  wir  offenbar  die  für  unsere  Denkmälergattung 
charakteristischen,  ihr  ursprünglich  eigenen  zu  sehen.  Die  sonstigen  Gegenstände 
sind  erst  anderswoher  übertragen,  wie  umgekehrt  einmal  auf  einem  rechteckigen  Relief 
eine  solcheOpferszenc  erscheint?").  Und  zwar  sind  diese  Bilder  nicht  deshalb  gewählt, 
weil  sie  sich  formal  für  das  Rund  besonders  eigneten,  so  wie  auf  den  Pelten  Delphine 
und  andere  Seewesen,  die  in  ihrer  gestreckten  Gestalt  sich  der  Form  gut  anpaßten  7"), 
während  sie  doch  gegenständlich  mit  dem  Amazonenschild  nichts  zu  tun  haben.  Bei 
unseren  Scheiben  müssen  inhaltliche  Gründe  für  die  Bevorzugung  der  Opferszenen 
maßgebend  gewesen  sein,  sie  müssen  mit  der  ursprünglichen  Bedeutung  der  Runde 
zusammenhängen.  Das  führt  freilich  weit  ab  vom  Schild.  Eine  völlige  Erklärung 
scheint  sich  vorerst  nicht  finden  zu  lassen.  Sicher  ist  sie  im  dionysischen  Kreis  zu 
suchen  und  hier  hat  man  sie  auch  früher  schon  gesucht  und  angenommen,  in  Dio- 
nysos-Heiligtümern seien  runde  Scheiben  —  natürlich  nicht  aus  Marmor—  aufgehängt 
gewesen,  die  oscilla  genannt  wurden.  Allein  dafürgibt  es  kein  Zeugnis.  Oscilla  sind  wahr- 
scheinlich kleine  menschliche  Figuren,  die  im  Kultus  Verwendung  fanden  —  aufge- 
hängt an  Zweigen  u.  dgl.  7^).  Auch  dürfen  wir  für  diese  ganz  griechischer  Kunst  ange- 
hörenden Dinge  die  Erklärung  nicht  in  römischem  Kultus  suchen.  Aber  auch  die  Denk- 
mäler geben  für  diese  Aufhängung  der  Scheiben   nur  schwache  Anhaltspunkte  73). 

nur  S.  91,  12  =  Einzelaufnahmen  2534.    Zu  ver-  ^'')  Belvedere  39  g  (Welcker  i). 

gleichen  auch  S.  99,  27,  i.  Die  bacchischen  Opfer  «7)  Welcker  18  (London  2456)  24  (Anm.  58).  Albert 

auf  den  »Campana  «-Reliefs  (Die  antiken  Terra-  10,  18. 

kotten  IV,  S.  54  ff.)  sind  von  etwas  aiiderem  '■8)  Dütschke  932  (Anm.  30). 

Charakter.  ^)  Sittl,     Wurzburger    Antiken    Taf.    XI,    S.    17  ff. 

'■-)  Albert  Nr.  I — 10,17,18.    Welcker  Nr.  2,  3,  5,  19  Nachprüfung  der    nicht    ganz    korrekten   Zeich- 

(London  2460)  22,  34  (London  2459).     Dresden  nung  verdanke  ich  Bulle. 

(s.  Anm.  14).   Cambridge  Mich.  70/71.    Marbury  70)  Not.  d.  scavi  1907,  568,  Fig.  19. 

Mich.  40.     München,     Privatbesitz  (Anm.  28).  ?•)  Albert  26 — 29;  Esp(5randieu  414. 

Kunsthandel  (Anm.  50).     Würzburg  (Anm.  69)  7»)  Vgl.  Hild  b.Daremberg-Saglio  s.  v.  oscillum,  wo 

Ein    Stück,    ebenfalls    im   Kunsthandel    (Phot.  nur  die  Zeugnisse  nicht  ganz  richtiggewertet  sind. 

Arndt,  Fragment)  zeigt  einen  knieenden   Satyr  73)  Vgl.  den  Rundaltar  Lansdowne  Mich.  70:  an  einer 

vor  brennendem  Felsaltar.  Girlande,  die  auf  Thyrsosstäben  ruht,  hängt  ein 

<><)  Berlin  1042  (Welcker  4).  Pedum  und  eine  Rundscheibe  mit  Relief:  Eros 

'5)  Albert  i,  8,  14  (R^p.  d:  Rel.  III  82,  5);  diesen  mit  Fackel,  tanzend   (vgl.   London  2456,   oben 

verwandt  Esp^r.   I  813    (Rucks.).     Welcker   17  Anm.  6n,  Eros  mit  Fackel,  opfernd).    Bötticher 

(mit  Eros:  Anm.  60).  (Baumkultus  S.  90,  Fig.  8)  und  nach  ihm  Hild 


A2  Georg  Lippold,  Doppelseitiges  Kelief  in  Barcelona. 


Wenn  wir  hier  Scheiben  aufgehängt  finden,  sind  es  meist  Tympana  74),  die  natürlich 
nicht  beiderseits  mit  Reliefs  geschmückt  sein  konnten  75;  und  schon  deshalb  nicht 
gut  die  Vorbilder  unserer  I^unde  sein  können. 

Die  Häufigkeit  der  Fackeln  mag  auf  nächtliche  Feiern  7^j  deuten,  bei  denen  die 
Scheiben  irgendeine  Rolle  spielten.  Die  Fackel  findet  sich  übrigens  auch  öfters  neben 
den  Masken  auf  rechteckigen  Reliefs  77),  die  dadurch  wieder  in  engere  Verbindung 
mit  unsern  Scheiben  gebracht  werden:  auf  den  Votivreliefs,  von  denen  die  Masken- 
reliefs hergeleitet  werden,  hatten  die  Fackeln  keinen  Sinn,  wie  überhaupt  jedes  Bei- 
werk fehlte,  nur  die  Masken  vorhanden  waren  7*). 

Es  ergibt  sich  aus  alledem,  daß  jedenfalls  die  Bezeichnung  clipci  für  die  Scheiben 
nicht  angemessen,  der  Einfluß  der  aufgehängten  Votivschilde  relativ  gering  und 
sekundär  ist. 

Es  bleiben  noch  einige  Darstellungen  zu  erwähnen,  die  nur  vereinzelt  vor- 
kommen und  für  die  Frage  nach  der  Herkunft  der  Scheiben  nicht  ins  Gewicht  fallen. 
Ganz  selten  sind  Szenen  des  täglichen  Lebens  wie  auf  der  Hauptseite  unseres  spani- 
schen Rundes:  der  Schmied,  der  auf  einem  Stück  (beiderseits,  variiert)  auftritt,  ist 
als  Satyr  charakterisiert  79).  Dann  gibt  es  noch  verschiedene  Tiere,  Fabelwesen  usw. 
meist  rein  dekorativer  Art  ^°). 

Von  den  Darstellungen,  die  nicht  zu  den  speziell  unsern  Runden  eignen  gehören, 
sind  einige  im  Typus  verwandt  solchen  auf  »neuattischen«  ReUefs,  und  zwar  der  beiden 
von  Hauser  geschiedenen  Klassen*'),  doch  sind  es  meist  nicht  genaue  Wiederholungen 

(Dar.-Saglio  Fig.  5442)  bilden  ein  an  einem  Baum  *")  Hirsch  :  Albert  24.  Adler  und  Hase :  London  2458. 

aufgehängtes  »oscillum«  ab,  auf  dem  eine  mensch-  Pegasos:  Welcker  47.  Greif:  Louvre  C.  S.  2463; 

liehe  Figur  zu  sehen  ist.    Diese  Abbildung  geht  London  2459.  —  Ob  Welcker  15  (Magazine  des_ 

auf  Bartoli-Bellori  Admiranda  44/45  zurück  und  Vatikans   »männliches  Porträt  auf  beiden  Seiten«) 

ist  genommen  von  dem  Madrider  Puteal  Hübner  hierher  gehört? 

2S9  =  Einzelaufnahmen  1692/93.    Allein  weder  Si)  Hauser,    Die    neuattischen    Reliefs   yff. :   Erste 

Hübner  noch  Arndt  erwähnen  eine  Figur  auf  der  Gruppe.     Vgl.  Not.  d.  scavi   1909,  20  f.  (Ostia: 

Scheibe  und  nach  der  Photographie  scheint  es  s.  Anm.  29):  Typus  23  und  27  (aber  rechter  Arm 

eher  ein  Becken  mit  vertiefter  Mitte,  ohne  Figur,  gesenkt).      Ny-Carlsberg   817  a   (hier  Abb.   2): 

zu  sein.  A.  Vgl.  Typus  28  (in  der  Linken  Schlange  statt 

74)  Vgl.  Bötticher,  Baurakultus  Fig.  7,  19.  Böcklein).    B.  Satyr,  der  Böcklein  und  Schwert 

75)' Auf  der  einen  Seite  mit  Ornament  oder  Figur  ge-  wie    eine  Mänade    hält,    wohl  als  Gegenstück 

schmückte  Tymp  na  finden  sich  auf  Vasen,  z.  B.  hinzu    erfunden.       Ehemals    Campana,    Brunn, 

Arch.  Ztg.  1848,  Taf.  XIII,  4.  Kl.  Sehr.  III  1841.:  Typus  22  und  31.     Beide 

7*)  Vgl.  Albert  p.  279.  letzteren  Stücke  auch  in  der  Umrahmung  ver- 

77)  Vgl.  Not.  d.  scavi  1907,  558  ff.,  Fig.  8,  10;  Ny-  wandt.   Zweite  Gruppe:  Hauser  S.  90,  Nr.  9,  :o; 

Carlsberg  384  (Arndt  Fig.  204).  Auch  Altäre  mit  S.  97,  Nr.  22  (Esp^randieu  403);   andere    Kala- 

Flammen  öfter  auf  den   Maskenreliefs:  Not.  d.  thiskostänzerin :        .Sittl,      Würzburger     Antiken 

scavi  1907,  580,  Fig.  29;  .Albert  Nr.  40;  Esp^ran-  Taf.     XU    (Anm.    69);     S.     102,     Nr.    33    (s. 

dieu  775.  Phot.  Moscioni  11636/37  (wo?).  Masken  Anm.  28,66,  Belvedere  39  g).    Zu  S.  9:,  Nr.  12,3 

und  Fackeln  auch  auf  Pelten:  Albert  30,  31  (da-  (Basis    Venedig,    Einzelaufnahmen    2536)    vgl. 

von  doch  wohl  verschieden  Mus.  Borb.   IX  B).  Welcker  Taf.  VI  11:   Agaue  mit  dem  Haupt  des 

7*)  Vgl.  Reisch,  Griech.  Weihgeschenke  145  f.,  Fig.  Pentheus,    beidemal   vor  brennendem  Felsaltar, 

13/14.  der  von  den  dionysischen  Opfern  unserer  Scheiben 

79)  Albert  19  (=  Welcker  46).  übertragen  scheint.   Die  Basis  enthält  auch  einen 


Georg  Lippold,  Doppelseitiges  Relief  in  Barcelona. 


43 


der  neuattischen  Figuren,  sondern  freie  Wiedergaben.  Solche  Abweichungen  vom 
üblichen  Typus  dürfen  jedoch  nicht  schon  dazu  verführen,  die  betreffenden  Stücke 
in  ihrer  Echtheit  anzuzweifeln^^),  wiewohl  es  auch  wirklich  verdächtige  und  falsche 
»Oscilla«  gibt  ^3).  Derartige  Veränderungen  des  Ursprünglichen  finden  sich  auch  bei 
den   hie  und  da  wiedergegebenen   archaistischen  Figuren  ^4). 

Ein  großer  Teil  unserer  Reliefs  steht  in  keiner  so  nahen  Verbindung  mit  dem 
neuattischen  Typenkreis  ^5).  Wohl  sind  die  Figuren  in  den  seltensten  Fällen  als  freie 
Erfindungen  ihrer  Verfertiger  anzusehen,  aber  die  Parallelen  begegnen  mehr  auf 
andern  Reliefs,  auf  Gemmen  usw.  ^^).  Im  allgemeinen  können  wir  ziemlich  viel  Freiheit 
und  für  römische  Kunst  frische  Erfindungs-  und  Variationsgabe  konstatieren,  die 
freilich  hin  und  wieder  zu  Seltsamkeiten  führt.  Eine  gewisse  beabsichtigte  Gebunden- 
heit der  Stellungen,  archaisierend  anmutende  Bewegungen  hängen  mit  den  häu- 
figen Tanzmotiven  zusammen,  sollen  die  ungeschickte  Bewegungsart  des  Satyrs 
charakterisieren,  werden  dann  auch  auf  andere  Figuren  übertragen. 

Diese  Eigenschaften  kennzeichnen  auch  die  Reliefs  der  Scheibe  von  Barcelona. 
Die  Darstellung  von  A,  der  mit  Waren  in  Begleitung  des  Hundes  zur  Stadt  eilende 
Landmann,  scheint  eine  typische  Staffagefigur  landschaftlicher  Bilder  gewesen  zu 
sein:  wir  finden  sie  wieder  auf  einem  »Landschaftsbild«  aus  Herculaneum  ^7).  Allein 
hier  bewegt  sich  der  Mann  ganz  ungezwungen  natürlich;  das  gespreizte,  gebundene 
hat  erst  der  Reliefkünstler  hineingebracht*^).    Auf  der  Rückseite  paßt  die  rasche  Be- 


Satyr mit  Früchten  vor  Altar,  der  von  den  Rund- 
reliefs stammt  (Anm.  62).  Bei  der  Wiederholung 
der  Agaue  London  2508  fehlt  der  Altar. 

^^)  Vgl.  Hauser  S.  83,  12  zu  dem  Campanaschen 
Rund  (Anm.  81).  Die  von  Hauser  beanstandete 
Verbindung  von  Figuren  der  beiden  Typen- 
gruppen 22 — 24  und  25 — 32  findet  jetzt  in  dem 
Rund  von  Ostia  (Anm.  81)  ihre  Parallele. 

*3)  Sittl,  Würzburger  Antiken  S.  19.  Welcker 
27 — 29  (Arolsen).  Despuig:  Hübner  801  (auch 
von  Arndt  als  modern  notiert).  Bei  der 
Scheibe  des  Münchner  Antiquariums  (Anm.  53) 
macht  die  Seite  mit  dem  verwundeten  Herakles 
einen  viel  ungünstigeren  Eindruck  als  die  andere. 
Auch  stimmt  sie  in  der  Orientierung  nicht  mit 
ihr  überein;  sollte  diese  Seite  ursprünglich  glatt 
gewesen  sein?  Äußere  Verdachtsgründe  habe 
ich  allerdings  nicht  finden  können.  Vgl.  a.  Anm. 
50. 

*■!)  Archaistisch:  Albert  15;  Welcker  21  (Anm.  51). 
München,  Privatbesitz  (Anm.  28,  63).  Samml. 
Kopf  (Anm.  52).  Charakteristisch  Albert  16 
(R^p.  de  Reliefs  HI  78,  4 — 5),  wo  die  in 
mehreren  Exemplaren  erhaltene  Komposition 
von  Nike  und  Krieger  vor  Palladion  (vgl. 
Roschers  Myth.  Lex.  s.  v.   Palladion   HI    1326, 


13;  Reinach,  Rep.  de  Rel.  HI  57,3)  auf  beide 
Seiten  verteilt  ist.  Aber  das  Palladion  ist  weg- 
gelassen, der  Krieger  schreitet  und  trägt  den 
Helm  auf  der  Hand:  Veränderungen,  die  nur  der 
dekorativen  Wirkung  zu  Liebe  vorgenommen 
sind. 

85)  So  das  Abb.  i  (vgl.  Anm.  45)  wiedergegebene 
Fragment,  Pan  mit  Flöte  und  Mänade  mit 
Fackel,  vgl.  etwa  »Lateran«  (Anm.  46)  und  Wien 
(Anm.  44):  die  Figuren  stehen  neuattischen 
nahe,  sind  aber  keine  geläufigen  Typen. 

8«)  So  der  Kentaur,  der  die  Frau  raubt  (Anm.  57) 
auf  dem  »frührömischen«  Puteal  Ny-Carlsberg 
Arndt,  pl.  84.  Zu  der  Darstellung  Herakles  und 
Hindin  (Anm.  53,  81)  vergleicht  Hauser  Gemmen 
(Furtwängler,  Kl.  Schriften  II  Taf.  25,  4.  Diese 
Denkmäler  sind  von  Robert,  Arch.  Hermeneutik 
273 ff.  nicht  verwertet).  Diomedes  mit  Palladion, 
auf  Gemmen,  häufig:  El  Djem  (Anm.  22).  Zu 
dem  Schweineopfer  Albert  17  (Rep.  de  Reliefs 
III  84,4)  vgl.  Jahrb.  XVIII  1903,  "61. 

87)  Rom.  Mitt.  XXVI  191 1,  33,  Abb.  to. 

88)  Die  Ähnlichkeit  mit  dem  Fischer  des  »Pan- 
meisters«  (Furtwängler-Reichhold  II,  S.  293; 
vgl.  Journ.  Hell.  Stud.  XXXII 191 2,  358,  Nr.  18) 
ist  darum  doch  wohl  zufällig. 


44 


Margarete  Gtttschow,  Untersuchungen  zum  korinthischen  Kapitell.  I. 


wcgung  eigentlich  überhaupt  nicht  zu  dem  Ausleeren  des  SchlauChs  in  den  Krater. 
Auch  hier  ist  ein  auch  sonst  erhaltener  *9)  Bildtypus  umgebildet,  wo  der  Satyr  neben 
dem  Krater  steht  90).  Die  Zufügung  der  Herme  gibt  dem  Bild  den  unsern  Reliefs  eignen 
sakralen  Charakter. 

Inhaltlich  sind  zwischen  den  beiden  Seiten  keine  Beziehungen  zu  suchen:  sie 
sind  auf  den  Scheiben,  wenn  vorhanden,  meist  sehr  lose:  die  gleichen  oder  verwandten 
Gegenstände  beiderseits  wiederholt  9'),  Figuren,  die  nebeneinander  gut  denkbar 
wären  9^),  selten  eine  gemeinsame  Handlung  auf  die  Seiten  verteilt  93). 

Die  Scheibe  in  Barcelona  gehört  zu  den  feinsten  und  besten  der  ganzen  Gattung; 
schwerlich  ist  sie  in  Spanien  selbst  gearbeitet,  sondern  ein  reicher  Römer  der  augu- 
steischen Zeit,  der  den  heimischen  Prunk  nicht  missen  mochte,  hat  sie  zum  Schmuck 
seines  Hauses  aus  Italien  kommen  lassen,  eines  Hauses,  das  sicher  mit  Kunstschätzen 
mannigfacher  Art  prächtig  ausgestattet  war.  Nur  dieser  eine  Rest  ist  uns  davon  ge- 
blieben als  wichtiges  Zeugnis  für  die  Ausbreitung  der  griechisch-italischen  Luxus- 
kunst in  der  ersten  Kaiserzeit. 


Erlangen,   Juni  1921, 


Georg  Lippold. 


UNTERSUCHUNGEN  ZUM  KORINTHISCHEN  KAPITELL.  I. 


I.  DAS  KORINTHISCHE  KAPITELL  VON  PHIGALIA'). 

Ein  böser  Stern  hat  über  dem  ältesten  korinthischen  Kapitell  gestanden.  Für 
kurze  Zeit  war  es  seiner  Vergessenheit  entrissen,  wurde  gemessen,  gezeichnet,  rekon- 
struiert, und  dann  verschwand  es  fast  spurlos,  so  daß  sogar  einmal  seine  Existenz 
angezweifelt  werden  konnte  ^).  Von  seinen  Entdeckern  starb  der  eine  vor  der  Ver- 
öffentlichung seiner  Arbeiten;   der  andere  veröffentlichte  die  seinen  erst  50  Jahre, 


*?)  Vgl.  die  Lampe  Sammlung  Niessen  (3.  Bear- 
beitung) Nr.  1818:  Satyrknabe  mit  Kantharos 
rechts.  Reliefgefäß  von  Delos  Bull.  Corr.  Hell. 
XXXVII    1913,  421,  Nr.   706. 

90)  Hier  hat,  wie  Sittl,  Würzburger  Antiken  S.  17, 
bemerkt,  der  neuattische  Typus  des  Satyrs  mit 
Krater  auf  der  Schulter  (Häuser  21),  der  stark 
bewegt  ist,  eingewirkt. 

9')  So  die  «ahlreichen  dionysischen  Bilder,  vgl. 
besonders  den  Schmied  (Anm.  79),  Satyr  und 
Ziege  (Marbury,  Mich.  40)  dann  die  Ken- 
tauren (Anm.   57,  86),   die  Masken  usw. 

'^)  Wie  die  neuattischen  Typen  (Anm.  81/82). 

93)  Nike  und  Krieger  (Anm.  84).  Auch  der  Jüngling 
mit  Schwert  und  Schild  und   das  Mädchen  mit 


Schwert  Not.  d.  scavi  1907,  586,  Fig.  36/37  sind 
offenbar  im  gemeinsamen  Tanze  gedacht. 

')  Den  Anlai3  zu  dieser  Arbeit  hat  seinerzeit 
ein  Referat  im  Seminar  von  Professor 
Noack  gegeben.  Auch  an  dieser  Stelle  möchte 
ich  meinem  verehrten  Lehrer  meinen  herzlich- 
sten Dank  für  reiche  Anregung  und  liebens- 
würdige Förderung  aussprechen.  —  Weigands 
im  Herbst  1920  erschienene  Schrift  »Zur  Vor- 
geschichte des  korinthischen  Kapitells«  konnte 
nicht  mehr  berücksichtigt  werden,  da  das  Mantj- 
skript  schon  1917  im  wesentlichen  abgeschlossen 
wurde.  HomoUes  Aufsatz  Rev.arch.  1916  II,  56  ff. 
war  mir  noch  nicht  zugänglich. 

-)  Ivanoff,  Ann.  Inst.  1865,  52. 


Mai^aiete  Gutschow,  Untersuchungen  zum  korinthischen  Kapitell.  I.  az 

nachdem  er  das  Kapitell  gesehen  hatte.  Außerdem  weichen  die  Rekonstruktionen,  aus 
denen  wir  unsere  Kenntnis  des  Kapitells  schöpfen,  beträchtlich  voneinander  ab  und 
haben  trotzdem  das  Schicksal,  häufig  miteinander  verwechselt  zu  werden.  Deshalb 
sind  Kavvadias'  Untersuchungen  des  Tempels,  durch  die  das  Vorhandensein  der  ko- 
rinthischen Säule  festgestellt  wurde  '),  und  Rhomaios'  Veröffentlichung^)  der  Reste 
des  verschollnen  Kapitells  mit  Freuden  zu  begrüßen,  obwohl  auch  jetzt  noch  manche 
entscheidende  Frage  ungeklärt  bleibt. 

Die  wenigen  Bruchstücke,  die  einzigen  Reste  des  kostbaren  Kapitells,  die  Rho- 
maios veröffentlicht,  haben  unbeachtet  ein  Jahrhundert  im  Tempel  gelegen  (falls 
nicht  die  neuen  Aufräumungsarbeiten  3)  sie  erst  wieder  freilegten).  Einige  liegen  noch 
da,  die  wichtigsten  aber  sind  nach  Athen  gebracht  worden.  Leider  gibt  Rhomaios 
keine  Schnitte  und  nur  wenige  Maße,  und  die  Abbildungen  lassen  auch  nicht  alle 
Einzelheiten  in  wünschenswerter  Klarheit  erkennen.  Nach  ihm  sollen  sie  die  bisheri- 
gen Darstellungen  des  Kapitells  bekräftigen,  aber  welche  meint  er.?  Denn  nicht  weni- 
ger als  vier  Architekten  haben  das  Urbild  des  Kapitells  an  Ort  und  Stelle  gezeichnet, 
aber  jeder  von  ihnen  hat  es  anders  wiedergegeben. 

Wie  sind  diese  Zeichnungen  zu  beurteilen }  Welche  von  ihnen  gibt  das  zuver- 
lässigste Bild  dieses  ersten  korinthischen  Kapitells,  von  dem  wir  wissen?  Bevor  wir 
sie  selbst  prüfen,  müssen  wir  uns  die  Verhältnisse  vergegenwärtigen,  unter  denen  sie 
einst  entstanden  sind.  Was  ist  uns  über  den  Fund  und  die  Schicksale  des  Kapitells 
urkundlich  überliefert.?  Im  August  1811  fanden  die  Entdecker  der  Giebclgruppen 
von  Acgina,  die  deutschen  Architekten  Carl  Haller  von  Hallerstein  und  Linkh  und  die 
Engländer  C.  R.  Cockerell  und  Foster  bei  einem  Besuch  der  Ruinen  von  Phigalia 
auch  ein  einzelnes  korinthisches  Kapitell  t).  Zehn  Tage  hielten  sie  sich  dort  auf.  Aber 
kaum  hatten  sie,  wie  Haller  5)  schreibt,  »voll  Eifer  die  Hände  ans  Werk  gelegt,  um 
genaue  Maße  zu  nehmen«,  als  mißtrauische  türkische  Beamte  sie  zum  Aufbruch 
zwangen.  Sie  versteckten  ihre  Funde  vorsichtig  in  der  Hoffnung,  das  angefangene 
Unternehmen  später  doch  noch  zu  vollenden.  Erfüllt  von  diesem  Wunsch  gründete 
Hallcr  in  Athen  eine  Vereinigung  von  Künstlern  und  Gelehrten  ^)  »zur  Erforschung 
eines  für  die  Kunst  so  wichtigen  Gegenstandes«,  da  nur  durch  vereinte  Kräfte  die 
Schwierigkeiten  wegzuräumen  waren,  die  einer  weiteren  Ausgrabung  im  Wege  standen. 
Seine  Bemühungen  wurden  belohnt.  Die  Monate  des  Sommers  181 2  konnten  Haller, 
Linkh  und  Foster,  denen  sich  der  Livländer  Baron  Stackeiberg,  der  dänische  Archäo- 
loge Bröndstedt  und  andere  Gefährten  zugesellt  hatten,  in  Phigalia  zubringen,  um 
mit  Hilfe  von  50—80  Arbeitern  die  Trümmer  auszugraben,  zu  messen  und  zu  ordnen  7). 
Cockerell  aber  war  durch  eine  sizilische  Reise  fern  gehalten.    Im  August  wurden  die 

»)  C.  R.  du  Congres  d'Athenes  1905,  174  ff.  1810— 17.  The  Journal  of  C.  R.  CockcrelL     Ed. 

')  'Arj/.  'E<p-  1914,  59  ff.  by  bis  soa  S.  P.  Cockerell.    1903,  219  f. 

3)  Kurioniotis,  'Ap3(.  'Ktp.  1910,  272.  5)  Haller,  Brief  an  seinen  Bruder.     Herausg.  von 

1)  Stackeiberg,  Apollo-Tempel  von  Phigalia.    1826,  Bergau,  Grenzboten  1875,  I  Beibl.,  212  f. 

41.  —  Cockerell,   The   Temples   of  Minerva  at  '>)  Donaldson,    Altertümer    von    Athen.      Supp!.- 

Aegina  and  of  Apollo  at  Phigalia.    1860,  44.  —  Band.     Text,  120. 

Travels  in   Southern  Europe    and  the   Levant,  7)  Cockerell,  Journal  216 — 217. 


t/ß  Margarete  Gutscliow,  Untersuchungen  zum  korinthischen  Kapitell.  I. 


wichtigsten  Funde,  der  Fries  und  mehrere  Architekturstücke,  auf  steilen  Gebirgswegen 
von  Menschen  und  Lasttieren  nach  dem  mehrere  Tagereisen  entfernten  Hafen  Scala 
de  Bazi  gebracht  '),  um  nach  Zante  eingeschifft  zu  werden.  Unterwegs  wurden  sie 
von  Türken  überfallen,  die  glaubten,  daß  es  sich  um  Gold  und  Silber  handle  »).  Aber 
es  gelang,  das  gute  Einvernehmen  wieder  herzustellen,  die  Kunstwerke  ins  Schiff  und 
unter  Bedeckung  englischer  Kanonenboote  als  Schutz  vor  kreuzenden  französischen 
Korsaren  in  Sicherheit  zu  bringen.  Bei  diesem  Unternehmen,  so  berichtet  Cockerells 
Sohn  3),  ging  das  korinthische  Kapitell  zugrunde.  Um  den  erregten  Türken  zu  ent- 
gehen, mußten  die  schweren  Marmorblöcke  in  großer  Eile  auf  das  Schiff  geborgen 
werden.  »The  capital  in  question  which  was  more  ponderous  than  the  rest,  was  still 
Standing  half  in,  half  out  of  the  water  .  .  .  The  boat  had  to  put  off  without  it,  and  the 
travellers  had  the  mortification  of  seeing  it  hacked  topieccs  by  theTurks  in  theirfury 
of  having  been  foiled.« 

Also  danach  ist  das  Kapitell  1812,  kurz  nachdem  es  von  Haller  gemessen  und  ge- 
zeichnet worden  —  folglich  noch  einigermaßen  gut  erhalten  war  —  von  den  Türken 
fern  am  Meer  zerschlagen. 

Aber  dazu  stimmt  nicht,  daß  zwischen  1814  und  1817  der  englische  Architekt 
Th.  Allason  in  Phigalia  eine  Skizze  vom  selben  Kapitell  gemacht  haben  will,  die  er 
später  dem  Architekten  Donaldson  zur  Veröffentlichung  überließ  4)  (Abb.  2).  Doch 
war  es  in  einem  so  zerstückelten  Zustande  und  »der  Maße  von  demselben  so  wenige« 
(S.  18),  daß  er  von  einer  Restauration  absehen  mußte,  da  eine  befriedigende  und  be- 
gründete Ergänzung  unmöglich  war. 

1819  hat  Donaldson  selbst  das  wertvolle  Bruchstück  in  Phigalia  nicht  mehr  ge- 
funden, und  er  beklagt  in  seiner  Arbeit,  daß  die  »dummdreiste  Zerstörungswut  der 
Eingeborenen  ein  so  interessantes  Beispiel  zerschlagen  habe«  (S.  122,  140). 

1825  schreibt  auch  Stackeiberg  (S.  27,  Anm.  24),  daß  nach  Aussagen  von  Reisenden 
die  »architektonischen  Verzierungen«  verschleppt  und  nicht  mehr  vorhanden  seien. 

Im  Anfang  des  20.  Jahrhtinderts  aber  wurden  jene  von  Rhomaios  veröffent- 
lichten Bruchstücke  gefunden. 

Diese  Angaben  beruhen  alle  auf  derselben  Voraussetzung,  die  durch  AUasons 
Zeichnung  zur  Tatsache  wird,  daß  das  Kapitell  in  der  Ruinenstättc  geblieben  ist. 
Die  Überlieferung  der  ersten  Nachricht  hält  also  nicht  stand.  Zu  erwägen  ist,  daß 
Cockerell  selbst  bei  der  Einschiffung  der  Kunstwerke  nicht  zugegen  war  und  daß  sein 
Sohn  nach  vielen  Jahren  davon  erzählt  nach  mündlichen  Berichten  des  Vaters,  die 
wieder  auf  die  Erzählungen  anderer  zurückgehen.  Keiner  der  Augenzeugen,  Haller 
oder  Stackeiberg,  so  eingehend  sie  die  Schwierigkeiten  des  Transports  schildern,  er- 
wähnt etwas  davon  5).  Nur  die  Zerstörung  selbst  ist  als  richtig  anzusehen,  da  schon 
Allason  keine  genauen  Maße  mehr  nehmen  konnte. 


")  Haller,  S.  260.  4)  Donaldson,  Antiquities  of  Athens.     Suppl.  Taf, 

«)  Stackeiberg,  S.  26.  IX. 

3)  Hinweis     von     Engelmann,     Östcrr.    Jahresh.        5)  Vielleicht   liegt   eine   Verwechslung   mit   einem 
XI  1907,  Beibl.  106.  der  jonischen  Kapitelle  vor,  das  zu  den  erwähn- 

ten fortgebrachten  Architekturstücken  gehörte. 


Margarete  GUtschow,  Untersuchungen  zum  korinthischen  Kapitell.  I.  An 


Auch  der  Ausweg,  daß  «twa  mehrere  korinthische  Kapitelle  vorhanden  gewesen 
seien,  von  denen  eins  zur  Küste  weggebracht  sei,  führt  nicht  weiter.  Die  Original- 
berichte sprechen  ausdrücklich  von  der  Säule  und  dem  Kapitell  —  »isolated  co- 
lumn«,  »Single  column«,  »das  korinthische  Kapitell,  der  nach  Zahl  und  Art  einzige 
Zug  an  unscrm  Gebäude«  usw  ').  Es  bleibt  nur  die  Feststellung  möglich  (auch  aus 
später  noch  zu  erörternden  technischen  Momenten),  daß  es  nur  ein  Kapitell  gab  und 
daß  dieses  zwischen  1817  und  18  zerschlagen  worden  ist,  und  zwar  im  Tempel  selbst, 
so  daß  die  dort  gefundenen  Bruchstücke  von  eben  diesem  Exemplar  stammen. 

Aber  sprechendere  Zeugen  seines  Vorhandenseins  als  diese  unbedeutenden 
Fragmente  sind  die  Handzeichnungen  und  Rekonstruktionen,  die  in  der  kurzen  Zeit, 
in  der  es  vor  aller  Augen  dalag,  von  ihm  gemacht  worden  sind:  Haller,  Cockerell, 
Stackeiberg  und  Allason  ^)  haben  es  gezeichnet  3).  Aber  von  diesen  Originalaufnahmen 
ist  nur  Allasons  Skizze  von  Donaldson  —  ohne  jeden  Zusatz  wie  es  scheint  —  ver- 
öffentlicht worden;  Cockerells  und  Stackeibergs  kennen  wir  nur  durch  Rekonstruk- 
tionen, die  sie  viele  Jahre  später  nach  ihren  Skizzen  angefertigt  haben.  Hallers  Hand- 
zeichnungensindleiderbishernoch  unveröffentlicht,  und  gradesie  scheinen,  nachseinen 
Briefen  (S.  210,  212,  260)  und  den  Berichten  seiner  Freunde  zu  urteilen,  mit  der 
größten  Zuverlässigkeit  und  Treue  ausgeführt  zu  sein.  Beim  ersten  kurzen  Aufenthalt 
im  Tempel  nahm  er  mit  Cockerell  gemeinsam  die  Maße;  beim  zweiten  dreimonatlichen 
widmete  er  sich  »in  rastlosem  Bemühen  so  gründlich  wie  möglich  zu  sein,  für  sein  und 
des  abwesenden  Freundes  Interesse«  ausschließlich  der  Architektur  des  Tempels,  und 
zwar  »mit  glücklichem  Erfolge«.  »Spähenden  Auges  wachte  er  drüber,  daß  ihm  auch 
nicht  der  kleinste  Teil  eines  architektonischen  Gliedes  entginge.«  Den  folgenden 
Sommer  verbrachte  er  still  auf  dem  Lande,  um  zusammen  mit  dem  zurückgekehrten 
Cockerell  an  den  Plänen  und  Zeichnungen  zu  arbeiten  und  die  Herausgabe  eines  Werks 
über  die  Funde  von  Aegina  und  Phigalia  vorzubereiten.  Cockerell  aber  erkrankte 
schwer  und  wurde  dadurch  am  Mitarbeiten  gehindert  (Journal  S.  220).  Er  hat  Phi- 
galia nach  jenem  ersten  Besuch  vom  Jahre  181 1  erst  181 5  bei  eihem  kurzen  Abstecher 
auf  seiner  Heimreise  wiedergesehen  (S.  268)  4),  als  —  wenigstens  nach  seiner  eignen 

')  Cockerell,  Apollo-Tempel  48,  66.  —  Donaldson  Durm,  Österr.  Jahresh.  IX  1906,  289  berichtigt 

122.  Ricgl,  übersieht  aber  dabei,  daß  die  von  Riegl 

^)  Cockerell,    Journal   219    erwähnt    eine   weitere  »dem    Sammelwerk    entnommene    Rekonstruk- 

Zeichnung  von   Foster  im  Phigalia  Room   des  tion,  an  dessen  Spitze  der  Name  Cockerell  steht«, 

British  Museum.    Sie  ist  nicht  publiziert,  wird  tatsächlich   die  von  Donaldson  veröffentlichte 

im  Katalog  auch  nicht  angegeben.  Zeichnung  Allasons  ist  und  nichts  mit  Cockerell' 

3)  Diese   Zeichnungen   werden   häufig   miteinander  zu    tun    hat.    —    Unverständlich    bleibt    auch 

verwechselt,  scheinen  z.  T.  auch  wenig  gekannt  Rhomaios'   Äußerung   über   die   Abbildung  bei 

zusein.   Z.  B.  Chipiez,  Histoire  critique  des  ori-  »Donaldson-Cockerell«.  —  Kavvadias  a.  a.  0.  174 

gines    des    ordres   grecs   1876,    296    verwechselt  geht  bei  seiner  Besprechung  des   Kapitells  nur 

Stackeiberg  und  AUason-Donaldson.   —   Riegl,  auf  Cockerell  und  Stackeiberg  zurück,   erwähnt 

Stilfragen    224  ff.    gründet   seine   Theorie   über  aber  AUaaon-Donaldson  und  Haller  mit  keinem 

die    Entstehung    des   korinthischen   Stils   allein  Wort. 

auf  Stackeiberg  und  Donaldson,  ohne  die  wich-        ^)  Hution,  J.  H.  S.  XXIX  1909,  55  erwähnt,  daß 

tige  Rekonstruktion  Cockerells  zu  erwähnen.  —  er  4  Skizzen  vom  Tempel  gemacht  habe. 


48 


Margarete  Gutschow,  Untersuchungen  zum  korinthischen  Kapitell.  I. 


Aussage  —  das  korinthische  Kapitell  schon  nicht  mehr  vorhanden,  nach  Donaldsons 
Angabe  zerstückelt  worden  war. 

Bröndstedt ')  spricht  von  Hallers  und  Cockerells  gründlichen  architektonischen 
Untersuchungen  unter  besonderer  Hervorhebung  von  Hallers  Zuverlässigkeit  und 
strenger  Pflichterfüllung. 

Stackeiberg  betont  (S.  27  Anm.  24),  daß  beide  Freunde  von  der  Architektur 
des  Tempels  »sowohl  vom  Ganzen  als  von  den  Einzelheiten«  die  genauesten  Zeich- 
nungen und  Messungen  genommen  haben,  »deren  Bekanntmachung  alle  Wünsche 
zu  befriedigen  vermag«. 

Jedoch  wichtiger  als  diese  Aussagen  ist  Cockerells  eignes  Urteil.  Er  bedauert, 
daß  er  unglücklicherweise  bei  der  Grabung  abwesend  sein  mußte.    Aber  »the   well-' 

known  care  of  the  conscentious  and  accom- 
-^  plished  Malier,    evinced  in  the  elaborate 

and  precious  documents  of  the  ultimate 
examination,  constitutcs  a  guarantee  to  the 
accuracy  of  the  rcsult,  which  claims  the 
füllest  confidcnce«^).  Also  die  Zeichnungen 
des  Freundes  sind  für  ihn  maßgebend,  nicht 
seine  eignen.  Hingegen  finden  Stackel- 
bcrgs  und  Donaldsons  Veröffentlichungen 
(s.  unten  S.  49)  nicht  seinen  unbedingten 
Beifall  3).  Einer  eingehenden  Kritik 
Stackeibergs  möchte  er  sich  enthalten;  er 
empfiehlt  nur,  seine  Stiche  mit  andern  zu 
vergleichen.  Donaldsons  Veröffentlichun- 
gen aber  hätte.-  den  Nachteil,  daß  ihr  Verfasser  nicht  an  den  ersten  Funden  als  »original- 
excavator«  voi.  lebendigen  Hoffnungen  beseelt,  teilgehabt,  sondern  nur  als  Reisender 
einige  Jahre  später  den  Tempel  gesehen  hätte;  infolgedessen  sei  manches  unrichtig 
aufgefaßt.  Aus  diesen  Tatsachen  und  Urteilen  muß  man  schließen,  daß  Haller  es 
war,  der  am  meisten  Zeit,  Eifer,  Ausdauer  und  Gründlichkeit  an  das  Studium 
der  Tempelarchitektur  gewandt  hat,  daß  man  also  seinen  Zeichnungen  unbedingt 
'Glauben  schenken  kann.  —  Kommt  man  nun  durch  gründliches  Prüfen  und  Ver- 
gleichen  der   Originalaufnahmen  zu   demselben  Ergebnis.? 

I.  Als  Erster  gab  1826  Stackeiberg  seine  Arbeiten  über  Phigalia  in  dem  großen 
Prachtwerk  ,,Der  Apollo-Tempel  zu  Bassae  bei  Phigalia"  heraus.  Auf  Taf.  HI  sieht 
man  im  Innern  der  wohlgeordneten  und  gut  aufgeräumten  Ruine  das  fragliche 
Kapitell  umgestürzt  auf  einer  Säulentrommel  liegen,  und  am  Schluß  des  ersten 
Kapitels  über  die  Architektur  des  Tempels,  S.  44,  gibt  er  es  rekonstruiert  in  einer 
kleinen  feinen  Vignette  wieder   (Abb.  l). 


Abb.  I.    Kapitell  von  Phigalia,  nach   Stackelberg. 


')  Reisen  und  Untersuchungen  in^Griechen- 
land.  Deutsche  Ausg.  1826.  Vorrede  S. 
XII  f. 

')  Apollo-Temple  at  Phigalia,  45. 


3)  Blouets  Veröffentlichung  in  der  Exped.  scient. 
de  la  Mor^e  II.  Paris  1833,  die  Cockerell  auch 
bespricht,  kommt  für  unser  Thema  nicht  in  Be- 
tracht. 


Margarete '  Gütschow,  Untersuchungen  zum  korinthischen  Kapitell.  I. 


49 


Ein  niedriger  Kranz  von  8  scharf  gezackten  und  derb  gerippten  Blättern  umgibt 
den  Fuß  des  hohen  und  breiten  Kalathos.  Unter  den  4  Ecken  der  Deckplatte  wachsen 
4  große  Blätter  ähnlicher  Form  zu  kleinen  Voluten  stützend  hinauf.  Sie  verdecken 
deren  Stengel,  ebenso  wie  den  Ansatz  der  mächtigen,  fest  um  ein  Auge  aufgerollten 
Mittelspiralen,  des  auffallendsten  Teils  des  ganzen  Kapitells.  Eine  schmale  Palmcttc 
entwächst  dem  Spiralzwickel ;  rechts  und  links  von  ihr  sind  dem  kahlen  Kalathos 
schlanke  spitze  Blätter,  ähnlich  denen  der  Schwertlilie,  aufgemalt,  oder  wie  Stackel- 
berg  S.  42  sagt,  durch  Eindringen  einer  fressenden  Beize  eingeätzt.  Der  Abakus  ist 
mit  einem  ebenfalls  gemalten  Mäander  verziert. 

Im  Text  S.  26  schreibt  er:  »Die 
Blätter  sind  weder  vom  Ölbaum,  noch 
vom  Akanthos,  sondern  von  konventio- 
neller Form,  einer  Wasserpflanze  im 
Steinsinn  nachgebildet.«  Beim  ersten 
Blick  glaubt  man  in  dieser  »konventio- 
nellen Form«  die  Palmette  zu  erkennen. 
Denn  wie  bei  dieser  laufen  alle  Rippen 
radial  dem  Blattfuß  zu.  Aber  —  dem 
Wesen  der  Palmette  zuwider  —  gehn  sie 
von  dem  Blattzacken  aus  und  bilden 
Fächer  mit  konkaver  Einbuchtung  von 
Spitze  zu  Spitze,  wie  man  es  auch  beim  y^^b. 
Akanthosblatt  findet ').  Die  der  Pal- 
mette hingegen  sind  konvex  und  leicht  gewölbt  2).  Also  hat  Stackelbcrg  die  Blätter 
unwillkürlich  dem  Akanthos  angenähert,  obgleich  er  ausdrücklich  .versichert,  daß 
ihm  ihre  Form  nicht  entnommen  ist  3). 

Es  ist,  wie  Stackeiberg  selbst  sagt  (S.  27,  Anm.  24),  »eine  nur  nach  einem  flüch- 
tigen Entwurf  versuchte  Ergänzung«  4),  vierzehn  Jahre,  nachdem  er  das  Kapitell 
gesehen  hatte,  entstanden.  Als  wenn  er  selbst  an  seiner  Zuverlässigkeit  zweifle,  ver- 
weist er  auf  die  Untersuchungen  Hallers  und  Cockerells  (s.  oben),  »wodurch  von  jenen 
in  ihrer  Art  einzigen  Kapitalen  wenigstens  treue  Abbildungen  für  die  Nachwelt 
bleiben«.  Hielte  er 'seine  eigene  Wiedergabe  für  unbedingt  getreu,  würde  er  dies  wohl 
nicht  so  ausdrücklich  von  denen  seiner  Gefährten  versichern. 


2.   Kapitell  von  Phigalia,  nach  Allason-Donaldson. 


')  Z.    B.    beim   Karnies    der   Nordtür    des   Erech- 
theions.    Meurer,  Jahrb.  d.  Inst.  XI  1896,  142, 
Abb. 35;  \Vi  ter,  Kunstgesch.  in  Bildern'  I,  17,  i. 
Die  Rippen  laufen  hier  aber  einer  gemeinsamen 
Mittelrippe  zu. 

')  Vgl.  hierzu  Meurer,  S.  142,  Abb.  36. 

3)  Riegls  A-uffassung,  S.  224 — 26,  daß  aus  diesem 
Grunde  das  Stackelbergsche  Kapitell  die  richtige 
Form  wiedergebe,  wird  von  Durm,  österr.  Jah- 
rcsh.  IX  1906,  287  ff.  widerlegt. 

J-ihrhuoh  des  arehänU g-ischen  Instituts  XXXVI. 


4)  Nicht  wie  Puchstein,  Das  ionische  Capitell,  Berl. 
VVinck.-Pr  .1887,  29,  annimmt,  eine  von  Haller 
herrührende  Ansicht.  Haller  sagt  a.  a.  0.,  260: 
»Unser  Stackelbcrg  macht  vortreffliche  male- 
rische Zeichnungen  davon.«  Die  meisten  dieser 
Zeichnungen  wurden  auf  einer  Reise  durch 
Thessalien  von  Räubern,  die  ihn  gefangen 
nahmen,  vorseincnAugen  in  Stückegerissen.  S. 
Cockerell,  Journal  223.  Hughes,  Travels  in 
Sicily,  Graecia  and  Albania.    1820.  I,  S.  251. 

4 


50 


Margarete  äutschow,  Untersuchungen  zum  korinthischen  Kapitell.  I. 


2.  Im  Jahre  1830  veröffentlicht  Donaldson  im  Supplement-Band  zu  Stuart- 
Revetts  »Antiquities  of  Athens  and  other  Places«,  den  er  gemeinsam  mit  Cockerell, 
Kinnard  u.  a.  herausgibt,  seine  Forschungen  über  Phigalia.  In  der  deutschen  Aus- 
gabe 1833  Kap.  3  Taf.  IX  findet  man  eine  flüchtige,  mit  wenigen  festen  Strichen  ge- 
gebene Skizze  des  korinthischen  Kapitells,  die  ihm  Allason  überlassen  hat  (Abb.  2). 
Donaldson  sagt  im  Text  S.  140,  daß  Allason  während  eines  kurzen  Aufenthalts  im 
Tempel  freilich  nur  wenige  flüchtige  Bemerkungen  zu  machen  Zeit  hatte,  deren  Ge- 
nauigkeit aber  durch  andre  Autoritäten  vollkommen  bestätigt  sei.  Da  es  ihm  aus  Zeit- 
mangel nicht  möglich  war,  sich  in  Einzelheiten  zu  vertiefen,  gab  er  nur  wenig,  aber 
man  möchte  meinen,  daß  dies  Wenige  getreu  niedergezeichnet  ist,  höchstens  hat  er 
bei  der  Stilisierung  des  Kranzes  nachträglich  seine  Phantasie  walten  lassen. 


Abb.  3.    Kapitell  von  Phigalia,  Cockerells  Skisze. 


Was  seiner  Aufnahme  gegenüber  den  andern  besondern  Wert  verleiht,  ist,  daß 
er  es  in  Unteransicht  gezeichnet  hat:  an  der  beschatteten,  rauhen  und  ungleichen 
Fläche  sieht  man,  daß  der  untere  Teil  des  Kapitells  abgebrochen  ist.  Deshalb  kann 
man  auch  nicht  erkennen,  auf  welche  Weise  der  einfache  Kranz  breiter,  oben  ge- 
rundeter überfallender  Blätter  —  Wasserlaub,  wie  Stackeiberg  sagt,  kein  Akanthos  — 
endigt.  Man  kann  nicht  klar  sehen,  ob  diese  Blattform  die  ursprüngliche  oder 
durch  den  Bruch  und  die  Zerstörung  aller  Einzelformen  des  Blattüberfalls  zu  ver- 
stehen ist.  Jedenfalls  sind  die  über  dem  Blattkranz  breit  ansetzenden,  spitz  aus- 
laufenden Stützblätter  —  je  zwei  sind  übereinander  geschichtet  —  einer  andern 
Blattart  entnommen.  Innenzeichnung  fehlt,  nur  die  Mittelrippe  ist  durch  einen  Dop- 
pelstrich angedeutet.  —  Die  Mittelspiralen  gleichen  denen  der  Stackelbergschen  Ab- 
bildung, entwachsen  aber  auf  einem  Stengel  dem  untern  Blattkranz.  Die  Palmette 
ist  diesmal  kleiner  und  entspringt  einem  Kelch  von  Akanthosblättern.  Je  4  Striche 
rechts  und  links  davon  deuten  die  Stengel  der  Eckvoluten  an,  die  schon  tief- 
ansetzend sichtbar  gewesen  sein  müssen.  Alles  andere  fehlt,  so  daß  man  die  runde, 
nach  oben  sich  verbreiternde  Form  des  steilen  Kalathos  gut  erkennen  kann.     Der 


Margarete  Gtttscfaow,  Untersuchungen  zum  korinthischen  Kapitell.  I. 


51 


Abakus  ist  abgestoßen ;  er  gleicht  in  seiner  hohen,  konkav  geschwungenen  Form  dem 
des  Stackelbergschen  Stiches,  aber  nicht  in  der  Malerei,  die  keinen  Mäander,  sondern 
ein  unzusammenhängendes,  an  ihn  erinnerndes  Muster  gibt  und  es  am  obern  Rande 
fortlaufend  kleiner  wiederholt. 

3.  Erst  als  Greis  gibt  Cockerell  1860  seine  Arbeiten  über  Phigalia  heraus  in  dem 
großen  Werk:  »The  Minerva-Temple  at  Aegina  and  the  Apollo-Temple  at  Phigalia«. 
Auf  Taf.  XV  bildet  er  zwei  Fassungen  des  korinthischen  Kapitells  ab:  eine  Skizze 
(Abb.  3)  und  eine  in  manchen  Einzelheiten  von  ihr  abweichende  Rekonstruktion 
(Abb.  5).  Obwohl  er  S.  58  ausdrücklich  sagt:  »Fig.  i  shows  the  cap  as  found  in  the 
Temple,  the  lower  part  unfortunately  broken  away«,  gibt  er  doch  kein  realistisches 
Bild  wie  Allason,  sondern  läßt  den  Kranz  kleiner  Blätter  geradlinig,  nur  mit  Angabe 
abgestoßener  Stellen  abschließen.  Die  breit  überfallenden  Blätter  haben  bewegten 
Umriß  und  viel  Innenzeichnung, 
ebenfalls  die  Seitenblätter.  Trotz- 
dem lassen  sie  keine  klare  Form 
erkennen.  Unverständlich  bleibt 
auch  der  obere  Teil  der  Stütz- 
blätter: von  den  hinter  und  unter 
ihm  liegenden  Blattenden  ist  er 
durch  festen  Umriß  und  Mangel  an 
Innenzeichnung  deutlich  unter- 
schieden. Die  danebenstehenden 
Detailskizzen,  Fig.  3  und  4,  geben 
ihnen  eine  wunderliche  Bildung, 
etwa  ein  Mittelding  zwischen 
Blattform  und  Lanzenspitze  (Abb.  4). 

Die  Ansatzstellcn  der  Mittelspiralen,  die  denen  der  andern  Abbildungen  in  der 
Form  gleichen,  sind  untereinander  verschieden.  Die  linke  entspringt  mit  einem 
größtenteils  sichtbaren  Stengel  dem  Blattkranz,  die  rechte  dagegen  kommt  stengel- 
los hinter  Volutenstengel  und  Eckblatt  hervor  i).  Dem  Akanthoskelch  des  Zwickels 
entsteigt  die  breite,  oben  abgebrochene  Palmette.  Neben  ihr  sind  gemalte  hohe 
Blätter  angedeutet  wie  bei  Stackeiberg.  Reste  der  Eckvoluten  sind  unter  dem  Aba- 
kus sichtbar,  der  nicht  geschwungen,  sondern  eben  und  steil  ist;  seine  gemalten  Zier- 
leisten ähneln  denen  des  Allason-Donaldsonschcn  Kapitells  mit  dem  Unterschied, 
daß  am  oberen  Rand  Punkte  statt  des  Musters  angebracht  sind.  Ein  Kyma  schließt 
die  Deckplatte  ab.    Das  Kapitell  ist  gedrungener  und  weniger  hoch  als  bei  Allason- 

Donaldson. 

Aus  dieser  Skizze  ist  die  schematische  Rekonstruktion  auf  derselben  Tafel ») 


Abli.  4.    Cockerells  Detailskizzen. 


I)  Cockerell  sagt  S.  58,  die  Seiten  des  Kapitells 
seien  untereinander  verschieden  gewesen,  daher 
wohl  diese  Abweichungen  in  der  Zeichnung. 

')  a.  a.  O.  Taf.  XV  2.  Durm  hat  diese  »im  Ver- 
trauen   auf  Stackeibergs    gute  Empfehlung«  in 


sein  Handbuch  der  griechischen  Architektur 
19093,  346,  Abb.  331  aufgenommen.  Aus  diesem 
ist  sie  in  andere  Handbücher  übergegangen: 
Springer-Michaelis-Woltcrs  ■»,  1915,  Abb.  310 
mit  dem  Zusatz  »im  einzelnen  ist  die  Wieder- 

4* 


52 


Margarete  Gutschow,  Untersuchungen  zum  korinthischen  Kapitell.  I. 


entstanden,  die  kleine  Änderungen  zeigt  (Abb.  5).  Willkürlich  ergänzt  sind  die  Eck- 
voluten. Die  Palmette  ist  schlank  geworden  und  bis  zum  Abakus  in  die  Höhe  ge- 
wachsen. Die  Stützblätter  sind  vielfältig  gelappt  und  sanft  gezackt.  Das  wunder- 
liche Gebilde  der  »Lanzenspitzc«  verleugnet  gänzlich  seine  Zugehörigkeit  zum  Blatt- 
werk —  es  ist  nicht  mehr  von  ihm  eingefaßt,  sondern  bekrönt  es  selbständig.  Ein 
kleines  Blättchen  ist  vorn  zwischen  den  Ansatz  des  Stützblattes  und  der  Spirale, 
die  nun  dem  Kranz  entspringt,  eingeschoben.  Die  Kranzblätter  haben  einen  viel- 
gegliederten, klein  gezackten  Umriß  erhalten  in  der  Art  der  späteren  korinthischen 
Kapitelle  römischer  Zeit  —  sie  sind  zum  Akanthos  geworden  —  und  ein  zweiter  Kranz 
ist  dem  ersten  hinzugefügt. 

Wie  ist  diese  Rekonstruktion  fast  50  Jahre  später  als  die  Skizze  zustande  ge- 
kommen? i)      Dem   alten   Mann  war  manches  aus  dem  Gedächtnis  entschwunden, 

was  den  jungen  eingehend  beschäftigt  hatte, 
und  deshalb  hat  er,  wie  Furtwängler  Aegina  I, 
S.  12  und  24  sagt,  seine  ursprünglichen  Zeich- 
nungen nicht  genug  ausgenutzt;  er  nahm  Hallers 
Arbeiten  zu  Hilfe,  die  er  z.  T.  besaß,  z.  T.  aus 
Straßburg  erhielt.  »Wie  weit  Cockerell  sein 
Material  durch  Hallers  handschriftlichen  Nach- 
laß vervollständigt  hat,  erhellt  z.  B.  auch  daraus, 
daß  zwischen  seinen  englischen  Notizen,  die  die 
Zeichnungen  erläutern,  auch  solche  französischer 
Sprache  stehen,  wie  sie  wörtlich  oder  fast  gleich 
auf  J-Iallers  Blättern  wiederkehren. «  Auch  sei 
die  Gruppierung  der  Skizzen  mitunter  ganz 
gleichartig. 

Diese  Worte  gelten  zwar  den  Arbeiten  über 
Aegina,  aber  mit  noch  besserem  Recht  kann  man  sie  auf  seine  Studien  über  Phigalia 
anwenden:  auch  diese  werden  unter  dem  Einfluß  Hallcrscher  Auffassung  gestanden 
haben.  Denn  in  Aegina  war  Cockerell  stets  mit  dem  Freunde  zusammen  anwesend 
und  kannte  selbst  alle  Einzelheiten  genau;  den  wichtigsten  und  eingehendsten  Unter- 


innriH 

Abb.  5.    Cockerells  Rekonstruktion. 


herstellung  unsicher.«  —  Winter,  Kunstgesch. 
in  Bild.'  I,  17,  4  Noack,  Baukunst,  Abb.  8, 
S.  50.  —  Woermann,  Gesch.  der  Kunst"  1915 
Abb.  302.  —  Benoit,  L'architecture  Abb.  249". 
—  Ganz  alleinstehend  ist  die  von  .Manch,  Die 
architektonischen  Ordnungen  der  Griechen  und 
Römer  Taf.  40  gebrachte  und  von  Egle,  Baustil- 
und  Bauformenlehre  .\bt.  IV  Taf.  56  über- 
nommene Rekonstruktion.  Sie  zeigt  einen  nie- 
drigen Kranz  aus  »Wasserlaub«  mit  starker 
Mittelrippe  und  umsäumtem  Rand,  zwei  .Stiitz- 
blätter  übereinander,  scharf  gezackt  mit  Paral- 
lelrippen,    offenbar     nach     .Mlason-Donaldson, 


und  Volutenstengel,  die  in  einer  Blattscheide 
stecken.  Dies  Motiv,  das  an  Akroterien  und 
Simen  schon  im  letzten  Drittel  des  5.  Jhrhdts. 
vorkommt,  fehlt  noch  ganz  an  Kapitellen,  die 
jünger  sind  als  das  unsrige.  Offenbar  haben  die 
Volutenstengel  des  etwa  100  Jahre  jüngeren 
Kapitells  vom  Lysikrates-Monument  Manch  als 
Vorbild  gedient. 
')  Falls  die  Skizze  nicht  vor  dem  Original  ent- 
standen, sondern  später  aus  Einzelskizzen  zu- 
sammengesetzt ist.  Aber  das  ist  nicht  zu  ent- 
scheiden, solange  Cockerells  Handzeichnungen 
für  Deutschland  unerreichbar  sind. 


Jahrbuch  des  Instituts  XXXVI  1921 


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Haller  von  Hallersteins  Handzeichnungen 

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Jahrbuch  des  Instituts 


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XXXVI  1921 


Beilage  II,  zu  S.  53  ff. 


10.  CS.  213)  2:3 


14.  (S.223)  1:1 


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11.  (S.  137)  1:1 
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(S.  137)  1:1 
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75.  (S.  223)  1:3 


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n  Hallersteins  Handzeichnungen  des  korinthischen  Kapitells  von  Phigalia 
[nach  Pause,  z.  T.  reduziert). 


Margarete  GUtschow,  Untersuchungen  zum  korinthischen  Kapitell.  I.  r^ 


suchungen  inPhigalia  blieb  er  aber  fern  — Grund  genug  um  des  Freundes  Zeichnungen 
für  verläßlicher  als  seine  eigenen  zu  halten,  wie  er  selbst  gesteht  (s.  oben  S.  48). 

4.  Hallers  schriftlicher  und  zeichnerischer  Nachlaß  ist  der  Nachwelt  so  gut  wie 
unbekannt.  Schon  1817  ist  er  gestorben,  ehe  er  etwas  von  der  vielseitigen  Ausbeute 
seiner  griechischen  Reisen  veröffentlichen -konnte.  Sein  Bruder  wollte  die  Bekannt- 
machung seiner  architektonischen  Untersuchungen  Cockcrell  überlassen  ^),  und  dieser 
bestätigt  in  seinem  Phigaliawerk  S.  45,  daß  sie  in  seinem  Besitz  sind.  Aber  veröffent- 
licht hat  er  sie  nicht.  Meurer  ')  hat  Einzelskizzen  Hallcrs,  die  Phigalia  betreffen,  in 
englischem  Privatbesitz  eingesehen,  sagt  aber  leidernicht,  wo  und  ob  sie  aus  Cockerells 
Nachlaß  stammen.  Jedoch  der  größte  Teil  von  Hallers  Aufzeichnungen  wird  in  der 
Universitätsbibliothek  in  Straßburg  aufbewahrt  und  ist,  wie  mir  Professor  Dörpfeld 
sagte,  in  den  letzten  Jahren  noch  vermehrt  worden  durch  eine  Reinschrift  seines  Tage- 
buches und  durch  Handskizzen,  die  aus  Adlers  Besitz  in  die  Bibliothek  des  Archäo- 
logischen Instituts  in  Athen  und  von  dort  nach  Straßburg  gekommen  sind  3).  Leider 
wird  dieser  mir  unbekannte  Teil  seiner  Zeichnungen  auch  fernerhin  unzugänglich  für 
mich  bleiben,  wie  er  es  schon  während  des  Krieges  war. 

Eine  Abbildung  des  Kapitells  auf  einem  dieser  Blätter  erledigt  Durm,  Österr. 
Jahresh.  IX  1906,  291  mit  dem  Zusatz,  daß  sie  sich  von  Cockerells  Abbildung  in  nichts 
.unterscheide,  ohne  zu  verraten,  ob  er  dabei  Cockerells  Skizze  oder  Rekonstruktion 
im  Sinne  hat.  »Der  Blätterkranz  ist  dort  wie  hier  fragmentarisch  ohne  bestimmte 
Endigung  nach  unten  angegeben,  womit  die  Weisheit  zu  Ende  ist«  —  auch  die  von 
Durm.  Und  auch  Rhomaios,  der  die  Tagebücher  aus  Straßburg  erhalten  hatte,  läßt 
nicht  erkennen,   in  welcher  Weise  er  sie  verwertet  hat. 

Mir  liegen  glücklicherweise  Pausen  vor,  die  Vorjahren  F.  Noack  von  diesen  Hand- 
zeichnungen hatte  machen  können  und  die  er  mir  freundlicherweise  zur  Verfügung 
gestellt  hat  (Beil.  I  u.  II).  Nach  ihnen  zu  schließen,  waren  Hallers  Skizzen  äußerst 
sorgfältig  und  genau  mit  festen,  feinen  Strichen  ausgeführt.  Einzelne  schematische 
Zeichnungen  sind  mit  Maßen  versehen,  andere  geben  durch  gute  Licht-  und  Schatten- 
verteilung die  plastische  Wirkung  wieder.  Da  alle  Teile  des  Kapitells  mehrfach  in 
verschiedenen  Ansichten  und  verschiedenen  Größenverhältnissen  gezeichnet  und  in 
allen  Einzelheiten  sorgsam  durchgeführt  sind,  so  sind  diese  Zeichnungen  ergiebiger 
für  die  Hauptformen  des  Kapitells  als  alle  anderen. 

Erläuterung  der  Beilagen  I  u.  II. 

1.  (S.  212)4)  Profil  des  Kalathos  mit  Maßangaben. 

2.  (S.  212)  Schnitt  durch  den  graden  hohen  Abakus  mit  schmalem  Kyma  und  durch  den  Kalathos 
mit  Angabe  der  erhöhten  Spiralsäume  und  des  Einsatzloches  für  das  Auge.  Angabe  einer  Mittel- 
spirale und  einer  zweiten  Blattreihe  unter  wagerechtem  Abschlußstrich. 

3.  (S.  212)  Teil  des  Kalathos  mit  Blattkranz  und  Stützblättern  in  Vorder-  und  Profilansicht;  an- 
scheinend zwei  übereinander  (a,  b).     Spiralansatz.     Eckvoluten  fehlen. 

4.  (S.  29)  Mittelslück.     Unterer  Abschluß  durch  zwei  gerade  Striche  gegeben.    Kranz  aus  vorderen  (a) 


■)  s.  K.  Otfr.  Müller,  Göttinger  gel.  Anzeigen  1832,        -)  Formenlehre  des  Ornaments  S.  520. 

Nr.  86,  S.  85.  3)  Michaelis,  Alh.  Mitt.  XXI  1896,  121,  Anm.  i. 

4)   Seitenangabe  von  Hallers  Tagebuch. 


e^  Margarete  Gtttscho'w,  Untersuchungen  zum  korinthischen  Kapitell.  I. 


und  hinteren  (b)  Blättern.  Gezackte  Stutzblätter  im  Profil,  zwei  Übereinander  (c,  d),  darüber  Vo- 
lutenstenge].    Mittelspiralc.     Rechte  Seite  der  Palniette  ausgeführt.     Links  Akanthoskelchblatt. 

5.  (S.  219)  Mittelspirale  nach  rechts  und  6.  (S.  225)  nach  links  aufgerollt.  Ansatz  des  gefurchten 
Volutenstengcls,  der  mit  Spirale  gemeinsam  hinter  Stützblatt  entspringt,  und  zwar  so,  daß  der 
Spiralsaum  ihn  überschneidet.  Breite  flache  Spiralgänge  mit  erhöhten  Stegen  und  großem  Auge 
als  Mittelpunkt. 

7.  (S.  212)  und  8.  (S.  212)  Stutzblätter  mit  .Ansätzen  von  Spiralen  und  V'olutenstcngel,  Je  zwei  Blätter 
übereinander  (a  und  b).  Gezackte,  spitz  auslaufende  Form  mit  Kiederrippung.  Bei  8  Angabe  des 
Kranzes  (c)  mit  breitem,  abgestoßenem  Überfall.  Schwer  zu  verstehen  bleibt  der  außer  der  Mittel- 
rippe an  Innenzeichnung  freie  Teil  unter  der  Blattspitzc  mit  gesondertem  Umriß ;  bei  8  als  Dreieck, 
bei  7  ähnlich  Cockerells  Skizze  T.  XV  3  u.  4  (Abb.  4).  Waren  diese  Stellen  stark  bestoßen  und 
fehlt  deshalb  die  Angabe  der  F.mzelformen?  —  freilich  eine  seltsame  Duplizität  der  Fälle  —  oder 
war  noch  eine  dritte  Blattspitze  eingeschoben.' 

9.  (S.  211)  Einzelheiten  des  eiförmigen  Palmettenansatzes  mit  seitlichen  Akanthosblättcrn  zwischen 
Spirale  und  Palmette;  diese  geschlossen,  ihre  beiden  äußersten  Blätter  stark  geschwungen,  die 
inneren  steil.     Oberer  Rand  verstoßen. 

10.  (S.   213)   Schematische  Zeichnung  und  Maßangaben   von  Kranz,   Spirale,   Palmette  und  Kelch. 

11.  (S.  137)  Oberes  Mittelstück  mit  Spiralzwickeln  und  P.ilmettc,  rechts  und  links  die  gemalten 
»Schwertlilienblätter«  (s.  oben  S.  49).  Darüber  leichte  Angabe  des  geometrischen  Musters  auf 
dem  Abakus.  Nebenstehend  zwei  gemalte  Blätter  vergrößert  mit  hinzugesetzter  Bemerkung  »peint 
encaustique«. 

12.  (S.   137)  Einzelheiten  des  Abakusornaments. 

13.  (S.  223)  Dasselbe:  geradlinige  Reihen  aus  klemen  (Quadraten  teilen  die  Fläche  in  Rechtecke, 
in  diesen  ein  geometrisches  Muster  durch  parallel  laufende  Linien.  Unter  den  .^bakusecken  Reste 
der  abgebrochenen  Voluten  (a). 

14.  (S.  223)  Fein  geschwungenes  Kyma  mit  gemaltem  Blattüberfall,  darüber  kleines  geometrisches 
Muster,  ähnlich  dem  großen  Abakusornament. 

Diese  Zeichnungen  rechtfertigen  die  Aussagen  von  Hallers  Genossen:  mit  der 
größten  Zuverlässigkeit  und  Genauigkeit  sind  sie  durchgeführt  und  sind  deshalb  die 
beste  und  sicherste  Quelle  unserer  Kenntnis  dieses  Kapitells.  Stackeiberg  arbeitete 
nach  einer  flüchtigen  Zeichnung  —  Allason  hatte  keine  Zeit,  auf  Einzelheiten  ein- 
zugehen —  Cockerells  späten  Veröffentlichungen  fehlt  die  Unmittelbarkeit  der  An- 
schauung. An  Hallers  Zeichnungen  ist  nachträglich  nichts  verändert  oder  hinzu- 
gesetzt worden,  keine  verdunkelnde  Erinnerung  hat  die  vor  dem  Original  gewonnene 
Auffassung  beeinflußt.  Die  Zeichnungen  der  anderen  können  höchstens  diesen  oder 
Jenen  Zug  in  seinen  Aufnahmen  bestätigen.  Allason  stimmt  in  den  wenigen  Haupt- 
formen, die  er  gibt,  mit  Haller  überein  —  Cockerells  Skizze  (Abb.  3)  auch  in  den 
meisten  Einzelheiten.  Jedoch  für  die  Abänderungen  bei  seiner  Rekonstruktion 
(Abb.  5)  —  die  »adjustments«,  die  ersieh  beim  Radieren  der  Platte  erlaubte  ')  —  bieten 
Hallers  Blätter  keinen  Anhalt,  weder  für  die  Form  der  Eckvoluten  und  die  über  ihnen 
eingeschobenen  Blättchen,  noch  für  die  »Lanzenspitzen«,  noch  für  die  starke  Lappung 
und  Fältelung  der  Blätter. 

Welche  Formen  des  Kapitells  lassen  sich  nun  aus  Hallers  Zeichnungen  er- 
schließen.?   Hatte  Cockerell  wirklich  Grund,  den  Blattkranz  zu  verdoppeln  und  ihm 


')  Cockerell,    S.   45.   —  Rhomaios    S.   60   macht  ments  Cockerells  gesprochen  zu  haben,  und  über- 

l'uchstein  den  Vorwurf,  fälschlich  von  adjuste-  sieht,  daß   Puch?tcin,  a.  a.  O.  29  nur  Cockerells 

eigenen  Ausdruck  wiedergibt. 


Margarete  Gütschow,  Untersuchungen  zum  korinthischen  Kapitell.  I.  e  c 


trotz  gegenteiliger  Aussage  Stackclbergs  die  Gestalt  des  Akanthos  zu  geben?  Zu 
einem  abschließenden  Urteil  wird  man  ohne  Kenntnis  der  englischen  und  aus  Athen 
nach  Straßburg  gekommenen  Zeichnungen  schwerlich  kommen  können.  Die  eben 
besprochenen  Skizzen  weisen  nur  einen  einzigen  Kranz  auf  außer  einer  Profilzeichnung 
des  Kalathos  mit  Maßangaben  (Nr.  2),  auf  der  unter  dem  durch  einen  wagerechten 
Strich  bezeichneten  Abschluß  ein  weiterer  Kranz  angedeutet  ist  (a).  Da  aber  sonst 
nirgends  Spuren-  eines  solchen  angegeben  sind,  scheint  der  Befund  des  Kapitells 
keinen  Anlaß  zu  dieser  Annahme  gegeben  zu  haben.  Haller  mag  sich  durch  den  üb- 
lichen Doppelkranz  der  meisten  korinthischen  Kapitelle  dazu  berechtigt  geglaubt 
haben,  wie  später  Cockerclls  Ausführung  eines  solchen  ebenfalls  aus  der  Konvention 
hervorging.  Denn  grade  seiner  Rekonstruktion  (Abb.  5)  hätte  der  zweite  Kranz 
fehlen  müssen.  Im  oberen  Kranz  schauen  nämlich  zwischen  den  vorderen  die 
Spitzen  zurückliegender  Blätter  hervor,  er  besteht  also  aus  zwei  Reihen  gleich 
hoher  Blätter.  Naturgemäß  aber  findet  man  beim  Ddppelkranz  eipe  solche  Ein- 
schaltung rückwärtiger  Blätter  nie,  denn  der  obere  Kranz  ist  ja  selbst  identisch  mit 
der  ursprünglich  zurückliegenden,  dann  in  die  Höhe  gewachsenen  Blattreihe.  Ohne 
Grund  jedoch  scheint  Cockerell  diese  Blattspitzen  nicht  angebracht  zu  haben.  Auch 
auf  seiner  Skizze  sind  sie  angegeben  (Nr.  3  b),  und  bei  eingehender  Prüfung  der 
Hallerschen  Zeichnungen  meint  man  trotz  mancher  Unklarheiten  auch  auf  ihnen 
Reste  solcher  vor-  und  zurückliegenden  Blätter  zu  erkennen  (Nr.  3,  c  u.  d.  4,  e  ü.  f. 
10,  a  u.  b).  So  hat  möglicherweise  Cockerell  in  seiner  Rekonstruktion  das  Richtige 
getroffen,  indem  er  eine  Doppelreihe  von  Blättern  im  oberen  Kranz  zusammenschloß; 
den  untern  hätte  er  dann  aber  nicht  hinzufügen  dürfen  ').  In  keinem  Fall  aber  läßt 
sich  aus  den  Handzeichnungen,  ebensowenig  wie  aus  Stackeibergs  und  Allasons 
Wiedergaben,  ein  zweiter  unterer  Kranz  beweisen. 

Was  die  Blätter  anbetrifft,  so  zeigen  Hallers  Skizzen  sie  mit  so  zerstörten  Um- 
rissen, daß  man  von  ihren  Einzelformen  wenig  genug  erkennen  kann,  und  daher  ist 
es  schwer  zu  entscheiden,  welcher  Art  sie  waren  —  Akanthos  oder  »Wasserlaub«.'' 
Gegen  den  Akanthos  sprechen  die  breiten  Formen  des  Überfalls  und  der  Mangel  an 
Einzellappen  und  Zacken  *)  (falls  diese  nicht  sämtlich  abgestoßen  waren),  gegen  das 
Wasserlaub  der  gebuchtete  und  bewegte  Umriß  und  die  mannigfache  Inuenzeichnung, 
aus  der  man  wohl  auf  die  Parallelrippen  des  Akanthos,  aber  nicht  auf  die  Fiederrippen 
des  Wasserlaubs  schließen  kann. 

Der  Vergleich  Durms  3)  mit  den  Bruchstücken  vier  verschiedener  Kapitelle  in 
Delphi,  vermutlich  von  der  großen  Tholos,  gibt  auch  keiijen  festen  Anhalt.  Denn  hier 

')  Solche  Einzelkränze  aus  vorderer  unH  hinterer  Jahrb.  d.  Inst.  XI  1896,  142,  daß  es  sich  um 

Blattreihe   z.  B.  am  Bau  der  Laodike  in  Milet,  Blätter    wie    am    Karnies    der    Nordtür    vom 

Abh.  Berl.  Ak.   1911,   11,  Abb.  2;  Arch.  Anz.'  Erechtheion  handle,  hinfällig.  Denn  jene  Blätter 

1911,  424  Abb.  2.  —  Kap.  aus  Paestum,  Kolde-  sind  spitz,  scharf  gezackt   und   fiederrippig. 

wey-Puchstein,    Griech.  Tempel  in   Unteritalien  3)  a.  a.  0.  S.  28S,  T.  f.  71.     Wiederholt  im   Hand- 

u.  Sizilien    33,   .\bb.   31.    —  Mauch,_  a.   a.   0.,  buch?  1909,  Abb.  335.  —  Pomtow,   Klio  1912, 

Taf.  40  u.  a.  m.  Taf.V,  34,  wo  ein  weiteres  Stück  hinzugekommen 

')  Dieser  Formen   wegen   ist   Mcurers   Annahme,  ist.  Zur  Datierung  Schede,  Traufleistenornament 

55  f.  Kilo  1913,  32. 


eg  Margarete  GUtschow,  Untersuchungen  zum  korinthischen  Kapitell.  I. 


sind  die  bei  Cockerell  noch  niedrigen  hinteren  Blätter  in  die  Höhe  gewachsen  und  bilden 
nun  eine  den  vorderen  gleichwertige  Blattreihe.  Das  könnte  bei  dem  jüngeren  Bau 
eine  Übergangsstufe  von  der  niedrigen  Schichtung  von  Phigalia  zu  der  hohen  vom 
Tholoskapitell  von  Epidauros  sein.  Zwei  dieser  Bruchstücke  haben  »Wasserlaub«, 
drei  (auch  ein  vonDurm  nicht  abgebildetes  fünftes)  Akanthos,  unter  diesen  grade  dass 
Fragment  I,  das  mit  seiner  großen  flachen  Spirale  am  meisten  an  das  Phigalia- Kapi- 
tell erinnert.  Somit  ist  Durms  Annahme,  der  aus  der  delphischen  Analogie  ohne 
weiteres  auf  »Wasserlaub «  schließen  will,  nichts  weniger  als  überzeugend').  Vielmehr 
scheinen  mir  Hallers  Skizzen  im  Gegensatz  zu  Durm  auf  Akanthos  hinzuweisen. 

Akanthos  möchte  ich  jedenfalls,  und  zwar  in  der  Form  wie  am  Türkarnies  vom 
Erechtheion  ^),  für  die  Stützblätter  der  Eckvoluten  in  Anspruch  nehmen.  Hallers 
Skizzen  Nr.  4,  7  u.  8  zeigen  deutlich  die  spitz  auslaufende  Blattform  und  Reste  scharfer 
Zacken,  von  denen  aus  die  Rippen  auf  die  Mittelachse  zulaufen  3).  Hier  ist  die  gleiche 
Struktur  wie  dort. 

Die  Form  des  Volutenstengels  ist  aus  der  Bruchstelle  zu  erkennen  (Nr.  6  a) 
und  scheint  im  Durchschnitt  dreieckig  A  gewesen  zu  sein  4).  Er  durchschneidet 
den  Kanal  der  Spirale  (Nr.  5  a),  indem  er  zwischen  den  einfassenden  Stegen  (b  u.  c) 
in  die  Höhe  wächst;  der  Steg  der  Spirale,  der  ihren  Stengel  ersetzt,  verschwindet  im 
Blattwerk  (b).  Volutenstengel  und  Mittelspirale  sind  also  eines  Ursprungs  5).  Ein 
wichtiges  Motiv  späterer  korinthischer  Kapitelle  ist  hier  im  ersten  Keim  vorhanden. 
Freilich  mit  dem  Unterschied,  daß  hier  die  Spirale  schwerfällig  ohne  Stengel  dem 
Volutcnstengel  anhaftet,  ihre  Nachkommen  aber,  die  späteren  Helices,  schlank  und 
hochgestengelt  aus  dem  Hüllblatt  herauswachsen. 

Die  Palmette  (Nr.  7,  9,  10,  11)  seheint  denen  der  Parthenon-Akroterien  ähnlich 
gebildet  zu  sein  *).  Auf  einem  unteren  Fächer  (Nr.  9a)  liegt  ein  zweiter,  dessen  Blätter 
dachförmig  abfallende  Flächen  und  anscheinend  einen  gerillten  Rücken  haben. 

Alle  diese  Einzelheiten  erscheinen  in  ihrer  Zusammensetzung  unorganisch.  Der 
plumpe  Kalathos,  das  Mißverhältnis  zwischen  dem  schüchternen  Blattkranz  und  der 
kolossalen  Spirale,  deren  Steifheit  so  schlecht  zum  Schmuck  des  gerundeten  und  sich 
leise  wölbenden  Kalathos  paßt,  der  leere  Raum  über  den  Spiralen,  den  Malerei  aus- 
füllen mußte,,  der  ungegliederte  steile  Abakus,  das  alles  gibt  den  Eindruck  eines  ersten 
Versuchs. 

Für  die  aus  Hallers  Skizzen  zu  erschließende  Gesamterscheinung  fehlt  vorläufig 
die  Kontrolle  der  ins  Ausland  gelangten  Zeichnungen.    Wir  müssen  uns  mit  einem 

')  Trotzdem  Durm  1906  WasserlaJb  für  gesichert  4)  Die  übliche  Form  hingegen  V  oder  u  s.  Schede, 

hält,  bildet  er  1909  in  der  3.  Aufl.  seines  Hand-  a.  a.  0.  45.  64. 

buchs  Abb.  335  die  Cockerellsche  Rekonstruk-  5)  Meurers  JB€hauptung,  Formenlehre  des  Orna- 
tion des  Kap.  mit  deutlich  als  Akanthos  gekenn-  ments  Sf  520,  daß  auf  der  englischen  Zeichnung 
zeichneten  Kränzen  unverändert  und  ohne  Hallers  Volutenstengel  vegetabilisch  nicht  ver- 
jeden   Zusatz   wieder  ab.  bunden    seien,    sondern    nebeneinander    stehen, 

^)  s.  oben  S.  5  ,  .\nm.  2.  trifft    also    für    die    Straßburger    Zeichnungen 

1)  Zu  den  kleinen  Verschiedenheiten  der  Skizzen  nicht  zu. 

vgl.   oben   S.    51.   Anni.    i.  '')  Praschnikcr,      Östcrr.      Jahresh.     XIIl      1910, 

Abb.  12. 


Margarete  GUtschow,  Untersuchungen  zum  Ijorinthisclien  Kapitell.  I.  57 


Vergleich  mit  den  von  Rhomaios  veröffentlichten  Bruchstücken  begnügen.  Das 
wichtige  Fragment  a  (Apy.  'E<p.  1914,  59)  ist  aber  nur  zu  verstehen,  wenn  wir 
es  uns  anders  aufgestellt  denken,  so  daß  die  jetzt  linke  Seitenfläche  die  untere  ist. 
Zwei  verschiedene  Blätter  sind  zu  unterscheiden.  Zum  Kranz  kann  das  Stück  nic^lt 
gehören,  da  dieser  das  Kapitell  nach  unten  abschloß,  hier  aber  noch  ein  großes,  abge- 
stoßenes Stück  des  Marmorblocks  zu  sehen  ist.  Auch  verlaufen  die  Adern  und  Rippen 
anders  als  auf  den  Handzeichnungen.  Auf  diesen  sind  sie  )  oder  (  gebogen,  nirgends 
aber  ))  wie  auf  dem  Fragment.  So  bleibt  also  nur  das  Stützblatt  ').  Wir  wissen 
durch  Haller,  daß  zwei  Stützblätter  übereinander  standen.  Ein  Vergkich  mit  dessen 
Zeichnung  (Nr.  6)  läßt  uns  erkennen,  daß  wir  es  mit  der  linken  Seite  eines  solchen 
Doppelblatts  zu  tun  haben.  Zeichnung  wie  Original  geben  die  verschieden  verlaufende 
Richtung  der  Rippen  beider  Blätter  und  ihre  doppelte  Linie  wieder.  Also  ein  Beweis 
mehr  für  die  Treue  der  Hallerschen  Wiedergaben.  '; 

Die  Fragmente  ß,  •;,  S,  s  bestätigen  die  Form  der  Spirale,  wie  alle  Abbildungen 
sie  geben.  Fragment  s  aber,  das  Rhomaios  für  ein  Stück  der  Rhabdosis  erklärt,  kann 
man  in  der  mangelhaften  Wiedergabe  nicht  erkennen. 

Aus  den  Eckstücken  des  Abakus  (S.  60)  ergibt  sich  die  Einbuchtung  seiner 
Stirnseite  sowie  die  Tatsache,  daß  die  Voluten  frei  gearbeitet  waren,  denn  die  untere 
Fläche  der  Deckplatte  bleibt  hinter  den  Ansatzstellen  der  Voluten  8  cm  frei.  Das  wird 
auch  durch  Cockerells  Originalzeichnung  (Taf.  XV  »angular  section«)  bewiesen, 
auf  der  die  Bruchstelle  des  Volutenstengels  zwischen  diesem  und  der  Kalathosmasse 
einen  freien  Raum  bezeugt.  Rhomaios'  Angaben  und  Durms  Abbildungen  »nach 
Cockerell«  (Handbuchs  Abb.  349  und  a.  a.  0.  S.  288)  sind  in  diesem  Punkte  irrig  2). 

Bisher  haben  wir  das  korinthische  Kapitell  lediglich  als  Einzelexistenz  be- 
trachtet, losgelöst  von  seinem  Säulenschaft,  ohne  Zusammenhang  mit  seiner  Um- 
gebung, einem  Tempel,  dessen  Fassade  dorische,  dessen  Innenhof  jonische  Säulen 
schmückten.  Der  Bau  ist  nach  seiner  Datierung,  die  im  wesentlichen  durch  den  Namen 
Iktinos,  seines  genialen  Schöpfers,  sowie  durch  den  Stil  seiner  Skulpturen  gesichert 
ist  3),  für  uns  der  älteste,  an  dem  alle  drei  Säulenordnungen  gemeinsam  vorkommen. 

Wenn  Pausanias  der  korinthischen  Säule  keine  Erwähnung  tut,  so  ist  zu  be- 
denken, daß  er  auch  den  Wechsel  der  Stützenordnung  im  Innern  nicht  berührt.  Die 
Sache  hat  ihn  in  diesem  Fall  nicht  wie  in  Tegea  interessiert. 

')  Nicht  als  Teil  der  Spirale  zu  verstehen,  wie  man  fest  anlagen.   Aber  er  ist  gar  nicht  auf  Cockerells 

aus  der  Form  des  Bruchs  leicht  schließen  könnte.  Originalradierung    zurückgegangen;    wenigstens 

Denn   die    Spiralgänge   sind   flacher;    außerdem  bringt  er  S.  60  Durms  Nach-  und  Umbildung 

ist  nach  den  Zeichnungen  das  Stützblatt  nicht  derselben  (Handb.   349,  Abb.    335)    mit    einem 

höher  als  die  Spirale.   Damit  ist  auch  Rhomaios'  Zusatz,  der  sich  bei  Cockerell  nicht  findet,  einer 

Behauptung    widerlegt,    daß    diese    Blätter    bis  punktierten  Linie  am  unteren  Abschluß,  die  den 

zum  Abakus  reichten.  Kranz  andeuten  soll.      Und  g  rade  die  Volute, 

^)  Rhomaios    glaubt    dadurch    einen    Fehler    von  auf  die  es  Rhomaios  ankommt,  ist  bei  Durm  und 

Cockerells    Rekonstruktion    widerlegt,    auf    der  in  Rhomaios'  Wiederholung  ungenau. 

seiner  Meinung  nach  die  Voluten  dem  Kalathos  3)  Paus.  VIII,  41,  9.    Durms  Zweifel  a.  a.  O.  290 

unbegründet. 


58  Margarete  Gütschow,  Untersuchungen  zum  korinthischen  Kapitell.  I. 


Wo  hat  die  korinthische  Säule,  ein  Neuling  inmitten  der  andern  althergebrach- 
ten Ordnungen,  ihren  Platz  gehabt? 

Außer  dem  Einzelkapitell  wurden  auch  Bruchstücke  einer  Basis  gefunden  '), 
die  sich  in  Aufbau,  Ausführung  und  Material  von  den  jonischen  absondert.  Man  kann 
annehmen,  daß  Einzelbasis  und  Einzelkapitell  zu  einander  gehören,  um  so  mehr  als 
beide  aus  dem  gleichen  Material,  aus  Marmor,  gearbeitet  sind,  die  jonischen  aber  aus 
Kalkstein.  Stackeiberg  Taf.  IV,  V,  Donaldson  Taf.  II,  und  Cockerell  Taf.  II,  IX— 
XII  weisen  übereinstimmend  der  Säule  ihren  festen  Platz  an  auf  der  Grenze  zwischen 
Innenhof  und  Cella,  in  der  Mitte  der  nördlichen  Schmalseite  zwischen  den  jonischen 
Ecksäulen  der  beiden  hintersten  Zungcnwändc.  Stackclbcrg  (S.  41)  setzt  sie  ohne 
Bedenken  an  diese  Stelle,  Donaldson  weil  sie  als  die  einzige  erscheint,  wohin  die  ko- 
rinthischen Bruchstücke  passen,  denn  nur  dort  unter  dem  schweren  Architrav  der 
Cella  kann  noch  eine  stützende  Säule  gestanden  haben.  Deshalb  findet  er  sich  mit 
dieser  »grillenhaften«  Sonderbarkeit  der  Stilmischung  ab,  wenn  auch  nicht  ohne 
ästhetische  Einwände  (S.  126). 

Cockerell  aber  rühmt  gerade  in  dieser  Anordnung  die  Kunst  des  Iktinos:  die 
gleichmäßig  gestellten  Mauerzungen  mit  den  vorgelagerten  jonischen  Ilalbsäulen 
gliedern  den  Hof  in  harmonischer  Weise  und  lenken  den  Blick  auf  den  Eingang  der 
eigentlichen  Kultcella,  eben  dorthin,  wo  die  korinthische  Säule  steht.  Aber  er  fügt 
hinzu,  daß  vom  Eingang  und  besonders  von  der  dritten  Säule  aus  gesehen  die  Mittel- 
säule mit  den  Ecksäulen  eine  Einheit  bilde  und  man  folglich  auch  auf  diesen  korinthi- 
sche Kapitelle  erwarte.  Zu  dieser  Vermutung  können  ja  auch  die  oben  (S.  46)  er- 
wähnten Widersprüche  über  das  Schicksal  des  Kapitells  verleiten.  Aber  in  den 
Publikationen  haben  die  Ecksäulen  die  gleichen  Basen  wie  die  jonischen  Säulen, 
werden  also  wohl  auch  die  gleichen  jonischen  Kapitelle  getragen  haben.  Außerdem 
hätten  auf  den  Säulen,  die  den  Mauerzungen  vorgestellt  waren,  nur  Dreiviertel- 
Kapitelle  sitzen  können.  Das  korinthische  Kapitell  aber  war  nach  allen  Aussagen 
und  'Zeichnungen  ein  gleichmäßig  ausgeführtes  Rundkapitell.  —  Die  Interkolumnien 
zwischen  Mittel-  und  Ecksäule  —  nach  Cockerell  6,  4,  75  Fuß,  fast  2  m  lang  —  sind 
außerdem  zu  eng  für  etwaige  Zwischenstützen  mit  korinthischen  Kapitellen.  So  kann 
also  doch  nur  eins  vorhanden  gewesen  sein. 

Kavvadias  hat  bei  seiner  Untersuchung  des  Tempels  auf  dem  Stylobat  Spuren 
einer  Säule  an  der  angegebenen  Stelle  gefunden  (S.  174  f.).  »Es  ist  also  außer  allem 
Zweifel«  sagt  er,  »daß  im  Tempel  diese  korinthische  Säule  gestanden  hat,  und  zwar  in 
Verbindung  mit  dem  Bau  —  daß  sie  also  gleichzeitig  mit  den  anderen  Säulen  war. « 
Leider  fehlt  die  technische  Begründung  dieser  Behauptung,  ebenso  wie  die  Angabe,  ob 
die  Standspuren  zu  den  Maßen  der  korinthischen  Basis  stimmen. 

Für  den  Standort  der  Säule  wäre  es  wichtig,  wenn  Cockerells  Versicherung 
(S.  48)  stimmte,  daß  die  Basis  »in  situ«  gefunden  sei')  —  eine  Behauptung,  die  er  noch 
zweimal  in  anderem  Zusammenhang  wiederholt  (S.  56,  58).    Stackeiberg  aber  schreibt 


')  Cockerell,  Taf.  XV.    Donaldson,  Taf.  IX.    Kav-  vadias,  S.  174 f.  erwähnt  außerdem  noch  zwei 

Säulentrommeln. 
')  S.  seine  Zeichnung  von   ihr  Taf.  X. 


Margarete  GUtschow,  Untersuchungen  zum  korinthischen  Kapitell,  I.  eg 


(S.  17):  »der  Fuß  der  einzelnen  Säule  mit  dem  Blätterknauf  war  nicht  mehr  auf  dem 
umlaufenden  Sockel  befestigt,  sondern  aus  ihrer  Stelle  gerückt.  Das  Kapitell  lag 
neben  der  Säule  in  dem  abgeschiedenen  innersten  Raum  der  Cclla,  und  mehrere  joni- 
sche  Säulen   waren  hier  verstreut«'). 

Aussage  gegen  Aussage,  aber  wir  müssen  bedenken,  daß  Stackelbcrg  zwar 
nicht  beim  ersten  Besuch  der  Ruinen  anwesend  war,  aber  an  der  Hauptuntersuchung 
drei  Monate  teilnahm,  während  Cockcrell  damals  fehlte.  Außerdem  weiß  Stackeiberg 
bestimmte  Einzelheiten  anzugeben,  und  seine  Aussage  hat  den  Vorzug,  35  Jahre  vor 
der  Cockerells  getan  zu  sein,  also  aus  einem  frischeren  Gedächtnis  zu  stammen.  So 
bleibt  es  fraglich,  ob  die  Basis  in  situ  gefunden  worden  und  damit  auch,  ob  der  ihr 
zugewiesene  Platz  wirklich  der  ursprüngliche  war. 

Zweifellos  muß  an  dieser  Stelle  eine  stützende  Säule  gestanden  haben.  Die 
Spannweite  —  fast  4m  —  erfordert  und  die  Standspuren  sichern  sie.  Muß  es  aber 
grade  die  korinthische  gewesen  sein?  Näherliegend  ist  es  doch  in  Übereinstimmung 
mit  der  ganzen  Anlage  an  eine  jonische  zu  denken.  Denn  jonische  und  korinthische 
Ordnung  stehen  hier  in  schroffem  Gegensatz  zueinander  —  einem  Gegensatz,  der  be- 
dingt ist  durch  die  schweren,  man  möchte  fast  sagen,  dorisierenden,  abnormen  joni- 
schen Säulen  und  die  zierliche,  aber  ebenfalls  noch  nicht  normale  korinthische.  Und 
dieser  Gegensatz  wiederholt  sich  fast  in  jeder  Einzelform,  in  der  einfachen,  nur  durch 
Wulst  und  Hohlkehle  gegliederten,  wuchtig  ausladenden  Basis  der  jonischen  und  der 
kleineren  fein  profilierten,  durch  drei  Hohlkehlen  gegliederten  und  gelösten  korinthi- 
schen —  in  dem  stark  geschwungenen  Ablauf  des  breiten  jonischen  und  dem  fast 
graden,  steilen  des  schlanken  korinthischen  Schafts.  An  den  Kapitellen  freilich  sind 
die  großen  Mittelspiralen  des  korinthischen  den  mächtigen,  gleichfalls  um  ein  Auge 
aufgewickelten  jonischen  angenähert.  Aber  die  funktionell  wichtigeren  Eckvoluten 
auf  hohen,  unter  Blättern  halb  verdeckten  Stengeln,  sowie  der  zierlich-lebendige 
Kranz  lassen  jene  Spirale  nur  als  Ornament  erscheinen  und  geben  dem  korinthischen 
Kapitell  mehr  Leichtigkeit  im  Verhältnis  zur  energischen  Wucht  der  jonischen.  Es 
ist  kaum  anzunehmen,  daß  zwei  Säulen,  die  so  andersartig  empfunden  und  gestaltet 
sind,  genau  dieselben  Aufgaben  erfüllen  sollten  —  ja,  daß  die  leichte  korinthische 
sogar  die  schwerere  hatte.  Denn  die  jonischen  trugen  nur  Architrav  und  Fries,  die 
korinthische  aber  hätte  an  jener  Stelle  der  Cellawand  auch  das  darüberliegende  Dach 
mit  stützen  müssen.  Man  kann  sich  eines  leisen  Mißbehagens  nicht  erwehren,  wenn 
man  in  den  Aufrissen  die  schlanke  Säule  in  dieser  Funktion  zwischen  ihren  kräftigeren 
jonischen  Gefährtinnen  sieht. 

Dazu  tritt  noch  das  Zeugnis  des  Materials.  Alle  Säulen  waren  aus  Kalkstein, 
einzig  und  allein  die  korinthische  aus  edlerem  Material,  aus  Marmor  *).  Kühl  hob  sich 
Ihr  leuchtend  weißer  Ton  von  dem  farbig  dunkleren  Hintergrund  der  Kalksteinwände 


')  Sir  William  Gell,  der  den  Tempel  schon  1805  ge-  ')  Kavvadias  erwähnt  mit  keinem  Wort  das  Ma- 
sehen hat,  bestätigt  in  Wilkins  Antiquities  of  terial  der  Säule.  Nach  Cockerells  (S.  56),  Hallers 
Magna  Graecia  App.  Taf.  XI,  S.  73,  daß  inner-  .  (S.  258),  Stackeibergs  (S.  28)  und  Donaldsons 
halb  der  Cella  viele  Architekturstücke  des  Tem-  (S.  123)  Ausführungen  war  der  Tempel  aus  dem 
pels  gelegen  hätten.  bläulich  oder  grünlich  weißen,  mit  bräunlichen 


60  Margarete  Gütschow,  Untersuchungen  zum  korinthischen  Kapitell.  1. 


und  -Säulen  ab;  lebendig  wirkte  ihr  Blattgcfügc  neben  den  starren  jonischen  Voluten. 
In  dieser  Umgebung  erscheint  sie  uns  wie  ein  Fremdling,  der  formal  und  struktiv  zur 
übrigen  Architektur  nicht  passen  will.  So  können  wir  die  Frage  nicht  unterdrücken, 
ob  sie  nicht  eine  andere  Aufgabe  zu  erfüllen  hatte,  etwa  als  Einzelsäulc,  freistehend, 
ohne  konstruktiven  Zweck,  etwa  nur  als  Trägerin  eines  Weihgeschenks  ')  ?  Dann 
würde  man  sie  sich  freilich  lieber  vor  dem  Tempel  denken,  wie  jene  jonischen  Säulen 
beim  Tempel  der  Athena  Alea  in  Tegea  ^)  —  und  dann  erhebt  sich  wiederum  die 
Frage,  wie  grade  die  Reste,  Kapitell  und  Basis,  ins  Tempelinnere  gelangen  konnten. 
So  bleibt  sie  uns  noch  immer  ein  Rätsel,  das  sich  mit  unserem  bisherigen  Material  nicht 
lösen  läßt. 

2.  KAPITELLE  REPUBLIKANISCHER  ZEIT. 

Bei  seiner  Besprechung  der  korinthischen  Bauweise  teilt  bekanntlich  Vitruv  IV, 
I,  II  u.  12  das  Kapitell  ohne  Einrechnung  des  Abakus  in  drei  Teile, 'in  den  unteren 
und  den  oberen  Blattkranz  (imum  folium  und  folium  medium)  und  in  einen  kom- 
plizierten dritten  Teil:  bei  diesem  wächst  aus  Innern  Blattstengeln,  cauliculi,  der 
Blattkelch,  folia  proiecta,  hervor  als  Stütze  des  Rankenwerks,  der  volutae,  die  sich 
den  Eckwinkeln  des  Abakus,  und  der  helices,  die  sich  der  Mitte  zuwenden.  Er  stellt 
zur  Bestimmung  der  Maßverhältnisse  die  Theorie  auf,  daß  diese  drei  Teile  von  gleicher 
Höhe  wären.  Und  dieses  Schema  liegt  auch  tatsächlich  späteren  römischen  Kapi- 
tellen zugrunde.  Um  so  merkwürdiger  ist  die  Tatsache,  daß  grade  die  uns  erhaltenen 
Normalkapitelle  seiner  Zeit  von  diesen  Maßverhältnissen  abweichen.  An  ihnen  ist 
der  mittlere  Teil,  die  zweite  Blattreihc,  niedriger  als  der  obere  und  der  untere.  Diese 
ungleiche  Höhe  der  Kapitellzonen  findet  sich  nun  durchweg  an  den  freilich  nicht 
häufigen  vorvitruvischen  Normalkapitellen  in  Rom  und  den  italischen  Provinzen, 
vor  allem  aber  auch  an  dem  für  uns  klassischen  Beispiel  des  Olympieions  in  Athen. 
Vergleicht  man  dieses  mit  jenen  republikanischen,  so  ergeben  sich  in  Form  und  Auf- 
bau so  manche  Ähnlichkeiten  und  Beziehungen,  daß  die  Frage  nach  einem  engeren 
Zusammenhang  sehr  nahe  gelegt  wird. 

Das  Olympieion-Kapitell. 

Zunächst  ist  ein  Irrtum  zu  berichtigen.  Als  Kapitell  des  Olympieions  von  Athen 
ist  in  den  bisherigen  LIntersuchungen  stets  der  um  Jahrhunderte  jüngere  Typus  von 
der  Bibliothek  des  Kaisers  Hadrian  in  Athen  zugrunde  gelegt.    (Beilage  III,  2.)    Das 


Adern    durchzogenen    Kalkstein    jener  Gegend  diesen    auffallend  struierten  Marmor,    der  ve'r- 

erbaut,  ebenfallsdiejonischen  SäulenalsTeileder  niutlich    von    den     ägäischen     Inseln    stammt, 

.\rchitektur.    j\ber  alle  feinen  Zierteile  waren  aus  sonst  nur  auf  dem  .^usgrabungsfeld  in  Olympia 

Marmor;    folglich   müssen   wir  die  korinthische  gesehen. 

Säule,  falls  sie  zum  Bau  des  Tempels  gehörte,  ')  Spuren  auf  der  Abakusfläche  würden  uns  drüber  • 

zu  diesen  rechnen.     Stackeiberg  sagt,  es  sei  pari-  aufklären,  aber  Rhomaios  sagt  leider  nicht,  in 

scher,     Haller    pentelischcr     Marmor    gewesen.  welchem  Erhaltungszustand  diese  ist. 

Lepsius  (Griechische  Marmorstudien  S.  57)  hat  ^)  Thiersch,   Jahrb.  d.   Inst.  XXVIII  1913,   266  f. 


{BUCH  DES  INSTITUTS  XXXVI  1921. 


äiimuMiJiMteatf 


Margarete  GUtschow,  Untersuchungen  zum  korinthischen  Kapitell.  I.  6l 

ist  um  so  verwunderlicher,  als  an  beiden  Bauten  noch  eine  Anzahl  Kapitelle  in  situ 
vorhanden  ist,  7  an  der  Hadriansbibliothek  '),  am  Tempel  sogar  noch  17  2).  Jedoch 
Mauch,  Architektonische  Ordnungen  der  Griechen  und  Römer^,  bearb.  von  Lohde, 
Berlin  1872  Taf.  42,  Altmann,  Italische  Rundbauten  Abb.  8,  dem  sich  Delbrueck, 
Hellenistische  Bauten  in  Latium  11  161  in  seinen  Folgerungen  anschließt  (s.  unten 
S.  66),  sie  alle  wiederholen  die  Abbildung  eines  Kapitells  aus  Stuart-Revett,  Anti- 
quities  of  Athens  Chapt.  V,  Taf.  VIII  unter  dem  Namen  »Kapitell  vom  Olym- 
pieion«3),  ohne  zu  bemerken,  daß  dieser  Bau  überhaupt  nicht  in  die  Antiquities  auf- 
genommen ist.  Der  Irrtum  mag  dadurch  entstanden  sein,  daß  Stuart-Revett  dem 
Abschnitt  über  die  Bibliothek  des  Hadrian  die  Überschrift  geben  »Stoa  or  Fortico, 
commonly  supposed  to  be  the  remains  of  the  Temple  of  Jupiter  Olympios«,  und 
diese  Worte  werden  als  Unterschrift  der  dazu  gehörigen  Tafeln  der  englischen  Original- 
ausgabe wiederholt.  Im  Text  wird  freilich  nachgewiesen,  daß  dies  Bauwerk  seine 
landläufige  Benennung  mit  Unrecht  trägt,  und  zweifellos  die  Stoa  des  Hadrian 
ist.  Die  einzig  richtige  Abbildung  aber  fristet  bei  Penrose,  Investigation  of  the 
Frinciples  of  Greek  Architecture',  London  1851.  ^  1886,  Taf.  39  nur  ein  ver- 
borgenes Leben  (Beil.  III,  l);  sie  wird  wohl  zitiert,  aber  nirgends  wiederholt. 
Unter  geborgtem  Namen  steht  an  ihrer  Stelle  diejenige  des  hadrianischen  Kapi- 
tells. Das  muß  zu  falschen  Schlüssen  führen,  wenn  die  Kunstformen  beider  Kapi- 
telle sich  nicht  in  allem  Wesentlichen  decken.  Und  das  ist  tatsächlich  nicht  der  Fall. 
Allerdings  haben  beide  den  gleichen  Aufbau,  sie  sind  sogenannte  Normalkapitelle  4), 
d.  h.  Eckvoluten  und  die  kleineren  Innenvoluten  steigen  aus  gemeinsamem  Schaft 
bis  zum  Abakusrande  empor  5)  und  scheinen  ihn  zu  stützen.  Sie  sind  also  formal 
einander  gleichgestellt.  Anders  ist  es  aber  bei  den  Einzelformcn.  Zu  ihrer  Verglei- 
chung  diene  Tabelle  I,   S.  62 — 64. 

Auch  da  ergeben  sich  wohl  einige  gemeinsame  Züge  beider  Kapitelle,  nämlich 
die  weite  'Stellung  der  unteren  Kranzblätter,  der  kelchartige  Abschluß  der  Gaules 
(wenn  auch  unter  sich  verschieden,  sind  doch  beide  ohne  einen  festen  Ring  gebildet), 
der  stark  sichtbare  obere  Teil  des  Kalathos  *)  und  vor  allem  die  ungleiche  Höhe  beider 
Kränze,  die  beim  Stoakapitell  aber  noch  augenfälliger  ist.  Doch  weit  tiefgreifender 
als  diese  Ähnlichkeiten  sind  die  Unterschiede.  Am  Kapitell  A  hat  jeder  Teil  Raum 
zu  kraftvoller,  seiner  Funktion  entsprechender  Entwicklung:  die  hochaufstrebenden 

')  Photogr.  der  Meßbildanstalt  1288.   Alinari  24535  an   den  Abakusrand,   in   römischer  Zeit  in   der 

u.  39.  Regel  nur  bis  zur  Kalathoslippe.    In  der  starken 

')  Meßbild   1281,  l — 3.     Alinari  25544 — 48.  Untersicht  aber  scheinen  sie  wie  die  Voluten  den 

5)  Andersen-Spiers,     Architektur    von     Griechen-  Abakus  zu  tragen. 

land  u.  Rom,  1905,  Abb.  72  geben  —  um  ')  Eine  Bildung  älterer  Zeit,  über  hellenistische 
die  Reihe  der  Verwechslungen  \-olI  zu  machen  —  und  Kap.  des  4.  Jhrh.  bis  nach  Phigalia  zu  ver- 
unter dem  Namen  »Kap.  vom  Olympieion«  ein  folgen  und  vom  konservativen  Griechenland 
ganz  anders  gestaltetes,  beim  Theseion  gefun-  (Weigand  S.  76  f.)  auch  in  späteren  Jahrhun- 
denes,  jetzt  im  Nat.  Mus.  in  Athen,  Nr.  1496  derten  bewahrt  (z.  B.  Kap.  im  Nat.  Mus.  zu 
(Beil.  II,  8;.  Athen   1476   [Bei  .   III,  8]    u.   von   der  Exedra 

■t)  Delbrueck  II,  S.  162.  des  Herodes  Atticus  in  Olympia  II,  Taf.  XC,  2), 

5)  Die  Innenheliccs  gehen  freilich  nur  selten  bis  hart  aber  nicht  bei  römischen  Kapitellen  zu  finden. 


62 


Margarete  Gutschow,  Untersuchungen  zum  korinthischen  Kapitell.  I. 


Tabelle  i^). 


A.  Olympieion. 


B.  Stoa   des    Hadrian. 


C.  Rundtempel   am   Tiber. 


Abbil- 
dungen. 


Astragal. 


Kalathos. 


Rlatt- 
kränze. 


Beilage   III,  i.     Vgl.    Nachtrag 

unten  S.  82  mit  Abb.  7. 

Penrose,  Principles  of  Athe- 
nian    Architecture,     Taf.  39. 

Photographien  der  Meßbild- 
anstalt, Taf.  1281,  I — 3. 


Rundstab  über  kurzem  Hals- 
mantel. 

Gradwinkliger  Bodenansatz, 
steiler  Anstieg.  Vom  Blatt- 
werk dicht  und  fest  umgeben. 
Oben  wenig  ausladend. 

Jedes  Blatt  besieht  aus  je  4 
wenig  gegliederten  seitlichen 
und  einem  überfallenden  Mit- 
tellappen, jeder  Lappen  aus 
3  kurzen,  einander  gleichwer- 
tigen Zacken  (der  mittlere 
springt  nicht  vor)  und  2  klei- 
nen Zäckchen,  die  eine  runde 
nicht  ganz  geschlossene  Öse 
bilden.  Die  starke  Schatten- 
gebung  der  Ösen  wird  beson- 
ders betont  durch  den  Kon- 
trast zu  dem  abgeflachten 
hellen  Rand  und  den  stark 
hervorgewölbten  Blattfalten 
(Pfeifen),  die  von  ihnen  aus 
leicht  geschwungen  zum  Blatt- 
fuß gehen.  Eng  aneinander 
gelegte  Rippen  und  Adern 
durchfurchen  die  Einzellappen 
von  Blattspitze  bis  -fuß  ohne 
Zusammenhang  mit  der  Mit- 
teirippe.       Fest   geschlossener. 


Beil.   III,  2. 

Stuart-Revett,    Antiquities     of 

Athens   Chapt.   V   Taf.   VIII. 
Weigand,  Jb.  d.  Inst.  XXXIX 

1914,   Taf.  IV.     Meßbild   Taf. 

1288. 


Rundstab;  kein  Mantel. 

Leicht  eingezogner  Ansatz.  Oben 
breit  ausladend.  Vom  Blatt- 
werk dicht  umhüllt. 

Je  2  seitliche  Lappen,  breiter 
Überfall  des  mittleren  und  der 
beiden  obersten  Lappen,  r.  u. 
1.  von  jenem;  jeder  mit  schma- 
lem Ansatz  und  fächerförmig 
ausgebreiteten  länglichen,  an 
Olivenblätter  gemahnenden 
Zacken.  .Schmale  scharfe  Ril- 
len, von  den  Zackenspitzen 
ausgehend,  vereinen  sich  am 
Lappenansatz  zu  einer  einzi- 
gen tiefen  Rille,  die  die  her\or- 
gewölbte-Mittelrippe  zum  Blatt- 
fuß begleitet.  Der  Einzellap- 
pen ist  dadurch  abgesondert, 
und  die  starke  Gliederung  des 
Gesamtblattes  zerstreut  die 
Lichtgebung,  vermehrt  die 
Schattenquellen  und  macht 
somit  Umriß  und  Wirkung 
des    Blattes    unruhig. 

Oberer  Kranz  bis  zur  Hälfte  vom 
unteren  verdeckt.  NureinSci- 


Zwei  Arten  von  Kapitellen»): 
1)  (Beilage  III,  3  u.4)  mit  spitz- 
gezacktem Blattwerk.  Del- 
brueck.  Hellenistische  Bauten 
in  Latium  II,  Abb.  108  nach 
D'Espouy,  Fragm.  d'Arch.  — 
Photogr.  nach  Gipsabguß  im 
Archäol.  Seminar  der  Berliner 
Universität. 

ß)  (/\bb.  6  S.  67)  mit  stumpfge- 
zacktem Blattwerk.  Altmann, 
Italische  Rundbauten,  Abb. 
6  a,  7. 

Rundstab  und  Kyma. 
Wie  bei  B. 


Typus  d :  Je  drei  seitliche  Lap- 
pen und  Überfall,  jeder  mit 
drei  spitzen  Zacken,  deren  mitt- 
lerer stark  hervorspringt,  und 
einem  Zäckchen  innerhalb  der 
Öse,  von  der  stark  gewölbte 
Pfeifen  zum  Blattfuß  gehen. 

Typus  ß:  Je  2  seitliche  und  ein 
oberer  mit  den  beiden  benach- 
barten zum  Überfall  vereinter 
Lappen;  je  4  kurze  abgerun- 
dete Zacken.  Der  oberste 
Zacken  eines  Lappens  über- 
schneidet den  untersten  des 
nächsten  und  bildet  dadurch 
eine  längliche  Öse.  Das  Blatt- 
fleisch ist  weich  modelliert; 
wenige  Rillen  gehen  breit  und 
tief  ausgehöhlt  zum  Blattfuß, 
wo  die  Mittelrippe  mit  ver- 
breiteter Basis  ansetzt.  Kräf- 
tiges, saftiges  Blattwerk  tief 
unterhöhlt. 


')  Der  Einfachheit   wegen  wird  das  Rundtempel-  sprechen   wird,    schon   hier  mit  diesen  beiden 

Kapitell,   das  erst   im  nächsten   Abschnitt  be-  Kapitellen  zu  einer  Tabelle  vereint. 

')  Nach  Weigand,  .\.  M.  XXXIX  1914,  26  haben  S  K:i|)itelle  spitzes,  II  stumpfes  Blattwerk. 


Margarete  GUtschow,  Untersuchungen  zum  korinthischen  Kapitell.   I. 


63 


A.  Olympieion. 


B.  Stoa  des  Hadrian. 


C.  Rundtempel  am  Tiber. 


C  a  u  1  e  s. 


Blatt- 
kel  eh. 


wenig  gegliederter  Umriß  des 
schlanken  Blattes. 
Der  obere  Kranz  wird  zum  gro- 
ßen Teil  von  den  nach  oben 
sich  verjüngenden,  dreieckigen 
Blättern  des  untern  verdeckt; 
nur  3  Blattlappen  und  die 
Schwellungen  und  Rillen  der 
Mittelrippe,  die  bis  zum  Blatt- 
fuß geht,  sind  sichtbar. 

Breite,  wuchtige,  etwas  schräg 
geneigte  Schäfte  mit  geradlini- 
gen Furchen.  Fast  kelchartig 
enden  sie  ohne  Abschluß,  aber 
mit    überfallendem     Rande '). 


Offener  symmetrischer  Zwei- 
blattkelch, der  nur  den  Fuß 
der  Helices  verdeckt,  ihren 
Lauf  begleitet  und  ihre  Linien- 
führung zu  wiederholen  scheint. 


Die  ausgehöhlten,  mit  schmalen 
Stegen  eingefaßten  Stengel  stei- 
gen steil  an;  die  der  Innen- 
helices  gehen  mit  leiser  Außen- 
biegung, wie  unter  dem  Druck 
des    lastenden    Abakus,    über  1    die  zweier  Seiten  scharf  von- 


ten-  und  der  starke  über- 
fallende Mittellappen  über- 
ragen ihn.  Die  eng  aneinander 
gelegten  Blattfalten  und  Adern 
sind  im  ganzen  Verlauf  sicht- 
bar, aber  nicht  bis  zum  Blatt- 
fuß durchgeführt  ■). 


Ganz  verkümmert,  obwohl  die 
weit  auseinander  stehenden 
Hochblätter  genügend  Ent- 
wicklungsraum ließen.  Unge- 
furcht, nach  oben  erweitert 
enden  sie  kelchartig  mit  über- 
fallendem Zackenrand. 

Hoher  geschlossener  Zweiblatt- 
kelch, der  nur  den  Oberlauf  der 
Helices  frei  läßt.  Der  oberste 
Lappen  des  inneren  Blattes 
biegt  unter  der  Mittelvolute 
scharf  nach  unten  um  und 
deckt  den  Kalathos  stärker. 
Das  Außenblatt  begleitet  den 
Lauf   der  Außenhelices. 

Stengel  wie  bei  A  gebildet,  aber 
niedrig  im  Verlauf.  Innenhcli- 
ces  enden  unter  Kalathoslippe. 
Eckvoluten  schneckenförmig 
aus  der  Ebene  herausgedreht3) ; 


Beide  Typen  haben  weder  einen 
so  geschlossenen  Umriß  wie  das 
Blattwerk  von  A,  noch  einen 
so  vielfältig  gegliederten  wie 
das  von  B. 

Bei  beiden  Typen  der  obere 
Kranz  nur  zur  Hälfte  sichtbar. 
Bei  a  ist  die  Mittelrippe  bis 
zum  Blattfuß  ausgeführt,  bei 
ß  läuft  sie  schon  früher  aus. 

Kräftig,  durch  breite,  schräg  ge- 
stellte Kanelluren  gefurcht, 
teilweise  von  Hochblättern  ver- 
deckt; als  Abschluß  über 
Kanelluren-Ablauf  ein  ring- 
artiger Wulst. 

Symmetrischer  Zweiblattkelch, 
bedeckt  nur  den  Fuß  der  Heli- 
ces und  begleitet  ihren  weit- 
ren  Lauf. 


Wie  bei  B.  Doch  verdeckt  der 
geöffnete  Blattkelch  ihren  Lauf 
weniger.  Eckvoluten  aus  der 
Ebene  herausgedreht.  Mittel- 
voiuten  um  kleines  Auge  auf- 
gerollt. 


')  In  späterer  Zeit  meist  nicht  ausgearbeitet.  Hier 
jedoch  ist  der  Blattfuß  sorgfältig  geglättet  und 
kelchartig  geformt.  Vgl.  als  Vorstufe  hierfür 
Kapitell  des  Fortuna-Augusta- Tempels  in  Pom- 
pei.       Weigand    a.  a.  O.    Beibl.    I,    7. 

^)  Wie  Hüllblätter  der  Ranken  an  Akroterien 
(u.  a.  Meurer,  Formenlehre  der  Ornamentik 
304  Abb.  5.  Conze,  Untersuchungen  auf  Samo- 
thrake  I  Taf.  XLV.  —  II  Taf.  XLIV  2)  und 
Traufleisten  (Olympia  II  Taf.  123,  2). 

3)  Delbrueck  a.  a.  0.  162  behauptet  —  und  Woer- 
mann,  Gesch.  der  Kunst'  446  schließt  sich  ihm 

a.  a.  0.  Beil.  4, 


an  — ,  daß  nur  bei  italischen  Kapitellen  die  Vo- 
luten aus  der  Ebene  herausgedreht  seien,  nicht 
aber  bei  Normalkapitellen.  Bei  diesen  geschieht 
es  der  andern  Volutenbildung  gemäß  in  anderer 
Form:  entweder  ist  das  Volutenauge  heraus- 
gedreht oder  die  Windungen  der  Volute  springen 
in  einer  Spitze  oder  Schnecke  vor.  Z.  B.  Kap. 
vom  Kastor-Tempel  in  Cori  (Beil.  III,  6),  Rund- 
tempel am  Tiber  (ebda  3,  4),  Kap.  im  Thermen- 
Museum  (Noack,  Baukunst  Taf.  80  a),  im  Mus. 
Nazionale  Neapel  (Meurer  a.  a.  0.  Abt.  XXII, 
Taf.  6),  vom  Stadion  des  Palatins  (Weigand 
2S)  u.  a.  m. 


64 


Margarete  Gfitschow,  Untersuchungen  zum  korinthischen  Kapitell.  I. 


A.  Oly  m  pi  eion. 


B.  Stoa  des  Hadrian. 


C.  Rundtempel  am  Tiber. 


AI)  ak  u  s. 


A  bakus- 
blute. 


Kalathoslippe  hinweg  zum 
Abakusrand.  Voluten  um  ein 
kleines  Auge  aufgerollt;  in  den 
Zwickeln  ein  Tropfen  ^).  Die 
von  zwei  Seiten  zusammcnlati- 
fcnden  Eckvoluten  lediglich 
durch  eine  Hohlkehle  geglie- 
dert. Zwischen  Innenvoluten 
großer  Abstand. 

Nach  der  Mitte  eingezogen.  Über 
steiler  Kehle  Echinusprofil  auf 
schmaler  Platte.  Die  spitz- 
winkligen Ecken  weiter  vor- 
springend als  die  Blattstütze 
der  Voluten  (s.  Meßbild  46 
bis  48). 

.»Vraceenblüte  3),  deren  Stengel 
einem  dickeren,  sich  nach  oben 
verjüngenden  Schaft  mit  kelch- 
artig umgeschlagenem  Rand 
entspringt. 


einander  geschieden ').    Innen- 
voluten sich  fast  berührend. 


Profil  wie  bei  A,  aber  alle  Glie- 
der niedriger,  weniger  steil  und 
starker  ausladend,  besonders 
die  Ecken. 


Rosette  (Blüte  des  gefüllten 
Helianthos)  4)  auf  schrägem 
Abakusprofil  stark  nach  unten 
geneigt.  Ihr  sehr  dünner 
Stengel  gibt  zusammen  mit  der 
Mittelrippe  des  Hochblatts  eine 
starke  Betonung  der  veitikalen 
Achse. 


Wie  bei  A,  doch  Ecken  mehr  vor- 
springend. 


Typus   a:  Aracee. 
,,       ß:  Rosette. 

Die  schlanken  Stengel  ent- 
springen nebst  einem  Blatt  ei- 
nem kurzen  dicken  Cauliculus, 
wodurch  der  Kalathosgrund 
verhüllt  und  die  Stelle  zwischen 
Mittelhochblatt  und  Innen- 
helices  betont  wird. 


I 


Blattkränze  umfassen  wie  angepreßt  den  Kalathos,  als  müßten  sie  seine  ganze  Kraft 
und  Masse  stützend  und  schützend  zusammenhalten.  Die  wuchtige  und  breite  Gestalt 
der  Caules  ist  nur  der  folgerechte  Ausdruck  ihrer  Funktion,  denn  im  Gegensatz  zu 
Weigand  (S.  6i)  erscheinen  sie  mir  fast  als  der  wichtigste  Teil  im  Aufbau  des  Kapi- 
tells —  haben  doch  die  Helices,  die  die  Last  von  obenher  (es  ist  ja  auch  Gebälklast) 
tragen  und  nach  unten  leiten,  in  ihnen  Ursprung  und  festen  Stand;  die  Caules  sind 
also  Träger  und  Stützen  dieser  Kräfte. 

Anders  bei  B.  Daß  die  Einzelteile  einmal  eine  Aufgabe  zu  erfüllen  hatten,  ist 
vergessen  —  sie  sind  Schmuckteile  geworden.  Dem  Blattwerk  mit  tief  eingebohrten 
Rillen  und  scharfen  Stegen  fehlt  das  Runde,  Schwellende  und  vor  allem  die  geschlossene 
Einheitlichkeit,  die  dem  Akanthos  von  A  die  Richtung  auf  die  funktionelle  Aufgabe 
gibt.     Immer  wieder  scheint  der  Kalathos  zwischen  den  locker  und  lose  stehenden 


')  Vorgänger  dieser  Bildung:  Zwickelblüten  am 
Kapitell  der  Tholos  von  Epidauros.  Lechat- 
Defrasse,  Epidaure  Taf.  VII,  S.  115. 

*)  Weigand    gibt    die    Abbildung    eines    Kapitells 


mit  abgebrochenen  Voluten,  die  Meßbilder  zeigen 
aber  andere,  die  intakt  sind. 
3)  Penrose  a.  a.O.  spricht  von  »two  varieties  of  the 
flower«;    nach   den   .Abbildungen    sind    sie  aber 
nicht  festzustellen. 
4)  s.   Meurer  a.  a.  0.   S.  203,  Abi.  VIII,  .Abb.  3. 


Margarete  Gütschow,  Untersuchungen  zum  korintbischen  Kapitell.  I.  65 


Blättern  hindurch,  und  mit  der  stärker  betonten  Breitenrichtung  geht  der  Eindruck 
der  zusammengehaltenen  Kraft  verloren.  Die  jämmerlich  dünnen  Caules,  die  nicht 
mehr  wissen,  welche  Last  auf  ihnen  ruht,  scheinen  zu  schwach  für  die  üppigen  Hüll- 
blätter und  Hclices.  Diesen  wiederum  läßt  der  Kelch,  übergroß  entwickelt,  nicht 
recht  Raum  zur  Entfaltung,  so  daß  sie  in  allzu  kurzem  Lauf  nur  flach  gewölbt,  kaum 
noch  als  die  elastischen  Träger  des  Abakus  zu  empfinden  sind. 

Das  Olympieion- Kapitell  wirkt  auf  den  ersten  Blick  vielleicht  weniger  lebendig, 
möglicherweise  weil  es  ärmer  an  Kontrast  von  Licht  und  Schatten  ist  —  aber  das 
liegt  an  seiner  Geschlossenheit,  die  in  Wahrheit  ein  Vorzug  ist.  Es  ist  reiner  in  der 
Form  und  mit  mehr  Verständnis  für  die  Aufgabe  der  Einzelteile  gearbeitet.  Das  der 
Stoa  ist  dekorativer,  in  den  Einzelformen  zierlicher,  in  der  Gesamtwirkung  eleganter, 
aber  seine  Formen  sind  durch  immer  wiederholten  Gebrauch  konventionell  geworden 
und  nicht  alle  mehr  recht  verstanden. 

Wir  haben  es  also  in  der  Tat  mit  zwei  Kapitellen  verschiedener  Stilisierung, 
durch  die  sie  sich  auch  zeitlich  unterscheiden,  zu  tun.  Die  Bauzeit  der  Hadrianstoa 
ist  ungefähr  festzulegen,  jedenfalls  um  130  n.  Ch.  ').  Dazu  stimmt,  daß  man  an 
ihrem  Kapitell  alle  Merkmale  findet,  die  Weigand  (S.  47)  für  die  Formengebung 
spättrajanisch-hadrianischer  Zeit  feststellt:  das  stark  gezackte  Blattwerk,  bei  dem 
die  Einzellappen  durch  die  Führung  ihrer  Adern  fast  zu  Einzelblättern  werden, 
ferner  die  verkümmerten  Caules,  den  hochgeschlossenen  Zweiblattkelch  und  die 
niedrigen  Helices. 

Die  Kapitelle  des  Olympieions  müßten  schon  allein  ihrer  kräftigen,  reinen 
Formen  wegen  als  die  älteren  erscheinen.  Sie  stammen  nicht  vom  letzten  abschließen- 
den Umbau  Hadrians,  sondern  vom  Neubau,  den  Antiochus  Epiphanes  nach  Vi- 
truv  VII  praef.  15,  17  vom  Architekten  Cossutius  zwischen  175  — 164  ausführen  heß  ^). 
Es  liegt  auf  der  Hand,  daß  Vitruv  und  Livius  (41,  208)  den  Bau  inbezug  auf  Gebälk, 
Stil,  Schönheit  und  Geschick  der  Ausführung  mit  den  prächtigsten  bekannten  Tem- 
peln nicht  hätten  vergleichen  können,  wenn  er  nicht  mindestens  bis  zum  Gebälk- 
abschluß gekommen  wäre.  Daß  freilich  schon  sämtliche  Säulen  unter  ihrem  Gebälk 
gestanden  hätten,  ist  nicht  anzunehmen,  weil  Sulla  die  nach  Rom  entführten  und 
im  Kapitolinischen  Tempel  aufgestellten  Säulen  (Plinius  36,  45)  nicht  hätte  heraus- 
brechen können:  es  werden  bis  zur  Aufrichtung  fertiggestellte  Stücke  gewesen  sein  3). 
An  ihre  Stelle  mögen  dann  bei  Hadrians  Umbau  jene  Säulen  gekommen  sein,  die 
der  römischen  Zeit  angehören,  wie  Weigand  (S.  "j"]  Anm.  l)  es  wenigstens  von  einer 
sagt. 


')  Judeich,  Top.  von  Athen  334,  Anm.  13.  Kapitolinischen    Tempels    (Durra,    Bauk.     der 

»)  Judeich,  a.a.O.  341.    Ebda  342  Anm.  2  weitere  Etrusker  und  Römer»  loi)  gewiß  korinthischer 

Literatur.  Ordnung  gewesen  ist.     Für  eine  Wiederherstel- 

3)  An  alte  dorische  Säulen,  die  vom  pisistratischen,  lung   in    der   alten    etruskischen    Form   hätten 

wohl   überdies   niemals  in  die  Höhe  geführten  griechisch-dorische    Säulen   nicht   gepaßt,    und 

Bau  übrig  geblieben  wären,  ist  hier  um  so  weniger  gegen  sie  spricht  überhaupt  die  damalige  bau- 

zu  denken,  als  schon  dieser  erste  Neubau  des  geschichtliche   Entwicklung   Italiens. 

Jahrbuch  des  archäologischen  Instituts  XXXVI.  5 


56  Margarete  Gutschow,  Untersuchungen  zum  korinthischen  Kapitell.  I. 


Der  Vergleich  beider  Kapitelle  hat  ergeben,  daß  ihre  Verwechslung  nicht  etwa 
aus  ihrer  Stilgleichheit  zu  verstehen  wäre.  Muß  man  daher  nun,  wenn  beide  richtig 
eingesetzt  werden,  auch  die  Folgerungen  der  bisherigen  Forschung  wesentlich  korri- 
gieren ? 

Das   Kapitell  des  Rundtempels  am  Tiber. 

Altmann  (S.  26  f.)  und  Delbrueck  (II,  43  u.  162)  setzen  den  Rundtempel  am 
Tiber,  in  Rom,  den  sie  für  rein  griechisch  halten,  in  die  Mitte  oder  zweite  Hälfte  des 
2.  Jahrh.  v.  Ch.  Denn  seine  Kapitelle  (Beil.  III,  3  u.  4  u.  Abb.  6) '),  nach  ihnen  die  einzig 
erhaltenen  Beispiele  der  Normalform  im  republikanischen  Rom,  hätten  ihre  »nächste 
Analogie«  im  Kapitell  des  Olympieions.  Da  ihnen ^als  solches  aber,  wie  die  beigefügte 
Abbildung  zeigt,  das  Kapitell  der  Hadrianstoa  gilt  ^),  so  müßte,  wenn  wirklich  die 
stilistische  Ähnlichkeit  dieser  beiden  Kapitelle  so  groß  wäre,  daß  man  eins  nach  dem 
andern  datieren  könnte,  auch  das  Kapitell  des  Rundtempels  aus  Hadrians  Zeit 
stammen.  Dieses  könnte  also,  weil  der  Tempel  aus  andern  Gründen  so  spät  nicht 
datiert  werden  darf,  nur  zu  später  neu  eingefügten  Kapitellen  gehören.  Oder  man 
hätte  —  unwahrscheinlich  genug  —  beim  Bau  der  Stoa  zu  alten  Formen  zurück- 
gegriffen. Um  diese  Widersprüche  zu  lösen  und  dem  Rundtempel-Kapitell  seine 
rechte  Stellung  zu  geben,  müssen  wir  seine  beiden  Typen  (a  mit  spitz-,  ß  mit  rund- 
gezackten Blättern)  zunächst  mit  den  beiden  griechischen  Kapitellen  eingehend 
vergleichen.      Ich  verweise  wieder  auf  Tabelle  I. 

Überblicken  wir  die  Einzelformen,  so  teilt  das  Rundtempel-Kapitell  zwar  die 
spitzen  Zacken  des  Akanthos  (Typus  a  Beil.  III,  3)  und  die  kräftige  Entwicklung  der 
Gaules  mit  dem  Olympieion-Kapitell,  unterscheidet  sich  aber  durch  eben  diese 
Formen  von  den,  noch  dazu  mit  einem  Wulstring  abgeschlossenen  Gaules  des  hadri- 
anischen  Exemplars.  Umgekehrt  sind  die  auffallend  niedrige  Schichtung  des  zweiten 
Kranzes  und  die  kurzen  Helices  und  Volutenstengel  mit  dem  gedrungenen  Lauf,  die 
ihm  und  dem  Stoakapitell  gemeinsam  sind,  dem  Olympieion-Kapitell  fremd.  Von 
beiden  aber  unterscheidet  es  die  engere  Stellung  des  unteren  Kranzes  und  die  andere 
Stilisierung  beider  Blatttypen.  Besonders  hinzuweisen  ist  auf  zwei  sehr  abweichende 
•Merkmale,  nämlich  auf  die  Blattbildung  des  Typus  ß  (Abb.  6),  bei  dem  der  oberste 
Zacken  des  einen  auf  den  untersten  des  nächstfolgenden  Lappens  übergreift,  und 
ferner  auf  den  kleinen  Cauliculus  über  dem  Mittelhochblatt,  aus  dem  Blatt  und  Sten- 
gel der  Abakusblüte  aufwachsen,  der  also  sozusagen  Träger  dieser  Blume  ist.  Grade 
diese  beiden  Motive  können  zur  Datierung  des  Kapitells  helfen. 

Die  übergreifenden  Blattzacken  sind  ein  Kennzeichen  römischen  Blattwerks 

')  Altmann,  Abb.  8.     Ebenda  S.  22  Lit.  —  Del-        ')  Delbrueck  zitiert  II,  162  Anm.  3  das  Olympieion- 
brueck  II,   Abb.  108   nach.  D'Espouy,   Fragm.  Kapitell  »Penrose,  Taf.  39,  danach  Altmann«, 

d'Archit.    Wiederholt  bei  Woermann,  Gesch.  d.  berichtigt    aber    dessen    Verwechslung    nicht, 

Kunst  I',  Abb.  486.  sondern  stimmt  dessen  sich  daraus  ergebenden 

Schlüssen  zu. 


Margarete  Gütschow,  Untersuchungen  zum  korinthischen  Kapitell.  I. 


67 


seit  augusteischer  Zeit  ').  Auf  den  Rankenblöcken  der  Ära  Pacis  *),  die  zwischen  13 
und  9  V.  Chr.  ausgeführt  wurde,  findet  man  die  verschiedenen  Entwicklungsstufen 
beieinander:  die  Kelche  der  Ranken  sind  aus  übergreifenden  Lappen  zweier  sich 
zusammenschließender  oder  auch  eines  Einzelblatts  gebildet  3),  und  auch  beim  voll 
entfalteten  Blatt,  z.  B. 
beim  dreilappigen  unter 
dem  geradlinigen  Mittel- 
stengel, ist  je  ein  Zacken 
eines  Lappens  über  den 
nächsten  des  andern  gelegt 
worden.  Auch  die  Zacken 
des  großen  Akanthoskelchs 
am  Fuß  der  Platte,  dessen 
spitzer  Umriß  und  hervorgewölbte 
Pfeifen  griechischer  Stilisierung  sind, 
greifen  nach  römischer  Art  über- 
einander. In  seinem  Reichtum  mannig- 
faltigster Formen  zeigt  der  Altar  wie  die  Rund- 
tempelkapitelle runde  römische  und  spitze 
griechische  Blätter  nebeneinander.  Aber  sie 
sind  naturgetreu,  nicht  rein  ornamental  und 
nicht  plastisch,  sondern  zeichnerisch  gegeben: 
die  Linie  dominiert.  —  Dagegen  weisen  die 
Kränze  an  mittelaugusteischen  Kapitellen 
manche  Ähnlichkeit  mit  den  Rundtempel- 
kapitellen auf:  dieselbe  weiche,  frisch  em- 
pfundene Oberflächenbehandlung  der  hervor- 
gewölbten und  etwas  gefalteten  Blätter  mit 
ausgesprochener  Zacken-  aber  nicht  selbstän- 
diger Lappenbildung,  mit  kräftiger  Licht-  und 
Schattengebung.    Ebenfalls  auch  die  Blätter 

am  Kapitell  des  Fortuna-Augusta-Tempels  in  Pompei  (Weigand,  Beibl.  I  Nr.  7)  vom 
Jahre  3  v.  Chr.,  Formen,  die  doch  wohl  zuerst  in  der  Hauptstadt  gestaltet  worden 
sind:  ähnlich,  wenn  auch  entwickelter  in  der  Faltung  und  eleganter  sind  sie  an  dem 
6  Jahre  jüngeren  Dioskurentempel  auf  dem  römischen  Forum,  aber  im  übrigen 
anders  konstruiert. 


Abb.  6.    Rundtempel  am  Tiber,  Typus  ß. 

(Mit  Genehmigung  des  Verlags  nach  Altmann, 
Rundbauten  Abb.  7.) 


')  In  Griechenland  findet  man  übergreifende 
Zacken  aus  Akanthos  schon  vereinzelt  im 
4.  Jhrh.  V.  Ch.  z.  B.  an  der  Sima  der  Tholos  von 
Epidauros,  Meurer  404,  Taf.  VI  6  unten.  Natur- 
gemäi3  legen  sich  die  Zacken  der  beiden  Blätter, 
die  die  Ranke  umhüllen,  übereinander,  und  es 
ist  nur  ein  weiterer  Schritt,  wenn  auch  die  Zacken 


und  Lappen  ein  und  desselben  Blattes  überein- 
ander geschoben  werden.     Aber  es  scheint,  als 

.  sei  dieser  zweite  Schritt  erst  Jahrhunderte  später 
und  zwar  in  Rom  getan. 

»)  Petersen,  Ära  Pacis  Augustae,  Taf.  i.  Strong, 
Roman  Sculpture,  Taf.  XVII. 

3)  Besonders  deutlich  auf  den  Photogr.  Anderson 


4655.  Alinari  12364/65. 


58  Margarete  Gtttschow,  Untersuchungen  zum  korinthischen  Kapitell.  I. 


Dieselben  Kapitelle  sind  es  auch,  die  zuerst  für  den  Träger  der  Abakusblüte 
eine  neue  Schmuckform  über  dem  Mittclhochblatt  schaffen.  Wie  das  Rundtempel- 
kapitell zeigt  auch  das  Kapitell  des  Dioskurentempels  hier  einen  kleinen  (jetzt  vom 
Blattwerk  umschlossenen)  Caulis,  der  den  von  verschlungenen  Helices  fast  verdeckten 
Blütenstengel  trägt.  In  spätaugusteischer  Zeit  ist  diese  Kunstform  des  Blütenträgers 
dann  ganz  eingebürgert.  Auf  die  griechische  Vorgeschichte  dieser  Form  werde  ich 
in  anderem  Zusammenhang  in  der  Fortsetzung  dieser  Arbeit  zurückkommen.  In 
anderer  Hinsicht  stehen  die  genannten  stadtrömischen  Kapitelle  schon  auf  einer 
späteren  Entwicklungsstufe:  ihre  Caules  sind  wie  aus  Metall  gebildet  und  wie  ein  Kelch 
geformt,  nicht  mehr  wuchtig  und  breit,  sondern  zierlich  und  schlank.  Es  ist  begreiflich, 
daß  sich  dagegen  in  der  Provinz  die  starken  Caules  länger  gehalten  haben:  zur 
gleichen  Zeit  sind  die  pompeianischen  Kapitelle  denen  des  Rundtempels  noch  ähnlich. 

Erscheint  demnach  die  Formengebung  der  vergleichbaren  Einzelheiten  an  der 
Ära  Pacis  und  am  Dioskurentempel  schon  entwickelter,  —  sozusagen  spezifisch 
augusteisch  —  am  pompeianischen  Tempel  hingegen  denen  des  Rundtempels  am  ähn- 
lichsten, so  werden  dessen  Kapitelle  der  mittelaugusteischen  Zeit,  dem  Ausgang  des 
I.  Jahrh.  v.  Ch.  angehören. 

Mit  dieser  Erkenntnis  stehen  wir  aber  in  schroffem  Gegensatz  zu  Altmann  und 
Dclbrueck,  die  den  Tempel  aus  bautechnischen  Gründen  in  das  2.  vorchristliche  Jahr- 
hundert setzen  ').  Ist  das  richtig,  so  müssen  sich  irgendwelche  Beziehungen  zu  den 
andern  republikanischen  Normalkapitellen  in  Italien  ergeben.  Allein  auch  hier  führt 
die  Vergleichung  zu  einem  andern  Schluß.  Zunächst  fällt  auf,  daß  aus  dieser  frühen 
Zeit  kein  einziges  Normalkapitell  auf  italischem  Boden  erhalten  ist.  Das  des  Rund- 
tempels wäre  somit  für  lange  Zeit  eine  Einzelbildung  geblieben.  Die  wenigen  vor- 
handenen republikanischen  Kapitelle  klassischer  Art  werden  von  Delbrueck  (II,  162  f.) 
in  wesentlich  spätere  Zeit,  unter  oder  nach  Sulla,  angesetzt.  Weisen  sie  nun  ähnliche 
oder  weiter  entwickelte  Formen  auf? 

Delbrueck  zählt  außer  dem  Rundtempelkapitell  folgende  vier  Normalkapitelle 
vorkaiserlicher  Zeit  auf:  l.  vom  Kastor-Tempel  in  Cori  (Beil.  III,  6),  2.  von  der  Vor- 
halle des  Jupiter-Tempels  in  Pompei  (Beil.  III,  5),  3.  im  Museum  von  Pompei,  4.  von 
der  Theaterterrasse  in  Praeneste.  Da  die  Photographie  von  Nr.  3  mir  jetzt  unzugäng- 
'lich  ist  und  Caninas  Zeichnung  vom  praenestinischen  (EdifiziVI,  Taf.  ii6d)  zur  Stil- 
bestimmung nicht  ausreicht,  beschränke  ich  mich  auf  die  beiden  erstgenannten,  kann 
ihnen  aber  noch  ein  weiteres,  bisher  nicht  genanntes  Kapitell  aus  dem  Antiquarium 
des  Magazzino  Comunale  in  Rom  hinzufügen  (Beil.  III,  7).  Dort  steht  die  zum  Grab- 
mal der  Tibicines  gehörende  Orpheusgruppe  auf  einem  runden  Postament  mit  abwärts 
gerichteten  Blättern:  es  ist  der  untere  Teil  eines  auf  den  Kopf  gestellten  Normal- 
kapitells 2).  Da  es  wie  alle  Bruchstücke  des  Monuments  aus  Peperin  besteht,  ist  an 
seiner  Zugehörigkeit  und  mithin  an  seinem  Ursprung  aus  sullanischer  Zeit  wohl  kein 
Zweifel.  Erhalten  sind  außer  dem  Säulenablauf  und  den  sehr  spärlichen  Resten 
des  Rundstabes  nur  die  beiden  Blattkränze  und  die  Caules. 


')  Ich  kann  —  zumal  von  Deutschland    aus  —  teile  beschränken. 

nur  nach  stilistischen  Gründen  urteilen  und  muß       ^)  Bull.  com.  III  1875,44.  Heibig,  Führers  IS. 590 f. 
mich  deshalb  ganz  auf  die  Besprechung  der  Kapi-  Phot.  Alinari  28073. 


Margarete  Gtttschow,  Untersuchungen  zum  korinthischen  Kapitell.  1. 


69 


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^O  Margarete  Gütschow,  Untersuchungen  zum  korinthischen  Kapitell.  I, 

Diese  republikanischen  Kapitelle  weichen  in  der  Akanthosbildung  von  ein- 
ander ab.  Sie  zeigen  zwar  alle  die  spitzen  Zacken  des  griechischen  Akanthos,  aber 
die  Blattformen  sind  verschieden.  Dem  Blatt  des  pompeianischen  Kapitells  geben 
die  regelmäßig  nebeneinander  gelegten  Zacken  der  Lappen  einen  ganz  geschlossenen 
Umriß;  die  runden  Pfeifen  und  Rillen  —  i6  an  der  Zahl  —  gehen  gleichmäßig  zum 
Blattfuß  hinab.  In  dieser  Anlage  —  hier  aber  sind  es  I2  Rillen  —  ist  ihm  das  Kapitell 
von  Cori  gleich.  Aber  der  Blattumriß  ist  nicht  mehr  einheitlich  und  geschlossen, 
denn  der  Mittelzacken  jeden  Lappens  tritt  über  die  kleineren  seitlichen  hinaus.  — 
Ganz  zerrissen  aber  ist  die  Blattform  des  Kapitells  im  Magazzino  Comunale:  bei  dem 
vierzackigen  Lappen  sind  der  erste  und  letzte  Zacken  ganz  klein,  nur  zur  Ösenbildung 
bestimmt,  der  zweite  aber  springt  weit  vor  und  bildet  als  spitzes  Blattende  den  Mittel- 
punkt des  ganzen  Lappens.  Von  ihm  aus  geht  eine  tiefe  Furche  zum  Blattfuß,  in  die 
die  ebenfalls  tiefen,  aber  kurzen  Furchen  der  kleineren  Zacken  münden.  Die  Mittel- 
rippe ist  stark  plastisch  hervorgewölbt;  dafür  sind  die  regelmäßigen  Pfeifen,  die  sonst 
die  Träger  des  Lichts  waren,  verschwunden.  Licht-  und  Schattengebung  ist  nun 
nicht  mehr  einheitlich,  und  die  Blätter  wirken  unruhiger,  weil  nur  die  Mittelrippe 
und  der  gezackte  Umriß  als  Träger  des  Lichts  erscheinen.  Also  schon  zur  republi- 
kanischen Zeit  finden  wir  die  ersten  Kennzeichen  einer  Formgebung,  die  zur  Kaiser- 
zeit typisch  geworden  ist,  nämlich  die  Sprengung  des  geschlossenen  Umrisses  und  die 
Neigung,  jedem  Lappen  Einzelgeltung  zu  verschaffen.  Wichtiger  ist  für  uns  die  alter- 
tümliche Formengebung  dieser  Kapitelle:  der  steile,  nicht  geschwungene  Kalathos, 
die  niedrige  Schichtung  des  zweiten  Kranzes  '),  die  derben  mit  breiten,  flachen 
Furchen  versehenen  und  mit  doppeltem  Ring  abschließenden  Caules*),  der  offene 
Hüllblattkelch,  der  steile  Lauf  der  Helices,  das  Band,  das  die  beiden  Mittelvoluten 
verbindet,  der  dicke  Stengel  der  Abakusblüte  und  der  hohe  Abakus  mit  abgestumpf- 
ten Ecken.  Von  solcher  Formengebung  weicht  das  Kapitell  des  Rundtempels  schon 
beträchtlich  ab.  Die  charakteristischen  Kennzeichen  dieser  älteren  Zeit  fehlen  ihm. 
Der  Ansatz  des  Kalathos  ist  geschwungen;  die  Caules  weniger  plump,  ihre  Furchen 
tief  und  breit,  die  Zwischenstege  schmal,  die  Helices  niedrig;  das  Band,  das  die  Vo- 
luten verbindet,  fehlt;  statt  des  dicken  ein  schlanker  Blütenstengel,  statt  des  hohen 
ein  niedriger  Abakus  mit  spitzen,  nicht  stumpfen  Ecken.  Das  Kapitell  scheint  unab- 
weisbar eine  jüngere  Entwicklungsstufe  zu  vertreten.  Sind  ihm  andrerseits  die  pla- 
stische, frische  Formengebung  des  Blattwerks  und  die  starken  Caules  geblieben, 
so  kann  der  Zeitabstand  von  der  republikanischen  Epoche  noch  nicht  sehr 
groß  sein. 

Der  zweite  Typus  der  Rundtempel- Kapitelle  ß  war  bereits  aus  anderem  Grunde 
der  frühen  Kaiserzeit  zugewiesen  worden.  Und  auch  die  Exemplare  mit  scharfge- 
zackten Blättern  (Typus  a)  widersprechen  diesem  Zeitansatz  nicht.    Denn  ihre  Form 

')  Nach  der  anscheinend  recht  freien  Wiedergabe  ')  Die  Caules   vom  Kapitell    des  pompeianischen 

bei  Canina  VI,  Taf.  loo  sind  beide  Blattreihen  Jupiter-Tempels  sind  bei  MazoisIII,  Taf.  35  und 

gleich  hoch.   Jedoch  bestätigt  die  photogr.  Auf-  und  Rossini,  Archi  trionfali,  Taf.  XXX  eckig, 

nähme  Delbruecks  II,  Abb.  107  trotz  ihres  Mangels  nicht  rund.  Rossinis  Wiedergabe  scheint  nur  eine 

an  Schärfe  die  geringe  Höhe  des  zweiten  Kranzes.  getreue  Wiederholung  vonMazois'  Stich  zu  sein. 


Margarete  Gütschow,  Untersuchungen  zum  korinthischen  Kapitell.  I. 


71 


findet  sich  ganz  ähnlich  an  dem  Akanthos  der  Kapitelle  des  Theaters  von  Orange  '), 
das  Carestie  für  älter  als  den  dortigen,  bereits  aus  augusteischer  Zeit  stammenden 
Tiberiusbogen  hält,  das  mithin  wohl  aus  mittelaugusteischer  Zeit  stammt.  Also 
ein  weiteres  Beispiel  für  das  Vorkommen  dieser  Blattform  zur  Kaiserzeit  ^). 

Wir  werden  uns  nach  alledem  vorstellen  dürfen,  daß  griechische  Architekten 
den  Rundtempel  am  Tiber  errichtet,  römische  Steinmetzen  die  Kapitelle  ausgeführt 
haben,  und  wenn  diese  sich  auch  nach  dem  Modell  ihrer  griechischen  Arbeitsgenossen 
richteten,  so  benutzten  sie  doch  das  in  Rom  immer  moderner  werdende,  rund  ge- 
zackte Blattwerk  3). 


Klassische    und    italische    Kapitelle. 

Ist  somit  das  Kapitell  des  römischen  Rundtempels  ungefähr  100  Jahre  jünger 
als  man  bisher  annahm,  so  folgt  daraus,  daß  wir  in  Italien  keine  Normalkapitelle 
kennen,  die  älter  sind  als  jene  oben  besprochenen  republikanischen  4).  Diese  sind 
nach  Delbrueck  (S.  163)  in  nachsullanische  Zeit  zu  setzen,  und  das  ist  von  Bedeutung. 
Denn  grade  Sulla  brachte,  wie  Plinius  N.  H.  36,85  berichtet,  Säulen  vom  Olympieion 
in  Athen  in  den  Umbau  des  i.  J.  83  abgebrannten  Tempel  des  Jupiter  Capitolinus 


')  Carestie,  Monuments  d'Orange  1856,  Taf.  39, 
4,  13,  15.    Zur  Datierung  C.  I.  L.  XII,  1230. 

')  Es  scheint  gewagt,  wie  Weigand  es  Ath.  Mitt. 
XXXIX  1914,  24  ff.  tut,  allein  auf  die  drei- 
gezackten spitzen  Blattlappen  hin  —  die  sich 
nicht  einmal  gleich  bleiben  • — ,  ein  festes  Blatt- 
schema aufzustellen,  ohne  die  ganze  Struktur  des 
Blattes  in  Betracht  zu  ziehen.  Noch  älter  als 
das  von  Weigand  als  frühstes  Beispiel  dieser  Art 
angeführte  Kapitell  vom  Propylon  des  Buleu- 
terion  von  Milet  (Milet  II,  Taf.  XI,  XII)  ist 
der  Akanthos  des  Akroterions  vom  Artemis- 
Tempel  in  Magnesia,  jetzt  im  Berliner  Museum 
(Magnesia  S.  69,  Abb.  61,  unter  falschem  Namen 
als  aus  Pergamon  stammend  zitiert  bei  Durm, 
Abb.  343).  In  der  Umrißführung  sind  beide 
Blätter  sich  gleich,  aber  bei  dem  aus  Magnesia 
liegen  2  scharfe  Grate  zwischen  2  Pfeifen,  beim 
milesischen  nur  einer  vom  Mittelzacken  ausgehend. 
Ganz  verschieden  wieder  die  oben  besprochenen 
Blattformen  von  Rom  und  Orange.  Typus  a  des 
Rundtempels  hat  außer  den  drei  großen  noch  ein 
viertes  Zäckchen  innerhalb  der  Öse;  immerhin 
bestimmen  die  drei  großen  Zacken  den  Umriß. 
—  In  der  Struktur  sich  gleich,  aber  in  der  Zeich- 
nung der  Zacken  verschieden  sind  zwei  Kapi- 
telle in  Korone  im  Peloponnes  (Bleuet,  Exp.  de 
Mörtel,  Taf. vor  S.  17).  Bei  dem  einen  umschließt 
der  gekrümmte  letzte  Zacken  die  Öse,  bei  dem 


andern  springt  er  lang  und  scharf  über  sie  hinaus. 
—  Völlig  anders  wieder  ist  der  Akanthos  vom 
Rundbau  in  Ephesus  (Ephesos  I,  Abb.  99/101. 
Schede,  Abb.  78).  Der  stark  hervorspringende 
Mittelzacken  sprengt  den  Umriß,  die  Ösen  treten 
nahe  an  die  Mittelrippe  heran  und  dadurch  wird 
jeder  Lappen  zu  einem  selbständigen  Einzelteil 
(Schede  S.  108).  —  In  späte  Kaiserzeit  gehört 
ein  wieder  anders  stilisiertes  Pfeilerkapitell 
mit  dreizackigen  Blättern  im  Museum  von 
Sta.  Agueda  in  Barcelona  (Cadafalch,  Arqui- 
tettura  Romanica  Abb.  226),  ein  weiterer 
Beweis,  daß  diese  Zackengebung  sich  durch 
die  Kaiserzeit  hindurch  hält  und  nicht  etwa 
Kränze  an  Kapitellen  christlicher  Zeit  (vgl. 
z.  B.  in  Konstantinopel,  Weigand,  Taf.  I,  i 
u.  3;  in  Alexandrien,  Bull.  Soc.  arch.  d'Alex. 
N.  S.  II 1 907,  Nr.  4  u.  6,  S.9),  wie  Weigand  meint, 
an  lang  vergessene  Blattformen  wieder  anknüpfen. 

3)  Verschiedenartige  Ausführung  der  Kapitelle 
ein  und  desselben  Gebäudes  kommt  in  jener 
Zeit  auch  sonst  vor,  z.  B.  am  Caesaren-Tempel 
in  Nimes,  Weigand,  Taf.  III 2,  S.45;  am  Fortuna 
Augusta-Tempel  in  Pompei  ebenda  43;  am 
x\ugustusbogen  von  Susa.    Ferrero,  L'arc  d  Au- 

.    guste  k  Suse.    Taf.  V,  VI. 

4)  Ob  ältere  korinthische  Kapitelle,  wie  z.  B.  das 
von  Plinius  N.  H.  34,  13  erwähnte  erzene  der 
Porticus  der  Octavia  in  Rom,  italisch  oder  klas- 


sisch waren,  wissen  wir  nicht. 


•J2  Margarete  Gutschow,  Untersuchungen  zum  korinthischen  Kapitell.  I. 


in  Rom.  Im  vornehmsten  Heiligtum  der  Römer  an  ausgezeichneter  Stelle  standen 
nun  Säulen  aus  einem  der  glänzendsten  Tempel  der  damaligen  Welt  —  sollten  diese 
original-griechischen  Formen  ohne  Einfluß  auf  Einführung  und  Ausbildung  korin- 
thischer Kapitelle  in  Rom  gewesen  sein.?  Sollte  es  Zufall  sein,  daß  grade  seit  jener 
Zeit  die  klassische  griechische  Form  die  bis  dahin  gebräuchliche  italische  ganz  ver- 
drängt und  allein  herrscht?  Das  wäre  mehr  als  seltsam  in  einer  Epoche,  in  der  grie- 
chische Kunst  und  griechische  Kultur  immer  maßgebender  werden.  Und  in  der  Tat 
ist  es  nur  durch  eine  solche  unmittelbare  Beeinflussung  zu  erklären,  wenn  wichtige 
Grundformen  jener  wenigen  bekannten  republikanischen  Normalkapitelle  denen 
des  Olympieion-Kapitells  gleichen,  im  ausgesprochenen  Gegensatz  zu  den  damals 
schon  vorhandenen  korinthischen  Kapitellen  italischer  Art. 

Nur  in  einem  Zuge  sind  die  republikanischen  Kapitelle  dem  Olympieion-Kapitell 
nicht  gefolgt,  nämlich  in  der  geringeren  Höhe  des  oberen  Kranzes.  Allerdings  sind 
auch  dort  die  beiden  Kränze  nicht  von  ganz  gleicher  Höhe.  Aber  an  den  reif-itali- 
schen, z.B.  an  denen  von  Tivoli  (Beil.  HI,  lo)  und  Praeneste  (DelbrueckH,  Taf.  XIV 
und  I,  Taf.  XIV)  ist  der  Unterschied  so  viel  auffallender,  daß  sich  die  Frage  auf- 
drängt, ob  dieses  Verhältnis  der  Kränze  auch  schon  aus  der  griechischen  Überlie- 
ferung stamme  oder  nicht  vielleicht  erst  dem  italischen  Typus  eigen  und  von  diesem 
übernommen    sei. 

In  Frage  kommen  nur  wenige  griechische  Kapitelle.  Choisy  hat  Hist.  de  l'archi- 
tecture  I,  548  diese  niedrige  Kranzform  vom  Antenkapitell  desDidymaions  von  Milet') 
ableiten  wollen  —  mit  Unrecht,  denn  dies  Kapitell  hat  eine  andere  Geschichte.  Die 
Mittelblätter  sind  hier  nur  niedrig,  um  Raum  für  die  über  ihnen  angebrachte 
Palmette  zu  lassen.  Dafür  gehen  die  Eckblätter  hoch  hinauf  bis  unter  die  Voluten. 
Die  Blattüberfälle,  die  für  den  horizontalen  Eindruck  maßgebend  sind,  bilden  keine 
geschlossene  Einheit.  Wenn  auch  nicht  in  Milet,  so  hat  sich  doch  die  Form  des  niedrigen 
zweiten  Kranzes  schon  zur  Zeit  des  Hellenismus  im  griechischen  Osten  ausgebildet. 
Sie  findet  sich  in  der  ersten  Hälfte  des  3.  Jahrh.  beim  Kapitell  des  Rundbaus  der 
Arsinoe  auf  Samothrake  2),  das  der  normalen  Form  schon  nahe  kommt,  in  Alexan- 
drien  3)  und  auch  bei  einem  alexandrinisch  beeinflußten,  hellenistischen  Kapitell  in 
Baalbek  (Weigand,  Abb  i).  Besonders  augenfällig  ist  dieser  Aufbau  bei  einem  schönen 
Normalkapitell  im  National-Museum  zu  Athen  (Beil.  III,  8),  das  Altmann  nur  deshalb 
mit  Recht  den  vorbildlichen  Ausgangspunkt  des  Kapitells  vom  Olympieion  nennen 
konnte,  weil  er  dieses  zu  Unrecht  im  hadrianischen  Kapitell  erblickte.  Mit  diesem 
Irrtum  war  aber  auch  seine  Datierung  dieses  athenischen  Kapitells  in  hellenistische 
Zeit  bereits  gefallen.  Es  war  in  Wahrheit  dadurch  nur  als  vorhadrianisch  bestimmt, 
und  Stais  (Marbres  et  bronzes  Nr.  1496)  hat  es  denn  auch  in  römische  Zeit  gesetzt. 


■)  Egle,  Abt  IV,  Taf.  57.    Mauch,  Taf.  39.  einer  Reihe  untereinander  verschiedener  Kapi- 

')  Conze-Benndorf,     Untersuchungen    auf    Samo-  teile  die  Regel,  aber  doch  von  andrer  Wirkung 

thrake  I,  Taf.  LX.  als  beim  Normal-Kapitell,   denn  beide  Kränze 

3)  DelbrueckH, Abb.  100 — 102.  Exped. Sieglin.Aus-  sind  auch  als  Gesamtheit  nicht  hoch,  und  da- 

grabungen  in  Alexandria.    Abb.  207.    Weigand,  durch  bleibt  der  vegetabilc  Schmuck  auf  den 

Abb.  3.    Hier  ist  der  niedrige  obere  Kranz  bei  Kalathosfuß  beschränkt. 


Margarete  GUtschow,  Untersuchungen  zum  korinthischen  Kapitell.  I.  •j'i 


Leider  gibt  seine  Fundstelle  nahe  beim  Theseion  für  die  Zeitbestimmung  ebensowenig 
Anhalt  wie  für  seine  Zuweisung  zu  einem  bestimmten  Bau.  Versuchen  wir  also, 
CS  nach  seinen  Formen  zu  datieren.  Die  fest  geschlossenen  Kränze  sind  üppig  und 
locker,  die  breit  fußenden,  durch  tief  eingegrabene  Mittelrippe  gegliederten  Blätter 
sind  in  ihrer  Ösen-,  Pfeifen-  und  Zackenbildung  denen  des  Greifenkapitells  vom 
Propylon  zu  Eleusis  nahe  '),  wohl  etwas  vorgeschrittner  durch  die  plastische  Model- 
lierung des  Blattfleisches,  die  mehr  auf  starke  Licht-  und  Schattenwirkung  ausgeht. 
Die  kleinen  Propyläen  in  Eleusis  sind  um  die  Mitte  des  i.  Jhrh.  v.  Ch.  errichtet,  also 
würde  das  athener  Kapitell  etwa  in  dessen  zweite  Hälfte  gehören.  Diesem  Ansatz 
entspricht  seine  sonstige  Stilisierung:  die  beginnende  stärkere  Gliederung  des  Blatt- 
umrisses ^)  durch  den  hervorspringenden  Mittelzacken,  die  kraftvollen,  aber  doch 
schon  eleganten  Caules  mit  tiefen  Furchen  zwischen  scharfen  schmalen  Stegen,  die 
kurzen  Helices,  Formen,  die  wir  zu  dieser  Zeit  auch  in  Italien  fanden.  Aber  die  kon- 
servative Tendenz  Griechenlands  verleugnet  sich  auch  hier  nicht.  Die  Zwickelblüte 
der  Außenvoluten  und  das  zurückgeschlagene  Blättchen  auf  ihrer  Stirnseite  sind  eine 
Reminiszenz  an  das  Tholos-Kapitell  von  Epidauros  3),  das  Auge  in  der  Volute  an  das 
des  Olympieions ;  auch  die  geringe  Verhüllung  des  oberen  Kalathos  haben  wir  an  diesen 
griechischen  Kapitellen  gefunden.  Nach  dieser  Datierung  ist  das  athener  Kapitell 
also  jünger  als  die  klassischen  republikanischen  Italiens  mit  der  gleichen  niedrigen 
Kranzbildung. 

Da  diese  Anordnung  der  Blattkränze  sich  im  vorrömischen  Griechenland  ilur 
gelegentlich  zeigt,  nicht  bereits  prinzipiell  anerkannt  ist,  erhält  die  hierin  viel  kon- 
sequentere Gruppe  »italischer«  Kapitelle  (s.  Delbrück  II,  157,  160)  für  unsere  Frage 
ein  viel  größeres  Gewicht.  Dieser  ebenfalls  republikanische  Typus  hatte  sich  schon 
vor  dem  klassischen  korinthischen  in  Italien  eingebürgert.  Nach  Delbrueck  scheinen 
seine  2rsten  Stadien  bisher  nur  in  Sizilien  nachweisbar  zu  sein;  es  wurde  dort  aber 
bald  lokal  umgebildet  und  hat  mit  einem  altertümlichen  Gepräge  versehen  von  dort 
aus  seinen  Weg  über  die  Halbinsel  bis  in  die  nördlichen  und  westlichen  Provinzen 
genommen.  Im  Gegensatz  zum  klassischen  Typ  ist  beim  italischen  die  Form  des  Ka- 
lathos unter  üppig  wucherndem,  krausem  und  stumpflappigem,  weit  überhängendem 
Blattwerk  nicht  mehr  klar  erkennbar.  Zweigartige  Einzelblätter  begleiten  die  runden, 
sich  verjüngenden  und  in  einem  Ring  endenden  Helices  und  liegen  in  den  Zwickeln 
zwischen  Deckplatte  und  Eckvoluten,  deren  leicht  konvexe,  kantig  eingefaßte 
Spiralgänge  scheibenförmig  aus  der  Ebene  herausgedreht  sind.  Eine  mächtige  sechsblätt- 
rige Sternblume  mit  großem  Stempel  am  oberen  Kalathosrand  streckt  ihre  Blätter 
auch  über  den  Abakus  aus. 

Nach  dem  mir  zugänglichen  keineswegs  vollständigen  Material  4)  scheide  ich 
vier  Arten  des  Aufbaus  voneinander: 

')  Gut  erkennbar  an  einem  Gipsabguß  der  Samm-  3)  Lechat-Defrasse,    Epidaure,    Taf.   VIl.      Ant. 

lungderBerlinerUniversität.  Friederichs-Wolters  Denk.  II,  Taf.  V.     Meurer,  Jahrb.  d.  Inst.  XI 

Nr.  863/64.    Weniger  deutlich  zu  erkennen  auf  1896,  155,  Abb.  52.    Alinari  24224. 

den  Abbildungen:  Meurer  S.  423.      Woermann,  ■!)  Auf  den  Versuch,  eine  chronologische  Entwick- 

Gesch.  d.  Kunst  I-,  Abb.  429.    Mauch,  Taf.  39.  lung  zu  geben,  muß  ich  verzichten. 

^)  s.  Meurer,  S.  139. 


74 


Margarete  Gütschow,  Untersuchungen  zum  korinthischen  Kapitell.  I. 


I.  Kapitelle  mit  anscheinend  gleich  hohen  Blattreihen,  die  nur  den  unteren  Teil 
des  Kalathos  umgeben  und  höchstens  bis  zu  dessen  Mitte  reichen.  Z.  B.  Kapitelle 
aus  Noto  (Delbrueck  II,  Abb.  94)  und  mehrere  aus  Solunt  (Beil.  III,  9)'). 

II.  Die  obere  Blattreihe  ist  kaum  halb  so  hoch  wie  die  untere,  und  beide  zu- 
sammen reichen  bis  zur  Mitte  des  Kapitells,  d.  h.  bis  zur  Mitte  von  Kalathos  und 
Abakus.  Z.  B.  Maßverhältnisse  vomKapitell  des  Rundtempels  inTivoli  (Beil.  III,  lo)^), 
am  Gipsabguß  der  Berliner  Universitätssammlung  genommen: 

Unterer  Kranz  24  cm         Volutenzone  20  cm 
oberer         ,,       il     ,,  Abakus  15    ,, 

35  cm  +  35  cm  =70  cm  Kapitellhöhe  3). 

III.  Der  Höhenunterschied  zwischen  beiden  Blattreihen  nimmt  zu;  ihre  Gesamt- 
höhe geht  beträchtlich  über  die  Mitte  des  Kapitells  hinaus.  Die  Volutenzone  ist 
niedriger  als  die  untere  Blattreihe.  Z.  B.  die  Höhe  des  oberen  Kranzes  beträgt  bei 
einem  Kapitell  aus  Praeneste  (Delbrueck  I,  Abb.  71)  ca.  V3,  bei  weiteren  ebendort 
(ebda.  Taf.  XIV  u.  Abb.  64.  Woermann,  Abb.  485.  D'Espouy)  ca.  V3  und  (Delbrueck 
II,  Abb.  76)  ca.  3/5,  bei  einem  Kapitell  aus  Aquiieia  (Durm,  Abb.  829),  ca.  V4  der 
Höhe  des  unteren. 

-■"  IV.  Die  Blattreihen  sind  gleich  hoch,  nehmen  V3  der  Höhe  des  Kalathos  ein  und 
bedecken  den  größten  Teil  der  Volutenstengel.  Z.  B.  Maßverhältnisse  vom  Gips- 
abguß des  Kapitells  der  Basilika  von  Pompei  (Beil.  III,  li): 

Unterer  Kranz    14  cm 


oberer  ,, 

Volutenzone 
Abakus 
Kapitellhöhe 


14 
14 

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49  cm 

Ebenso  Kapitelle  von  Vienne,  jetzt  im  Mus.  von  Lyon  4)  und  in  der  berliner 
Abgußsammlung,  vermutlich  aus  Pompei. 

Der  Entwicklungsgang  des  klassischen  Kapitells  (Delbrueck  I,  Abb.  64)  muß  von 
diesem  in  Italien  heimischen  Typus  beeinflußt  worden  sein,  denn  er  zeigt  mancherlei 
Analoga.  Das  mag  so  zu  erklären  sein:  ein  klassisch-griechisches  Vorbild  war  dem 
^römischen  Normalkapitell  in  dem  Olympieionkapitell  auf  dem  Kapitol  gegeben.  Aber 
bei  den  wiederholten,  mittel-  und  unmittelbaren  Nachbildungen  müssen  sich  seine 
griechischen  Elemente  mancherlei  Veränderungen  gefallen  lassen.    Die  eingesessenen 


•)  Nach  photogr.  Aufnahme  von  Prof.  Delbrueck, 
der  mir  wie  auch  Prof.  Noack  mehrere  Photo- 
graphien von  Solunter  Kapitellen,  z.  T.  in  den 
Ruinen,  z.  T.  im  Museum  von  Palermo,  freund- 
lichst zur  Verfügung  stellte. 

2)  Diese  und  die  folgende  Abbildung  nach  Photo- 
graphien der  Gipsabgüsse  von  Dr.  von  Lücken. 

3)  An  einem  Pfeilerkapitell,  vermutlich  aus  Pom- 
pei (doch  konnte  ich  die  Herkunft  des  Abgusses 


feststellen)  hat  das  aus  einer  Reihe  bestehende 
Blattwerk  ebenfalls  die  gleiche  Höhe  (21  cm) 
wie  Volutenzone  (ii  cm)  und  Abakus  (10  cm) 
zusammen,  endet  also  auch  in  der  Mitte  des 
Kapitells.  —  Sicher  ist  es  nur  ein  Zufall,  daß 
unter  den  wenigen,  bisher  veröffentlichten 
italischen  Kapitellen  sich  kein  weiteres  mit  den 
reinen  Verhältnissen  des  Tivoli-Kapitells  be- 
findet. 


in  der  Sammlung  der  Berliner  Universität  nicht      4)  Bazin,  Vienne  et  Lyon  gallo-romains,  Abb.  329. 


Margarete  Gütschow,  Untersuchungen  zum  korinthischen  Kapitell.  I.  ye 

Steinmetzen  haben,  statt  immer  wieder  einfach  zu  kopieren,  je  nach  ihrem  Können 
und  ihrem  sehr  unterschiedlichen,  teilweise  derberen  Geschmack  die  Formen  abge- 
wandelt. Dieser  Geschmack  liebte  das  Reiche,  Unruhige,  Belebte;  ihm  entsprach 
die  größere  Formenfülle  und  die  üppigere  Bildung  des  italischen  Kapitells,  und  mehr 
oder  weniger  bewußt  machte  sich  dieser  Einfluß  auf  seine  Arbeiten  geltend.  Auf 
solche  Weise  wird  —  nach  Mustern  wie  etwa  Gruppe  II  des  italischen  Typs  —  nun 
auch  bei  Normalkapitellen  das  Verhältnis  der  Kränze  abgeändert.  Die  Blattreihen 
werden  einander  so  nahe  gerückt,  daß  die  überfallenden  Blattspitzen  beider  eine 
horizontal  gliedernde,  aber  in  ihrer  Verdopplung  unruhige  Licht-  und  Schattenquelle 
bilden.  Ebenso  wird  das  Blattwerk  frischer,  krauser,  rundlicher,  belebter.  In  der 
frühen  Kaiserzeit  wächst  es  in  die  Höhe  wie  bei  den  italischen  Typen  III  und  IV,  läßt 
dadurch  den  Volutenstengeln  wenig  Raum  zur  Entwicklung  und  überdeckt  sie  über- 
dies teilweise  mit  Blattzweigen.  —  Die  Mitte  der  oberen  Zone,  die  bei  italischen  Kapi- 
tellen durch  die  große,  tief  sitzende  Blüte  und  die  fast  mit  ihr  zusammenhängenden 
Blattüberfälle  stark  betont  war,  blieb  beim  Normalkapitell  zunächst  leer,  da  die 
Blume  von  den  Kränzen  weg  an  den  Abakus  rückte.  Deshalb  wird  diese  Stelle  zwi- 
schen und  unter  den  Helices  mit  den  bis  dahin  nur  gelegentlich  verwendeten  Blatt- 
kelchen geschmückt,  die  den  Blütenstengeln  als  Träger  dienen. 

Griechische  und  italische  Art  haben  sich  gemischt.  Die  bodenständige  italische 
Kunst  ist  so  kräftig,  daß  der  landfremde  Typus  sich  den  landesüblichen  Formen 
anbequemt,  als  er  sich  zu  akklimatisieren  sucht.  Aber  er  bleibt  eben  doch  im  Wesen 
und  in  der  Gesamtheit  seiner  edlen  Glieder  ein  griechisches  Gebilde,  und  indem  er 
von  der  einheimischen  Form  nimmt,  was  er  zu  seiner  Umwandlung  bedarf,  hat  er  sie 
auch  schon  überwunden.  Wie  einst  in  Sizilien  werden  nun  in  Rom  die  Akanthos- 
kränze  im  Aufbau  und  in  den  stilistischen  Formen  umgebildet;  es  entsteht  ein  neues 
griechisch-römisches   Kapitell. 

Maß  Verhältnisse. 
In  dem  niedrigen  Aufbau  der  Kränze,  der  beiden  sonst  so  verschiedenen  Kapi- 
tellarten des  republikanischen  Italiens  eigen  ist,  wollen  Altmann  (S.  28)  und  Choisy 
(I,  548),  dem  sich  Puig  y  Cadafalch  anschließt  '),  einen  prinzipiellen  Unterschied 
zwischen  den  griechisch  beeinflußten  Kapitellen  der  Frühzeit  und  denen  der  Kaiser- 
zeit sehen.  Choisy  behauptet  ferner,  daß  die  geringe  Höhe  des  zweiten  Kranzes  über- 
haupt die  eigentliche  Ursache  der  geringen  Höhenentwicklung  der  frühen  ko- 
rinthischen Kapitelle  sei;  mit  dem  Anwachsen  dieses  Kranzes  wachse  auch 
das  Kapitell  in  die  Höhe;  bei  Kapitellen  mit  niedriger  oberer  Kranzschichtung  sei 
die  Höhe  des  Kalathos  seinem  unteren  Durchmesser  gleich;  bei  solchen  mit  hohem 
oberen  Kranz  aber  überträfe  dieKalathoshöhe  den  unteren  Durchmesser  bei  weitem. 
Mit  anderen  Worten:  die  Höhenentwicklung  des  Kapitells  sei  von  der  Höhe  der  oberen 
Blattreihe  abhängig.  Für  den  ersten  Fall  nennt  er  als  Beispiel  das  Kapitell  vom 
Rundtempel  in  Tivoli,  für  den  zweiten  das  des  »Jupiter  Stator-Tempels  auf  dem 

')  Arquitettura  romanica  in  Catalunya  198. 


76 


Margarete  Gütschow,  Untersuchungen  zum  korinthischen  Kapitell.  I. 


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yS  Margarete  Gotschow,  Untersuchungen  zum  korinthischen  Kapitell.  I. 


Forum«,  nach  den  Abbildungen  des  Dioskurentempels.  Ist  es  aber  schon  an  sich 
bedenklich,  zwei  so  verschieden  geartete  Kapitelltypen  wie  italisch  und  normal- 
klassisch in  eine  Entwicklungsreihe  zu  bringen,  so  sprechen  gegen  diese  Theorien 
auch  die  Denkmale  selbst.  Ich  stelle  zunächst,  was  hierfür  in  Frage  kommt,  so  weit 
wie  möglich  in  Tabelle  III  (S.  76!.)  zusammen  ')  und  gebe  für  jedes  Kapitell  an: 

1.  Das  Verhältnis  der  Kalathoshöhe  zum  unteren  Durchmesser. 

2.  Das  Verhältnis  der  Gesamthöhe  der  Kränze  zur  eigentlichen  Kapitellhöhe, 
die  Kalathos  und  Abakus  umfaßt. 

3.  Die  Höhenverhältnisse  der  einzelnen  Kapitellzonen:  des  unteren  und  oberen 
Kranzes,  der  Volutenzone  und  des  Abakus.  Hierbei  soll  nicht  das  zahlenmäßige 
Verhältnis  zueinander  angegeben  werden,  sondern  i  bezeichnet  den  höchsten  Teil, 
2  und  3  die  nächst  hohen,  4  den  niedrigsten. 

4.  Das  Verhältnis  des  Abakus  zur  Kapitellhöhe. 
Aus  Tabelle    III,    S.  76f.  ergeben  sich  nachstehende 

Folgerungen. 

1.  Bei  den  Normalkapitellen  der  griechischen,  republikanischen  und  frühen 
Kaiserzeit  ist  die  Höhe  des  Kalathos  seinem  unteren  Durchmesser  gleich;  ausgenom- 
men ist  das  des  Rundtempels  am  Tiber,  dessen  Kalathos  trotz  des  niedrigen  oberen 
Blattkranzes  höher  ist  als  der  untere  Durchmesser.  Erst  in  späterer  Zeit  übertreffen 
die  Kalathoi  die  untern  Durchmesser  an  Höhe. 

2.  Die  obere  Blattreihe  des  Kapitells  von 

der  Tholos  von  Epidauros      ist  '/ö  niedriger  als  die  untere, 

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Dennoch  reicht  bei  diesen  Kapitellen  das  Blattwerk  bis  zur  Mitte  des  Kapi- 
tells (oder  geht  nur  ganz  wenig  über  sie  hinaus),  wenn  wir  die  Gesamthöhe  gleich 
Kalathos  plus  Abakus  setzen.  Es  ist  dann  einerlei,  ob  die  Kränze  hoch  oder  niedrig 
geschichtet  sind :  die  Gesamthöhe  der  beiden  Kränze  steht  immer  im  gleichem  Ver- 
hältnis zur  Gesamthöhe  des  Kapitells.  Dieses  Verhältnis  beruht  demnach  auf  der 
•stabilen  (so  gut  wie  stabilen)  Höhe  der  oberen  oder  richtiger  höheren  Blattreihe, 
die  ja  genau  wie  die  untere  am  Kalathosfuß  entspringt.  Man  darf  nicht  sie  höher 
oder  niedriger  nennen;  es  ist  vielmehr  so,  daß  die  Höhe  ihres  oberen  sichtbaren  Teiles 
davon  abhängig  ist,  ob  der  untere  Kranz  höher  oder  niedriger  geführt  wird  und  sie 
dadurch  mehr  oder  weniger  verdeckt.  Höher  oder  niedriger  ist  also  nur  der  untere 
Kranz. 

')  Leider  konnte  ich  nicht  Abgüsse,  sondern  nur  mit  starker  Unteransicht  vermieden.  Trotz  ge- 
Aufrisse und  Stiche  prüfen.  Wenn  auch  Photo-  ringer  perspektivischer  Verschiebungen  lassen 
graphien  und  Abbildungen  nach  diesen  zur  ganz  die  ausgewählten  doch  das  Verhältnis  der  Kränze 
sichern  Feststellung  der  Verhältnisse  selbstver-  zur  Kapitellhöhe  und  der  Kränze  zu  einander 
ständlich  nicht  ausreichen,  so  glaube  ich  doch  erkennen.  Da  alle  Abbildungen  verschiedenen 
die  Tabelle  durch  eine  Anzahl  von  ihnen  ver-  Maßstab  haben,  muß  ich  die  Angabe  der 
vollständigen    zu  können.      Ich  habe  Kapitelle  Maße  als  zum  Vergleich  unbrauchbar  weglassen. 


Margarete  Gtttschow,  Untersuchungen  zum  korinthischen  Kapitell.  I. 


79 


Dementsprechend  ist  auch  für  die  Höhe  der  oberen  Kapitellhälfte  diese  wech- 
selnde Höhe  (oder  Sichtbarkeitszone)  der  zweiten  Blattreihe  ohne  Bedeutung.  Sie 
ist  dagegen  abhängig  von  der  Höhe  des  Abakus;  je  flacher  dieser,  je  weniger  er  von 
der  Höhe  der  oberen  Zone  beansprucht,  desto  mehr  Raum  bleibt  zur  Entfaltung  der 
Hüllblattkelche  und  Helices. 

3.  Im  4.  Jhrh.  besteht  nur  ein  geringer  Höhenunterschied  zwischen  den  Kränzen 
eines  Kapitells.  Er  nimmt  aber  in  hellenistischer  Zeit  zu,  wie  das  Normalkapitell 
des  Olympieions  zeigt,  und  steigert  sich  im  i.  Jhrh.  v.  Ch.  in  Italien  so,  daß  der  obere 
Kranz  nur  halb  so  hoch  wie  der  untere  ist.  Doch  bleibt  dieser  Aufbau  keine  aus- 
schließliche Eigentümlichkeit  der  vorkaiserlichen  Zeit,  sondern  er  hält  sich  durch 
Jahrhunderte  als  eine  Nebenform  in  allen  Teilen  des  römischen  Reiches').  Seit  mittel- 
augusteischer Zeit  wächst  in  der  Regel  der  obere  Kranz  über  die  Kapitellmitte  hinaus, 
an  die  er  bisher  gebunden  war. 

4.  Im  Gcjjensatz  zu  den  griechischen  und  hellenistischen  Kapitellen  mit  über- 
ragend hoher  Volutenzone  (Nr.  1.2.)  ist  in  der  republikanischen  Zeit  die  untere 
Blattzone  am  höchsten,  die  Volutenzone  steht  an  zweiter  Stelle  (Nr.  4,  19.  Bei  Nr. 
3  u.  7  sind  beide  Zonen  gleich  hoch).  Später  ist  das  Verhältnis  wieder  umgekehrt 
(Nr.  5,  6,  8— 15  a,  21,  23 — 25)  oder  diese  beiden  Zonen  sind  an  Höhe  gleich  (Nr. 
15  b— 18,  21,  26—28,  30,  31,  32,  34).  Die  obere  Kranzzone  bleibt  am  niedrigsten 
mit  vereinzelten  Ausnahmen  (Nr.  25,  32).  Einzig  und  allein  bei  Nr.  18  haben  alle 
3  Zonen  dieselbe  Höhe.  Überall  da,  wo  das  Blattwerk  bis  zur  Mitte  der  Kapitellhöhe 
reicht  und  unterer  Kranz  und  Volutenzone  gleich  hoch  sind,  müssen  auch  oberer 
Kranz  und  Abakus  von  gleicher  Höhe  sein  (Nr.  3,  16,  19). 

Ein  Rückblick  auf  den  italischen  Typus  zeigt,  daß  diese  Höhenverhältnisse 
teilweise  bei  ihm  vorgebildet  sind.  Bei  den  sizilischen  Kapitellen  (Gruppe  I)  nimmt 
wie  bei  den  hellenistischen  die  Volutenzone  den  größten  Teil  des  Kapitells  ein.  Am 
Kapitell  von  Tivoli  mit  den  gleichen  symmetrischen  Maßverhältnissen  wie  die  Nor- 
malkapitelle Nr.  3,  16,  19  reicht  das  Blattwerk  bis  zur  Kapitellmitte  (Kalathos 
+  Abakus),  und  das  ist  für  uns  die  Hauptsache.  Gruppe  IV  entspricht  Vitruvs  Vor- 
schriften der  Dreiteilung,  Maßverhältnisse,   die  wir  bei  dem  späteren  Kapitell  der 


•)  NureinigeBeispiele.  (Vgl.Tab.III.)!.  Im  Westen. 
N.  Italien  :  Kapitell  von  der  SO-Ecke  des  Au- 
gustus-Bogen  in  Susa(Ferrero,L'arc  d'Auguste  ä 
Suse,  Taf.  V).  Gallien:  Figural-Kap.  im  Mu- 
seum von  Vienne  (Esp^randieu,  Rec.  des  bas- 
reliefs  rem.  I,  Nr.  409.  Weigand  Nr.  11).  Ger- 
manien: Jupiter-Säule  aus  der  Saalburg  (zuletzt 
Quilling,  Jup.-Säule  1918);  Kap.  aus  dem  claudisch- 
neronischen  Lager  von  Vetera  (Lehner,  Prov. 
Mus.  in  Bonn  Taf.  XL  6,  Nr.  1154).  Spanien: 
verschiedenartig  gestaltete,  z.  B.  vom  Augustus- 
Tempel  in  Barcelona  (Puyg  y  Cadafalch,  Arqui- 
tettura  romanica  in  Catalunya  Abb.  31,  212, 
214)  u.  in  den  Museen  von  Sleydau.  Sta.  Agueda 
(ebenda  Abb.   219,  222 — 27).      2.   Im  Osten. 


Klein-Asien:  Hekate-Tempel  in  Lagina  (Men- 
del, Mus.  d.  Constantinople  Cat.  des  sculp.  I, 
Nr.  233.  Phot.  des  Ottoman.  Mus.  1 701).  Milet: 
Markttor  (Weigand,  Nr.  14)  und  Delphinion 
(Milet  II,  Abb.  29^30).  Ephesos :  Markttor  (Wei- 
gand, Nr.  13),  Bibliothek  (Weigand,  Nr.  17), 
Theater  (Ephesos  II,  Abb.  179).  Syrien:  Kap. 
vom  Tyche-Tempel  in  Sunamin,  Caracalla- 
Tempel  von  Atil,  aus  Aphrodisias  (Weigand 
Nr.  21,  22,  23  a  u.  b)  die  in  das  3. Jh.  n.Chr.  ge- 
hören, und  noch  im  4.  Jh.  beweist  ein  Kap.  vom 
Jakobsbrunnen  in  Sichern  (A.  M.  1914,  Taf. 
II,  5.  6)  die  lange  Lebensdauer  dieses  Aufbaus  der 
Kränze.  Ich  werde  später  ausführlicher  hierauf 
zurückkommen. 


gO  Margarete  Gutschow,  Untersuchungen  zum  korinthischen  Kapitell.  I. 

Porticus  Octaviae  ')  feststellen  konnten,  die  aber  —  eben  weil  Vitruv  sie  nennt  — 
auch  sonst  vorhanden  gewesen  sein  müssen.  Diese  Analogien  sind  bei  den  republi- 
kanischen und  frühaugusteischen  Normalkapitellen,  die  dem  italischen  noch  zeitlich 
nahe  stehen,  ebenso  verständlich  wie  die  Tatsache,  daß  sie  späterhin  ganz  aufhören. 
Schemata  der  ersten  nachchristlichen  Jahrhunderte,  wie  z.  B.  das  des  Dioskurcn- 
Tempels  (2  —  2  —  i — 4)  oder  das  des  Pantheons  (2—3  —  1—4)  kommen  bei  den  ita- 
lischen Gruppen  noch  nicht  vor. 

5.  Vitruvs  Regel,  daß  die  Höhe  desAbakus  gleich  '/?  der  Kapitellhöhe  sein  soll, 
findet  sich  nicht  bestätigt.  Vielmehr  scheint  nach  den  Zahlen  der  Tabelle  sich  hierfür 
keine  feste  Norm  gebildet  zu  haben.  Im  allgemeinen  geht  die  Entwicklung  vom 
hohen  zum  flachen  Abakus. 

Vitruv. 

Es  ist  auffallend,  wie  wenig  sich  die  vorstehenden  an  den  Denkmälern  ge- 
wonnenen Beobachtungen  mit  Vitruvs  Regeln  decken.  Von  diesen  bestätigt  sich 
an  diesen  griechischen,  republikanischen  und  frühkaiserlichen  Kapitellen  eigentlich 
nur  die  eine,  daß  der  untere  Durchmesser  des  Kalathos  maßgebend  für  seine  Höhe 
ist  —  nicht  aber  der  obere  Kranz,  dessen  »Höhe«,  wie  wir  gesehen  haben,  durch  die 
des   unteren   bestimmt  wird. 

Im  Gegensatz  zu  Vitruvs  Regel  (IV,  i,  12),  nach  der  das  Kapitell  ohne  Abakus 
in  drei  Teile  geteilt  wird  ')  —  zwei  Teile  Kränze,  einer  Voluten— ,  steht  das  Ergebnis, 
daß  grade  zu  seiner  Zeit  die  Gesamthöhe  beider  Kränze  nur  bis  zur  Mitte  des  Kapi- 
tells —  Kalathos  plus  Abakus  —  reicht,  und  man  somit  statt  von  einer  Dreiteilung 
richtiger  von  einer  Zweiteilung  —  nicht  nur  der  Funktion,  auch  den  Maßen  nach  — 
zu  sprechen  hat.  Die  vegetabilc  untere  Zone  der  beiden  Kranzreihen  ist  zu  unter- 
scheiden von  der  oberen  Zone  der  konstruktiven  Elemente,  der  tragenden  Helices 
und  des  getragenen  Abakus. 

Durch  die  hier  entwickelten  Maßverhältnisse,  die  den  Abakus  in  die  grund- 
legende Kapitellhöhe  einbegreifen,  wird  stärker  als  bei  Vitruv  betont,  daß  diese  Deck- 
platte ein  untrennbarer  Bestandteil  des  korinthischen  Kapitells  ist  3).  Und  sie  muß 
es  logischerweise  auch  sein  —  mehr  als  bei  den  beiden  anderen  Kapitelltypcn  — , 
'  denn  die  aufsteigenden  Voluten  sind  nur  durch  ihre  Aufgaben  als  Stützen  seiner 
Ecken  zu  verstehen,  sonst  wären  sie  zwecklos.  Dagegen  kommt  der  Rundstab,  der 
Astragal,  bei  diesen  Maßverhältnissen  nicht  in  Betracht;  er  wurde  als  trennendes 
Glied  zwischen  Säule  und  Kapitell  empfunden. 

•)  Trotzdem  wird  man  es  nicht  dem  Bau  von  33  v.  Worte  »secundum  folium  mediam  altitudinem 

Chr.,  sondernder  schwachen  Gaules  wegen  mit  teneat«  nicht  zu  verstehen:  reicht  bis  zur  Mitte, 

Weigand  (S.  61)  dem  severischen  Umbau  geben  denn  dann  könnte  es  sich  nicht  um  gleiche  Teile 

müssen.  handeln,  sondern  hält  die  Mitte,  d.  h.  nimmt 

')    Da    Vitruv  ausdrücklich  von  einer  Dreiteilung  den  mittleren   Teil   ein. 

(partes  tres)  spricht,  kann  der  Ausdruck  »ean-        3)  Wie  Vitruv  ja  auch  in  seiner  Anekdote  von  der 

dem  altitudinem«,  die  gleiche  Höhe,  sich  nur  Entstehung  des  kor.  Kapitells  in  richtigem  Ge- 

auf  beide  vorhergehenden  Teile  beziehen:  alle  fühl  vom  Körbchen  und  dem  darauf  liegenden 

Teile  sind  also  gleich  hoch.     Folglich  sind  die  Ziegel  als  einer  Einheit  redet. 


Margarete  Gütschow,  Untersuchungen  zum  korinthischen  Kapitell.  I.  gj 


Woher  aber  stammen  Vitruvs  Regeln  über  das  korinthische  Kapitell?  Birn- 
baums Behauptung  '),  daß  sein  Kanon  an  keinem  Bau  seiner  Zeit  erhalten  sei,  trifft 
auch  für  das  korinthische  Kapitell  zu  ^).  Hingegen  ist  seine  Vermutung,  daß  Ar- 
cesius3)  Schrift  »de  symmetriis  corinthiis«  seine  Quelle  gewesen  wäre,  irrig,  wenn  er 
diesen  für  einen  kleinasiatischen  Architekten  des  4.  Jahrhunderts  hält.  Denn  erstens 
kann  in  jener  Zeit,  in  der  korinthische  Kapitelle  erst  anfingen,  sich  an  Kleinkunst 
und  in  Innenräumen  auszubilden,  von  schriftlicher  Festlegung  solcher  als  Bau- 
ordnung noch  keine  Rede  gewesen  sein,  am  wenigsten  in  Klein-Asien,  wo  keine 
so  frühen  Kapitelle  erhalten  sind  und  wo  der  Jonismus  besonders  lange  vorherrscht. 
Ist  es  nicht  auch  bedenklich,  dieses  Alter  so  bestimmt  herzuleiten  aus  der  Reihen- 
folge, in  derVitruv  IV,  3,  i  die  Architekten  aufzählt:  Arccsius  (wo  alle  Handschriften 
überdies  die  Formen  Tarchesius  haben),  Pytheos,  Hermogcnes,  während  gerade  da, 
wo  Vitruv  das  Werk  des  Arcesius  »de  symmetriis  corinthiis«  nennt  —  (hier  zeigen  alle 
Handschriften  die  Form  Argelius)  • — ,  er  diesen  ausdrücklich  hinter  Hermogcnes  stellt. 
—  Zweitens—  und  das  ist  entscheidend  —  ist  es  das  Normalkapitell,  dasVitruvsAn- 
gaben  voraussetzen,  und  das  kennen  wir  in  solcher  Formulierung  erst  aus  dem2.  Jhrh. 
V.  Ch.,  also  schon  aus  der  Zeit  des  Hermogcnes  (vor  und  um  200),  dessen  Kanon  nach 
Noacks  und  Birnbaums  Beweisführung  für  Vitruvs  sonstige  Regeln  die  Richtschnur 
war4).^  Freilich  sind  ausvorvitruvischer  Zeit  Kapitelle  italischer  Art  erhalten,  diemit 
seinen  Proportionen  übereinstimmen.  Aber  da  sie  jene  von  Vitruv  berücksichtigten 
Züge  des  Normalkapitells  nicht  haben,  müssen  sie  hier  ausscheiden.  Es  wäre  auch 
unwahrscheinlich,  daß  der  klassizistische  Vitruv  sich  nacn  einer  provinziellen  Form 
gerichtet  hätte.  Immerhin  ist  es  ein  wunderlicher  Zufall,  der  diesen  Vitruv  ent- 
sprechenden Aufbau  gerade  am  nicht  klassischen  Typus  erhalten  hat,  den  klassischen 
jedoch,  an  dem  wir  diese  Vitruvianischen  Maßverhältnisse  vorauszusetzen  hätten, 
zugrunde  gehen  ließ.  Erst  spätere  Kapitelle  vom  Nerva-Forum,  Pantheon,  Fau- 
stina-Tempel (Tabelle  III,  Nr.  14, 15,  I7)nähernsichmit  ihrer  Teilung  in  drei  ungefähr 
gleich  hohe  Zonen  seinen  Angaben;  die  der  Porticus  derOktavia  stimmen  mit  ihrer 
gleichmäßigen  Dreiteilung  ganz  mit  ihnen  überein.  Es  scheint  demnach,  daß  seine 
Theorien,  die  er  wohl  nicht  nur  an  der  Basilika  von  Fano,  sondern  auch  an  anderen 
Bauten  verwirklicht  hat,  in  Zeiten,  die  dem  Klassizismus  wieder  zuneigten,  maß- 
gebend gewesen  sind. 

Woher  er  seinen  Kanon  genommen  hat,  bleibt  ungeklärt.  Jedenfalls  müssen 
wir  dem  Fachmann  Vitruv  so  viel  Selbständigkeit  zutrauen,  daß  wir  Justis  Schluß  5), 
er  habe  ohne  viel  Nachdenken  von  verschiedenen  Autoren  abgeschrieben,  weil  seine 
Vorschriften  über  die  Proportionen  der  menschlichen  Gestalt  unausführbar  sind, 
nicht  etwa  auch  auf  seine  Regeln  über  die  Baukunst  anwenden. 

')  Denkschr.  Wiener  Akad.  LVII  1916,   Abb.  4.  Kapitellbildungen    seiner   Zeit    den    Grundtyp 

Vitruv  und  die  griech.  Architektur,  S.  38  f.  60  f.  aller     späteren     analogen     Gebilde     erkannte, 

')  Noack,  Philol.  LVIII  1899,   16.  19  .\nm.  1.  keiner  besonderen  Widerlegung  mehr.    P.  geht 

3)  Vitruv  VII  praef.  12.  dabei    von    der    falschen    Voraussetzung    aus, 

<)  Nach    unseren    Ausführungen    bedarf  Prestels  daß     die     Pantheon-Kapitelle     Agrippas     Bau 

Meinung   (Vitruvs  10  Bücher  über  Architektur  27  v.  Chr.  angehören. 

IV  166  Anm.  5),  daß  Vitruv  wohlbedacht  in  den       5)  Konstruierte  Figuren  und  Köpfe  Dürers  60. 

Jahrbuch  des  Archäologischen  Instituts  XXXVI.  " 


82 


Margarete  Gutschovr,   Untersuchungen  zum  korinthischen  Kapitell.  I. 


Nachtrag. 

Nach  AbschUiß  der  Drucklegung  habe  ich  zwei  Photographien  von  einem 
herabgestürzten  Kapitell  des  Olympieions  erhalten  (Abb.  7),  die  Prof.  Noack 
freundlicherweise  in  Athen  hat  anfertigen  lassen.  Durch  sie  wird  zum  ersten  Male 
dies  kraftvoll  schöne  Kapitell  in  seiner  ganzen  Frische  unmittelbar  gezeigt,  nicht 
nur  durch  die  Hand  des  Zeichners.    Wenn  auch  im  wesentlichen  Penroses  Wieder- 


Abb.  7.    Athen,   Olympieion. 


gäbe  bestätigt  wird,  so  weicht  es  doch  in  drei  Punkten  von  ihr  ab,  und  ich  muß 
meine  Tabelle  I  (oben  S.  62  —  64)   darnach  be'richtigen. 

I.  Die  Caules  sind  keine  schräg  gestellten,  gefurchten  Kelche.  Sie  sind  breit 
angelegt  und  durch  hoch  herausgearbeitete,  in  ihrem  Lauf  bewegte  Rundstäbe, 
die  sich  oben  nach  Art  jonischer  Kannelluren  vereinen,  gegliedert.  Nicht  die 
einzelnen  Hebungen  und  Senkungen  können  in  einem  überfallenden  Rand  geendet 
haben,  wie  bei  Penrose,  vielleicht  aber  der  ganze  Caulis.  Für  einen  abschließenden 
Wulstring  erscheint  die  Bruchstelle  zu  schwach. 


Margarete  GUtschow,  Untersuchungen  zum  korinthischen  Kapitell.  I.  3^ 


2.  Die  Volutenstengel  steigen  nicht  gemeinsam  neben  einander  aus  dem 
Blattkelch  auf,  sondern  die  der  Außenvoluten  überschneiden  die  der  Innern  ein 
beträchtliches  Stück. 

3.  Der  Stengel  der  Abakusblüte  ist  viel  dicker  und  wuchtiger;  möglicherweise 
ist  der  Schaft,  aus  dem  Penrose  ihn  aufsteigen  läßt,  nur  das  untere  Stengelende. 
Dann  müßte  man  statt  des  kleinen  Blattrandes  einen  verbindenden  Wachstumsknoten 
annehmen.  Aber  die  abgestoßenen  Blattspitzen  der  überfallenden  Kelchblätter 
machen  gerade  diese  Stelle  unklar. 

Berlin.  Margarete    Gütschow. 


Archäologischer  Anzeiger 


Beiblatt 

ZUM  Jahrbuch  des  Archäologischen  Instituts 

1921.  i/ii. 


EIN  SAR  APISRELIEF  IN  HILDESHEIM. 

Der  Erläuterung  einiger  bemerkenswerte- 
rer Denkmäler  des  Hildeshcimer  Pelizaeus- 
Muscums,  die  in  einem  der  folgenden  Hefte 
des  Arch.  Anz.  Platz  finden  soll,  möchte  ich 
die  Bekannt- 
gabe des  folgen  - 
denStückes  vor- 
wegnehmen, das 
einer  etwas  aus- 
führlicheren Be- 
handlung wert 
scheint,  als  in- 
nerhalb jenes 
Rahmens  mög- 
lich sein  wird. 

Es  handelt 
sich  um  das 
obere,  segment- 
artige  Bruch- 
stück von  einem 
runden      Relief 

aus  feinem 
Kalkstein   (Pel. 
Mus.  Nr.  2245; 

Abb.  i).  Dm.  etwa  19  cm,  D.  4 — 5  cm.  Der 
Rand  wird  durch  eine  doppelte  Profilleiste  ge- 
bildet. Nach  hinten  ist  das  Relief  abge- 
schrägt, die  Rückseite  ist  nicht  sehr  sorg- 
fältig geglättet. 

Dargestellt  ist  eine  Gruppe  von  drei  Gott- 
heiten. In  der  Mitte  thront  Sarapis  auf 
einem  Thron   mit   hoher   Rückenlehne    und 

Archäologischer  Anzeiger  1921. 


Abb.    1.      Sarapisrelief  in  Hildesheim. 


niedrigen  Seitenlehnen,  die  vorne  durch  eine 
Rosette  verziert  sind.  Der  Gott  trägt  die 
kanonischen  Züge  des  berühmten  Kultbildes, 
die  Linke  hoch  am  Zepter,  die  R.  beruhigend 
über  dem  Kerberos  haltend '),  auf  dem 
Haupte    den  Kalathos.      Zu   seiner   Rechten 

steht  eine  weib- 
liche Gottheit; 
rechtes  Stand- 
bein, wie  man 
trotz  der  Zer- 
störung noch  er- 
kennen kann. 
Über  dem  Chi- 
ton trägt  sie 
einen  Mantel 
umgeschlungen, 
der  auch  über 
den  Kopf  gezo- 
gen ist  und  nur 

das  Gesicht, 

rechte       Brust, 

rechten        Arm 

und  linke  Hand 

freiläßt.         Die 

Rechte  hält  eine 

Fackel  hoch  gefaßt,  die  Linke  ist  gesenkt,  die 

Hand  trägt  Mohn  und  Ähren.     Das  Gesicht 

ist  der  Mitte  zugewandt.       Auf  des    Gottes 


')  xotlifÜw  bei  Ps.-Kall.  1,3,33  evident;  Peter- 
sen, Arch.  f.  Rel.-Wiss.  XIII,  72  f.  Wilcken, 
Arch.  Jahrb.  XXXII  1917,  187.  Im  übrigen  ja 
Amelimg,  Rev.  arch.  1903  II,  177  fE.;  Ausonia  III 
1909  S.   120  ff.     Roeder  bei  Pauly-Wissowa. 


Ein  Sarapisrelief  in  Hildesheim. 


anderer  Seite  steht  eine  zweite  Göttin,  von 
der  leider  nur  der  Kopf  und  ein  Stück  des 
rechten  Oberarms  erhalten  ist.  Der  Kopf  ist 
leicht  nach  rechts  geneigt,  aber  geradeaus  ge- 
richtet. Das  Haar  ist  gescheitelt  und  im  Nak- 
ken  zu  Korkzieherlocken  gedreht.  Auf  dem 
Haupt  trägt  sie  als  Kopfputz  eine  mißratene 
Krone  zwischen  zwei  Knospen.  Von  dem 
Gewand  ist  zum  Glück  noch  gerade  so  viel 
erhalten,  daß  es  die  Benennung  der  Göttin 
sichert.  Das  Stück  auf  der  rechten  Schulter 
kann  nur  von  dem  Fransenmantel  stammen, 
dessen  eine  Ecke  hier  herübergezogen  ist, 
um  vor  der  Brust  zum  »Isisknoten«  ver- 
schlungen zu  werden ').  Also  Isis  und  De- 
meter stehen  neben  dem  thronenden  Sarapis. 

Daß  dieses  wichtige  Relief  so  stark  zer- 
stört ist,  ist  sehr  zu  bedauern.  Denn  eine 
sichere  Ergänzung  des  Ganzen  ist  nicht 
möglich,  so  wünschenswert  sie  wäre.  Immer- 
hin werden  wir  uns  noch  über  sie  unsere  Ge- 
danken machen  müssen;  denn  auf  jeden 
Fall  ist  das  Rehef  geeignet,  gewisse  Fragen 
erneut  anzuregen,  über  die  man  doch  viel- 
leicht noch  einmal  zu  einer  Einigung  gelangen 
wird.  Folgende  Bemerkungen  seien  hier  er- 
laubt, in  denen  das  Fehlen  eingehenderer 
Kontroversenbehandlung  mit  dem  Raum- 
mangel entschuldigt  werden  möge. 

In  der  bekannten  Sarapislegende  sprechen 
sich,  mag  man  einmal  zu  ihr  stehen  wie  man 
will,  doch  bestimmte  Tatsachen  unzweideutig 
aus.  Petersen  hat  sehr  richtig  darauf  ver- 
wiesen »),  daß  das  Orakelgebot  J)  bei  Tacit. 
hist.  IV  83  (T)  und  Plut.  soll.  anim.  XXXV I  2 
(Ps.)  sehr  ähnlich  lautet  und  daß  Ps.  in 
dem  Gebot,  das  Bild  Tr^;  Kopr^?  äTrojxa- 
Jaa&at  xal  xaiaXiTtsiv,  ein  durchaus  unver- 
werfliches Detail  aufbewahrt  hat,  an  dem 
zu  zweifeln  gar  kein  Grund  vorliegt.  Nach 
Ps.  heißt  es  ausdrücklich:  Sst  ouoiv  6qak\i.ä-:u)v, 
und  wenn  man  auch  an  dem  Abformen 
und  Mitnehmen  der  Kopie  (s.  u.)  des  weib- 
lichen Standbildes  Anstoß  nimmt,  daran 
kann  auch  nach  T.  kein  Zweifel  sein,  daß 


')  Heinr.  Schäfer,  Das  Gewand  der  Isis,  in 
Festschrift  zu  Lehmann-Haupts  60.  Geburtstag, 
Janus  I  1921,  194(1.     Berl.  Museen  XLII  16. 

')  a.  a.  0.  S.  54  f.  Ernst  Schmidt,  Kultübertragun- 
gen (Rel.-wiss.  Vers.  u.  Vorarb.  VIII,  2,  1909)  S.  52. 

3)  Sicher  des  delphischen,  auf  keinen  Fall  des 
delischen  Orakels,  wie  Rev.  arch.  XLI  1902,  i''- 
verrautet  wird.    E.  Schmidt,  a.a.O.  113. 


wenigstens  neben  dem  Gott  in  Sinope  eine 
weibliche  Statue  stand  (muliebrem  effigiem 
adsistere).  Das  ist  äußerst  wichtig,  denn 
auch  für  Ptolemäus'  Ratgeber  muß  dies  von 
wichtiger  Bedeutung  gewesen  sein.  Der 
königliche  Traum  und  seine  Deutung  gingen 
selbstverständlich  von  klaren,  vorher  fest- 
gelegten Bedingungen  und  Absichten  aus,  in 
denen  aber  eine  muliebris  effigies  eine  inte- 
grierende Rolle  gespielt  haben  muß. 

In  Rhakotis  nun,  wo  das  Bild  des  Gottes 
später  stand  —  das  ist  wenigstens  sicher  — , 
war  nach  T.  cap.  84  sacellum  Serapidi  an- 
tiquitus  sacratum  gewesen.  Zur  Erklärung 
des  »antiquitus«  ist  aber  offenbar  die  Stelle 
Ps.-Kallisth.  I  33,  4  heranzuziehen,  nach  der 
Sesonchosis  dies  dem  Sarapis  geweiht  ha- 
ben soll ').  Und  in  diesem  somit  »antiquitus« 
geweihten  Tempel  war  das  Soavov  des  Sa- 
rapis xal  Ttapsian^xsi  Ttp  Joav(|)  Kopvj?  a-(a.'k\xa 
\i.i-{{.azov.  Von  dem  in  dieser  Form  festge- 
legten Tatbestand  —  sei  er  nun  Fiktion  oder 
nicht  —  ging  demnach  die  Sarapiskommis- 
sion aus.  Sesonchosis- Sesostris  —  Steine  sind 
geduldig,  und  welcher  Grieche  verstand 
Hieroglyphen.?  — ,  der  'sagenhafte  Welter- 
oberer, hatte  laut  Obeliskeninschrift  dem 
Weltenlenker  das  Heiligtum  geweiht,  der 
neue  Welteroberer  erneuerte  nun  dies  Hei- 
ligtum dem  Gotte,  der  seinerseits  auch  die 
Welt  erobern  sollte  —  eine  wohl  ver- 
ständliche und  epigrammatischer  Schärfe 
nicht  entbehrende  Wendung. 

Alexander  d.  Gr.  hat  also  dem  Sarapis 
nach  Ps.-Kall.  bereits  ein  Heiligtum  geweiht. 
Natürlich  wird  man  diese  Nachricht  mit 
größter  Vorsicht  aufnehmen,  aber  anderer- 
seits doch  auch  prüfen  müssen,  ob  sich  sonst 
ein  Anhalt  bietet,  ihr  irgendwie  Glauben 
schenken  2u  können.  Von  unbezweifelbarer 
Realität  nun  sind  wenigstens  die  Obelisken. 
Ps.-Kall.  erwähnt  sie  mit  dem  Zusatz  tous 
[li'/jii-  toü  vüv  xsi[i,svous  £v  T(p  2apait£i({)  sjw  toü 
TtepißoXou  Tou  vuv  xstfisvou  (=  Val.  quod 
aetas  iunior  laboravit)  ').  Sie  waren  also 
auch     später    im    Serapeum    zu     sehen  3), 

•)  Dem  Zusammenhang  nach  muß  man  die  In- 
schrift auch  auf  das  ganze  Heiligtum  beziehen. 

»)  Atsfeld,  Rh.  M.  L,V  1900,  356,  Anm.  4.  An 
Dittographie  ist  wohl  nicht  zu  dtnken. 

3)  Auch  von  Aphthonius  erwähnt.  Botti,  Fouilles 
^  la  colonne  Th^odosienne  (Alexandria  1897)  41. 
Ausfcld,  Rh.  M.  LV,  383. 


5 


Ein  Saiapisrelief  in  Hildesheim. 


aber  außerhalb  des  Peribolos.  Sollte  darin 
nicht  ein  wertvoller  Hinweis  liegen?  Der 
Peribolos  umschließt  doch  wohl  das  eigent- 
liche, große  Serapeum.  Wenn  außerhalb 
dieses  Peribolos  ein  Serapeum  genannt  wird, 
so  kann  dies  nur  so  zu  verstehen  sein,  daß 
es  eben  zwei  Serapeen  nebeneinander  gab, 
ein  älteres  und  ein  jüngeres.  Dieses  jüngere 
kann  nur  das  mit  dem  berühmten  Kultbild 
gewesen  sein,  jenes  ältere  müßte  dann  jenes 
»Sarapion  Parmenionis«  gewesen  sein,  von 
dem  Ps.-Kall.  (A)  I  33  am  Schluß  (=  Raabe 
1 94  und  Val.  I  32)  berichtet.  Der  unterschei- 
dende Zusatz  Parmenionis  istwohl  am  besten 
so  als  Gegensatz  zu  einem  anderen,  benach- 
barten Serapeum  zu  erklären.  Dieser  Sach- 
verhalt ist  auch  schon  von  Otto,  Priester 
und  Tempel  I,  15  angedeutet  und  läßt  sich 
ungezwungenmitBottisBericht(s.o.Sp.4A.3) 
S.  112  ff.  vereinen,  der  S.  114  aus  den  Graffiti 
des  »westlichen  Souterrains«  eine  Weihung 
an  Sarapis  und  die  ouvvaot  Oeoi'  wieder- 
gibt. Ferner  würden  sich  auf  diese  Weise 
die  bekannten,  vor  dem  großen  Serapeum- 
bau  datierten  Erwähnungen  des  Sarapis  vor- 
trefflich erklären  »).  Und  man  sollte  nicht 
immer  wieder  um  die  Tatsache  herumgehen 
wollen,  daß  überhaupt  Sarapis  schon  zur 
Zeit  Alexanders  bekannt  war.  Der  Serapion 
in  Alexanders  Umgebung  ist  nicht  fortzu- 
diskutieren  ').  Nur  weil  die  Griechen  Sarapis 
kannten  und  Alexanders  Umgebung  bereits 
für  diesen  Gott  besonders  interessiert  war, 
nannten  sie  nach  ihrer  Weise  die  ähnliche 
Gottheit  in  Babylon  auch  »Sarapis«.  Ein 
echter  Sarapis  hat  schwerlich  in  Babylon  je 
existiert  3);  sein  Name  war  aber  den  Grie- 
chen geläufig,  bei  den  so  außerordentlich 
regen  Beziehungen  zu  Ägypten  im  ganzen 
4.  Jahrhundert  ganz  natürlich  4). 

Wir  werden  uns  die  Verhältnisse  in  Alexan- 
dria ähnlich  zu  denken  haben  wie  in  Memphis 
(s.  Otto  a.  a.  0.  I,  15).  Von  welchem  ägypti- 


')  Dittenberger,  0.  Gr.  Inscr.  16.  Sethe,  Sarapis 
(Abh.  d.  Gott.  G.  d.  Wiss.  XIV  1913)  2.  E.  Schmidt, 
a.  a.  0.  63. 

»)  Sarapis  b.  Röscher  353,  46  ff. 

3)  Anders  E.  Schmidt,  a.a.O.  76  und  schon 
Plew,  De  Sarapide,  Diss.  Regim.  1868,  8. 

4)  Ottos  Vermutung,  Priester  und  Tempel  II 
215,  I,  daß  der  ähnliche  Klang  eines  vielleicht  grie- 
chischen Gottes  bei  der  Rezeption  mitgewirkt  hat, 
ist  durchaus  im  Auge  zu  behalten. 


sehen  König  in  Rhakotis  ein  Heiligtum  des 
Oserapis  ')  gegründet  sein  mag,  wissen  wir 
vorläufig  nicht;  aber  daß  eines  bestand, 
scheint  nach  Bottis  allerdings  nicht  sehr 
klarem  Bericht  doch  wohl  sicher  zu  sein»). 
Und  wenn  sich  zeigen  sollte,  daß  Alexander 
d.  Gr.  selbst  schon  dies  alte  IloaEpäiti  3)  — 
vielleicht  deponierte  auch  hier  schon  Arte- 
misia  ihre  Verwünschung,  vgl.  die  nuvvaoi 
ösoi  bei  Botti  S.  114,  wenn  auch  aus  später 
Zeit  —  mit  einer  Weihung  bedacht,  ja  da- 
neben ein  griechisches  Serapeum  gebaut 
hätte,  so  würde  dies  durchaus  nicht  zu  über- 
raschen brauchen,  sowohl  nach  Alexanders 
Verhalten  im  übrigen  Ägypten  als  auch  in 
der  übrigen  Welt.  Und  wie  soll  man  sich 
dann  zu  der  späteren  Einführungslegende  des 
Gottes  stellen.''  Nicht  anders  wie  zu  der  des 
Äskulap  in  Rom,  der  auch  vor  der  unter 
ähnlichen  Zügen  berichteten  Überführung  aus 
Epidaurus  schon  längst  in  Rom  bekannt 
war,  aber  jetzt  seinen  neuen  Tempel  auf  der 
Tiberinsel  bekam  4).  Dem  neuen  Tempel 
eine  Bedeutung  zu  verschaffen,  die  dem  alten 
Tempel  das  Alter  und  die  Tradition  sicherte, 
mußte  zu  besonderem  Mittel  gegriffen  wer- 
den. Eine  Epiphanie  konnte  helfen.  So 
bezeugt  geradezu  die  Sinopelegende,  wie  an- 
dere ähnliche,  das  Bestehen  schon  eines  älte- 
ren Kultes  desselben  Gottes,  der  jetzt  seine 
hohe  politische  Mission  zu  beginnen  hat  5) 
und  dem  zu  mächtigerer  Wirkungsmöglich- 
keit der  neue  Tempel  in  aller  Pracht  her- 
gerichtet wird. 

Dabei  sollte  und  durfte  aber  auf  keinen 
Fall  das  Band  mit  dem  Alten  verlorengehen. 
Schon  Petersen  a.  a.  0.  58  hat  richtig  ge- 
sehen, daß  das  alte  Heiligtum,  also  das 
floaspctm,  das  verbindende  Glied  zwischen 
ägyptischer  Religion  und  dem  neueingeführ- 
ten Gott  bilden  sollte.  Damit  kam  aber  vor 
allem  auch  dem  alten  Bild  darin  eine  solche 
Bedeutung  zu,  wie  schon  oben  bemerkt 
wurde.  T.  und  Ps.  bestätigen  somit  die  Nach- 
richt des   Ps.-Kall.,   die  wir  uns  nach  den 

')  Die  Auseinandersetzungen  von  Sethe,  Sarapis, 
über  den  Namen  haben  für  mich  durchaus  über- 
zeugende  Kraft. 

')  Schreiber,  Bikinis  AI.  d.  Gr.  252. 

3)  Sethe,  Sarapis,  5;  Baß,  Philol.  XLI,  748. 

4)  E.   Schmidt,   a.  a.  0.  45  f. 

5)  Vgl.  entspr.  für  Magna  Mater  E.  Schmidt 
a.  a.  0.  27. 


Ein  Sarapisrelief  in  Hildesheim, 


sonstigen  Funden  ägyptischer  Skulpturen 
beim  Serapeum  (Botti  a.a.O.  113  und  123) 
deuten  müssen') .  Auch  Wilcken  zweifelt  nicht, 
daß  von  Anfang  an  Isis  mit  Serapis  verbun- 
den gewesen  sei  =). 

War  aber  mit  der  ägyptischen  Gestalt  der 
Isis  für  den  angestrebten  Zweck  einer  Re- 
ligioiisverbrüderung  bei  den  Griechen  etwas 
zu  erreichen.'  Osiris  mußte  in  diesem  Heilig- 
tum seine  alte  Gestalt  aufgeben,  und  auch 
Isis  war  den  Griechen  leicht  zugänglich  zu 
machen,  wenn  man  sie  ihnen  mit  ihrem 
griechischen  Namen  nannte.  Der  Ägypter 
andererseits  brauchte  seine  Isis,  er  sollte  aber 
bei  seinem  Gebet  an  dieser  Stelle  auch  zu- 
gleich langsam  dem  griechischen  Empfinden 
gewonnen  werden.  Also  war  hier  auch  eine 
richtige  »Isis«  vonnötcn,  die  der  Ägypter  als 
solche  sofort  erkannte,  die  aber  doch  auch 
so  weit  griechischer  Form  angenähert  sein 
mußte,  daß  die  formale  und  gedankliche 
innereDurchdringung  und  Einheit  der  Gruppe 
nicht  gestört  wurde.  Das  führte  geradcswcgs 
zu  dem  Ausweg,  der  griechischen  Göttin 
gleichsam  eine  ägyptische  Übersetzung  ge- 
genüberzustellen und  andererseits  für  die 
ägyptische  Göttin  ebenfalls  die  Übertragung 
ins  Griechische  beizufügen  —  eine  bilingue 
Kultgruppc.  Ist  doch  auch  der  Kerberos 
eine  solche  Bilingue,  dem  Griechen  eben  der 
Kerberos,  zugleich  dem  Ägypter  verständ- 
lich durch  Löwe,  Wolf  und  Hund  als  Tiere 
des  Osiris,  Upuaut  und  Anubis.  Wenn 
Wilcken  aus  dieser  richtigen  Feststellung  3) 
nun  weiter  folgerte,  daß  der  Kerbei-os  eben 
in  Alexandria  gearbeitet  sein  müsse  und  da- 
mit auch  das  Bild  des  Gottes  selbst,  so 
scheint  uns  ein  solcher  Schluß  nicht  nötig. 
Lediglich  der  Kerberos  ist  das  alexandrini- 
sche  Siegel  zu  dem  sonst  durchaus  keine 
ägyptisierenden  Züge  verarbeitenden,  son- 
dern ganz  rein  griechischen  Sitzbild  selbst; 
dies  Siegel  kann  in  der  Tat  nur  in  Ägypten 
geformt  sein,  es  dem  Kultbild  zuzufügen, 
bot  keinerlei  Schwierigkeit.  Zu  einer  Ab- 
leitung des  »Kerberos«  aus  Memphis  scheint 
ein  dringender  Grund  trotz  Wilckens  öfter 
genanntem  und  außerordentlich  förderlichem 
Aufsatz  im  Arch.  Jahrb.  XXXII  nicht  vor- 

')  Vgl.  Bull,  d'arch.  or.  8  (1907)  63  ff. 
»)  Arch.  Jahrb.  XXXII  1917,  194,  2. 
3)  a.  a.  0.  188  f. 


zuliegen.  Denn  diese  Zusammenstellung  aus 
Löwe,  Wolf  und  Hund  kann  unmöglich  zum 
erstenmal  in  dieser  Serapeumgruppe  von 
Memphis  (a.  a.  0.  191  f.)  vorgenommen  wor- 
den sein.  Dieser  Löwenkerberos  konnte  nur 
in  die  Gruppe  aufgenommen  werden,  wenn 
seine  Form  schon  feststand,  nicht  aus  sym- 
metrischer Spielerei.  In  Alexandria  war 
diese  eigenartige  Form  aus  den  oben  dar- 
gelegten Erwägungen  eine  zwingende  Not- 
wendigkeit und  klüglich  von  der  hohen  Kom- 
mission ersonnen.  Die  memphitische  Gruppe 
ist  eine  spielerische  Weiterbildung  des  durch- 
aus ernsten,  alexandrinischen  Bildes.  Und 
nur  dieser  alexandrinische  Kerberos  hat  auch 
in  der  Tradition  der  großen  und  kleinen 
Kunst  gewirkt.  Umgekehrt  ist  die  Mariette 
sehe  dionysische  Gruppe,  die  wieder  in  die 
Diskussion  gebracht  zu  haben  höchst  not- 
wendig und  dankenswert  war,  am  besten 
zu  verstehen  aus  den  Gedankenkreisen  her- 
aus, die  ja  bei  dem  Traum  usw.  wirksam 
waren  ').  Wie  vielmehr  Wilcken  a.  a.  O.  173 
als  wahrscheinlich  annimmt,  daßdieExedra- 
gruppe  einer  solchen  in  Alexandria  nach- 
gebildet sei,  wird  man  auch  die  dionysische 
Gruppe  eher  als  eine  Nachbildung  einer  im 
alexandrinischen  Serapeum  aufgestellten 
Gruppe  ansehen  dürfen. 

Wenn  Wilcken  a.a.O.  188  auch  für  die 
Sinopelegende  den  weiteren  Schluß  zieht, 
daß  sie  lediglich  späte  Fabel  sei '),  so  muß 
doch  die  zu  wenig  beachtete,  schlagende 
Parallele  bei  Libanius,  or.  XI,  III  (Foerster) 
dem  entgegengehalten  werden.  Wie  die 
Gründungsgeschichte  Antiochias  der  Alexan- 
drias nachgebildet  worden  ist'),   so  finden 

')  Petersen  a.  a.  0.  50  nennt  den  in  T.  zuerst 
erscheinenden  jugendlichen  Gott  richtig  Dionysos. 

')  So  auch  E.  Schmidt  a.  a.  0.  109;  A.  Die- 
terich a.  ebda.  a.  0. 

3)  Ausfeld,  Rh.  M.  LV  1900,  381.  Reitzenstein, 
Gott.  gel.  Nachr.  1904,  320.  Ausfelds  Behandlung 
von  Ps.-Kall.  I  31 — 33,  a.  a.  0.  348  ff.,  357  ff.  bedarf 
einer  Ergänzung.  Man  beachte,  wie  ähnlich  der  Zu- 
sammenhang bei  Flut.  AI.  26  ist :  Wunsch  der  Stadt- 
gründung —  Absteckung  -pmixT^  tiüv  äpyiT£XT({v<uv 
—  Traum  mit  Hinweis  auf  Pharos  • —  als  Folge 
ixO.fji^t  5iaypa''}ai  tö  a/jilt-o^  tfj;  tM.iuh  tu  T(5rtji 
S'JvapfxijTTOvToit  —  Vogelwunder.  Vgl.  Ps.-Kall.  I 
(Zählung  der  Kürze  halber  nach  Raabe  iSTopfa 
'AXc;av8pou  Lpz.  1896)  n  und  za'  Absteckung  nach 
Rat  der  Architekten  — 1:5'  Auffindung  von  Pharos  — 
T.t'  xeXclei  ouv  'A.  ytupoYpatprjSai  tö  7:£p([ieTpov  ttjJ 
■lt(iktmi    —    Vogelwunder.      Demnach    scheint    sich 


Ein  Sarapisielief  in  Hildesheim. 


10 


wir  in  der  Geschichte  der  Überführung  der 
kyprischen  Götter  —  auch  hier  sind  es  meh- 
rere! —  die  erste  Nachbildung  der  so  oft 
nachgeformten  Übertragungslegende  des  Sa- 
rapis'), die  kaum  jungen  Datums  sein  wird. 

Kehren  wir  nun  zu  unserem  Hildesheimer 
Relief  zurück,  so  ist  zunächst  noch  einmal 
zu  betonen,  daß  wir  aus  ihm  nicht  den  Be- 
weis erpressen  wollen,  daß  im  Scrapeum 
eine  entsprechende  Gruppe  gestanden  hat. 
Aber  andere  Erwägungen  führten  von  selbst 
zu  einer  Lösung,  wie  wir  sie  auf  dem  Relief 
wirklich  getroffen  finden,  so  daß  man  auf 
jeden  Fall  die  Möglichkeit  einer  solchen 
Gruppe  im  Auge  behalten  muß.  Und  dies 
um  so  mehr,  da  ja  wenigstens  für  einen 
anderen  Sarapistempel  in  Alexandria  eine 
ähnliche  Gruppe  —  Sarapis,  Isis,  Horus  — 
erschlossen  worden  ist ')  und  selbst  Weber?) 
die  bekannte  Münzgruppe  möglicherweise  als 
Bild  einer  wirklichen  Gruppe,  wenn  auch 
nicht  im  Haupttempel,  gelten  lassen  will. 
Begegnet  aber  Sarapis  überhaupt  in  Grup- 
pen, so  ist  eine  Gruppe  im  Haupttcmpcl 
auch  von  dieser  Seite  aus  keine  Unmöglich- 
keit mehr. 

Und  schließlich  drängt  sich  jetzt  die 
Frage  auf,  wie  denn  unser  Relief  zu  er- 
gänzen  sein   möge.      Das   erhaltene    Stück 

das  Amonsorakel  betr.  Alexandria  an  die  Stelle 
des  Traummotivs  geschoben  (vgl.  Beschreibung 
Homers  bei  Plut.  und  Amons  in  oj')  und  die  ältere 
Fassung  überwuchert  zu  haben.  Das  ließ  sich  nur 
durchführen  bei  Benutzung  der  Aristobulosversion 
(Arrian  anab.  III  4,  5),  nach  der'  vom  Amonium 
aus  der  Weg  nach  Memphis  wieder  über  .\lexandria 
führte,  wobei  dann  die  Einwirkung  des  Orakels  auf 
den  weiteren  Bau  der  Stadt  möglich  wurde.  Daher 
rS'  7:apayEvo[j.Evo;  vri  'A.  .  .  .  eupe  to'j;  roTauiu; 
xal  xä;  8t(!)pu}(a;  .  .  luvelxioua?.  Das  schließt  an  das 
Orakel  in  oC  direkt  an;  denn  jetzt  wird  die  Insel  ge- 
funden usw.,  wie  nach  dem  Traum  bei  Plut.  Das 
Orakel  sollte  aber  nach  der  Tendenz  des  Romans 
zum  Hauptmotiv  werden,  wurde  also  an  die  Spitze 
gestellt.  Die  ersten  Vorbereitungen  auf  dem  neuen 
Stadtboden  Tt'  ff.  und  die  Beschreibung  des  Gelän- 
des 0%'  durften  trotzdem  nicht  unerwähnt  bleiben 
und  wurden  daher  nach  älterer  Fassung  (wie  Plut.) 
beibehalten.  Daher  das  doppelte  Trapay^veTai  irX 
TO'jTOu  TOÜ  ^Sct'fO'j;  in  oC  und  -apayevdfievo;  .  . 
tli  TCiÜTO  To  loatpoc  in  1:0' ! 

')  s.  E.  Schmidt  a.  a.  O.  115,  wo  dies  schärfer 
betont  werden  konnte.  Über  das  äro(jiä;a3i)ai  hoffe 
ich  bald   weiteres  mitteilen  zu  können. 

')  Weber,  Drei  Untersuchungen  (191 1)  14  f.; 
äg.-gr.  Tcrrak.  (Berlin  1914)  28  f.  mit  .\nm.  24. 

3)  Weber,     Drei    Untersuchungen    7,    Anm.    14. 


stellt  ja  wenig  mehr  als  ein  Viertel  des  ur- 
sprünglicHen  Rundbildes  dar,  und  ergänzt 
man  die  Figuren  der  Göttinnen  bis  zur 
selben  Standfläche,  die  durch  den  sicher  zu 
ergänzenden  Fußschemel  vor  dem  Thron  des 
Gottes  gegeben  ist,  so  bleibt  in  dem  Rund 
unten  noch  ein  Stück  frei,  etwa  ein  Viertel 
der  Höhe  des  Ganzen.  Die  Gruppe  selbst 
ist  im  wesentlichen  ja  bereits  in  dieser  Form 
aus  Münzen  bekannt  ').  Es  ist  nun  außer- 
ordentlich verführerisch,  unser  Rundbild 
auch  im  übrigen  so  weiter  zu  ergänzen,  wie 
es  das  Rundbild  der  Münzen  Dattari  a.  a.  0. 
XXni,  28592)  zeigt,  nämlich  auch  unsere 
Gruppe  auf  einem  Schiff  stehend  zu  denken. 
Der  Versuch  ist  nach  Maßgabe  der  Münze 
zeichnerisch  leicht  und  befriedigend  zu 
machen.  Eine  Sicherheit  läßt  sich  für 
diese  Lösung  natürlich  nicht  erzielen,  aber 
unwahrscheinlich  wenigstens  ist  sie  nicht. 
Und  so  sei  denn  zum  Schluß  wenigstens 
die  Möglichkeit  erwogen,  die  sich  aus  einer 
solchen  Annahme  ergäbe,  wenn  neben  die 
Münzen  ein  so  entsprechendes  Denkmal  aus 
einer  anderen  Monumentenklasse  träte. 

Das  Schiff  nur  als  eine  Andeutung  der 
Seefahrt  des  Bildes  zu  erklären,  liegt  an 
sich  keine  Nötigung  vor,  wenn  ich  auch 
nicht  verkenne,  daß  sich  diese  Erklärung 
aus  anderen  Fällen  stützen  läßt.  An  sich 
kann  das  Schiff  in  unserm  Fall  vom  Münz- 
bildner frei  hinzugefügt  sein,  kann  das  ganze 
Münzbild  ein  Relief  oder  eine  malerische 
Komposition  wiedergeben,  kann  es  aber  auch 
durchaus  ebenso  einer  wirklichen  Gruppe 
nachgebildet  sein,  d.  h.  es  kann  tatsächlich 
auch  die  Gruppe  wirklich  auf  einem  Schiff 
als  Basis  gestanden  haben.  Das  wäre  sowohl 
hellenistisch  denkbar,  als  auch  besonders 
in  Ägypten.  Weber  hat  mit  allem  Recht 
hellenistische  Kultgruppen  auf  Schiffen,  die 
als  Basis  dienen,  erschlossen  3).  Das  wäre 
in  der  Tat  die  letzte  und  feinste,  sich  z.  T. 
allerdings  von  selbst  ergebende  Pointe  in 
den  Berechnungen  des  Timotheos  und  Ma- 

»)  Dattari,  Numi  aug.  alex.  .\.  XXIII  2859; 
XXX  II 52,  II 54;  nom.  c.  H  2,  3. 

»)  Dazu  Catal.  Br.  M.  Coins  Alexandria  886 
(Hadrian),  1207  (Anton.  Pius).  Schönes  Exemplar 
wie  1207  in  Berlin. 

3)  Äg.-gr.  Terrak.  62,  64  f.  zu  nr.  48;  256  mit 
Abb.  127.  Vgl.  De  Riddcr-de  Clercq  VII  Taf.  13 
no.  2355. 


II 


Zur  Wiener  Dusirisvase. 


12 


netho  gewesen,  die  Serapeumsgruppe  so  auf 
ein  Schiff  zu  setzen.  Für  den  Ägypter 
durfte  die  Barke  im  Allerheiligsten  nicht 
fehlen,  und  wie  konnte  man  dem  Griechen 
das  Schiff  im  Tempel  verständlicher  machen 
und  zugleich  uneiitbehrlicher,  als  daß  man 
eben  den  Gott  auf  ihm  ins  Land  kommen 
ließ.  Es  wäre  jedenfalls  die  stärkste  Klam- 
mer, mit  der  die  Gruppe  zu  einer  Einheit 
zusammengefaßt  werden  konnte  •). 

Albert  Ippel. 


ZUR  WIENER  BUSIRISVASE. 

Der  Meister,   der  die  unter  dem  Namen 
»Busirisvase«  bekannte   Caeretäner   Hydria 


maierei»  III,  Abb.  8o)  bemalt  hat,  kennt 
Ägypten  aus  eigener  Anschauung.  Die  wohl- 
getroflfenen  Physiognomien  der  Ägypter  und 
die  Tracht  beweisen  es.  Noch  nicht  be- 
obachtet ist  es  aber,  daß  er  auch  im  Motiv 
seiner  Hauptgruppe  ägyptische  Bilder  be- 
nutzt und  zwar  in  höchst  origineller  Weise. 

Unter  den  großen  Reliefs  außen  am 
Amontempel  zu  Karnak,  die  Sethos  I.  als 
Sieger  über  die  Asiaten  verherrlichen,  findet 
sich  eine  Darstellung  des  Pharao,  wie  er  nach 
der  Schlacht  den  wartenden  Streitwagen  be- 
steigt, gefolgt  von  einer  Schar  gefesselter 
Feinde.  Dabei  trägt  er  in  jedem  Arm  je 
ein  Paar  von  diesen  davon  (Abb.  i)  »). 

Daß  es  sich  bei  diesem  Bilde  um  einen 
fest    geprägten    und    mehrfach    wiederhol - 


Abb.   I.     Relief  am  Amontempel  zu.  Kamak. 


des  österreichischen  Museums  für  Kunst  und 
Industrie  (Nr.  217  Masner;  Furtwängler- 
Reichhold  Taf.  51;   Buschor,  Griech.  Vasen- 


■)  ZuAmelungs  Auslegung  von  Rufins  perstrin- 
geret  s.  Petersen  a.  a.  0.  74. 


ten  Typus  handelt,    lehrt  das  Bruchstück 
eines  kleinen  Reliefs  im   Berliner  Museum 


")  Hier  wiedergegeben  nach  der  Aufnahme  der 
deutschen  Fremdvölkerexpedition  Nr.  210  mit  freund- 
licher Erlaubnis    von   Herrn  Geh.-Rat  Ed.   Meyer. 


13 


Zur  Wiener  Busirisvase. 


M 


(Abb.  2) »).  Es  ist  die  Skizze'  zu  einem 
Tempelrelief  und  wahrscheinlich  nicht,  wie 
das  »Ausführliche  Verzeichnis«  angibt,  in  die 
Zeit  der  18.  Dynastie  zu  datieren,  sondern 
später,  wie  mich  Herr  Prof.  Möller  vor 
allem  unter  Hinweis  auf  die  Formen  des 
Wagens  freundlich  belehrt. 

Dieser  Sachverhalt  fordert  die  Annahme, 
daß  der  griechische  Vasenmaler  in  Ägypten 
ein  solches  Bild 

—  vielleicht 
auch  mehrere — 
gesehen  hat. 
Macht  man  sich 
klar,  daß  nicht 
nur  fast  alles 
verloren  ist, 
was    unter   der 

18.  Dynastie 
an     derartigen 
Darstellungen 

geschaffen 
wurde »),  son- 
dern daß  wir 
auch  von  dem 
ganzen  Reich- 
tum       solcher 

Monumente, 
der    einst     im 
Delta  vor- 

handen war,  so  gut  wie  gar  nichts  kennen, 
so  fällt  alles  Wunderbare  von  dieser  Tat- 
sache ohne  weiteres  ab. 

Nun  bekommt  das  Vasenbild  aber  inhalt- 
lich erst  seine  richtige,  von  seinem  Schöpfer 
gewollte  Pointe.  Das  Burleske  des  Vor- 
gangs kommt  im   Kontrast    zu   dem   feier- 


Abb.  2.     Relief  in   Berli 


Im  Stich  geben  die  Gruppe:  Rosellini,  Monumenti 
Storici  I,  47  und  Cliampollion,  Monuments  III,  291. 
—  Nach  Photographien,  aber  sehr  klein,  im  Zu- 
sammenhang mit  den  benachbarten  Bildern:  Stein- 
dorfE,  Blütezeitdes  Pharaonenreiches  S.  164,  Abb.140; 
Masp^ro,  Histoire  Ancienne  des  Peuples  de  l'Orient 
Classique  IL     S.  373. 

')  Nr.  3425,  Ausführliches  Verzeichnis  S.  205.  ■ — 
Photographie  in  den  Ȁgypt.  u.  Vorderasiat.  Alter- 
tümern des  Berliner  Museums«,  Taf.  107.  —  Abb.  3 
nach  einer  Aufnahme,  die  ich  der  Verwaltung  des 
Museums  verdanke. 

')  Breasted-Ranke,  Geschichte  Ägyptens   S.  327. 


liehen  Vorbilde  erst  voll  zur  Geltung.  Der 
Spieß  ist  hier  umgekehrt,  und  wie  es  dort 
der  Ägypterkönig  mit  den  Fremden  macht, 
so  macht  es  hier  der  griechische  Held  mit 
den  Ägyptern.  Natürlich  geht  die 
Anlehnung  nicht  über  die  allgemeinen 
Hauptzüge  des  Motivs  hinaus.  Beide 
Bilder  zeigen  eine  große,  weit  ausschreiten- 
de   Figur    mit   je    zwei    kleinen    in   jedem 

Arm.  Damit 
ist  das  Gemein- 
sameimwesent- 

lichen  er- 
schöpft.    Geht 
man    ins    Ein- 
zelne,  so  sieht 
man,    daß    aus 

der    etwas 
steifen      Feier- 
lichkeit der 
Haupt-  und 
Staatsaktion 
auf    der    ägyp- 
tischen      Dar- 
stellungein leb- 
haft    bewegtes 
und   spontanes 
Kräftespiel    in 

dem  grie- 
chischen Bilde 
geworden  ist.  Man  erkennt  nun  auch, 
welche  ganz  bestimmte  Absicht  den  Vasen- 
maler veranlaßt  hat,  hier  das  Gesetz  der 
Isokephalie  zu  durchbrechen.  Für  den 
griechischen  Beschauer  muß  darin  eine  sehr 
kräftige  Anregung  gelegen  haben,  sich  die 
ägyptischen  Vorbilder  wieder  zu  vergegen- 
wärtigen. 

Die  Busirisvase  ist  also  ein  besonders 
schönes  und  charakteristisches  Beispiel  für 
das  Verhältnis  des  archaischen  griechischen 
Künstlers  zu  seinen  orientalischen  Vorbil- 
dern. Wo  man  einmal,  wie  hier,  ein  solches 
Abhängigkeitsverhältnis  nach  Art  und  Grad 
genau  bestimmen  kann,  tritt  die  Originalität 
des  Griechen  um  so  klarer  und  überraschen- 
der in  die  Erscheinung. 


Berlin. 


Friedrich  Matz. 


15 


Die  Sammlung  der  GipsabgQsse  in  der  Universität  Berlin. 


i6 


Abb.    1.     Saal  A. 


DIE  SAMMLUNG  DER  GIPSABGÜSSE 
NACH  WERKEN  GRIECHISCHERUND 
RÖMISCHER  SKULPTUR  IN  DER  UNI- 
VERSITÄT BERLIN. 

Der  alten  Kunst  ist  ein  neues  Haus  gebaut. 
Der  während  des  Krieges  vollendete  West- 
flügel des  Universitätsgebäudes  ist  in  seinen 
wesentlichen  Teilen  der  klassischen  Alter- 
tumskunde, die  ganze,  einschließlich  des 
Zwickelbaues  150  m  lange  Flucht  seines 
obersten  Saalgeschosses  der  großen,  altbe- 
rühmten  Abgußsammlung  der  Berliner  Mu- 
seen (s.  Friederichs- Wolters  1885)  überwiesen 
worden.  Dem  Wunsche  Georg  Loeschckes, 
für  seine  hiesige  Tätigkeit  diese  unschätzbare 
Lehrsammlung  mit  dem  archäologischen  Se- 
minar aufs  engste  zu  verbinden,  ist  der  Ge- 
danke Theodor  Wiegands,  sie  in  einem  Neu- 
bau unmittelbar  an  die  Universität  anzu 
schließen,  glücklich  entgegengekommen.  Die 
Voraussetzung  war  —  und  ihr  konnte  in 
vollem  Maße  entsprochen  werden  — ,  daß 
auch  dann  die  Sammlung  dem  öffentlichen 
Besuche  zugänglich  bleiben  müsse.  Sie  ist, 
auch  dies  dank  dem  Entgegenkommen  der 
Behörden,  jetzt  jeden  .Sonntag,  Montag  und 


Donnerstag  dem  Publikum  geöffnet  und 
wird  neben  ihrer  Hauptbestimmung,  wissen- 
schaftlicher Arbeit  und  dem  akademischen 
Unterricht  zu  dienen,  auch  für  Führungen 
der  Schulen  und  für  private  Kurse  regel- 
mäßig benutzt. 

I. 

Ihre  Auslösung  aus  dem  altgewohnten 
Verbände  der  staatlichen  Originalsammlun- 
gen auf  der  Museumsinsel  wird  dadurch  aus- 
geglichen, daß  sie,  von  jenen  aus  auch  jetzt 
in  wenigen  Minuten  erreichbar,  aus  einer  zu- 
letzt fast  erdrückenden  Raumnot  befreit, 
in  der  neuen  .\ufstellung  in  übersichtlicher 
Weise  die  Entwicklung  und  Entfaltung  der 
antiken  griechischen  und  römischen  Plastik 
vorführen  kann.  Von  dem  großzügig  noch 
vor  dem  Kriege  begonnenen  Unternehmen 
konnte  Loeschcke  freilich  nur  noch  die  Er- 
stellung der  neuen  Säle  im  ersten  Rohbau 
erleben.  Er  starb  mitten  in  lebendigsten 
Erwägungen  über  die  Art  der  Inneneinrich- 
tung und  Verteilung  der  Abgüsse  im  Dezem- 
ber 1915.  Erst  im  Frühjahr  1916  wurde  die 
noch  kaum  begonnene  Überführung  aus  dem 
Neuen  Museum  durchgeführt,  und  es  mußte 


'7 


Die  Sammlung  der  Gi|>sabgässe  in  der  Universität  Berlin. 


nun  an  diejenige  Arbeit  herangetreten  wer- 
den, die  neben  der  von  Herrn  Regierungs- 
baumeister Seidel  mit  Umsicht  und  Energie 
geleiteten  Fortführung  des  inneren  Aus- 
baues ■)  sich  als  die  wichtigste  Voraussetzung 
der  Neuaufstellung  ergeben  hatte,  an  die 
Reinigung  und  Herrichtung  der  Abgüsse 
selbst. 

Nach  Versuchen  verschiedenster  Art,  die 
mit  der  bereitwilligen  Unterstützung  von 
Herrn-  Professor  Rathgen,  des  Vorstandes 
des  Chemisch-technischen  Laboratoriums  der 
Museen,  ausgeführt  waren,  wurde  beschlos- 
sen, ein  in  anderen  Gebieten  erprobtes  Far- 
benzerstäubungsverfahren =)  anzuwenden. 
Denn  ausgeschlossen  war  eine  Aufstellung 
der  Abgüsse  im  bisherigen  Zustande,  da  ihre 
zum  großen  Teil  schon  seit  Generationen  ge- 
steigerte Verstaubung  mit  mechanischen  Mit- 
teln und  ohne  die  Oberfläche  mehr  oder  we- 
niger zu  verletzen,  nicht  mehr  zu  entfernen 
war.  Auch  ließ  sich  bc"i  der  gewaltigen  Zahl 
von  rund  zweieinhalbtausend  Nummern  nur 
auf  dem  erwählten  Wege  zum  Ziele  kommen. 

Es  bedurfte  einer  kleinen  Fabrikanlage  mit 
Luftkompressor  und  Motoren,  die  im  Erd- 
geschoß des  neuen  Westflügels  eingebaut 
wurde  3)  und  die  gleichzeitige  Behandlung 
von  immer  drei  Abgüssen  erlaubte  (Rathgen 
a.  a.  O.,  Abb.  2).  So  konnte  vom  September 
1916  ab  die  Aufgabe  mit  vorgebildetem  Per- 
sonal in  anderthalb  Jahren  bewältigt  werden. 

Die  Arbeit  vollzog  sich  so,  daß  nach  schar- 
fer Abblasung  allen  noch  beweglichen  Stau- 
bes  und  Schmutzes  der  Abguß  mit  einem 
farblo'en  .Stoff  —  Zapon,  aus  Schießbaum- 
wolle hergestellt  —  in  feinster  Zerstäubung 
überzogen  wurde,  worauf  nach  einer  Trocken- 
zeit von  24—48  Stunden  der  Prozeß  mit 
demselben,  diesmal  nur  leichtgetönten  Stoffe 
wiederholt  wurde  —  nötigenfalls  noch  ein 
zweites  Mal,  da  die  zu  deckende  »Schwärze« 
nicht  immer  leicht  zu  überwinden  war. 

Die  auf  solche  Weise  um  unsere  Abgüsse 

■)  Für  die  Baiigeschichte  dieser  großen  Erwei- 
terungsbauten der  Universität  bis  zum  Jahre  1919 
ist  der  Bericht  Seidels  im  Zcntralblatt  für  Bau  Ver- 
waltung XL   1920,  409 — 415  zu   vergleichen. 

^)  Vgl.  den  Bericht  Zeitschrift  für  angewandte 
Chemie  XXX  1917,  41  ff.  von  F.  Rathgen. 

3)  Sie  ist  jetzt  in  etwas  geringerem  Umfange  in 
die  Werkstatt  der  Abgui3samnihing  übernommen 
worden  und  hat  sich  a'ich  neuerdings  bewährt. 


geblasene  Haut  ist  so  dünn,  daß  eine  Ent- 
stellung der  Oberfläche  vermieden  wird,  und 
sie  hat  den  Vorzug,  daß  sie  sich  feucht  be- 
handeln und  reinigen  läßt.  Was  die  Tönung 
betrifft,  so  durfte  eine  weitergehende  Färbung 
mit  dem  Ziele,  den  Eindruck  irgendwelchen 
originalen  Materiales,  wie  Kalkstein,  Marmor 
oder  gar  patinicrte Bronze  zu  err:  ichen,  nicht 
gewagt  werden.  Denn  die  Abgüsse  unserer 
Sammlung  haben  in  erster  Linie  als  der  neu- 
trale Vermittler  der  antiken  Kunstform  zu 
dienen  und  ein  unbefangenes  wissenschaft- 
liches Studium  zu  gewährleisten.  Da  antike 
Originale  in  kostbaren  Beispielen  in  den 
nahen  Museen  vorhanden  sind,  so  wäre  eine 
doch  niemals  wahrheitsgetreu  herzustellende 
Imitation  des  Materiales  nur  eine  ebenso 
überflüssige  wie  überdies  kostspielige  Ent- 
stellung des  Tatbestandes. 

Nun  aber  erwuchs  angesichts  der  mehr 
oder  weniger  gleichförmig  erneuten  Abgüsse 
eine  weitere  neue  Aufgabe.  Einmal  konnte, 
wie  zahlreiche  Versuche  ergaben,  nur  mit 
kräftiger,  satter  Tönung  der  Wände  ein 
Ausgleich  geschaffen  werden.  Sodann  führte 
die  große  Masse  gleichartiger  Objekte  nun 
auch  zwingend  zu  einer  farbigen  Differen- 
zierung der  einzelnen  Räume.  Die  aus  sorg- 
fältigen Versuchen  gewonnene  Farbcnfolge 
Grün  —  Tiefbraunrot  —  Bläulichviolett  ließ 
sich  in  der  Hauptflucht  mehrfach  wieder- 
holen, gedeckte  gelbe  und  blaue  Töne  blieben 
auf  die  Seitenräume  beschränkt.  Und  dies 
war,  wie  wir  glauben,  nicht  ohne  einen  weite- 
ren Gewinn.  Je  mehr  ein  jeder  Raum  durch 
solche  Tönung  seiner  Wände  als  eine  Einheit 
für  sich  erschien  —  wie  er  auch  eine  in  sich 
geschlossene  Kunstperiode,  eine  besondere 
Denkmälergruppe  aufzunehmen  oder  ganz 
bestimmte  Entwicklungsreihen  darzustellen 
hatte — ,  um  so  mehr  war  Aussicht,  daß  in 
aller  Fülle  doch  das  Einzelne  zur  Geltung 
komme  und  daß  die  bei  der  Größe  der  Samm- 
lung leicht  drohende  Gefahr  der  Ermüdung 
sich  vermeiden  lasse. 

Aus  solchen  Erwägungen  ist  das  Ergebnis 
zu  verstehen,  das  zunächst  in  dem  im  Herbst 
1919  fertiggestellten  Flügelbau  selbst  in  die 
Erscheinung  trat  und  das,  da  es  sich  zu  be- 
währen schien,  nun  auch  bei  den  inzwischen 
noch  hinzugetretenen  fünf  letzten  Sälen  des 
Zwickclbaucs  Anwendung  finden  durfte.   Mit 


19 


Die  Sammlung  der  Gipsabgüsse  in  der  Universität  Berlin. 


20 


© 


® 


® 


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- 


© 


® 


diesen  ist  der  Anschluß  an  den  westlichen 
Frontalflügel  des  alten  Palaisgebäudes  ge- 
wonnen, die  Zahl  der  Museumsräume  auf 
24  gebracht.  Mitte  Januar  1921  war  auch 
dieser  letzte  Teil  des  Neubaues  fertiggestellt, 
so  daß  mit  seiner  inneren  Einrichtung  und 
dem  Aufbau  der  Abgüsse  sofort  begonnen 
werden  konnte.  Am  6.  Mai  sind  auch  diese 
Räume  in  einer  kurzen  Eröffnungsfeier  ihren 
Zwecken  übergeben  worden. 

II. 

Über  Anordnung  und  Inhalt  der  ein- 
zelnen Räume  folgendes: 

Die  chronologische  Anordnung  war  durch 
den   Charakter    der  großen    Sammlung    an 
ihrer  neuen  Stelle  von  vornherein  geboten. 
Schon  durch  die  Plananlage  der  Räume  war 
ihr   Rechnung  getragen.      Nur  eine  kleine 
Anzahl  von  Abgüssen  ist  an  das   Haupt- 
treppenhaus   und  seine  Eingangshalle 
und  an  die  mittlere  Treppe  dieses  Flügels  ') 
j  abgegeben  worden,  wobei  sich  u.  a.  die  Ge- 
[  legenheit  bot,  einige  der  Parthenonmetopen 
!  für  hohe  Unteransicht  zu  zeigen. 

Die  Raumeinteilung  ist  einfach  und  über- 
!  sichtlich.       Fünf   große    Säle   A — E    (Plan 
!  Abb.   2)  folgen  sich  in  der  hundert  Meter 
langen  Hauptachse   des   Flügels.     Sie  sind 
j  sowohl  nach  der  Universitätsstraße  wie  nach 
:  dem  Gartenhof  der  Universität  von  längeren 
I  Fluchten  schmalerer  Kabinette  (4 — 13)  be- 
I  gleitet.       Die    Überhöhung    der    Mittelsäle 
führte  zur  basilikalen  Beleuchtung  durch  hohe 
Seitenfenster;    nur  der  dritte  quadrate  Saal 
C  konnte  reines  Oberlicht  erhalten.     In  den 
niedrigeren  Seitenräumen,   die  ursprünglich 
nur  auf  Belichtung  durch  die  von  der  Fassade 
gebotenen,  ziemlich  tiefgelegten  Fenster  an- 
gewiesen waren,  ließ  sich  in  letzter  Stunde 
noch  Oberlicht  einführen,  so  daß  ihre  inne- 
ren   Wandflächen    zu    voller    Ausnutzung 
kamen. 

Innerhalb  dieser  drei  verschiedenen  Fluch- 
ten ist  der  innere  Zusammenhang  gegeben 
durch  die  großen  Auf  gaben,  die  die  griechische 
Kunst,  aus  einem  Wesentlichen  griechischer 
Geistesart  heraus,  sich  gestellt  und  die  sie 


Abb.  2. 


')  Hier  die  großen  Apotheosen  antoninischer  Zeit 
und  Denkmäler  des  Mithraskultes.  Der  Zugang  ist 
von  dem  großen  Korridor  der  i.  Etage  aus  möglich. 


21 


Die  Sammlung  der  Gipsabgfisse  in  der  Universität  Berlin. 


22 


Abb.  3.     Saal  B. 


Abb.  4.     Saal  D. 


in  beispielloser  Konsequenz  und  Kontinuität 
des  künstlerischen  Schaffens  erfüllt  hat:  die 
Darstellung  sowohl  der  menschlichen  Gestalt 


als  solcher  in  der  stetig  vervollkommneten 
Einheitlichkeit  ihres  organischen  Aufbaues 
wie  auch  ihrer  Beziehung  zu  anderen  in  ver- 


23 


Die  Sammlung  der  Gipsabgüsse  in  der  Universität  Berlin. 


24 


schieden  bewegter  Handlung,  also  das  Pro- 
blem der  Einzelstatue,  und  diese  wieder 
nackt  und  bekleidet,  und  das  Problem  der 
Komposition  von  zwei,  drei  oder  viel- 
figurigen  Gruppen,  diese  wiederum  in  erster 
Linie  als  Füllung  des  gegebenen,  unverrück- 
bar begrenzten  architektonischen  Rahmens, 
eines  stärksten,  für  das  künstlerische  Bilden 
aber  unendlich  fruchtbaren  Zwanges.    Denn 


kommensten  Versuche  in  dem  gewaltigen 
Gorgogiebel  von  Korfu  —  der  einzige  Ab- 
guß, von  Kaiser  Wilhelm  noch  191 3  dem 
Alten  Museum  überwiesen  —  über  den  klei- 
nen Schatzhausgiebel  von  Delphi  und  die 
Ägineten  (deren  Gruppierung,  wenn  auch 
I  noch  in  Thorwaldsens  Ergänzungen,  der 
I  neuesten  Forschung  zu  entsprechen  sucht) 
—  Saal  A  (Abb.  i)  —  zu  den  Gruppen  des 


Abb.  5.     Saal  C. 


der  dorische  Tempel  hatte  die  Plastik  früh 
in  seinen  Dienst  gezwungen  und  ihr  dadurch 
entscheidende  Wege  der  Entwicklung  ge- 
wiesen: in  der  Metope,  wo  im  Anschluß 
an  frühere,  auch  nichtgricchische  Arbeiten 
die  Aufgabe  der  Felderfüllung  bis  zur  voll- 
kommenen Lösung  verfolgt  wird,  und  in 
der  rein  griechischen  Form  des  Giebel- 
dreiecks, wo  jeder  Raumteil  seine  eigenen 
Gesetze  diktiert.  So  ergab  sich  von  selbst 
in  den  Mittelsälen  die  Abfolge  der  mo- 
numentalen Giebelgruppen:  von  dem, 
heute    wenigstens    für    uns,     noch    unvoll- 


Zeustempels  in  Olympia  im  Saale  B  (Abb.  3) 
und  zum  Parthenon  im  vierten  Saale  D 
(Abb.  4). 

Dazwischen  schaltet  sich  im  mittleren 
Oberlichtsaal  C  der  plastische  Schmuck  der 
großen  Grabarchitektur  des  sog.  Nereiden- 
monumentes ein  und  verwandte  Kunst 
(Abb.  5).  Die  Kunst  des  im  4.  Jahrhundert 
entsprechenden,  aber  in  denMassen  viel  um- 
fangreicheren Mausoleums  von  Hali- 
karnassos  erscheint  im  fünften  Saale  E, 
zusammen  mit  anderer  Großplastik  dieser 
Zeit,  ebenso  zwei  nach  den  Ergebnissen  der 


25 


Die  Sammlung  der  Gipsabgüsse  in  der  Universität  Berlin. 


26 


deutschen  Ausgrabungen  im  athenischen  Di- 
pylonfriedhof  aufgerichteten  terrassenartigen 
Familiengräbern  (Abb.  6). 

Parallel  zu  dieser  großen  Architektur- 
plastik und  in  steter  Beziehung  zu  ihrem 
Stil  stehen  in  diesen  Sälen  die  Gewand- 
figuren, Statuen,  wie  im  Relief,  von  den 
frühen  Etappen  an,  wo  man  erst  die  äußere 
Erscheinung   des    Gewandes   schüchtern   zu 


die  beiden  Friese  und  die  Metopen  des  sog. 
Theseion  in  der  Unterstadt  (N.  7),  Fries- 
figuren und  Architektur  vom  Erechtheion 
und  die  Friesreliefs  vom  Niketempel  (N.  8), 
endlich  die  Gräberplastik,  vornehmlich  Grab- 
mäler  der  attischen  Friedhöfe,  die  eine  Lang- 
seite der  Friese  eines  Fürstengrabes  in  Gjöl- 
baschi,  Lykien  u.  a.   (N.  9). 

Die   westlichen   Kabinette   nach   der  Uni- 


Abb.   6.      Saal  E. 


erfassen  beginnt,  bis  zu  jenen  fernen  sou- 
veränen Schöpfungen,  in  denen  die  Gewan- 
dung, mit  allen  Mitteln  der  Technik  be- 
zwungen, dem  Körper  und  aller  Schönheit 
seiner  optischen  Erscheinung  willig  dient. 
Die  östlichen  Kabinette  (5 — 9)  enthal- 
ten archaische  Kunstwerke  des  7.  und  6. 
Jahrhunderts  v.  Chr.  (N.  5  und  6)  — 
älteste  Männerstatuen,  Ephesos,  Assos,  la- 
konische Reliefs,  Grabstelen  sowie  archaisti- 
sche Bildwerke  späterer  Zeiten. 

Es  folgt  die  architeTctonische  Plastik 
der     kleineren     athenischen    Tempel: 


versitätsstraßc  (10 — 13)  umfassen  vor  allem 
die  Entwicklung  der  männlichen  Akt- 
figur seit  den  Perserkriegen  und  Werke 
einzelner  großer  Meister:  N.  10  die  Tyrannen- 
mördergruppe des  Kritios  und  Nesiotes  476 
V.  Chr.  und  die  wichtigste  Plastik  der  Über- 
gangszeit. N.  II  Myron  und  Polyklet,  hier 
auch  der  Fries  des  Apollontempels  von 
Phigalia  (Abb.  7).  N.  12  männlicheStatuen 
attischer  und  peloponnesischer  Schule  aus 
dem  jüngeren  5.  und  Anfang  des  4.  Jahr- 
hunderts; Epidauros.  Die  Repliken  der 
Athena  Parthenos  des  Phidias  und  Gewand- 


27 


Die  Sammlung  der  Gipsabgüsse  in  der  Universität  Berlin. 


28 


Abb.  8.     Saal  G. 


29 


Die  Sammlung  der  Gipsabgüsse  in  der  Universität  Berlin. 


30 


Statuen  des  phidiasischen  Kreises  stehen  hier, 
im  zweiten  Teile  dieses  Raumes,  in  unmittel- 
barer Beziehung  zu  den  Statuen  im  Par- 
thenonsaale daneben  (Demeter  von  Cherchel, 
Torso  der  Athena  Medici).  Der  Raum  13 
neben  dem  Mausoleumssaale  ist  ganz  der 
Kunst  des  Praxiteles  und  was  ihr  nahesteht 
gewidmet. 

Mit  dem  nun  folgenden  Saale  F  greift 
die  Sammlung  in  das  alte  Universitätsge- 
bäude ein  und  gewinnt  durch  ihn  den  Weg 


die  volle  räumliche,  dreidimensionale  Be- 
wegungsfreiheit gewinnt,  geht  er  bahn- 
brechend auch  über  die  letzte,  schon  so 
weich  und  geschmeidig  bewegte  praxitelische 
Gestalt  hinaus.  Alexander  weist  auch  der 
Kunst  den  Weg  in  die  Welt.  In  Aufgaben 
von  buntester  Mannigfaltigkeit,  in  jeder  nur 
denkbaren  Haltung  und  Bewegung,  von 
ruhiger,  wenn  auch  kompliziertester  Sitz- 
stellung, vom  gliederlösenden  Schlaf  bis  zum 
ausgelassensten  Tanz,  zu  dem  im  höchsten 


Abb.  9.     Saal  H. 


zu  dem  zuletzt  erstellten  Zwickelbau,  dessen 
Haupträume  G — K,  losgelöst  von  der  bis 
dahin  verfolgten  strengen  Achsenlagerung, 
sich  nun  in  mehrfach  gebrochener  Flucht 
folgen.  Nur  der  Raum  15  gehört  gleichfalls 
noch  dem  Altbau  an.  Diese  freiere  Grup- 
pierung kommt,  indem  sie,  zugleich  von 
günstiger  Belichtung  unterstützt,  wechsel- 
reiche Raumwirkungen  gewährt,  den  be- 
sonderen Aufgaben  dieses  letzten  Teiles  der 
Sammlung  vorteilhaft  entgegen. 

Die  erste  große  Entwicklung  der  griechi- 
schen Kunst  hat  sich  in  den  geraden,  langen 
Fluchten  der  vorderen  Säle  vor  uns  ab- 
gerollt.     Indem    Lysippos   für  die  Statue 


Pathos  gesteigerten  Kampf  und  qualvollsten 
körperlichem  Ringen  lebt  sich  die  Kunst  im 
Hellenismus  aus. 

An  die  lysippischen  Werke  (Abb.  8) 
schließen  sich  daher  noch  im  selben  Saale 
(G)  die  Beispiele  für  die  letzten  Lösungen 
der  Probleme  der  sitzenden,  kauernden  und 
liegenden  Gestalt;  wichtige  Beiträge  liefert 
dazu  die  z.  T.  dekorative  Gartenplastik  mit 
den  Gestalten  des  dionysischen Thiasos,  auch 
Kinderbilder  gehören  hierher.  Boethos, 
Doidalsas  (3.  und  2.  Jahrhundert  v.  Chr.), 
Homerapotheose  des  Archelaos,  Polyhymnia, 
Lykosura   (Damophon  von  Messene). 

Im  Durchgangskabinett  N.  14  die  helle- 


31 


Die  Sammlung  der  Gipsabgüsse  in  der  Universität  Berlin. 


32 


Abb.   10.     Saal   K. 


Abb.    1 1 .     Saal   3, 


33 


Italien  1914 — 192Q. 


34 


nistischen  Aphroditetypen,  im  Saale  H 
die  Kunst  von  Pergamon  und  andere 
späthellenistische  Großplastik,  Laokoon, 
Torso  von  Belvedere  (Abb.  9).  Dahinter 
(N.  15)  griechische  Porträts  und  Idealköpfe. 
Endlich  in  den  beiden  letzten  Sälen  Kunst 
der  römischen  Zeit. 

Saal  I:  im  stärksten  Gegensatz  zur  Hof- 
kunst von  Pergamon  mit  ihrer  großen  Geste, 
ihrem  überraschenden  Interesse  für  die  un- 
hellenistische Erscheinung  eines  fremden 
Volkes,  die  Kunst  der  augusteischen 
Zeit  in  ihrer  zeremoniellen,  vornehmen 
Kühle  und  Finesse,  aber  auch  mit  ihrem 
feinen  dekorativen  Geschmack.  Einzelne 
Platten  der  Ära  Pacis  Augustae  (9.  v.  Chr.) 
sind  zwischen  ihrer  flachen,  nur  angedeute- 
ten Pilasterarchitektur  gefaßt.  Beispiele  der 
sog.  hellenistischen  Reliefbilder  sind  hier  zu- 
sammengestellt. Hochzeitszug  des  Poseidon 
(Basis  einer  großen  Statuengruppe,  von  Cn. 
Domitius  Ahenobarbus  geweiht).  Römische 
Porträts,  ältere  Reihe. 

Saal  K:  Werke  vornehmlich  trajanisch- 
hadrianischer  Zeit.  Nur  das  große  Kampf- 
bild vom  Julierdenkmal  in  St.  R6my  mußte, 
obwohl  frühaugusteisch,  hier  an  der  Ab- 
schlußwand Platz  finden.  Ausschnitte  der 
Reliefs  der  Trajanssäule,  Medaillonreliefs  mit 
Jagdszenen  Hadrians.  Porträtköpfe  der 
späteren  Kaiserzeit.  Dekorative  Geräte 
(Prunkvasen,  Kandelaber),  Urnen  und  Sar- 
kophagreliefs. Einzelne  Tierbilder.  (Abb.  lo). 

Von  dieser  historischen  Aneinanderreihung 
mußte  der  stark  verdunkelte  Durchgangs- 
saal F  eine  Ausnahme  machen;  in  ihm  sind 
außer  der  nach  neuen  Vorschlägen  aufge- 
stellten Niobidengruppe  sehr  verschie- 
denartige Werke  vom  4. — I.  Jahrhundert  v. 
Chr.  vereinigt,  die  an  den  ihnen  zukommen- 
den Stellen  nicht  Platz  finden  konnten,  wie 
Glykons  Herakles  Farnese,  der  vatikanische 
Nil,  des  Agasias  borghesischer  Fechter,  der 
große  borghesische  Krater  u.  a. 

Die  attischen  und  andere  Weihreliefs 
sind  in  dem  hellen  nordöstlichen  Eckzimmer 
(N.  4)  vereinigt,  wo  auch  die  Modelle  der 
Akropolis  und  des  griechischen  Theaters 
stehen. 

Von  der  Wanderung  durch  ein  Jahrtausend 
antiker  Kunstentwicklung  zurückkehrend, 
wird    der   Besucher  schließlich    aus  dem  ar- 

Archäologischer  Anzeiger  1921. 


chaischen  Saale  A  durch  das  Löwentor 
von  Mykenae,  dessen  Löwenrelief  in  die 
ihm  zukommende  Stelle  der  in  Originalgröße 
hergestellten  Fassade  eingesetzt  werden 
konnte,  noch  eintreten  in  den  Saal  der  my- 
kenisch-kretischen  Kunst  (N.3)  (Abb.u). 
Hier  ist  der  Veisuch  gemacht,  wenigstens 
andeutend  zu  veranschaulichen,  wie  einst 
die  Wände  der  altkretischen  Paläste  in 
Knossos,  Phaistos  und  Haghia  Triada  durch 
eingelegte  Holzanker  gegliedert  und  ober- 
halb des  bemalten  und  oft  von  flachen  Bän- 
ken begleiteten  Sockels  geschmückt  waren. 
Die  verschiedenen  Aquarellkopien  der  best- 
erhaltenen Reste  von  Wandfresken  aus 
diesen  Palästen,  die  noch  Loeschcke  von 
Gillieron  hatte  anfertigen  lassen,  sind  in 
ihrer  schweren  Eisenrahmung  und  Vergla- 
sung zwischen  den  Holzankern  in  die  Wand 
eingesenkt,  um,  soweit  es  möglich  ist,  als 
Schmuck  der  Fläche  zu  wirken.  Nur  die 
größten  Stücke  aus  Knossos  und  die  Fresken- 
reste aus  Tiryns  sind  in  ihrem  Rahmen  auf 
die  Wände  gehängt.  Reproduktion  kleinerer 
Freskobilder,  z.  T.  skizzenhafte  Miniaturen, 
vor  der  Mitte  der  Fensterwand.  In  den 
Schautischen  und  -schränken  Nachbildungen 
der  kostbaren  Geräte  und  Prunkwaffen  aus 
z.  T.  getriebenem,  z.  T.  figürlich  eingelegtem 
Edelmetall,  von  Steingefäßen  mit  Relief- 
darstellungen, Fayencefiguren  und  -gefäßen 
des  kretischen  Kultes,  von  Goldschmuck, 
goldenen  Siegelringen  (mit  Szenen-  des 
menschlichen  Lebens  u.  a.),  Abgüsse  von 
Siegel-  und  Gemmenbildern,  Originalscher- 
ben kretischer  und  mykenischer  bemalter 
Tongefäße.  Bemalter  Steinsarkophag  aus 
Haghia  Triada  mit  Opferhandlungen  des 
Totenkultes.  F.   Noack. 


FUNDE  UND  FORSCHUNGEN. 

Italien  1914—1920. 

Die  letzten  Fundberichte  Delbrücks  er- 
schienen über  die  archäologischen  Tatsachen 
des  Jahres  1912  im  Arch.  Anz.  1913,  132  bis 
177,  über  diejenigen  des  Jahres  1913  im 
Arch.  Anz.  1914,  174  bis  205.  Trotz  der  Ein- 
schränkungen, welche  der  Krieg  der  archäo- 
logischen Arbeit  auch  in  Italien  brachte  und 
des  Hinscheidens  gerade    einiger    besonders 


35 


Italien  1 914— 1920. 


36 


I 


tüchtiger,  ja  führender  Kräfte  —  ich  nenne 
Salinas,  Milani,  Colini,  Savignoni,  Pellegrini, 
Ghirardini,  Pasqui,  Falchi,  V.  Poggi,  Persi- 
chetti  und  den  jugendlichen,  auf  dem  Karst 
gefallenen  Porro  —  ist  es  doch  erstaunlich, 
was  in  den  letzten  sieben  Jahren,  und  zwar 
nicht  nur  in  Italien,  sondern  auch  in  Tri- 
politanien  und  der  Kyrenaike  sowie  im  süd- 
lichen Kleinasien  von  italienischer  Seite  ge- 
arbeitet ist,  nicht  nur  gegraben,  sondern 
auch  berichtet  und  aufgearbeitet.  Der  fol- 
gende Versuch,  zunächst  von  dem  in  Italien 
Geleisteten  ein  Bild  zugeben,  muß  sich  aller- 
dings im  wesentlichen  auf  die  amtliche  Be- 
richterstattung beschränken,  d.  h.  das,  was 
in  den  Notizie  degli  scavi  und  den  Monu- 
menti  pubbl.  dall'  Accademia  dei  Lincei  ver- 
öffentlicht ist,  sowie  auf  das  Bullettino  di 
paletnologia,  welches  der  Nestor  der  italieni- 
schen Altertumsforschung  fortfährt  tapfer  zu 
leiten,  sodann  auf  dasjenige,  was  mir  mehr 
oder  weniger  zufällig  aus  Lokalzeitschriften 
oder  durch  freundliche  Zusendungen  bekannt 
geworden  ist.  Meine  eigne  Autopsie  im 
Lande  endigt  mit  dem  Juni  1914.  Die  Funde 
sind  örtlich  nach  der  römischen  Einteilung 
des  Landes,  zeitlich  nach  der  Chronologie 
ihrer  archäologischen  Ansetzung,  im  allge- 
meinen wenigstens,  geordnet. 

Ligurien.  Während  die  Riviera  di  po- 
nente  bis  zum  Beginn  der  Kaiserzeit  an  der 
altligurischen  Leichenbestattung  festhält,  be- 
ginnt an  der  Riviera  di  levante  bereits  im 
5.  Jahrhundert  die  von  den  wahrscheinlich 
über  die  Ostschweiz  in  die  Lombardei  gegen 
Ende  des  dritten  Jahrtausends  eingezogenen 
»Italikern«  mitgebrachte  Sitte  der  Ver- 
brennung Platz  zu  greifen.  Die  sog.  Gola- 
seccakultur,  auch  von  den  nach  der  Mitte 
des  5.  Jahrhunderts  eingedrungenen  Galliern 
aufgenommen,  setzt  die  alte  Brandsitte  der 
Pfahlbauer  in  gleichartigen  Formen  fort. 
Schon  zu  Anfang  des  Jahrtausends  ist  die 
Nekropole  von  Bismantova  die  erste  Etappe 
dieser  Formen  im  nördlichen  Appennin.  Aus 
der  gleichen  Richtung,  von  N.  und  NO.  in 
altligurisches  Gebiet  eindringend,  erobert  sich 
die  neue  Sitte  das  Land  westlich  bis  Genua, 
südlich  und  südöstlich  über  die  Gar- 
fagnana  hinaus  hinab  bis  an  den  Arno,  wo 
am  Lago  diBientina  die  südlichste  ligurische 
Brandgräberstätte   gefunden,    s.    Z.     durch 


Ghirardini  in  ihrer  Bedeutung  erkannt  und 
vorzüglich  erläutert  wurde.  Genua  selbst  mit 
seiner  schon  reichen  Reihe  schöner  griechi- 
scher rotfiguriger  Vasen  aus  solchen  Gräbern, 
Cenisola.Velleia  sind  besonders  wichtigeFund- 
plätze  dieser  ligurischen  Gattung.  Zu  ihr 
gehören  zwei  Brandgräber  bei  S.  Romano 
(Garfagnana)  mit  Urnen  des  Typus  Gola- 
secca  II,  einer  noch  guten  Certosafibel,  um- 
baut mit  Steinplatten,  deren  eine  die  In- 
schrift, linksläufig,  »akiu«  trägt,  womit  No- 
gara  »akius«,  eingeritzt  unter  dem  Fuß  einer 
Vase  von  Marzabotto,  vergleicht:  das  erste 
Beispiel  einer  Inschrift  auf  Stein  von  einem 
Grabe  Typus  Golasecca  II  (Bull.  pal.  XLI, 
1916,  85 — 88).  —  Der  Bau  der  Abkürzungs- 
bahn Serravalle-Tortona  gab  den  Anstoß,  das 
von  dieser  Neuanlage  durchschnittene  Stadt- 
gebiet von  Libarna  näher  zu  untersuchen, 
jener  Stadt,  die  wohl  in  Verbindung  mit  der 
Via  Postumia,  Roms  ältester  Verbindung  von 
Genua  ins  Poland,  als  Sperre  am  Nordaus- 
gang  des  Scriviapasses,  ursprünglich  als  La- 
gerstadt errichtet,  wesentlich  militärischen 
Charakter  hatte  und  erst  nach  ihrer  Erhe- 
bung zur  Kolonie  unter  Nerva  oder  Traian 
zu  stärkerer  bürgerlicher  Blüte  gelangt  zu 
sein  scheint.  Was  wir  früher  über  die  Stadt 
wußten,  ist  herzlich  wenig  (Nissen,  LK.  II, 
158;  Moretti,  Not.  1914,  113 — 115);  der 
neue  Plan  nimmt  die  Ergebnisse  der  jetzigen 
Untersuchungen  gut  auf  und  orientiert,  von 
sorgsamem  Text  Morettis  begleitet,  über 
diese,  nach  Lage  und  Bedeutung  mit  dem 
unfernen  Velleia  vergleichbare  Stadt  in  dan- 
kenswerter Weise.  Gute  Straßen,  geräumige, 
mit  schönen  Mosaikböden  geschmückte,  zum 
Teil  mit  Heizvorrichtung  versehene  Häuser, 
Theater  und  Amphitheater  zeigen  schon  in 
dem  bis  jetzt  erst  bloßgelegten  schmalen 
Streifen  längs  der  neuen  Bahnlinie,  westlich 
der  Scrivia,  das  Bild  einer  besonders  im 
zweiten  Jahrhundert  der  Kaiserzeit  blühen- 
den Landstadt,  jenem  Jahrhundert,  aus  dem 
auch  die  weitaus  zahlreichsten  Münzen  in 
der  Stadt  gefunden  sind,  ebenso  die  freilich 
wenigen  Bildwerke,  so  ein  Pan  aus  Marmor, 
einige  gute  Kleinbronzen,  eine  Marmornike 
usw.   (Not.   1914,   113— 134). 

Gallia  transpadana,  westl.  vom  Min- 
cio. Die  Kenntnis  des  Kupfers  ist  bei  der 
durch  die  ganze  Poebene  dünn  verteilten  Ur- 


37 


Italien   1914 — 1920. 


38 


bevölkerung  schon  sehr  früh  verbreitet;  nur 
im  äußersten  Westen  und  in  entlegenen  Al- 
pentälern findet  sich  noch  reines  Neolithikum. 
So  bekanntlich  bei  Vayes  im  Susatal  und  im 
Aostatal  bei  S.  Nicolas,  Sarre,  Montjovet. 
Hierzu  kommt  neuerdings  eine  Gruppe  von 
25  Gräbern  zwischen  Villeneuve  und  Ar- 
vier  auf  einer  Terrasse  am  r.  Doraufer:  aus 
unregelmäßigen  Platten  zusammengesetzte 
Gräber  mit  liegenden  Hockern,  einem  ge- 
glätteten Jadeitbeil,  andern  Geräten  aus 
Quarz  und  Feuerstein,  einem  als  Amulett 
getragenen  Eberzahn,  auch  andern  Tierzäh- 
nen, einem  Vogelknöchelchen,  aber  keinerlei 
Keramik  (Not.  1918,  253—57). 

In  einem  Moor  unweit  Solferino  ist  ein 
bronzezeitlicher  Pfahlbau  gefunden,  der  be- 
sonders gut  erhaltenes  Holzwerk  zeigte,  das 
noch  das  System  der  Verschränkungen  und 
Falzungen  gut  erkennen  ließ,  mit  Wahr- 
scheinlichkeit auch  eine  für  Aufnahme  der 
Türpfosten  usw.  hergerichtete  hölzerne 
Schwelle  (Not.   1918,  257 — 59). 

Aus  den  ziemlich  zahlreichen  Grabfunden 
aller  Zeiten  seien  folgende  hervorgehoben: 
ein  frühgallisches  Bestattungsgrab  —  je  wei- 
ter nach  Osten,  um  so  zäher  hält  sich  ja  die 
Bestattungssitte  auch  bei  den  Galliern,  wäh- 
rend sie  im  Westen  die  von  ihnen  vorgefun- 
dene Brandsitte  rascher  annehmen  —  bei 
Castiglione  delle  Stiviere  (südl.  des 
Gardasees),  das  reich  war  an  Bronzegeschirr, 
meist  wohl  etruskischen  Ursprungs,  worunter 
bemerkenswert  besonders  ein  Kandelaber 
(Fig.  I),  den  ein  nackter  Jüngling  mit  einem 
Vogel  in  der  Hand  krönt,  während  drei  an- 
dere gleichartige  Vögel  auf  den  drei  Tier- 
füßen sitzen,  welche  den  Kandelaber  tragen. 
Einen  aus  zwei  Bronzeplatten  zusammenge- 
setzten Vogelleib,  zu  dem  einige  Flügelstücke 
zu  gehören  scheinen,  möchte  Patroni  für 
Teile  eines  dem  Bestatteten  mitgegebenen 
Feldzeichens  halten.  Die  ins  Castello  Sfor- 
zesco  nach  Mailand  übertragenen  Fundstücke 
sollen  den  wohl  ins  dritte  Jahrhundert  (Du- 
cati,  Atti  e  mem.  R.  Dep.  d.  Romagna  XXVI 
1908,  79 — 85)  gehörigen  Bronzen  aus  der 
Galliernekropole  von  Montefortino  (ML.  IX) 
nah  verwandt  sein;  damit  stimmt  der  La 
T^ne  Il-Charakter  zweier  geschwungener  gal- 
lischer Eisenmesser  aus  demselben  Grabe 
(Not.  1915,302—03;    1918,257)  überein. — 


I  Ebenfalls  in  La  Tene  II  gehört  der  Inhalt 
eines  oder  mehrerer  gallischer  Gräber  von 
S  es  toCremonese,  vermutlich  auch  Leichen- 
beisetzung, reich  an  schönen  Ringen  und  Arm- 
bändern aus  Bronze  —  zwei  in  Gestalt  von 
Pferdehufen  modelliert  — ,  ein  tordierter 
silberner  Torques,  aus  Eisen  Schwerter  und 
Speerspitzen,  Pferdegebisse,  die  Keramik  wie 
gewöhnlich  in  gallischen  Gräbern  dieser  Art 
sehr  spärlich  und  dürftig  (Not.  191 5,  303  bis 
304).  —  Unsere  Kenntnis  des  römischen 
Mailand  ist  namentlich  durch  Aufdeckung 
von  einem  Rundturm  und  Mauern  der  Be- 
festigung derartig  erweitert,  daß  eine  unter 
Morettis  Vorsitz  gebildete  Kommission  be- 
gonnen hat,  sich  mit  dem  Projekt  einer 
Forma  Urbis  Mediolanensis  zu  befassen  (Not. 
1917,  225 — 26).  —  Auch  in  Como  ist  nahe 
Porta  Torre  ein  römisches  Tor  mit  achtecki- 
gen Türmen  herausgekommen   (Fig.    I,   2), 

j   das  Haupttor  Comos  in  der  Richtung  auf 

j  Mailand.  Form  und  Grundriß  gehen  so  nahe 
zusammen  z.  B.  mit  dem  bekannten  Tor  von 
Turin,  daß  Patroni  mit  Recht  auch  das  Co- 
motor  in  augusteische  Zeit  setzt.    Nahe  dem 

I  Tor  war  eine  Ehrenstatue  auf  Beschluß  des 
Stadtrats  für  P.  Plinius  Paternus  L.  f.  Ouf. 
Pusillienus  errichtet  gewesen,  die  nunmehr 
zu  den  andern  bekafrinten  Pliniusinschriften 
hinzutritt  (Not.   191 5,  297 — 301).  —  Über 

!  die  Aufdeckung  einer  Mansio  alpina  auf  dem 
Kleinen  St.  Bernhard  (Not.  1914,  I14,  2) 
ist  leider  bis  jetzt  nichts  weiter  verlautet. 
Die  umfassenden  von  mir  schon  Heidelb. 
Jahrb.  1892,  74 — 75  als  sehr  erwünscht  be- 
zeichneten Grabungen  größeren  Stils  auf  je- 
ner von  Bauresten  aller  Art  bedeckten  Über- 
gangshöhe stehen  immer  noch  aus.  — 
Schließlich  sei  einer  Mithrasgrotte  bei  An- 
gera  (südl.  Ostufer  des  Lago  maggiore)  ge- 
dacht, ursprünglich  einer  aeneolithischen 
Wohngrotte,  in  späten  Zeiten  durch  An- 
bringung von  Votivnischen,  auch  zwei  Al- 
tären sowie  des  Hauptreliefs  im  Hinter- 
grunde, von  dem  allerdings  nur  noch  der 
Platz  jetzt  erkennbar  ist,  für  Kultzwecke 
adaptiert.  Zahlreiche  Reste  von  Opfern, 
auch  von  blutigen,  sowie  von  Mahlzeiten, 
sowohl  drinnen  wie  draußen,  konnten  fest- 
gestellt werden.  Vom  Ende  des  3.  bis  ins 
5.  Jahrhundert  gehende  Münzen,  die  in  der 
Höhle    aufgelesen    wurden,    gehörten    nach 


39 


Italien  19 14 — 1930. 


40 


Patroni  schwerlich  einem  einheitlichen  Münz- 
fund an  (Not.  1918,  2 — 11). 

Gallia  transpadana  östl.  vom  Mincio. 
Wie  in  der  Lombardei  Patroni,  so  werden  im 
Veneto  besonders  dem  zu  früh  verstorbenen 
Pellegrini  eine  Reihe  wichtiger  Fundbe- 
schreibungen verdankt.  Hier  wie  in  der  Lom- 
bardei hat  das  Bestreben,  aus  den  Mooren 
Torf  zu  gewinnen,  zu  mancherlei  Entdeckun- 
gen geführt,  so  auch  zur  Feststellung  eines 
schon  seit  1869  durch  De'  Stefani  (Bp.  XLII, 
134)  vermuteten  Pfahlbaus  im  Feniletto- 
moor  bei  Vallese  unweit  Oppeano,  jenem 
schon  durch  den  berühmten  Helm  bekann- 
ten Fundplatz  südöstlich  von  Verona.  Groß, 
etwa  6000  Hektar,  prachtvoll  erhaltenes  und 
gut  abgebildetes  Pfahlwerk,  die  Pfähle  be- 
reits deutlich  mit  Metallwerkzeugen  behauen; 
neben  Steinpfeilspitzen  ein  guter  Bronze- 
dolch mit  schon  starker  Mittelrippe  (Fig.  7), 
Holzreibern  zum  Fcucranzünden;  sehr  be- 
achtenswert 300  m  entfernt,  also  nicht  mehr 
in  so  besorglicher  Nähe  des  Wohnplatzes 
selbst  wie  bei  älteren  Anlagen,  Spuren  eines 
Begräbnisplatzes,  in  dessen  UrnenMetallrestc 
zeigen,  daß  die  Zeiten  des  alten,  strengen, 
beigabenlosen  Beisetzens  der  Asche  bereits 
vorüber  sind  (Not.  1919,  189 — 198). 

In  den  östlichen  tiefliegenden  Teil  der 
Ebene  zwischen  Po  und  Alpen  haben  die 
»italischen«,  ihre  Toten  verbrennenden  Pfahl- 
bauer von  Westen  her  nur  vorübergehend 
ihre  Fühler  ausgestreckt  —  Arquä  Petrarca 
—  und  auch  aus  dem  ihnen  damals  wohl 
einzig  bewohnbar  erschienenen  Euganeen- 
gebiet  sich  bald  wieder  zurückgezogen;  die 
von  NO.  einziehenden  umbrisch-sabellischen 
Stammesgenossen  sind  ebenfalls  nur  hin- 
durchgezogen, um,  da  ihre  Vettern  die 
fruchtbaren  Ebenen  und  Hügellande  des 
westlichen  Mittelitalien  bereits  besetzt  hat- 
ten, sich  im  gebirgigen  Osten  und  Süden  der 
Halbinsel  sichere  und  gesunde  Heimstätten 
zu  suchen.  Erst  die  wohl  durch  die  Völker- 
schiebungen der  Jahrtausendwende  vom  Bal- 
kan herübergedrängten  Veneter  wagen  die  Be- 
siedelung  des  fruchtbaren,  aber  schwierigen 
Landes,  zunächst  natürlich  auch  der  sicheren 
Höhen  der  euganeischen  Berginsel,  des  Aus- 
gangspunkts und  noch  auf  lange  hinaus 
Mittelpunkts  der  Gesamtkultur  des  Veneto. 
Pellegrini  hatte  das   Interesse  erfaßt,  Zeit- 


punkt und  Kulturstufe  des  Venetereinbruchs 
festzustellen  und  beabsichtigte  planmäßige 
Untersuchungen  besonders  an  den  Rändern 
des  Euganeengebiets,  an  deren  Durchführung 
ihn  leider  sein  vorzeitiger  Tod  verhindert  hat. 
1  Doch  hat  er  Not.  1917,  199 — 214  berichtet  t 
über  eine  frühe  Venetersiedelung  am  West- 
rand des  Bergmassivs  in  der  Gegend  von  Vo 
auf  einem  Sattel  des  Monte  Rovalora,  aus- 
gehende Bronzezeit,  sogar  noch  mit  allerlei 
neolithischen  Überlebseln:  über  die  Richtig- 
keit seiner  Zuteilung  lassen  die  Abbildungen 
Fig.  3  und  4  keinen  Zweifel.  Rechteckige 
Holzhütten  seien  vorauszusetzen.  Ähnlich 
seien  die  namentlich  durch  Prosdocimis, 
Ghirardinis  und  Alfonsis  Berichte  (Bp.  1887, 
186;  Bp.  1904,  129;  Not.  1905,  299) 
bekannten  Siedelungen  vom  Monte  Lozzo 
und  von  Canevedo,  beide  benachbart,  und 
auch  sie  hinabgehend  bis  in  den  Anfang  der 
Periode  Prosdocimi  III.  —  Über  eine  vor- 
römische Siedelung  von  Bostel  bei  Rozzo 
im  Gebiet  der  Sette  comuni,  über  die  eben- 
falls Pellegrini  Atti  dfell'  Ist.  Veneto  LXXV, 
1915 — 16,  105  ff.  berichtet  hat,  besonders 
über  Häuser  aus  großen  Steinblöcken,  ist 
mir  leider  noch  nichts  Näheres  zugänglich  ge- 
worden. Es  ist  ja  bekannt,  daß  sich  in 
jenem  Berggebiet,  ähnlich  wie  im  Breonio, 
dem  Nachbargebiet  der  XIII  comuni,  sehr 
viel  Uraltes  bis  in  die  römische  Zeit  gehalten 
hat.  Also  zunächst  hier  nicht  festzustellen, 
ob  die  im  2.  Jahrh.  v.  Chr.  untergegangene 
Siedlung  Rozzo  schon  der  Urbevölkerung, 
an  sich  das  Wahrscheinlichere,  oder  erst  den 
>>Venetern«  bzw.  »Euganeern«  angehört,  wie 
die  vom  selben  Bostel  (Not.  1890,  293 — 94) 
durch  Orsi  mitgeteilten  Funde.  —  Unsere 
Kenntnis  von  Este,  nicht  nur  der  Gräber, 
sondern  auch  des  Wohngebiets,  hat  sich  er- 
weitert einmal  im  Osten,  wo  unmittelbar 
neben  dem  Fondo  Baratela  mit  seinem  wich- 
tigen Heiligtum  der  Göttin  Rehtia  (Ghirar- 
dini,  Not.  1888;  1890,  199 — 203;  Conway, 
Journ.  of  the  R.  Anthropol.  Inst,  of  Great- 
Britain  XLVI,  1916,  221  ff.)  im  Fondo  Area 
del  Santo  vom  höhergelegenen  Fondo  Bara- 
tela stammende  Schuttmassen  viel  zum  Hei- 
ligtum Gehöriges  ergaben,  auch  die  Fest- 
stellung erfolgte,  daß  das  Heiligtum  auf  einer 
künstlich  erhöhten  und  von  starken  Mauern 
eingefaßten  Terrasse  lag  (Not.  1916,  382  bis 


41 


Italien 


/  88,  Fig.  6 — 16);  alsdann  im  Westen  (Not. 
1916,  363 — 82).  Hier  ist  oberhalb  des  alten 
Etschbettes  191 1  und  1914  erfolgreich  ge- 
graben worden  bei  dem  heutigen  Friedhof 
und  der  Scheibenschießbahn,  nahe  dem 
Punkte,  der  auf  der  Karte  Not.  1882,  Tav.  I 
mit  »Casale«  bezeichnet  ist.  Zuunterst 
Packungen  aus  Eichenstämmen,  nur  verein- 
zelt nach  Pf ahlbauart ;  auch  Vertikalstämme 
fanden  sich  hier,  wie  schon  gelegentlich  früher 
in  benachbarter  Gegend,  wie  ebenso  unter 
Adria,  wie  am  Nordrand  der  Euganeen  am 
Fuß  des  Monte  Rosso,  wie  auch  bei  Arquä 
Petrarca,  auf  denen  sich  dann,  gegen  die 
Feuchtigkeit  gesichert,  die  ärmlichen  Hütten 
aus  Pfählen,  Reisern,  Stroh  und  Erdschlag 
erhoben,  in  denen  die  ersten  »Veneter«  wohn- 
ten: die  Fundstücke,  besonders  die  Keramik, 
weisen  in  die  erste  Periode  PrQsdocimis  und 
den  Beginn  der  zweiten,  dahin  z.  B.  die  Na- 
del aus  Bronze  Fig.  4,  3.  Es  scheint,  daß  eine 
starke  Überschwemmung  dieser  Siedelung 
ein  jähes  Ende  bereitete;  eine  1848  entdeckte 
Eindeichung  mit  Hilfe  mächtiger  Steinblöcke 
sollte  wohl  dieser  Gefahr  vorbeugen.  Sie  er- 
möglichte Herstellung  einer  Terrasse,  die,  in 
jüngeren  Zeiten  errichtet,  das  Heiligtum 
eines  männlichen  Götterpaares  trug,  dem 
das  schon  1709  an  dieser  Stelle  gefundene 
Votivrelief  des  Argenidas  an  die  Dioskuren 
in  Verona  (Dütschke  IV,  538;  Wiener  Vor- 
legebl.  IV,  9,  8a;  Röscher,  Lex.  I,  1171; 
Tod-Wace,  Mus.  of  Sparta  S.  113;  AJA. 
XXIII,  1919,  l)  geweiht  war.  Die  Etsch 
herauffahrende  Schiffe  mochten  hier  wohl 
landen;  so  ist  denn  das  vom  Relief  darge- 
stellte Hafenbild  hier  ganz  am  Platze,  ebenso 
das  wohl  von  einem  Griechen  von  der  lakoni- 
schen Küste  mitgebrachte  Dankrelief  über- 
haupt. Mit  dem  Größerwerden  der  See- 
schiffe, vielleicht  auch  Unschiffbarwerden 
oder  Laufveränderung  der  Etsch  wurde,  so 
scheint  es,  Este  später  als  noch  anzulaufen- 
der Hafen  ausgeschaltet  und  damit  auch  die 
Funktion  der  Dioskuren  eine  andere.  We- 
nigstens ist  eine  Vermutung  Pellegrinis  durch- 
aus wahrscheinlich,  daß  die  unverhältnis- 
mäßig große  Zahl  chirurgischer  Instrumente, 
die  sich  auf  der  Terrasse  dieses  Heiligtums 
fanden,  die  hier  verehrten  jugendlichen  Göt- 
ter als  Heilgötter  erweisen,  vielleicht  erst  eine 
Interpretatio  Romana  (Weinreich,  Heilungs- 


1914 — 1920. 


42 


wunder  151  und  die  dort  angeführte  Lit.), 
römische  Anargyroi.  Zahlreiche  Marmor- 
stücke und  Terracottametopen,  Triglyphen 
und  Simsstücke,  die  Metopen  mit  Bukranien 
oder  Schalen  mit  Minervaemblem,  auch  Zie- 
gelstempel (376,  Fig.  4)  weisen  für  einen 
Neubau  des  Heiligtums  auf  das  Ende  des 
I.  Jahrhunderts  v.  Chr.  Dies  Heiligtum 
scheint  ebenso  wie  das  auf  ähnlicher  Terrasse 
liegende  im  Fondo  Baratela  gegen  Ende 
des  2.  Jahrhunderts  untergegangen  zu  sein, 
nicht  etwa  durch  Überschwemmung,  die  nach 
Errichtung  der  hohen  Stützmauern  nicht 
mehr  schädlich  werden  konnte,  sondern,  wie 
Pellegrini  ausführt,  wohl  durch  Erdbeben. 
In  gleicher  Höhe  wie  dies  Heiligtum,  aber 
nördlich,  nordöstlich  und  östlich  davon,  sind 
zahlreiche  Reste,  besonders  Einzelfund- 
stücke, der  römischen  Stadt  aufgetaucht, 
darunter  auch  der  vorrömisch-venetischen, 
die  letzteren  sicher,  die  römischen  wahr- 
scheinlich auf  beide  damaligen  Etschufer 
verteilt,  welche  eine  Brücke  verband,  deren 
Spuren  bei  der  Kirche  della  Salute  gefunden 
sind.  Durch  die  Laufveränderung  der  Etsch 
in  späterer  Zeit  ist  das  Bild  jetzt  völlig  umge- 
wandelt. Welche  Not  die  stürmische  undleicht 
jäh  steigende  Etsch  gerade  gegen  Ende  der 
Republik  und  zu  Anfang  der  Regierungszeit 
des  Augustus  gelegentlich  für  Este  herbei- 
führen mochte,  lehren  uns  zwei  Cippi,  welche 
die  Verteilung  der  Deicharbeit  an  Veteranen 
der  Actiumschlacht,  die  in  Este  angesiedelt 
waren,  regeln,  so  daß  der  eine  Cippus  jedem 
Arbeiter  27%,  der  andere  43  Fuß  auszu- 
führen überträgt,  augenscheinlich  alles  mit 
militärischer  Pünktlichkeit  und  Schnelhg- 
keit.  Der  eine  Cippus,  nahe  dem  alten  Deich 
(»Arzaron«  =  grosso  argine),  1907  gefunden, 
ist  Not.  1915,  139,  Fig.  I  veröffentlicht  und 
nach  neuerer  Nachprüfung  durch  Bormann 
ein  gleichartiger  bereits  1776  durch  Alessi 
bekanntgemachter  Not.  144,  Fig.  2  ihm  an- 
geschlossen, beide  durch  Barnabei  sorgsam 
behandelt.  —  Diesen  Este-Inschriften  mag 
hinzugefügt  werden  eine  Defixionstafel  aus 
einem  römischen  Brandgrabe  der  Contrada 
Caldevigo  bei  Este  stammend,  worin  Orcus 
pater,  Proserpina,  Pluto  aufgefordert  werden, 
einen  jeden,  der  den  Verfluchenden  als  Feind 
entgegentritt,  in  die  Tiefe  zu  ziehen  und  zu 
übergeben  tuis  canibus   tricipiti   et  bicipiti- 


43 


Italien   1914 — 1920. 


44 


bus,  mit  origineller  Vorsicht,  da  der  Schreiber 
sich  nicht  sicher  auskennt  in  der  alten  Frage, 
ob  der  Höllenhund  drei  oder  zwei  Häupter 
habe  (Alfonsi,  Not.  1914,  369—71). 

Wichtig  ist  sodann  die  schon  1912  von 
Pellegrini  durchgeführte,  erst  Not.  1918 
169 — 207  —  seine  letzte  Arbeit,  posthum  ver- 
öffentlicht —  dargelegte  Entdeckung  einer 
vorrömischen  Siedelung  bzw.  Heiligtums  auf 
dem  Hügel  Magrfe  i  km  sw.  oberhalb  Schios, 
also  nahe  Vicenza.  Sichere  Spuren  einer  sa- 
kralen Anlage,  von  der  zahlreiche  Opferreste 
verbrannter  Tierknochen  u.  a.  zeugten,  so- 
wie eine  wunderschöne  geglättete  Axt  aus 
grünem  Stein  (Fig.  3),  auch  eine  Feuerstein- 
pfeilspitze, einige  Bronzesachen,  namentlich 
jedoch  Bleibarrenstücke,  von  denen  eins  mit 
Buchstabenresten  und  nicht  weniger  als  21 
beschriebene  Hirschhornstücke,  die  vortreff- 
lich abgebildet,  mit  größter  Sorgfalt  be- 
sprochen und  mit  allem  Verwandten  in  Ver- 
gleich gesetzt  werden.  Die  Schrifttabelle 
S.  194  ergibt  die  engste  Verwandtschaft  mit 
den  Veneterinschriften  z.  B.  vom  Fondo  Ba- 
ratela  von  Este,  auch  die  annähernd  gleiche 
Zeit,  4 — 3.  Jahrhundert,  aber  doch  auch 
sehr  auffallende  Abweichungen,  die  in  Ver- 
bindung mit  starken  Anklängen  an  etruski- 
sche  Worte  und  Stämme,  wie  wir  sie  nament- 
lich aus  dem  Trentino  kennen,  Pellegrini  zu 
der  gut  begründeten  Annahme  führen,  daß 
wir  hier  einen  aus  der  Poebene  verdrängten 
Stamm  haben,  der  durch  die  Nachbarschaft 
der  über  .Mantua  in  das  Alpengebiet  einge- 
drungenen Nordetrusker  beeinflußt  worden, 
vielleicht  auch  ethnisch  durchsetzt  sei  und 
so  das  von  den  Venetern  überkommene  Al- 
phabet seinen  phonetischen  Bedürfnissen  ge- 
mäß mit  einigen  etruskischen  Elementen 
vermischt  habe.  Die  Sprache  ist  augenschein- 
lich sehr  vokalreich  gewesen.  Ihr  gehören 
auch  die  Inschriften  an  auf  einer  Bronze- 
"schaufel  von  Padua  Not.  1901,  317,  Fig. 
3 — 4,  die  aus  dem  Euganeengebiet  stammen 
soll,  und  auf  einem  leider  jetzt  verlorenen 
Schwert  von  Ca  de'  Cavri  unweit  Verona 
(Lit.:  Not.  1918,  192,  2).  Pellegrini  gibt 
diesem  Alphabet  nunmehr  den  Namen  des 
A.  von  Magrfe  und  erkennt  in  ihm  den  Sprach- 
ausdruck der  von  den  Venetern  der  Über- 
lieferung nach  zurückgedrängten  »Euga- 
neer«,  die  sich  freilich  schon  für  die  römi- 


schen Berichterstatter  etwas  im  Nebel  ver- 
loren hatten:  über  sie  zuletzt  Pais,  RCL. 
XXV,  1916,  93 — 132.  Die  Weihung  so  zahl- 
reicher Hirschhörner  veranlaßte  Pellegrini, 
das  Heiligtum  für  eine  Jagdgöttin  in  An- 
spruch zu  nehmen. 

Istrien.  Über  einige  noch  in  der  öster- 
reichischen Zeit  ausgeführte  Untersuchungen 
an  Castellieri  und  in  Höhlen  berichten  Batta- 
glia  und  Cossiansich  Bp.  XLI,  191 5,  19 — 39. 
Beachtenswert,  daß  sich  zu  der  einen  Pinta- 
dera,  welche  vor  Jahren  Marchesetti  in  einer 
Höhle  bei  Duino  feststellte,  nunmehr  in  der 
ebenfalls  auf  Marchesettis  erfahrenen  Rat 
und  mit  von  ihm  geschafften  Mitteln  unter- 
suchten Höhle  delle  Gallerie  bei  Draga  noch 
drei  weitere  gefunden  haben,  eine  schon 
früher  bekannt,  abgebildet  32 — 33,  Fig.  8 — 9: 
also  Berührungspunkte  mit  den  Höhlenbe- 
wohnern in  Ligurien.  Ebenfalls  bei  Draga 
in  der  Höhle  del  Tasso  fand  sich  das  erste 
neolithische  Grab  im  Küstenland  und  Karst. 
—  Die  neue  italienische  Verwaltung  hat  den 
begreiflichen  Trieb  gehabt,  in  dem  von  Öster- 
reich so  sorgsam  und  vielseitig  archäologisch 
bearbeiteten  Lande  auch  etwas  Augenfälliges 
zum  Beginn  auszuführen.  Und  so  hat  man 
unter  Calzas  erfahrener  Leitung  in  Pola 
durch  Abreißen  einiger  Häuser  den  Sergius- 
bogen  und  den  Roma-Augustustempel  frei- 
gelegt, in  Triest  den  »Arco  di  Ricardo«, 
einen  augenscheinlich  frühkaiserlichen  Stra- 
ßenbogen  in  der  Flucht  der  älteren  Triestiner 
Stadtmauer,  freizulegen  wenigstens  begon- 
nen. In  Grado  und  Aquileia  hat  man 
österreichische  Ausgrabungen  zur  Aufdeckung 
alter  kirchlicher  Bauten  fortgesetzt,  aus 
Monfalcone  zwei  Inschriften  mit  Dedi- 
kation  an  die  Thermalquellen  von  Mon- 
falcone (Föns  Beleni)  veröffentlicht  (Not. 
1920,  3—14;    99—106). 

Gallia  cispadana  westl.  vomPanaro.  Bei 
Campo  Castellaro  (unweit  Vhö,  nö.  von 
Piadena)  ist  eine  Siedelung  der  »voritali- 
schen« Hüttenbewohner  gefunden,  gleich- 
artig, aber  wohl  etwas  jünger  als  die  bekann- 
ten Siedelungen  von  Lagazzi  und  Ca'  de'  Ci- 
oss,  viel  jünger  als  Cella  Dati  und  ähnliche 
westlombardische  Plätze,  noch  gleichzeitig 
mit  jüngeren  Pfahlbauten  sowohl  lombardi- 
schen wie  solchen   der   Emilia,    noch  volle 


45 


Italien   1914 — 1920. 


46 


Bronzezeit,  also  interessant  für  das  ruhige  | 
Weiterleben  der  Urbevölkerung  neben  den 
verbrennenden  Pfahlbauern,  den»Italikern«:  1 
Castelfranco  und  Patroni  ML.  XXIV,  309—44  ' 
und  Taf.  Vom  Stuckbewurf  der  Hütten  gibt 
Fig.    10  eine  Vorstellung,    Fig.   8  von  den  , 
»Wirtein«,  die  auch  hier  wie  so  oft  wohl  als 
Halskettenteile  zu  verstehen  sind;    durch- 
bohrte Knochen  (Fig.  2e)  und  ähnlich  durch- 
bohrte Bronzeröhren  (Fig.  6a)  möchten  die 
Herausgeber  als   Pfeifen  auffassen.  —  Bei  , 
Brescello  ist  ein  römisches  Privathaus  mit  ' 
schwarz-weißen    Mosaiken,    meist    tessellati 
aber  auch  opus  sectile,  gefunden  (Not.  1914,  j 
161 — 66).  —  Die  Aufdeckung  eines  Teiles 
der  Stadt  Indus tria  erwies,  wie  zu  erwar- 
ten, regelmäßige  Orientierung  wie  im  benach- 
barten Turin,  vervollständigte  vielfach  das  ] 
früher  besonders  durch  die  Atti  della  comm.  ] 
di  Torino  Bekannte.     Bemerkenswert,   daß 
viel   Lezouxkeramik   gefunden  wurde,    also 
auch  hierher  Übergreifen  der  südgallischen  | 
Gewerbekunst    (Not.    1914,    441—43),    das  j 
neuerdings  so  vielfach  von  der  Mitte  des  i.  ! 
Jahrhunderts  der  Kaiserzeit  an  in  Italien  be- 
obachtet wird,  s.  unten  91  Talamone  und  Do- 
nald Atkinson:  Journ.  Rom.  Stud.  IV,  1914, 
27 — 64     über     Pompeji;      charakteristische  | 
Stücke  aus   Rom  im  Heidelberger  archäol.  ■ 
Institut.  , 

Gallia  cispadana  östl.  vom  Panaro. 
Ein  seit  1876  durch  Scarabelli  und  Brizio  mit 
Unterbrechungen  untersuchter  Wohnplatz 
der  Hüttenbewohner,  durch  Pettazzoni  wei- 
ter durchforscht  (ML.  XXIV,  221—78),  er- 
gab unregelmäßig  verteilte  Hütten  (Plan 
225 — 26,  Fig.  A)  mit  Herdplatz  und  Abfall- 
grube,  also  ganz  wie  auf  der  von  Scarabelli 
in  seinem  bekannten  schönen  Werk  veröffent- 
lichten Anlage  auf  der  Höhe  von  Castellaccio 
d'Imola,  die  jedoch  etwas  älter  sein  wird,  da 
siemehr  Steingerät  ergab.  Toscanella  Imo- 
lese  entwickelter,  kurzlebiger.  Mehrere  Hüt- 
tenschichten übereinander  haben  festgestellt 
werden  können,  gerade  wie  auf  Castellaccio, 
in  Castel  dei  Britti  und  Villa  Cassarini  bei 
Bologna.  Daß  das  Verhältnis  dieser  Leute 
und  ihrer  Siedlungen  zu  den  Terremare  auch 
hier  so  ist,  wie  ich  es  Prähist.  Zs.  V,  480 — 81 
=  Atti  e  mem.  d.  R.  Dep.  di  Romagna  IV,  v, 
1915,  21 — 23  dargestellt  habe,  ergibt  sich 
auch  aus  den  Gräbern.     Die  Toten  werden 


ohne  weitere  Ausstattung  gestreckt  in  die 
Erde  gelegt  (229 — 30  Fig.  B,  wenn  zu  dieser 
Schicht  gehörig?).  Die  Leute  gössen  ihre 
Bronzegeräte  schon  selber,  benutzten  noch 
Violinbogenfibeln  und  übernahmen,  bei  aller 
Fortsetzung  eigner  Überlieferungen,  die  sich 
z.  B.  mit  den  im  Vibratatal  üblichen  Formen 
mannigfach  berühren,  besonders  keramisch 
mancherlei  von  den  gleichzeitigen  Pfahl- 
bauern, die  von  Westen  her  neben  sie  rück- 
ten. —  An  diesen  Bericht  schließt  sich  ein 
zweiter  (ML.  XXIV,  279 — 308)  über  Funde 
in  Villa  Cassarini  vor  Porta  Saragoza  (Bo- 
logna). Zuunterst  Urbewohner,  deren  Hüt- 
tenbodenschicht, derjenigen  von  Toscanella 
sehr  ähnlich,  doch  wohl  etwas  jünger;  auch 
hier  neben  vielem  Alteinheimischem  starker 
Terremareeinschlag;  scharf  zu  scheiden  die 
sich  hernach  in  der  Villanovazeit  fortsetzende 
altneolithische  Keramik  mit  ihren  Graffito- 
verzierungen  gegenüber  der  schmucklosen 
Pfahlbaukeramik.  Ob  freilich  Pettazzoni  im 
Wiederaufleben  oder  Fortsetzen  der  älteren 
Keramik  in  der  Villanovazeit  mit  Recht  eine 
Art  nationaler  oder  lokaler  Reaktion  sieht, 
muß  wohl  zunächst  dahinstehen.  Über  dieser 
Urbewohnerschicht  keine  Villanovaperiode, 
sondern  die  Etrusker,  für  deren  Lokalisie- 
rung P.  sich  den  bekannten  Ansichten  Du- 
catis  anschließt.  Zahlreiche  meist  männliche 
bronzene  Votividole  —  nur  zwei  in  länglichen 
Röcken  vielleicht  weiblich  —  lassen  auf  die 
Existenz  eines  etruskischen  Heiligtums 
schließen.  —  Bei  Rimini  ist  laut  Not.  1915, 
3 — 6  auf  dem  Hügel  S.  Lorenzo  in  Monte  in 
weitbeherrschender  Lage  ein  großer  römi- 
scher Bau,  wohl  ein  Tempel,  gefunden,  aus 
dem  2.  Jahrhundert  n.  Chr.  Bedeutende 
Reste  von  Gebälk,  Säulen  und  Kapitellen. 
Erwähnt  sei  auch  der  Grabstein  eines  T.  Fae- 
sellius  Onager,  den  ihm  die  trotz  seines  nicht 
gerade  einschmeichelnden  Namens  und  rauhen 
Äußeren  die  zärtliche  Gattin  viva  setzt,  da» 
bei  zu  ihrem  mit  dem  Eheherrn  gemeinsamen 
Porträt  nochmals  ihre  Büste  in  das  Giebel- 
feld fügend.  Beide  nebeneinander  stehend 
in  realistischer  Lebenstracht,  er  mit  der 
Linken  eine  Handfackel  senkend,  sie  die 
Rechte  beteuernd  vor  die  Brust  legend,  beide 
mit  den"  inneren  Händen  des  anderen  Brust 
berührend,  eine  neue  und  höchst  eigenartig 
sentimental  wirkende  Pose.      Hadrianischo 


47 


Italien   1914 — 1920. 


48 


/ 


Zeit,  bescheidene  Kunst,  trefflicher  Schrift- 
steinmetz (Not.  1915,  33 — 35  und  Fig.  i).  — 
Seine  ein  Menschenalter  hindurch  sorgsam 
betriebenen  Studien,  wie  über  alle  Haupt- 
bauten seiner  Vaterstadt  Ravenna,  so 
auch  über  das  Mausoleum  der  Galla  Placidia 
hat  Corrado  Ricci  nach  den  schon  Arch.  Anz. 
1914,  179 — 80  angeführten  Aufsätzen  im 
Bolletüno  d'Arte  in  einem  besonderen  Buch 
zusammengefaßt:  II  Mausoleo  di  Galla  Pla- 
cidia in  Ravenna,  mit  76  Abbildungen  und 
Plänen,  Rom  1914.  Der  Placidianische  Cha- 
rakter des  Baues  wird  darin  über  allen  Zwei- 
fel erhoben,  auch  nachgewiesen,  wie  er  durch 
seine  Lage  in  dem  durch  Honorius  erweiter- 
ten Stadtteil  und  auf  der  dafür  hergerichte- 
ten Terrassierung  der  Gruppe  der  Placidiani- 
schen  Bauten  unlöslich  angeschlossen  wird. 
Die  Sarkophagfrage  wird  natürlich  im  Sinne 
der  schon  im  Arch.  Anz.  a.  a.  O.  mitgeteilten 
Darlegung  behandelt.  S.  auch  RCL.  1914, 
212 — 13.  —  Im  Verfolg  der  S.  Vitale  und 
dem  Mausoleum  geltenden  Arbeiten  sind  bei 
Trockenlegungen  zwischen  beiden  Gebäuden 
schöne  Mosaikfußböden  bzw.  Unterlagen  zu 
solchen  aus  frühkaiserlicher  Zeit  zutage  ge- 
kommen (Not.  1915,  235 — 39,  Fig.  I — 2).  — 
Die  umfassendsten  Arbeiten  haben  jedoch 
der  Aufdeckung  und  Untersuchung  des  The- 
odorichpalastes gegolten,  über  die  ML. 
XXIV,  737—838,  Tav.  I— VII  eine  vorzüg- 
liche Arbeit  Ghirardinis,  des  warmblütigen 
Italieners,  feinsinnigen  Kunstkenners  und 
liebenswürdig-milden  Gelehrten,  posthum  an 
das  Licht  getreten  ist.  Bescheiden  gibt  die 
Arbeit  sich  als  ersten  Bericht,  dem  eine  Ver- 
einigung des  ganzen  Materials  im  Ravennati- 
schen  Museum  und  alsdann  umfassende  Ver- 
öffentlichung folgen  sollte.  Festgestellt  wird 
der  Grundriß  eines  großen  Teils  des  einstigen 
Palastkomplexes.  Große  Säulenhallen  um- 
gaben einen  vierseitigen  Hof  mit  Mittel- 
bauten, dahinter  ein  besonders  weiträumiger 
Nordbau,  in  dem  außer  einem  mächtigen 
Saal  namentlich  ein  in  Kreuzform  gebauter 
Dreiapsidenraum  auffällt:  dieser  Trakt  mit 
den  Nebenräumen  zweifellos  reiche  Reprä- 
sentationsräume, z.  T.  erst  durch  Theodorich 
gebaut,  weil  keine  früheren  Fußböden  — 
weil  unterm  Seespiegel  —  darunter  waren. 
Südlich  vom  großen  Hofe  sind  kleinere,  z;  T. 
später  zu   größeren  zusammengelegte,    teil- 


weise heizbare  Räume,  die  wohl  nicht  nur, 
wie  Gh.   meint,   zu   Badezwecken,   sondern 
auch  zum  Wohnen  gedient  haben  mögen. 
Hier  legt  sich  eine  höchst  interessante  Folge 
von  Mosaikböden,  bis  zu  drei,  ja  bis  zu  fünf 
;  Schichten    übereinander,    die    hoch    in    die 
1  Kaiserzeit,  Einzelfunden  nach  bis  ins  zweite 
I  Jahrhundert   hinaufführen.      Auch   in   den 
Säulenhallen  ist  solche  Folge  zu  beobachten. 
Die  Musterung  dieser  Mosaikböden  wechselt 
zwischen  bloß  linearen  Motiven  und  figür- 
lichem,  z.  T.   auch  schönem,   feinem,   groß- 
zügigem Opus  sectile.  Leider  bleibt  vorläufig 
das  Verhältnis  der  wiedergefundenen  Teile 
zu  der  Mosaikfassade  des  »Palatium«  auf  der 
rechten  Wand  in  S.  Apollinare  nuovo  noch 
ebenso  ungeklärt  wie  auf  jenem  Bilde  die 
richtige    Benennung   der    Bauten   zwischen 
dem  Palast  und  der  Stadtmauer,  trotz  eifri- 
ger Bemühungen  Pasolinis  und   Riccis,   an 
deren  Kritik  sich  auch  Ghirardini  gewissen- 
haft beteiligt.    Die  Abhandlung  schließt  mit 
einem  berechtigten  und  sehr  verständlichen 
Entrüstungsausbruch    gegen     den     Angriff 
österreichischer  Flieger  auf  S.  Apollinare  nu- 
ovo. —  Erwähnt  mag  schließlich  noch  der 
Fund  römischer  Bauten,  auch  Mosaikböden, 
im   Savenatal  sein,  welche  Negrioli  Anlaß 
geben,  auch  aus  dem  Ortsnamen  »Sesto«  auf 
eine  römische  Straße  zu  schließen,  die  jenes 
Tal  durchzogen  habe  (Not.  1915,  147 — 150). 
Umbrien.   Von  der  Poebene  nach  Mittel- 
italien scheinen  die  verbrennenden  »Italiker« 
im  wesentlichen  von  der  südöstlichen  Ro- 
magna  aus  durch  den  Appennin  vorgedrun- 
gen zu  sein,  wo  einige  Siedelungsplätze  und 
Nekropolen,  von  wo  sie  später  durch  die  be- 
I  stattenden  umbrisch-sabellischen  Stammes- 
I  genossen  verdrängt  oder  assimiliert  wurden, 
Dasein  und  Weg  bezeugen:   Pianello,  Monte- 
leone  unweit  Spoleto,  die  Siedelung  im  Ge- 
biet des   Stahlwerks  bei  Terni,   Palombara 
Sabina,  um  östlich  des  Tiber  zu  bleiben  (Pra- 
hlst. Zs.  V,  476—77  =  Atti  d.  R.  Dep.  di 
Bologna  IV,  v,  12 — 13).    Dem  Bericht  über 
Pianello   unweit  Fabriano  im  Arch.  Anz. 
1914,    181   sind   hinzuzufügen   die   Berichte 
Colinis,    welche  seinen   ersten  weiterführen 
Bp.  XL,   1914,   121 — 163;    Bp.  XLI,    1916, 
48 — 70,  die  letzten  Arbeiten  des  unermüd- 
i  liehen  Typologen,  ferner  die  Behandlung  von 
■  Siedelung  und   Nekropole   durch    den   ver- 


49 


Italien   1914 — 1920. 


50 


/ 


dienten  Entdecker  selbst,  Dali'  Osso,  Guida 
illustrata  del  Museo  naz.  di  Ancona,  1915, 
287 — 309,  worin  sich  auch  die  von  Pigorini 
Bp.  XL,  TJ — 83  dargelegte  Hypothese,  die 
Siedelung  sei  noch  ein  wirklicher  Pfahlbau 
gewesen,  weiter  ausgeführt  findet,  freilich 
ohne  stärkere,  mehr  überzeugende  Gründe; 
S.  288 — 93  einige  Abbildungen  von  Gräbern, 
Fibeln  und  Gefäßbruchstücken  aus  dieser  für 
die  italische  Siedelungsgeschichte  äußerst 
wichtigen  Station. 

Wer  im  Jahre  1914  noch  den  der  Vollen- 
dung nahen  Ternisaal  im  neuen  Flügel  des 
Museums  der  Villa  Giulia  gesehen  hat,  wird 
bedauern,  daß  sein  Inhalt  nicht  bereits  seine 
Behandlung  gefunden  hat  im  1918  erschiene-  ] 
nen  trefflichen  Bd.  I  des  Kataloges  jenes  Mu- 
seums durch  della  Seta.   Die  sorgsamen  Aus- 
grabungsberichte Pasquis  Not.  1907  und  Ste- 
fanis  1914,  3 — 81  mit  tav.  I,  II  sowie  1916, 
191 — 226  müssen  vorläufig  genügen,  um  ein 
Bild  zu  geben  von  den  um  Terni  gruppierten 
Siedelungsspuren   und  Nekropolen,   die   für 
ethnologische  und  kulturelle  Schichtungen  in 
Mittelitalien  an  Wichtigkeit  von  keiner  an-  \ 
deren    Stätte    übertroffen    werden    können. 
Zuunterst  auf  dem  Gebiet  der  Stahlwerke,  j 
2  km  oberhalb  der  Stadt  Terni,  eine  stein- 
zeitliche   Siedelung   der   Urbewohner,    dann  i 
darüber   ebenso  wie  bei   der  Cascata  delle  ] 
Marmore  Gräber  der  verbrennenden  »Itali-  ] 
ker«    (s.  0.),    die    wahrscheinlich    zu    einer 
Siedelung  auf  der  festen  Höhe  von  Pentima, 
nö.  über  der  Ebene  gehört  haben;    daneben  , 
und  alsdann  auch   darüber   umbrische   Be- 
stattungsgräber in  reicher  Fülle,   etwa  um  . 
die  Jahrtausendwende  beginnend,  zunächst 
die  Brenner  noch  nicht  verdrängend,  sondern 
sich  sogar  pietätvoll  neben  sie  setzend,  erst 
allmählich  sie  aufsaugend  oder  vertreibend. 
Die  Brenner  nehmen  in  ihrer  jüngeren  Zeit 
Grabsitten  der  Umbrer  an,  statten  ihre  einst 
sehr  einfach  der  Erde  anvertrauten  Toten- 
reste ähnlich  reich  aus,  legen  den  umbrischen 
ähnliche  Steinkreise  um  und  über  ihre  Grä- 
ber,  führen  ähnliche  Steinreihen  als  Weg- 
weiser auf  sie  hin,  ja  legen  in  Gruben  von 
einer  Abmessung,  als  ob  sie  für  Bestattungs- 
leichen wären,  um  die  Leichenasche  die  Bei- 
gaben so  verteilt,  wie  sie  am  lebenden  Körper 
ihren  Platz  hatten.   Die  ungemein  reiche  und 
interessante    Ausstattung    der    umbrischen 


Leichen  mit  ihren  Waffen,  freilich  nur  An- 
griffswaffen, so  oft  bis  zu  zwölf  Lanzen,  aber 
durchaus  keine  kostbaren  Schutzwaffen, 
Metallzutaten  an  der  Kleidung,  besonders 
die  außerordentlich  zahlreichen  Fibeln  von 
typischen  Formen,  sowohl  bei  Männern  als 
bei  Frauen,  die  vielen  Amulette  usw.  geben 
uns  von  dem  Aussehen  und  der  Lebensgestal- 
tung dieser  Leute  in  den  ersten  Jahrhunder- 
ten des  letzten  Jahrtausends  v.  Chr.  ein  sehr 
lebensvolles  Bild.  Vom  7.  Jahrhundert  ab 
tritt  diese  Siedelung  mehr  und  mehr  zurück; 
die  Gräber,  wenigstens  an  denselben,  leider 
nur  sporadischen  Stellen  des  weiten  Stahl- 
werkgebiets, welche  haben  untersucht  wer- 
den können,  werden  je  näher  der  Oberfläche 
um  so  spärlicher  an  Zahl  und  Inhalt,  während 
sie  zunehmen  in  und  um  das  spätere  und 
heutige  Terni,  wo  besonders  in  der  Nähe  des 
Bahnhofs,  beiS.  Pietro  inCampo  eine  inhalt- 
reiche Gruppe  von  Gräbern,  die  bis  ins  4. 
Jahrhundert  hinabreicht,  sich  nahe  berührt 
z.  B.  mit  den  Gräbern  von  Todi,  wenn  auch 
nicht  mit  so  reichem  etruskischen  Inhalt. 
Die  Hinterwäldlerlage  und  -art  der  Terni- 
bewohner  hat  in  den  älteren  Zeiten  fremde 
Einfuhr  von  ihnen  ziemlich  ferngehalten; 
den  reichlich  vertretenen  Bernstein  mögen 
sie  aus  dem  benachbarten  Picenum  erhalten 
haben,  wo  bekanntlich  von  den  ältesten 
Zeiten  —  Nekropole  von  Belmonte  u.  a.  — 
bis  zu  den  Tagen  des  Plinius  herab  der  Ver- 
brauch enorm  war;  Gold  kam  nur  in  ver- 
schwindend kleinen  Spiralen  für  Hanr  und 
Ohren  vor,  trotz  der  Nähe  Etruriens;  erst 
in  jüngerer  Zeit  wird  das  etwas  anders;  so 
ergab  ein  besonders  reiches  Frauengrab  von 
S.  Pietro  in  Campo  (Nr.  36)  eine  Fibel,  schon 
mit  langem  Kanal,  deren  Bügel  mit  Elfen- 
bein umkleidet  ist,  auf  dem  sich  zwei  frei- 
plastische gegenständige  Greifenköpfe  erhe- 
ben (Not.  1916,  214,  Fig.  20)  und  drei  Elfen- 
beinamulette mit  je  zwei  nebeneinanderge- 
schmiegten  Löwen,  auch  einem  Bes  aus 
Glaspaste.  Abgesehen  von  ziemlich  ein- 
fachem Nutzhandwerk  in  Metall  und  Ton  — 
letzteres  bald  sehr  abhängig  von  der  Indu- 
strie des  Faliskcrländchens  —  tritt  Kunst 
begreiflicherweise  sehr  zurück;  das  originelle 
Produkt  eines  einheimischen  Töpfers  mag  die 
tönerne  Bekrönung  eines  Stockes  0.  ä.  sein, 
die    drei    bärtige    und    kurzhaarige    Köpfe, 


51 


Italien  1914  —  1920. 


52 


mit  niedriger  Stirn  und  Schlitzaugen,  rück- 
wärts aneinandergeschoben  zeigt,  in  denen 
man  tatsächlich  alte  Umbrer  erkennen 
möchte  (Not.  1916,  197,  Fig.  5,  danach 
hier  Abb.  i).  Zwei  ganzfe  Kapitel  aus 
Bd.  I  meiner  italischen  Gräberkunde 
müßte  ich  abdrucken,  wollte  ich  alles, 
was  Terni  für  uns  Neues  und  Wertvolles 
bringt,  hier  vorführen.  —  Auch  bei  Nocera 
Umbra  hat  sich  eine  kleine  Gruppe  altum- 
brischer  Bestattungsgräber  gefunden,  wesent- 
lich ärmlicher  als  die  von  Terni,  wo  sie  ihren 
Vergleichspunkt  findet  in  den  jüngeren  Grä- 
bern von  der  Acciaieria  und  den  älteren  von 
S.  Pietro  in  Campo;  die  einzigen  und  dabei 
frühen   Importstücke  weisen  in  das   8. — 7. 


Abb.  I.     Tönerne  Stockbekrönung. 

Jahrhundert.  Dies  obere  Topinotal,  dicht 
unterhalb  der  hier  schmalen  Hochkette  des 
Appennin,  mag  eine  unwirtliche  Waldgegend 
gewesen  sein,  die  wiederholt  zurückgefallen 
zu^sein  scheint  in  überwundene  Zustände. 
,  So  nach  dem  Eingehen  einer  Siedelung  spät- 
neolithischer  Viehzüchter  am  Südhang  des 
nw.  Nocera  gegenüberliegenden  »Portone«- 
Plateaus,  des  späteren  Totenhügels  (ML. 
XXV,  144 — 47,  tav.  I),  so  wiederum,  bevor 
die  germanischen  Siedeier  der  Völkerwande- 
rungszeit hier  Gualdo  Tadino  gründeten  und 
die  Via  Flaminia,  welche  Leben  in  dies  ent- 
legene Bergtal  gebracht  hatte,  aufgehört 
hatte,  starke  Verkehrsader  zu  sein.  Der  Tote 
scheint  meist  nach  umbrischer  Sitte  gestreckt 
im  Holzsarg  gelegen  zu  haben,  wenigstens  im 
1917  aufgedeckten  Friedhof  der  »Ginepraia«, 
keine  äußeren  Kennzeichen,  keine  Stein- 
kreise oder  Steinreihen  wie  bei  Terni  und 


wenigstens  bei   einem  Grabe  der  Portone- 
gruppe.    Für  die  Art  der  Leute  bezeichnend 
die  vielen  Waffen;    einmal  sogar  eine  Lanze 
bei  einer  Frau,  wie  denn  Eisenmesser  typisch 
sind  für  Frauen  (ML.  XXV,  152).    Aus  sol- 
chen Gräbern,  wie  die  beiden  Noceragruppen 
am  Portonehang,  durch  Pasqui  schon  1897 
bis  1898  aufgedeckt,  erst  ML.  XXV  beschrie- 
ben, und  auf  dem  Hang  der  »Ginepraia«  (Not. 
1918,  103 — 123)  mögen  manche  der  in  diese 
alte  Zeit  gehörenden  Perlen  aus  Bernstein, 
Glas,    Smalt,    sogar    alte    Tonwirtel,    auch 
Bronzesachen   stammen,    welche   im   6. — 7. 
Jahrhundert  n.  Chr.  Hals,  Brust  und  Arme 
langobardischer      Frauen      und      Mädchen 
schmückten,  willkommene  Fundbeute,  und 
mit  deren  Leichen  im  großen  langobardischen 
Grabfeld  vielfach  wiedergefunden  (s.  u.).  — 
Todi,  seit  alters  bekannt  durch  den  Reich- 
tum  seiner   Grabfunde   aus   jüngerer   Zeit, 
viel  Bronze  und  Edelmetall,  kostbare  Geräte 
und  Schmuck,  alles,  wenn  auch  noch  auf 
umbrischem   Boden,    doch   ganz   unter   der 
nachbarlichen  Wirkung   Etruriens  stehend, 
tritt  schon  lange  den  Besuchern  des  Museo 
Villa  Giulia  mit  imponierender   Fülle  und 
Pracht  entgegen.   Der  Bearbeitung,  die  auch 
hier  erst  der  zweite  Band  des  Katalogs  brin- 
gen wird,  wird  in  zwei  inhaltreichen  und  sehr 
sorgsam  gearbeiteten  Abhandlungen  Bendi- 
nellis  ML.  XXHI,  609—84  und  ML.  XXIV, 
841 — 914,   tav.  I— rV  und  39  Textabb.  treff- 
lich vorgearbeitet,  während  der  altbewährte 
Durchforscher  von  Umbriens  Frühzeit  und 
Volksglauben,  Bellucci,  in  einem  besonderen 
Werkchen  La  regione  di  Todi  prima  della 
storia,  Perugia  1915,  die  Frühzeit  behandelt. 
Besonders  ein  überreiches  Grab  in  loc.  S.  Raf- 
faele,    mit    nur    einmaliger    Bestattung   im 
Holzsarg,  bald  nach  Mitte  des  5.  Jahrhun- 
derts geschlossen  —  Bendinelli  setzt  es  et- 
was zu  jung  in  die  Zeit  der  Meidiasvasen  — , 
ergab  eine  Fülle  von  Waffen  aus  Bronze  und 
Eisen,  darunter  einen  prachtvollen,  mit  Sil- 
ber eingelegten  Helm  (ML.  XXIV,  844 — 45, 
Fig.  I  und  Taf.  I — II),  auch  eine  Menge  im- 
portierter Vasen,  darunter  viele  rf.,  nur  noch 
eine  sf.  Schale,  auch  einen  Kolonnettkrater 
von   Pamphaios   signiert  sowie   eine   Pam- 
phaiosschale  (ML.  XXIV,  tav.  III— IV),  auf 
der  einen  Seite  mit  bacchischem  Thiasos,  auf 
der  andern  Dreifußraub.     Aus  dem  Predio 


53 


Italien  1914 — 1920. 


54 


Peschiera  stammt  ein  bemerkenswerter  etrus- 
kischer  Spiegel:  Parisurteil,  dabei  hinter  Pa- 
ris als  bärtiger  Alter  Teukros  (Techri),  hinter 
Turan  eine  dienende  fächerhaltende  Jungfer, 
deren  Funktion  als  Dienerin  bezeichnet  sein 
muß  durch  die  Inschrift  snenaoturn,  also 
snenath  =  Dienerin.  Oben  Aurora,  von 
einem  vielleicht  köchertragenden  Mann  be- 
grüßt, unten  Herakles,  jugendlich,  über  auf- 
schlagenden Flammen  betrübt  sitzend.  Eine 
andere  schöne  Gruppe  wird  als  Vorschmack 
der  Todistücke  auf  der  letzten  Tafel  von 
della  Setas  Katalog  des  Museums  Villa 
Giulia,  tav.  LXIV,  ohne  Text,  abgebildet; 
sie  ist  ML.  XXIII,  626—636,  Fig.  11— 14,  I9 
behandelt:  ein  Hohlstandspiegel,  von  einem 
graziösen  nackten  Jüngling  getragen;  um 
die  Standfläche  läuft  ein  Mäander  aus  Silber. 
Ein  barock  wirkender  Kandelaber,  dessen 
Stab  auf  dem  Kopf  eines  spreizbeinig  auf 
einem  flachen  Ring  stehenden  jugendlichen 
Satyrs  ruht,  der  mit  zwei  Reibern  in  einer 
Reibschale  reibt  und  dabei  dummdreist  auf- 
wärts schaut.  Der  Ring  wird  von  drei  weib- 
lichen Flügelgestalten  in  luftsitzender  Stel- 
lung getragen.  Eine  vierte  ähnliche  ist  an 
der  Mitte  des  Stabes  angeheftet.  Oben  auf 
der  viereckigen  Platte  vier  Enten  und  vier 
eicheiförmige  Anhänger.  Eine  bronzene 
Schnabelkanne,  deren  Henkel  gebildet  wird 
durch  einen  höchst  geziert  stehenden,  auf 
den  Rand  gelehnten  bärtigen  Satyr.  Ein 
schöner  tönerner  Kantharos  in  Form  eines 
Doppelkopfes:  Silen  und  ruhig-schöner  Frau- 
enkopf. Eine  ganz  vereinzelte  Sonderbarkeit 
ist  ein  bemalter  Greifenkopf  aus  Blei  ML. 
XXIII,  Fig.  16.  —  Wie  Todi,  so  ist  auch 
Bettona,  zwar  nach  der  amtlichen  augustei- 
schen Teilung  inUmbrien,  aber  in  der  jünge- 
ren Zeit  ebenso  wie  das  benachbarte,  amt- 
lich zu  Etrurien  gezählte  Perugia  selbst  ganz 
von  etruskischer  Kultur  und  Kunst  durch- 
setzt. Not.  1916,  3 — 29  beschreibt  Cultrera 
ein  gewölbtes  Grab  mit  trotz  Plünderung 
noch  reichem  Inhalt,  Ohrringen,  worunter 
ein  Negerkopf  mit  Kapuze  und  Hut,  Ringe, 
Glassachen,  Reste  von  Reliefurnen,  etruski- 
schen  und  lateinischen  Inschriften,  alles  etwa 
aus  der  zweiten  Hälfte  des  2.  Jahrhunderts. 
—  Weiter  tiberaufwärts,  7  km  von  Cittä.  di 
Castello,  contrada  S.  Mariano,  ist  die  Spur 
eines  Vicus  aufgefunden,  der  wohl  zu    Ti- 


fernum  Tiberinum  gehörte.  Das  aretiner 
Geschirr  sowie  die  zahlreichen  kleinen  Glas- 
balsamari,  neben  grobem  Geschirr,  weisen  in 
das  I.  Jahrhundert  v.  Chr.  Noch  später  ist 
eine  Gruppe  von  20  Gräbern,  nur  3  km,  also 
noch  näher  der  Stadt:  Bendinelli,  Not.  1916, 
164 — 66.  —  Eine  interessante  und  relativ 
guterhaltene  Mineralbadeeinrichtung  bei 
Narni  beschreibt Giglioli  Not.  1914,  219 — 21. 
Nachdem  Mengarelli  ML.  XII,  1902,  den 
großen  Barbarengräberfund  von  Castel  Tro- 
sino  veröffentlicht  hatte,  wartete  man  lange 
auf  die  Fortsetzung  für  den  Fund  von  No- 
cera  Umbra,  dem  ersteren  so  nahe  und 
seit  lange  auch  im  Museo  nazionale  delle 
Terme  ihm  benachbart  schön  aufgestellt. 
Diese  Publikation  ist  nunmehr  erfolgt  ML. 
XXV,  137 — 352,  durch  Pasqui  lange  vorbe- 
reitet, nach  seinem  Tode  von  Paribeni  mit 
gewohnter  Gewissenhaftigkeit  und  Verständ- 
nis zu  Ende  geführt.  Es  war  ein  strategisch 
wichtiger  Punkt,  auf  dem  Sattel  zwischen 
Topino  und  Gualdo,  die  Stadt  Nocera  be- 
herrschend und  damit  die  Via  Flaminia:  da 
lag  der  Friedhof  der  Barbaren,  die  hier  mit 
fester  Hand  über  die  Verbindung  zwischen 
Mittel-  und  Oberitalien  geboten.  Gewiß  nahe 
dabei,  noch  nicht  festgestellt,  die  Siedelung. 
Die  Gräber  natürlich  alle  orientiert,  der  Kopf 
im  Westen,  nach  Osten  blickend,  die  Männer 
reichlich  bewaffnet  (die  Waffen  vielfach  auf 
den  Särgen),  auch  die  Frauen  oft  mit  dem 
Scramasax  neben  sich.  Sogar  Klappstühle 
werden  mitgegeben,  für  Getränke  Bronze- 
gefäße. Speisebeigaben,  besonders  Eier  und 
Hühnerknochen,  auch  Lammknochen,  finden 
sich  in  den  Holzsärgen,  sind  also  am  offnen 
Sarg  als  Totenspeise  hergerichtet  und  mit- 
gegeben worden.  Als  Amulette  sind  nament- 
lich Muscheln  sehr  beliebt  gewesen.  Zur 
,  Pferdeschur  werden  vorsorglicherweise  Sche- 
ren den  Toten  beigelegt.  Unter  den  vielen 
Schmu cks9,chen  auch,  wie  schon  oben  ge- 
sagt, manche  altitalische,  gewiß  Gräbern  ent- 
nommene Stücke.  Für  Halsketten  sind  gern 
Goldmünzen  verwendet,  die  natürlich  chro- 
nologisch wichtig  sind.  Erweisen  sich  auch 
als  letzte  so  verwendete  Münzen  aurei  des 
lustinian,  sogar  fast  alle  stempelfrisch,  so  hat 
Paribeni  doch  gewiß  recht,  wenn  er  sich  gegen 
die  Annahme  erklärt,  es  könnten  noch  ost- 
gotische Gräber  sein.    Ein  Hauptbeweis  sind 


55 


Italien  1914 — 1920. 


56 


für  ihn  zwei  Parallelfunde,  der  eine  aus  Al- 
kalan in  Bulgarien,  ein  Goldfund  von  42O 
Münzen  und  dabei  einigen  Anhängern  aus 
Gold,  die  ganz  denen  von  Nocera  gleichen. 
Jene  Münzen  aber  erstrecken  sich  von  Mau- 
ritius Tiberius  bis  zu  Heraklius  (582 — 641). 
Auch  im  verwandten  Fund  von  Castel  Tro- 
sino  sind  die  jüngsten  Stücke  von  Mauritius 
Tiberius  (582 — 602).  Und  Not.  1916,  329  ist 
über  einen  Juwelenfund  bei  Senise  (Basili- 
cata)  berichtet,  dessen  Stücke  wieder  voll- 
ständig mit  denen  von  Castel  Trosino  zu- 
sammengehen, dabei  besonders  beachtens- 
wert zwei  Ohrgehänge,  deren  Rückseiten  ge- 
bildet sind  durch  aurei  des  Heraklius  und  Ti- 
berius (659 — 668).  Somit  dürfte  die  Zeit 
dieser  so  eng  miteinander  verklammerten 
großen  Funde  gesichert  sein.  Es  sind  Lango- 
bardengräber. 

Picenum,  mit  Einschluß  der  südlichen 
größeren,  bis  über  den  Pisaurus  reichenden 
Hälfte  des  östlichen  »Umbrien«,  die  ethnisch 
zu  Picenum  gehört.  Dies  abgeschiedene 
Stück  Italien  ist  uns  in  seiner  nicht  »itali- 
schen« Eigenart  trotz  dem  deutlichen  Zeug- 
nis der  Inschriften  eigentlich  erst  greifbar 
geworden  durch  Brizios  Ausgabe  der  Nekro- 
pole  von  Novilara,  7  km  südlich  von  Pesaro 
(ML.  V,  1895),  für  die  besonders  nach  der 
typologischen  Seite  Colinis  treffliche  Behand- 
lung der  Funde  im  Vibratatal  (Bp.  XXXII, 
1906,  117 — 73;  XXXIII,  1907,  100 — i8o, 
193—224;  XXXIV,  1908,  50 — 65)  die  wich- 
tigste Ergänzung  boten.  Für  die  gallische 
Besetzung  des  nördlichen  Teils  der  Land- 
schaft wurde  wiederum  Brizios  Bearbeitung 
der  Nekropole  von  Montefortino  bei  Arcevia 
^(ML.  IX,  1901)  grundlegend.  Die  wenigen 
sonst  aus  dieser  stillen  Ecke  bekannt  geworde- 
nen Fundnachrichten,  die  meisten  aus  An- 
cona  selbst,  Numana,  Offida,  Tolentino  u.  a., 
sind  gegenüber  den  vorstehend  genannten 
Berichten  ziemlich  unwesentlich.  Um  so  er- 
staunter war  in  den  letzten  Jahren  vor  dem 
Krieg  wohl  jeder  Besucher  des  Museums  von 
Ancona  über  die  Fülle  wichtigsten  Materials, 
das  sich  dort  angehäuft  und  trotz  ungünstig 
enger  Räumlichkeiten  gut  aufgestellt  findet, 
alles  Material,  über  das  die  italienischen  Be- 
richtsorgane bisher  so  gut  wie  vollständig 
geschwiegen  haben,  wofür  als  einzige  Er- 
klärung die  Überlastung  zugelassen  werden 


kann,  welch  dem  betriebsamen,  findigen, 
praktischen  und  gedankenfrohen  Leiter  des 
Anconitaner  Museums  eben  dies  Museum  und 
die  ihm  so  reich  zuströmende  Ausgrabungs- 
tätigkeit gebracht  haben  und  dauernd  brin- 
gen. Ein  archäologisch  gründlich  durchge- 
bildeter Assistent  wäre  ihm  zu  wünschen. 
Um  so  dankbarer  empfindet  man  die  Hilfe, 
welche  ein  1915  erschienenes,  über  400  Seiten 
starkes  Handbuch  dieses  Museums  uns  nun- 
mehr gebracht  hat:  Dall'Osso,  Guida  illu- 
strata  del  Museo  nazionale  di  Ancona,  con 
estesi  ragguagli  sugli  scavi  dell'ultimo  de- 
cennio.  Ancona,  Stab,  tipogr.  cooperativo. 
54  Tafeln  und  270  Textabbildungen,  dazu 
ein  Plan  des  griechisch-römischen  Ancona 
erhöhen  die  Brauchbarkeit  des  Buches  we- 
sentlich. Leider  lassen  z.  T.  die  Klischees 
selber,  z.  T.  ihre  Wiedergabe  zu  wünschen 
übrig;  doch  wäre  es  unbillig,  die  erschweren- 
den Zeitumstände  nicht  in  Gegenrechnung 
zu  setzen.  Ausgewählt  sind  die  Abbildungen 
mit  viel  Überlegung  und  für  das  weitaus 
meiste  eine  Editio  princeps.  Besonders  im- 
posant ist  im  Anconitaner  Museum  die 
Zimmerreihe,  welche  den  Inhalt  der  über 
300  Gräber  von  Belmonte  Piceno  ent- 
hält, die,  nach  vorangegangenen  wilden  Gra- 
bungen, Dali  Osso  von  1909 — 11  systema- 
tisch geöffnet  und  z.  T.  ganz  im  Museum 
aufgestellt  hat,  zum  größeren  Teil  wenigstens 
so,  daß  die  Gruppierung  der  Fundstücke  ihre 
Verteilung  innerhalb  des  Grabes  zur  An- 
schauung bringt.  Die  sog.  Tomba  del  Duce 
oder  ein  besonders  reiches  Frauengrab  stellen 
sich  den  Gräbern  Bernardini  und  Barberini 
von  Praeneste,  Regolini-Galassi  von  Caere, 
del  Duce  von  Vetulonia  usw.  zur  Seite.  Der 
Absicht  des  »Führers«  entsprechend  gibt 
Dair  Ossos  Schilderung  S.  33 — 91,  115 — 16, 
126 — 27,  133  verbunden  mit  zahlreich  ver- 
teilten Abbildungen  allerdings  keine  wissen- 
schaftliche Aufarbeitung,  sondern  mehr  eine 
Vorstellung  dessen,  was  da  ist,  jedoch  mit 
technischen  und  erklärenden  Bemerkungen, 
die  dem  Benutzer  helfen,  die  Autopsie  zu  er- 
setzen, soweit  möglich.  Sehr  kurz  sind  leider 
auch  die  dem  Ort,  zu  dem  die  Nekropole  ge- 
hören muß,  gewidmeten  Bemerkungen  (iio 
bis  112),  wahrscheinlich  dem  auf  der  Höhe 
des  Mons  Falernus  (Nissen,  LK.  II,  423) 
gelegenen  Vorgänger  der  von  Rom  in  die 


57 


Italien  19 14 — 1930. 


58 


Tennaebene  verlegten  Stadt  Falerio.  Kies- 
gedeckte geradlinige  Straßen,  rechteckige  In- 
sulae  in  Gestalt  großer  Baracken,  die  durch 
Innenteilung  in  Wohnungen  zerlegt  waren, 
sind  merkwürdige  Zeugen  früher  städtischer 
Ordnung  und  sozialer  Gleichung.  Ein  hartes, 
kriegerisches  Volk  waren  diese  Picenter,  de- 
nen sowohl  die  verbrennenden  »Itaüker« 
wie  die  Umbrer-Sabeller  wohlweislich  aus 
dem  Wege  gingen  oder  weichen  mußten. 
Nicht  nur  die  Männer,  sondern  auch  die 
amazonenartigen  Frauen  gingen  mit  ihren 
Waffen,  auch  den  Streitwagen,  bis  zu  sechs 
in  einem  Grabe,  ins  Jenseits,  die  Männer  in 
dicker  Wolltunika,  die  Brust  förmlich  ge- 
panzert mit  einer  Art  Netz  von  Eisenfibeln, 
die  Frauen  mit  Ärmeltunika  und  darüber 
großem  Mantel  aus  Wolle,  der  wieder  bis 
ans  Knie  dekoriert  ist  mit  Myriaden  von 
Knöpfen  und  Ringchen  aus  Bronze,  Glas, 
Bernstein  und  Elfenbein.  Außer  den  An- 
griffswaffen, neun  verschiedenen  Lanzen- 
formen, den  bekannten,  auch  nach  Athen 
gekommenen  picentischen  Hiebschwertern, 
den  iberischen  so  auffällig  gleich,  sowie 
Messern  aller  Art  trugen  die  Männer  auch 
kostbare  Schutzwaffen,  Helme,  Beinschienen 
—  darunter  einmal  ein  Paar  mit  Reliefdar- 
stellung des  Löwenkampfes  des  Herakles  auf 
der  Knieerhöhung,  über  die  die  Schiene 
übergriff  — ,  Schilde,  die  freilich,  wie  die 
vorauszusetzenden  Panzer,  aus  vergängli- 
chem Stoff,  fast  ganz  verschwunden  sind,  usw. 
An  den  Rennwagen,  die  sich  stets  unmittel- 
bar über  dem  Toten  befanden  —  nur  eine 
Schicht  loser  Erde  von  etwa  0,30  m  trennt 
sie  von  den  Knochenresten  — ,  findet  sich 
die  auffällige  Einrichtung  eines  sandalen- 
förmigen,  mit  Eisen  geschienten  Auftritts 
für  jeden  Fuß,  um  sicheren,  vor  Abgleiten 
geschützten  Stand  zu  gewährleisten.  Die 
förmliche  Überdeckung  der  Frauenleichen 
mit  Schmuck  mannigfachster  Art,  verschie- 
denen Halsketten  und  Brustgehängen,  die 
runden  Scheiben  an  den  Kopfseiten  u.  a.  ver- 
anlassen Dair  Osso  mit  Recht,  an  die  Bilder 
der  iberischen  Frauen  aus  Cerro  de  los  Santos 
zu  erinnern.  Dazu  kommen  die  nur  dem 
Küstengebiet  eigenen  dicken,  schweren  Bron- 
zeringe der  bekannten  Picenter  Art,  die  auf 
Brust  und  Bauch  lagen,  zu  Gürtungen  ge- 
hörig, und  alsdann  die  unendlich  vielen  Fi- 


:  beln,  deren  reiche  Varianten  uns  gestatten, 
die  Trägerinnen  von  der  auskhngenden 
Bronzezeit  bis  in  die  Certosaperiode  zu  be- 
gleiten, ja  bis  zum  beginnenden  Keltentum 
der  La  Tfeneformen.  Und  an  den  Fibeln 
—  Eisenfibeln  gibt  es  bis  zu  0,60  m  Länge  — • 
hingen  zahllose  Hängestücke,  besonders  viel 
Bernstein,  der  auch  einen  sehr  wesentlichen 
Bestandteil  der  Halskettenelemente  bildet. 
Die  Bernsteinmassen  sind  geradezu  charakte- 
,  ristisch  für  Picenum,  den  Funden  nach  sehr 
!  viel  mehr  als  für  die  Frauen  der  Gallia  trans- 
padana,  für  die  sie  Plinius  XXXVH,  44  be- 
zeugt, als  Amulett  medicinae  causa,  und 
schließlich,  aber  gewiß  erst  ganz  sekundär, 
auch  decoris  gratia  (Plin.  a.a.O.  42 — 51). 
Schon  1667  berichtet  Paolo  Boccone  von 
gewaltigen  Bernsteinmengen  aus  alten  Fossa- 
gräbern  von  Ancona  (Z.  f.  Ethn.  1900, 
(152) — (159)).  Dali' Osso  bemerkt,  wir  würden 
noch  sehr  viel  mehr  Bernstein  aus  Gräbern 
besitzen,  wenn  nicht  die  Bauern  ihre  be- 
sondere Freude  daran  hätten,  ihn  zum  Ver- 
gnügen ihrer  Kinder  zu  verbrennen.  So- 
lange nicht  zweifellos  Bernsteinfunde  von 
einiger  Bedeutung  und  qualitativ  dem  Grä- 
berbernstein gleich  an  der  adriatischen  Küste 
festgestellt  sind,  werden  wir  freilich  Plinius 
mehr  glauben  müssen,  daß  es  von  Norden 
gekommener  Bernstein  gewesen  sei,  als  Dal- 
rOsso,  der  sich  die  rätselhaften  Mengen,  dar- 
unter Stücke  bis  zu  i  kg  schwer,  durch  ein- 
heimischen Fund  erklären  möchte.  Ein- 
heimische Verarbeitung  des  Bernsteins,  an 
sich  schon  wahrscheinlich,  wird  wohl  gewiß 
durch  den  z.  T.  recht  barbarisch  anmutenden 
Schnitt  der  künstlerischen  Gestaltung,  wenn 
auch  das  Gegenständliche,  so  Gruppen  von 
Löwen,  die  eine  Antilope  oder  einen  Bock 
zerfleischen,  oder  ein  Äffchen  von  der  aus 
den  etruskisch-latinisch^n  oder  den  sardini- 
schen. Gräbern  bekannten  Art  natürlich  öst- 
liche Muster  erweist.  —  Neben  dem  Bern- 
stein tritt  das  Elfenbein  in  auffallenden 
Mengen  hervor,  auch  dieses  sicher  in  weit- 
gehendem Maße  einheimisch  verarbeitet,  mit 
Benutzung  fremder  Vorbilder  aus  der  kre- 
tisch-ostgriechischen Welt:  als  ein  Beispiel 
für  viele  diene  das  Gorgoneion  auf  der  runden 
Scheibe  S.  47.  Löwen,  Gänse,  Widder, 
Flügelpferde,  Sphinxe  bilden  das  animalische 
Inventar  solcher  Darstellungen,  die  sich  teils 


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Italien  1914 — 1920. 


60 


als  Anhänger  an  Fibeln,  teils  als  Reliefs  an 
Gegenständen  oder  sonstwie  verwendet  fin- 
den. Besonders  beachtenswert  ist  eine  in 
Reliefart  geschnittene  stehende  Frauenfigur 
(  2  Exx.)  in  strenger  Vordersicht,  die  Hände 
vorm  Schoß  zusammengefügt,  in  langem 
schwerem  Rock,  mit  großen,  hochaufgerich- 
teten, in  Gürtelhöhe  beginnenden  Brustflü- 
geln, die  Haare  einfach  den  Kopf  umrah- 
mend, das  Gesicht  aus  Bernstein  eingesetzt; 
ein  Antlitz  von  nirvanaartiger  Ruhe;  neben 
ihr,  mit  dem  Rücken  hart  an  sie  geschmiegt, 
seitwärts  gerichtet  bis  zum  Gürtel  reichend, 
zwei  Mädchen,  die  Arme  fest  anliegend,  eben- 
falls in  langen  Röcken:  Gegenstücke  zu  den 
nackten  Knabengestalten  zu  Seiten  des  Wa- 
gens von  Monteleone.  In  diesen  vortreff- 
lichen Stücken  möchten  Dali'  Osso  und 
Pansa  (RCL.  1920,  88)  die  picentische  Dea 
Cupra  erkennen.  Jeder  hierzu  zwingende 
Anlaß  fehlt  allerdings,  und  gerade  diese  Stücke 
scheiden  sich  so  sehr  von  andern  Elfenbein- 
arbeiten, daß  man  sie  als  Zierstücke  eines 
importierten  Gerätes,  Kästchens  oder  dgl. 
ansehen  möchte  (S.  68).  —  Während  Gold 
und  Silber  sehr  selten  ist  und  nur  in  kleinen, 
dünnen  Plättchen  zum  Aufsetzen  auf  Stoffe 
oder  dgl.  vorkommt  —  einmal  eine  Silber- 
schale (S.  107)  — ,  sind  Bronzegeräte  und 
-gefäße  außerordentlich  reich  vertreten,  mehr 
in  den  Männer-  als  den  Frauengräbern;  dar- 
unter manches  Stück,  den  altbekannten  aus 
S.  Ginesio,  Tolentino,  der  Pracht  der  Wagen 
aus  Perugia  und  Monteleone,  dem  schönen 
Lebes  mit  Untersatz  (5.  Jahrhundert)  aus 
Amandola  (S.  93)  vergleichbar,  das  als  Im- 
portstück wird  angesehen  werden  müssen. 
Aber  gewiß  hat  auch  hier  das  einheimische 
Handwerk,  für  Waffenherstellung  ja  schon 
lange  berühmt,  rasch  zugegriffen  und  nach 
den  fremden  Mustern  selbst  gearbeitet,  ganz 
wie  in  Etrurien.  Daher  die  Wiederholung 
derselben  Vorlagen:  so  notierte  ich  mir  im 
Museo  Oliveriano  in  Pesaro  ein  genaues  Ge- 
genstück zu  einem  geradezu  monumentalen 
Gefäßhenkel  aus  Belmonte,  Tomba  del  Duce 
(S-  59,  95):  Krieger  in  Rüstung  des  6.  Jahr- 
hunderts, mit  hohem  Helmbusch,  an  jeder 
Hand  ein  loses  Pferd  führend,  auf  dem  Ge- 
fäßrand in  Höhe  seines  Kopfes  je  ein  liegen- 
der Löwe,  durch  je  eine  Schlange  und  einen 
nach    der   Mitte   fliegenden   Adler    mit   der 


Pferdekruppe  verbunden,  alles  ä  jour  in  vor- 
trefflicher Stileinheit  gearbeitet.  Ebenso 
wird  man  bereits  einheimische  Herstellung 
voraussetzen  müssen  für  zwei  runde,  reliefge- 
schmückte Panzerscheiben  der  bekannten 
Picenter  Art  aus  Rapagnano  (S.  113 — 138; 
116)  mit  Kampfszenen  griechisch  gerüsteter 
Krieger  in  äußerst  geschickter,  an  die  besten 
Beispiele  rotfiguriger  Schaleninnenbilder  er- 
innernder Anpassung  an  die  runde  Form. 
Gegenüber  der  Bronzepracht  tritt  das  Ton- 
geschirr in  seiner  Wirkung  mehr  zurück,  ist 
aber  zur  Feststellung  der  Handelswege  na- 
türlich wertvoller.  Neben  den  verschiedenen 
einheimischen  Gattungen,  durchweg  boden- 
ständig, darunter  viel  Bucchero  älterer  und 
jüngerer  Gattungen  (Abb.  S.  141),  tritt 
ziemlich  viel  Griechisches,  beginnt  jedoch 
später  wie  an  der  Westküste.  Als  Probe 
sind  S.  133  einige  attische  Schalen  und  eine 
Lekythos  aus  der  Zeit  um  und  bald  nach 
500  abgebildet.  Auch  einiges  jüngere,  be- 
sonders Apulisch-Messapische,  findet  sich, 
wenn  auch  lange  nicht  so  viel  wie  in  den 
Gräbern  von  Ancona  und  Numana  und 
weiter  südlich  aus  der  Päligner  Sphäre. 
Auffällig  neben  dem  starken  griechisch-ioni- 
schen Einschlag  in  der  allerdings  vorwiegend 
wohl  einheimischen  Metallotechnik  ist  die 
Spärlichkeit  älterer  griechischer  Keramik, 
die  durch  einiges  Protokorinthische  und 
Korinthische  vertreten  ist.  Daneben  eine 
auf  alten  Formen  weiterbauende  einheimi- 
sche Gefäßkunst,  die  freilich  von  Griechen- 
land gekommene  Anregungen  (z.  B.  die  Am- 
phora S.  58)  nicht  verleugnet.  —  Eine 
zweite  neuerdings  aufgedeckte  Nekropole,  auf 
dem  Plateau  zwischen  Grottamare  und  Cu- 
pramarittima  und  wohl  zum  alten  Cupra 
gehörig,  hat  über  400  inhaltreiche  Gräber 
geliefert,  deren  Inhalt  sorgsam  geborgen 
und  im  Museum  Grab  für  Grab  geschieden 
gut  aufgestellt  ist.  In  schachbrettförmig 
angeordneten  Reihen  mit  Zwischenraum  von 
bis  zu  I  m,  diese  Reihen  in  Gruppen  ge- 
ordnet, die  wieder  je  15  m  voneinander  ent- 
fernt sind,  die  besseren  Gräber  mit  einer 
Unterlage  von  Flußkies  —  wie  in  Spinetoli 
von  Seesand  —  versehen,  zeugen  diese  Grä- 
ber für  etwas  fertigere  und  feinere  Gesittungs- 
formen einer  Bevölkerung,  die  sich  hier  um 
das    nationale    Heiligtum    der    Dea    Cupra 


6l 


Italien  1914 — 1920. 


62 


(Strab.  241)  gesammelt  hatte,  welches  Dal- 
rOsso  ebenfalls  glaubt  in  Gestalt  eines  qua- 
dratischen Sacellum  neben  der  Kirche  von 
S.  Martine  in  Grottamare  wiedergefunden  zu 
haben  (S.  180 — 81),  nicht  unwahrscheinlich 
wegen  des  damit  stimmenden  Fundorts  der 
Hadrianischen  Restitutionsinschrift  aus  dem 
Jahre  127  (CIL.  IX  5294  und  Mommsen 
S.  502).  Wenn  auch  hier  die  Männer  mit 
ihren  Waffen  ins  Grab  gehen,  so  überlassen 
die  Frauen  jenen  doch  dies  Privileg,  auch 
die  hier  überhaupt  selteneren  Streitwagen, 
wenn  sie  sich  allerdings  auch  durch  Be- 
hängen mit  massenhaftem  Metallschmuck, 
freilich  von  leichterer,  gefälligerer  Art,  lan- 
gen, an  der  Seite  herabhängenden  Ketten 
und  dgl.,  vielen  Armringen,  besonders  ge- 
häuften Spiralen,  sowie  durch  die  bis  zu 
2  kg  schweren  Knotenringe  auf  Brust  oder 
Becken  als  leistungsfähige  Genossinnen  ihrer 
Männer  darstellen.  Im  Metallglanz  sonnten 
auch  sie  sich,  wenn  er  auch  nicht  so  massig 
wirkt  wie  in  Belmonte:  große  konkave 
Knopfscheiben  und  große  flache  Reifen,  an 
denen  wieder  kleinere  hängen  oder  in  die 
immer  wieder  kleinere  konzentrisch  einge- 
fügt sind  (s.  Abb.  S.  180,  181,  192,  200), 
ähnlich  so  im  Inneren,  in  Tolentino  und 
S.  Ginesio,  horizontal  getragene  Metallstrei- 
fen, an  denen  zierliche  Kettchen  hängen 
(Abb.  S.  195,  198),  die  ihrerseits  dann  wieder 
häufig  Träger  sind  für  Amulette,  die,  oft  zu 
großen  Mengen  gehäuft,  besonders  gern  als 
wirkliche  oder  in  Bronze  nachgebildete  Cy- 
praeamuscheln  (Abb.  S.  187,  194),  Bullae 
(Abb.  S.  184,  194),  mit  Bronzedraht  um- 
wundene Eberzähne  (z.  B.  S.  191)  usw.  er- 
scheinen. Bernstein  kommt  auch  noch  vor, 
auch  in  großen  Stücken,  aber  viel  seltener, 
Elfenbein  und  Edelmetall  so  gut  wie  gar 
nicht.  —  Ist  die  Aufstellung  dieser  Gruppen 
wissenschaftlich  unschätzbar  wegen  der  Son- 
derung der  einzelnen  Gräber,  so  stellt  sich 
leider  der  Inhalt  vieler  anderer  Schränke 
als  zu  großem  Teil  nach  früherer  Art  typo- 
logisch  geordnete  Masse  einzelner  Fundstücke 
aus  Gräbern  dar,  ohne  Schuld  Dali'  Ossos, 
weil  es  meist  Bestände  älterer  Sammlungen 
sind:  so  die  großen  Fundmengen  aus  Nu- 
mana,'  von  wo  nur  eine  kleine  Gruppe  aus 
staatlichen  Grabungen  stammt  (S.  156 — 60), 
das  meiste  Material  aus  der  großen  Nekro- 


,  pole  Anconas  am  Cardetoabhang  und  vieles 
andere.  Wie  manche  der  Kulturstufen  in 
dieser  Übergangslandschaft,  die  Einflüssen 
von  Nord  und  Süd,  von  Ost  und  West 
gleichermaßen  ausgesetzt  war,  noch  der  Auf- 
hellung durch  sorgsame  topographische,  be- 
sonders —  bei  den  Gräbern  —  stratigraphi- 
sche  Untersuchungen  entgegensehen  müssen, 
lehren  uns  z.  B.  die  Ergebnisse  von  nur  15 
',  Gräbern  aus  Fermo  (S.  96 — lOO)  im  Verein 
\  mit  Beobachtungen  im  Munizipalmuseum 
von  Fermo,  die  bis  jetzt  vereinzelt  dastehen 
durch  starke  Anlehnung  an  die  Villanova- 
sphäre der  Romagna,  besonders  Bolognas 
selbst,  so  die  sonst  in  Picenum  nicht  be- 
kannten Villanovaurnen,  sogar  mit  Metall- 
auflagen (Abb.  S.  104),  der  Cristahelm  S.  97 
die  einfachen  Bogenfibeln  mit  dickem  Bügel 
und  kurzem  Fuß  u.  a.  —  Auch  die  sorgsame 
Ausstellung  des  reichen,  1913 — 14  gewonne- 
nen Materials  aus  der  neo-  oder  aeneolithi- 
schen  Siedelung  und  Nekropole  von  Ripoli 
im  Vibratatal  (S.  408 — 419  mit  zahlreichen 
von  S.  393  ab  verteilten  Abbildungen),  nach- 
träglich dem  Katalog  hinzugefügt,  verdient 
dankbare  Anerkennung;  nicht  mindere  die 
:  Darstellung  des  hellenistisch-römischen  Ma- 
I  terials  vornehmlich  aus  Ancona  selbst,  aber 
auch  aus  Falerio,  Sentinum,  Ascoli  usw., 
einiges  davon,  so  die  so  vorzüglich  in  Bo- 
logna zusammengesetzte  Kline  aus  Holz  mit 
Elfenbeinbelag  S.  370,  schon  früher  bekannt. 
Eine  neue  Auflage  des  Katalogs  würde  in  der 
Einleitung  manches  kürzen,  auch  anders 
fassen  können,  dagegen  sich  den  Dank  der 
Benutzer  erwerben  durch  Verzeichnung  der 
!  namentlich  über  die  älteren,  vor  Dali'  Ossos 
Zeit  ins  Museum  gekommenen  Fundstücke 
vorhandenen  Literatur,  auch  über  die  zu- 
gehörigen Fundorte. 

Etrurien.  Von  außerordentHch  früher 
Anwesenheit  des  Menschen  haben  Höhlen- 
untersuchungen in  den  Apuaner  Alpen  neue 
und  überraschende  Beweise  gebracht.  Zu- 
nächst sind  die  schon  früher  namenthch 
durch  RegnoH  untersuchten  und  manche 
andere  Höhlen  neu  durchforscht,  verschie- 
dene neolithische  Wohn-  und  Grabhöhlen 
schon  mit  Keramik  festgestellt,  dann  aber 
in  der  bekannten  Grotta  all'  Onda  (bei 
Casoli,  710  m  über  dem  Meer)  unter  der 
jungneolithischen  Wohnschicht  (Bp.  XXVI, 


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Italien   1914 — 1920. 


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1900,  196 — 202)  eine  Stalagmitenfläche 
durchbrochen,  unter  der  eine  jungpaläolithi- 
sche  oder  vielleicht  schon  ganz  frühneolithi- 
sche  Schicht  mit  Knochen  großer  pleisto- 
zenischer  Fleischfresser,  wie  Höhlenbär,  Bos 
primigenius  u.  a.  herauskam  und  in  derselben 
Herdreste,  darunter  wieder  eine  unberührte 
Stalagmitenfläche'  und  unter  ihr  abermals 
Herdspuren,  Hyänen-  und  Pantherknochen, 
dazu  Moustörienschaber  u.  a.  (Bp.  XLI,  1916, 
I — 4).  —  Interessant  ist  auch  bei  der  starken 
Verwendung,  die  Völker  auf  primitiver  Kul- 
turstufe gern  von  roter  Farbe  zu  machen 
pflegen,  daß  im  Monte  Amiatagebiet  Mi- 
nengänge gefunden  sind,  mit  welchen  zin- 
noberhaltige  Erzgänge  aufgeschlossen  wur- 
den; und  daß  das  sehr  früh  geschah,  wird 
wahrscheinlich  durch  allerlei  Handwerksge- 
rät aus  Stein,  worunter  namentlich  ein  Ham- 
mer mit  umlaufender  Mittclrinne,  das  sich 
im  Schutt  dieser  Gänge  fand.  Spuren  von 
Grubenholzanwendung  und  Reste  von  Holz- 
geräten, besonders  Gefäßen,  sind  beachtens- 
wert (Bp.  XLI,  5 — 12).  —  An  dem  natür- 
lichen Wege  von  dem  durch  Vetralla  gedeck- 
ten, später  durch  die  Via  Cassia  benutzten 
Talausgang  des  Ciminer  Waldes  zum  Marta- 
tal,  also  zwischen  Vetralla  und  Norchia,  ist 
schon  1903  auf  dem  Poggio  Montane 
eine  Nekropole  leider  unfachmäßig  ausge- 
graben, die  erst  Not.  1914,  297 — 362  durch 
Rossi  Danielli  und  Colini  bekanntgemacht 
wurde,  soweit  noch  möglich:  wichtig,  weil 
in  dieser  einst  gewiß  unwegsamen  Wald- 
gegend weit  und  breit  die  bis  jetzt  einzige 
Niederlassung  der  verbrennenden  »Italiker«, 
klein  und  unbedeutend,  da  am  Abhang  des 
Hügels,  auf  dessen  Kuppe  die  Ortschaft  lag, 
'sich  nur  sechs  Pozzogräber  gefunden  haben, 
von  denen  das  Aschengefäß  nur  in  drei  Fällen 
noch  ungeschützt  im  Boden  stand,  in  den 
drei  andern  in  Tonfässern  geborgen  war; 
nur  noch  eine  Urne  in  der  alten  typischen 
Villanovaform:  also  der  allerletzten  Zeit  der 
Pozzogräber  zugehörig  — •  was  auch  durch 
die  Fibelformen  erwiesen  wird  —  als  viel- 
leicht die  itahsche  Bevölkerung  der  Küste 
begonnen  hatte,  sich  in  diese  noch  unwirt- 
lichen Gegenden  des  Innern  vor  den  von  der 
Küste  vordringenden  Etruskern  zurückzu- 
ziehen, soweit  sie  nicht  blieb  und  sich  unter- 
warf.     Keine  Rücksicht  auf  diese  Gräber, 


also  anderm  —  etruskischem  —  Stamme 
angehörig,  nehmen  in  beträchtlicher  Menge 
gefundene,  ganz  frühe,  in  ihren  ältesten  Ver- 
tretern den  Brandgräbern  noch  fast  gleich- 
zeitige Bestattungsgräber,  die  sich  alsdann 
den  Hügel  hinabzogen,  bis  im  6.  Jahrhundert 
mit  einigen  Kammergräbern  schon  nahe  dem 
Fuß  des  Hügels  die  etruskische  Siedelung 
ebenfalls  ein  Ende  nimmt,  vielleicht  infolge 
der  günstiger  gelegenen,  später  angelegten 
Etruskersiedelungen  nördlich,  östlich  und 
südlich.  Die  im  Bericht  angenommenen 
»Fosse  ad  incinerazione«,  d.  h.  Brandgräber 
schon  in  Gestalt  von  Bestattungsgräbern, 
anderswo  vorkommend  —  ich  erinnere  an 
Terni  oder  Motye  oder  Patons  Funde  auf  der 
Landzunge  von  Myndos  in  Karlen  —  be- 
ruhen hier  auf  mißverständlicher  Auslegung 
einiger  Fundbeobachtungen:  das  im  einzel- 
nen darzulegen  würde  hier  zu  weit  führen.  — 
Bis  jetzt  ist  unsere  Kenntnis  der  voretruski- 
schen  italischen  Brennerschicht  in  Etrurien 
durch  etwa  60.  Siedelungsplätze  mit  ihren 
Gräbern  gestützt.  Außer  durch  Poggio  Mon- 
tano  hat  nur  noch  bei  Populonia  unser 
Wissen  hierüber  während  der  letzten  sieben 
Jahre  eine  Erweiterung  erfahren,  wo  zu  den 
Spuren  ganz  junger  »Italiker«niederlassun- 
gen,  die  wir  aus  der  mit  Eisenschlacken  be- 
deckten Küstenebene  an  der  Barattibucht 
durch  vereinzelte  glückliche  Funde  Falchis 
(Not.  1903,  ii),Pasquis  (Not.  190«,  211 — 14) 
und  Mintos  (Not.  1914,  445,  Pernier,  Em- 
poriuni  XLI,  355)  kannten,  etwas  weiter 
nördlich,  unter  dem  Piano  delle  Granate,  auf 
dem  wohl  die  Siedelung  lag,  ein  Gehöft  oder 
kleines  Dorf,  zur  Gemeinde  Populonia  ge- 
hörig, wenn  es  eine  solche  damals  schon  gab, 
sich  eine  größere  Gruppe  ärmlicher  Brand- 
gräber fand,  dem  Inhalt  benachbarter  etrus- 
kischer  Fossagräber  nahverwandt,  in  viel- 
facher Hinsicht  beachtenswert  und  klärend 
für  das  Zeitverhältnis  dieser  Populonia- 
Siedelungen  zu  jenen  auf  der  Höhe  Vetu- 
lonias,  der  stolzen  Vorgängerin  des  erst  spä- 
ter zu  alsdann  freilich  bedeutendem  Auf- 
stieg kommenden  Verhüttungs-  und  Ver- 
schiffungsplatzes  Populonia  (Not.  1917,  63 
bis  93).  Das  Fehlen  der  für  ältere  Pozzo- 
gräber wie  auch  für  frühe  etruskische  Fossa- 
gräber typischen  Materialforrrien,  wie  z.  B. 
der  halbrunden  sog.  Rasiermesser,  der  Gür- 


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Italien   19 14 — 1920. 


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telbleche,  der  Kahn-  und  Mignattafibeln,  der 
Beile,  auch  das  Vorkommen  der  Bruchstücke 
nur  noch  einer  Hausurne,  dagegen  Schwerter 
und  Dolche,  deren  Grifformen  zusammen- 
gehen mit  denen  der  jüngeren  Bestattungs- 
gräber von  Terni,  das  alles  zeigt,  daß  Po- 
pulonia  später  als  Vetulonia  beginnt  —  ge- 
hörte es  doch  auch  nicht  zu  den  Zwölf- 
städten — ,  aber  dann  in  breiter  Fülle  weiter 
hinabgeht,  wie  uns  ja  die  schönen  attischen 
Vasen,  die  prachtvollen  Bronzen,  dann  auch 
die  über  die  frühen  Gräberschichten  ge- 
breiteten Gräber  mit  »etruskisch- campani- 
scher« Keramik  lehren,  Funde,  über  die 
ebenfalls  für  Piano  und  Poggio  delle  Granate 
Not.  1917  a.  a.  0.  berichtet  ist,  während 
schon  1914  (Not.  1914,  411 — 418,  444 — 463) 
Minto  wichtige,  ganz  mit  Vetulonia  zusam- 
mengehende Funde  der  Zwischenzeit  im 
eigentlichen  Stadtgebiet  und  Grabfunde  in 
der  Barattiebene  nö.  der  Stadt,  besonders 
ein  Rundgrab  reich  an  Edelmetall,  einem 
Wagen  mit  figürlichen  Bronzebeschlägen, 
archaischen  Bronzen,  einer  phönikisch-ky- 
prischen  Lampe,  einem  Hern  zum'  Blasen, 
wie  auf  der  Certosa-Situla  u.  a.,  auch  Bau-, 
namentlich  Mauerreste  gut  bearbeitet  hat. 
—  Das  archäologische  Bild  Pitiglianos, 
wohl  des  alten  Statonia  (s.  Solari,  Topogr. 
stör,  dell'  Etruria  I,  1912,  33.  227),  einer 
der  ganz  wenigen  Etruskerstädte,  für  die 
bis  jetzt  keine  verbrennenden  »Italiker«  als 
Vorläufer  haben  festgestellt  werden  können, 
wie  es  Böhlau,  Jahrb.  1900,  155 — 195  gab, 
hat  seitdem  einige  Erweiterungen  erfahren 
durch  Pellegrinis  Beobachtungen  über  Poggio 
Buco  Not.  1902,  507  und  durch  seinen  Be- 
richt Not.  1903,  267 — 79,  sowie  durch  Minto 
Not.  1913,  334 — 41  und  1914,  88 — 93  und 
zuletzt  durch  Galli,  der  Not.  1918,  12 — 15 
aeneolithische  Gräber  nachweist,  ferner  etrus- 
kische  Kammergräber  z.  T.  aus  geometri- 
scher Zeit.  —  Stehen  die  Berichte  Men- 
garellis  (Not.  1915,  348  versprochen)  über 
die  umfassenden  Untersuchungen  der  ar- 
chaischen Gräber  innerhalb  der  Banditaccia- 
Nekropole  Caeres,  deren  großartige  Ergeb- 
nisse an  den  mächtigen  Rundgräbern  die 
Teilnehmer  des  internationalen  archäologi- 
schen Kongresses  bereits  1912  bewundern 
konnten,  immer  noch  aus,  so  darf,  obschon 
es  sich  um  Altberühmtes  handelt,  doch  dieser 

Archäologischer  Anzeiger  1921. 


Bericht  nicht  hinweggehen  über  den  191 5 
erschienenen  ersten  Band  des  großen  amt- 
lichen Werkes  des  Vatikans,  welches  be- 
stimmt ist,  neben  das  alte  bekannte  Werk 
des  Museo  Gregoriano  etrusco  zu  treten  und 
Rechenschaft  abzulegen  von  der  vielen  und 
fruchtbaren  Arbeit,  welche  in  erster  Linie 
der  Rekonstruktion  des  Grabes  Regolini- 
Galassi  durch  Pinza  und  Nogara  gewidmet 
worden  ist,  dessen  über  unsere  früheren  Vor- 
stellungen beträchtlich  hinausgehenden  Be- 
stände aus  den  verschiedenen  Sälen  des  Mu- 
seo Gregoriano  und  dessen  Magazinen  im 
großen  doppelfenstrigen  Saal  bereits  vor 
1914  vereinigt  und  in  fruchtreichem  Be- 
mühen, namentlich  der  Wagen  und  derbronze- 
plattierte  Thron,  wiederhergestellt  wurden. 
Dieser  erste,  191 5  bei  Hoepli  erschienene 
Folioband  tritt  würdig  in  die  Reihe  der 
früheren  Werke,  welche  Teile  der  vatikani- 
schen Sammlungen  den  jetzigen  Ansprüchen 
gemäß  veröffentlichten:  Materiali  per  la  et- 
nografia  antica  toscana-laziale  I,  496  Seiten, 
66  Tafeln  und  408  Textklischees  (300  Lire). 
Alles  technisch  trefflich  hergestellt,  geschrie- 
ben im  wesentlichen  von  Pinza,  da  Nogara 
sich  auf  eine  einleitende  Geschichte  der 
Sammlungen  beschränkt.  Nach  einigen  Ta- 
feln, welche  Fundstücken  aus  der  ersten  Me- 
tallzeit gelten  und  der  Veröffentlichung  dreier 
albanischer  Gräber  von  Montecucco,  ist  der 
ganze  übrige  Band  dem  Grabe  Regolini- 
Galassi  gewidmet,  der  Geschichte  seiner  Auf- 
deckung, der  architektonischen  Gestaltung 
des  Grabes,  der  Verteilung  der  Beigaben  und 
den  sich  daraus  für  den  Totenritus  ergeben- 
den Folgerungen,  alsdann  der  Veröffent- 
lichung zunächst  des  mitgegebenen  persön- 
lichen Schmucks  aus  Gold,'  woran  sich  Ver- 
suche schließen,  die  ganze  Tracht  im  wesent- 
lichen der  Schmuckträgerin  in  der  hinteren 
Grabkammer  zu  rekonstruieren,  gestützt  auf 
sehr  weitausgreifende  tracht-  und  kunstge- 
schichtliche Untersuchungen.  Dem  ersten, 
im  August  1913  im  Manuskript  abgeschlossen 
gewesenen  Bande  soll  in  Bd.  II  die  Veröffent- 
lichung des  gesamten  übrigen  Fundbestandes 
aus  dem  Grabe  folgen  mit  Beschreibung  und 
kunstgeschichtlich- technischer  Behandlung, 
Rechtfertigung  der  Wiederherstellungen  usw. 
Bd.  III  wird  dann  bestimmt  sein,  anderes 
gleichzeitiges  Material  aus  Caere  und  andern 


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Italien  1914 — 1920. 


68 


örtlichkeiten  der  Öffentlichkeit  zuzuführen. 
Kürzer  wäre  das  höchst  verdienstliche  Werk 
wohl  noch  wirkungsvoller.  Wie  auch  in  sei- 
nen früheren  fleißigen  und  materialreichen 
großen  Arbeiten  über  Sardinien  und  über 
Latium,  in  den  ML.,  sucht  Pinza  mit  über- 
großer Gewissenhaftigkeit  den  Leser  zu  zwin- 
gen, seinen  ganzen  mühsamen  Forschungs- 
gang mit  ihm  zu  machen,  und  überläßt  ihm 
selbst  zu  wenig:  Hes.  op.  40.  — •  Auf  die 
wundervollen  photographischen  Abbildungen 
und  die  so  instruktivcnVergrößerungen  eini- 
ger Hauptstücke  aus  dem  Regolini-Galassi- 
grab  und  verwandten  Gräbern  Etruriens  und 
Latiums  bei  M.  Rosenberg,  Granulation  I, 
1915,  II,  1916,  Eine  Fibelfrage  1915  und 
Rosenbergs  technische  Erläuterung  sei  hier 
ebenfalls  hingewiesen:  es  gibt  keine  Ver- 
öffentlichung, welche  geeignet  wäre,  in  so 
weitgehendem  Maße  die  unmittelbare  Aut- 
opsie der  Originale  zu  ersetzen  und  ihre 
Stellung  innerhalb  der  antiken  Juwelierkunst 
klarzumachen,  als  diese  Arbeiten  des  ersten 
lebenden  Kenners  der  Goldschmiedekunst 
aller  Zeiten.  Für  die  jüngeren  Zeiten  der 
Banditaccia-Nekropole  bringen  die  Not.  191 5, 
/  347 — 387  einen  ergebnisreichen  Bericht  Men- 

garellis  mit  einem  sprachlichen  Anhang  No- 
garas.  Ms.  kundigem  Blick  und  geschickten 
Händen  verdanken  wir  eine  organische,  zu- 
sammenhängende Durchforschung  der  gan- 
zen Banditaccia,  wie  wir  sie  ähnlich  noch  von 
keinem  etruskischen  Gräbergebiet  haben. 
Die  eigentümliche  Lage  dieses  Gräberhügels 
machte  ihn  für  alle  Zeiten  für  Caere  in  dieser 
seiner  Funktion  unentbehrlich.  So  legt  sich 
denn  hier  Schicht  auf  Schicht,  die  jüngere 
vielfach  die  ältere  zerstörend.  An  die  Stelle 
>ytalischer«  Brandgräber,  die  sich  auch  hier 
teils  erhalten,  teils  in  Spuren  fanden,  und 
neben  sie  traten  altetruskische  Fossagräber, 
diese  machten  wieder  seit  der  Mitte  des 
achten  Jahrhunderts  Kammergräbern  Platz, 
auch  einfacheren  jüngeren  Gräbern  und  den 
Zugangswegen  zu  denselben.  Und  diese 
wurden  zum  Teil  wieder  seit  Anfang  des 
4.  Jahrhunderts  das  Opfer  eines  neuen  um- 
fassenden Anlageplanes,  der  die  Banditaccia 
mit  breiten  und  schmalen  Stiaßen  durchzog 
—  s.  Fig.  I — 6  — ,  an  denen  die  seit  eben 
jener  Zeit  typisch  einkammrigen,  im  Innern 
architektonisch  gegliederten  Gräber  gereiht 


lagen  wie  die  Häuser  an  städtischer  Straße, 
ganz  wie  wir  das  Bild  bereits  seit  1876  von 
Orvieto  kennen.  Waren  die  umlaufenden 
Bänke  mit  Toten  belegt,  so  wurden  Wand- 
nischen hergestellt,  die  weitere  Tote  der- 
selben Familie  aufnahmen.  Einzelne  große 
Gräber,  wie  das  Tarquiniergrab,  die  Tomba 
dei  bassirilievi,  zeigen  auch  reichere  Gliede- 
rung, stehengelassene  Pfeiler,  alkovenartige 
Vertiefungen,  übereinander  angeordnete  Rei- 
hen von  Bänken  oder  auch  breite  Bänke,  auf 
denen  die  Toten  im  rechten  Winkel  zu  den 
Grabwänden  gelagert  werden  konnten.  Oft 
mußten  auch  die  Knochen  früher  Beigesetz- 
ter späteren  weichen:  stark  riechende  Pflan- 
zen, besonders  Myrten  umgaben  aus  be- 
greiflichen Gründen  die  scheinbar  offen  nie- 
dergelegten Toten.  Die  Menge  der  Bei- 
setzungen in  dieser  jungen  Zeit  erklärt  die 
beträchtliche  Zahl  von  Cippi  und  Säulchen, 
die  mit  meist  noch  etruskischen,  aber  auch 
vielfach  schon  mit  lateinischen  Aufschriften, 
wenn  auch  noch  meist  mit  etruskisch  ge- 
formter Onomatologie,  über  dem  Grabe  stan- 
den und  die  Identifikation  bei  der  zu  jeder 
neuen  Bestattung  nötigen  \yiederaufgrabung 
des  Zuganges  sicherten.  Sehr  interessant 
und  völlig  neu  ist  Mengarellis  Feststellung, 
daß  als  kleine  Särge  oder  Häuschen  geformte 
Grabaufsätze  nur  Frauen  galten,  während 
die  Männer  mehr  oder  minder  phalloide  Ste- 
len zeigen  (Fig.  7 — 29).  Anders  z.  B.  in 
Tarquinii  wo  cippi  a  cono  tronco  e  base  ro- 
tonda  auch  auf  Frauengräbern  stehen:  Not. 
1919,  220,  I.  So  scheinen  bereits  in  Caereta- 
ner  Gräbern  des  7. — 5.  Jahrhunderts  die 
Männer  auf  Bänken  in  Form  von  Klinai 
mit  Füßen,  die  Frauen  auf  solchen  in  Sar- 
kophagform gelegen  zu  haben.  —  Das  hüge- 
lige Gebiet  zwischen  dem  Ombronetal  und 
dem  Gebiet  von  Vulci,  südlich  von  Rusellae, 
meerwärts  von  Saturnia,  von  der  Albegna 
durchströmt,  archäologisch  früher  vernach- 
lässigt, ist  in  neuerer  Zeit,  seit  1908,  durch 
Grabungen  des  Grundbesitzers  Fürst  Corsini 
bekannter  geworden;  die  prachtvolle  Gold- 
fibel, welche  Milani  veröffentlichte  (RCL. 
1912,  Taf.  zu  S.  315 — 330),  hernach  Rosen- 
berg (Eine  Fibelfrage,  191 5,  S.  5),  der  be- 
rühmten Rusellaner  Fibel  in  New  York  nah- 
verwandt, gefunden  wahrscheinlich  in  einem 
etruskischen    Steinkreisgrab,    wie    die    ent- 


69 


Italien   1914— 1920. 


70 


sprechenden  von  Vetulonia  (Falchi  und  Per- 
nier,  Not.  1913,  425,  435),  läßt  ahnen,  was 
in  diesem  Gebiet  der  Tenuta  Marsiliana 
noch  zu  erwarten  sein  mag,  auch  Voretruski- 
sches,  da  außer  den  nach  Florenz  ins  Museum 
gekommenen  Fundstücken  von  30  etruski- 
schen  Gräbern  auch  z.B.  eine  Villanova-Urne 
aus  Bronze  (abgeb.  Milani,  Mus.  arch.  1912, 
Taf.  CI)  auf  Brandgräber  schließen  läßt. 
Minto  stellt  Not.  1919,  204,  i  eine  Veröffent- 
lichungdieserCorsini-Grabungen  in  erfreuliche 
Aussicht,  wobei  dann  auch  wohl  wird  Stel- 
lung genommen  werden  müssen  zu  der  nahe- 
liegenden Frage,  ob  in  dem  Ort,  der  zu  solch 
bedeutendem  Gräberfeld  gehört,  nicht  etwa 
Caletra  zu  erkennen  sei,  zu  dessen  Gebiet 
bekanntlich  Saturnia  gehörte.  —  Spuren 
einer  anderen  etruskischen  Stadt,  vielleicht 
des  von  Ptolemäus  genannten  Hebe  (So- 
lari,  Topografia  arch.  d.  Etruria  I,  1 18 — 1 19) 
sind  nördlich  der  unteren  Albegna  bei  Ma- 
gliano  entdeckt,  auch  in  geringer  Entfernung 
Kammergräber  mit  Dromos,  durch  das  ein- 
heimische, das  griechisch-importierte  und 
nachgeahmte  Fundmaterial  in  das  7. — 6. 
Jahrhundert  gewiesen  (Not.  1919,  199 — 206). 
Daß  ebenfalls  in  der  Nähe  etruskisch-römi- 
sche  Gräber  schon  früher  auftauchten,  die 
der  Gegend  sogar  den  Namen  »Tombara« 
einbrachten,  wissen  wir  durch  Dennis  C.  a.  C. 
II,  261,  2.  —  Sehr  verdienstHch  ist  Perniers 
erneute  Untersuchung  (Not.  1916,  263 — 81) 
des  großen,  durch  Milanis  Bericht  Not.  1905, 
225 — 42  bekannten  Hügelgrabes  auf  dem 
Montecalvario  bei  Castellina  di  Chi- 
anti  das  nunmehr  vier  gleichmäßig  von 
den  vier  Seiten  in  den  runden  Hügel  ge- 
triebene Gräber  mit  verschiedenen  Seiten- 
kammern ergeben  hat  und  möglicherweise 
in  den  Zwischenräumen  noch  mehr  Gräber 
bergen  mag.  Mit  Hilfe  der  damaligen  Fund- 
stücke wies  Milani  den  Grabkomplex  etwa 
in  die  Mitte  des  7.  Jahrhunderts,  womit  die 
wenigen  nunmehr  hinzutretenden  Stücke 
durchaus  stimmen,  namentlich  ein  wunder- 
voll tektonisch  wirkender,  nach  Perniers 
überzeugender  Rekonstruktion  mit  einem 
Pfeiler  zu  verbindender  Löwenkopf  aus  Pie- 
tra  serena  von  einer  wieder  einmal,  wie  neuer- 
dings so  manches,  an  Kreta,  insbesondere 
Priniäs  erinnernden  Stilisierung  (Fig.  8,  13, 
14).  Da  das  diesem  vermutlich  sehr  ähnliche, 


aber  nicht  identische  große  Hügelgrab,  wel- 
ches, von  Giambullari  1507  erwähnt  (Milani 
225 — 26),  in  der  gleichen  Gegend  lag,  ist  zu 
hoffen,  daß  die  noch  nicht  genügend  durch- 
forschte Chiantigegend  durch  solche  Monu- 
mentalg  -aber  einmal  die  bis  jetzt  noch  dunkle 
Verbindung  herstellen  wird  zwischen  den 
Grabanlagen  älterer  Zeit  im  Florentiner 
Becken  und  um  Cortona  mit  dem  großen 
Siedelungs-  und  Gräbergebiet  im  Westen 
und  Süden  des  Landes.  Für  die  Etruskisie- 
rung  der  Florentiner  Gegend  von  Interesse 
ist  auch  die  Auffindung  der  Spuren  eines  im 
6.  Jahrhundert  begonnenen,  bis  in  die  erste 
Kaiserzeit  fortgesetzten  Heiligtums  mit  ar- 
chaischen Votivbronzen,  rf.  und  sf.  Vasen 
bei  Impruneta,  etwas  südlich  von  Florenz 
(Not.  1918,  210 — 15).  —  Der  aussichtsreiche, 
seit  etwa  zehn  Jahren  betriebene  Plan,  als 
dessen  Hauptförderer  Pigorini  und  Ricci 
immer  wieder  auftraten,  neben  den  vielen 
Gräberaufdeckungen  besonders  in  Etrurien 
auch  einmal  ganze  Stadtbilder  durch  sorg- 
same Bodenforschung  zu  neuem,  zusammen- 
hängendem Leben  zu  erwecken,  wurde  zuerst 
bei  Veii,  dafür  durch  seine  spätere  Verein- 
samung und  seine  bedeutsame  Lage  an  der 
Grenze  dreier  Zivilisationsgebiete  besonders 
geeignet,  seit  März  1913  energisch  angefaßt 
durch  Della  Seta,  Ricci,  CoHni,  Gäbrici, 
Giglioli  und  Stefani.  Auf  die  ersten  Ergeb- 
nisse wurde  schon  Arch.  Anz.  1914,  182 — 83 
hingewiesen.  Der  dort  in  Aussicht  gestellte 
ausführliche  Bericht  ist  mittlerweile  zum 
Teil  erschienen  (Not.  1919,  3 — n,  tav.  I  bis 
VII),  mit  vielfach  überraschend  neuen  Er- 
gebnissen, anderes,  schon  von  mir  mit  Gä- 
brici 1913  Gesehenes  wartet  noch  auf  ent- 
sprechende Bekanntgabe.  Zunächst  berich- 
tet Colini  in  dieser  seiner  letzten  Arbeit  sehr 
anschaulich  über  die  älteren  Gräberreihen, 
über  die  jetzt  erst  ein  brauchbarer  Bericht 
vorliegt,  da  früher  nur  unkontrolliert  und 
ohne  genügende  Berichterstattung  hier  und 
da  gegraben  wurde.  Ergebnis:  zuerst  »Ita- 
liker«gräber  mit  Beisetzungsformen  der  ver- 
brannten Leichen,  wie  sie  den  jüngeren 
Pozzogräbern  des  westlichen  Südetruriens, 
namentlich  Tarquiniis  entsprechen:  Villa- 
novaurnen, Hausurnen,  Doliengräber,  Custo- 
die  di  tufo,  dann  Fossagräber,  neben  denen  die 
Pozzogräber  noch  lange  hergehen,  die  auf- 

3* 


7' 


Italien  1914 — 1930. 


72 


fällige  Verwandtschaft  zeigen  mit  den  For- 
men im  Faliskerländchen  (Loculi,  Holz- 
särge); dann  Kammergräber,  vom  7.  Jahr- 
hundert ab,  die  schwerlich  ohne  bereits  wir- 
kenden etruskischen  Einschlag  zu  erklären 
sind,  daneben  wieder  stärkeres  Aufkommen 
des  Brandes:  wohl  unterworfene  Italiker, 
wie  in  den  beiden  Seitenkammern  des  Gra- 
bes Regolini-Galassi  oder  —  später  —  die 
jüngeren  Urnen  mit  gewölbtem  Deckel  im 
Grabe  Campana  So  ergibt  sich  denn  auch 
für  Veii  eine  wenn  auch  nicht  besonders 
frühe,  so  doch  deutlich  faßbare  Besiedelung 
durch  dieselben  verbrennenden  »Italiker«, 
welche  von  den  Höhen  um  die  vulkanischen 
Seen  herabkommend  nach  Osten  und  Süd- 
osten in  Richtung  auf  das  Tibertal  flußab- 
wärts zu  siedeln  begannen,  sich  aber  bald 
stauten  oder  wenigstens  zu  keiner  größeren 
freieren  Entwicklung  gelangen  konnten  we- 
gen der  über  den  Tiber  vordringenden  be- 
stattenden »Italiker«  sabellischen  Stammes. 
Daß  solche  auch  Veii  innegehabt  haben,  ist 
nach  unserer  jetzigen  Kenntnis  der  dortigen 
alten  Fossagräber  sehr  wahrscheinlich.  Etrus- 
ker  sind  schwerlich  vor  der  Zeit  des  be- 
ginnenden orientalischen  Imports,  der  Re- 
golini-Galassizeit,  der  dann  bald  der  griechi- 
sche Verkehr  folgt,  von  dessen  erster  Wir- 
kung uns  das  früheste  sicher  etruskische, 
das  Campanagrab,  Zeugnis  ablegt,  dort  als 
Herren  aufgetreten,  wohl  nur  wenig  früher, 
als  ihr  Vordringen  nach  Latium  und  Rom 
im  7.  Jahrhundert.  Augenfälligere  Ergeb- 
nisse als  die  Durchforschung  der  Nekropolen 
hat  die  Spatenarbeit  aus  der  Stadt  selbst 
gebracht.  Von  ihnen  bringt  der  obenge- 
nannte Notiziebericht  eine  Veröffentlichung 
der  Reste  großer  Tonstatuen,  die  zum  Be- 
deutungsvollsten gehören,  was  bis  jetzt  etrus- 
kischem  Boden  entstiegen  ist.  Sie  stammen 
aus  einem  auf  der  Südwestecke  des  Stadt- 
gebiets, hoch  über  dem  Fosso  dei  due  Fossi 
(s.  13,  Fig.  i)  belegenen  Heiligtum,  von  dem 
zahlreiche  oben  und  auf  dem  Abhang  ge- 
fundene Ziegel,  Antefixe  und  Votivgegen- 
stände,  unter  denen  auch  Statuetten  aus 
Bronze  sowie  Substruktionsmauern  Zeugnis 
ablegten:  das  alles  harrt  noch  der  Bekannt- 
gabe. Dagegen  versteht  man,  daß  die  im 
Mai  1916  gefundenen  Tonstatuen  vorweg 
vorgelegt  werden  sollten,  nachdem  in  mühe- 


voller und  geschickter  Arbeit  besonders  des 
Frl.  Morpurgo  die  Zusammenfügung  des 
noch  Zusammenfügbaren  vollendet  war.  Daß 
es  nicht  noch  mehr  sein  konnte,  nimmt  wun- 
der bei  der  guten  Erhaltung  der  Stücke  und 
der  augenscheinlich  absichtlichen  Bergung 
der   Kunstwerke,    als   sie,    der  Anlage  einer 


Abb.  2.     ApoUon,  Veji. 

römischen  Straße  weichend,  zwar  schon  zer- 
brochen, in  Hohlräumen  eine  sorgsame,  wohl 
später  Deisidaimonie  verdankte  Unterbrin- 
gung erfuhren  (s.  die  photographischen  An- 
sichten der  Auffindungsstätte  Fig.  2 — ^4). 
Die  zu  einer  antithetischen  Gruppe  vereinigt 
gewesenen  vier  lebensgroßen  Gestalten  kön- 
nen nicht  mit  der  Architektur  des  Tempels 
in  irgendeiner  Verbindung  gestanden  sein, 


73 


Italien   191 4 — 1920. 


74 


Abb.  3.      Kopf  von  Abb.   2. 

sondern  müssen  als  besonderes  Weihgeschenk 
im  Innern  oder  wohl  wahrscheinlicher  inner- 
halb des  heiligen  Bezirks  auf  gemeinsamer 
Basis  ihren  Platz  gehabt  haben.  Apollon 
(Abb.  2.  3),  nach  links  ausschreitend, 
bestimmt,  im  Profil  von  links  gesehen 
zu  werden,  streckte  den  linken  Arm 
etwas  zurück,  während  der  rechte  Vor- 
griff; jedoch  bleiben  beide  Oberarme  dem 
Körper  nahe,  also  war  auch  der  Gegner  zu 
enger  geschlossener  Gruppe  mit  ihm  ver- 
einigt. Dieser  war  Herakles,  allerdings  nur 
an  Löwentatzen  und  Schweifende  auf  der 
Hindin  erkennbar,  die  gefesselt,  aber  wie  es 
scheint  unverwundet  auf  dem  Rücken  am 
Boden  liegt;  den  linken  Fuß  setzte  Herakles 
ihr  auf  den  Bauch,  der  rechte  wurzelte  fest 
neben  ihr  auf  dem  Erdboden  (Abb.  4).  Also  ein 


dem  Dreifußkampf  ähnlicher  Streit  zwischen 
Apollon  und  Herakles;  dieser  war  im  Begriff, 
eine  wohl  der  Artemis  gehörige  Hindin  zu 
rauben,  wogegen  der  Bruder  tatkräftig  ein- 
schreitet, ein  seltener,  nur  durch  die  Monu- 
mentalüberlieferung bekannter  Mythos,  der 
in  der  Tat  mit  der  Kerynitischen  Hindin, 
wie  zuletzt  noch  Robert  wollte  (Arch.  Her- 
men. 272;  Griech.  Heldensage  H,  450),  nichts 
zu  tun  haben  wird,  wie  Giglioli  in  sorgsamer 
Untersuchung  ausführt.  Reste  einer  beklei- 
deten weiblichen  Gestalt,  die  wohl  auf  der 
Seite  des  Apollon  hinter  ihm  ihren  Platz 
hatte,   Artemis,    und   der  prachtvolle,   ver- 


Abb.  4.     Hindin,  Veji. 


Abb.  5.     Hermeskopf,  Veji. 

schmitzt  lächelnde  Kopf  des  Hermes  (Abb.  5), 
mit  einem  weichen  beflügelten  Hut,  bartlos, 
raschen  Schrittes,  einem  erhaltenen  Stück 
aus  der  Schenkelhöhe  zufolge,  heraneilend, 
vervollständigen  die  Gruppe.  Strenge  ioni- 
sche Vertikaldoppelvoluten,  die  Palmetten 
einschließen,  verkleiden  die  Stützung,  welche 
der  vorsichtige  Tonbildncr  zwischen  den 
weitausschreitenden  Beinen  der  beiden  Mit- 
telfiguren für  nötig  hielt.  Die  künstlerische 
Beurteilung  wird  sich  am  sichersten  an  den 
bis  auf  einige  ergänzte  Stücke  am  Unter- 
körper und  die  fehlenden  Arme  gut  erhalte- 
nen Apollon  halten,  eine  bereits  schlanke  Ge- 
stalt von  etwa  7  Yo  Kopflängen,  klar  aufge- 
baut, frei  aber  nicht  gewaltsam  vorschrei- 
tend, das  Hauptgewicht  auf  das  vorgesetzte 
rechte  Bein  gelegt,  jedoch  bei  nur  leiser  Vor- 
beugung des  Oberkörpers,  das  Nackte  straff 


75 


Italien  1914 — 1920. 


76 


und  sehnig  gebildet,  die  Brust  etwas  zu  hoch 
sitzend,  in  dünnem  kurzem  Chiton,  wie  ihn 
Theseus  auf  der  Euphroniosschale  im  Hause 
des  Poseidon  trägt,  darüber  ein  ebenfalls  so 
leichter  Mantel,  daß  die  Körperformen  auch 
durch  ihn  hindurchscheinen,  der  in  feinen 
Falten  gelegt  und  doppelt  umgenommen  die 
rechte  Brust  freiläßt;  der  Schädel  hochauf- 
steigend, oben  rund  gewölbt,  hinten  flach 
niedTgehend,  das  Haar  oberhalb  der 
Tänie  geradf"  g' sträMt  i'nd  flach  an- 
liegend, unter  der  Tänie  in  zwei  Reihen 
Ringellöckchen  - —  ziemlich  freien,  soweit 
die  hier  stärkere  Zerstörung  sicher  sehen 
läßt  — ,  die  Stirn  in  flachem  Bogen  um- 
schließend, an  den  Schläfen  bis  zum  unteren 
Ohrrand  freier  niederrieselnd,  an  den  Seiten 
und  hinten  in  dickeren  aber  weichgedrehten 
Zöpfen  herabgeführt,  die  seitlichen  jedoch 
vom  unteren  Halsrand  ab  ebenfplls  nach 
hinten  im  Bogen  zurückgelegt;  ebenso  am 
Kopf  des  Hermes.  Das  Antlitz,  ruhig-heiter, 
Kinn  und  Jochbeine  kräftig  herausgehoben, 
der  Superziliarbogen  in  ungebrochen  ge- 
schwungener Linie  zur  langen,  schmalen, 
sehr  fein  geformten  Nase  herabgeführt.  Die 
Augenstellung  innerhalb  der  weiten  Augen- 
höhle noch  leicht  archaisch,  der  Innenwinkel 
ein  wenig  nach  der  Nase  zu  gesenkt,  die  Lid- 
spalte mandelförmig,  das  untere  wenig  ein- 
geschwungene Lid  in  leichtem  Relief  aufge- 
legt, am  Nasenanschluß  nicht  mit  dem  oberen 
stärker  gerundeten  Lid  vereinigt,  um  die 
Tränenkarunkel  anzudeuten.  Der  breite 
Mund  zeigt  noch  ganz  leicht  emporgezogene 
Winkel,  die  Oberlippe  ist  schmal  und  gerade 
geführt,  die  Unterlippe,  in  der  Mitte  durch 
einen  leisen  Vertikaleinschnitt  geteilt,  hängt 
I«icht  vor.  Ebenso  sind  die  Grundformen 
beim  Hermes.  Die  Färbung  ist  gut  erhalten, 
sorgsam  und  diskret  durchgeführt.  So  sind 
z.  B.  die  Gewänder  in  der  gelblichen  Ton- 
farbe gelassen,  wie  sie  bei  einem  letzten  Auf- 
trag fein  geschlämmten  Tones  entsteht,  nur 
die  Säume  sind  gefärbt,  die  Haut  zeigt  die 
bekannte  rotbraune  Farbe  männlicher  Fi- 
guren, schwarz  sind  Haare  und  Augenbrauen, 
weiß  die  Augen  mit  rötlicher  Iris,  von  dunk- 
lerem Kreis  umgeben,  die.  Pupille  schwarz. 
Die  Statue  ruht  auf  einer  so  kleinen  Plinth", 
ebenso  der  Hermes,  daß  das  Figürliche  über 
den    Rand   vorspringt;     ein   durchgehendes 


horizontales  Loch  durch  die  Plinthen  in  Ver- 
bmdung  mit  einem  durch  die  Plinthe  von 
unten  gehendem  Loch  und  einem  andern 
hinter  den  Schultern  ermöglichte  Durch- 
stecken von  Tragstangen  und  schuf  reich- 
liche Öffnungen  für  das  Verdampfen  der 
FeuchHgkeit  beim  Brand.  Die  Terrakotta- 
haut selbst  ist  nur  2  cm  dick.  Nirgends  Spu- 
ren angesetzter  Teile.  Die  ganzen^Statuen 
müssen  als  solche  in  einem  Stück  gebrannt 
worden  sein,  eine  technisch  bewundernswerte 
Leistung.  Jetzt  erhält  die  Nachricht  Varros 
bei  PliMusXXXV,  154,  daß  vor  der  Tätig- 
kei*^  des  Damophilos  und  Gorgasos  am  Ceres- 
tempel in  Rom  alles  in  den  Tempeln  etrus- 
kisch  gewesen  sei,  und  ebenda  157,  daß  man 
für  das  tönerne  Kultbild  des  Juppiter  im 
kapitolinischen  Tempel  den  vei'-ntischen 
Künstler  Vulca  gerufen  habe,  der  auch  die 
als  Akroterien  für  den  First  des  Tempels  be- 
stimmten Quadrigen  und  den  tönernen  Her- 
kules arbeitete,  einen  ganz  anderen  festen 
Hintergrund.  Plut.  Popl.  13  läßt  den  Auf- 
trag zu  den  Quadrigen  durch  Tarquinius  Su- 
perbus Tuppy,vot?  Tiaiv  IJ  Our^tW  87)[i.ioupYOt? 
erteilen;  da  der  Tempel  erst  im  ersten  Jahr 
der  Republik  eingeweiht  wurde,  wird  tat- 
sächlich —  wie  es  sich  aus  den  Berichten  bei 
Cicero,  Livius  und  Tacitus  zur  Genüge  er- 
gibt —  in  der  ersten  Hälfte  des  6.  Jahrhun- 
derts erst  der  Plan  gefaßt  (Tarquinius  Pns- 
cus)  und  die  Herrichtung  der  Bauterrasse, 
vielleicht  auch  der  Beginn  der  Substruktio- 
nen  erfolgt  und  unter  Servius  Tullius  der 
Bau  fortgesetzt  sein;  der  von  den  Erklärern 
zu  Tacitus  Hist.  III,  72  nicht  verstandene 
Zusatz  zur  Erwähnung  des  Serviusanteils 
»sociorum  studio«  bezieht  sich  auf  sein  In- 
teresse am  Etruskerbau;  wer  seine  socii 
waren,  wissen  wir  ja  aus  der  Lyoner  Rede 
des  Claudius  und  dem  Frangoisgrab  von 
Vulci  zur  Genüge,  wenn  er  auch  einen  römi- 
schen Namen  annahm,  blieb  er  innerlich 
doch  der  Macstarna.  Nach  der  Nieder- 
werfung der  Volsker  brachte  dann  der  letzte 
Tarquinier  den  Bau  der  Vollendung  nahe: 
er,  nicht  wie  Plinius  irrtümlich  berichtet, 
der  erste  Tarquinier,  kann  es  nur  gewesen 
sein,  der  für  die  letzte  künstlerische  Aus- 
stattung des  Tempels  zu  sorgen  hatte  und 
die  Veienter  Tonkünstler  dazu  rief.  Und  in 
diese  selbe  Zeit  gehören  nun,  das  hat  Giglioli 


n 


Italien   19 14 — 1920. 


78 


in  sorgsamer  Untersuchung  dargelegt,  auch   j 
die  neuen  großen  Tonwerke  aus  Veii,   mit 
denen  uns  also  ein  klarer  Einblick  in  die 
Kunststufe    des    kapitolinischen    Tempels, 
überhaupt  des  damaligen  Roms  gegeben  ist. 
Der  große  Schritt  vom  Campanagrab  bis  zu 
der  neugewonnenen  Stufe  wird  hoffentlich 
noch  durch  weitere  Funde  gefüllt  werden; 
unmittelbar  an  letztere  anschließend  folgen 
dann  Werke,  wie  die  in  der  Technik  noch 
unsichere  aber  das  damalige  Etrurien  noch 
fest     beherrschende     chalkidisch  -  sizilische 
Griechentum  schön  kennzeichnende  Bronze- 
statuette 447  desBritischen  Museums  »Aphro- 
dite« (Select  G''eek  Bronzes  in  the  British 
Museum  pl.  VI;    Mansell  2244)   aus  Suessa 
Aurunca,  also  mehr  wie  halbwegs  nach  Kyme, 
trotzdem,  nicht  nur  der  Schnabelschuhe  we- 
gen, wohl  sicher  etruskisch  und  nach  Schädel- 
form,   Gesichtsbildung  und   Gesamthaltung 
den  Veienter  Werken   auf  das   engste  ver-    \ 
wandt,  wieder  einmal  ein  schönes  Beispiel 
für  die  Wahrnehmung,  daß  Tonplastik  und 
Metallguß  im  engsten  Verwandtschaftsver- 
hältnis  zueinander   stehen,    die   erstere   als 
notwendige  Vorbedingung  der  letzteren  diese 
auch  ins  Leben  ruft  und  ihr  die  Wege  weist,    j 
—  Der  Wunsch,  nicht  nur  in  Kopenhagen, 
sondern  auch  in  Florenz  die  Grabgemälde 
Etruriens    in    Nachbildungen    vorzuführen 
und  so  der  Nachwelt  zu  erhalten,  führte  noch 
Milani  1910  und  191 1  dazu,  die  im  Gegensatz 
zu   Corneto  immer  etwas  zurückgetretenen 
Gemälde  von   Chiusi   neu  untersuchen  zu 
lassen.    Ein  Bericht  Gallis  Not.  1915,  6 — 16 
gibt  das  Wenige,  was  noch  von  einem  bereits   ; 
von  Dennis  gesehenen  Grabe  auf  der  Spitze 
des  Poggio  Renzo,  unweit  der  Tomba  della  , 
scimmia  an  Malerei  vorhanden  ist,  5.  Jahr-   j 
hundert,  wie  ja  dieChiusiner  Kammergräber   [ 
mit   Gemälden   fast   durchweg,    aber   lange  ] 
weitergebraucht,  bis 2. — i .  Jahrhundert ;  auch 
hier  die  Farben  nach  Chiusiner  Art  unmittel- 
bar auf  den  Tuff  gesetzt:   Reste  von  Sym-   ; 
posionszene  und  schön  erhaltene,   ein  Com-   \ 
pluvium  nachbildende  Decke;  da  der  Hügel- 
gipfel, in  den  das  Grab  mit  Dromos,  Atrium 
und  drei  Kammern  hineingetrieben  ist,  in- 
mitten der  alten  Nekropole  liegt,  die  uns  in   . 
Etrurien    zuerst    mit    den    voretruskischen 
Brandgräbern  bekannt  machte  (1874 — 75), 
fanden  sich  auch  in  dem  Hügel  gute  Beispiele 


der  letzteren.  Alsdann  wurde  das  seit  1866  un- 
zugängliche Grab  di  Tassinaia  neu  unter- 
sucht und  die  interessante  Malerei  bekannt- 
gemacht: an  gemalten  Nägeln  aufgehängte 
Kränze  mit  Tänien,  pickender  Rabe,  ganz 
römisch  aussehender  Mann  und  Frau,  jedoch 
noch  mit  etruskischen  Beischriften,  zwischen 
den  Festons  hängend  gemalte  lunulae  mit 
runder,  von  ihnen  umschlossener  Scheibe, 
runde  Metallscheiben  an  den  Schmalseiten 
gemalt:  alles  eine  junghellenistische  Verzie- 
rungsweise, die  an  Delos  erinnert  und  gewiß 
richtig  von  Galli  ins  2.  Jahrhundert  gesetzt 
wird:  für  Etrurien  eine  in  Malerei  sonst  kaum 
vertretene  Zeit  (Fig.  8 — 10).  S.  16 — 23  folgt 
dann  ein  Bericht  von  Schiff  Gio"gini  über 
die  in  diesem  Hügelkopf  bei  der  Gelegenheit 
gefundenen  Brandgräber,  unter  denen  ein 
Canopusgrab  besonders  bemerkenswert  ist, 
weil  das  figürliche  Aschengefäß  selbst  ebenso 
wie  der  durchbrochene  Lehnsessel  mit  hell- 
gelblicher Farbe  überzogen  und  darauf 
braunrötliche  Streifenmalerei,  auf  den  Kopf 
weiße  Malerei  gesetzt  ist  (Fig.  i — 3):  das 
erste  Beispiel  eines  bemalten  Canopus.  Die 
Zeit  wird  durch  ein  griechisches  Gefäß  ins 
7.  Jahrhundert  bestimmt.  Der  an  wert- 
vollem Inhalt  reiche  Bestand  eines  Chiusiner 
Grabes  des  3.  Jahrhunderts,  mit  Silbergefä- 
ßen, Silbertheken,  farbigen  Aschenurnen 
usw.,  wurde  1913  für  Boston  erworben  und 
von  Eldridge  AJA.  XXII,  1918,  251—294 
herausgegeben  (19  Abb.).  ML.  XXIII, 
277 — 312,  tav.  I— IV  veröffentlicht  Della 
Seta  auf  den  Tafeln,  von  denen  zwei  farbig, 
die  Bruchstücke  zweier  Stamnoi  aus  einem 
Grabe  der  ersten  Hälfte  des  fünften  Jahr- 
hunderts bei  Campagnano,  die  auf  schwar- 
zen Grund  rot  aufgemalte  Figuren  zeigen, 
nach  dem  Brand,  also  für  Sepulkralzwecke. 
Die  tanzenden  Männer,  auf  A  ganz  nackt, 
auf  B  mit  kleinen  shawlartigen  Tüchern,  in 
Motiv  und  Bewegung  ungriechisch,  knüpfen 
am  ersten  an  Tänzer  auf  Grabwänden,  be- 
sonders von  Corneto  (del  Citaredo,  del  Tri- 
clinio,  delle  bighe,  Querciola  oder  T.  d  Orfeo 
c  d'Euridice  von  Chiusi)  an  und  stellen  ver- 
mutlich ausnahmsweise  Arbeiten  etruski- 
scher  Wandmaler  auf  Gefäßen  dar.  Ein  ähn- 
liches Gefäß  steht  schon  seit  länger  im  Mu- 
seum von  Corneto.  Della  Seta  stellt  die  Be- 
einflussung fest  durch  die  Malweise  der  atti- 


79 


Italien  1914 — 1920. 


80 


sehen  streng  rf.  Vasen,  also  wie  bei  den  Grab- 
gemälden. Da  solcher  Männertanz  auf  atti- 
schen Vasen  jedoch  nicht  vorkomme,  sieht 
er  in  ihm  sowohl  auf  den  Grabwänden  wie 
auf  diesen  Vasen  eine  wichtige  Stufe  der 
etruskischen  Totenkultvorstellungen  und 
gibt  über  den  Wandel  der  etruskischen 
Totenkultideen  und  der  Tanzformen  im  be- 
sonderen 303 — 310  eine  vortreffliche,  auf 
feine  Beobachtungen  gegründete,  in  dieser 
Art  neue  Darstellung.  Als  Herstellungsort 
vermutet  er  die  Etruria  marittima,  Caere 
oder  Corneto,  letzteres  wohl  wahrschein- 
licher. —  Cultrera,  der  jetzige  Leiter  des  Cor- 
netaner  Museums,  veröffentlicht  Not.  1920, 
245 — 58  zwei  Kammergräber,  nahe  den 
f  Gräbern   »della  caccia  e   pesca«,   »delle  leo- 

nesse« und  »della  pulcella«,  deren  eines  neu, 
das  andere  schon  früher  geöffnet,  aber 
wieder  geschlossen  und  vergessen  war;  beide 
ausgeplündert.  Ersteres,  junghellenistisch, 
interessant  durch  einen  aus  Festons,  Bän- 
dern und  runden  Scheiben  zusammenge- 
setzten schmalen  Fries,  die  Tür  innen  be- 
wacht durch  zwei  etruskische  Dämone, 
gemalte  Kassettendecke,  in  der  eins  der 
Felder  noch  auf  braunem  Grund  kleine 
rötliche  Knäbchen,  welche  grüne  Blatt- 
kränze tragen,  zeigt.  Außer  Scherben  ein- 
heimischer ordinärer  Topfware  einige  »etrus- 
kisch-campanische«,  sowie  die  Stücke  einer 
reliefierten,  außen  zum  Teil  braunen  Por- 
zellanschale (Fig.  12)  und  einer  bunten, 
gläsernen,  mit  Gold-  und  Silberlichtern, 
auch  Bronzescheiben  mit  Holzresten,  die 
auf  eine  Kline  schließen  lassen.  Sowohl  in 
diesem  wie  im  andern  Grabe  einige  Nenfro- 
cippen  mit  etruskischen  und  lateinischen 
Inschriften.  Dieser  Fund  gibt  dem  Be- 
richterstatter Anlaß,  in  ausführlichen  Dar- 
legungen seine  Ansichten  über  die  zeit- 
liche Verteilung  der  Grabgemälde,  beson- 
ders die  Notwendigkeit,  mit  ihnen  bis  in 
das  2.  Jahrhundert  hinabzugehen,  auseinan- 
derzusetzen und  ferner  die  topographische 
Frage  wieder  anzufassen,  um  sich  gegen 
Pasqui  und  Pernier  auch  für  das  etruskische 
Tarquinii  wieder  für  das  Piano  della  Regina 
zu  erklären  (Not.  266—75).  Je  weniger  ich 
selbst  geneigt  bin,  ihm  hier  zu  folgen,  um 
so  freudiger  würde  auch  ich  natürlich  seinen 
Wunsch  nach  gründHcher  Spatenarbeit  auf 


jenemHügel begrüßen.  —  ML.XXIV,  5 — 120, 
tav.I — IV  macht  Galli  einen  polychromen  Sar- 
kophag von  Torre  S.  Severo  (sw.  vonOrvi- 
eto  oberhalb  des  Bolsener  Sees)  bekannt,  aus 
einem  Kammergrab  (Fig.  2),  in  dessen 
Hauptraum  der  Sarkophag  stand.  Nach 
den  reichlich  mitgefundenen  und  gut  abge- 
bildeten Beigaben  steht  die  Zeit,  4. — 3.  Jahr- 
hundert, fest.  Die  Hauptseiten  zeigen  in 
ziemlich  hohem  Relief  den  Troermord  an 
Patroklos'  Totenfeier  und  die  Schlachtung 
der  Polyxena  an  Achills  Leiche,  die  Schmal- 
seiten Odysseus-Kirke  mit  den  Verwand- 
lungsszenen und  das  Nekyiaopfer  mit  merk- 
würdiger Unterweltdarstellung.  In  den 
Giebeln  Acheloosmasken,  von  schlangen- 
haltenden Männern  flankiert,  Jünglingen  an 
der  Kirkeseite,  Bärtigen  an  der  andern.  Gal- 
lis  sorgsame  Behandlung  betont  mit  Recht 
allerlei  Nachklänge  an  malerische  Vorbilder 
des  5.  Jahrhunderts.  Der  Troermord  berührt 
sich  eng  mit  der  Tomba  Frangois  von  Vulci, 
der  Cista  R6vil  u.  a.,  Hades  mit  der  Hunds- 
kappe und  Persephone  hinter  ihm  mit  den 
bekannten  Gestalten  der  Gräber  dell'  Orco 
von  Corneto  und  der  Tomba  Golini  von  Or- 
vieto.  Interessant  sind  die  Darstellungen 
der  Gräber  des  Achill  und  Patroklos  mit  zu 
den  Seiten  der  fiktiven  Tür  hängenden  Opfer- 
schalen; auch  die  Schattenbilder  des  Pa- 
troklos und  Achill,  eingewickelt  in  ihre  To- 
tentücher und  -binden  und  den  Mundbinden. 
—  Auch  durch  andere  Funde  hat  unsere 
Kenntnis  der  jüngeren,  mehr  national-etrus- 
kischen  Zeit  und  Kunst  Bereicherungen  er- 
fahren. Zunächst  aus  der  Gegend  von  Pe- 
rugia. Not.  1914,  135 — 41  berichtet  Minto 
über  ein  Kammergrab  im  Südwesthang  des 
Hügels  von  Santa  Giuliana,  teils  Bestattung, 
teils  Brand,  wie  so  oft  in  diesem  alten  Misch- 
gebiet, aus  dem  es  gelang,  trotz  früherer 
Plünderung  noch  einige  wertvolle  Stücke  zu 
bergen,  so  eine  rf.  Schale  >>faliskischer«  Art 
(Fig.  i),  deren  Innenfläche  ausgefüllt  wird 
durch  eine  von  Minto  in  ihrer  grotesk  un- 
genierten Komik  nicht  erkannten,  wenigstens 
nicht  exegetisch  gewürdigten  Darstellung 
eines  noch  eben  auf  einem  Bein  ruhenden 
weinfrohen  Silen,  den  ein  Satyr  aufrecht 
hält,  während  die  mit  der  linken  Hand  aus- 
geführte Handlung  einer  Mänade  auf  der 
andern  Seite  durch  die  Corna,  welche  die 


8i 


Italien  191 4 — 1920. 


82 


Finger  ihrer  rechten  Hand  ausführen,  auf 
südliche  Weise  klargemacht  wird.  Als  Kunst- 
werk unbedeutend,  aber  mit  neuem  Motiv: 
ein  bronzener  Herakles,  von  einer  Kande- 
laber- oder  Kottabosbekrönung,  nackt,  links 
hochauftretend,  rechts  auf  die  Keule  ge- 
stützt, in  der  Linke.n  Trinkhorn  (Fig.  2). 
Der  bedeutsamste  Fund  ist  jedoch  ein  Spie- 
gel, der  im  Typus  guter  alter  Dreifiguren- 
komposition Itys  zwischen  den  schwert- 
bereiten Prokne  und  Philomela  zeigt 
(Fig.  4  und  RCL.  XXHI,  1914,  97;  unsere 
Abb.   6).     Minto    hat    RCL.    89 — in    eine 


Abb.  6     Spiegel  aus  Perugia. 

kundige  Einreihung  des  Spiegels  in  die 
literarische  und  monumentale  Überliefe- 
rung (über  diese  s.  jetzt  auch  Robert, 
Griech.  Heldensage  I,  154 — 162)  gegeben, 
leider  ohne  neben  den  Schalenbildern 
aus  München  und  dem  Louvre  auch  die 
immer  noch  unveröffentlichte  Amphora  der 
Villa  Giulia  aus  Falerii  (Heibig,  F.  HS, 
S.  363)  abzubilden.  —  Aus  einem  zerstörten 
Brandgrab  in  der  Nähe  Perugias  (Not.  1915, 
261 — 62)  stammt  ein  Paar  schöner  goldner 
Ohrringe,  tordiert,  in  einen  Löwenkopf  endi- 
gend, einer  im  4. — 3.  Jahrhundert  auch  in 
Etrurien  häufigen  Form,  die  jedoch  gut  grie- 
chisch ist:  im  selben  Band  der  Not.  1915, 
234  ist  ein  sehr  ähnliches,  etwas  strengeres 


Paar  aus  Gela  abgebildet,  dies  gewiß  noch 
aus  dem  4.,  das  Peruginer  vielleicht  schon 
aus  dem  beginnenden  3.  Jahrhundert.  — 
Als  erstes  Anzeichen  einer  bisher  unbekann- 
ten Nekropole  Perugias  im  Westen  der  Stadt 
zwischen  dem  Kloster  S.  Francesco  und  den 
antiken  Thermen  von  San  Galigano  ist  ein 
in  mehrfacher  Hinsicht  bemerkenswertes 
Urnengrab  gefunden  (Not.  1914,  322 — 44), 
das,  wenn  auch  noch  durch  einen  gewaltigen 
Travertinblock  fest  verschlossen  (Fig.  2), 
doch  antik  geplündert  war.  Schema  das 
übliche:  langer  Dromos  mit  Vestibulum 
und  Atrium,  an  das  drei  Kammern  so  an- 
schließen, daß  eine  Kreuzform  entsteht  (Fig. 
I ).  Ungemein  sorgfältige  Abwässerung  durch 
förmliche  Kanalisierung  des  Innern,  das  im 
Atrium  und  der  Mittelkammer  den  Boden 
teilweise  bedeckt  zeigte  mit  Resten  von 
Kohlen  und  Asche,  schwerlich,  wie  Minto 
meint,  Spuren  eines  Ustrinums  innerhalb 
des  Grabes,  sondern  Ausübung  der  bei  vielen 
Brennervölkern,  so  auch  vielfach  in  Italien 
üblichen  Sitte,  Rogusasche  in  das  Grab  zu 
tun,  z.  B.  die  Aschenurne  in  Rogusasche  zu 
betten  oder  dgl.  Von  den  Urnen  ist  eine 
leider  mangelhaft  erhaltene  wichtig,  weil  sie 
Brunns  Deutung  der  Peruginer  Urne  I,  Taf. 
LXVIII,  I  auf  den  Kampf  um  Achills  Leiche 
bestätigt  durch  Inschriften,  die  auf  die  Fuß- 
leiste aufgemalt  waren  und  die  Namen  Achlc, 
Utzte  und  Paris  zeigten,  daneben  sonder- 
barerweise noch  Reste  der  Namen  von  sieben 
Personen,  die  sich  gar  nicht  auf  der  Urne 
finden;  Minto  wird  recht  haben  mit  der  Ver- 
mutung, daß  mechanische  Kopie  der  Namen 
von  einer  Vorlage  von  rechts  nach  links  ge- 
schrieben und  Weglassung  von  Figuren,  die 
keinen  Platz  hatten,  für  beides  die  Erklärung 
geben,  lehrreich  für  das  Verhältnis  der  Ur- 
nenbildhauer zu  ihren  Vorlagen  und  für  de- 
ren Beschaffenheit.  Eine  gut  erhaltene  Tra- 
vertinurne  mit  der  Iphigenienopferung  (eine 
solche  auch  beim  Hospitalbau  am  Monte 
Luce  gefunden:  Not.  1914,  166 — 67),  ver- 
schiedene Urnendeckel  mit  Inschriften  der 
Calisnafamilie  (Fig.  3,  5 — 8),  ein  trübseliger 
Spiegel  mit  zwei  sich  gegenüberstehenden 
»Dioskuren«,  eigenartiges  Bronzearmband 
mit  vier  teils  den  Schaft,  teils  die 
Ösen  überschnäbelnden  Gänseköpfen  (Fig. 
10),  allerlei  Keramik,  darunter  Reste  eines 


83 


Italien  1914 — 1920. 


84 


^ 


großen  spätetruskisch  gemalten  Kraters  mit 
Greifen- Arimaspenkampf  (Fig.  11):  alles  das 
zeigt,  daß  die  Calisna  das  Grab  im  3.  und 
2.  Jahrhundert  im  Gebrauch  hatten.  — 
Urnengräber  von  Trequanda,  Prov.  Sicna, 
;in  der  Grenze  des  Chiusinischen  aus  dem 
2.  Jahrhundert  haben  ihren  Inhalt  ins  Mu- 
seum von  Pienza  abgegeben,  darunter  meh- 
rere, die  deutlich  Nachbildungen  von  Holz- 
truhen sind,  mit  Inschriften,  Keramik  und 
hellenistischen  Glasfläschchen:  Not.  1915, 
263 — 69.  Eine  Troilosurne  entstammt  einem 
Grabe  bei  Cordigliano,  Prov.  Perugia: 
Not.  191 5,  270 — 73.  —  Ungleich  wichtiger 
als  die  bisher  genannten  Funde  aus  der 
jungetruskischen  Zeit  sind  Entdeckungen  in 
Arezzo  (Pernier,  Not.  1920,  167 — 215  und 
Taf.  I — IV,  woraus  ein  von  Wiederholungen 
der  wesentlichsten  Abbildungen  begleiteter 
Auszug  Perniers  in  »Dedalo«,  Rassegna 
d'Arte  diretta  da  UgoOjetti  I,  1920,  75 — 86; 
Del  Vita,  Not.  a.a.O.  215 — 217:  Bericht 
über  den  Fund  wichtiger  Majolikamengen 
in  einem  Brunnen  desselben  Fundgebiets). 
Das  Problem,  ob  die  von  Plinius  III,  52 
neben  den  Arretini  Fidentiores  und  den 
Arretini  lulienses,  augenscheinlich  Gruppen, 
die  ersten  sullanischer,  die  zweiten  cäsari- 
scher Kolonisten,  genannten  Arretini  Veteres 
auch  örtlich  von  dem  Wohnsitz  der  Neu- 
bürger getrennt  gewesen  seien,  d.  h.  ob,  wie 
ja  oft  in  Etrurien,  die  alte  etruskische  Stadt 
an  einem  anderen  militärisch  mehr  gesicher- 
ten Platz  gewesen  sei,  etwa  auf  dem  für  eine 
größere  Stadt  freilich  viel  zu  kleinen,  eine 
Stunde  südlich  Arezzos  gelegenen  Poggio 
S.  Cornelio,  den  Dennis  vorschlug,  ist  jetzt 
gelöst.  Die  stets  vom  Nestor  der  Arezzo- 
^forschung  Gamurrini,  zuletzt  in  seinem  Vor- 
trag »Testa  antica  di  terracotta  rinv.  in 
Arezzo«,  Arezzo,  Tip.  Cagliani  1919,  4 — 6, 
13—18  festgehaltene,  von  Del  Vita  RM. 
XXV,  1910,  294,  296  und  Solari,  Topogr. 
stör,  della  Etruria  I,  1918,  289  vertretene 
Ansicht  der  kompetentesten  Lokalforscher, 
daß  das  etruskische  Arezzo  auf  der  Stelle 
des  römischen  und  heutigen  gelegen  habe, 
hat  durch  die  neuen  Funde  ihre  volle  Be- 
stätigung erhalten,  konnte  eigentlich  schon 
lange  niemandem  zweifelhaft  sein,  der  die 
Gräberverteilung  in  und  um  Arezzo  topo- 
graphisch verfolgt  hatte.     Damit  sind  auch 


die  den  italienischen  Gelehrten  übrigens  un- 
bekannt gebliebenen  Darlegungen  von 
Frickenhaus,  Bonner  Jahrb.  1908,  30 — 33, 
erledigt.  Die  von  Vitruv  II,  8,  9  und  Plin. 
XXXV,  173  bezeugten  Luftziegelmauern 
sind  schon  von  Caporali  in  seiner  Vitruv- 
übersetzung  1536,  fogl.  58als  nochvonihmge- 
sehen  erwähnt,  von  Del  Vita  1910  an  ver- 
schiedenen Punkten  der  Stadt  restweise  ge- 
funden, besonders  in  der  Catonagegend  nörd- 
lich vom  Domhügel,  während  nach  Süden 
sich  die  besonders  durch  die  beiden  koloni- 
alen Gründungen  erweiterte  römische  Stadt 
später  ausdehnte.  Erst  1916  und  1918  sind 
dann  diesen  Spuren  folgend  durch  Aretiner 
und  Florentiner  Kräfte  unter  Oberleitung 
Perniers,  der  seine  große  kretische  Erfah- 
rung natürlich  mit  Freuden  in  den  Dienst 
eines  so  wichtigen  Stücks  Heimatforschung 
stellte,  zusammenhängende  Stücke  der  Mauer 
ausgegraben.  Die  Ziegel,  ganz  leicht  ge- 
brannt, ruhen  auf  dem  Boden  ohne  Stein- 
sockel —  höchstens  ist  hier  und  da  eine 
dünne  Tonschicht  als  Euthynteria  drun- 
ter — ,  sind  sesquipedales,  also  lydische  Zie- 
gel, wie  die  Römer  sie  nannten,  die  sie  doch 
wahrscheinlich  von  den  Etruskern  hatten, 
zumal  sie  auch  in  Veii  gefunden  sind  (Not. 
1920,  189,  i):  ein  Name,  der  zu  denken 
gibt.  Ganz  gleiche  Ziegel  kamen  1917 — 18 
in  Perugia  unter  den  Trümmern  eines  römi- 
schen Hauses  des  i.  Jahrhunderts  und  un- 
mittelbar neben  der  späteren  Stadtmauer 
heraus  (Not.  1920,  188)  und  Plinius  er- 
wähnt bekanntlich  gleiche  Lehmziegelmau- 
ern um  Mevania,  Perugia  so  benachbart. 
Pernier  gibt  S.  191  eine  instruktive  Über- 
sicht über  Luftziegel  gleicher  Abmessungen 
aus  Kreta  • —  schon  vom  ältesten  Phaistos- 
palast  —  und  Hellas.  4,50  m  war  die  durch- 
schnittliche Stärke  der  Mauer,  von  der  Fig.  i 
einen  Plan  gibt,  die  folgenden  Figuren  Ab- 
bildungen aller  Art.  Fig.  I  zeigt  nun  in 
musterhaft  genauer  Weise  die  Fundverhält- 
nissc  der  Artefakte,  die  sich  unter  dem 
Ziegelschutt  der  zusammengefallenen  Mauer 
und  in  anderen  hier  angehäuften  Schutt- 
massen fanden.  Und  damit  ist  die  Zeitbe- 
stimmung der  Mauer  gegeben.  Da  Münzen 
der  ersten  Jahrzehnte  des  letzten  Jahrhun- 
derts V.  Chr.  und  entsprechendes  kerami- 
sches Material  in  großer  Fülle,  dagegen  noch 


85 


Italien  1914 — 1920. 


86 


nichts  »Aretinisches«,  unter  den  Trümmern  der 
zusammengesunkenen  Mauer  gefunden  sind, 
vermuten  Gamurrini  und  Pernier  wohl  mit 
Recht,  daß  die  sullanische  Belagerung  81 
V.  Chr.  die  Zerstörungen  der  zu  Marius  hal- 
tenden Stadt  gebracht  habe,  der  auch  jene 
Teile  der  Mauer  zum  Opfer  gefallen  seien. 
Erbaut  sei  die  Mauer,  meint  Pernier,  gegen 
Anfang  des  3.  Jahrhunderts,  nach  genauer 
Erwägung  auch  der  unter  der  Mauer  gefunde- 
nen Dinge.  Freilich  müsse  es  eine  offne  Frage 
bleiben,  ob  es  die  erste  Mauer  gewesen  sei, 
ob  sie  nur  partiell  als  Lehmziegelmauer,  ob 


etruskischer  Kunst  besonders  aus  den  Tem- 
peln von  Falerii  kannten,  jetzt  im  Museo 
Villa  Giulia,  viel  bewundert  als  Nachklänge 
griechischer  Großplastik  des  4.  Jahrhunderts 
und  der  Alexanderzeit.  Die  Arctiner  Stücke 
sind  zum  Teil  gewiß  aus  Giebeln:  man  denke 
an  Arcevia,  Luni,  Telamon,  nur  daß  sie  jene 
an  harmonischer  Schönheit  und  Kraft  der 
Ausführung  weit  übertreffen.  Sie  sind  mehr- 
fach nicht  ganz  vom  Grund  gelöst,  auch  hin- 
ten hohl,  waren  also  zum  Teil  architektoni- 
sche Schmuckstücke.  Eine  Anzahl  der  schön- 
sten lassen  sich  zu  einem  Parisurteil  zusam- 


Abb.   7.     Pariskopf  aus  Arerzo. 


ganz  als  solche  oder  ob  als  Ausbesserung 
früherer  anderer  Mauern  errichtet  sei:  aber 
jedenfalls  Vitruvs  e  latere  vetustus  egregie 
factus  murus.  Dieselbe  Zerstörung,  welche 
einzelnen  Teilen  der  Mauer  verhängnisvoll 
wurde,  war  es  auch  für  manche  Häuser  oder 
ganze  Quartiere  der  Stadt.  Der  dadurch  ent- 
standene Schutt  wurde  an  der  Mauer  abge- 
laden und  für  die  Ausgräber  eine  Fundstelle 
für  eine  Fülle  von  Architekturtrümmern, 
unter  denen  zahlreiche  Simen,  Antefixe  und 
Akroterien  aus  Häusern  und  auch  wohl  Tem- 
peln, auch  Stücke  jener  schwarzgefirnißten 
Tonware,  die  der  roten  »Aretiner«  Art  voran- 
ging. Bei  weitem  das  bedeutendste  waren 
aber  wundervolle  großplastische  Stücke,  wie 
wir  solche  bisher  für  die  hellenistische  Periode 


menfinden.  So  der  prachtvolle  JüngHngs- 
kopf  (Paris)  Taf.  HI  (hier  Abb.  7)  mit 
weichem,  leicht  melancholischem  Aus- 
druck, phrygischer  Mütze,  unter  der 
die  Locken  in  freiem  Spiel  hervorquellen, 
die  tiefliegenden  Augen  leicht  empor- 
blickend, der  Mund  atmend  geöffnet.  Ferner, 
Taf.  IV  (hier  Abb.  8),  ein  eigenartiger,  beson- 
ders in  der  Seitensicht  männlicher  Art  sich 
stark  nähernder  Athenakopf  mit  konzen- 
triertem, willensbewußtem  Aufschlag  der  tief- 
gelagerten Augen  und  dem  leicht,  etwas 
trotzig  geöffneten  Munde  sowie  in  freien 
Strähnen  unter  dem  Helm  sich  vordrängen- 
den Haaren;  schließlich  das  Bruchstückeines 
nackten  weiblichen  Torso,  der  zur  Aphrodite 
gehören  könnte.  UmdenzuerstvonGhirardini 


87 


Italien  1914 — 1920. 


ausgesprochenen  Gedanken  an  ein  Parisurteil 
wahrscheinlich  zu  machen,  verweist  Pernier 
auf  Kompositionen  wie  den  Spiegel  Etr. 
Sp.  V,  Taf.  99.    Da  diese  in  5/3  Lebensgröße 


stellani,  der  Apollon  Pourtalös  u.  ä.  drängt 
sich  zum  Vergleich  auf.  Andere  Stücke:  ein 
skopasisch  kraftvoller  Kopf,  vielleicht  eines 
hellenistischen    Herrschers,    mit    Tänic    im 


Abb.  8.     Athenakopf  ans  Arezzo. 


Abb.  9.     Skopasischer  Kopf  aus  Ärezzo. 


ausgeführten  Figurenteile  keine  Ansatz- 
spuren auf  ihrer  Rückseite  zeigen,  wäre  Frei- 
aufstellung denkbar,  gut  passend  zum  »per- 
gamenischen«  Gepräge  der  Werke;  manches 
aus   der  Gigantomachie,    der  Dionysos  Ca- 


kurzen  krausen  Haar,  den  Taf.  I  gut  wieder- 
gibt (Abb.  9).  Er  steht  auf  einer  Linie,  die 
vom  Kopf  Alexanders  auf  dem  sidonischen 
Sarkophag  herabführt  bis  zum  bronzenen 
Kentaurenkopf  in  Speier   ( '/o  Lebensgröße). 


89 


Italien  1914 — 1920. 


90 


Ganz  anders  wieder  ein  hochpathetischer 
Frauenkopf  Taf.  II  (hier  Abb.  10) 
( '/4  Lgr.),  gewaltsam  auf  die  linke  Seite  ge- 
worfen, der  Blick  nach  oben  gerichtet,  in 
höchster  Erregung,  der  Mund  schmerzlich 
geöffnet  mit  sichtbarer  Zahnreihe,  die  Augen 
tief  in  den  Schädel  hineingedrückt,  die  Au- 
genknochen mit  absichtlich  übertriebener 
Formgebung  über  den  Nasenansatz  hoch 
emporgeschoben  und  durch  tief  eingegrabene 
Vertikalfurchen  von  der  Nasenwurzel  ge- 
schieden, dazu  phrygische  Mütze  mit  auf- 
fällig zurückgeworfner  Spitze.    Pernier  stellt 


bekleidete  Füße  (S.  205,  Fig.  19;  3/5  Lgr.) 
und  eine  weiche,  etwas  Geschwungenes 
leicht  umfassende  Hand  (S.  209,  Fig.  20; 
'/2  Lgr.)  rufen  wiederum  den  Vergleich  auf 
mit  einigen  jedem  vertrauten  Füßen  und 
Händen  aus  der  pergamenischen  Giganto- 
machie.  Von  einem  figürlichen  Antefix 
stammt  nach  Perniers  Ansicht  das  Unterteil 
der  Gruppe  (Gesamthöhe  etwa  0,80)  eines 
nach  halbrechts  sitzenden  kraftvollen  Jüng- 
lings, neben  dem  ein  anderer  stand  (S.  201, 
Fig.  18),  ebenfalls  wundervolle  Arbeit,  über- 
haupt sowohl  an  den  abgebildeten  wie  den 


Abb.    10.     Frauehkopf  aus  Arezzo. 


den  Kopf  zwischen  Niobiden  und  Laokoon, 
doch  gehört  er  trotz  aller  Anklänge  an  Per- 
gamenisches,  auch  den  sog.  sterbenden 
Alexander  der  Uffizi,  näher  an  Laokoon 
heran.  Nur  dem  Motiv  nach  drängt  sich 
auch  die  freilich  ältere  Amazone  Borghese 
auf.  Merkwürdig,  wie  nah  sich  italienische 
Barockempfindung  des  17.  Jahrhunderts  mit 
einem  solchen  Kopf  berührt,  gewiß  nicht  zu- 
fällig! Ein  anderer  Jünglingskopf,  etwas 
unter  Y^  Lgr.,  erinnert  Pernier  an  den  Her- 
mes aus  Falerii  im  Museo  Villa  Giulia  (Della 
Seta,  Museo  V,  G.  I,  Taf.  XXXIX),  wenn 
auch  der  aretinische  von  viel  feinerem  Schnitt 
ist,  namentlich  um  den  Mund  (Not.  211, 
Fig.  21),  und  wohl  noch  in  das  4.  Jahrhun- 
dert gehören  könnte.  Wundervolle  sandalen- 


zahlreichen ähnlichen  noch  nicht  reprodu- 
zierten Stücken  überall  die  Spuren  sorgsam- 
ster Handmodellierung  und  zahlreiche  Farb- 
reste. Von  den  vielen  sonstigen  plastischen 
Bruchstücken,  architektonischen  und  figür- 
lichen sowie  den  Gefäßfragmenten  sind  nur 
Fig.  10 — 17  einige  Proben  abgebildet.  Der 
ganze  außerordentliche  Fund  aber  erschließt 
uns  die  Wurzeln  der  späteren  Aretiner Kunst 
und  auch  der  bis  jetzt  so  ganz  isoliert  da- 
gestandenen  Großwerke,  der  Chimaira,  des 
Redners,  der  Minerva,  des  Lampadario  von 
Cortona,  ja  schließlich  wohl,  wie  Gi- 
glioli  mit  Recht  meint,  auch  der  römischen 
Wölfin,  diese  wenigstens  als  eines  Werks 
älterer  etruskischer,  wenn  auch  vielleicht 
nicht  gerade  Areiiner  Werkstatt.    Während 


91 


Italien  1914^—1920. 


92 


die  hohe  Kunst  Griechenlands  zwischen  500 
und  350  so  merkwürdig  stumm  an  Etrurien 
vorübergeschritten  ist,  scheint  mit  einem 
Male  mit  der  Aufschließung  der  kleinen 
althellenischen  Welt  durch  Alexander  das 
Tor  auch  nach  Westen  von  neuem  sich  erst 
langsam,  dann  im  3.  Jahrhundert  rasch  und 
weit  aufzumachen.  Am  Schluß  der  ersten 
Hellenisierung  Etruriens  standen  die  oben 
besprochenen  Großterrakotten  von  Veii,  im 
vollen  Strom  der  zweiten  die  wunderbaren 
Tongruppen  von  Arezzo,  zwei  große  Schritte 
vorwärts,  die  eine  so  kurze  Spanne  von  Jah- 
ren uns  gebracht  hat.  —  Die  noch  ungenü- 
gend bekannte  Topographie  des  römischen 
Vetulonia  hat  durch  Aufdeckung  von 
Straßenzügen  und  Häuserresten  eine  wesent- 
liche Erweiterung  erfahren  (Not.  1918,  216 
bis  22),  wobei  Pernier  römische,  mit  Relief- 
schmuck versehene  große  Tonputeale  be- 
spricht und  veröffentlicht.  —  Bei  Asciano 
ist  eine  in  ihren  Spuren  schon  seit  1899  be- 
kannte Villa  der  Domitii,  um  Mitte  des  i .  Jahr- 
hunderts n.  Chr.  erbaut,  durch  Gamurrini 
näher  untersucht.  .Sie  hat  später  dem  Kaiser 
M.  Aurelius  als  Abkömmling  der  Domitii  ge- 
hört; mehr  darüber  noch  zu  ermitteln  sei 
erwünscht  (RCL.  1916,  1185;  1917,  91 — 97). 
—  Unweit  Civitavecchia  an  der  Straße 
nach  Tolfa,  drei  Miglien  von  C,  sind  große 
Traianische  Thermen  entdeckt,  zur  Aus- 
nutzung der  Mineralquellen,  der  Aquae 
Tauri,  welche  des  Plinius  (III,  52)  Aquenses 
cognomine  Taurini  voraussetzen  lassen  und 
Rutilius  I,  259 — 60  mit  derselben  Entfernung 
von  Centumcellae  preist  (Nissen,  LK.  II, 
334).  Noch  in  Hadrianischer  Zeit  wurde 
Ziegelstempeln  zufolge  daran  weitergebaut 
(Not.  1919,  209 — 16).  —  Ebenfalls  im  Be- 
reich Traianischer  Thermen  bei  Talamone 
sind  Blei-  und  Tonröhren  gefunden,  letztere 
mit  Traianischen  Stempeln,  vereinzelte  Mün- 
zen, meist  aus  der  späteren  Kaiserzeit,  so- 
dann zahlreiche  aretinische  und  nacharetini- 
sche  »südgaUische«  Keramik,  namentlich  fla- 
vische  des  L.  Rasinius  Pisanus,  von  der  Be- 
richterstatterin Tina  Campanile  für  >>are- 
tinisch«  gehalten.  Die  26  beigegebenen  ke- 
ramischen Abbildungen  gestatten,  sich  von 
der  Bedeutung  dieser  Funde  für  die  Frage 
des  Übergangs  des  keramischen  Monopols 
von    Italien  auf  Südgallien  seit   Ende  des 


1.  Jahrhunderts  eine  Vorstellung  zu  bilden 
(Not.  1919,  261 — 75;  s.  oben45  zu  Industria). 
—  Auch  auf  Giglio  kamen  römische  Villen- 
reste und  Mosaiken  zutage  (Not.  1919,  275 
bis  79).  ■ —  Die  Fortsetzung  der  Geschichte 
Toscanellas  in  die  Kaiserzeit  hinein  be- 
ginnt klar  zu  werden  durch  die  ersten  zutage 
getretenen  Reste  römischer  Bauten,  von 
denen  wir  wirklich  wissen;  denn  eine  Ther- 
menanlage, von  der  Campanari,  Tuscania  e 
i  suoi  monumenti  I,  48  redet,  ist  unbekannt 
geblieben.  Jetzt  haben  wir  einen  Thermal- 
bau,  Straße  ,  Häusergrundmauern,  alles 
nahe  S.  Maria  maggiore.  Damit  wird  wahr- 
scheinlich, daß  die  etruskische  Akropolis  und 
alte  Stadt  auf  der  Höhe  von  S.  Pietro  lag, 
zu  deren  Füßen  die  römische  Stadt  sich  aus- 
breitete, wie  es  Nissen  schon  ähnlich  ver- 
mutete (Not.  1920,  115 — 117).  —  Das  für 
die  topographische  Gestaltung  des  römischen 
Arezzo  wichtige  Amphitheater,  unter  Co- 
simo  L-  und  wieder  zu  Ende  des  18.  Jahr- 
hunderts als  Steinbruch  benutzt,  ist  durch 
die  dortige  Societä  degli  amici  dei  monu- 
menti zum  Gegenstand  von  Untersuchungen 
gemacht,  die  sogar  Einrichtungen  für  nauti- 
sche Spiele  haben  feststellen  wollen.  Nach 
Pernier  wäre  der  Bau  in  die  erste  Hälfte  des 

2.  Jahrhunderts  zu  setzen  (Not.  1915,  316 
bis  21).  —  Bei  Le  Sieci,  unweit  Pon- 
tassieve,  hart  am  Arno,  an  der  römischen 
Straße  ist  ein  römisches  Bad  gefunden,  durch 
Mosaiken  und  Münzen  bis  in  die  Zeit  der 
Reichstrennung  hinabreichend.  Topogra- 
phisch interessant  (Not.  1916,  3 — 8).  — 
Schließlich  seien  einige  Einzelfunde  genannt: 
bei  Carrara,  zusammen  mit  einer  Traians- 
münze,  Eisenwerkzeuge  für  die  Marmor- 
bearbeitung (Not.  1916,  91 — 94  und  Fig.  I); 
bei  Sesto  Fiorentino  die  Stele  eines  Ger- 
bers mit  Abbildungen  von  Schuhen  und 
Schabmesser  (Not.  1914,  229 — 31  und  Fig.  I), 
bei  Titignano  unweit  Orvieto  eine  inter- 
essante Weinpresse,  durch  Minto  als  solche 
—  torcular  —  mit  Heranziehung  sonstiger 
Beispiele  gut  erklärt  (Not.  1914,  167 — 68); 
der  Bestattungssarg  eines  Ti.  Claudius  Aug. 
1.  Pardalas  Apollinis  parasitus  Apolausti 
maioris  condiscipulus  Apolausti  iunioris  doc- 
tor,  mit  Fieberverfluchungen  für  Grabfrevler, 
auch  formal  interessant,  aus  Fiano  Ro- 
mano,   wird  von  Cultrera  Not.    1915,   158 


93 


Italien  1914 — 1930. 


94 


bis   65    (wozu    Abb.     S.     158)    kundig   be- 
handelt. 

Im  Fali  skerländchen  sind  besonders  in 
der  Nähe  von  Corchiano  durch  Rellini  die 
zahlreichen  Höhlen  in  den  Seitenrändern  der 
Taleinschnitte  auf  Paläolithisches  untersucht 
worden  (ML.  XXVI,  l — 170,  vorher  kurzes 
Referat  Bp.  XLII,  74 — 85)  und  für  diese  für 
Italien    noch    recht    lückenhaft    bekannten   j 
Frühzeiten    viel    Material    festgestellt,    das  | 
Rellini    durch   Vergleichung   mit   ähnlichen   ; 
Funden   aus   dem   ganzen  Lande  von   den   j 
Balzi  rossi  bis  hinab  zur  Grotta  Romanelli 
nahe  Cap  Leuca  und  bis  Sizilien  an  seinen 
Platz  zu  bringen  sucht,  wobei  natürlich  viele 
ethnologische  Fragen,  namentlich  das  Ver- 
hältnis zu   den   Neolithikern  eingehend   er- 
örtert   werden.       In    einer    dieser    Höhlen   , 
am  Fosso  dell'Acqua  santa  lagen  unten  Stein- 
zeitreste, darüber  nach  Rellini  vielleicht  — 
denn  es  ist  ja  bekannt,  wie  dünn  und  viel- 
fach  ganz  zweifelhaft  in  Mittelitalien  und 
weiter  südlich  sog.   reine  Bronzezeit  anzu- 
treffen  ist  —   eine   bronzezeitliche   Wohn- 
schicht, darüber  (Bp.  82  und  ML.  171 — 74, 
durch  Giglioli  behandelt)  zwei  Stipes  sacrae, 
Füße,   Hände,   Köpfe,   kleine  Kultbildchen, 
Wickelkinder,  Gefäße  usw.  aus  Terrakotta, 
alles  gehäuft  namentlich  um  ein  rohes  sitzen-    ! 
des  Frauenbild,  das  im  Grunde  der  Höhle  noch   1 
an  seinem  Platze  war,  wie  ebenso  an  die  { 
Felswand  gelehnt  noch  ein  Wickelkind  so 
stand,  alles  unberührt  gefunden,  langsam  von 
der  schützenden  Erd-  und  Staubdecke  zuge- 
deckt,  daher   »Caverna   della   Stipe«.      Die  j 
Zeit  dieses  Kultes  war  wahrscheinlich  das 
3.  bis  I.  Jahrhundert,  die  künstlerische  Phy- 
siognomie etwa  die  des  obersten  Heiligtums 
von  Satricum-Conca,  von  Vignale  bei  Civita- 
castellana   oder  der  luno  Curitis  ebendaher  j 
oder  des  Hercules   Victor  von  Tivoli.     Der  ' 
Name  des  Fosso,  über  dem  die  Höhle  sich 
fand,    auch   wohl   die   unbewußt   wirkende  , 
Analogie  der  zahlreichen  neuerdings  aufge- 
fundenen   und    auf    Wasserkultstätten    ge-   i 
deuteten  Heiligtümer  in  andern  italischen  i 
Gegenden,    auf  Sardinien,    in  Apulien   und 
Lucanien  haben  Rellini  ynd  Giglioli  auf  die  i 
Vermutung  geführt,  auch  hier  habe  die  Ver- 
ehrung  wohltätigem    Wasser    gegolten.    — 
Sonstige  Untersuchungen  im  kleinen  Länd- 
chen galten  Gräbern,  so  zwei  Gruppen,  einer  ! 


»altitalischen«  Brandgruppe  und  einer  Be- 
stattungsreihe mit  vielem  Tongeschirr,  dar- 
unter guten  faliskischen  Gefäßen  (Fig.  7 
bis  ll)  von  archaischer  bis  zur  kaiserlichen 
Zeit  bei  Rignano  (Not.  1914,  265 — 81), 
ferner  sehr  inhaltreichen  Kammergräbern  bei 
Vignanello,  durch  Gabrici  und  später  Gi- 
glioli, deren  Inhalt  jetzt  in  einem  Saal  des 
Museo  V.  Giulia  vereinigt  ist  (Not.  1916, 
37 — 86).  Die  Kammergräber,  quadratisch, 
mit  Dromos  und  ringsum  mitunter  sogar  in 
mehreren  Reihen  übereinander  angeordneten 
Loculi,  vereinzelt  auch  mit  drunter  skul- 
pierten  Klinefüßen  für  Bestattungen,  eine  in 
der  Mitte  gestützt  durch  eine  im  Fels  stehen- 
gelassene, trefflich  erhaltene  tuskanische 
Säule  (Fig.  2 — 3),  sind  von  einer  späteren 
Generation  wieder  benutzt  worden,  wie  es 
scheint,  nach  geraumer  Unterbrechung,  mit 
Beiseiteräumung  der  früheren  Gebeine  und 
Beigaben.  Während  die  Anlage  des  Grabes 
nach  den  Vasenfunden,  sf.  und  strengrf.,  in 
den  Anfang  des  5.  Jahrhunderts  gehört,  auch 
jenes  Grab  mit  der  Säule,  beginnen  die  Bei- 
gaben der  zweiten  Periode  mit  der  Alexander- 
zeit oder  bald  hernach,  als  für  das  Ländchen 
nach  längerem  Hin  und  Her  der  Anschluß 
an  Rom  entschieden  war  und  manche  Ver- 
schiebungen der  Bevölkerung  im  Gefolge  ge- 
habt haben  mag.  Da  wurden  die  früheren 
Gräber  vielleicht  von  neuen  Familien  be- 
setzt, bis  aufs  letzte  Fleckchen  und  herab 
bis  an  die  Kaiserzeit,  die  Loculi  mit  Ziegeln 
verschlossen,  die  in  reicher  Fülle,  vereinzelt 
auch  wieder  jüngere  Namen  über  älteren, 
mit  faliskischen  Aufschriften  bemalt  wurden, 
die  in  guter  Faksimilewiedergabe  von  Giglioli 
veröffentlicht  und  am  Schluß  von  Nogara 
kommentiert  werden.  Den  jüngeren  Bei- 
setzungen sind  gut  bemalte  faliskische  Vasen 
(Fig.  10 — 17),  ferner  Bronzegerät,  Kande- 
laber u.  a.  beigegeben,  den  älteren  neben  ein- 
fachem einheimischem  Geschirr  alter  Über- 
lieferung jungsf.  und  rf.  attische  Vasen, 
unter  denen  besonders  beachtenswert  sind 
eine  rf.  Kylix,  dem  Kachrylion  verwandt 
(Fig.  4)  mit  streng  symmetrisch  angeordne- 
ten Kampfbildern,  sodann  ein  Stamnos,  auf 
A  Abschiedsspende  an  einen  Krieger,  auf  B 
Abschiedsspende  des  vor  einem  Altar  sitzen- 
den Achill  für  den  scheidenden  Patroklos, 
der  ebenfalls  gerade  zu  spenden  bereit  ist. 


95 


Italien  1914 — 1920. 


96 


Abb.   II.     Strengrotfiguriger  Stamnos  aus  Vignanello. 


während  der  ihm  vorangehende  Odysseus 
stehenbleibt,  sich  halb  umwendet  und  mit 
Helm  und  Schwert  in  den  Händen  dem 
Achill  auffordernd  winkt;  hinter  Achill  steht 
in  der  langen  Tracht  des  Alten  der  kahle 
Phoinix,  der  in  der  R.  mit  einer  derjenigen 
des  Odysseus  korrespondierenden  Bewegung 
ebenfalls  eine  Schale  senkrecht  hoch  empor- 
hält (Fig.  5 — 7;  unsereAbb.il),  ein  gut  wie- 
dergegebenes ausgezeichnetes  Stück,  von  Gi- 
glioli  anEuthymides  genähert,  vonPfuhlArch. 
Anz.  1917,  38  dem  Epiktet  zugewiesen,  was 
ich  doch  nicht  ohne  weiteres  unterschreiben 
möchte,  da  mir  Erfindung  und  Ausführung 
für  Epiktet  zu  originell  und  bedeutend  er- 
scheint. Eine  eigenartige  Scherbe  mit  dem 
Bild  eines  die  Opferschale  über  einen  Altar 
vor  geschlossener  Tür  haltenden  Jünglings 
(Fig.  8)  und  ein  Rhytonfragment  des  Cha- 
rinos  seien  noch  genannt.  Die  Gräberterrasse, 
Piano  della  Cupa,  wird  überragt  durch  einen 
Hügel,  Piano  del  Molesino,  auf  dem  die  Spu- 
ren der  zugehörigen,  uns  bis  jetzt  unbekann- 
ten Ortschaft  festgestellt  worden  sind.  Daher 
stammt  die  bis  heute  vielleicht  älteste  der 
Flachreliefplatten  aus  Ton,  die  so  vielfach 
im  Volskerland,  Latium,  auch  auf  dem  Fo- 
rum Roms  und  in  Etrurien  gefunden  und 
zuletzt  von  Moretti  Ausonia  VI,  191 2,  147 
bis  56  behandelt  sind:  ein  lanzenschwingen- 


der Reiter  n.  1.  (Fig.  46).  Ebendaher  eine 
strenge  rf.  Scherbe:  bärtiger  Mann  mit 
Kranz  im  Haar,  zwischen  den  überzierlichen 
Fingern  der  vorgestreckten  Linken  eine 
Blume,  vor  ihm  Rest  des  Namens  Glaukos 
(Fig.  47).  —  Die  gleiche  Erscheinung  wie 
bei  Vignanello  war  in  Kammergräbern  bei 
Corchiano  laut  Bendinellis  Bericht  Not. 
1920,  20 — 30  zu  beobachten:  auch  hier  An- 
lage der  Gräber  nach  dem  auch  für  das  Fa- 
liskerland  maßgebenden  etruskischen  Vor- 
bild im  7. — 6.  Jahrhundert  mit  wesent- 
lich etruskischem  Inhalt;  dieser  ist  heraus- 
geworfen, z.  T.  auf  dem  Boden  verstreut, 
um  neuem  Inhalt  des  4. — 3.  Jahrhunderts 
Platz  zu  machen.  Darunter  gute  faliskische 
Vasen,  z.  B.  ein  ausgezeichnetes  Stück:  Leda 
mit  Schwan  und  Aphrodite  mit  Adonis,  links 
Hermes,  rechts  bärtiger  Satyr  als  Zuschauer 
(Fig.  I — 2),  die  Einzelmotive  attischen  Er- 
findungen der  Zeit  zwischen  Meidias  und 
Kertsch  abgelauscht,  z.  T.  wiederkehrend  auf 
einem  von  Bendinelli  gut  beigezogenen  Spie- 
gel. —  Umgekehrt  ein  Kammergrab  bei 
Nepi,  des  6. — 5.  Jahrhunderts,  das  ein  älte- 
res Fossagrab  durchschnitt,  aber  sorgsam 
abmauerte  (Not.   1918,   16 — 19). 

Rom  und  seine  unmittelbare  Umgebung. 
Da  auch  in  Rom  während  des  Krieges  die 
Bautätigkeit  beschränkt  war  und  nur  das 


97 


Italien   1914 — 1920. 


98 


Notwendigste  zur  Ausführung  kam,  war 
innerhalb  der  Stadt  die  Bodenbewegung  ge- 
ring und  galt  meistens  nur  der  Fortführung 
von  früher  Begonnenem.  Nur  in  der  Pe- 
ripherie der  antiken  wie  der  neuen  Stadt 
ging  es  etwas  lebhafter  zu,  so  daß  unsere 
Gräberkenntnis  manche  dankenswerte  Be- 
reicherung erfuhr.  Die  an  den  Palilien  1916 
mit  feierlicher  Rede  des  Regierungskommis- 
sars Lanciani  (Bull,  comun.  1916,  196 — 207) 
erfolgte  Übergabe  der  »Zona  monumentale« 
durch  den  Staat  an  die  Stadt,  vom  Kapitol 
bis  zur  Porta  Appia  sicherte  zwar  dies  Gebiet 
vor  der  Gefahr  moderner  Bebauung,  nach 
neun  Arbeitsjahren  und  Aufwendung  von 
7  Millionen  Lire;  aber  damit  wurde  doch 
auch  zugleich  ein  gewisser  Abschluß  markiert 
und  die  von  Lanciani  in  seinen  Schlußworten 
hoffnungsvoll  hingemalte  Erweiterung  dieser 
Zone  namentlich  durch  Aufnahme  der  großen 
Pläne  Riccis  (Ricci,  BoU.  d'Arte  V,  1912, 
446 — 55  und  Per  l'isolamento  degh  avanzi 
dei  Fori  Imperiäli,  Roma  1913;  Hülsen, 
Internat.  Monatsschr.  1912,  August)  einer 
von  der  Gegenwart  zunächst  noch  getrennten 
Zukunft  überwiesen.  —  Auf  dem  Viminal 
kamen  zwischen  vulkanischen  Schichten  von 
Pinza  als  »Hüttenböden«  erklärte  Anlagen 
zutage,  für  deren  sichere  Beurteilung  jedoch, 
zumal  Artefakte  fehlen,  die  Anhaltspunkte 
vermißt  werden  (RCL.  1917,761 — 67).  Daes 
als  Notwendigkeit  empfunden  wird,  in  das 
Gassen-  und  Häusergewinkel  zwischen  Ka- 
pitol, Tiber,  Via  Arenula  und  Corso  Vitt.  Em. 
Luft  und  Licht  zu  bringen,  wird,  wenn  auch 
auf  Kosten  manch  reizvoller  Mittelalterbil- 
der, der  Kenntnis  des  alten  Rom  hier  wohl 
manch  neuer  Aufschluß  winken,  wenn,  was 
leider  zweifelhaft,  guter  Wille  und  Geld  da 
ist  (s.  Bull.  com.  191 5,  340).  So  gaben  Ar- 
beiten, die  zur  Freilegung  verschiedener  Por- 
ticus  frumentariae  am  Forum  holitorium 
führten,  Lanciani  Anlaß  zu  einer  z.  T.  gegen 
Hülsen  gerichteten  Untersuchung  über  die 
verschiedene  Lage  und  Benennung  dieser 
Hallen  (Bull.  com.  XLV,  1918,  168—92, 
tav.  XIV — XV).  So  wurde  der  trotz  seiner 
Entfernung  vom  Circus  Flaminius  und  daher 
wohl  mit  Unrecht  früher  meist  für  Hercules 
Custos  in  Anspruch  genommene  Rundtempel 
nahe  S.  Nicola  dei  Cesarini  untersucht  und 
der  andere  Tempel  unter  S.  Nicola  als  näch- 

Ai'chäologisclicr  Anzeiger  1931. 


stes  Angriffsobjekt  in  Aussicht  genommen 
(Bull.  com.  XLIII,  1915,  340)  und  dieselbe 
Gegend  zum  Gegenstand  einer  ausführlichen 
Untersuchung  durch  Marchetti-Longhi  ge- 
macht, der  mit  Hilfe  des  kapitolinischen 
Stadtplans  hier,  neben  und,  wie  er  meint, 
der  großen  Porticus  Pompeii  noch  vorauf- 
gehend die  Porticus  Octavia,  auch  Corinthia 
genannt,  erkennen  möchte,  auch  eine  um- 
fassende Arbeit  über  den  Circus  Flaminius 
in  Aussicht  stellt  (Bull.  com.  XLVI,  1918 — 
1920,  115 — 160  und  tav.  IV,  mit  unmotivier- 
tem und  würdelosem  Ausfall  gegen  Hülsen 
und  uns  Deutsche  S.  125);  v.  Domaszewskis 
Behandlung  desselben  Gebiets,  von  der  er 
wohl  einiges  hätte  lernen  können  (Arch.  f. 
Rel.-Wiss.  XII,  67 — 82  =  Abhandlungen  z. 
röm.  Religion,  1909,  217 — 233)  ist  Marchetti 
vermutlich  unbekannt  geblieben.  —  Nicht 
auf  neue  Fundtatsachen  sich  gründende  topo- 
graphische Untersuchungen  übergehe  ich  an 
dieser  Stelle,  ebenso  die  große  Mehrzahl  der 
rahllosen  Einzelfunde,  die  in  den  Notizie  oder 
dem  Bull.  com.  verzeichnet  sind,  nur  das 
Bedeutendere  heraushebend,  was  fortan  nur 
das  kaiserliche  Rom  angeht.  Manches,  wor- 
über man  gern  ausgiebig  berichten  möchte, 
ist  durch  das  Schweigen  der  dazu  Berufenen 
noch  wissenschaftlich  verschlossen.  Das 
gilt  namentlich  von  den  für  die  Geschichte 
des  Hügels  und  römischen  Privatbau  und 
Dekoration  der  letzten  vorkaiserlichen  Zeit 
so  außerordentlich  ergebnisreichen  Tiefgra- 
bungen auf  dem  Palatin,  die  ich  1912,  1913, 
1914  in  ihrem  Fortgang  bewunderte:  Hülsen, 
Voss.  Ztg.  1916,  Sonntagsbeil.  5,  S.  29 — 31. 
—  Ob  der  Zeitungsnachrichten  zufolge  ernst- 
lich ins  Auge  gefaßte  Plan,  die  Ära  Pacis, 
zeitgemäßer  Erwägung  folgend,  in  einem  der 
Säle  des  Palazzo  S.  Marco  zur  Vereinigung 
bzw.  Aufstellung  zu  bringen,  der  Verwirk- 
lichung nahe  ist,  weiß  ich  nicht.  Hülfe 
dieser  schöne  Gedanke  dazu,  die  noch  zer- 
streuten Stücke  aus  dem  Vatikan  und  V. 
Medici,  aus  Florenz,  Wien  und  Paris  wirklich 
wieder  zu  versammeln,  so  wäre  damit  nicht 
nur  ein  idealer  Gedanke  schön  erfüllt,  sondern 
auch  das  Studium  des  einzigartigen  Denk- 
malswesentlich erleichtert  und  hoffentlich  die 
Bergung  der  noch  unterm  Palazzo  Fiano- 
Almagiä  ruhenden  Stücke  damit  wieder  mehr 
in   den   Gesichtskreis   gerückt.  —   Für   die 


99 


Italien  1911. — 1920. 


100 


Kenntnis  des  Gebiets  zwischen  Via  Flaminia 
und  den  beiden  »Busta«  Antonini  und  M. 
Aureli  (Studi  Romani  I,  1913,  5 — 15;  Arch. 
Anz.  1913,  140 — 143)  hätte  der  große  Par- 
lamentsneubau wohl  noch  mehr  ergeben  kön- 
nen, wenn  Zeit  gewesen  wäre,  ihn  mit  mehr 
Rücksicht  auf  die  Wissenschaft  zu  betreiben. 
So  wurde  unter  den  einstigen  Stallungen  des 
Palazzo  Chigi  ein  Cippus  gefunden,  der 
Kunde  gibt  von  einer  am  19.  September  152 
durch  zwei  Curatores  operum  publ.,  von 
denen  einer  dasCognomenSabinus  trug,  frei- 
lich aus  der  Tribus  Papiria,  pro  incolumitate 
Augustorum  vollzogenen  Weihung  an  Sil- 
vanus,  auf  Grund  einer  Platzbewilligung 
durch  zwei  frühere  Curatores  op.  publ.  et 
aed.  sacrarum  A.  Flavius  Longinus  und  Te- 
rentius  lunior  (Not.  1916,  395 — 98  und  Bull, 
com.  XLIV,  1916,  37—54,  234—35).  — 
Leider  topographisch  wohl  kaum  verwendbar 
ist  eine  mächtige,  reichverzierte  Säulen- 
plinthe  (1,60,  ob.  Durchm.  1,25),  die  unterm 
Pal.  d.  Missione  herauskam,  aber  nie  ver- 
setzt, daher  nie  im  Gebrauch  war.  Auf  der 
Plinthenvorderseite  ein  Delphin  zwischen 
zwei  Greifen,  der  Torus  von  prachtvollem 
Lorbeerkranz,  mit  Tänien  gebunden,  durch- 
zogen, mit  dem  Torus  der  Traiansäule  eng 
verwandt,  also  wohl  auch  traianisch,  mit 
Didyma  vergleichbar  (Not.  1915,  322 — 24  m. 
Abb.).  Und  wohl  ebenso  steht  es  mit  einem 
großen  Marmorcippus  des  I.  Jahrhunderts, 
der  gegenüber  dem  Staatsarchiv  an  der 
Piazza  Campo  Marzio  herauskam,  mit  Bu- 
kranien,  Festons  und  Tänien  reich  ge- 
schmüefet,  wenn  auch  in  etwas  harter,  emp- 
pfindungsloser,  auch  nicht  ganz  fertiger  Aus- 
führung, der  nach  Marianis  richtiger  Darle- 
^ng  kein  Altar,  sondern  ein  Cippus  für  Auf- 
nahme eines  Aschengefäßes  ist,  also  in  dieser 
Zeit  auf  dem  Marsfeld  nichts  zu  suchen  hat 
und  herverschleppt  sein  muß  für  Brunnen- 
zwecke (Bull.  com.  XLV,  1917,  93—102, 
Taf.  VI— VII,  Fig.  1—3).  —  Das  Nieder- 
reißen des  Pal.  Piombino  hat  wenigstens  das 
Gute  gehabt,  daß  unter  ihm  und  in  der  Nach- 
barschaft ein  ganzes  Stück  des  alten  kaiser- 
lichen Roms  herausgekommen  ist,  von  dem 
Not.  1917  Plan  zum  Bericht  E.  Gattis9 — 20: 
rechtwinklig  gekreuzte  Straßen  und  Teile 
mehrerer  Insulae,  von  großen  zusammen- 
hängenden Bauten  gefüllt,  die,  namentlich 


ein  großes  Gebäude  an  der  Via  Flaminia, 
unten  ganz  zu  Läden  geöffnet  sind.  Die 
Räume,  alles  Erdgeschoß,  unter  denen  auch 
eine  geräumige  öffentliche  Latrina,  mit 
Kreuzgewölben  überdeckt.  Wieviel  von 
älteren  Bauten,  z.  B.  hier  der  Porticus  Vip- 
saniae,  darin  steckt  und  später  überbaut  ist 
oder  durch  Quermauern  verengt  und  zu  Ta- 
bernen  umgewandelt,  hat  sich  nicht  völlig 
sicher  ausmachen  lassen.  Sowohl  hadriani- 
sche   als    Stempel    des   4. — 5.  Jahrhunderts 


Abb.   12.     Römischer  Porträtkopf  aus  Rom. 

sind  gefunden.  Im  Innern  sind  große 
Lichthöfe  angeordnet.  Das  Kloakensystem 
ist  noch  zum  Teil  gut  festgestellt.  Wichtigere 
Einzelfunde  sind  ein  wundervoller  bartloser, 
emporblickender  Porträtkopf  eines  alten 
Mannes  (3.  Jahrhundert,  erste  Hälfte:  Not. 
1917,  19,  Fig.  8  =  Bull.  com.  1917,  221, 
Fig.  I,  wonach  hier  Abb.  12),  ein  guter 
Knabenkopf,  kein  Idealkopf,  wie  Fornari 
wollte  (Not.  21,  Fig.  9  =  Bull.  com. 
1917, 222,  Fig.  2),  sowie  zwei  kopflose  Statuen 
desAsklepios(Neugebauer,Asklepios,78.Berl. 
Winck.pr.  1921,  3ff.  Taf.  I)  und  der  Hygieia, 
die  Kopien  aus  dem  2.  Jahrhundert  n.  Chr., 
die  Originale  er  aus  dem  5.,  sie  aus  der  zwei- 
ten Hälfte  des  4.  Jahrhunderts  (Mariani, 
Bull.  com.  XLII,  tav.  I,  II,  S.  3—12;  ebenda 


101 


Italien  1914 — 1920. 


10^ 


macht  Lanciani  13 — 24  wahrscheinlich,  daß 
beide  Statuen  aus  der  Statuensammlung  des 
Cosimo  Giustini  stammen,  also  erst  in  der 
zweiten  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts  in  den 
Bereich  des  späteren  Pal.  Piombino  gekom- 
men sind,  wo  sie  zum  zweiten  Male  begraben 
wurden).  —  Der  Tempel  des  Antoninus  Pius 
und  der  Faustina  ist  durch  A.  Bartoli  mit 
Hilfe  der  alten  Handzeichnungen,  die  er  in 
seinem  Monumentalwerk  »I  monumenti  an- 
tichi  di  Roma  nei  disegni  degli  Uffizi  di 
Firenze,  I — V,  Roma  1914 — 1920«  veröffent- 
licht, neuer  Untersuchung  unterworfen,  die 
an  diesem  Beispiel  schön  zeigt,  was  alles 
noch  aus  jenen  Zeichnungen  herausgeholt 
werden  kann.  Interessant  ist  die  damit  ver- 
bundene Auffindung  figürlicher  Antefixe,  wie 
.  füllhorntragender  Viktorien  (Fig.  6,  7)  und 
Stücke  vom  Geison  des  durch  Urban  V. 
1362 — 70  zerstörten  Giebels,  von  denen  noch 
Stücke  von  jenen  Zeichnern  in  der  Vorhalle 
des  Tempels  gesehen  und  gezeichnet  wurden 
(F'g-  4,  5)-  Eine  überzeugende  Rekonstruk- 
tion des  Podium,  des  Grundrisses  und  der 
Seiten  wird  gegeben  (ML.  XXHI,  949 — 974 
und  zwei  Tafeln).  —  Auch  einige  kleine 
HeiHgtümcr  sind  näher  untersucht  worden. 
Zunächst  das  bekannte  Privatmithräum  un- 
ter S.  demente.  Die  erneuten  Arbeiten  der 
irischen  Mönche  daran  hat  L.  Nolan,  The 
Basilica  of  S.  demente  in  Rome',  1914  zu- 
/  sammengefaßt;  darüber  Bericht  Cumonts 
CRAc.  191 5,  203  ff.  undCantarellisBull.com. 
191 5,  69 — 70.  Neugefunden  ein  kubischer 
Altar  mit  Mithrasbild,  Solbüste  und  zwei 
JüngHngsbüsten,  denen  zwei  andere  an  der 
nicht  gefundenen  Kehrseite  entsprochen  ha- 
ben werden,  nach  Cumont  »Jahreszeiten«. 
Auf  der  Leiste  Cn.  Accius  Claudianus  pater 
posuit,  d.  h.  pater  sacrorum  nach  Cumont. 
Die  Gens  Accia  war  also  wohl  die  Besitzerin. 
Mütterlicherseits  stammt  aus  ihr  Antoninus 
Pius.  Zeit:  Ende  des  2.  Jahrhunderts.  Viele 
Eberknochen  sind  augenscheinlich  Opfer- 
residuen. —  Am  Viminal,  über  Via  Cavour, 
im  Bereich  des  einstigen  Klosters  S.  Fran- 
cesco di  Paola  ist  eine  quadratisch  in  den 
Fels  gearbeitete  Kammer  gefunden  mit  bal- 
dachinartig geschwungenem  Satteldach,  ei- 
nem Pfeiler  in  jeder  Ecke,  einer  Aedicula 
dem  Eingang  gegenüber,  in  der  Mitte  des 
Raums   ein   viereckiger   Tuffkörper  —   Al- 


tar? — ,  davor  ein  Brunnen,  der  4  m  unterm 
Boden  noch  Wasser  hielt.  Ob  eine  kopflose 
Marmorherme  Dionysos  genannt  werden  darf, 
steht  dahin  (Not.  1916,  166 — 170).  —  Ebenso 
wurde  eine  kleine  Quellaedicula  beim  Aus- 
heben der  Fundamente  für  das  neue  Unter- 
richtsministerium draußen  am  Viale  del  Re 
entdeckt,  gestiftet  der  schönen  Inschrift  zu- 
folge im  Jahre  70  n.  Chr.  durch  zwei  Magistri 
quinquennales  und  ihre  beiden  Frauen:  Fonti 
d.  d.  (Not.  1914,  362 — 63,  Bull.  com.  XLII, 
1914,  52 — 53).  —  In  einem  Raum  an  der  Via 
XX  Settembre,  wo  sich  zwei  weibliche  Ge- 
wandstatuen ohne  den  besonders  eingesetzten 
Kopf  gefunden  haben,  möchte  Pasqui  das 
von  den  Itineraren  zwischen  den  Sallusti- 
schen  Gärten  und  den  Diokletiansthermen 
verzeichnete  Senaculum  mulierum  erkennen. 
Von  diesem  Bau  wissen  wir  zu  wenig  und  ge- 
funden ist  auch  zu  wenig,  um  diese  Vermu- 
tung genügend  zu  stützen.  Die  Statuen  sind 
gute  Arbeiten  augusteischer  oder  ihr  noch 
.naher  Zeit  (Fig.  2,  3),  nur  unter  der  von 
Pasqui  selbst  allerdings  erkannten  Möglich- 
keit in  die  Zeit  des  Elagabal  oder  später  zu 
setzen,  daß  alte  Köpfe  entfernt  und  zeit- 
gemäße Köpfe  aufgesetzt  worden  seien  (Not. 
1914,  141 — 46).  —  Das  bei  weitem  inter- 
essanteste solcher  Heiligtümer  ist  die  viel- 
besprochene Basilika  an  der  Via  Prenestina 
unter  der  Bahnlinie  Rom-Neapel,  nahe  der 
Porta  Maggiore,  ihre  Grundfläche  13%  m 
unter  dem  heutigen  Boden,  intakt  erhalten 
trotz  der  schon  ein  halbes  Jahrhundert  über 
sie  hinwegbrausenden  Bahnbewegung  unse- 
rer Zeiten.  Sie  war  schon  in  ihrer  Anlage 
unterirdisch  gedacht,  eingetieft  in  den  Tuff, 
der  Bogenscheitel  ihrer  Wölbung  noch  unter 
der  antiken  Erddecke.  Das  aufgehende 
Mauerwerk  aus  mit  Kalk  gebundenem  Stein- 
schlag, Emplekton,  ebenso  Bögen  und  die 
Tonnenwölbungen,  wahrscheinUch  aufgemau- 
ert auf  Lehren,  die  man  zunächst  im  Urboden 
stehenließ,  wodurch  sich  auffällige  Ungleich- 
heiten der  Ausführung  erklären  mögen.  Der 
westlichen  Schmalseite  liegt  eine  annähernd 
quadratische  Vorhalle  von  etwa  3  !4  m  Seiten- 
länge vor,  die  den  Eingang  von  Norden  auf- 
nimmt in  Gestalt  eines  Ganges,  der  zuletzt 
eben,  vorher  jedoch  zum  kleineren  ebenen 
Stück  im  rechten  Winkel  von  Osten  kom- 
mend mit  15  %  Neigung  von  der  Oberfläche 

4* 


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ID3 


Italien  1914 — 1920. 


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herabsteigt.  Eine  viereckige  Öffnung  spen- 
dete dem  Vorraum  Licht,  oben  durch  eine 
Brustwehr  aus  Tuffretikulat  geschützt.  Der 
Hauptraum,  1.  12  m,  breit  9  m,  ist  in  drei 
Schiffe  geteilt,  deren  mittleres  3  m,  die  seit- 
lichen je  2  m  breit  sind.  Je  vier  Durchgänge 
verbinden  die  Schiffe  miteinander,  die  tren- 
nenden viereckigen  Pfeiler  von  i  ,25  und  0,95  m 
Seitenlänge  sind  durch  gedrückte  Bögen  ver- 
bunden (Abb.  13).  Dem  Mittelschiff  ist  im 
Osten  eine  Apsis  vorgelegt  von  1,55  m  Seh- 


Abb.   13.     >  Basilika«   bei  Porta  Maggiore. 
NebcnschifF. 

n^nlänge,  in  deren  Mitte  auf  dem  Fußboden 
eine  Art  Kathedra  gestanden  haben  muß, 
deren  Seitenlehnen  noch  ihre  Spuren  in  der 
Rückwand  hinterlassen  haben.  Ein  kleiner 
Hohlraum  unter  dem  Apsisboden,  der  sich 
bis  unter  die  Mauer  hinzog,  barg  die  Ske- 
lette zweier  Bauopfer,  eines  Hundes  und 
eines  Schweines,  deren  rituelle  Schlachtung 
sich  vielleicht  in  zwei  kleinen  Gruben  vollzog, 
die  sich  noch  vorfanden.  Die  Pfeiler  zeigen 
nach  der  Mittelschiffseite  je  eine  rechteckige 
Nische,  von  einem  Stuckrahmen  eingefaßt, 
in  der  eine  Platte  eingelassen  war  —  leider 
alle  entfernt  — ,  über  deren  Funktion,   ob 


Schmuck  oder  Inschrift  oder  beides,  nichts 
zu  vermuten  ist.    Unter  jeder  Nische  erhob 
sich    vom  Boden  ein  o,8om  hoher,   0,35  m 
breiter   aufgemauerter   Pfeiler,    der   irgend- 
einen Gegenstand  trug.     Beleuchtet  wurde 
der  Mittelraum  durch  eine  oben  in  der  Ein- 
gangswand  gelassene  Lichtöffnung,   welche 
wieder  von  jener  über  der  Vorhalle  ihr  Licht 
empfing.    Für  weitere  Beleuchtung  nament- 
lich der  Nebenschiffe  sorgten  Lampen,   die 
von  den  Bögen  zwischen  den  Pfeilern  herab- 
hingen, wo  ihre  Befestigungsspuren  noch  er- 
halten sind.      Feiner  weißer  Mosaikboden, 
schwarz  gesäumt,   und  meist  weiße  Stuck- 
dekoration an  den  Wänden,  zuoberst  und 
an  den  Wölbungen  auch  farbige,  verliehen 
dem  ganzen  Bau,  auch  den  Zugangsgalerien, 
wie  anzunehmen  ist,   ein  reiches  Schmuck- 
kleid.   Gern  würden  wir  demselben  die  Be- 
stimmung des  Baues  abfragen.    Aber  weder 
die    realistischen  Porträts    an  den  Pfeilern 
noch  das  Bild  einer  Nike,  welche  Palme  und 
Kranz  hält,  zwischen  zwei  anbetenden  Ge- 
stalten auf  der  zylindrischen  Apsiswand,  also 
über  der  vorauszusetzenden  Kathedra,  geben 
uns  genügenden  Aufschluß.    Auch  die  leider 
mangelhaft  erhaltene,  daher  auch  bis  jetzt  in 
Abbildung  nur  ungenügend  vorgestellte  große 
Komposition  in  der  Apsiswölbung  bringt  uns 
bis  jetzt  nicht  mit  Sicherheit  weiter,  da  die 
Darstellung  ohne  Analogien  ist:  eine  Frau  in 
Mantel  und  Schleier,  von  Eros  unterstützt, 
steigt  herab  von  einem  Felsen  ins  Meer,  wo 
sie  von  einem  Triton  empfangen  wird,  der 
mit  ausgebreitetem  Tuche  sich  anschickt,  sie 
zu  gegenüber  sichtbaren  Felsen  zu  bringen, 
ein  zweiter  Triton  im  Meere  bläst  die  Muschel- 
trompete;   zwei  Männer,  der  eine  stehend, 
es  ist  Apoll  mit  dem  Bogen,  der  andere  nach- 
denklich sitzend,  erwarten  die  Frau  auf  jenen 
Felsen.  Sollte  Dinsmoor  Curtis  (AJA.  XXIV, 
1920,  146 — 50)  mit  Recht  Sapphos  Sprung 
erkannt  haben?    Cumont,  Rass.  d'Arte  1921 
Febbr.    nimmt   Curtis    Deutung   an,    sie   in 
neupythagoräischem    Sinn   erklärend.      Pa- 
ribenis  Bedenken  gegen  die  Deutung  (Atene 
e    Roma    1920,    172 — 76)    sucht    Bagnani, 
Journ.  of  Rom.  Stud.  IX  1919   (ausg.  April 
1921),   78 — 85  zurückzuweisen.     Wo  schon 
diese  durch  ihren  Platz  besonders  augenfälH- 
gen  Darstellungen  versagen,  ist  nicht  zu  er- 
warten,   daß   wir   den   zahlreichen   anderen 


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Italien   1914— 1920. 


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Abb.   14.     Stuckbild  aus  der  »Basilika«  bei  Porta  Maggiore. 


Stuckreliefs  mehr  entnehmen  können,  die  sich 
durchweg  in  der  Richtung  der  junghellenisti- 
schen Erfindungen  bewegen:  Helenaraub  und 
Hesionebefreiung,  Raub  des  goldenen  Vließes 
durch  den  auf  einem  Opfertisch  neben  dem 
Baum  knienden  lason,  während  Medea  von 
der   andern    Seite    kommend    die    Schlange 
durch  Speisung  ablockt  (hier  Abb.  14)  und 
Herakles  mit  Hesperide,   die  Äpfel  holend, 
Bestrafung  der  Danaiden  und  des  Marsyas, 
Leukippidenraub    und    Raub    eines    gany- 
medesartigen  Mundschenken  mit  Krug  und 
Fackel   durch   einen  Windgott,    ein   Schul- 
meister mit  zwei  Knaben  (hier  Abb.  15  ;  von 
Wolters  fein  erklärt  durch  Vergleich  von  Kalli- 
machos  epigr.  XLIX  Schneider),  und  andere 
Genreszenen,     Prästrigiatoren     und    Tänzer 
(Abb.  16),  ländliche  Opfer  und  Wagenrennen, 
mit  Pygmäen,  Eroten  auf  Schmetterlingsjagd 
oder  einen  Ziegenwagen  lenkend,  Athleten  im 
Kampfschema  und  Betende,   Mänaden  auf 
Panthern  und  bacchische  Gestalten,  Gorgo- 
neiaundheiligeGeräte,  Kandelaberund  Nikai 
usw.  —  die  ganze  anmutigeWelt,  wie  sie  uns 
in  der  Casa  dei  Vetti  oder  auf  den  Stuckwöl- 
bungen der  Famesinavilla  entgegentritt.   Mit 
letzteren  ist  überhaupt  die  ÄhnUchkeit  so 
stark,  daß  schon  dadurch  Gatti  und  Fornari, 
die  ersten  Herausgeber,  sich  veranlaßt  sahen, 


efne  Datierung  in  die  erste  Kaiserzeit  auszu- 
sprechen, wie  sie  auch  mir  nach  den  Ab- 
bildungen die  einzig  gegebene  scheint,  im 
Gegensatz  zu  Lanciani,  der  an  hadrianische 
Zeit  denkt,  wie  vorübergehend,  damals  noch 
ohne  Autopsie  und  Abbildungen,  auch  Hül- 
sen (BphWoch.  1919,259 — 64).  Andererseits 
muß  man  Lanciani  recht  geben,  daß  For- 
naris  Gedanke,  die  Anlage  könne  oder  gar 
müsse  den  Statiliern  gehört  haben,  topo- 
graphisch nichts  weniger  als  zwingend  zu 
begründen  ist.  Trotz  der  Dekoration  wird 
man  der  Beweiskraft  analoger,  ebenfalls  mehr 
oder  minder  unterirdischer  basilikaler  An- 


Abb.   15.     Stuckbild  [aus    der  »Basilika«    bei  Porta 
Maggiore. 


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Italien  1914 — igao. 


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Abb.   16.     Stuckbild  aus  der  »Basilika«  bei  Porta  Maggiore. 


lagen,  die  Lanciani  zusammenstellt,  nicht 
entgehen  können  und  auch  für  diese  wie  für 
die  Basilica  Crepereia,  Hilariana,  des  Scipio 
Orfitus,  des  lunius  Bassus,  der  syrischen 
Kulte  im  Furrinahain  religiöse  Bestimmung 
annehmen  müssen,  wofür  doch  auch  das 
Bauopfer  sprechen  würde.  Daß  später  be- 
wegliche Ausstattungsdinge  bei  sonstiger 
schonsamer  Erhaltung  der  Basilika  fortge- 
nommen sind,  könnte  vielleicht  durch  Ver- 
wendung für  heimlichen  christlichen  Kult 
erklärt  werden  (Not.  1918,  30—52,  Gatti 
und  Fornari;  RCL.  1918,  159—64,  Barnabei; 
Bull.  com.  XLVI,  1918—20,  69—84,  Lan- 
ciani; CRAc.  1918,  272—75  und  Rev.  arch. 
1918,  II,  52—75,  Cumont).  —  Thermen  an 
der  Via  Portuensis,  mit  Ziegeln  zw.  123 — 26, 
worunter  bisher  unbekannte  Stempel,  mit 
dazu  stimmender  Bauweise,  ergaben  Mo- 
saike mit  Gladiatorenszenen  und  reichlichen 
Inschriften  darauf  (Fig.  I— 3),  auch  geometri- 
sche Mosaike  solchen  aus  der  Hadriansvilla 
(z.  B.  Gusman,  Fig.  73)  gleichartig:  Not. 
1916,  311 — 318.  —  Der  Neubau  der  ameri- 
kanischen Akademie  förderte  ein  Stück  der 
Aqua  Traiana  und  Reste  noch  im  frühen 
Mittelalter  benutzter  Mühlen  am  Janiculus 
zutage.  Ausführlicheres  wird  Ashbys  bevor- 
stehende Behandlung  der  römischen  Wasser- 
leitungen bringen  (Memoirs  of  the  Americ. 
Academy  in  Rome  I,  1917,  59 — 61  und  pl. 
15).  —  Hingewiesen  sei  hier  auch  auf  Da- 
riers fleißige  Bibliographie  über  das  Furrina- 
heiligtum:  »Les  fouilles  du  Janicule  ä  Rome. 
Le  Lucus  Furrinae  et  les  temples  des  dieux 
Syriens«.  Genf  1920.  —  Die  Forderungen 
des  sich  steigernden  Verkehrs  haben  seit 
geraumer  Zeit  Durchbrechungen  der  aureli- 


anischen  Mauer  veranlaßt,  zum  Teil  mit 
solchen  Übereilungen,  daß  die  Zerstörung 
wertvoller  historischer  Bilder  lebhaft  be- 
dauert, ja  der  Wunsch  laut  geworden  ist, 
man  möchte  die  großen  Lücken  durch  teil- 
weisen Wiederaufbau  der  Mauer  wieder 
schließen  (Mariani,  Bull.  com.  XLV,  1918, 
217).  Da  ist  es  denn  begreiflich,  daß  man 
sich  bemüht,  die  vorhandenen  und  natür- 
lichen Durchgangspunkte  des  Verkehrs,  die 
Tore,  zu  erweitern  und,  wo  Höhenverhält- 
nisse oder  sonstige  Schwierigkeiten  im  Wege 
stehen;  diese  auszugleichen.  Über  solche 
Arbeiten  an  Porta  S.  Giovanni,  Maggiore, 
Tiburtina  (S.  Lorenzo)  und  Pinciana  steht 
ein  instruktiver  Bericht  Marianis  im  Bull, 
com.  XLV,  193—217  mit  tav.  XVI— XIX 
und  zahlreichen  Textbildern.  Die  Arbeiten 
scheinen  diesen  Toren  durchweg  keinen 
Schaden  getan,  ihre  monumentale  Wirkung 
gegenüber  früherer  Verbauung,  ja  teilweiser 
Schließung  sogar  gehoben  zu  haben.  Die 
Freilegungsarbeiten  führten  zur  Aufdeckung 
von  Anbauten,  naheliegenden  Denkmälern, 
innerhalb  der  Porta  Maggiore  auch  einiger 
später  Malereien  in  schon  im  Altertum  ver- 
mauerten Seitenbögen,  die  wohl  aus  trai- 
anisch-hadrianischer  Zeit  stammend  zu  den 
Wasserleitungen  gehörten,  denen  ja  Porta 
Maggiore  ihren  Ursprung  verdankt.  Zwei 
Schichten  Malereien  übereinander  wurden 
festgestellt,  die  unteren  einfach,  mit  bacchi- 
schen  Masken  u.  dgl.,  darüber  in  Zonen,  die 
durch  rote  Striche  horizontal  abgeteilt  waren, 
Szenen  vom  Wettkampf  des  Pelops  und 
Oinomaos,  flott,  mit  raschem  Pinsel  ausge- 
führt, nicht  spät,  interessant  durch  die  la- 
teinischen Beischriften  »Myrtilus«,   »Eurya- 


109 


Italien  1914^1930. 


HO 


lus«,  »Ippodamia«,  »Nutrix«,  »Ippodamus«, 
die  übrigen  Namen  unvollständig  und  nur 
vermutungsweise  zu  Nereas  Pelops,  Oeno- 
maus  ergänzt;  die  leider  mangelhafte  Er- 
haltung mindert  die  Bedeutung,  welche  sonst 
die  Malereien  beanspruchen  könnten,  als 
Niederschlag  römischer  dramatischer  oder 
pantomimischer  Dichtung.  Der  Bogen  war 
augenscheinlich  vor  seiner  Zumauerung  zu 
praktischem  Gebrauch  vermietet,  wie  in 
einem  ähnlichen  Bogen  der  P.  S.  Lorenzo 
sich  eine  Kapelle  des  11.  Jahrhunderts  mit 
gemaltem  Altar  und  Wandgemälden  auf  den 
Seitenwänden  des  Raums  eingenistet  hatte. 
—  Gräberfunde  sind  wie  immer  reichlich  ge- 
macht worden,  antike  wie  spätere.  Besonders 
zwei  Komplexe  sind  beachtenswert,  einer  in 
der  Nähe  des  Lateran,  der  andere  an  der 
Via  Ostiensis.  Der  erste  gehört  zu  einer 
Straße,  die  durch  Gräberfunde  schon  seit 
1866  bekannt  am  Nordende  der  Villa  Wol- 
konsky  hinzieht  (Lanciani,  FÜR.  tav.  31, 
Jordan-Hülsen,  Top.  I,  3,  246 — 47).  Hier 
sind  sukzessive  bis  jetzt  im  ganzen  fünf 
oberirdische  Kammergräber  in  Aediculaform 
aufgedeckt,  die  hausartig  aneinanderschlie- 
ßend  das  Bild  einer  einheitlichen  Straßen- 
flucht gewähren,  auch  als  solches  erhalten 
bleiben  sollen  (Not.  1917,  174— 79>  274; 
1919,  38;  Bull.  com.  XLV,  1918,  237—42). 
Namentlich  die  Abbildungen  Not.  Fig.  2  = 
Bull.  com.  Fig.  3  geben  eine  gute  Vorstellung 
von  dem  Bilde,  das  ähnlich  bereits  die  Grä- 
berstraßen von  Orvieto  im  5.  und  4.  Jahr- 
hundert gewährten:  aus  Peperinquadern  er- 
richtete Hausfronten  mit  solider  Fundierung, 
Sockel,  breiter  Tür,  Geison  und  Sima  als 
oberer  horizontaler  Abschluß,  die  Wandteile 
über  der  Türhöhe  verziert  an  einem  der  Grä- 
ber mit  Rundschilden  in  Relief,  an  andern 
mit  Reliefbüsten,  zusammengerückt  in  Ver- 
tiefungen, die  mit  Rundbögen  abgeschlossen 
sind,  ganz  der  Vorstellung  entsprechend,  die 
wir  uns  von  der  Aufstellung  der  Ahnen- 
masken in  den  Atrien  machen  müssen.  Das 
Innere  ist  für  Brandgräber  eingerichtet,  zum 
Teil  mit  seitlichen  Loculi  zur  Aufnahme  von 
Aschenurnen,  die  Wände,  nicht  bei  allen 
Gräbern,  mit  farbigen  Stuckschichten,  ein- 
mal eine  ältere  durch  eine  spätere  ersetzt, 
bedeckt.  Spätere  Nachbestattungen,  sowohl 
Brand  wie  in  rechteckigen,  meist  mit  Ziegeln 


abgedeckten  Gruben,  einmal  auch  in  einem 
Tonsarg  erfolgte  Skelettbestattungen  sind  die 
Regel,  hier  wie  in  so  vielen  stadtrömischen 
Columbarien  und  andern  Gräbern  früherer 
Zeiten,  meist  wohl  ohne  daß  noch  ein  Fa- 
milienzusammenhang anzunehmen  wäre;  die 
zum  Teil  mit  Hilfe  roh  zwischengesetzter 
Mauern  eingerichteten  Skelettbestattungen 
gehören  ja  selbstverständlich  sehr  viel  jünge- 
ren Zeiten  an.  Die  Errichtung  dieser  Gräber 
nach  den  Bauformen  und  den  Inschriften 
der  Vorderseite  — •  Beigaben  sind  außer 
einigen  Glasgefäßchen  der  jüngeren  Gräber 
kaum  mehr  gefunden  • —  hat  wahrscheinlich 
noch  in  der  letzten  Zeit  der  Republik  oder 
der  ersten  Kaiserzeit  stattgefunden.  Durch- 
weg Freigelassene,  soweit  die  leider  starke 
Zerstörung  der  Peperinquadern  noch  Lesung 
der  Inschriften  erlaubt.  —  Ein  noch  ungleich 
vollständigeres  Bild  einer  solchen  Nekropole 
gewähren  umfassende  Aufdeckungen  an  der 
Via  Ostiensis  in  unmittelbarer  Nähe  von 
S.  Paolo,  unter  der  bereits  1823  gleichartige 
Gräber  gefunden  sind  (Not.  1919,  285 — 354 
mit  Taf.  VIII— IX  und  35  Textabbildungen. 
Lugli).  Grab  reiht  sich  hier  an  Grab,  ganze 
Insulae  haben  sich  gebildet  mit  Grabhaus- 
fronten nach  allen  Seiten  und  Straßen  da- 
zwischen, auch  kleine  Columbarien,  jeder 
freie  Platz  ausgenutzt,  viele  Aediculae,  die 
ursprünglich  freistanden,  sind  später  durch 
andere  eingebaut.  Als  noch  mehr  Raum  da 
war,  mögen  manchen  Gräbern  kleine  Gärt- 
chen  beigefügt  gewesen  sein,  aus  denen  dann 
vereinzelt  gefundene  Skulpturstücke  wie  die 
Marmorherme  des  einschenkenden  jugend- 
lichen Dionysos  (Not.  343,  Fig.  28)  stammen 
mögen.  Manche  Gräber  sind  groß,  augen- 
scheinlich Familiengräber  gutstehender  Fa- 
milien, die  auch  schön  ausgeschmückt  waren, 
wie  z,  B.  die  Gräber,  von  deren  Ausmalung 
die  Abbildungen  Fig.  5  und  6  —  eine  inter- 
essante schöne  Darstellung  der  Rückführung 
der  Alkestis  durch  Herakles  (Abb.  17),  der 
köstlich  lebendige  Kinderkopf  Fig.  30,  — oder 
Fig.  13,  14  eineVorstellunggcben.  Die  Mehr- 
zahl jedoch  auch  hier,  im  Hinblick  auf  die 
plebejische  Gegend  begreiflich,  Gräber  von 
Freigelassenen.  Auch  hier  überall  das  Be- 
streben, den  Raum  immer  mehr  auszunutzen, 
in  vorhandene  Gräber  immer  neue  Toten- 
reste zu  verbringen,  zuerst  in  Brandurnen 


III 


Italien  1914 — 1920. 


1X2 


Abb.   17.     Herkules  u.  Alkestis.    Bild  im  Friedhof  an  der  Via  Ostiensis. 


Später  in  eingebauten  Formae,  die  sich  zum 
Teil  schon  in  christHcher  Zeit  über  die 
Scheitelhöhe  der  alten  Gräber  hinwegzogen. 
Die  ältesten  Gräber  aus  dem  Ende  der  Re- 
publik und  dem  ersten  kaiserlichen  Jahr- 
hundert waren  die  besterhaltenen,  weil  spä- 
ter mit  der  infolge  der  Erhöhung  des  Tiber- 
betts und  dem  Steigen  des  Grundwasser- 
spiegels notwendigen  immerwährenden  Er- 
höhung der  Via  Ostiensis  das  ganze  Niveau 
gehoben  werden  mußte  und  die  jüngeren 
Nachbestattungen  daher  höher,  der  Ober- 
fläche und  ihren  Zerstörungsfaktoren  aus- 
gesetzter wurden.  —  Am  Viale  Manzoni, 
zwischen  Porta  Maggiore  und  S.  Croce  in 
Gerusalemme  ist  eine  umfassende  kata- 
kombenartige Anlage  aufgefunden,  über 
die  Bendinelli,  Not.  1920,  123 — 41,  tav. 
I — IV  und  8  Textabb.,  sowie  kurz  Marucchi, 
Nuovo  Bull,  di  archeol.  crist.  XXVI, 
I9?P,  53  ff-,  berichtet  haben.  Den  Beginn 
macht  ein  in  der  zweiten  Hälfte  des 
2.  Jahrhunderts  ausgemaltes  Arkosolien- 
gemach,  mit  späteren  Erweiterungen  nach 
verschiedenen  Richtungen.  Eigentümer  nach 
den  Inschriften  Freigelassene  der  Aurelier, 
welche  dieselbe  Familie  bis  ins  3.  Jahrhun- 
dert geleiten.  Manche  Türen  und  Arkosolien 
später  eingebrochen,  ebenso  wieder  Ein- 
bauten von  Formae  in  Arkosolien.  Überall 
Lichtschachte  und  Treppen  von  verschiede- 
nen Seiten.  Die  einzelnen  Kammern  auf  ver- 
schiedenen Höhen.    Sorgsamer  Bau  aus  zie- 


geiförmigem Tuffstein  und  Backstein,  mit 
Wölbungen.  Die  zum  Teil  sehr  guten  und 
gut  erhaltenen  Malereien  verteilen  sich  un- 
gleich. Die  weitaus  besten  und  auch  wohl 
ältesten  sind  auf  hellen  Grund  eines  Haupt- 
raumes gesetzte  Einzelgestalten  von  zwölf 
Männern  in  weißer  Tunika  mit  roten  Säumen 
und  Pallium,  nackten  Füßen,  in  der  einen 
Hand  meist  eine  Rolle,  die  andere  oftmals 
redebegleitend  erhoben.  Obwohl  unter  Lgr. 
(M.  I,  04 — I,  13),  wirken  die  Gestalten,  unter 
geschickter  Benutzung  des  zentralen  Licht- 
einfalls so  lebendig  vom  Grunde  gelöst,  der- 
artig ernst  und  monumental,  daß  der  auch 
von  den  Herausgebern  besprochene  Gedanke, 
hier  die  zwölf  Apostel  vor  uns  zu  haben,  an 
sich  verständhch  wird,  zumal  im  selben 
Raum  viermal  der  gute  Hirte  an  der  Decke 
wiederholt  und  ein  kleines,  grün  gemaltes 
Kreuz,  0,9  m  hoch,  im  Eingang  zum  zweiten 
Gemach  in  die  Augen  fällt.  Trotzdem  wird 
der  Gedanke,  hier  bereits  eine  christliche 
Anlage  vor  sich  zu  haben,  noch  sorgsam  ge- 
prüft werden  müssen.  Je  zwölf  Gestalten 
erscheinen  auch  in  die  Lünetten  zweier  Ar- 
kosohen  gemalt.  Es  sind  aber  abwechselnd 
Männer  und  Frauen.  Denn  wenn  auch  z.  B. 
ein  Gemälde  (tav.  III),  das  eine  Lünette 
desselben  Raums  füllt,  dessen  Wände  mit 
den  »Aposteln«  geschmückt  sind,  einen  in 
der  Höhe  sitzenden  bärtigen  Mann  zeigt,  der 
über  eine  mit  beiden  Händen  gehaltene  offne 
Schriftrolle  hinwegbhckt,  während  zuunterst 


113 


Italien  19 14 — 1920. 


114 


Abt.   18.     Rom,  Grabanlage  am  Viale  Manzoni. 


auf  hügeligem,  mit  Bäumen  bestellten  Boden 
eine  Schafherde  weidet  (Ziegen  vermag  ich 
auf  der  Tafel  nicht  mit  Sicherheit  zu  er- 
kennen), zur  Not  auf  Petrus  gedeutet  werden 
könnte  —  freilich,  soweit  ich  sehe,  ohne  jede 
Analogie  in  der  bildlichen  Überlieferung; 
Marucchi  erinnert  an  den  fiaör^TTjc  1:01- 
fisvo?  d^voü  der  Aberkiosinschrift  (s.  Diete- 
rich, Kl.  Sehr.  496)  — ,  so  versagt  doch  jede 
christliche  Erklärung  bei  einem  andern  Lü- 
nettenbild  desselben  Raums  (tav.  IV,  hier 
Abb.  18),  das,  in  zwei  Pläne  zerlegt, 
zuoberst  eine  treffliche  '»hellenistische« 
Landschaft  zeigt,  mit  einer  Stadt  im_ 
Hintergrund,  ländlichen  leichten  Bau- 
werken links  und  rechts  vorn,  auch  eine 
Laufbrunnenanlage,  davor  einen  schreienden 
Esel,  zahlreiche  Rinder  und  Ziegen;  im  un- 
teren Plan  einen  Webstuhl,  von  dem  rechts 
eine  Frau  einem  am  Boden  sitzenden,  in  leb- 
hafter Rede  die  Rechte  erhebenden  Manne 
gegenübersteht,  während  von  links  drei 
nackte  Männer  herankommen,  in  denen  Ben- 


dinelli  die  Freier,  in  den  beiden  rechts  Pene- 
lope  und  Odysseus  erkennen  möchte:  wohl 
sehr  fraglich.  Auch  die  übrigen  im  Bericht 
nur  beschriebenen  hellenistischen  Land- 
schaftsbilder entbehren  der  bestätigenden 
altchristlichen  Analogien.  Eher  bieten  sich 
solche  natürlich  für  ein  lebendig  dargestelltes 
Convivium.  Ist  freilich  die  Datierung  vor 
200  zutreffend,  wie  ich  glauben  möchte, 
so  dürfen  wir  nach  solchen  auch  nicht  gar 
zu  ängstlich  suchen:  würde  es  sich  hier  doch 
in  ganz  hervorragender  Weise  um  »christ- 
liche Antike«  handeln.  —  Auch  das  schon 
seit  geraumer  Zeit  so  ausgiebige  Gräber- 
gebiet vor  Porta  Salara  hat  seit  1913  sehr 
viele  Einzelfunde  ergeben,  darunter  eine 
ganze  Anzahl  größerer  und  kleinerer  Co- 
lumbarien,  an  Inschriften,  zum  Teil  auch  an 
künstlerischem  Schmuck  reich:  besonders 
bemerkenswert  die  Stücke  eines  vortreff- 
lichen Reliefs,  das  vielleicht  vom  Außen- 
schmuck eines  Grabes  stammend  ein  Vier- 
gespann zeigt,  in  bestem  hellenistischen  Stil, 


"5 


Italien   1914 — 1930. 


116 


das  über  das  Meer  dahinfährt,  von  Tritonen 
geleitet,  von  kraftvollen  Jünglingen  gebän- 
digt, dazu  gehörig  schön  gewandete  Frauen- 
gestalten, alles  mit  großer  Frische  gearbeitet: 
Not.  1917,  288 — 310,  besonders  Fig.  6,  7; 
1916,  95 — 110.  Ein  merkwürdiges  Beispiel 
von  lange  fortgesetztem  Totenkult  wenn 
nicht  Deisidaimonie  zeigt  der  aus  kleinen 
Kammergräbern  und  Columbarienresten  in 
gutem  Retikulat  des  i. — 2.  Jahrhunderts  er- 
richtet gewesene,  später  mit  kleinen  Mäuer- 
chen  aus  unregelmäßigem  Material  durch- 
setzte und  behufs  Anlage  von  Formae  mehr- 
fach vom  4.  Jahrhundert  ab  überbaute  Kom- 
plex E.  der  Gräberanlage  Not.  191 7,  289, 
Fig.  I:  ein  solch  kleines  spätes  Mäuerchen 
zeigte  zwei  emporragende  Tonröhren  der  be- 
kannten Spenderöhrenart  des  i. — 2.  Jahr- 
hunderts. Das  Mäuerchen  auseinanderneh- 
mend fand  man  in  ihm,  sorgfältig  ausge- 
spart, einen  rechteckigen  Hohlraum  und  in 
ihm  zwei  Aschenurnen,  in  welche  jene  Ton- 
röhren mündeten  (294 — 95).  —  Ebenfalls  vor 
Porta  Salara  sind  umfassende,  bis  zu  900  m 
betragende  christliche  Katakombengänge  er- 
forscht, mit  früher  bekannten  zum  Teil  zu- 
sammenhängend, zum  großen  Teil  vorkon- 
stantinisch;  auch  hier  wie  oft  von  Interesse 
die  in  die  Loculiverschlüsse  eingedrückten 
Erkennungszeichen:  aretinische  und  andere 
Scherben,  Münzen  des  3.  Jahrhunderts, 
Glasstücke,  einmal  auch  ein  Kinderkopf  aus 
Bergkristall.  Eine  umfassende  Veröffent- 
lichung wird  vorbereitet  durch  Josi  für  die 
Comm.  di  archeol.  sacra;  vorläufig:  Josi, 
Nuovo  Bull,  di  archeol.  crist.  192O,  6off. ; 
Not.  1920,  227 — 231.  —  Von  noch  weit- 
greifenderer  Bedeutung  sind  die  durch  die 
'Comm.  di  archeol.  sacra  seit  1914  in  Aus- 
führung begriffenen  Grabungen  um  und  un- 
ter der  Kirche  S.  Sebastiano  an  der  Via 
Appia,  um  die  auf  Verse  des  Papstes  Da- 
masus im  Liber  pontificalis  zurückgehende 
Tradition  nachzuprüfen,  welche  hier  die  vor- 
übergehende Ruhestätte  des  römischen  Apo- 
stelpaares angibt.  Eine  Darstellung  des  ver- 
wickelten, aber  doch  klaren  und  bestätigen- 
den Ergebnisses  (Doppelkenotaph,  zahlreiche 
die  Apostel  anrufende  Graffiti,  Refrigerium- 
raum)  kann  hier  nicht  gegeben  werden;  eine 
umfassende  Veröffentlichung  wird  durch  Ma- 
rucchi  vorbereitet;    vorläufige  Berichte  und 


zum  Teil  gegeneinander  polemisierende  Be- 
handlungen durch  Styger,  Rom.  Quartalschr. 
191 5  und  Atti  Pontif.  Acc.  di  archeol.  XIII, 
1917;  Marucchi,  N.  Bull,  crist.  1916  und 
Bull,  comun.  XLIII  191 5,  249 — 78  mit  dem 
PlanTaf.  XI;  XLIV  1916,  145— €0.  Unter 
und  neben  der  Kirche  wurde  eine  römische 
Villa  des  i.  Jahrhunderts  gefunden,  im  4. 
Stil  gut  ausgemalt,  mit  ebenfalls  ausgemal- 
ten Souterrainräumen  (hierüber  besonders 
Fornari,  Studi  Romani  I,  355  ff.  und  Pro- 
fumo,  Studi  Romani  II,  1914  (1916),  415  ff.); 
ferner  unter  der  Kirche  drei  Columbarien, 
klein  aber  fein  dekoriert;  ihr  Boden  bei  be- 
ginnender Bestattungszeit  zum  Teil  vertieft 
für  Formae  und  dann  neue  jämmerliche  De- 
koration darüber.  Zerstört  durch  den  Kir- 
chenbau (Not.  191 5,  64 — 67;  Bull.  com. 
1915,  256,  264).  —  Freigelegt  wurde  ferner 
ein  großer  Teil  des  im  Itin.  Salisb.  (de  Rossi, 
Roma  Sott.  I,  182)  erwähnten  oberirdischen 
cimitero  di  Ponziano  an  der  Via  Portuensis 
(Not.  1917,  277 — 88). — Auch  hier  sei  Erwäh- 
nung getan  der  neuen  Serie  der  »Roma  Sotter- 
ranea  cristiana«,  deren  erster  Band,  durch 
Marucchi  herausgegeben,  in  vier  Heften  die 
lange  erwartete  und  von  De  Rossi  sorgsam 
vorbereitete  Veröffentlichung  der  für  »christ- 
liche Antike«  ja  so  wesentUchen  Domitilla- 
katakombe  und  ihrer  zahlreichen  Denkmäler 
bringt.  Die  Fortsetzung  soll  der  Priscilla- 
katakombe  gewidmet  werden.  —  Nachdem 
die  jüdischen  Katakomben  vor  Porta  Portu- 
ensis erschöpfende  Behandlungen  erfahren 
haben  durch  N.  Müller,  Atti  Pontif.  Acc. 
Archeol.  Xn,  1915,  205 — 318  und  Schneider- 
Graziosi,  N.  Bull,  crist.  1915,  13 — 56  (s.  auch 
Paribeni,  Not,  1919,  60 — 70),  ist  eine  neue 
vor  Porta  Nomentana  im  Bereich  der  Villa 
Torlonia  bekannt  geworden,  welche  nach 
Paribenis  Vermutung  vielleicht  zu  der  Ge- 
meinde gehört,  die  als  Synagoge  der  Si- 
burenses  (Subura)  möglicherweise  jenes  Ora- 
torium besaß,  das  als  Proseuche  de  aggere 
CIL.  VI,  9821  genannt  ist:  etwa  4500  Loculi, 
zum  Teil  bei  Kindern  bis  zu  zehn  überein- 
ander, ärmlich,  in  einigen  Arkosolien  etwas 
mehr  Malerei,  z.  B.  der  Leuchter,  Scholar, 
Ceder,  Mohn,  Thora,  Delphine,  Noahtaubc, 
Oliven-  und  Lorbeerzweige;  in  einem  Arko- 
solium  ein  gemalter  Riefelsarkophag  mit 
Löwenköpfen.     Wo  Sarkophage,  sonst  nur 


117 


Italien   19 14 — 1920. 


118 


rohe  Steinkisten,  mit  Ausnahme  des  doch 
wohl  von  hier  stammenden  S.  155,  Fig.  2 
abgebildeten  Sarkophags  mit  dem  Leuchter 
zwischen  Pflanzen  in  der  Mitte  der  flachen 
Vorderseite  aus  V.  Torlonia  (Paribeni,  Not. 

1920,   143—55)- 

Latium  außer  Rom.  Ganz  in  den  Vorder- 
grund tritt  Ostia,  das  sich  immer  mehr  zu 
einem  latinischen  Gegenstück  zu  Pompeji 
herausgestaltet  und  mit  Aufwendung  bedeu- 
tender Mittel  und  starker  Arbeitskraft 
während  des  Krieges  auch  österreichischer 
Gefangener  —  immer  weiter  aufgedeckt  wird 
unter  trefflicher  Leitung  kundigster  Fach- 
männer, namentlich  Paribenis  und  Calzas, 
nach  Vaglieris  vorzeitigem  Tode,  dessen  guter 
kleiner  Führer,  noch  im  letzten  Institutsbe- 
richt (Arcli.  Anz.  1914,  192)  dankbar  er- 
wähnt, die  bisherige  Grabungsperiode  ab- 
schloß, über  welche  auch  in  Paschettos  um- 
fassendem Buch  (Arch.  Anz.  1912,  651),  so- 
wie in  knapper  trefflicher  Zusammenfassung 
Hülsens  (Internat.  Monatsschr.  VII,  1913, 
Septemberheft,  mit  Plan)  das  Notwendige  ge- 
geben ist.  Während  in  der  päpstlichen  Zeit 
und  noch  geraume  Zeit  hernach  die  Grabung, 
mehr  durch  Zufall  als  planmäßige  Erwägung 
geleitet,  bald  hier,  bald  dort  Augenfälliges 
weiter  aufzudecken,  namentlich  aber  Objekte 
hervorzuholen  sich  bemühte,  setzt  seit  Jahren 
eine  andere  Methode  ein,  uns,  die  wir  durch 
Olympia,  Pergamon  und  die  anderen  helle- 
nistischen Städte  Kleinasiens  das  Beispiel 
gegeben  haben,  nicht  überraschend:  das  Be- 
streben, die  einzelnen  im  weiten  Stadtbild 
verteilten  Ruinenkom'plexe  zu  verbinden  und 
so,  von  der  bisher  am  besten  bekannten  Mitte 
nach  der  Peripherie  gehend,  zwar  wesentlich 
die  große  Hafenstadt  des  kaiserlichen  Roms, 
welche  keine  plötzliche  Katastrophe,  sondern 
die  Zersetzungskraft  der  Zeit  und  der  Sand 
zugedeckt  haben,  vor  unserm  geistigen  und 
soweit  möglich  auch  dem  physischen  Auge 
wiederaufzubauen,  aber  auch  die  tieferen  re- 
publikanischen Schichten  zu  ermitteln,  um 
die  Geschichte  des  Gemeinwesens  zu  ver- 
stehen. Alles  das  ist  verständig  dargelegt 
von  Calza  (Bull,  comun.  XLIV  1916,  161 
bis  95):  »Scavo  e  sistemazione  di  rovine  a 
proposito  di  un  carteggio  inedito  di  P.  E. 
Visconti  sugli  scavi  di  Ostia«,  wie  man  dort 
jetzt  vorgehe,  um  auszugraben,  zu  erhalten. 


herzustellen,  zu  befreien,  ältere  Schichten 
sichtbar  zu  machen,  alles  ästhetisch  zu  ge- 
stalten, durch  Modelle  und  Pläne  zu  ergän- 
zen und  anschaulich  zu  machen.  Mit  Recht 
hebt  Calza  die  notwendige  Verschiedenheit, 
z.  B.  von  Pompeji  hervor,  das  da  aufhört, 
wo  Ostias  uns  vor  Augen  stehendes  Bild 
beinahe  erst  anfängt,  das  eine  neben  dem 
Erwerb  behaglichem  campanischen  Lebens- 
genüsse hingegebene  Stadt  war,  während 
Ostia  ganz  auf  Schiffahrt  und  Handel,  be- 
sonders die  Korneinfuhr  eingestellt,  nur  Be- 
wohner sah,  welche  genötigt  waren,  hiermit 
ihr  Brot  zu  verdienen.  Das  durch  diese 
Lebensnotwendigkeiten  bedingte  Bild  der 
Stadt,  die  Gestaltung  der  hohen  Etagen- 
häuser, meist  aus  Backstein,  mit  ihren 
Fensterfassaden  und  Baikonen,  Lichthüfen 
im  Innern  und  in  langen  Reihen  mit  voller 
Raumbreite  sich  öffnenden Tabernen  (Abb.  19 
bis  2 1 ),  alles  dem  Mittelalter-  und  Renaissance- 
haus Italiens  so  überraschend  ähnlich,  wenn 
auch  lange  noch  der  Erdgeschoßbau  und  die 
Öffnung  nach  dem  Hof  nachwirken,  der  Miet- 
häusertyp, die  Lagerhäuser,  überhaupt  die 
verstandesmäßige  mathematisch  geregelte 
Anlage  des  Straßennetzes,  die  allmählich  not- 
wendige Erhöhung  der  Straßenkörper,  der 
vier  Tempel  und  Häuser  als  Folge  des  stei- 
genden Grundwasserspiegels,  da  das  Tiber- 
bett sich  immer  mehr  aufhöhte,  der  mächtige 
Platz  der  Schiffahrtsbörse:  die  Piazza  delle 
Congregazioni  mit  den  Mosaikinschriften, 
welche  den  Standort  der  Schiffer  namentlich 
aus  den  Getreide  liefernden  Häfen  Afrikas 
und  der  Levante  bezeichneten  und  dem  wohl 
der  Ceres  geltenden  Tempel,  das  Theater, 
ältere  und  jüngere  Straßen  und  Tore,  die 
Gräber  nahe  der  sog.  Porta  Romana,  die 
noch  in  republikanische  Zeit  fallenden  vier 
kleinen  Tempel  und  der  beherrschende,  frü- 
her schwerlich  richtig  für  Vulkan,  von  Hülsen 
mit  gtiten  Gründen  für  den  Kaiserkult  in  An- 
spruch genommene  Backsteintempel,  die 
Hauskulte,  allein  bis  wahrscheinlich  jetzt 
schon  neun  Mithräen,  die  Innendekorationen 
mit  ihren  gewollten  Unregelmäßigkeiten  und 
bei  aller  Ähnlichkeit  mit  den  pompejanischen 
Architekturstilen  doch  dem  zweiten  näher- 
stehend als  dem  vierten,  ihren  sukzessiven 
Änderungen,  die  uns  der  Füllung  der  Lücke 
zwischen    Pompeji    und    der    Katakomben- 


119 


Italien  1194 — 1910. 


120 


Abb.  19.     Ostia.     Rekonstruktion. 


maierei  um  ein  so  bedeutendes  Stück  näher- 
bringen, schließlich  der  Niedergang  Ostias, 
teils  durch  Portus  und  durch  das  immer  wei- 
tere Hinausrücken  der  Küste,  teils  durch  den 
Abstieg  Roms  selbst  —  charakteristisch  die 
Verbote,  Häuser  auf  Abbruch  zu  verkaufen, 
das  Erlöschen  der  Korporationen:  alle  diese 
-vielen  Tatsachen  und  Gesichtspunkte,  durch 
zielbewußte  Untersuchung  gut  festgestellt, 
unter  Hinblicken  auf  so  manche  noch  zu 
lösende  Aufgaben,  sie  sind  von  den  Bearbei- 
tern Ostias  in  manchen  Einzelberichten  und 
einigen  großen  Abhandlungen  der  letzten 
Jahre  vortrefflich  und  gewissenhaft  vor 
Augen  geführt;  es  seien  genannt:  Paribeni, 
I  quattro  tempietti  di  Ostia  (ML.  XXIII, 
1914,  437 — 484  und  tav.  I — III);  Calza, 
La  preminenza  deir  Insula  nell'  edilizia  Ro- 
mana (ML.  XXIII,  1914,  541 — 608,  tav. 
I — VI);  Calza,  Not.  1914,  69 — 74;  Mancini, 
Not.    1914,    98 — 102;     Pasqui,    Not.    1914, 


147—51;  Calza,  Not.  1914,  244—56;  284 
bis  91;  426—29;  Not.  1915,  27—31,  242 
bis  58;  324 — 33;  II  piazzale  delle  corpora- 
zioni  e  la  funzione  commerciale  di  Ostia 
(Bull,  comun.  XLIII,  191 5,  178 — 206  und 
tav.  VIII);  Calza,  Not.  1916,  138—148 
Paribeni,  Not.  1916,  176— 80;  321—29 
399—428;  Calza,  Not.  1917,  312—26;  Pari 
beni,  Not.  1918,  128 — 38;  Calza,  Gli  scavi 
recenti  nell'  abitato  di  Ostia,  ML.  XXVI, 
1920,  321 — 43O;  Moretti,  Not.  1920,  41 — 66; 
Paribeni,  Not.  1920,  156 — 66.  —  An  der  Via 
Ostiensis,  7  Migl.  von  Rom,  sind  die  bis  in 
prähistorische  Zeiten  hinaufreichenden  Reste 
einer  Siedelung  gefunden,  die  in  christlicher 
Zeit  volkreicher  geworden  zu  sein  scheint; 
zwei  christliche  Friedhöfe,  teils  unter,  teils 
neben  der  von  Papst  Honorius  I.  (525—38) 
erbauten  Kirche  S.  Ciriaco:  Not.  1916,  123 
bis  37.  Die  vier  dort  gefundenen  Sarkophage: 
M^l.  d'arch.  et  d'hist.   XXXVI,   1916-17, 


121 


Italien  19 14 — 1910. 


122 


Abb.  20.     Ostia.    Rekonstruktion. 


Abb.  21.     Ostia.     Rekonstruktion. 


57—72  (Fornari).  —  Nordöstlich  von  Lanu- 
vium  fand  sich  zugedeckt  mit  einem  Tuff- 
block 3  m  unter  dem  Boden  altlatinisches  Ge- 
schirr, doch  wahrscheinlich  von  einem  Brand- 
grab der  alten  Albaner  Art,  alsdann  das  erste 
Anzeichen  der  Italikernekropole  des  alten 
Lanuvium,  über  das  auf  die  zusammen- 
fassende Darstellung  Colburns  hingewiesen 
sei:  Am.  J.  of  Archaeol.  XVIII,  1914,  18—31, 
185—98,  363—80.  Leider  kein  brauchbarer 
Fundbericht  (Not.  1917,  27—30).  —  Die 
Villenanlagen  am  Kraterrand  des  Albaner 
Sees  hat  G.  Lugli  zum  Gegenstand  sorg- 
fältiger Untersuchungen  gemacht,  und  zwar 
die  älteren  Anlagen  vor  der  großen  Umge- 
staltung durch  die  Villa  Domitians:  Bull, 
com.  XLII,  1914,  251—316,  tav.  IX— XI; 
die  Domitianische  Villa:  Bull.  com.  XLV, 
1917,  29-78,  tav.  III-V;  XLIV,  1918, 
(1920),  3—68,  tav.  II— III,  beide  Abhand- 
lungen mit  zahlreichen  Abbildungen  bau- 
licher Einzelheiten  vortreffhcher  dekorativer 
Dinge,  namentlich  Stuckverzierungen,  guten 
Plänen  usw.  —  Durch  eine  ähnliche  Unter- 
suchung hat  sich  Lugli  verdient  gemacht  um 


die  Kenntnis  der  oft  genannten,  aber  nie  ge- 
nügend erforschten  Castra  Albana,  die 
zum  Teil  in  die  große  Domitianische  Anlage 
eingriffen  als  Kaserne  der  zweiten  parthischen 
Legion,  mit  der  Septimius  Severus  sich  nach 
Auflösung  der  Prätorianer  sicherzustellen 
suchte:  das  alles  von  Lugli  auf  Henzens 
Bahnen  fortschreitend  mit  guter  Methode 
erwiesen.  Den  oft  besprochenen  älteren  Rund- 
bau innerhalb  dieses  Lagers  bringt  er  mit 
einem  Bäderbau  der  Domitiansvilla  zusam- 
men (Ausonia  IX,  1919,  211— 265).  —  Auch 
die  jedem  Campagnabesuchcr  so  augenfälli- 
gen Baureste  an  der  Via  Prenestina,  2—4  km 
vor  der  Stadt,  die  man  früher  allzu  rasch 
mehr  oder  minder  eng  mit  der  vom  Scr.  hist. 
Aug.  geschilderten  Prachtvilla  der  Gordiane 
verband,  sind  von  Lugli,  der  zum  Teil  auf  Ash- 
bys  fleißigen  und  besonders  für  Tor  de'  Schia- 
vi  glücklichen  Forschungen  weiterbaut, 
ergebnisreich  untersucht  und  geschieden  in 
Reste  einer  republikanischen  Villa,  später 
natürlich  weiter  verwendet,  großer  später 
Anlagen  des  ausgehenden  3.  und  4.  Jahrhun- 
derts —  wohin  auch  die  grandiose,  aber  aus 


123 


Italien  191 4 — 1920. 


124 


schlechtem,  zusammengesuchtem  Material 
errichtete  Ruine  »Tor  de'  Schiavi«  nach  von 
Ashby  festgestellten  Stempeln  gehört,  ein 
mächtiges  Grab,  unten  die  Grabgewölbe,  dar- 
über der  Hauptraum,  der  für  Gedächtnis- 
feiern bestimmt  gewesen  sein  muß  — ,  zahl- 
reicher Monumentalgräber  zu  beiden  Seiten 
der  Straße  und  schließlich  die  Reste  der 
Gordianischen  Villa,  begonnen  wohl  schon 
zeitig  im  2.  Jahrhundert,  zu  ihrer  späteren 
Ausdehnung  durch  Gordian  HI.  erweitert; 
von  der  so  gerühmten  Halle  von  200  Säulen 
aus  vier  Gattungen  kostbarer  Marmore  sind 
in  situ  keine  Säulen  mehr  vorhanden,  aber 
umherliegende  Säulenstücke  beweisen  die 
Richtigkeit  der  Überlieferung.  Die  beige- 
gebenen Tafeln  geben  von  der  verschiedenen 
Art  des  Mauerwerks  und,  wo  erhalten,  auch 
von  der  Stuckornamentik,  leider  wenig,  sehr 
gute  Vorstellung.  Es  ist  erfreulich,  daß  die 
von  Frl.  van  Deman  und  Toebelmann  so 
scharf  ins  Auge  gefaßte  historische  Erfor- 
schung der  sukzessiven  Mauertechniken  der 
Kaiserzeit  nunmehr  von  italienischer  Seite 
methodisch  aufgenommen  wird.  Durch  den 
Einblick  in  die  starke  Aufsaugung  des  kleine- 
ren Privatbesitzes  durch  den  kaiserlichen 
Besitz  geben  Arbeiten  wie  diese  Luglis  dem 
Historiker  und  Wirtschaftsforscher,  dem 
Campagnahydrographen  durch  die  Auffin- 
dung so  vieler  in  den  aufeinanderfolgenden 
Jahrhunderten  erbauten  großen  Zisternen 
und  die  Linien  der  Wasserverteilung  nütz- 
liche Hinweise  (Bull.  com.  1915,  136—67, 
tav.  V— VH).  —  Ich  nannte  Fritz  Toebel- 
mann, mit  dessen  Kriegertod  so  manche 
wissenschaftliche  Hoffnungen  begraben  sind. 
Hier  muß  auch  seines  Buches  über  den  Bogen 
von  Malborghetto  Erwähnung  getan  wer- 
den, das  als  Abhandlung  2  der  Heidelberger 
Akademie  der  Wissenschaften  191 5  posthum 
erschienen,  von  der  schönen  Entdeckung 
Kunde  gibt,  die,  gemeinsamer  Arbeit  Toebel- 
manns  und  Hülsens  verdankt,  in  einem  qua- 
drifronten  Backsteinbau,  der  17  km  von  Rom 
entfernt  auf  weithin  sichtbarer  Höhe  der  Via 
Flaminia  sich  erhob  und  noch  im  Casale  di 
Borghettaccio  steckt,  von  Giuliano  da  San- 
gallo  gezeichnet  wurde,  den  Triumphbogen 
wiedererkennt,  welcher  Konstantins  Sieg  ad 
saxa  rubra  über  Maxentius  festzuhalten  be- 
stimmt war.    Ist  auch  der  arg  verbaute  Bo- 


gen jetzt  nur  noch  ein  unscheinbares  Skelett, 
so  ist  es  Toebelmann  doch  möglich  gewesen, 
mit  Hilfe  Sangallos  und  der  noch  am  Bau 
erhaltenen  Verkleidungsstücke  das  Bild  des 
Bogens  durchaus  glaubhaft  wieder  aufzu- 
bauen, ferner  aber  auch,  und  zwar  im  Gegen- 
satz zu  Moltke,  die  historischen  und  topo- 
graphischen Konsequenzen  aus  der  Ent- 
deckung zu  ziehen,  natürlich  auch  für  die 
Würdigung  der  Quellen  von  beträchtlicher 
Bedeutung.  Erfreulich  ist  die  rückhaltlose 
Zustimmung  eines  durch  seine  Studien  in 
Tripolitanien  für  spätrömische  Triumph- 
bögen so  kompetenten  Beurteilers  wie  L.  Ma- 
riani.  Bull.  com.  XLVI,  1918— 20,  252—55. 
—  Das  endlich  mehr  in  den  Vordergrund 
des  Interesses  tretende  Velletri  (Arch.  Anz. 
1914,  193)  hat  uns  durch  die  erfolgreiche  Un- 
tersuchung eines  volskischen  Tempels  unter 
der  Chiesa  delle  Stimmate  einen  erfreulichen 
Einblick  in  seine  Vorgeschichte  gebracht. 
Der  Grundriß  eines  wenigstens  einmal  ver- 
stärkten Tempels,  SO-NW  orientiert,  mit 
Peribolosmauern  und  ringsum  verschiedenen 
runden  Favissae  wurde  festgestellt;  in  den 
Favissae  wurden  viele  jener  archaischen 
Terrakottareliefs  gefunden,  auch,  wie  sich 
jetzt  klarstellte,  die  1784  entdeckten  Borgia- 
reliefs,  jetzt  in  Neapel.  Andere  an  der  Peri- 
bolosmauer.  Überall  Schutt  voller  alter 
Reste.  Die  neuen  Reliefs  sind  gut  in  Farben 
und  bestehen  aus  verschiedenen  Reihen. 
Auch  zwei  Stücke  freiplastischer  Giebel- 
figuren und  Stücke  freiplastischer  Akro- 
terien  sowie  viele  andere  architektonische 
Stücke,  namentlich  Simen  und  Antefixe. 
Das  Tongeschirr  begann  mit  latialischem, 
wozu  »Protokorinthisches«  verschiedener  Ar- 
ten, sf.  und  rf.  attischer  Import  tritt,  als- 
dann Etruskisch- Campanisches.  Den  Höhe- 
punkt scheint  der  Kult  im  5.  Jahrhundert 
erreicht  zu  haben,  nachdem  sich  die  Volsker 
494  von  der  ersten  Überrumpelung  durch 
Rom  freigemacht  hatten.  Ein  offenbarer 
Rückgang  scheint  einzutreten  nach  der  zwei- 
ten Eroberung  404  und  der  Niederwerfung 
der  vergeblichen  Aufstände  393  und  377, 
die  dann  ja  auch,  den  Scherbenfunden  in 
und  unter  der  sog.  kyklopischen 'Stadtmauer 
von  Norba  zufolge  (Auswahl  im  archäol.  In- 
stitut Heidelberg),  zur  Gründung  jener 
Zwingburg  gegen   das  Volskerland  geführt 


125 


Italien  1914 — 1930. 


126 


hat.  Die  Velletrifunde  zeigen,  wie  selbst- 
verständlich, die  größte  Verwandtschaft  mit 
gleichartigen  Stücken  aus  Satricum-Conca, 
Rom  und  Südetnurien  (Mancini,  Not.  191 5, 
68—88).  In  dem  Zusammenhange  ist  auch 
von  Interesse,  daß  eine  Inschrift  die  Wieder- 
herstellung einer  verfallenen  direkten  Ver- 
bindungsstraße zwischen  Velitrae  und  Satri- 
cum,  der  Via  Mactorina,  meldet  (Not.  1918, 
138—41),  die  bisher  unbekannt  war.  14000 
Sesterzen  werden  für  Silextransport  zu  die- 
sem Zweck  bewilligt. 

Sabina.  Bendinelli  veröffentlicht  Not. 
1915,  273 — 78  Grundmauern  und  sonstige 
Reste  eines  großen,  vielleicht  öffentlichen 
Gebäudes  in  Rieti,  das  eine  höhere  Be- 
deutung Reates  in  der  Kaiserzeit  vermuten 
läßt,  als  nach  Colasantis  letzter  Bearbeitung 
der  Stadt  (Bell.  d.  R.  Dep.  d.  stör,  patria 
p.  rUmbria  191 1)  zu  erwarten  wäre.  —  Als 
wertvolle  Vermehrung  der  eigentümlichen 
Grabreliefs  provinziellen  Charakters  aus  dem 
Abruzzengebiet  Amiternums  (s.  Rom. 
Mitt.  XXIII,  1908,  tav.  IV  und  S.  15  —  25; 
26—32)  sind  in  der  Nähe  San  Vittorinos 
zutage  gekommene  Reliefs  zu  begrüßen,  die, 
der  ersten  Kaiserzeit  angehörend,  gewiß  den 
Schmuck  architektonisch  gestalteter  Grab- 
aediculae  von  Amiternum  bildeten:  Stücke 
eines  Frieses:  aus  einem  Tor  heraustretende 
Gladiatoren,  nach  ihren  Klassen  deutlich  be- 
zeichnet, denen  voran  von  Togati  begleitete 
Fercula  getragen  werden,  auf  denen  Statuen 
des  luppiter  und  der  luno  stehen,  uti  ve- 
huntur  in  pompa  ludorum  circensium  de- 
orum  simulacra  (Macrob.  I,  23,  13),  eine 
gute  Illustration  auch  zu  Ovid.  Am.  HI,  2, 
44—60.  Davor  eine  Biga,  dann  zwei  Er- 
wachsene und  zwei  Jünglinge,  auch  diese 
schon  in  der  Toga,  davor  wiederum  eine 
Biga,  von  Viktoria  geleitet.  Vielleicht  zum 
gleichen  Fries,  wenn  auch  an  einer  anderen 
Seite  des  Baues,  gehörten  zwei  Tubicines 
(Fig.  1  —  5).  Zu  einem  andern  Denkmal  ge- 
hörte ein  sehr  viel  besser  gearbeitetes  Plat- 
tenstück, das  einen  gorgogeschmückten  Rund- 
schild zwischen  zwei  Beinschienen  zeigt  (Fig. 
6),  zu  einem  andern  ein  rankenverziertes 
Friesstück  (Not.   1917,  332—41). 

Campanien.  Bei  Santa  Scolastica, 
4  km  von  Cassino,  an  der  Straße  Rom— Ne- 
apel, ist  ein  Fund  roher  Tonväschen  gemacht, 


jetzt  im  MuseoJ'preistorico  in  Rom,  der 
Pigorini  Anlaß  gab  (Bull,  di  pal.  XLH, 
85  —  95),  ähnliche  Funde,  auch  solche  mit 
rohen  menschlichen  Figuren,  ähnlich  denen 
von  Butmir,  späten  Terremaren  oder  frühem 
Latium  aus  ganz  Italien  zusammenzustellen 
und  ihren  Votivcharakter  wahrscheinlich  zu 
machen  (S.  Scolastica,  Emilia,  caverna  Re 
Tiberio  bei  Casola  Valsenio  [Prov.  Ravenna], 
Viminal,  Satricum,  Tivoh,  Valvisciolo  bei 
Sermoneta,  Dea  Nortia  bei  Bolsena,  Nym- 
phenheiligtum der  Marica  bei  Minturnae,  die 
Grotten  und  Höhlen  von  Pertosa  und  La- 
tronico,  S.  Maria  di  Luco,  Croccia-Cognato, 
Servirola  usw.).  Pigorini  vergleicht  die  ähn- 
lichen Funde  beim  Curtiheiligtum  bei  Capua, 
übersieht  die  gleichen  Funde  beim  »griechi- 
schen« Tempel  von  Pompeji  und  meine  in 
gleicher  Richtung  sich  bewegenden  Zusam- 
menstellungen »Der  griech.  Tempel  von  Pom- 
peji«, 1890,  12—13;  25—26.  —  Wichtig  ist 
Spinazzolas  Bericht  über  ein  zweites  Amphi- 
theater in  Pozzuoli  (Not.  1915,  409—15), 
auf  das  sich  Erwähnungen  bei  Sueton  Aug. 
44  und  Cässius  Dio  LXIII,  3  beziehen,  das 
auf  dem  Glasgefäß  von  Odemira  (Fig.  4) 
in  der  Tat  abgebildet  ist  und  sich  jetzt  nahe 
dem  bekannten  gefunden  hat  (Fig.  1  —  3).  — 
Die  archäologisch  trotz  ihrer  leichten  Er- 
reichbarkeit immer  noch  ungenügend  durch- 
forschte Halbinsel  von  Sorrento  hat  uns 
am  Ostabhang  der  Punta  di  Massa  unter- 
halb Villazzano,  also  etwa  halbwegs  zwi- 
schen Sorrento  und  Massa,  die  Trümmer  einer 
umfassenden  römischen  Prachtvilla  ge- 
schenkt, mit  großen  marmorbedeckten  Sä- 
len, kunstvollen  Treppen,  mehrere  Stock- 
werke übereinander,  in  der  die  Bericht- 
erstatterin Alda  Levi  Not.  1918,  246—52; 
ML.  XXVI,  1920,  181-218,  tav.  I-V 
die  von  Statius  silv.  II,  2  beschriebene  Villa 
des  Pollius  Felix  erkennen  möchte,  wozu  die 
Lage  allerdings  gut  zu  passen  scheint.  In 
die  Zeit  dieser  Villa  würden  auch  einige 
von  A.  Levi  nicht  durchweg  richtig  erklärte 
Reste  schöner  großer  Reliefs  sich  gut  ein- 
fügen, originelle  Erfindungen  voll  bacchischer 
Lebenslust  und  Jagdfreude,  wie  sie  sich  in 
einem  Opfer  —  eines  Privatmanns,  nicht 
eines  »Sacerdote«  —  an  Diana  äußert.  Stil 
der  Komposition  und  Figuren,  besonders 
deutlich    jedoch    die    breite    ranken-    und 


127 


Italien  191 4 — 1930. 


128 


X 


blütengefüllte  Umrahmung  weisen  den  vor- 
nehmen Wandschmuck  dieser  Reliefs  ebenso 
wie  einige  Architekturstücke,  so  ein  eigen- 
artiges Pfeilerkapitell,  dessen  umgekehrte 
Rückseite  aus  älterer,  wohl  frühkaiserlicher 
Zeit  mit  dem  Bild  eines  liegenden  Flußgotts 
und  gröberem  Pflanzenornament  geschmückt 
gewesen  war  (Fig.  5—6),  in  flavische,  viel- 
leicht auch  etwas  spätere  Zeit.  —  Neapler 
Tageszeitungen  vom  März  1921  melden  von 
Auffindung  noch  in  situ  stehender  gemauer- 
ter und  hellgelb  stuckierter  Säulen  eines 
Tempels  in  Positano.  Mir  liegt  ein  von 
Virginia  Attanasio  gezeichneter  Bericht  vor, 
der  von  einer  doppelten  Reihe  solcher  Säulen 
zu  melden  weiß,  sechs  auf  der  einen,  fünf  auf 
der  andern  Seite,  die  Reihen  3  m,  die  Säulen 
2  m  auseinander.  Dieser  »dorische«  Tempel 
habe  sich  auf  einem  kleinen  Vorgebirge  ober- 
halb des  Meeres  erhoben.  Zu  Seiten  des 
Tempels  sei  gegraben  und  zwei  Straßen, 
eine  nach  Nord,  eine  nach  Ost  laufend  ge- 
funden, von  Retikulatmauern  eingefaßt  und 
begleitet  von  in  Intervallen  stehenden,  in 
gleicher  Weise  wie  jene  Säulen  gelb  stuckier- 
ten  Flachpfeilern,  darauf  polychrome  Deko- 
ration, welche  in  Nähe  der  Basis  mit  ge- 
maltem Blatt-  und  Blütenkranz  verziert  sei. 
Die  Verfasserin  benutzt  den  Anlaß,  um  auf 
viele  antike,  in  Positano  verstreute  Reste 
hinzuweisen,  namentlich  eine  Aschenurne  in 
der  Chiesa  S.  Giovanni  mit  den  »FuneraH 
d'un  guerriero«  und  in  der  Chiesa  Nuova 
eine  gleiche  mit  schönem  Blumen-  und 
Fruchtfeston,  an  zwei  Bockshörnern  hän- 
gend, wodurch  sie  sich  an  die  Ära  Pacis 
erinnert  fühlt.  Die  italienischen  Autoritäten 
sollten  kommen  und  helfen,  ehe  die  in  alle 
Löcher  kriechenden  deutschen  Vagabunden 
kämen,  um  womöglich  solche  vaterländische 
Schätze  heimlich  fortzuschleppen.  —  In  Pom- 
peji hat  sich  die  Ausgrabungstätigkeit  seit 
1912  fast  ganz  auf  die  Freilegung  der  Strada 
deir  Abbondanza  beschränkt  und  bekanntlich 
zu  sehr  wertvollen  Ergebnissen  geführt,  über 
deren  Anfang:  Arch.  Anz.  1913,  161—65. 
Von  1914— 17  enthalten  die  Notizie  Berichte, 
die  freilich  auch  nicht  alles  geben,  was  ent- 
deckt ist,  vielmehr  allerlei  schöne  Dinge  noch 
nach  alter  neapolitanischer  Unsitte  verbor- 
gen halten;  seitdem  erschien  nur  noch  1919, 
232—42   eine   Mitteilung   Della  Cortes  von 


inzwischen   zutage   getretenen   Dipinti   und 
Graffiti.     Von  besonderem  Interesse  ist  der 
Reg.  III,  Ins.  IV  an  der  Eingangsöffnung  2 
erfolgte  Fund  einer,  der  nunmehr  sechsten, 
oskischen   Wegweisungsinschrift,    als   solche 
von    Della    Corte    gewiß    richtig    verteidigt 
gegen      Skutschs     unglücklichen     Versuch 
(Glotta  1909,  104  ff.),  Wechslerreklamen  dar- 
in zu  erkennen.    Leider  hat  ein  später  ein- 
gebrochenes Fenster  die  linke   Hälfte  zum 
größeren   Teil   vernichtet,    so   daß    die    Er- 
gänzung der  im  übrigen  gut  erhaltenen  In- 
schrift (photogr.  Wiedergabe  Not.  1916,  156, 
Fig.   4)   in  einigem  unsicher  bleibt.      Zwei 
größere    Buchstaben,    von   denen   einer   er- 
halten ist,  stehen  wie  eine  Art  Überschrift 
über  dem  Text.     Aus  der  auch  wieder  mit 
»Eksuk  amvianud«  beginnenden  Inschrift  ist 
besonders    bemerkenswert    die    Erwähnung 
einer  viu  Mefira,  einer  tiurri  Mefira  und  einer 
veru   Urubla;    die   beiden   Kommandanten 
heißen  L.  Pupid.  und  Mr.  Puril.  Mr.,  also 
Popidius  und  Purellius.     Was  bis  jetzt  ge- 
sagt  werden    kann,    findet   sich    bei    Della 
Corte  sorgsam  erwogen.      Der  neue  Stadt- 
torname findet  seine  Ergänzung  in  einem  an 
derselben    Straße   auf   überhaupt   inschrift- 
reichem Hause  des  Trebius  Valens  (Reg.  III, 
Ins.  II,  Nr.  i)  gefundenen  Wahlaufruf  der 
Urblanenses  (Not.  1916,  153),  deren  Name 
I  in  einem  andern  Wahlaufruf  derselben  Straße 
(Not.  1919,  239)  als  Urbulanenses  erscheint. 
Wir  werden  also  nicht  unwahrscheinlich  an- 
nehmen können,  daß  das  Tor,  auf  welches 
I  die  Strada  dell'  Abbondanza  auslief,    d.  h. 
die  Porta    di    Sarno,    eben    die  Veru  Uru- 
bla war  und  daß  in  der  Nähe  dieses  Tores, 
!  vielleicht   als   besonderer   Pagus   außerhalb 
desselben,  die  Urbulanenses  wohnten,  in  de- 
nen Sogliano  »Porte,  Torre  e  vie  di  Pompei 
ncll'  epoca  sannitica«  (Atti  R.  Acc.  Napoli 
n.  s.  VI,    1917),  164—170  einen  vor  der  Ma- 
]  laria  geflüchteten  Teil  der  Bewohner  der  va- 
1  cuae  Ulubrae  in  den  Pontinischen  Sümpfen 
!  an  der  Appia  (Nissen,  LK.  II,  637)  erkennen 
möchte;    solche  vorsullanische  Zusiedelung 
aus  dem  volskischen  Latium  nach  dem  süd- 
lichen  Campanien   ist   freilich   nicht   unbe- 
I  denklich,  wenn  man  sich  auch  an  der  Meta- 
j  thesis  in  der  Namensform  nicht  würde  zu 
stoßen  brauchen,  sie  jedenfalls  nicht  so  kom- 
1  pliziert   zu   erklären   wie   Sogliano   S.    169. 


129 


Italien  1914— 1920. 


130 


Sehr  anerkennenswert  sind  die  sorgfältigen 
Bemühungen,  was  von  Baikonen,  Oberge- 
schossen, Dächern,  Pavimenten  auf  den  Bai- 
konen, Plafonds  u.  dgl.  gerettet  oder  glaub- 
haft wiederhergestellt  werden  kann,  zu  er- 
halten und  somit  ein  ungemein  lebendiges 
Straßenbild  zu  schaffen,  in  dem  durch  die 
Außengemälde,  vor  den  Häusern  hier  und 
da  errichteten  Altäre  u.  a.  ähnlich  wie  auf 
Delos  auch  das  kultliche  Leben  zu  seinem 
Recht  kommt.  Wie  ganz  wesentlich  anders 
müßte  unsere  Vorstellung  Pompejis  sein, 
wenn  früher  gleich  sorgsam  beobachtet  und 
erhalten  worden  wäre!  Aus  den  fortlaufenden 
Berichten  ist  besonders  folgendes  zu  er- 
wähnen: Not.  1914,  178—80;  197;  202;  RCL. 
1914,  210;  257;  V.  Duhn,  Pompejis  1918, 
86:  eine  Kryptoporticus  (Grundriß  und 
Schnitt:  Not.  1914,  179,  Fig.  i),  deren  ge- 
wölbte Decke  mit  feinem  weißem  Stuck- 
werk geschmückt  ist,  die  Wände,  im  zweiten 
Stil  gehalten,  eingeteilt  durch  Pfeiler,  welche 
Giallo  antico  nachbilden  und  Hermen  tragen, 
außer  der  imitierten  bunten  Marmortäfelung 
an  Sockel  und  Hauptfläche  zuoberst  einen 
Fries  zeigen,  der,  in  0,34  m  hohe  Felder  zer- 
legt, äußerst  feine  homerische  Szenen  vor- 
führt, unter  jeder  Gestalt  der  griechische 
Name.  Ilias  und  Aithiopis  lieferten  den  Stoff. 
Leider  hat  spätere  profanere  Verwendung 
vieles  zerstört.  Die  1914  bereits  versprochene 
photographische  Wiedergabe  und  Veröffent- 
lichung der  allerdings  mühsam  zusammen- 
zusetzenden Malereien  ist  noch  nicht  er- 
schienen. Not.  1914,  205—08  berichtet  Spi- 
nazzola  über  den  Fund  zweier  Leichen,  die 
Schmuck  und  Gefäße  aus  Edelmetall  zu 
retten  suchten,  darunter  ein  Simpulum  und 
zwei  tiefe  und  breite  Skyphoi  aus  Silber, 
Ringe  und  einiges  Geld  die  eine,  die  andere 
zwei  goldene  Armbänder,  wie  aus  Haselnuß- 
schalen zusammengesetzt,  einen  großen  gol- 
denen Ring  mit  Kristalleinlage,  die  einst- 
mals wohl  noch  ein  Porträt  zeigte,  zwei 
Ringe  mit  Edelsteinen,  zwei  Ohrringe  mit 
Perlen,  einen  runden  Silberspiegel,  alles,  so 
scheint  es,  in  einem  Korb  getragen  (Fig. 
1—4).  Andere  zum  Teil  in  wunderbarer  Er- 
haltung wiedergefundene  Leichenbilder  gibt 
Spinazzola  Not.  1914,  260—63,  365—68, 
beide  Berichte  mit  guten  Abbildungen,  unter 
denen  besonders  auf  367,  Fig.  3  hingewiesen 

Archäologischer  Anzeiger  1921. 


sei:  ein  abgedrückter  feiner  Schuh,  mit  Spi- 
nazzolas  Beschreibung.  —  Der  Fund  einer- 
Rasiermesserschneide  —  Mau  hatte  über- 
haupt geleugnet,  daß  in  Pompeji  jemals  Ra- 
siermesser gefunden  seien  —  zwischen  den 
Resten  eines  Schrankes  —  von  dem  ebenso 
wie  von  einer  Haustür  treffliche  Abdrücke 
gewonnen  wurden  —  Not.  1914,  293  gab 
Della  Corte  Anlaß  zu  einer  Untersuchung 
über  antike  Rasiermesser  mit  Abbildung  ver- 
schiedener zum  Teil  mit  fein  verziertem 
Elfenbeingriff  versehener  Stücke,  die  früher 
gefunden,  aber  nie  richtig  gedeutet  waren: 
Ausonia  IX,  1919,  139—60,  worin  die  Typo- 
logie bis  in  unsere  Zeiten  mit  Glück  verfolgt 
wird.  —  An  einem  Pfeiler  zur  Rechten  einer 
Hausöffnung  Reg.  IX,  Ins.  XI,  7  war  Not. 
1912,  65  bereits  ein  gemalter  Herkules  be- 
schrieben; die  ihn  tragende  Stuckschicht  ist 
inzwischen  abgefallen  und  hat  darunter  das 
gut  erhaltene  ältere  Bild  einer  Minerva  in 
Wehr  und  Waffen  enthüllt  (Not.  1915,  285, 
Fig.  2),  die  aus  einer  Schale  in  die  Flammen 
eines  Altars  spendet,  der  sich  gelblich  auf 
weißem  Sockel  über  grünem  Unterbau  er- 
hebt, »bezeichnend  für  eine  Zeit,  in  der  die 
Arena  und  ihr  Held  immer  mehr  die  anderen 
höheren  Interessen  zurückzudrängen  beginnt« 
(v.  Duhn,  Pompejis,  122).  —  Not.  1915,  287, 
Fig.  3  ist  ein  Krug  mit  aufgelegten  Reliefs 
abgebildet,  der  die  wohl  einzig  dastehende 
Darstellung  einer  Minerva  zeigt,  die  sich  die 
Ägis  umlegt,  zwischen  zwei  tanzenden  Hie- 
rodulen.  —  Not.  1915,  334—45  wird  über  die 
weitere  Aufdeckung  des  interessanten  Hau- 
ses des  Trebius  Valens  berichtet,  mit  hüb- 
schen Malereien  im  dritten  Stil,  besonders 
reizvoll  ein  feiner  Weinrankenfries  im  Ober- 
geschoß, unter  den  Ranken  zierliche  Hirsch- 
kälbchen (Fig.  7);  eigenartig  ist  auch  eine 
Bronzelampe  mit  großem  Griff  in  Gestalt 
eines  ungemein  rassigen  Ammonkopfes  (Fig. 
6),  sowie  manche  andere  wertvolle  Klein- 
kunstwerke. —  Berichte  über  den  Fortgang 
jener  Grabung  erscheinen  alsdann  Not.  1916, 
30-32,  87-90,  119-22,  148-51,  231-35 
mit  den  Plänen  31,  Fig.  2  —  das  Vorder- 
haus —  und  232,  Fig.  I  —  das  Peristyl  — . 
In  ersterem  ist  die  aus  zwei  Räumen  be- 
stehende Badeeinrichtung  bemerkenswert, 
im  Peristyl  vor  der  in  bunter  Quadrierung 
bemalten  Abschlußwand  ein  gemauertes  Sti- 


131 


Italien   1914 — 1920. 


132 


badium  mit  verlängertem  linken  Bett,  augen- 
scheinlich mit  leichtem  Rebendach  0.  ä.  über- 
deckt, das  von  vier  aufgemauerten  Säulen 
getragen  wurde.  Inmitten  der  runde  Tisch, 
hier  ebenso  wie  in  der  Casa  delle  Nozze 
d'argento  (Not.  1910,  326—27)  mit  einer 
Springbrunneneinrichtung  versehen;  wie 
man  derartige  Einrichtungen  bei  Sommer- 
triklinien  liebte,  zeigt  PHnius  ep.  V,  6,  36. 
Und  wie  in  jenem  und  manchen  andern 
Häusern  ein  größeres  Wasserbassin  mit 
Springvorrichtung  gern  vor  dem  Stibadium 
angebracht  war,  so  auch  hier,  halbrund,  mit 
der  Hauptspringvorrichtung  in  der  Mitte 
und  zwölf  kleinen  Strahlen  aus  der  halb- 
runden Umfassung.  Auch  hier  war  wie 
anderswo  ein  Küchenraum  in  nächster  Nähe 
des  Stibadium,  von  dem  ein  Fenster  in  der 
Mauer,  mit  der  die  Peristylsäulen  miteinan- 
der verbunden  waren,  das  Durchreichen  der 
Speisen  ermöglichte,  zu  deren  Abstellen  zwei 
Nischen  links  und  rechts  ebenfalls  nicht 
fehlten.  Auch  auf  der  andern  Seite  war 
der  Peristylumgang  abgemauert,  am  Ende 
zu  einem  abgeschlossenen  Zimmer,  vielleicht 
zum  Schlafen  der  Herrschaft  bestimmt,  da 
sich  von  hier  die  sonderbarerweise  auf  das 
Peristyl  sich  öffnenden  Baderäume  durch 
den  Umgang  bequem  erreichen  ließen.  Dieser 
Raum  und  der  anstoßende  Umgang  waren 
durch  ein  Ziegeldach  abgedeckt,  das  auf 
einem  Teil  des  Umgangs  so  gut  erhalten  ge- 
blieben ist,  daß,  der'  erste  Fall  in  Pompeji, 
es  hat  erhalten  bleiben  können  (Not.  149, 
Fig.  I;  151,  Fig.  3).  Ein  anderer  Teil  des 
Daches,  auf  dem  die  schweren  Aschenmassen 
nicht  niederglitten  in  den  Gartenraum,  son- 
dern, wahrscheinlich  infolge  Zusammen- 
bruchs einer  der  gemauerten  Säulen,  ihn 
eindrückten,  tötete  vier  dorthin  geflüchtete 
Hausbewohner,  deren  gut  erhaltene  Leichen 
mit  ihren  Schmucksachen  usw.  wiedergefun- 
den wurden  (Not.  88—89,  Fig.  i,  2  und  dazu 
die  klare  Darlegung  Spinazzolas  mit  der  Be- 
stätigung 150—51).  —  Von  noch  größerem 
Interesse  ist  die  Entdeckung  eines  nach  der 
Straße  mit  6,17  m  geöffneten,  8,50  m  breiten 
und  tiefen  Saales,  in  welchem  Spinazzola  mit 
guten  Gründen  glaubt  ein  Armamentarium 
der  Schutzmannschaft  0.  ä.  von  Pompeji 
sehen  zu  dürfen  (Not.  1916,  429—50).  Schon 
die    breiten    Pfeiler   zu    beiden    Seiten    der 


großen  Eingangsöffnung  sind  mit  großen, 
sehr  flott  gemalten  Trophäen  geschmückt 
(Fig.  3,  4),  von  denen  das  eine  auch  fast 
vollständig  und  gut  erhalten  ist.  Die  Waffen- 
zusammenstellungen zeigen  Barbarenwaflen 
aller  Art,  aber  nichts  Gladiatorenmäßiges; 
der  früher  im  zweiten,  später  im  dritten  Stil 
ausgeführte  Schmuck  des  Wandsockels  im 
Saal  zeigt  in  den  Feldern  zehn  schwebende 
Viktorien  mit  Waffen  von  gleich  trefflicher 
und  origineller  Erfindung  wie  Ausführung 
(z.  B.  Fig.  8,  9),  dazwischen  leichte  kan- 
delaberartige, metallisch  gedachte  Träger, 
auf  deren  Spitze  Adler  von  ebenfalls  ganz 
vortrefflicher  lebendiger  Ausführung  ruhen 
(Fig.  7).  An  zwei  Seiten  des  Raumes  sprin- 
gen Halbpfeiler  vor,  die  dazu  dienten,  mäch- 
tige goldverzierte  Schränke  mitzutragen,  von 
deren  Aufbau  und  Verzierung  Abdrücke  er- 
halten sind.  In  ihnen  werden  die  Waffen 
aufgehoben  gewesen  sein;  einige  wenige 
Stücke,  die  zu  Waffen  gehörten,  so  nament- 
lich ein  Elfenbeingriff  einer  Stoßwaffe  in 
Form  eines  kraftvollen  Minervakopfes  (Fig. 
10)  sind  auch  noch  im  Raum  gefunden,  ebenso 
Spuren  eines  feinen  Tisches  und  Beschläge, 
die  wohl  von  einer  Geldkiste  herrühren 
(Fig.  11).  Daß  der  vordere  Verschluß  des 
Saales  nicht  durch  feste  Türen,  sondern  durch 
rhombisch  gekreuzte  Gitter  statthatte,  in 
deren  Mitte  sich  wahrscheinlich  Gitterdoppel- 
türen befanden,  hat  Spinazzola  erwiesen 
durch  ein  Stück  im  Abdruck  erhaltenen 
Gitters  (Fig.  13),  die  Be^stigungsvorrichtun- 
gen  und  die  Analogie  der  Stuckreliefverzie- 
rung des  Grabes  des  Ceius  Labeo  vorm  Her- 
culaner  Tor  (Mazois  I,  pl.  16—17  =  Not. 
Fig.  14),  wo  aus  zwei  Öffnungen  eines  solchen 
Gitterverschlusses  aus  dem  einen  ein  Ritter 
mit  seinem  Pferd,  aus  dem  andern  ein  Fuß- 
soldat heraustreten.  Spinazzola  möchte  so- 
gar in  diesem  Bild  die  Front  des  neuen  Ar- 
mamentarium erkennen,  also  Ceius  Labeo 
damit  in  berufliche  Beziehung  setzen,  hin- 
weisend, daß  an  eben  jenem  neuen  Bau  ein 
Wahlaufruf  für  einen  Ceius  gefunden  wurde, 
natürHch  ohne  selbst  diesem  Zusammen- 
treffen irgendeine  Beweiskraft  zuzuweisen; 
denn  derselbe  Name  kehrt  auf  benachbarten 
Aufrufen  mehrfach  wieder:  Not.  1919,  235, 
29—32;  238,  I.  Erfreulich  ist,  daß  die  Be- 
schäftigung mit  den  gemalten  Tropaia  Spi- 


133 


Italien  1914  — 1920. 


134 


nazzola  Anlaß  war,  ein  verschollenes,  bereits 
früher  vergeblich  gesitthtes  Aquarell  Mor- 
ghens  zu  veröffentlichen  (Fig.  12),  das  einst- 
mals durch  Minervini  und  Garrucci  Bull.  Nap. 
1853,  taV.  VII  und  1859,  tav.  VII  abgebil- 
dete Tropaia  (fehlen  bei  Heibig)  in  ihren 
verlorenen  Wandzusammenhang  stellt.  — 
Die  Fortsetzung  der  Straßenaufdeckung 
(Not.  1917,  247  —  64)  ergab  noch  mehrere 
Möglichkeiten  zu  guten  Wiederherstellungen, 
so  eines  Daches,  eines  Balkones  usw.;  ein 
gut  erhaltenes  Thermopolium  hatte  u.  a.  eine 
Larennische,  in  der  eine  nackte  Venus  aus 
vergoldetem  Pscudo-Alabaster  mit"  noch 
allerlei  Goldschmuck  stand  (Fig.  6,  unerfreu- 
lich); interessant  ist  ein  aus  Blöcken  von 
Noceratuff  aufgebautes  Wasserkastell,  auf 
dem,  ein  in  Pompeji  bis  jetzt  einziger  Fall, 
noch  der  Wasserkasten  aus  Blei  stand  (Fig. 
7).  Auch  ein  öffentlicher  Laufbrunnen  der 
alten  Zeit  mit  dem  Relief  eines  Stierkopfes 
steht  hier  an  der  Straße.  —  Die  so  sorgsame 
und  kundige  Aufdeckung  der  wichtigen  Ver- 
kehrstraße hat  Spano  wohl  veranlaßt,  die 
Frage  der  nächtlichen  Beleuchtung  der  Stra- 
ßen einer  fleißigen  und  in  manaher  Hinsicht 
förderlichen  Untersuchung  zu  unterziehen: 
i)La  illuminazione  delle  vie  di  Pompei«  (Atti 
d.  Acc,  Napoli  VII,  1919,  i  — 128),  in  der 
alle  Tatsachen  zusammengestellt  sind,  die  auf 
automatische  Beleuchtung  durch  Verkaufs- 
und Gebrauchslampen  sowie  Kult-  und  Grä- 
berlampen führen.  Die  dankenswerte  Arbeit 
wird  nach  einigen  Seiten  erweitert  werden 
können:  literarische  Nachrichten  über  Stra- 
ßenbeleuchtung, die  Lichthäuschen  und  La- 
ternenfunde in  Original  und  antiken  Abbil- 
dungen, inschriftlich  bezeugte  Tatsachen  wie 
die  Beleuchtung  der  Arkadiane  in  Ephesos 
sind  zu  berücksichtigen.  Manche  Dekora- 
tionsbilder besonders  zweiten  Stils  sind  gut 
verwertet,  auch  manche  Anregungen  für  An- 
knüpfung dieses  Stils  an  Syrien  gegeben, 
wenn  auch  die  allzu  starke  Betonung  von 
Antiochia  usw.  wohl  einer  allseitigeren  Be- 
trachtung des  gesamten  hellenistischen  Ori- 
ents besser  weichen  würde.  —  Ein  besonders 
für  die  Geschichte  der  Stadt  wichtiger  Fund 
ist  schließlich  ein  mit  Mauern  umschlossener 
Begräbnisplatz  vorm  Stabianer  Tor  —  etwa 
'/i  km  östlich,  in  contrada  »Minutella«  oder 
»Asciutta«  — ,  in  dem  eine  so  vorwiegende 


Zahl  von  Epidii  bestattet  ist,  daß  der  Ver- 
fasser des  trefflichen  Berichts,  Della  Corte, 
nicht  mit  Unrecht  vermutet,  daß  auch  die 
Vertreter  andc;rer  Namen  mit  den  Epidii  in 
verwandtschaftlichen  oder  abhängigen  Be- 
ziehungen standen  und  das  Ganze  als  ein 
Familienfriedhof  der  Epidii  anzusehen  ist 
(Not.  1916,  287—309;  was  ich  Pompejis 
1918,  116  über  diesen  Gräberplatz  sagen 
konnte,  beruhte  auf  Zeitungsnachrichten  und 
ist  mehrfach  zu  berichtigen).  Die  Gräber  be- 
ginnen gegen  Ende  des  4.  Jahrhunderts  mit 
Bestattungsgräbern  der  sabellischen  Bevöl- 
kerung, ganz  denen  gleich,  die  Mau  und  ich 
1873  vorm  Herkulaner  Tor  beobachten  und 
beschreiben  konnten  und  zu  denen  1907—08 
bedeutender  Zuwachs  gefunden  wurde  (So- 
gliano,  La  necropoli  preromana  di  Pompei, 
Mem.  Acc.  Napoli  II,  191 1,  209—29).  Della 
Corte  beschreibt  genau  die  verschiedenartige 
Struktur  der  Gräber,  von  denen  einige  son- 
derbarerweise mit  quer  übergelegten  Am- 
phoren gedeckt,  im  allgemeinen  ebenso 
ärmlich  wie -ihr  ausschließlich  einheimischer 
Inhalt:  spätest  rf.  sowie  schwarzgefirnißte 
Ware,  letztere  oft  mit  weißlicher  Aufmalung, 
Lampen  u.  a.,  Schmuck  und  sonstige  Metall- 
sachen wenig  und  bedeutungslos.  In  elf 
Gräbern,  von  insgesamt  44,  fanden  sich 
Münzen,  außer  einer  massaliotischen  durch- 
weg campanische,  meist  in  der  rechten  Hand 
oder  im  Munde.  Nur  zwei  Gräber  sind  in 
Form  eines  größeren  Aufbaus  konstruiert; 
wenn  trotzdem  von  den  jüngeren  119  Brand- 
gräbern keines  mit  einem  Bestattungsgrab 
kollidierte,  wird  man  jetzt  verlorene  Kennt- 
lichmachung durch  vergängliches  Material, 
Holzstelen  oder  dgl.  annehmen  müssen.  Das 
Bestattungsgrab  XVII  enthielt  nur  eine 
Hundeleiche,  jedoch  auch  diese  von  einem 
ganz  kleinen  schwarzgefirnißten  Schälchen 
begleitet.  Der  oskische  Stempel  eines  Ziegels 
in  Reliefbuchstaben  F.  Cubuld  führt  auf  den 
Namen  der  campanischen  Stadt  Cubulteria 
(Fig.  7),  interessant,  weil  die  Namensform 
auf  den  oskischen  Münzen  (Friedländer,  Osk. 
Münzen,  Taf.  I)  Kupelternum  lautet,  wäh- 
rend der  Stempel  bereits  lateinischen  Kon- 
sonanten und  Stammvokal  gibt.  Die  Ver- 
teilung der  Bestattungsgräber  innerhalb  des 
ummauerten  Bezirks  (Fig.  i)  läßt  ebenso- 
wenig ein  Prinzip  erkennen  wie  diejenige  der 


135 


Italien  1914 — 1920. 


136 


zwischen  ihnen,  meist  in  geringerer  Tiefe 
verteilten  Brandgräber,  die  nur  in  kleineren 
Gruppen  und  längs  Mauern  auch  reihen- 
weise geordnet  sind.  Runde,  selten  über 
I  m  tiefe  Löcher,  in  denen,  oftmals  auf 
einer  Schicht  von  Rogusasche  und  von  sol- 
cher umgeben,  sich  die  einfachen  Töpfe,  ei- 
förmig oder  rundlicher  mit  Henkeln  und 
Deckeln,  die  vielfach  mit  etwas  Ton  be- 
festigt sind,  befinden.  Eine  große  Anzahl 
dieser  Urnen  sind  in  der  aus  Pompeji  schon 
aus  dem  Fondo  Pacifico  bekannten  Art  mit 
der  Oberwelt  in  Verbindung  gehalten  durch 
Tonröhren,  entweder  geschlossene  oder  aus 
aufeinandergesetzten  Amphorenhenkeln  oder 
gedoppelten  Rundziegeln  zusammengesetzt, 
deren  obere  Öffnung  in  einfacher  Weise  ge- 
schlossen war.  In  einzelnen  Fällen  war  die 
Beisetzung  noch  mehr  vereinfacht,  indem 
sogar  auf  die  Urne  verzichtet  wurde,  während 
in  andern  die  Urne  noch  durch  eine  Über- 
wölbung besonders  geschützt  war.  Im  Gegen- 
satz zu  den  älteren,  oskisch  schweigsamen 
Bestattungsgräbern  fehlte  nur  bei  24  von  den 
1 19  Brandgräbern  die  Stele,  welche,  meist  aus 
Vesuvstein,  seltener  aus  Tuff  oder  Travertin, 
oft  auch  aus  Marmor  hergestellt,  fast  durch- 
weg die  bekannte  Büstenform  zeigte  (v.  Duhn, 
Pompeji3,  116,  124),  wenn  aus  Marmor,  auch 
eine  natürlich  schon  stets  lateinische  In- 
schrift, so  daß  das  Fehlen  einer  solchen  auf 
den  Stelen  aus  anderm  Material  wohl  durch 
verschwundene  Aufmalung  zu  erklären  sein 
mag.  Ebenso  erklärt  Della  Corte  das  Fehlen 
jeder  Stele  an  24  Gräbern  gewiß  richtig  aus 
Vergänglichkeit  des  Materials,  so  daß  der 
Gedanke  sehr  nahe  liegt,  daß  di e  f ür  oskisches 
Gebiet  so  charakteristische  Büstenform  ur- 
sprünglich als  obere  Endigung  von  Holz- 
brettern gedacht  das  Gedächtnis  des  Toten 
auch  schon  in  der  Bestattungszeit  in  pri- 
mitivem Bilde  festzuhalten  bestimmt  war 
und  diese  Sitte  sich  in  die  Brandzeit  hinein 
einfach  fortsetzte,  da  ein  Bevölkerungswech- 
sel in  dieser  Zeit  mit  dem  in  Unteritalien  ja 
auch  nur  sehr  partiellen  und  an  starke  römi- 
sche Beeinflussung  gebundenen  Rituswechsel 
nicht  mehr  verbunden  ist.  So  mögen  auch 
die  älteren,  in  runder  Scheibenform  endigen- 
den Bologneser  Büstensteine  (Ducati,  ML. 
XX,  191 1)  uns  in  etruskischer  Übernahme 
einen  Nachklang  gewähren  älterer  Holzstelen 


der  Italiker,  die  sie  vorfanden  und  in  Stein 
nachbildeten,  diesen  jedoch  gemäß  ihren  fort- 
geschritteneren künstlerischen  Ansprüchen 
anders  dekorierten.  Fig.  10—12,  14  geben 
eine  gute  Vorstellung  einiger  Büstensteine, 
Fig.  13  ist  der  Kopf  einer  Frauenstatue  aus 
Tuff,  die  als  Grabstatue  diente.  Zwei 
Epidierbrandgräber  waren  aufgemauerte 
Baukörper,  stuckiert  und  bemalt,  in  Nischen- 
form; unten  die  Urnen,  drüber  die  der  Ur- 
nenzahl entsprechenden  Büstensteine  mit  den 
Inschriften.  Mit  Kohle  aufgesetzte  Schmiere- 
reien, aus  Interesse  für  Gladiatoren  und  Ob- 
szönes 4iervorgegangen;  nicht  uninteressant, 
daß,  wenn  Della  Corte  recht  hat,  eins  dieser 
griechischen  Dipinti  Zeugnis  ablegen  würde 
für  die  Fortdauer  auch  hier  des  ausThera  uns 
seit  Hillers  Aufdeckung  der  Felszunge  über 
dem  Gymnasium  nähergetretenen  Verbs 
ottfäv,  oi'fsXv.  Außer  den  zahlreichen 
auch  onomatologisch  wertvollen  Inschriften 
sind  drei  Defixionstäfelchen  aus  Blei  gefun- 
den (Fig.  15  —  19),  zwei  freilich  in  sehr  ver- 
zweifeltem Zustand.  Die  Münzen,  welche 
in  67  von  I19  Brandgräbern  gefunden  wur- 
den —  also,  die  Regelmäßigkeit  der  Steige- 
rung der  Münzbeigabe  gegen  die  Kaiserzeit 
hin  ganz  entsprechend  den  von  F.  Galli 
(Sessa  Aurunca)  in  seiner  fleißigen  und  ver- 
dienstlichen, wenn  auch  in  der  Rückführung 
auf  Griechenland  zu  einseitigen  Arbeit  »Ap- 
punti  e  ricerche  sul  rito  funebre  del  Naulon« 
(Atti  Acc.  Napoli  V,  1916,  51  — 116)  dar- 
gelegten Ermittelungen  —  beginnen  mit 
einzelnen  griechischen  und  großgriechischen 
Stücken  des  2.  Jahrhunderts  und  einzelnen 
campanischen,  unter  denen  wie  auch  schon  in 
den  Bestattungsgräbern  Exemplare  von  »Ir- 
num«,  die  ja  auch  in  den  Gräbern  vorm  Her- 
culaner Toraufgetaucht  waren  (Bull.  dell'Inst. 
1874, 160—63),  besonders  beachtenswertsind; 
alsdann  folgen  32  römisch-republikanische 
und  18  kaiserliche.  Die  Beigaben  sind  im 
übrigen  äußerst  spärlich,  noch  ärmhcher  als 
bei  den  bestatteten  Vorgängern,  Metall 
nur  ganz  ausnahmsweise,  z.  B.  eine  eiserne 
Messerklinge,  Fläschchen  aus  Ton  oder  Glas, 
auch  solche,  die  mit  im  Feuer  waren  (Fig.  9), 
Lampen  und  bedeutungslose  Kleinigkeiten; 
die  Wertsachen  hatte  man  den  Toten  vorm 
Brand  abgenommen  und  behielt  sie  sorgsam 
für  sich. 


137 


Italien  19 14 — 1920. 


138 


Schließlich  sei  erwähnt,  daß  der  schöne 
Freskenzyklus  im  großCn  Saal  der  Villa  des 
Fondo  Gargiulo-Item  vor  dem  Herculaner 
Tor  die  bis  jetzt  ausführlichste  und  gelehrte- 
ste Behandlung  erfahren  hat  in  dem  Buche 
V.  Macchioros  »Zagreus.  Studi  sull'  Orfismo«. 
Bari.  Laterza  &  figli.  1920,  wo  diese  Fresken 
auf  S.  7—133  mit  viel  Scharfsinn  als  Darstel- 
lung einer  orphischen  Liturgie  erklärt  wer- 
den an  der  Hand  einer  dankenswert  zusam- 
mengezeichneten Übersichtstafel.  Zukünftige 
Deutungsversuche  dieses  wundervollen  Bil- 
derkreises werden  mit  der  gewissenhaft  auf- 
gewendeten Arbeit  Macchioros  stets  rechnen 
müssen,  wenn  auch  der  einzelne  Gelehrte 
nach  dem  Stand  seines  Wissens  von  orphi- 
scher  Religion  oder  der  Richtung  seiner  exe- 
getischen Methode  über  manches  anders 
denken  mag  auf  einem  Gebiet,  wo  die  Dunkel- 
heit das  Licht  noch  so  stark  überwiegt  und 
die  Frage,  ob  in  einer  eleganten  Villa  Pom- 
pejis, die  in  der  augusteischen  Zeit,  den 
frühesten  in  ihr  erhaltenen  Dekorationen  zu- 
folge, errichtet  ist,  trotz  der  von  Macchioro 
richtig  hervorgehobenen  Eigentümlichkeiten 
des  Grundrisses  eine  orphischem  Gottesdienst 
gewidmete  Stätte  gesucht  und  eine  derartig 
eingehende  Wiedergabe  ihres  Rituals  voraus- 
gesetzt werden  darf.  —  Für  die  Anfangs- 
geschichte der  Grabungen  in  den  verschütte- 
ten Vesuvstädten  ist  wichtig  die  Zottoli  ge- 
glückte Auffindung  der  bisher  ganz  unbe- 
kannten Berichte  Alcubierres  über  die  Jahre 
1748—55  in  der  Bibliothek  der  Societä  di 
storia  patria  in  Neapel:  RCL.  1914,  184—85. 
Die  Veröffentlichung  steht  noch  aus. 

Lucanien.  Tief  in  die  Frühzeit  hinein 
führt  eine  große  Abhandlung  Rellinis  (ML. 
XXIV,  461—622,  tav.  I,  II),  welche  an 
die  schon  früher  durch  die  Arbeiten  Pa- 
tronis  und  Caruccis  bekannten  Höhlen  von 
Pertosa  und  Zachito  anknüpfend  andere 
Wohn-  und  Kulthöhlen,  besonders  die  La- 
trönicohöhle  oberhalb  des  Sinnitales  behan- 
delt und  die  Ergebnisse  sorgsamer  Unter- 
suchung namentlich  dieser  Höhle  und  ihres 
Fundbestandes  nach  allen  Seiten  klarzu- 
stellen sucht.  Rellini  glaubt  festgestellt  zu 
haben,  daß  der  Wohnplatz  seit  aeneolithischer 
Zeit  vor  der  Höhle  gewesen  sei,  diese  selbst 
nur  sakralen  Zwecken  gedient  habe,  und 
zwar  dem  Quell-  oder  Wasserkult,  eine  im 


letzten  Jahrzehnt  namentlich  unter  dem 
Einfluß  der  sardinischen  Entdeckungen  (s. 
Pettazzonis  Religione  primitiva  in  Sardegna, 
1912,  und  dazu  Deubner,  Arch.  f.  Rel.-Wiss. 
XX,  1920,  190)  in  Italien  besonders  beliebt 
gewordene  Einstellung  religiös  orientierter 
Betrachtungsweise.  R.  begründet  seine  Ab 
lehnung  der  Wohnhöhle  mit  dem  Fehlen  von 
Abfällen  und  Werkzeugen  und  möchte  die 
vielen  in  der  Höhle  sorgsam  deponiert  ge- 
fundenen Gefäße  mit  Getreidekörnern,  wil- 
den Äpfeln,  Schlehen,  Eisbeeren  usw.  als 
sakrale  Weihungen  erklären,  ein  etwas  ver- 
zweifelter Ausweg;  die  nächstliegende  Deu- 
tung führt  doch  auf  die  Verwendung  der 
Höhle  als  Vorratsraum,  vielleicht  durch  eine 
Bewohnerschaft,  die  noch  im  Zustand  der 
Gemeinwirtschaft  lebte.  Damit  soll  nicht 
gesagt  sein,  daß  nicht  in  anderen  Fällen 
Höhlenkult  stattgefunden  hat,  was  Rellini 
besonders  für  die  Pertosahöhle  gegen  Pa- 
tronis  Erklärung  der  Holzbauten  in  derselben 
zu  verteidigen  unternimmt,  wo  noch  heute 
der  Kult  des  h.  Michael  die  in  Süditalien 
übliche  Fortsetzung  vor  Augen  stellt  (ML. 
549)  und  Münzspenden  (549,  559  ff.)  den 
Quellkult  zu  bestätigen  scheinen.  Übrigens 
hat  es  Rellini  erfreulicherweise  unternom- 
rnen,  die  von  Patroni  innerhalb  der  Pertosa- 
höhle bemerkte  Lücke  zwischen  der  Bronze- 
und  ersten  Eisenzeitschicht  und  der  ersten 
griechischen  Periode,  welche  Carucci  durch 
seine  glückliche  Entdeckung  reichen  Ma- 
terials außerhalb,  vor  der  Höhle,  ausfüllen 
konnte,  auch  für  die  öffentliche  Wissenschaft 
durch  die  Publikation  S.  563—98  mit  Taf. 
I — II  zu  überbrücken.  Das  Fundmaterial 
aus  der  Latronicohöhle,  die  mangelhaft  be- 
arbeiteten Jadeit-  und  Serpentindinge,  die 
Obsidianmesser  und  was  sonst  auf  ganz 
frühen  Handel  führt,  die  bearbeiteten  Rinds- 
zähne, welche  vielleicht  als  Stempel  für  Ton 
verwendet  wurden,  die  ungemein  reiche  ke- 
ramische Fundmasse,  die  zu  eingehenden 
und  fruchtbaren  Vergleichungen  aller  ähn- 
lichen Gattungen  aus  den  aeneolithischen  und 
Bronzestationen  landauf,  landab  und  zu  Ver- 
mutungen über  sich  kreuzende  und  vereini- 
gende Strömungen  sowohl  aus  derTerremare- 
kultur  wie  vom  Balkan  herüberführt  —  das 
alles  wird  von  Rellini  mit  Gründlichkeit  und 
Gewissenhaftigkeit  erwogen,  so  daß  seine  Ab- 


139 


Italien  1914 — 1920. 


140 


Handlung  einen  wichtigen  Ausgangs-  undAn- 
knüpfungspunkt  für  jede  spätere  Forschung 
über  süditalische  Frühzeit  bilden  wird.  Er- 
scheint auch  manches  heute  noch  ungenü- 
gend begründet,  wie  z.  B.  des  Verfassers 
Darlegungen  S.  606—16  über  den  Wasser- 
kult und  seine  Verbindung  mit  Sepulkralem, 
so  freut  man  sich  doch,  daß  er  keiner  Frage 
aus  dem  Wege  geht,  auch  wo  vieles  proviso- 
risch bleiben  muß,  so  auch  in  seinen  Schluß- 
betrachtungen über  das  chronologische  und 
ethnologische  Verhältnis  zwischen  eingeritzter 
und  gemalter  Keramik  u.  a.  —  V.  di  Cicco 
(Potenza),  der  unermüdliche  Aufspürer  und 
Erforscher  der  Hochburgen  seines  schwierigen 
lukanischen  Berglandes,  hat  in  Aufnahme 
einer  schon  1884  erfolgten  Entdeckung  Laca- 
vas  (Not.  1887, 332 — 35)  von  1905  — 13  auf  der 
Bergeshöhe  von  Croccia-Cognato  unweit 
Oliveto  Lucano  (oberhalb  der  Station  Camp  0- 
maggiore  der  Bahn  Potenza-Metapont)  er- 
folgreiche Grabungen  veranstaltet,  die  uns 
das  Bild  einer  altlukanischen  Bergfeste  ge- 
geben haben,  deren  in  frühe  Zeiten  hinauf- 
reichender Mauerring,  von  dem  wieder  eine 
Akropohs  abgeschieden  ist,  später  zerfiel, 
jedoch  etwa  im  5.  Jahrhundert  wieder  kunst- 
gerecht erneuert  und  mit  einem  schönen, 
nach  griechischer  Art  erbauten  Torgebäude 
versehen  wurde.  Ob  diese  Erneuerung  von 
Griechen  und  für  Griechen  oder  von  Lu- 
kanern  gegen  Griechen,  wohl  in  jener  Zeit 
beginnenden  aktiven  Nationalismus  das 
Wahrscheinlichere,  hat  sich  nicht  ausmachen 
lassen.  Die  Hellenisierung  war  hier,  so  tief 
im  Binnenlande,  natürlich  nur  in  Form 
äußerhcher  Übernahme  von  Griechen  er- 
lernten Handwerks  und  griechischer  Fabri- 
Jcate  zum'Ausdruck  gebracht.  Hierfür  haben 
die  Funde  reiche  Belege  geliefert:  einheimi- 
sche Keramik,  sowohl  die  verschiedenen  Gat- 
tungen einfacher  als  auch  geometrisch-ein- 
heimisch bemalter  Ware,  alsdann  längere 
Unterbrechung,  bis  mit  rf.  italiotischen  Va- 
sen des  4.  Jahrhunderts  die  neue  Zeit  ein- 
setzt, wie  sie  uns  aus  so  zahlreichen  Funden 
des  südösthchen  Lukanien  namentlich  im 
Museum  von  Tarent  entgegentritt,  kommer- 
ziell griechisch-italiotisch,  wenn  auch  poli- 
tisch meist  schon  lukanisch-oskisch.  Kul- 
turell interessant,  wie  hoch  sich  hier  der 
griechische  Weinbau  von  der  Küste  hinauf- 


gezogen hat  in  Gegenden,  die  heute  ihn  nicht 
mehr  kennen,  aber  noch,  wie  auch  in  der 
alten  Bergstadt  von  Croccia-Cognato,  pri- 
mitive Keltervorrichtungen  —  pietre  pal- 
menti  —  zeigen,  in  deren  Nähe  dann  oftmals 
noch  wieder  zu  Wildreben  gewordene  Trau- 
benstöcke an  alten  Bäumen  emporranken 
(Not.  S.  257—58).  Auch  von  Bauten  guter 
rechtwinkliger  Art  noch  aus  der  Zeit  der 
vorgriechischen  Siedelung  haben  sich  sowohl 
auf  der  Akropolis  als  in  der  Stadt  allerlei 
Mauern  gefunden.  Bemerkenswert  ist  die 
Beobachtung,  daß  auf  dem  Boden  der  Bau- 
grube für  die  Mauern  sich  leichte  Schichten 
Asche  und  Kohlenstückchen  fanden  (S.  246), 
also  Merkzeichen  wohl  auch  ritualen  Cha- 
rakters, während  ein  solcher  fehlte,  wenn 
man  die  Fluchtlinie  nur  durch  je  drei  Ho- 
rizontalstriche bezeichnete  (S.  257).  Sowohl 
hier  wie  bei  andern  ähnlich  gelegenen  Berg- 
städten spricht  das  Fehlen  von  Fundstücken, 
die  nach  dem  Bundesgenossenkrieg  gesetzt 
werden  müßten,  für  die  Kirchhofsruhe,  wel- 
che Roms  Pranken  den  früher  widerstreben- 
den italischen  Stämmen  des  Innern  brachten. 
Auch  alles  Byzantinische  und  Mittelalterliche 
fehlt  hier.  Mit  Hilfe  mittelalterlicher  Ur- 
kunden und  der  heutigen  Flurbenennung  der 
Gegend  macht  de  Cicco  es  im  höchsten  Grade 
wahrscheinlich,  daß  der  griechische  Name 
dieser  vergessenen  Stadt  Callipolis  gewesen 
ist.  Auch  die  nähere  Umgebung  hat  Verfasser 
abgesucht  und  manche  wertvolle  Beobach- 
tung mitgeteilt.  Leider  fehlt  noch  die  Ne- 
kropole,  welche,  bis  auf  ein  Grab  etwa  des 
8.  Jahrhunderts  nahe  der  Stadtmauer,  wo 
sie  sich  mit  der  Akropolismauer  trifft  (S.  253), 
erst  gesucht  werden  muß,  um  die  Geschichte 
der  Stadt  auch  zeitlich  völlig  klarzustellen. 
Es  soll  weitergesucht  werden,  auch  wird  eine 
Fortsetzung  des  Berichtes  zugesagt  (Not. 
1919,  243—60;  II  Abb.).  —  Bei  Padula 
unterhalb  Consilinum  sind  die  Spuren  eines 
vorrömischen  Begräbnisplatzes  gefunden,  zu- 
nächst allerdings  nur  ein  Grab,  dessen  In- 
halt, nach  Neapel  gebracht,  von  Maiuri 
sorgsam  untersucht  ist  (Not.  1914,  403— 06) ; 
zumal  ältere  Einzelfundstücke  ebenfalls  aus 
Sala  Consilina  (Not.  1896,  173;  1897,  166) 
dieselbe  Eigentümlichkeit  wertvoller  Bern- 
steinschmuckstücke altionischer  Art  zeigen, 
in  dieser  überhaupt  archäologisch  noch  wenig 


141 


Italien   1914 — 1920. 


142 


bekannten  Gegend  Italiens  recht  beachtens- 
wert. Aus  dem  neuen  Grabe  ist  besonders 
merkwürdig  ein  mit  zwei  Ruderern  be- 
setztes Bernsteinschiff,  vorn  in  einen  Tier- 
kopf auslaufend,  doch  wohl  ein  Fischmotiv, 
obwohl  Maiuri  nach  anderer  Urform  sucht 
(Fig.  2,  3).  Eine  Fig.  i  rekonstruierte  Hals- 
kette war  wohl  abwechselnd  aus  Bernstein- 
bullae  und  Bronzeanhängern  zusammenge- 
setzt, wie  wir  sie  ähnlich  namentlich  aus 
Gräbern  von  Aufidena  besitzen.  —  Des  wich- 
tigen Barbarengrabes  von  Senise  mit  dem 
datierten  Ohrgehänge  (Not.  1916,  329—32; 
RCL.  1916,  1132—34)  ist  schon  oben  bei 
Nocera  Umbra  (Sp.  55)  gedacht  worden. 
Apulien  und  Calabria.  Hier  scheint 
wenig  geschehen.  Rellini  gibt  Memorie  dei 
Lincei  XV,  2,  1915,  181— 210  eine  fleißige 
Typologie  über  paläolithische  Fundstücke 
der  Ach6ulklasse  aus  dem  Venusinischen, 
jedoch  ohne  Stationen  mit  Wohnresten  oder 
Gräbern  nachweisen  zu  können,  Neolithi- 
sches  aus  dem  mittleren  Aufidustal  weist 
Dair  Osso  nach  (Not.  1915,  55—59);  Ben- 
dinelli  berichtet  (Not.  1914,  434—40)  über 
messapische  Gräber  in  der  Nähe  von  Fran- 
cavilla,  wo,  wie  schon  früher,  messapische 
Vasen,  namentlich  Torzellen,  zusammen  mit 
Tarentiner  glänzend  schwarzer  Ware  mit 
weißer  Aufmalung,  Terrakotten,  Lampen 
usw.  gefunden  sind;  das  Interesse  gemein- 
samen Fundes  von  Torzellen  mit  Gnathia- 
vasen  hebt  Bendinelli  S.  439  gebührend  her- 
vor. Ähnliche  Funde  von  Oria  werden  be- 
sonders erwähnt  (S.  440).  Nachbestattung 
sei  hier  durchgehende  Sitte.  —  Die  Ent- 
deckung dreier  intakter  Kammergräber 
bei  Oria  gibt  Bendinelli  Anlaß  (Not. 
1920,  297—302),  über  die  seit  dem  6.  Jahr- 
hundert in  diesen  Gegenden,  auch  in  Tarent 
selbst,  übliche  Auszierung  der  Gräber  mit 
verschiedenfarbig  gemalten  Horizontalstrei- 
fen, sowie  über  die  messapische  Keramik 
und  ihre  Chronologie,  z.  B.  Fortdauer  der 
Torzellen  bis  ins  3.  Jahrhundert,  einige  zu- 
treffende Bemerkungen  zu  machen.  Inter- 
essant die  Ausschmückung  eines  nahezu 
halbkugelförmigen  Bechers  mit  dem  durch 
das  Kapitolinische  und  andere  Mosaiken 
uns  vertrauten  Bilde  der  auf  einem  Gefäß- 
rand sitzenden  Tauben  (Fig.  i).  Von  Carlo 
Arno  in  Manduria,  liebenswürdigem  Kunst- 


freund und  Sammler,  liegt  mir  ein  Buch  vor 
»Antichitä  Mandurine«.  Lecce,  Tip.  editr. 
Sallentina.  I920,  worin  eine  von  16  Tafeln 
begleitete  Veröffentlichung  seiner  an  dort 
gefundener  Keramik,  kleinen  Metallsachen 
und  vielen  Münzen  reichen  Sammlung  ge- 
geben ist. 

Ager  Bruttiorum.  Hier  treten  wir  in 
das  Arbeitsgebiet  Paolo  Orsis,  wo  die  Klagen 
Ashbys  (Times  1914,  13.  Febr.),  in  Italien 
grabe  man  zu  viel  aus  und  veröffentliche  zu 
wenig  (hierüber  Barnabei  RCL.  1916,  1222 
bis  26;  1918,  164—65),  verstummen  müssen 
angesichts  der  unermüdlichen  Berichterstat- 
tung Orsis  über  das,  was  er  ebenso  unermüd- 
lich durch  seine  Grabungen  ans  Licht  bringt. 
Als  ob  es  gälte,  alles,  was  allerdings  frühere 
Generationen  im  griechischen  Italien  ver- 
säumt haben,  so  rasch  und  umfassend  wie 
nur  denkbar  nachzuholen,  folgen  sich  Orsis 
große  Aufdeckungen  und  Veröffentlichungen 
mit  fast  unbegreiflicher  Schnelligkeit  und 
Vortrefflichkeit.  Wie  viel  nachzuholen  sei, 
ist  natürlich  niemandem  klarer  als  ihm 
selbst:  so  stellt  er  beispielsweise  ML.  XXIII, 
769  zusammen,  was  es  für  militärische  Topo- 
graphie und  Architektur  in  Großgriechenland 
noch  alles  zu  tun  gäbe.  Bis  1915  galt  die 
Arbeit  noch  in  hervorragendem  Maße  Lokri 
und  seiner  tyrrhenischen  Tochterstadt 
Medma.  Nachdem  die  Ergänzungshefte  zu 
den  Notizie  191 1  und  1912  (s.  Arch.  Anz. 
1913,  167—72)  genau  Buch  geführt  hatten 
über  die  Grabungen  in  Stadt  und  Nekropole 
von  Lokri,  bringt  das  Ergänzungsheft  zu 
1913  (erschienen  1914),  3—54,  alsdann  die 
Not.  1917,  loi  — 167  zunächst  den  Bericht 
über  die  Nekropole  im  Fondo  Lucifero  bei 
Lokri  zu  Ende,  dem  später  einmal,  begleitet 
von  dem  seit  langen  Jahren  vorbereiteten 
und  jetzt  wohl  fertiggestellten  großen  Stadt- 
plan Lokris  eine  zusammenfassende  Darstel- 
lung dieser  früher  so  unbekannten  und  jetzt 
so  in  den  Vordergrund  getretenen  Griechen- 
stadt auf  einheimischer  Grundlage  folgen 
soll.  Mit  berechtigtem  Stolz  sagt  Orsi  von 
dieser  lokrischen  Nekropole,  sie  sei  jetzt 
wohl  die  am  besten,  ja  eigentlich  über- 
haupt wohl  einzig  wirklich  bekannte  des 
brettischen  und  lukanischen  Landes.  Das- 
selbe gilt  noch  nicht  von  der  i'/»  km  weiter 
westlichen  archaischen  (8.— 7.  Jahrhundert) 


143 


Italien   191 4 — 1920. 


144 


und  dann  wieder  hellenistischen  Nekropole 
in  contrada  Monaci  (Not.  1909,  323).  Der 
Bestand  von  nicht  weniger  als  1675  Gräbern 
vom  6.  bis  in  das  3.  Jahrhundert,  die  große 
Menge  aus  dem  5.  und  4.  Jahrhundert,  ist 
von  Orsi  in  jenen  sich  folgenden  Berichten 
gegeben  und  begleitet  mit  einer  dankens- 
werten Fülle  guter  Abbildungen,  von  denen 
hier  leider  nur  eine  beschränkte  Auswahl 
wiederholt  werden  kann.  Leben  und  Han- 
delsbeziehungen sowie  die  eigne  Industrie  der 
Stadt  treten  uns  mit  Klarheit  vor  Augen, 
wenn  auch  die  griechische  Zurückhaltung  in 
den  Beigaben  hier  wie  in  den  siziUschen 
Nekropolen  von  Syrakus,  Kamarina  und 
Gela  uns  noch  viele  Fragen  offen  läßt.  Die 
Gräber  lagen  ungemein  dicht,  vielfach  in 
Schichten  übereinander,  auch  sich  übe'r- 
kreuzend  und  oftmals  ein  Grab  ein  früheres 
zerstörend,  erklärlich  einmal  aus  dem  Man- 
gel guten  Steinmaterials,  so  daß  die  Toten 
in  die  weiche  Tonerde  gebettet  und  die  Gru- 
ben höchstens  mit  Ziegeln  ausgestellt  und 
gedeckt  wurden:  kein  Widerstand  also  für 
später  eingetiefte  Gräber.  Alsdann  aus  der 
großen  Seltenheit  dauerhafter  Grabeszeichen, 
daher  auch  kaum  Inschriften  oder  künst- 
lerische Stelen.  Einige  wenige  Grabauf- 
sätze sind  Not.  160,  Fig.  66  zusammen- 
gestellt; andere  mögen  aus  Holz  gewesen 
sein.  Aber  das  Durch-  und  Übereinander 
der  Gräber  spricht  gegen  irgend  monumen- 
tale Bezeichnung  der  Gräber.  Die  weitaus 
meisten  zeigen  Skelettbestattung.  Doch  sind 
Aschen-  und  Kohlenreste  gefunden,  ohne 
daß  sie  in  besonderen  Behältern  geborgen 
gewesen  wären,  mitten  zwischen  den  Skelett- 
gräbern, so  daß  es  noch  näherer  Unter- 
suchung bedürfen  wird,  ob  es  sich  in  solchen 
Fällen  stets  um  Leichenasche  oder  nicht  mit- 
unter vielmehr  um  Brennmaterial  handelt, 
das  wir  uns  bei  rituellen  Leichenmahlen  ver- 
wendet denken  mögen,  wobei  dann  festzu- 
stellen wäre,  ob  die  dabei  gefundenen  Reste 
verbrannter  Knochen  nicht  auch  Tierkno- 
chen sein  könnten.  Allerdings  sind,  wenn 
auch  nicht  sehr  zahlreich,  sichere  Leichen- 
brandfälle  beobachtet  worden,  aber  sehr  in 
der  Minderheit.  Die  Leichen  sind  alsdann 
einer  ja  auch  sonst  sowohl  in  Italien  wie 
auch  in  Griechenland,  z.  B.  in  Attika  fest- 
gestellten Sitte  gemäß  nicht  auf  besonderem 


Scheiterhaufen,  sondern  in  der  Grube  ver- 
brannt, welche  hernach  ihre  Reste  aufnahm; 
diese  Grube  hat  durchweg  Abmessungen, 
wie  sie  für  Bestattungen  ganzer  Leichen  die 
üblichen  sind,  und  in  manchen  Fällen  ist 
die  hineingelegte  Leiche  nur  unvollständig 
verbrannt,  also  entweder  einzelne  Körper- 
teile stärker,  andere  schwächer  (z.  B.  Grab 
497),  oder  die  Brennung  war  so  schwach, 
daß  das  ganze  Skelett  unzerstört  liegen 
blieb,  umgeben  von  den  durch  das  Feuer 
häufig  auch  kaum  geschädigten  Beigaben 
(z.  B.  Grab  1128,  1309).  WahrscheinHch 
rituell  war  die  in  einigen  Fällen  (z.  B.  Grab 
326,  334,  1433)  beobachtete  Verwendung 
wilder  Mandeln  als  Brennstoff.  Die  Unter- 
lage für  die  Toten  bildete  meist  eine  Schicht 
Tonerde  oder  Kies,  Kiesel,  Sand,  auch  wohl 
ganze  Ziegel,  die  ja  auch  an  den  Seiten 
und  zur  Bedeckung  des  Grabes  reichliche, 
wenn  auch  nicht  regelmäßige  Verwendung 
fanden.  Die  Ausstattung  der  Toten  war 
nach  griechischer  Art  einfach,  soweit  sie 
körperlich  war;  kostbarer  Schmuck  fehlt 
durchaus,  selbst  Fibeln  sind  spärlich:  wegen 
ihrer  Verwandtschaft  zur  Certosafibel  ist  Not. 
1914,  Suppl.  Fig.  21  interessant,  zu  der  Not. 
1912,  Suppl.  Fig.  19  eine  Vorstufe  bildet. 
Das  Bestreben,  dies  einfache,  meist  aus 
Eisen  bestehende  Gebrauchstück  künst- 
lerisch auszugestalten,  ruft  oft  reizvolle  For- 
men ins  Leben:  so  wenn  der  Bügel  einer 
Fibel  von  einem  Elfenbeindelphin  gebildet 
wird  (Not.  191 7,  Fig.  46)  oder  (ebenda)  aus 
einem  sprungbereiten  Löwen,  auch  aus  Elfen- 
bein, oder  wenn  eine  aus  Knochen  geschnitzte 
Taube  (Not.  Suppl.  1914,  Fig.  51)  oder  eine 
Elfenbeinzikade  (ebenda  Fig.6)  dieselbe  Funk- 
tion ausübt.  Not.  1917,  Fig.  14  sind  aus 
einem  Grabe  ein  Sieb,  ein  Schöpflöffel  und  ein 
Heber,  alle  drei  Geräte  aus  Bronze  und  von 
vornehmer  Einfachheit,  Fig.  30  drei  Bronze- 
schalen, zwei  davon  mit  Schlangengriffen, 
und  ein  Eimer  abgebildet,  auch  diese  aus 
einem  Grabe,  feine  und  originelle  Stücke; 
ähnliche  Suppl.  1914,  Fig.  30,  34.  Vom 
erlesensten  Geschmack  zeugen  aber  auch  aus 
diesen  Gräbern  wie  aus  den  früheren  die 
wundervollen  Spiegelgriffe  aus  Bronze,  gerade- 
zu eine  Spezialität  Lokris  —  von  wo  solche 
Stücke  übrigens  schon  früher  in  den  Handel 
kamen  — ;   gewiß  hat  Orsi  methodisch  recht 


145 


Italien  1914 — 1920. 


146 


Abb.  22.     Spiegelgriff  aus  Lokri. 


mit  seiner  Warnung,  nicht  allzu  rasch  Lokri 
als  den  Herstellungsort  anzusehen,  da  wir 
die     Nekropolen    anderer    großgriechischer 

j  Städte,  z.  B.  Reggios,  noch  zu  wenig  kenn- 
ten: aber  ein  gemeinsamer  Ursprungsort 
wird  durch  die  so  gleichartige  Ausführung 

;  und  die  gleichmäi3ige  hohe  Feinheit  der  Er- 
findung sehr  wahrscheinlich   gemacht,   und 

:  zwar  ein  Ort,  in  dem  die  Kunstübung  unter 


Abb.  23.     Spiegelgriff  aus  Lokri. 


.\bb.  24.      Spiegelgriff  aus  Lokri. 

einer  ionischen  Überlieferung  stand.  Zu  den 
Griffen  mit  den  schönen  ionischen  Palmetten, 
die  Arch.  Anz.  1913,  170  reproduziert  sind, 
kamen  noch  manche  neue,  von  denen  ge- 
nannt seien:  Not.  Suppl.  1914,  Fig.  35;  fer- 
ner Fig.  12  wegen  seiner  außergewöhnlichen 
Hebung  des  Blütenkelches  und  Rankenwerks 
in  höheres  Relief.  Ähnliches  Ranken-  und 
Volutenwerk  verbindet  figürlichen  Träger- 
schmuck bald  mit  dem  Griff  (z.  B.  Suppl. 
1914,  Fig.  18,  [hier  Abb.  22]  eine  pracht- 
voll geschlossen  komponierte  Harpyie;  mit 
Griff  und  Scheibe  Suppl.  Fig.  20),  bald  mit 


147 


Italien  1914 — 1920. 


148 


Abb.  25.     Spiegelgriff  aus  Lokri 


Abb.  26.     Spiegelgriff  aus  Lokii. 


der  runden  Scheibe  allein  (z.  B.  Suppl.  Fig. 
15  [hier  Abb.  23]  und  16  ein  ganz  in  den 
Mantel  togaartig  gehülltes  Mädchen  voll 
strenger  Schönheit;  Fig.  49  [hier  Abb.  24] 
ein  spendender  nackter  Knabe  gleicher  Zeit 
—  etwa  460—50  — ;  Not.  1917,  Fig.  48 
eine  auf  einer  Schildkröte  stehende  Kora 
im  Spestypus,  die  lebendigere  Vorgängerin 
der  kalteleganten  Figur  Suppl.  Fig.  65.) 
Einer  besonderen,  Großgriechenland  und 
Sizilien  eignen  Familie,  die  zuletzt  Pollak, 
Österr.  Jahresh.  VII,  1904,  203—08,  Per- 
nice,  Jahrb.  XXXV  1920,  94 — 96  und 
Ducati,  Arch.  stör.  p.  1.  Sicilia  Orient. 
XVI — 'XVII  1921,  104—14  zusammen- 
stellten, gehören  Suppl.  Fig.  63  und 
Not.  1917,  Fig.  13  an,  Spiegel,  bei 
^ denen  die  rechteckige  Verbindungsplatte 
der  archaischen  Zeit  ersetzt  ist  durch 
eine  ä  jour  gearbeitete  Relieffigur.  Die 
erstere,  hier  Abb.  25,  vonOrsi  richtig  Elektra 
benannt  und  trefflich  behandelt,  wird  von 
ihm  in  nächste  Parallele  zu  dem  Spiegel  aus 
Vizzini  Not.  1902,  215  gestellt  und  derselben 
Fabrik  zugeschrieben;  doch  ist  der  Spiegel 
aus  Lokri  wesentlich  feiner  in  Ausführung, 
getragen  von  der  gleichen  Empfindung,  die 
uns  aus  so  manchen  der  feinen  Tonreliefs 
von  Lokri  entgegenströmt,  wenn  auch  die 
Ausführung  der  Bronze  auf  wesentlich  höhe- 
rer Stufe  steht:  Elektra  mit  der  vermeint- 


lichen Aschenurne  des  Bruders  fast  zu  eins 
verwachsen  sitzt  auf  dem  Grabe,  den  schwe- 
ren letzten  Trennungskampf  durchkämpfend; 
an  den  Pfeilern  hängen  schon  des  Bruders 
Waffen,  aber  auch  die  Haarlocke;  Ala- 
bastron,  der  große  Wasserkrater  in  Elektras 
Rücken  —  wie  üblich  gerade  in  Lokri  die 
Wasserspende  auf  den  Gräbern  war,  ergibt 
sich  aus  den  außerordentlich  vielen  Bruch- 
stücken großer  Kratere,  die  nur  diesem 
Zweck  gedient  haben  können,  welche  Orsi 
bei  den  Gräbern  fand  (Not.  1917,  154—55, 
namentlich  S.  107,  Fig.  10)  —  und  besonders 
die  so  auffällig  zuunterst  angebrachte  zer- 
brochene Lekythos  sprechen  für  die  schon 
vollzogenen  Spenden  für  den  Vater,  denen 
sich  nun  die  für  den  Bruder  anschließen 
sollen.  Gewiß:  eine  Erfindung  großer  Zeit, 
welche  diese  Bilder  nicht  nur  über  die  Bühne 
Athens  gehen  sah,  klingt  in  diesem  Werk 
des  fernen  Lokri  feierlich  nach.  Der  zweite 
Spiegel  mit  ähnlich  durchbrochener  Griff- 
zunge Not.  1917,  Fig.  13  (hier  Abb.  26)  hat 
sich  von  der  geschlossenen  Rahmenfbrm  schon 
beträchtlich  entfernt  und  zeigt  Europa  von 
dem  sich  unter  ihr  durchbiegenden  und  mit 
dem  Hinterhuf  schon  wieder  aufsprungbe- 
reiten Stier  auf  den  Rücken  genommen,  sich 
mit  der  Rechten  an  das  linke  Hörn  klam- 
mernd, völlig  überrascht.  Blicke  und  linker 
Arm  hoch  emporgerichtet,  das  Gewand  in  sei- 


149 


Italien   191 4 — 1920. 


150 


Abb.  27.     Tänzerin  aus  Lokri. 

nem  Hochflattern  geschickt  zum  Stützen  des 
Rundes  benutzt:  eine  erregte  und  geistreiche 
Komposition,  welche  gegenüber  der  Elektra 
die  Art  einer  neuen  Zeit  atmet,  von  jener 
um  Jahrzehnte  getrennt.  Andere  Bronze- 
figuren dienten  zur  Verzierung  von  Ge- 
räten, so  Suppl.  Fig.  II  ein  betendes  Mäd- 
chen, Fig.  13  ein  knieend  anbetender 
nackter  Knabe,  Fig.  14  (hier  Abb.  27)  ein 
altertümlich  tanzendes  Mädchen,  zu  welchem 
im  Grab  1061  eine  Replik  gefunden  wurde.  Zu 
den  äjour  gearbeiteten  Griffzungen  läßt  sich  in 
Vergleich  setzen  eine  durchbrochene  Bronze- 
scheibe mit  dem  Bild  eines  in  Kampfbereit- 
schaft halbknieenden  nackten  Mannes,  die 
Hand  am  Schwertgriff,  in  seiner  herben 
eckigen,  straffen  Sprödheit  ein  guter  Klang 
aus  der  Perserzeit  (Suppl.  Fig.  44;  hier 
Abb.  28).  Noch  zweier  Bronzehände  mit 
Unterarm  muß  gedacht  werden,  o,  I32_('m 
und  0,142  m   lang  (Not.  1917,  144,  Fig.  51 ; 


Durchbrochene  Scheibe  aus  Lokri. 


hier  Abb.  29),  die  sich  neben  den  ent- 
sprechenden Händen  der  Leiche  befanden, 
zwischen  Daumen  und  den  Fingern  der  lin- 
ken Hand  ein  Rundstab  gespreizt,  um  den 
sich  zwei  runde  Scheibchen  drehten,  offenbar 
Spiel,  auf  Zuklinftserratung  gestellt.  Eine 
wie  große  Rolle  letztere  überhaupt  in  der 
Vorstellung  der  Lokrer  spielte,  ergab  sich 
schon  seit  Beginn  der  Gräberaufdeckung 
durch  die  außerordentlich  große  Zahl  von 
Astragalen,  die  sich,  oftmals  mit  Blei  gefüllt, 
längs  des  Körpers  oder  in  einzelnen  Gruppen 
im  Grabe  verteilt,  auch  in  Gefäßen  beigege- 
ben fanden,  im  Grabe  1308  bis  zu  250  Stück, 
bisweilen  auch  über  der  Ziegeldecke  des 
Grabes;  übrigens  durchaus  keine  Eigentüm- 
lichkeit von  Lokri  allein:  so  fand  Orsi  in 
Kaulonia  auf  der  Brust  von  Toten  je  5—6 
Astragale  und  dabei  einen  Eisennagel, 
dessen  apotropäische  Bedeutung  ja  auch  be- 
kannt ist   (ML.  XXHI,  940).     Und  so  an 


Abb.   29.     Bronzehand  mit  Unterarm,  Lokri. 


151 


Italien  1914 — 1920. 


152 


vielen  Orten  Italiens,  auch  des  nichtgriechi- 
schen (s.  Not.  Suppl.  191 1,  25,  i).  Dasselbe 
Grab,  dem  jene  merkwürdigen  Hände  ent- 
stammen, in  dem  auch  neben  dem  Kopf 
zwei  Eisennägel  lagen,  ergab  vom  selben 
Platz  einen  0,7  m  langen  Elfenbeinstab,  der 
unten  in  eine  Palmette  endigt,  deren  kleine 
Voluten  mit  größeren,  den  oberen  Abschluß 
bildenden  Voluten  durch  aufgelegte  Rund- 
stielchen verbunden  sind.  Der  obere  kapitell- 
artige Abakus  trägt  ein  leider  kopfloses, 
0,4  m  hohes  ionisches  Frauenfigürchen  von 


ner  Art  sind  z.  B.  eine  gut  erhaltene  Flöte 
(Not.  1917,  Fig.  5),  manche  Tonfigur,  von 
denen  auf  die  lässig  thronende  königliche 
Frau  Not.  191 7,  Fig.  56,  die  schöne  Tänzerin 
Suppl.    Fig.    60   und   eine   weibliche,    noch 


Abb.  30.     Vergoldeter  Elfenbeinstab,  Lokri. 

großer  Zierlichkeit,  dessen  erklärendes 
Attribut  mit  der  vorgestreckten  rechten 
Hand  verloren  ist.  Spuren  reichlicher  Ver- 
goldung reihen  dies  kleine  Juwel  ein  in  die 
Reihe  chryselephantiner  Proben,  die  uns, 
leider  nur  zu  spärlich,  erhalten  sind  (Not. 
1917,  Fig.  50,  wonach  hier  Abb.  30).  Fig. 
39  gibt  eine  von  Orsi  bedachtsam 
zusammengestellte  Anzahl  von  feinen 
Bronzebeschlagstücken,  die  Orsi  unter 
Hinweis  auf  die  Büste  von  Elche  u.  ä.  für 
einen  freilich  sehr  eigenartigen  Kopfschmuck 
erklären  möchte.  Einige  sonst  den  Toten 
mitgegebene    Lebensschönheiten    bescheide- 


Abb.  31.     Kandelaber  aus  Lokri. 

Strenge  Büste  hingewiesen  sei,  die  in  originel- 
ler Weise  so  in  einen  Topf  gesteckt  gefunden 
wurde,  daß  der  Kopf  nur  vom  Kinn  auf- 
wärts hervorragte,  dann  aber  durch  einen 
ihm  hutartig  aufgesetzten  Becher  und  den 
dagegen  gelehnten  Topfdeckel  geschützt  war 
(Suppl.  Fig.  8).  Höchst  merkwürdig  ist 
sodann  die  in  apotropäischer  Haltung  und 


153 


Italien  1914 — 1920. 


154 


Beschäftigung  sitzende  Figur  eines  dicken, 
häßlichen  Weibes  im  Grabe  eines  jungen 
Mädchens  Not.  191 7,  Fig.  8,  oder  die  gro- 
teske Amme  Fig.  58.  Von  den  kleinen  für 
Großgriechenland  typischen  Terrakotta-Al- 
tären, die  kürzlich  Douglas  van  Buren  in  den 
Memoirs  of  the  American  Acad.  in  Rome  II, 
1918,  15 — 54  und  Elisabeth  Jastrow  Arch. 
Anz.  1920,  102 — 104  zusammenstellten,  sind 
natürlich  auch  in  den  Grabungen  seit  1913 
eine  beträchtlicheAnzahlgefunden,  und  zwar 
in  den  Gräbern  selbst,  sogar  benutzt,  um  ein 
Kinderskelett,  zwei  zusammengestellt,  zu 
beschützen  (Not.  1917,  I15);  eine  solche 
Arula  mit  Dar- 
stellung vonHe- 
rakles  Kampf 
mit  Acheloosist 
ihres  archai- 
schen Stils  we- 
gen besonders 
beachtenswert 
(Not.  1917,  Fig. 
24).  Manch  täg- 
liches   Lebens - 

geschirr    aus 
Metall  ist  noch 

mitgegeben, 
vielfach  in  ver- 
kleinerter 
Form:  s.  z.   B. 
den  Inhalt  des 

Grabes    739, 
unter  dem  ein 

großer  Kandelaber  eigenartiger  Form,  viel- 
leicht auch  als  Kottabos  verwandt,  aus  Eisen 
mit  einem  nackten  Jüngling  als  Träger,  einer 
Kora  vom  SpestypusalsBekrönung,  die  beiden 
Figuren  aus  Bronze ;  auf  dem  Kopf  der  »Spes« 
ruhte  die  Hand  der  Toten  (Suppl.  Fig.  31, 
33,  hier  Abb.  31).  Andere  Eisenkandelaber 
mit  Seitenarmen  :  Not.  1917,  Fig.  31,  44.  Die 
große  Menge  der  Vasen  und  Scherben  gehört 
vom  ausgehenden  6.  bis  in  das 4.  Jahrhundert 
dem  attischen  Import  an  —  eins  der  letzten 
Stücke  wohl  der  »megarische  Becher«  Suppl. 
Fig.  25  —  (eine  einzelstehende  Ausnahme 
ist  das  Grab  1356  mit  korinthischem  Inhalt), 
aber  im  ganzen  qualitativ  ziemlich  spärhch, 
wie  überhaupt  in  den  Gräbern  des  Bruttier- 
landes (s.  Orsi,  Suppl.  53).  Eine  pan- 
athenäische  Vase  der  älteren  Gruppe    (Not. 


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.\bb.  32.     Vase  aus  Lokri 


191 7,  145,  Fig.  52  oder  das  Alabastron 
mit  der  Amazone  Fig.  45)  bildet  eine  Aus- 
nahme, ebenso  Bruchstücke  eines  schönen 
rf.  Kraters  mit  einer  Athenageburt  aus  der 
Euphronioszeit  (Fig.  53).  Dagegen  ist 
das  italiotische  Material  neuerdings  immer 
mehr  und  interessanter  in  den  Vorder- 
grund getreten,  und  zwar  neben  campa- 
nischer und  —  seltener  —  lukanisch-apuli- 
scher  Ware  auch  ganz  originelle,  wohl 
brettisch-griechische  Arbeit :  so  schon  der 
frühe  sf.  Viergespannkrug  Suppl.  Fig.  22, 
ebenso,  aber  jünger,  die  Sau  mit  sf.  auf- 
gemalten Pygmäen  auf  der  Hasenjagd  Suppl. 

Fig.  45  (hier 
Abb.  32)  oder 
das  Fäßchen 
mit  Aphrodite 
und  Eros  Suppl. 
Fig.  53  oder  der 
höchst  sonder- 
bare   von    der 

Meidiasart, 
wenn  auch  be- 
reits in  einiger 
Entfernung  be- 
einflußte Krug 
Suppl.  Fig.  55 
bis  56  (hier 
Abb.  33).  Von 
italiotisch  -  im- 
portierten Va- 
sen seien  be- 
sondersgenannt 
derLykurgoskrater  Not.  1917,  Fig.  2,  II  bis, 
die  Tanzprobe  des  jungen  Mädchens  vor  einem 
Jünghng  1917,  Fig.  12  (Abb.  34)  und  der  fa- 
mose, weiß  auf  schwarze,  weißüberrankte 
apulische  Schale  gesetzte  Papposilen  Not. 
1917,  Fig.  38.  Viele  Nietungen  beweisen  die 
Wertschätzung  guter  Stücke.  Auch  viele 
und  treffliche  Glasgefäße  fanden  sich  in  oder 
nahe  den  Gräbern.  Viele  über  und  um  die 
Gräber  aufgehobene  Scherben  sprechen  für 
rituelle  Zerbrechung  der  Gefäße  nach  ihrer 
Verwendung  bei  der  Totenspende. 

In  weitgehender  Weise  wird  das  Bild  Lo- 
kris  ergänzt  durch  dasjenige  Medmas,  der 
tyrrhenischen  Kolonie  Lokris,  welche,  zwei- 
fellos richtig  lokalisiert  auf  der  Stätte  Ro- 
sarnos (Ni'ssen,  LK.  II,  960;  Orsi,  Not. 
Suppl.    1914,    55—58),   als   natürlicher   Be- 


155 


Italien  1914 — 1920. 


156 


Abb.  33.     Krug  aus  Lokri. 


lierrschungspunkt  einer  reichen  Ebene  zwi- 
schen dem  6.  und  3.  Jahrhundert  sich  einer 
mit  Lokri  parallelgehenden  Blüte  erfreut 
haben  muß.  Auf  dem  östlich  des  heutigen 
Rosarno,     dem 


Ausgangspunkt 

und  der  späte- 

,ren     Akropolis 

der'Stadt,  sich 

weit     hinstrek- 

kenden  Plateau 

des  Piano  delle 

Vigne  erhob  sich 

wenigstens    ein 

bedeutendes 

Heiligtum, 

wahrscheinlich 

aber     mehrere, 

und  dehnte  sich 

die   Stadt  sehr 

rasch  aus,  weil 


nur  auf  dem  'entferntesten  kleinen  Sonder- 
hügel Badia  dei  Greci  wenige  ärmliche  Grä- 
ber auftauchten.  Seit  bald  20  Jahren  im 
Gang  befindliche  Raubgrabungen  veranlaß- 

ten  Orsi,  von 
1912  ab  auch 
auf  dem  Piano 
delle  Vigne 
selbst  den  Spa- 
ten anzusetzen, 
wenn  auch  nicht 
zurErforschung 
der  Stadt,  von 
der  keine  Reste 
sichtbar  sind, 
bei  mangeln- 
dem Hartbau- 
material be- 
greiflich (s.  den 
Plan  Suppl. 
Fig.    66).     Der 


Ttaliotisches  Vasenbild  aus  Lokri. 


157 


Italien   19 14 — 1930. 


158 


Herkunft  vieler  Terrakotten,  die  aus  un- 
kontrollierten Grabungen  teils  in  das  Mu- 
seum von  Reggio,  teils  auf  das  Nelsonsche 
Schloß  Bronte  hinterm  Ätna,  zu  großem 
Teil  meist  über  Taormina  in  den  Kunst- 
handel gekommen  sind,  nachspürend,  ent- 
deckte Orsi  an  der  Nordwestecke  des 
Plateaus,  also  dem  Ausgangspunkt  der 
Stadt  nahe,  an  den  beiden  Punkten  Cal- 
derazzo  und  S.  Anna,  oberhalb  des  Mes- 
maflusses  ein  großes  und  ein  kleineres  Depot, 
Abschub  von  Votivstücken  eines  noch  nicht 
selbst  gefundenen  benachbarten  Heiligtums, 
wie  er  meint,  der  chthonischen  Göttinnen; 
diese  Depots  reichen  vom  endenden  6.  bis 
etwa  in  die  Mitte  des  5.  Jahrhunderts  und 
sind,  ähnlich  wie  die  immer  noch  nicht  ver- 
öffentlichten Terrakottenmengen  von  der 
Stips  Sacra  des  Heiligtums  auf  der  Abba- 
dessa  von  Lokri  im  Museum  von  Neapel,  in 
ganz  hervorragendem  Maße  geeignet,  uns  die 
reiche  und  eigenartige  griechische  Plastik 
dieser  Gegenden  vor  Augen  zu  führen  und 
damit  auch  die  sizilische  Plastik  aus  ihrer 
Isolierung  emporzuheben.  Ein  großes  Stück 
bester  griechischer  Kunstgeschichte  dieses 
uns  früher  so  verschlossenen  Landes  ist  da- 
mit zum  erstenmal  auf  feste  Grundlage  ge- 
stellt (Not.  1914,  Suppl.  55—145,  122  Abb.; 
Not.  1917,  58—67)  und  mit  m.  E.  durchweg 
treffender  wissenschaftHcher  Analyse  für  die 
weitere  Forschung  verwertbar  gemacht.  Eine 
umfassende  Veröffentlichung  über  ganz  Med- 
ma  stellt  Orsi  in  Aussicht,  wird  jedoch  dafür 
wohl  noch  weitere  Forschungen  anstellen 
wollen.  So  ist  er  auch  früheren  Funden 
nachgegangen  und  hat  z.  B.  das  Glück  ge- 
habt, über  dem  Grabe  19  in  Medma  zu  der 
mangelhaft  erhaltenen  Arulaform  Colloca 
noch  ein  wichtiges  Positivstück  aus  derselben 
Form  zu  finden  und  damit  das  sagenge- 
schichtlich so  interessante  Tyrorelief  wieder- 
zugewinnen, das  nach  seiner  erstmaligen  Ver- 
öffentlichung Not.  Suppl.  1914,  Fig.  67  und 
68  bereits  eingreifende  Besprechungen  und 
Erklärungsversuche  erfahren  hat  durch 
Rizzo,  Hauser,  Savignoni  (Ausonia  VIH, 
1915,  166—177),  Robert  (Hermes  LI,  1916, 
273—302)  und  Herbig  (Hermes  LI,  1916, 
465—74).  Siehe  auch  Orsi,  Not.  191 7,  39, 
40,  I  und  Robert,  Griech.  Heldensage  I,  40, 
6.     Im  großen  Depot,  das  völlig  unberührt 


gefunden  wurde,  lassen  sich  zwei  Schichten 
unterscheiden,  unten  das  ältere  Material,  dar- 
über nicht  durchweg,  aber  vielfach  eine 
Schicht  von  Ziegeln,  über  die  eine  dünne, 
nur  wie  tuchartige  Kalkschicht  gebreitet  war, 
die  als  Unterlage  diente  für  die  figürlichen 
Terrakotten,  während  die  spärlichen  Stücke 
architektonischer  Terrakotten  in  den  Zwi- 
schenräumen der  Ziegeldecke  verstreut  lagen: 
also  waren  Bautrümmer  von  Heiligtümern 
nicht  im  gleichen  Grade  als  geheihgter  Göt- 
terbesitz angesehen  wie  von  einzelnen  ge- 
weihte Sondergaben,  religionsgeschichtlich 
wichtig.  Suppl.  Fig.  70—76  bildet  Orsi 
einige  der  am  meisten  beachtenswerten  ar- 
chitektonischen Stücke  ab,  altertümliche, 
von  kleinen,  wohl  aediculaartigen  Bauten 
stammend,  die,  wie  gegen  Ausgang  des 
6.  Jahrhunderts  ja  auch  anderswo  —  ich 
erinnere  nur  an  Athen  —  größeren  Tempeln 
zu  weichen  begannen,  von  denen  allerdings 
bisjetzt  auf  dem  Pian  delle  Vigne  nichts  ge- 
funden ist.  Die  enge  Verwandtschaft  mit 
Stücken  aus  Kroton  und  namentlich  Lokri, 
wie  selbstverständlich,  ebenso  wie  die  Ver- 
schiedenheiten z.  B..  von  Campanien  werden 
von  Orsi  klargestellt.  Der  Frauenkopf  Fig.  74 
und  die  beiden  kleinen  Tempclmodelle  Fig. 
75  und  76,  mit  denen  Orsi  gleichartige  Stücke 
aus  Satricum  vergleicht,  sind  besonders  be- 
achtenswert. Unter  den  figürlichen  Terra- 
kotten nehmen  die  großen  und  kleinen  Pro- 
tomai,  durchweg  weiblich,  einen  bedeutenden 
Raum  ein  (Fig.  77—91),  welche  das  in 
Winters  Typenkatalog  (I,  236  ff.)  gesammelte 
Matcrial  bedeutend  erweitern,  alsdann  die 
vielen  Korai,  meist  ionisch-archaisch,  viele 
stehend,  viele  auch  sitzend,  unter  letzteren 
besonders  bemerkenswert  Fig.  103,  welche 
in  der  Linken,  die  auf  dem  Schoß  ruht,  ein 
Kästchen  hält,  genau  wie  die  vielen  Käst- 
chen auf  den  Lokrireliefs,  während  andere 
einen  Hahn  (Fig.  104,  107),  eine  Schale  und 
darüber  Taube  (Fig.  104  bis)  oder  nur  eine 
Taube  (Fig.  105,  112)  halten,  andere  vor  der 
Brust  einen  Eros  (Fig.  108,  112;  vgl.  »Lu- 
dovisithron«!),  eine  Nike  (Fig.  109,  lio),  ein 
im  Schoß  liegendes  (Fig.  100,  114)  oder  die 
Arme  zur  Mutter  emporbreitendes  (Fig.  107; 
hier  Abb.  35;  vgl.  »Ludovisithron«!)  Kindchen 
zeigen,  Stücke,  die  in  großer  Menge  den  Besu- 
chern des  Museums  in  Reggio  gleichartig  seit 


»59 


Italien  1914 — 1930. 


160 


X^ 


lange  bekannt  sind.  Auch  der  Thron  ist  oft- 
mals reich  verziert  mit  plastischen  Zutaten 
(Fig.  106, 113).  Die  künstlerische  Entwicklung 
von  gegen  Ende  des  6.  Jahrhunderts  bis  zur 
Mitte  des  5.  ist  lückenlos  vertreten  und  zeigt 
jene  für  diese  groi3griechisch-sizilische  Kunst 
so  typische  Verbindung  ionischer  Feinheit 
imd  Anmut  mit  einer  gewissen  an  den  Pelo- 
ponnes  erinnernden  ernsten  Hoheit,  letztere 
besonders  stark  hervortretend  an  diesen  wie 
so  vielen  andern  dieser  Stätte  entstammen- 
den Köpfen  (besonders  auf  den  drei  schönen 
■  Tafeln,  die  Fig.  124—147  vereinigen),  welche 
von  einem  bestimmten  Schnittpunkt  etwa 
von  der  Perserkriegszeit  an  den  belebenden 
Einschlag  einer  bedeutenden  Künstlerper- 
sönlichkeit erraten  lassen,  den  man  auch  an 
manchen  Einzelfiguren,  wie  Fig.  153, 155  — 157 
zu  spüren  glaubt.  Will  man  in  diesem  Künst- 


'      Abb.  35.     Tonrelief  aus  Medma. 

1er  nicht  den  für  uns  leider  völlig  schatten- 
haften Klearchos  erkennen,  so  kann  man 
wohl  nur  an  seinen  großen  Schüler  Pythagoras 
denken.  Diese  Zusammenhänge  führte  ich 
aus  in  einem  Vortrage  auf  dem  archäol.  Kon- 
greß in  Rom  1912,  erschienen  Ausonia  VIII, 
191 5)  35~43>  ni't  besonderem  Hinweis  auf 
einen  mit  dem  Kopf  des  delphischen  Wagen- 
lenkers sich  nahe  berührenden  Terrakotta- 
kopf aus  Medma  (Aus.  a.  a.  O.  40,  Fig.  3,  4 
=  67  Fig.  12)  und  verwandte  Köpfe;  mit 
meinen  Gedanken  berührte  sich  Orsi  Ausonia 
ebenda  51  und  66  sowie  Not.  Suppl.  1914, 
110— 113  und  132.  Siehe  auch  Amelung, 
Jahrb.  XXXV,  1920,  58.  Von  der  Steigerung 
der  technischen  und  künstlerischen  An- 
sprüche an  die  Tonplastik,  die  vereint  mit 
der  ihr  so  nahestehenden  Bronzekunst  in 
diesen  Gegenden  den  fehlenden  Marmor  er- 


setzen mußte  und  daher  die  in  Griechenland 
gewohnten  Größenmaße  der  Tonfiguren  viel- 
fach überschritt,  gibt  nunmehr  auch  hier  das 
Auftauchen  lebensgroßer  Statuen  eine  Vor- 
stellung: s.  Not.  1917,  59,  Fig.  34.  Einige 
Athenafiguren  von  archaischen  Promachos- 
typen  bis  zu  einer  fein  und  leicht  stehenden 
Peplosgestalt  der  Zeit  ganz  kurz  nach  Mitte 
des  5.  Jahrhunderts  und  wohl  schon  stark- 
attisch führen  aus  der  Sphäre  der  chthoni- 
schen  Göttinnen  heraus  (Fig.  115— 119;    mit 


Abb.  36.     Kriophoros  aus  Medma. 

117  vgl.  die  Metope  vom  Tempel  F  in  Se- 
linus!)  und  auch  die  Welt  des  Dionysos  (Fig. 
167)  und  der  Aphrodite  mit  Eros  (Fig. 
171—72;  Not.  1917,  Fig.  36)  ist  anmutig 
und  originell  vertreten.  Kleine  »Apollines«, 
bald  frei,  bald  als  Relief,  sind  wegen  ihrer 
Seltenheit  in  der  Tonplastik  bemerkenswert 
(Fig.  149—50),  ebenso  mit  schwerem  Mantel 
teilweise  bekleidete  männliche  Gestalten 
(Fig.  152,  154),  Athleten  (Fig.  155-56), 
männliche  und  weibliche  Hydrophoroi  (Fig. 
lOi,  151),  ganz  besonders  aber  eine  Reihe 
von  acht  Kriophoroi,  keine  Hermes,  sondern 
bald  mehr  an  ionische  und  attische  Schöpfun- 


i6l 


Italien  1914 — 1920. 


162 


gen,  bald  an  die  bekannten,  aus  dem  Leben 
gegriffenen  arkadischen  Bronzefigürchen  er- 
innernde Typen  dankbarer  Herdenbesitzer 
oder -pfleger  (Fig.  159—66;  hier  Abb.  36—39). 
Die  Freude  an  genrehafter  Wiedergabe  nur 
äußerlich  mythologischer  Motive,  echt  ionisch, 
wie  sie  uns  auf  so  manchen  großgriechischen 
und  sizilischen  Münzen  auch  begegnet,  äußert 
sich  in  jenemjüngling  praxitelischen  Aufbaus, 
derein  Knäbchen  auf  der  Schulter  trägt,  wäh- 
rend sein  kleiner  Wolfshund  voll  Eifersucht 
an  ihm  emporsteigt  (Fig.  168),  oder  dem  be- 


großer Anzahl,  fast  alle  aus  dem  zweiten, 
Not.  1917  beschriebenen  kleineren  Depot 
stammend  (Fig.  43),  im  Kunsthandel  schon 
lange  weithin  verbreitet,  gewiß  ein  guter 
Beweis  für  die  in  der  weiten  Flußebene 
blühende  Rossezucht,  wie  Orsi  zutreffend 
darlegt.  Auch  die  Zahl  der  Bruchstücke  von 
Gefäßen  aus  Ton  jeder  Art  ist  groß,  viele  von 
ihnen  unmittelbar  aus  dem  täglichen  Leben 
entnommen,  noch  mit  Resten  von  Speisen 
darin,  die  den  Gottheiten  dargebracht  waren 
(Suppl.    S.    133),   ebenso  kleine  mehr  oder 


Abb.  37.     Kriophoros 
aus  Medma. 


Abb.  38.     Kriophoros  aus 
Medma. 


Abb.  39.     Kriophoros  aus  Medma. 


hagHch  Flöte  blasenden  Silen,  der  auf  den 
Schultern  eines  Eros  reitet  (Fig.  169),  oder 
der  grotesken  Art,  wie  ein  ithyphallischer 
»Gigant«  von  einem  Gegner  rücklings  um 
den  Hals  gepackt  wird  (Fig.  170),  oder  jenem 
fröhlichen  Schildkrötenreiter  Fig.  173.  Vo- 
tivpinakes  gleich  jenen  aus  Lokri,  zum  Teil 
aus  denselben  Formen,  wie  z.  B.  das  lang- 
bekannte, aus  Medma  stammende  Relief  mit 
Aphrodite  und  Eros  der  Münchner  Klein- 
kunstsammlung fehlen  nicht,  ebensowenig 
Wiedergaben  von  Feld-  und  Baumfrüchten, 
Kuchen  u.  dgl.  (Fig.  174  und  175)  sowie 
Tieren,  für  die  man  den  Gottheiten  dankbar 
ist,    in    erster    Linie    Pferden    in    ungemein 

Archäologischer  Anzeiger   1921. 


minder  konische  Väschen,  durchbohrt  für 
Aromata,  wie  Orsi  gewiß  richtig  meint  (Fig. 
177).  Neben  einheimisches,  aber  von  guten 
griechischen  Formen  stark  abhängiges  Ge- 
brauchsgeschirr tritt  attisches,  wenig  und 
letztes  sf.,  z.  B.  der  große,  eigentlich  schon 
zur  rf.  Art  gehörige  Krater  Fig.  179.  Atti- 
scher Meisterhand  entstammt  das  schöne 
und  ausgezeichnet  erhaltene  Gefäß  in  Form 
eines  Frauenkopfes  Fig.  180,  um  480.  Ferner 
Glassachen,  Alabastra,  aus  Elfenbein  die  Ver- 
schlußflügel eines  feinen  Kästchens  Fig.  181, 
ganz  so  wie  wir  uns  manche  der  auf  den 
LokrireHefs  abgebildeten  Kästchen  im  Origi- 
nal vorstellen  müssen.    Gold  nichts,  aus  Sil- 


i63 


Italien   191 4 — 1920. 


164 


ber  einige  Ringe  und  ringförmiger  Ohr- 
schmuck Fig.  182—83,  mehr  aus  Bronze, 
Geräte,  nicht  weniger  als  121  Bronzeschalen 
(Fig.  186),  eine  beträchtliche  Zahl  von  Waf- 
fen aus  Bronze,  jedoch  keine  Schutzwaffen, 
nur  Schwerter,  Dolche,  Messer,  seltene  Lan- 
zenspitzen usw.,  zum  Teil  Formen,  die  noch 
auf  einheimische  Tradition  zurückweisen 
(Suppl.  Taf.  Fig.  187).  Nur  eine  hübsche 
Figur  aus  Bronze  wurde  gefunden,  wohl  Auf- 
satz eines  Gerätes:  eine  frisch  vortretende 
Frau  in  langem  Peplos  mit  Überhang  und 
Stephane,  in  den  vorgestreckten  Händen 
Alabastron  und  Taube  (Fig.  i84;hierAbb.4o). 
Eine  epigraphische  Merkwürdigkeit  in  diesem 


Abb.  40.     Bronze  aus  Medma. 

k'ider  so  schweigsamen  Lande  ist  schließlich 
das  Fußstück  einer  nach  Orsi  sitzend  dar- 
gestellt gewesenen  Frau  (Not.  1917,  Fig.  39), 
auf  deren  Plinthe  in  Reliefbuchstaben  steht, 
linksläufig  und  vermutlich  aus  zwei  getrenn- 
ten Formstücken  gepreßt,  von  denen  jedes 
drei  Buchstaben  umfaßte:  ;v\YSA.?i(D,  also 
4>paau[i....  Orsi  möchte  einen  Genetiv 
<l>pa(jua  oder  Öpaaoa  ergänzen,  im  Hinblick 
auf  den  Abschluß  links,  wo  nach  der  Abbil- 
dung die  Plinthe  zu  Ende  zu  sein  scheint, 
wenn  sie  auch  unregelmäßig  abschließend, 
vielleicht  gebrochen  aussieht,  was  nur  am 
Original  zu  entscheiden.  Nach  dem  Fak- 
simile kann  der  letzte  Buchstabe  nur  ein  M 
sein,  so  daß  die  Schrift  entweder  auf  der 
1.  Seite  weitergeführt  oder  die  Plinthe  nach 
links  noch  länger  gewesen  sein  muß,  so  daß 
neben  der  Frau  noch  eine  zweite  Figur  vor- 
auszusetzen wäre.      Die  erste  Annahme  ist 


die  wahrscheinlichere.  Also,  falls  Nominativ, 
©poKJojii^STj  oder  -r^,  wenn  (D  als  0  genom- 
men werden  darf;  mit  «p  würden  onomato- 
logische  Schwierigkeiten  entstehen,  die  ich 
nicht  zu  überwinden  wüßte.  —  Auch  einen 
Teil  der  Nekropole  Medmas  ist  es  Orsi  ge- 
lungen 2'/a  km  von  Rosarno  selbst,  in  Luft- 
linie aber  nur  einen  starken  km  südlich  vom 
Südrand  des  Plan  delle  Vigne  aufzufinden 
(Not.  1917,  37—67),  so  weit  vom  Ort  ent- 
fernt, weil  die  sumpfigen  Niederungen,  wel- 
che die  Wohnhügelkette  umgeben  und  sie 
sichern,  der  Bestattung  hinderlich  sein  muß- 
ten, auf  einer  Erhebung,  die  schon  prä- 
historische Siedelungsspuren  zeigte.  Was 
ausgegraben  ist,  umfaßt  Gräber  von  der 
Mitte  des  5.  Jahrhunderts  bis  zur  Mitte  des 
4.,  zumeist  Bestattungsgräber  derselben  Art, 
mit  Ziegeln  hergestellt  wie  in  Lokri,  in  etwas 
höheren  Lagen,  aber  darum  nicht  jünger, 
ebensolche  Brandgräber,  von  Orsi  auch  hier 
Ustrina  genannt,  weil  die  Verbrennung  in 
situ  stattfand  (s.  den  Durchschnitt  Not.  1917, 
40,  Fig.  4,  sowie  Fig.  9,  10,  23,  den  Plan 
des  aufgedeckten  Stücks  Fig.  2).  Die  ganze 
Ausstattung  ist  in  Medma  spärlicher  als  in 
der  Mutterstadt,  Metall  tritt  noch  mehr  zu- 
rück, wenn  auch  Spiegel,  Strigeln,  Blei- 
plättchen  u.  a.  vereinzelt  gefunden  sind. 
Hier  wie  in  Lokri  kaum  Fibeln,  also  mehr 
genähte  Gewandung.  Eine  schöne,  von  Orsi 
mit  dem  Kopf  auf  den  Euainetosdekadrach- 
men  verglichene,  vornehm  blickende  Frauen- 
büste zeigt  auf  den  Schultern  Palmetten 
statt  der  Fibeln  (Not.  56,  Fig.  30)-  D'e 
Hauptmenge  der  Beigaben  auch  hier  Terra- 
kotten, darunter  viele  Arule,  meist  über  den 
Gräbern,  also  im  Totenkult  verwendet,  aber 
nicht  mehr  mit  Tierkämpfen,  sondern  mit 
mythologischen  Bildern.  Sonst  sitzende 
Göttinnen,  meist  mit  »Polos«,  einmal  (Fig.  Ii) 
auf  einem  hohen,  polsterbelegten  Schemel, 
mehrfach  die  auch  in  Lokri  vorkommende 
Figur  des  hockenden,  dämonartigen  Tam- 
muz-Adonis  (Fig.  13);  ferner  Puppen  ver- 
schiedener Art,  bacchische  Gestalten  usw. 
Viele  Lampen.  Das  Tongeschirr,  wenn  nicht 
einfachste  einheimische  Ware,  meist  schwarz- 
gefirnißt —  dies  noch  zum  Teil  attisch  — , 
sehr  viel  weniger  attischer  Import  als  selbst 
in  Lokri,  keine  attischen  sf.  oder  rf.  Vasen, 
auch  keine  einzige  attische  Lekythos;    ver- 


i65 


Italien   1914— 1920. 


166 


einzelt  das  Stück  eines  apulischen  Fisch- 
tellers (Fig.  31),  wie  auch  einmal  in  Lokri 
Not.  1917,  118,  Grab  1345.  Auch  hier 
Astragale,  aber  nicht  in  so  großen  Mengen 
wie  in  Lokri.  —  Eine  andere  wichtige  Ent- 
deckung ist  Orsi  geglückt  durch  die  Fest- 
stellung des  früher  verkehrt  angesetzten 
Kaulonia,  dessen  schöne  Münzprägung 
allerdings  die  Erwartungen  etwas  überspannt 
haben  mag,  die  man  auf  die  Wiederent- 
deckung der  Stadt  geglaubt  hat  setzen  zu 
können.  Die  mit  dem  Spaten  nunmehr  end- 
gültig bewiesene  Lage  Kaulonias  auf  dem 
Hügel  des  Capo  Stilo  war  von  Orsi  schon 
Not.  1891,  61  —  72  und  1909,  327—30  in 
hohem  Grade  wahrscheinlich  gemacht.  Die 
Grabungen  1912,  1913  und  1915  geben  uns 
jetzt  ein  vollständiges  und  klares  Bild  jener 
achäischen  Kleinstadt,  die,  als  südlichster 
Vorposten  Krotons  gegründet,  durch  das 
entgegenstehende  Lokri  eingeengt,  nur  eine 
bescheidene  Existenz  hat  führen  können. 
Der  ausführliche,  von  18  Tafeln  und  182 
Textabbildungen  begleitete  Text  ML.  XXIII 
1914,  685—944  gibt  zuerst  eine  Darstellung 
der  Geschichte  Kaulonias  durch  De  Sanctis, 
dann  von  Orsis  Meisterhand  eine  vorzügliche 
topographische  Schilderung  mit  ausgezeich- 
neter Karte  des  Stadtgebiets,  alsdann  ein 
Bild  der  Anlage,  besonders  der  sorgsamen 
Befestigungen  mit  ihren  sorgsam  erwogenen 
Anpassungen  ans  Gelände,  ihren  Toren  und 
viereckigen  Türmen,  wertvoll  für  unsere  Vor- 
stellung von  griechischen  Verteidigungsbau- 
ten älterer  Zeit  und  ihrer  dreifachen  Er- 
weiterung, namentlich  solange  wir  auf  ähn- 
liches von  der  Mutterstadt  Kroton  selbst, 
von  Sybaris  oder  andern  großgriechischen 
Städten  noch  warten  müssen;  nur  Schleu- 
nings  Bearbeitung  Velias  bot  in  bescheide- 
nem Maße  als  Ergebnis  anspruchsloser  Ober- 
flächenuntersuchung (Jahrb.  IV,  1889)  — 
denn  auch  die  Puchsteinsche  Bearbeitung 
Paestums  ruht  vergessen  — ,  was  wir  von 
Orsi  jetzt  mit  allen  Mitteln  modern  geführter 
Forscherarbeit  uns  vor  Augen  gestellt  sehen. 
Überraschend  an  so  alten  Bauten,  z.  B.  den 
wohl  ins  7.  oder  frühe  6.  Jahrhundert  ge- 
hörenden Türmen,  die  reichliche  Anwendung 
weißen  Kalkes  auch  zum  Schließen  der  Fu- 
gen, wenigstens  an  den  Sockeln,  während 
auch  da,  wo  die  hier  schwer  erhältlichen  Hau- 


steinquadern fehlen  mußten,  namentlich  im 
aus  unregelmäßigen  Kalksteinstücken  herge- 
stellten und  meist  mit  Gußwerk  gefüllten 
Oberbau,  gerade  dies  Material  zur  Verwen- 
dung besonders  kräftig  bindenden  Mörtels 
erziehen  mußte,  aber  auch  zu  großer  Sorg- 
falt im  Bauen.  Der  Zug  der  Mauer,  nur  an 
der  Meerseite  lückenhaft,  ist  festgestellt  und 
damit  der  Stadtumfang.  Sie  läuft  auf  der 
Krone  einer  Bergrippe  hin,  welche  hier  ganz 
ähnlich  wie  in  Veha  oder  Akragas  die  Siche- 
rung nach  der  Landseite  bot;  auf  ihrer  Höhe 
ein  längliches  Plateau,  das  sich  zur.Akropolis 
eignete,  die  »Piazzetta«;  mit  drei  Zungen 
in  die  schmale  Küstenebene  vorgreifend, 
bietet  dieser  Bergzug  mit  seinen  Abdachun- 
gen und  die  schmale  Küstenebene,  aus  der 
sich  wieder  dem  Meere  nahe  ein  isolierter 
Hügel,  der  heute  den  Leuchtturm  von  Cap 
Stilo  trägt,  erhebt,  für  eine  kleine  städtische 
Siedelung  geeigneten  Platz,  der  sich  in  der 
Ebene  nach  Nord  und  Süd  bei  Erweiterun- 
gen, die  allerdings  zweimal  stattgefunden 
haben  müssen,  ausdehnen  ließ.  Die  Unter- 
suchungen auf  dem  Leuchtturmhügel  erga- 
ben dort  die  Spurerf  eines  kleineren  Heilig- 
tums, von  dem  allerlei  architektonische  Ter- 
rakotten stammen,  für  dessen  Votivgaben- 
fülle  namentlich  die  ganz  außerordentliche 
Menge  jener  kleinen  Arule  sprechen,  die  wie 
in  Lokri  undMedma  in  den  Gräbern  und  über 
ihnen,  so  hier  um  die  Heiligtümer  und  auch 
als  Hausaltäre  in  den  Häuserresten  gefunden 
wurden,  die  in  ziemhcher  Menge  rings  um 
jenes  Heiligtum  erkennbar  waren,  bei  letzte- 
rem durchweg  archaische,  also  meistens 
Tierkämpfe,  ebenso  in  den  Häusern,  die 
selbst  jedoch  in  spätere  Zeiten  wiesen,  so 
daß  Orsi  geneigt  ist,  jüngere  Häuser  über 
einer  älteren  Schicht  anzunehmen,  aus  wel- 
cher sich  die  kleinen  Altärchen  entweder  zu- 
fällig in  Tieflagen  noch  fanden,  oder  aber 
wenn  auch  alle  aus  dem  6.-5.  Jahrhundert 
stammend,  doch  später  noch  benutzt  worden 
seien.  Außer  den  von  Orsi  noch  gesehenen 
und  zum  großen  Teile  abgebildeten  und  auch 
bei  van  Buren,  Memoirs  of  the  Americ.  Acad. 
in  Rome  II  notierten  Altärchen  sind  leider 
große  Mengen  unkontroUiert  von  hier  und 
andern  Punkten  Kaulonias  durch  früheren 
Raubbau  in  Händlerhände  verschwunden; 
i  namentlich  ein  Ingenieur  Ernesto  Piagnoni 


i6y 


Italien   19 14 — 1920. 


168 


von  Mailand  wird  von  Orsi  gebrandmarkt. 
Immerhin  ist  es  noch  gelungen,  eine  be- 
trächtUche  Anzahl  für  die  Museen  von  Co- 
trone  und  Reggio  zu  retten.  Die  architekto- 
nisch wichtigste  Entdeckung  jedoch  war  auf 
einem  Dünenpunkt  nahe  der  Küste,  aber 
innerhalb  des  Mauerringes  ein  großer  dori- 
scher Tempel  des  5.  Jahrhunderts,  hart  am  , 
Meer  wie  in  Lokri,  Lakinion,  mit  ähnlicher 
Absicht  auch  wohl  auf  dem  Südrand  des 
Stadtplateaus  von  Akragas,  an  der  hafen-  ; 
losen  Küste  eine  gute  Anseglungsmarke  für 
die  Schiffer,  aber  eben  durch  solche  Lage  1 
auch  bequemer  Zerstörung  und  Material- 
beraubung derartig  ausgesetzt,  daß  von  dem 
vermutlich  durch  Erdbeben  umgeworfnen 
Bau  über  der  Erde  wohl  schon  seit  Jahr-  , 
hunderten  nichts  mehr  sichtbar  war,  ob- 
schon  die  mittelalterlich  griechische  Orts-  i 
bezeichnung  Stilo,  Stylida  auf  damals  noch  | 
stehende  Säulen  hiaweist.  In  zweijähriger 
angestrengter  Arbeit  wurde  der  große  Ste- 
reobat freigelegt  und  aus  teilweise  verzwei- 
felt zertrümmerten  Bruchstücken  der  Ober- 
bau mit  großem  Scharfsinn  soweit  klar- 
gestellt, daß  die  Einordnung  des  Baues  in 
das  System  der  großgriechischen  Tempel  mit 
voller  Sicherheit  vollzogen  werden  kann. 
Der  Unterbau  bestand  aus  einheimischem 
Sandstein,  großen  Quadern,  der  Oberbau, 
auch  die  Säulen,  aus  wahrscheinlich  syra- 
kusanischem  weißen  Kalkstein,  -  das  Dach 
aus  Marmor,  die  Simen  merkwürdigerweise 
aus  Ton.  Der  Grundriß  ist  der  Normal- 
grundriß des  unteritalischen  dorischen  Tem- 
pels. Eine  Fülle  sorgsamster  Pläne,  Detail- 
aufnahmen mit  Zeichenstift  und  im  Licht- 
bild setzen  den  Leser  in  den  Stand,  sich  ein 
wissenschaftlich  genaues  Bild  von  diesem 
einzig  entdeckten  und  überhaupt  wohl  einzi- 
gen großen  Tempel  der  Stadt  zu  machen, 
dessen  ungemein  solide  und  sorgfältige, 
durchweg  ohne  Bindemittel  ausgeführte  Ar- 
beit augenscheinlich  Rücksicht  nahm  auf  die 
Erdbebengefährdung  dieses  Landstrichs. 
Zahlreiche  Steinmetzzeichen  sind  Fig.  85  zu- 
sammengestellt, ihre  mehrfach  noch  archai- 
sche Gestalt  stimmt  gut  zur  Ansetzung  in 
die  erste  Hälfte  des  5.  Jahrhunderts.  Die 
spärlichen  Einzelfunde  ergaben  leider  keinen 
Anhalt,  um  den  göttlichen  Eigentümer  zu 
benennen.      Daß   die   Münzen   auf  Apollon 


als  den  Hauptgott  der  Stadt  führen,  sagt 
Orsi  mit  Recht.  Der  Tempel  lag  auf  der 
höchsten,  wenn  auch  immer  noch  niedrigen 
Erhebung  der  Düne,  nur  12  m  landsei  ts  der 
Stadtmauer,  so  daß  nach  vorn  —  er  ist 
nach  Ost  orientiert  —  für  den  zu  erwarten- 
den Altar  kaum  Platz  war.  Er  ist  auch  nicht 
gefunden.  So  hat  man  denn  um  den  Tempel 
sich  bemüht  einen  geebneten  Platz  zu  schaf- 
fen, um  größeren  Ansammlungen  von  An- 
dächtigen und  der  Aufstellung  von  Weih- 
geschenken Raum  zu  geben.  Also  die  ört- 
lichen Verhältnisse  gleichartig  denen  am  La- 
kinion. Nördlich  setzte  sich  dieser  Platz 
noch  auf  tieferem  Niveau  fort,  mit  dem  eine 
Freitreppe  längs  der  ganzen  Langseite  des 
Tempels  und  hernach  im  rechten  Winkel 
sich  noch  weiter  nach  Norden  hinziehend 
die  Verbindung  herstellte.  Eine  Anzahl  von 
Weihgeschenkträgern,  teils  Säulen,  teils  Pfei- 
ler und  Blöcke,  sind  noch  gefunden  und 
sorgsam  aufgenommen.  Sie  verraten  junge 
Zeit,  sind  ärmlich,  wie  nach  der  für  die 
Stadt  verhängnisvollen  Einnahme  durch  Di- 
onysios  389  kaum  anders  zu  erwarten.  Auch 
was  an  Resten  von  Weihegaben  sich  noch 
fand,  ist  spärlich,  alte  Dinge,  z.  B.  ein  ko- 
rinthisches Alabastron  (Fig.  135)  oder  eine 
Kora  (Fig.  137),  eine  sitzende  Sphinx  (Fig. 
136),  ein  paar  Bruchstücke  von  Arule  (Fig. 
138)  sind  selten.  Unter  den  wenigen  Metall- 
sachen ist  eine  Mittel-Latfenefibel  wohl  das 
jüngste  Stück.  Orsi  hat,  bis  jetzt  wenigstens, 
vergeblich  gesucht  nach  Favissen,  in  Hoff- 
nung auf  ähnliche  Schätze,  wie  sie  ihm  Lokri 
beschert  hat.  Ein  Bild  des  Straßennetzes 
zu  gewinnen  war  Orsi  noch  nicht  beschieden. 
Einige  hellenistische  Häuser,  getrennt  durch 
enge  Amphodoi,  sind  so  angelegt,  daß  man 
auf  ein  regelmäßiges  Netz  schließen  mag 
(Taf.  VIII);  die  paar  Häuser,  ärmlich  wie 
alles  spätere  in  Kaulonia,  sind  in  der  orts- 
übhchen  Weise  aus  kleinen  Steinen,  Ziegel- 
brocken usw.  mit  viel  Aufwand  von  schlech- 
tem Mörtel  gebaut,  nur  für  die  Ecken  sind 
größere  quaderartige  Blöcke  verwendet  (Fig. 
68),  gerade  wie  bei  der  Stadtmauer.  Von 
Schmuck  keine  Spur,  ebensowenig  von  kunst- 
voller Wasserversorgung,  womit  es  in  Kau- 
lonia überhaupt  traurig  aussah;  nur  einige 
Brunnen  bzw.  Zisternen  sind  gefunden.  Der 
einfache  Aufbau  einer  Megaronfront  Fig.  70 


i69 


Italien  1914 — 1920, 


170 


ist  gewiß  zutreffend.  Von  älteren  Siedelun- 
gen unter  den  späteren  Häusern  geben  proto- 
korinthische  Scherben  Fig.  "JT,  Reste  be- 
sonders alter  Arule  u.  a.  eine  Ahnung.  — 
Die  Nekropolen  sind  etwa  vom  7.  bis  zum 
3.  Jahrhundert  zu  verfolgen,  durchweg  ärm- 
lich, äußerlich  den  Ziegelgräbern  von  Lokri 
und  Medma  vergleichbar,  auch  hier  ohne 
Stelen  oder  dgl.  Kennzeichen,  vielfach  so 
nahe  unter  dem  Boden,  daß  sie,  wie  ich  es 
ebenso  vor  Kroton  bergwärts  beobachtet 
habe,  oftrnals  heute  bloßgedeckt  daliegen. 
Orsi  glaubt  eine  Unterbrechung  nach  den 
ernsten  Ereignissen  des  Jahres  389  annehmen 
zu  müssen.  Auffällig  groß  ist  wieder  die  Zahl 
der  Arule;  auch  einige  hellenistische  Terra- 
kotten von  Interesse  haben  sich  gefunden. 
Attischer  Vasenimport  mit  Ausnahme  einiger 
ärmlicher  sf.  Stücke  des  6.  Jahrhunderts 
fehlt,  bis  jetzt  wenigstens:  nur  139  Gräber 
sind  gefunden  und  die  Möglichkeit  offen,  daß 
in  andern  Punkten  vor  der  Stadt  sich  noch 
anders  ausgestattete  finden.  Bronzen,  Edel- 
metall, Terrakotten  von  Belang  fehlen  voll- 
ständig. Nur  zahlreiche  Astragale  auch 
hier.  Die  große  Mehrzahl  aller  Gräber  haben 
ganze  Leichen  aufgenommen;  die  Brand- 
gräber sind  Ausnahme;  auch  hier  nirgends 
Aschenbehälter;  die  Leichen  am  Ort  ver- 
brannt, mitunter  sehr  unvollständig.  Viele 
Krug-  oder  Topfgräber  für  Kinder.  Auf- 
fällig, daß  die  meisten  solcher  Töpfe  noch 
starke  Spuren  profaner  Benutzung  zeigen. 
Von  der  Mitte  des  3,  Jahrhunderts  ab,  also 
noch  vor  der  Kannibalischen  Zeit,  beginnt 
das  große  Totenschweigen  Großgriechenlands 
sich  auch  über  diese  Stätte  zu  legen,  die 
Strabon  als  verödet  bezeichnet.  —  Eine  an- 
dere schöne  Stadtentdeckung  glückte  Orsi 
mit  Nuceria  (Not.  1916,  335  —  62),  das  er 
fand  auf  seiner  schon  langen  Suche  nach 
Temesa,  das  auch  in  jener  Gegend  gelegen 
haben  muß  (336,  357  ff.).  Unweit  Nocera 
Tirinese  —  wo  Kiepert  u.  a.  unrichtig  Terina 
suchten  — ,  das  in  der  Sarazenenzeit  auf 
eine  sichere  Höhe,  später  auf  seine  jetzige 
abwanderte  und  den  Namen  mitnahm,  wie 
die  Ithakesier,  als  sie  von  Leukas  nach 
Ithaka  flüchteten,  erhob  sich  auf  einem  Hü- 
gel zwischen  dem  Savuto,  durch  dessen  Tal 
die  wichtigste  Verbindung  von  der  Tyrrhener 
Küste  hinüber  ins  Krathistal  nach  Cosenza 


geht,  und  dem  Fiume  grande,  die  kleine  Stadt, 
ohne  Hafen,  mit  versumpfter  Flußmündung, 
wohl  getragen  durch  den  noch  ungenügend 
untersuchten  Metallreichtum  der  Berge  und 
i  die  topographisch-strategisch  wichtige  Lage. 
Kein  gutes  Baumaterial,  durch  Kalkmörtel 
gebundene  Stadtmauern,  Quadern  mit  Ver- 
stärkungen von  innen,  besser  gebaut  wie  die 
;  von  Kaulonia.     Keine  Türme,  nur  Pforten. 
Eine  gute  Tonrohrleitung,  zum  Teil  Druck- 
leitung, innerhalb  der  Stadt  auch  Bleirohre, 
brachte    das  Wasser;     Kloaken,    Hausreste, 
mit  trotz  der  allgemeinen  Ärmlichkeit  ge- 
legentlichen Hausbädern  wie  auch  in  Kau- 
lonia;   an  Fundstücken  nichts  vom   5.— 4- 
Jahrhundert,  älteres  erst  recht  nicht.     Das 
Geschirr  hellenistisch-römisch,  darunter  are- 
tinisches,  auch  Glas.    Keine  griechischen  be- 
malten Vasen,  keine  Terrakotten,  keine  Mün- 
zen.   Innerhalb  der  Mauern  eine  ganz  kleine 
ärmliche  Nekropole,  also  für  einen  kleinen 
übrig  gebliebenen  Bewohnerrest.    Weiterhin 
jedoch  Zeichen  älterer  Gräber,  sogar  gold- 
gefaßte  Skarabäen  von  drei  verschiedenen 
Fundorten.    Auch    einiges    »Prähistorische« 
fand  sich  in  der  Umgegend,  so  ein  Bronze- 
kurzschwert aus  def  älteren  Bronzezeit,  das 
I  erste  der  Art  in  diesen  Gegenden.    Die  Zeit 
der  Stadt,  wie  die  Grabungen  von  1913  — 16 
'  sie  ermittelt  haben,  stimmtmitihrerins4.— 3- 
Jahrhundert  weisenden   Prägung.  —  Auch 
in  Rhegion  setzt  seit  1913  planmäßige  Ar- 
beit an,  seit  endlich  ein  fachmännischer  Mu- 
seumsleiter, Putortl,  dort  fruchtreich  tätig  ist 
i  und  mit  Orsi,  dem  Sopraintendenten  auch  für 
'  das  Bruttierland,  schön  Hand  in  Hand  ar- 
■  beitet.    Zusammenwirken  von  Staat  und  Ge- 
j  meinde  hat  bedeutende  Stücke   der  Stadt- 
\  mauer  zur  Aufdeckung  gebracht,  deren  Ver- 
'  öffentlichungnoch aussteht  (Orsi,ML.XXIII, 
769,  774—75);  manche  andere  Überraschung 
wird  folgen,  je  mehr  die  rührige  Stadt  die 
Zerstörungen  des  großen  Erdbebens  von  1908 
I  zu  überwinden  oder  auch  nützlich  auszuge- 
I  stalten  begonnen  hat.    Erwähnt  sei,  daß  die 
I  merkwürdige    archaische    Tonmetope    Not. 
i   1886,  243  durch  Orsis  Eingreifen  gründlicher 
}  Reinigung  unterzogen  wurde  und  dabei  wert- 
!  volle  ornamentale  und  trachtgeschichtliche 
i  Einzelheiten  herauskamen  (ML.  XXV,  634, 
1  3),    ferner   die   Auffindung   vier   rhodischer 
'  Scherben  im  Vicolo  Griso-Laboccetta,  also  in 


171 


Italien  1914 — 1920. 


172 


der  Nähe  eines  sakralen  und  alten  Mittel- 
punktes der  Stadt  (Not.  1914,  209—11, 
Fig.   1-2). 

In  Sizilien  knüpfen  sich  die  Fortschritte 
wesentlich  an  die  Namen  Orsis  und  Gabricis. 
Einen  nützlichen  -Überblick  über  Sizilien 
überhaupt,  bis  191 7,  gibt  Biagio  Pace,  Arti 
ed  Artisti  della  Sicilia  antica,  1917,  4  Tafeln 
und  93  Textabbildungen,  Memorie  della  Acc. 
dei  Lincei  Cl.  sc.  mor.  XV,  469—628.  Das 
gut  und  knapp,  ja  mitunter,  so  bei  Behand- 
lung der  doch  so  dankbaren  Münzen,  zu 
knapp  geschriebene  Buch  behandelt  nach 
einer  Einleitung  Architektur,  Plastik,  Male- 
rei und  Kleinkunst  nacheinander,  gibt  eine 
Schlußzusammenfassung  und  bespricht  in 
drei  Appendici  die  Aktaionauffassung  der 
Metope  des  Tempels  E  in  Selinus,  die  Ikono- 
graphie der  sizilischen  Tyrannen  und  die 
literarisch  oder  inschriftlich  überlieferten 
sizilischen  Denkmäler  in  Olympia,  Delphi, 
Delos  und  Lindos  sowie  schließlich  den 
Bronzewidder  aus  Syrakus  im  Museum  von 
Palermo.  Als  erster  Versuch,  die  antike 
Kunstgeschichte  der  Insel  aufzubauen,  ist 
die  Arbeit  mit  Dankbarkeit  zu  begrüßen, 
wenn  man  ihr  auch  wünschen  möchte, 
daß  es  einer  Neubearbeitung  beschieden 
wäre,  auch  die  mit  Sizilien  so  eng  ver- 
knüpfte Kunst  des  Brettierlandes  und  den 
Widerhall  Siziliens  im  benachbarten  Kar- 
thago einzubeziehen.  Zahlreiche  Denkmäler 
namentlich  der  Plastik  in  Ton,  Stein  und 
Bronze  sind  zum  erstenmal  überhaupt  oder 
wenigstens  leidlich  brauchbar  veröffentlicht, 
manche  durchaus  gut,  andere  durch  mangel- 
haften Abdruck  der  Klischees  beeinträchtigt. 
Ich  nenne  Fig.  10  ein  archaisches  Relief, 
^rtemis  mit  Bogen,  im  langen  Peplos,  aus 
Selinus,  Fig.  II  den  nicht,  wie  zu  Arndt, 
Bruckmann,  EV.  752—53  bemerkt,  aus  Li- 
byen, sondern  aus  dem  Fondo  Laianello  bei 
der  Kyane,  Anapostal,  stammenden  archai- 
schen Fräuenkopf,  Fig.  17  die  Arula,  Stier 
und  Löwe,  in  Palermo  sowie,  auch  in  Pa- 
lermo, Fig.  23,  die  erste  photographische 
Wiedergabe  der  Arula  mit  Quadriga  aus  Se- 
linus, die  mit  der  Metope  des  Tempels  C  oft 
zusammen  genannt  wird,  Fig.  32  —  33  Proto- 
mai  aus  Megara  sowie  die  gleichen  Terra- 
kotta- und  Marmorköpfe  von  Syrakus,  die 
auch  Orsi  Ausonia  VIII,   64,   Fig.    II;    65, 


Fig.  10  veröffentlicht.  Bei  manchen  dieser 
Stücke  werden  von  Pace  mit  Glück  rhodi- 
sche  Beziehungen  wahrscheinlich  gemacht. 
F'g-  39  gibt  die  auch  Ausonia  VIII,  68, 
Fig.  13,  14  von  Orsi  veröffentlichte  wichtige 
kopflose  Peplosstatue  in  Syrakus,  Fig.  61 
endlich  einmal  in  leider  schlechter  Photo- 
graphie (s.  auch  Brogi  16  016—20)  eine  jener 
merkwürdigen  weiblichen  aus  dem  Fels  ge- 
hauenen Sitzbilder  (»Santoni«)  von  Akrai. 
Zu  diesen  Textwiedergaben  von  Werken  der 
Großplastik  kommen  auf  Taf.  I  das  Kalk- 
steinrelief mit  derrt  Frauenraub  aus  dem 
Temenos  der  Westnekropole  von  SeHnus  (der 
auf  derselben  Tafel  reproduzierte,  so  eigen- 
artige pathetische  Gigantenoberkörper  aus 
dem  Apollontempel  ist  freilich  viel  besser  zu 
würdigen  in  der  alten  Wiedergabe  im  Bull, 
di  Sicilia  IV,  1871,  Taf.  IV),  auf  Taf.  II 
eine  Arula  aus  Selinus,  die  die  Zurückhaltung 
eines  nach  rechts  fliehenden  Jünglings  durch 
eine  ihm  nacheilende  Göttin  zeigt,  nach  Pace 
vielleicht  ein  Nachklang  einer  der  verlorenen 
Gigantomachiemetopen  des  Tempels  F,  also 
ein  Verhältnis  wie  die  Quadrigaarula  zur 
Metope  des  Tempels  C,  ein  im  Kunsthand- 
werk einer  so  abgesondert  liegenden  Stadt 
wohl  denkbarer  Vorgang.  Dieselbe  Tafel 
gibt  den  bisher  nur  durch  die  bescheidene 
Zeichnung  Not.  1894,  Fig.  I  bekannten  zeus- 
artigen Marmorkopf  aus  dem  Gaggerateme- 
nos,  nächst  vergleichbar  mit  dem  Zeus  der 
Idaszene  auf  der  Metope  des  Tempels  E,  in 
freilich  schlechter  Profilaufnahme,  sowie  einen 
Poroskopf  einer  der  Westmetopen  des  Tem- 
pels C,  der  bisher  nur  völlig  ungenügend 
durch  Serradifalco  bekannt  war.  Taf.  III 
bildet  die  auf  dem  greifengetragenen  Thron 
sitzende  kopflose  Porosgöttin  aus  Solus  ab, 
Taf.  IV  den  hohe  Götterkunst  des  5.  Jahr- 
hunderts spiegelnden  wundervollen  Terra- 
kottakopf, »polos «beschwert,  einer  den  ersten 
Münzköpferi  des  Kimon  verwandten  Göttin 
aus  Akragas  im  Museum  von  Syrakus,  erst- 
malig herausgegeben  und  richtig  beurteilt 
von  Rizzo,  Ost.  Jahresh.  XIII,  1910,  Taf.  I. 
Fig.  62  gibt  eine  Reihe  anmutiger  Solunter 
Terrakotten  in  Palermo,  Fig.  66  wiederholt 
die  von  Orsi  Ausonia  VIII,  73,  Fig.  15 
edierte  Prajiitelische  Gestalt  eines  gelagerten 
nackten  Jünglings,  Fig.  70— -71  junghelle- 
nistische,   jedoch    stark   einheimisch    umge- 


173 


Italien  1914 — 1920. 


174 


Abb.  41.     Vasenbruchstück  aus  Kenturipe. 


formte  Terrakotten  aus  den  Museen  von 
Syrakus  und  Palermo,  Fig.  69  gibt  eine 
erstmalige  photographische  Wiedergabe  des 
guten  Musensarkophags  inj  der  Krypta  des 
Doms  von  Palermo.  Fig.  72  publiziert  ein 
Exemplar  aus  der  leider  noch  so  wenig  be- 
kanntgewordenen eigenartigen  Reihe  der  ge- 
malten punischen  Grabstelen  aus  Lilybaion 
in  Palermo.  Einige  spätsikulische  Vasen  mit 
geometrisch-figürlichem  Schmuck  aus  Le- 
ontinoi:  Fig.  82—86.  Aus  seiner  verdienst- 
lichen Veröffentlichung  Ausonia  VIII,  29, 
Fig.  2  und  30,  Fig.  3  wiederholt  Pace  Fig.  87 
und  73  höchst  interessante  reliefierte  und 
bemalte  Gefäi3e  aus  Kenturipe  (hier  Abb.  41). 
Fig.  75  —  78  gibt  hellenistische  Goldschmuck- 
stückeaus der  Sammlung  Vagliasindi  in  Ran- 
dazzound  dem  Museum  von  Syrakus,  Fig.  79 
die  bronzenen  Verkleidungsstücke  lederner 
Gürtel  aus  dem  großen  Bronzefund  von  Men- 
dolito-Adernö,  die  Orsi  Ausonia  VIII,  55, 
Fig.  4  bekanntmachte,  um  mit  ihrer  Hilfe 
den  Gürtel  des  von  ihm  ebenda  S.  53,  Fig.  3 
veröffentlichten  ebenso  eindrucksvollen  wie 
in  jeder  Hinsicht  barbarischen  bronzenen  Si- 
kulers(hier  Abb.  42)  zu  erklären,  freilich  mit 
dem  überraschenden  Zusatz,  dai3  er  in  den 
Sikulergräbern  dieser  späten  Zeit,  7-  — 5-  Jahr- 
hundert, solche  Gürtelnoch  nie  gefundenhabe. 
Auch  auf  die  rohen  Sikulerfiguren  aus  dem 
Binnenlande  Ostsiziliens,  den  nackten  Mann 


Ausonia  57,  Fig.  5  und  die  Zweifiguren- 
gruppen 58,  Fig.  6  und  59,  Fig.  7  sei  bei 
dieser  Gelegenheit  hingewiesen.  Sie  zeigen 
überraschend,  welch  eine  tiefe  Kluft  auch 
noch  im  6.-5.  Jahrhundert  zwischen  grie- 
chischem und  siku4ischem  Können  und 
Kunstempfinden  herrschte.  Denn  aus  dem- 
selben Adernö  stammt  der  wundervolle 
idolinoartige,  an  die  Zeit  und  Kunst  des 
Myron,  Pythagoras,  Kaiamis  gemahnende 
Bronzeephebe,  den  Orsi  Ausonia  VIII, 44 — 52 
vorzüglich  behandeltund  Fig.  i  —  2  abgebildet. 


Abb.  42.     Bronzestatuette  eines  Sikulers 
aus  Aderno. 


175 


Italien  19 14 — 1920. 


176 


Pace  Fig.  41  wiederholt  hat  (unsere  Abb.  43). 
Schließhch  seien  noch  ein  paar  korinthisch- 
römische  Kapitelle  genannt,  aus  Palermo, 
Monreale,  Syrakus,  Fig.  5 — 7.  —  Einen  hüb- 
schen, raschen  Überblick,  herabgeführt  bis  in 
die  Gegenwart,  bietet  Orsi  mit  dem  Kapitel 
»L'Arte  in  Sicilia  attraverso  i  secoli«  in 
der  Guida  d'Italia  des  Touring  Club  italiano, 
Mailand,  Capriolo  e  Massimino  1919  (auch 
im  Sonderdruck).  —  Die  Grabungen  des 
Jahres  1910  hatten  für  die  protosikelische 
Station  von  Stentinello  unmittelbar  nörd- 
lich' der  Syrakusaner  Terrasse  elliptische 
Gestalt  und  Umschließung  durch  einen  Gra- 


167 — 91),  den  Wohnort  und  die  Gräber  zu 
finden,  auch  hier  bis  zu  200  Skelette  in 
einem  Grabe:  Not.  1920,  333 — 35.  —  Cafici 
veröffentlicht  (ML.  XXIII,  485—538,  tav. 
I— VI,  mit  52  Textabb.)  eine  sorgsame 
Untersuchung  zweier  Siedelungsplätze, 
■  Trefontanel  und  Poggio  rosso,  'der 
eine  nördlich,  der  ^andere  südlich  des 
Simeto,  beide  nahe  Paterno.  Nur  in  der 
zweiten  sind  Hüttenböden  gefunden,  auch 
ein  mit  platten  Kieseln  gepflasterter  Platz, 
der  mit  gebrannter  Tonerde  überdeckt  war. 
Auch  zum  Decken  der  Hüttenwände  dienten 
gebrannte  Tonerdeplacken,  von  denen  Stücke 


Abb.  43.     Bronzestatuettc  aus  Ademo. 


ben  festgestellt;  die  von  Orsi  bereits  Not. 
1912,  357  in  Aussicht  genommenen  weiteren 
Untersuchungen  haben,  wenn  auch  immer 
noch  nicht  die  sehnlich  erwarteten  Gräber 
dieser  Leute,  im  Innern  eine  Pfiasterstraße 
erwiesen  und  dadurch  Stentinello  mit  der  in 
Cannatello  an  der  Südküste  und  Poggio 
rosso  am  Simeto  (s.  u.)  klargelegten  Siede- 
ln ngsform  verknüpft  (Not.  191 5,  209).  —  Für 
eine  bei  Comiso  entdeckte  Sikulernekropole 
verweist  Orsi  Not.  1915,  214  auf  eine  m.  W. 
noch  nicht  erschienene  Sonderbehandlung  Pa- 
ces.  — Nach  langemSuchen  ist  es  Orsi  geglückt, 
zu  den  Leuten,  die  im  Monte  Tabuto  die 
merkwürdigen  Minengänge  auf  Feuerstein- 
gewinnung gegraben  haben  (Bull.  pal.  1898. 


festgestellt  wurden.  Wie  in  Stentinello  und 
Matrensa  fehlen  auch  hier  bis  jetzt  Gräber, 
die  in  weichem  Boden  gewesen,  sein  müssen. 
In  beiden  Stationen  fand  sich  viel  Basalt, 
Quarzit,  Feuerstein,  Obsidian,  dieser  in  Tre- 
fontane  reichlicher,  seltener  in  Poggio  rosso; 
Auch  viel  Pectunculusmuscheln.  Während 
diese  Steinformen  viel  primitiver  anmuten 
als  auf  dem  Festland,  manches  noch  fast 
paläolithisch  aussieht,  ist  die  Keramik  ent- 
wickelter, in  Trefontane  schon  viel  glänzend 
rote  Ware,  wozu  Farbenreiber  gefunden  wur- 
den, viel  weniger  in  Poggio  rosso,  nur  zwei 
Stücke  bis  jetzt  in  Stentinello.  In  Tre- 
fontane setzt  farbige  Keramik  ein,  auf  ge- 
meinsamen Ausgangspunkt  mit  Pulo  di  Mol- 


177 


Italien  1914 — 1930. 


178 


fetta,  Matera,  Thessalien  weisend,  in  Poggio 
rosso  fehlt  sie  noch;  dagegen  zeigt  dieses 
sehr  reichhaltige  Preßtechnik  in  oft  kom- 
plizierten, zum  Teil  der  Natur  entlehnten 
Formen  und  reichlicherer  Ausfüllung  mit 
Weiß  als  in  Trefontane.  Im  allgemeinen  ist 
das  wohl  etwas  jüngere  Trefontane  Binde- 
glied zwischen  der  in  Stentinello-Matrensa 
uns  schon  früher  entgegengetretenen  Kultur- 
stufe und  der  Sikulerperiode  Orsi  I;  auch 
werfen  diese  Stationen  etwas  Licht  auf  das 
noch  vielfach  unklare  Verhältnis  zu  West- 
sizilien —  Villafrati-Moarda  — ,  allerdings 
mehr  im  Sinne  der  Gleichzeitigkeit,  so  schon 
früher  Orsi,  als  des  Nacheinander,  wie  Pect 
meint.  Immerhin  mag  die  Entwicklung 
sehr  langsam  vor  sich  gegangen  sein.  Eine 
dritte  Station  dieser  Zeit,  in  contrada  Ca- 
faro,  halbwegs  zwischen  Trefontane  und 
Poggio  rosso  ist  in  Sicht  (ML.  536,  i).  Über- 
haupt ist  aus  dieser  für  Frühkultur  mehr 
wie  andere  lockenden  Gegend  noch  viel  zu 
erwarten,  wenn  nur,  weil  im  Talboden,  die 
Siedelungsreste  nicht  so  schwer  zu  finden 
wären.  —  Endlich  beginnt  es  nunmehr  auch 
im  früher  Orsis  Jurisdiktion  entzogenen 
Nordostwinkel  der  Insel  für  die  alten  Zeiten 
lichter  zu  werden,  für  die  Anknüpfung  zum 
Festland  natürlich  von  größter  Wichtigkeit. 
Über  eine  kleine  Sikulernekropole  Orsi  III 
bei  Pozzo  di  Gotto  unweit  Castroreale 
berichtet  Orsi  Bull,  di  pal.  XLI,  1916,  71—84. 
Während  Bronzestücke  bereits  Spuren  der 
Berührung  z.  B.  mit  dem  griechischen  Me- 
gara  zeigen,  ist  die  Keramik  von  Griechi- 
schem noch  unbeeinflußt.  Höchst  sonderbar 
klingt  der  Fund  einer  an  die  Villanovaform 
anklingenden  Urne  mit  einer  kleinen  Hand- 
voll Asche,  welche  nach  einer  Untersuchung 
im  Museo  antropologico  in  Florenz  von 
Leichenbrand  herrühren  soll.  Das  wäre  der 
erste  Fall  von  Brandbestattung  in  der  ganzen 
Sikulerkultur,  daher  zunächst  mit  großer 
Vorsicht  aufzunehmen.  —  Ferner  sind  Si- 
kulergräber  gefunden  auf  dem  Hochplateau 
von  Cocolomazzo  zwischen  Mola  und  der 
Akropolis  von  Taormina,  auch  Orsi  III, 
ärmlich,  aber  doch  ein  Beweis,  daß  die  auf 
der  Landspitze  von  Naxos  sich  festsetzenden 
Hellenen  mit  nahen  Landeseinwohnern  sich 
friedlich  hatten  auseinandersetzen  müssen; 
denn  bei  vorhandenem  Gegensatz  hätten  die 


Chalkidier    sich    wohl   einen    besser    natur- 
geschützten   Platz   ausgesucht    (Not.    1919, 
360—69).    —    Die   Erforschung   des   griechi- 
!  sehen  Sizilien  hat  einen  bedeutenden  Schritt 
j  vorwärts  getan  durch  Orsis  Bearbeitung  des 
[  Mittelpunkts  des  heutigen  wie  des  ältesten 
!  Syrakus,    indem   er   nach  Beendigung  der 
Untersuchungen  über  und  unter  dem  alten 
Athenatempel,  der  heutigen  Kathedrale,  und 
i  Tastungen  nördlich  derselben,  die  bereits  in 
j  die  vorgriechische  Zeit  hinaufführten  (Not. 
1  1910,  519— 41),  in  mühsam  durchgerungenen 
I  Grabungen,  welche  den  großen,  nördlich  sich 
hinbreitenden  Platz   (Piazza  Minerva,   lang 
i  HO   m,    breit  durchschnittlich    15   m,   teil- 
i  weise  jedoch  bedeutend  mehr)  und  auf  der 
i  Südseite  den   Hof  des  erzbischöflichen    Pa- 
lastes —  leider  noch  nicht  das  vor  der  Ost- 
front liegende  Gebiet  des  Albergo  di  Roma  — 
gründlich  durchforschten,  1912— I7,uns  einen 
tiefen   Blick  in    die   Geschichte    des    alten 
Syrakus  ermöglicht  hat   (ML.   XXV,    1918, 
353—762,  mit  26  Tafeln  und  268  Textabb.), 
als  Grabungsarbeit  wie  als  Verarbeitung  der 
Ergebnisse  eine  gleich  imposante  Leistung 
Orsis   und  seines   technischen    Helfers,    des 
trefflichen   R.   Carta.    "In  Wort    und   Bild, 
Plänen  und  Zeichnungen  ist  alles  aufs  ge- 
naueste   festgehalten.       Massenhafte    archi- 
tektonische Terrakotten  von  den  verschieden- 
sten  Abmessungen   erweisen    einstige    Fülle 
kleiner    Naiskoi.       Nördhch    des    späteren 
großen   Tempels   erhob   sich   einstmals    ein 
kleinerer  alter  Tempel  aus  Stein,  dem  wohl 
ein  Holztempel  voranging,  östlich  davor,  zum 
j  Stein tempel,  wie  ja.  oft,  nicht  in  rechtwinkli- 
i  gem   Verhältnis   ein   langer   Altar    (Rekon- 
struktion Fig.  261)  mit  schönen   Krateutai. 
Den  späteren  großen  Tempel  hat  Orsi  nach 
den    Schichtungsverhältnissen,    den    Einzel- 
formen,   besonders    der    Kapitelle,    Löwen- 
speier   u.  a.,    auch    den    Fundstücken,    dem 
was  da  war,  dem  was  fehlt,  z.  B.  noch  jede 
rf.    Scherbe,   gegen   Koldewey-Puchstein   als 
Deinomenidentempel   festgestellt;    ein   ent- 
wässernder   Kanal    läßt   ihn    auf  ein  Hyp- 
aithron     schließen:      denn     die    den    Kanal 
einfassenden    Mauern    sind    alt,    wovon    ich 
mich   1914  selbst  überzeugen  konnte.     Alte 
Wegführungen,   Tcmenosmauern,  ein   wahr- 
scheinliches   Propylon,    Weihgeschenkträger 
und    Stelen     —     leider    mit    sizilisch-groß- 


179 


Italien  1914 — 1930. 


180 


Abb.  44.     Altarwange  aus  Syrakus. 


griechischer  Stummheit  (die  wenigen  In- 
schriftstücke,  darunter  wohl  der  älteste 
griechische  Inschriftrest,  Bustrophedori,  fak- 
simihert  und  sorgsamst  besprochen  Fig.  202 
bis  209)  —  vervollständigen  das  Bild  einer 
Anlage,  die  zu  den  bekannten  Tempelkom- 
plexen von  Akropolis  und  Heraion,  Delphi 
und  Delos,  Aigina  und  Eleusis,  Epidauros 
und  SeUnus  West  eine  wichtige  Parallele 
bietet.  Auf  das  sorgsamste  sind  die  Schich- 
ten festgestellt,  zuunterst  Sikuler,  sogar  eine 
Rundhütte;  Fig.  108  zeigt  merkwürdige 
Sikulerplastik :  zwei  fragmentierte  Stier- 
köpfe, der  eine  sehr  unvollkommen  und  stark 
stilisiert,  der  andere  naturalistisch  und,  an- 
scheinend, ein-  Kalb.  Alles  Orsi  III,  also 
entgegen  der  von  Orsi  selbst  gegebenen  Be- 
obachtung, daß  die  Sikuler  dieser  Periode 
mehr  im  Inneren,  unzugängHcher  auf  den 
Berghöhen  usw.  zu  hausen  pflegten,  zurück- 
gezogen vor  den  griechischen  Siedlern,  oder 
Seeräubern,  an  der  Küste.  Es  folgen,  durch 
zahlreiche  architektonische,  plastische  und 
keramische  sowie  andere  Einzelfunde,  alle 
soweit  irgend  wichtig,  abgebildet,  bezeugt, 
protogriechische,  archaisch-griechische  Dinge 
durchs  ganze  Altertum  durch  bis  zur  Zeit  der~ 
Byzantiner,  die  hier  nahe  der  Kirche  viel-  ■ 
fach  begruben.  Auch  eine  echtägyptische 
Porphyrpyxis,  wohl  für  Aromata,  mit  dem 
Namen  Ramses  IL  ist  ein  Gruß  ältester 
Zeit  (Fig.  201).  Die  Folgen  der  verschiede- 
nen Materialien  sind  interessant.  Archi- 
tektonisch fast  alles  dorisch,  ionisch  nur 
Palmettenakrotericn,  zum  Teil  sehr  Schönes, 


z.  B.  tav.  XXIII  (hier  Abb.  44)  von  den  Kra- 
teutai  des  Altars  u.  ^dgl.  Besonders  reich  an 
Aufklärung  aller  Artist  das  sorgfältige  Kapitel 
der  architektonischen  Terrakotten,  durch 
Tafeln,  Textabbildungen  und  scharfsinnige 
Rekonstruktionen  ungemein  anschaulich  ge- 
staltet, sich  lehrreich  ergänzend  mit  Kochs 
Campanischen  Dachterrakotten ;  mit  beson- 
derem Nachdruck  weist  Orsi  654— 56  z.  B.  auf 
das  hier  zuerst  auf  griechischem  Boden  sich 
findende  Motiv  des  hängenden  Palmetten- 
frieses hin,  den  Koch  in  Capua  bereits  fest- 
gestellt hatte.  Wundervoll  ist  die  auf  tav. 
XVI  in  ihren  leuchtenden  Farben  veröffent^ 
lichte  archaische  Gorgo  (photographisch  auch 
Not.  1915,  178,  Fig.  I  und  Pace  Fig.  43;  hier 
Abb.  45),  mit  dem  Pegasos  im  rechten  Arm 
nach  links  knielaufend,  eine  nur  0,50  m  hohe 
Tonplatte,  also  nach  Orsi  schwerhch  architek- 
tonisch verwendet,  sondern  vielleicht  ein  Son- 
dervotiv  (?),  durch  den  Vergleich  mit  zwei 
bisher  unveröffentlichten  Gorgoneia  aus  Gela 
(Fig.  210)  und  Hipponion  (Fig.  211)  u.a. 
trefflich  erläutert.  Die  Reihe  dieser  groß- 
griechisch-sizilischen  Gorgoneia  wird  nun- 
mehr noch  erweitert  durch  das  leider  bis  jetzt 
erst  in  sieben  Stücken  sehr  teilweise  ver- 
tretene kolossalste  aller  antiken  Gorgoneia, 
das  vielleicht  den  Ostgiebel  des  Tempels  C 
in  Selinus  geschmückt  hatte,  2,50  m  hoch 
und  in  verschiedenen  Stücken  hergestellt, 
die  selbst  wieder  durch  inneres  Strickwerk 
in  bis  jetzt  gänzlich  unbekannter  Weise  ver- 
stärkt waren;  Stücke  eines  etwas  kleineren 
mögen,   so   meint   Gäbrici,    den   Westgiebel 


I8l 


Italien  1914 — 1920. 


182 


gefüllt  haben.  Dieser  überraschende  Fund, 
der  hoffentlich  Gabriels  Wunsch  nach  er- 
neuten Grabungen  um  den  Tempel  C  mäch- 
tig unterstützen  wird,  wurde  vom  Entdecker 
bekanntgemacht  in  einer  vorzüglichen  Ab- 
handlung »ir  Gorgoneion  fittile  del  tempio 
C  di  Selinunte«  in  den  Atti  della  R.  Acc.  di 
scienze  lettere  e  belle  arti  di  Palermo  Ser.  III, 
vol.  XI,  1919,  3 — 15  mit  zwei  Tafeln.  — 
Skulptur  nicht  allzu  viel;  bemerkenswert  na- 
mentlich eine  kretisierende  Göttin,  nur  Ober- 
körper, in  einem  Naiskos,  eine  eingeführte 
»chiotische«  Nike  Taf.  XV,  einige  Terra- 
kottaplastik. Viele  ältere  Vasen,  geo- 
metrisch, protokorinthisch  (z.  B.  zwei  feine, 
kleine  Lekythen  tav.  XIII— XIV),  korin- 
thisch, rhodisch  tav.  XII,  wenig  attisch  sf., 
keine  rf.  Vasen.  Alles  wundervoll  beobachtet 
und  vorzüglich  aufgenommen  —  namentlich 
sehr  schöne  Durchschnitte  — ,  nach  allen 
Seiten  lichtgebend.  Auch  die  Opferschichten 
und  die  Speisereste  sind  aufs  genaueste  un- 
tersucht. Es  ist  die  ausführlichste  und  beste 
Behandlung,  die  je  eine  Tempelumgebung  in 
Sizilien- Italien  erfahren  hat,  in  wahrhaft 
historischem  Geiste  geführt.  Dabei  Re- 
produktion, Druck,  Papier  alles  beste  Frie- 
densarbeit. —  Auch  sonst  hat  unsere  Kennt- 
nis des  alten  Syrakus  sich  erweitert,  worüber 
Bericht  Orsis  Not.  1915,  175—208  und  1920, 
303 — 27.  — Unter  dem  Südrand  von  Epipolai 
fand  Orsi  altsikulische  Gräber  der  ersten  und 
zweiten  Periode,  darunter  eins,  dessen  Vor- 
halle einstmals  durch  zwei  allerdings  un- 
regelmäßig gestellte  Pfeiler  gestützt  war, 
also  ähnlich,  wenn  auch  nicht  so  wirkungs- 
voll, wie  die  bekannte  Fassade  von  Cava 
Lazzaro  (Aus.  I,  1906,  7,  Fig.  2),  in  denen 
Orsi  den  Felsersatz  sieht  für  Holzpfosten, 
welche  das  Reiser-  oder  Strohdach  der 
Wohnhütte  getragen  hätten  (Not.  1920,  303). 
Südlich  vom  Amphitheater,  auf  der  Linie 
Ortygia- Portella  delFusco  wurden  große  grie- 
chische Mauerstücke  entdeckt,  gewaltige  Qua- 
dern mit  Gußwerk  dazwischen,  also  gutes  Em- 
plekton,  später  absichtlich  zum  Teil  zer- 
stört, vom  Material  manches  beim  Amphi- 
theater verwendet.  Orsi  möchte  hier  die 
lange  gesuchte  Stadtmauer  erkennen,  welche, 
natürlich  in  jüngerer,  etwa  Dionysioszeit, 
Ortygia  und  die  Hügelstadt  miteinander  ver- 
bunden und  Syrakus  nach  der  Anaposebene 


abgeschlossen  haben  muß  (Not.  191 5,  190). 
Diese  Vermutung  zu  sichern  und  in  diese  und 
frühere  Entdeckungen  Zusammenhang  zu 
bringen,  dienten  weitere  Untersuchungen, 
über  die  Not.  1920,  305 — 09  berichtet  ist. 
Den  Südrand  der  Epipolaiterrasse  sowie 
die  in  denselben  einschneidenden  Aufwege, 
besonders  die  wichtige  »Pylis«,  noch  heute 
»Portella  del  Fusco«  (wie  Orsi  den  Namen 
gewiß  richtig  kombiniert),  und  die  ganze 
vorgelagerte  Fuscoterrasse  gegen  die  Anapos- 
ebene zu  sichern,  mußte  das  Hauptaugen- 
merk von  Festungsingenieuren  sein,  di,e 
Groß- Syrakus  mit  dem  Hafen  und  der  Or- 
tygia in  gesicherte  Verbindung    setzen  woll- 


ji^sr??. 


Abb.   45.     Gorgo,  Terrakottaplatte  aus  Syrakus. 

ten.  Eine  Reihe  glücklich  und  absolut  sicher 
verbundener  Mauerstücke  erlaubten  Orsi 
schon  1903  (Not.  1903,  517—23),  ein  Außen- 
werk festzustellen,  das  mit  den  gewaltigen, 
von  Cavallari  bei  Anlage  des  Friedhofs  ge- 
fundenen Mauern  in  einem  vorwerkartigem 
I  Verhältnis  stand  (s.  den  Plan  Not.  1903,  524, 
Fig.  8  =  1920,  306,  Fig.  3)  und  die  Ver- 
bindung zur  Portella  sicherstellte.  Nunmehr 
hat  er  den  Anschluß  der  Südmauer  an  die 
Portella  del  Fusco,  Mauerstück,  einen  ge- 
waltigen Turm  und  einen  Verschluß  des 
Portellaaufgangs  selbst  gefunden  (Not.  1920, 
308—09,  Fig.  4—5).  Immer  mehr  lernt 
man  staunen  vor  der  raschen  und  durch- 
dachten Arbeit   des    Dionysios,    welche    die 


i83 


Italien  1914 — 1920. 


184 


Stadt  und  damit  das  sizilische  Griechentum 
gegen  den  Punier  schützen  sollte.  Ähn- 
lich haben  Grabungen  am  Euryalos,  in 
Fortsetzung  der  für  den  Festungsbau  so 
ungemein  ausgiebig  gewesenen  Untersu- 
chungen früherer  Jahre  (Not.  1904,284  bis 
286;  1905,  390-91;  1912,  299—303),  eine 
Mauer  aufgefunden,  welche  den  lange  ge- 
suchten Abschluß  des  Kastells  nach  der 
Epipolaifläche  darstellte  (Not.  1915,  191  bis 
192).  Es  war  eine  prächtige,  wohl  von 
Dionys  errichtete  Quadermauer,  die  zutage 
kam  (Not.  1920,  305  Fig.  2)  mit  schönem  Tor, 
dahinter,  kaum  i  m  entfernt,  eine  starke 
Futtermauer,  wohl  gegen  den  Erddruck  er- 
richtet. Das  Bild  konnte  früher  nicht  klar 
werden,  weil  Cavallari  sich  durch  byzanti- 
nisch-arabische Flickmauern  täuschen  ließ, 
die  mit  altem  Material  den  wichtigen  Be- 
obachtungsposten nach  jahrhundertelangem 
Verlassensein  wieder  zu  sichern  versucht 
hatten  (Not.  1920,  305—09).  Immer  mehr 
nähert  sich  die  Kenntnis  dieser  einzigartigen 
Festung  jener  Vollendung,  die  eine  große, 
zusammenfassende  und  schon  lange  geplante 
Veröffentlichung  ermöglichen  wird,  wie  sie 
Orsi  vorbereitet.  Südlich  des  Belvedere  ist 
ein  ländliches  Artemision,  ähnlich  dem  von 
Scala  greca  (Not.  1900,  353—87)  entdeckt, 
ebenfalls  reich  an  Terrakotten,  besonders  des 
5.  Jahrhunderts,  unter  denen  neben  Artemis 
auch  Kora  und  Demeter  stark  vertreten 
sind.  Die  Menge  des  wertvollen  Terrakotten - 
materials  sei  so  groß,  so  viele  neue  religions- 
und  kunstgeschichtlich  wichtige  Typen,  daß 
eine  umfassende  und  reich  mit  Abbildungen 
ausgestattete  Veröffentlichung  nötig  sei  (Not. 
1915,  192—93).  Die  geschichtlich  neben  den 
Ortygiagrabungen  wichtigste  Entdeckung  ist 
jedoch  diejenige  neuer  Fuscogräber,  und  zwar 
endlich  solcher  des  5.  Jahrhunderts,  die  bis- 
her bekanntlich  so  auffällig  fehlten  (Not. 
1915,  181—85).  Sind  auch  viele  von  ihnen 
durch  Menschenhand  oder  die  Anschwem- 
mungen des  Anapos,  wie  Orsi  früher  ver- 
mutete, zerstört,  so  hat  doch  der  Bau  von 
Betriebsgebäuden  der  Bahn  Syrakus-Vizzini 
am  äußersten  Südrand  der  Fuscoterrasse 
noch  sicheren  Anhalt  geboten,  um  in  mehr- 
monatlichen Grabungen  des  Jahres  1914 
längs  einer  antiken  Straße  94  Gräber  fest- 
zustellen,  deren   große   Mehrzahl  eben   dem 


5.  Jahrhundert  angehört.  Der  Mischcharak- 
ter der  Großstadt  bedingte  auch  die  Ver- 
schiedenheit des  Ritus;  in  33  Fällen  konnte 
■  Brand,  in  44  Bestattung  sicher  beobachtet 
werden,  und  zwar  wurde  P-'ndasche  regel- 
mäßig in  bemalten  Vasen  ocigesetzt,  diese 
in  meist  runden  Bodenvertiefungen,  die  mit 
Steinplatten  oder  Ziegeln  ausgestellt  und 
überdeckt  wurden;  in  7  Fällen  konnte  Ver- 
brennung der  Leiche  in  situ  festgestellt  wer- 
den, die  Leiche  gestreckt  auf  der  Scheiterlage 
und  hernach,  ohne  Aschensammlung,  nicht 
gerührt,  also  so  wie  es  auch  in  Lokri,  Medma, 
Kaulonia  vielfach  geschah  (s.  0.!).  Die  Be- 
stattungsgräber waren  meist  einfache,  läng- 
liche Gruben,  oben  erweitert,  selten  ausge- 
füttert oder  stuckiert,  mit  mächtigen  Stein- 
platten gedeckt;  zwei  große  monolithe  Sar- 
kophage beweisen,  daß  auch  diese  aus  Gela 
und  Akragas  besonders  bekannte  vornehm- 
schöne Form  hier  nicht  unbekannt  war. 
Auch  einige  Kruggräber  —  Kinder  —  fanden 
sich,  wie  überall  auf  griechischen  Begräbnis- 
plätzen. Stelen  wurden  als  ganze  nicht  ge- 
funden, doch  bezweifelt  Orsi  nicht,  daß  es 
solche  gegeben  habe,  da  allerlei  plastische 
Bruchstücke,  namentlich  von  Reliefs  in  Mar- 
mor oder  feinem  Kalkstein  und  auch  Ar- 
chitekturfragmente sich  fanden,  so  daß  auch 
auf  kleine  Grabbauten,  Naiskoi,  wird  ge- 
schjossen  werden  dürfen.  Nach  einfacher 
griechischer  Sitte  beschränken  die  Beigaben 
sich  fast  durchweg  auf  Gefäße,  wenige  aus 
Bronze,  meist  aus  Ton;  keinerlei  kostbarer 
Schmuck,  keine  Münzen;  merkwürdig  ein- 
mal unter  dem  Haupte  eines  Jünglings  sein 
eiserner  Diskos.  Ältere  Vasen  sind  selten, 
einige  wenige  protokorinthische,  korinthi- 
I  sehe,  schwarze  Buccheroschalen,  auch  ganz 
I  wenige  attisch-sf.,  dagegen  einige  streng-rf., 
I  in  größerer  Menge  schöner  und  reicher  Stil 
bis  in  die  Meidiaszeit  und  weiter  herab,  so 
daß  in  der  Gegend  bis  in  das  4.  Jahrhundert 
hinab  bestattet  sein  wird.  Das  ganze  Ma- 
terial ist  so  reich,  daß  Orsi  eine  Veröffent- 
lichung in  den  ML.  in  Aussicht  stellt.  Weiter- 
hin gegen  das  Westende  der  Fuscoterrasse, 
kurz  bevor  die  Straßen  nach  Floridia  und 
hinauf  nach  dem  Belvedere  sich  trennen,  in 
contrada  Canalicchio,  wo  schon  früher  eine 
Grabkammer  mit  vielen  Bleiurnen  aus  dem 
2.  Jahrhundert  v.  Chr.  gefunden  war  (Not. 


i85 


Italien  1914 — 1920. 


186 


1913,  275),  traten  weitere  Gräber  der  äußer- 
sten Syrakusaner  Nekropole  des  3-— 2.  Jahr- 
hunderts zutage  (Not.  1915,  185—86);  außer 
dem  übrigen  Inhalt  bestätigen  Münzen  jener 
Zeiten,  hier  'J^rst  auftauchend,  die  An- 
setzung,  auch  eine  Stele  mit  dem  Namen 
eines  Massalioten  Xenokritos  S.  des  He- 
phaistokles  aus  Massalia  (Fig.  5);  unweit 
davon,  ebenso  an  der  Straße  nach  Floridia, 
wurde  ein  monolither  Kindersarg  gefunden 
mit  bemalten  Vasen  des  ausgehenden  4.  oder 
schon  des  3.  Jahrhunderts  und  feinem  Gold- 
schmuck  (Fig.  6—7),  worunter  ein  Ring,  in 
dem  ein  sehr  viel  älterer  Skarabäus  gefaßt 
ist,  augenscheinlich  ein  aufgehobenes  altes 
Stück,  je  älter,  um  so  zauberkräftiger. 
Dieselbe  Nekropole  del  Canalicchio,  im 
äußersten  Westen  der  Fusconekropole,  von 
ihr  durch  einen  gräberfreien  Streifen  ge- 
trennt, hat  Orsi  in  Wiederaufnahme  seiner 
früheren  Versuche  1920  wiederum  gelockt: 
ist  es  ihm  doch  Überzeugung  (Not.  1920,  309) 
daß  die  freilich  von  den  Karthagern  wohl 
zerstörten  Königsgräber  auch  in  dieser  Ge- 
gend zu  suchen  seien:  Not.  1920,  321—26 
wird  Wertvolles  berichtet,  auch  Fig.  14—17 
Grund-  und  Aufrisse  gegeben.  Die  Bei- 
gaben und  zahlreiche  Münzen  gestatten 
freilich  wieder  nur  Datierung  von  der 
Mitte  des  3.  Jahrhunderts  in  das  I.  Brand 
und  Bestattung,  dieser  Zeit  gemäß,  wahllos 
gemischt;  z.  B.  im  Grabe  Fig.  15  nur  eine 
bestattete,  13  verbrannte  Leichen.  Orsi 
bezeichnet  seinen  Bericht  als  durchaus  vor- 
läufigen. —  Das  interessante  Gräbergebiet  im 
Südostwinkel  des  Temenites,  nördlich  von  der 
I^atomia  S.  Venera,  jedem  Besucher  von  Sy- 
rakus  in  Erinnerung  durch  die  hellenistischen 
Grabfassaden  —  unter  denen  jene  des  sog. 
Archimedesgrabes  —  und  die  vielen  Formae, 
wurde  wissenschaftlich  •  nur  angearbeitet 
durch  Orsi,  der  eine  Besprechung  und  Ver- 
öffentlichung ganz  später  Gräber  einleitete 
durch  einige  orientierende  Worte  über  die 
früheren  (Not.  1896,  334—35);  jetzt  hat  er 
sein  altes  Interesse  für  diese  Gegend  Not. 
1920,  316— 18  wieder  betont  und  eine  Gruppe 
ärmlicher  Gräber  des  in  Syrakus  bisher  ja 
so  auffällig  schwach  vertretenen  5.  Jahr- 
hunderts, 29,  und  eine  andere  des  2.  — i. 
Jahrhunderts  der  Aufmerksamkeit  empfoh- 
len auch  wegen  der  damit  verbundenen  topo- 


I  graphischen  Frage;  denn  die  älteren  Gräber, 
jedenfalls  vor  der  athenischen  Belagerung 
angelegt,  weil  vor  der  vollständigen  Um- 
mauerung  der  Stadt,  sind  möglicherweise 
schon  damals  von  Mauern  mitumschlossen 
gewesen,  aber  fern  von  der  bewohnten  Stadt, 
so  daß  die  rituellen  Gründe  vielleicht  nicht 
mehr  entscheidend  mitgesprochen  hätten. 
Ein  archaisches,  schon  früher  durch  Zufalls- 
funde zu  erschließendes  Gräberfeld  in  der 
Gegend  von  S.  Lucia  gehörte  zur  Unterstadt 
auf  der  von  Gelon  vermutlich  durch  eine 
Sonderbefestigung  geschützten  Achradina, 
d.  h.  in  eine  Zeit,  als  Ortygia  und  Achradina 
noch  nicht  zu  einer  Stadt  verschmolzen  wa- 
ren, also  eine  wichtige  Tatsache  zur  Stadt- 
geschichte. Zwischen  dem  3.  und  I.  Jahr- 
hundert wurde  dies  Gebiet  mit  ärmlichen 
Häusern  bedeckt,  deren  Reste  wieder  man- 
cherlei Fundstücke  der  hellenistisch-früh- 
römischen Zeit,  darunter  auch  römische 
Bleiröhren  mit  Inschriften  ergaben.  Auch  im 
erweiterten  Bahnhofsbereich  wurden  einige 
hellenistische,  römisch  umgebaute  Häuser 
entdeckt.  Von  Einzelfunden  sind  besonders 
beachtenswert  und  werden  von  Orsi  einem 
Sonderstudium  empfohlen  die  Schichten  voll 
hellenistischem  Abhub  aller  Art,  dem  alten 
Industrie-  und  Hafengebiet  entstammend, 
unendliche  Mengen  von  Küchenabfällen,  von 
rhodischen  Amphorenhenkeln,  Conzeschen 
Kohlenbeckengriffen,  neben  italiotischem 
Tongeschirr  viele  nach  dem  Osten  weisende 
Reliefkeramik,  Emblemataschalen  und  »Ter- 
ra sigillata«,  Stücke  von  Fayencevasen, 
einige  Terrakottenfiguren,  teils  tanagraartig, 

'  teils  mehr  Myrina,  Reste  von  Glasgefäßen 
usw.  Das  alles  wird  für  Handels-  und  Ge- 
werbegeschichte noch  eine  Menge  Aufschlüsse 
bringen.  Sonderbar  und  auch  für  Orsi  neu 
ist  eine  Gruppe  von  kleinen,  durch  ihre 
Spindelform  hellenistisch  anmutenden  Ge- 
fäßen, die  mit  geronnenem  Pech  gefüllt  wa- 
ren und  auf  der  Außenseite  eigenartige, 
aus  Buchstabenelementen  zusammengesetzte 
oder,  nur  zweimal,  figürliche  Stempel  zeigen. 

1  Sie  sind  aus  dem  großen  Hafen  gebaggert 

'  worden  und  werden  vermutlich  im  Schiffs- 
baugewerbe benutzt  sein.     Sowohl  Orsi  wie 

1  mich  muten  sie  durchaus  byzantinisch  an, 
wenn  auch  die  figürlichen,  mehr  an  Tiere  auf 
gallischen  Münzen  erinnernden  Stempel  be- 


i87 


Italien   19 14— 1020. 


188 


Abb.  46.     Arretinischer  Becher  aus  Syrakus. 


denklich  machen  können  (Fig.  15).  Auf 
Fig.  8—14  bildet  Orsi  schließlich  einige  teils 
in  den  Nekropolengebieten,  teils  in  der  The- 
atergegend und  im  Bahnhofsbereich  gefun- 
dene Marmorskulpturen  ab,  unter  denen  be- 
sonders bemerkenswert  sind  Fig.  13  eine 
archaische,  langgewandete,  nach  rechts  ei- 
lende weibliche  Statuette  aus  par.  Marmor, 
die  Orsi  wie  ein  Prototyp  der  Laphria  an- 
mutet, freilich  altertümlicher  und  in  Ver- 
hältnissen und  Ausführung  recht  verschieden, 
ferner  Fig.  14  ein  trefflicher  bartloser,  be- 
helmter Kriegerkopf  —  schwerhch  weib- 
lich — ,  beides  Stücke  aus  dem  Anfang  des 
5.  Jahrhunderts,  in  denen  Orsi,  der  eine  be- 
sondere Veröffentlichung  darüber  verheißt, 
Reste  einer  Giebelkomposition  erkennen 
möchte;  eine  bedeutende  Menge  in  der  Nähe 
dieser  Stücke  gefundener  archaischer  Terra- 
kotten, so  etwa  50  Protomai  mit  Aufhänge- 
löchern, viele  weibliche  Sitzfiguren,  die  Köpfe 
oft  mit  dem  »Polos«  bekrönt,  auch  eine  Menge 
kleiner  Köpfe  strenger  Art  sowie  einiges  alter- 
tümliche Geschirr  lassen  Orsi  hier  die  Stätte 
eines  zwischen  Ortygia  und  der  Fusconekro- 
'  pole  gelegenen  kleinen  Heiligtums  erkennen. 
Von  einem  für  Syrakus  ja  äußerst  seltenen 
Grabrelief  des  ausgehenden  5.  Jahrhunderts 
stammt  der  leider  allein  erhaltene  Mittel- 
körper eines  in  langsamer  Bewegung  nach 
rechts  befindlichen,  schon  stark  naturalisti- 
schen Knaben  (Fig.  8).  In  demselben 
dichtbewohnten  Hafengebiet  zwischen  Achra- 
dina und  Ortygia,  Gegend  von  S.  Lucia 
nach  dem  Meere  zu,  sind  bei  Zisternenunter- 
suchungen einige  wertvolle  Einzektücke  ge- 
funden :  zunächst  ein  männlicher  Porträtkopf 
(3i3i  Fig-  7),  schon  in  alten  Zeiten  so  ab- 
geschnitten, daß  nur  die  Maske  übrig  blieb, 


die  durch  Eisenklammern  an  einem  Hinter- 
grund befestigt  war:  ein  kraftvolles  Römer- 
antlitz,' zwischen  50— 60,  bartlos,  willens- 
starke Züge  ohne  jede  Liebenswürdigkeit, 
große  abstehende  Ohrmuscheln,  keinerlei 
Ausarbeitung  des  Augensterns,  das  Haar  in 
einzeln  modellierten,  beweglichen  Löckchen. 
Die  wichtige  Zutat  einer  dünnen  Binde, 
welche  die  Stirn  umgebe  und  mit  15  Löchern 
versehen  sei,  um  Kranzblätter  oder  Strahlen 
aufzunehmen  läßt  das  Lichtbild  leider  nicht 
klar  genug  erkennen.  Magerer,  knochiger 
Brust-  und  Schulteransatz,  über  der  linken 
Schulter  ein  Stück  Mantel.  Das  Diadem 
und  die  an  bekannte  Typen  des  3.-4.  Jahr- 
hunderts lebhaft  erinnernden  physiognomo- 
;  nischen  Eigentümhchkeiten  ließen  Orsi  an 
einen  Kaiser  jener  Zeiten  denken.  Aber 
abgesehen  davon,  daß  sich  ein  genau  ent- 
sprechendes Kaiserbild  nicht  finden  will, 
steigen  Orsi  selbst  die  Bedenken  auf,  die 
jeder  empfinden  wird.  Künstlerische  Be- 
handlung, der  ganze  Stil,  weisen  den  Kopf 
i  in  die  Tradition,  welche  im  letzten  Jahr- 
■  hundert  der  Repubhk  beginnt  und  mit 
Traian  aufhört.  Mir  scheint  —  immer 
'  nach  dem  Bilde  —  der  Kopf  in  die  flavische 
:  Zeit  zu  gehören,  besonders  mit  den  Nerva- 
köpfen  ist  die  Stilähnlichkeit  groß. 

Unter  zahlreichen  Bruchstücken  arretiner 

Ware,  die  ebenfalls  einer  Zisterne  entstam- 

!  men,  sind  die  Trümmer  eines  Bechers    be- 

I  merkenswert  (Not.  1920,   314,    Fig.  8),    der 

I  durch  den  Stempel  »Atticus  Naevi«  als  Ar- 

;  beit   eines   auch   sonst   bekannten    Sklaven 

des  Puteolaner  Großfabrikanten  Naevius  (s. 

CIL.   X,   8056,   56;    Behn,   Rom.    Keramik 

im    röm.-germ.    Zentralmus.    Mainz,     1910, 

227— -28,  Nr.  1509—13;    S.  Löschcke,   Mitt. 


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Italien   19 14 — 1920. 


190 


d.  Altertumskomm.  f.  Westfalen  V,  1909, 
178)  erwiesen  wird  und  eine  sonderbare  Dar- 
stellung des  Kerberosraubes  durch  Herakles 
aus  der  mit  zinnentragenden  Türmen  be- 
wehrten Unterwelt  zeigt,  der  Kerberos  von 
Schoßhündchenproportionen;  zu  beiden 
Seiten  werden  andere  Unterweltsszenen  an- 
geschlossen haben,  zur  Rechten  vielleicht  das 
gefesselte  Heroenpaar  (Abb. 46).  —  Eine  aus- 
gezeichnete Karikatur  eines  kahlschädligen, 
mit  gewaltiger  Nase  bewehrten  Mannes  ale- 
xandrinischer  Art  ist  der  Terrakottakopf  Not. 
316,  Fig.  9  (wonach  hier  Abb.  47).  —  Leider 
nicht  veröffentlicht  ist  das  Oberteil  einer  als 
»grandios«  von  Orsi  Not.  1920,  318  bezeich- 


Abb.  47.     Terrakottakopf  aus  .Syrakiis. 

neten  Karyatide  aus  stucküberzogenem  Kalk- 
stein aus  derZeit  der  Neuherrichtung  des  The- 
aters durch  Hieron  II.,  dort  gefunden  bei  Gra- 
bungsarbeiten, mit  denenOrsi  die  mittlerweile 
prämierte  Arbeit  Rizzos  über  das  Theater 
von  Syrakus  unterstützte,  die  im  Druck  ist. 
Zahlreiche  stabförmige  »Gladiatorentesseren« 
fanden  sich  beim  Amphitheater,  mit  lateini- 
schen, jedoch  wenig  lesbaren  Aufschriften; 
mehrfach  beginnen  dieselben  mit  »EGO«; 
spectavit  ist  nirgends  gelesen.  R.  Herzogs 
Entdeckung,  welche  diese  Anhänger  als 
Tesserae  nummulariae  erweist  (Abh.  der 
Gießener  Hochschulgesellschaft  I.  Aus  der 
Geschichte  des  Bankwesens  im  Altertum. 
1919),  war  Orsi  bei  Abfassung  seines  Be- 
richts noch  unbekannt  (Not.  319—21).  — 
Interessant  sind  schließlich  zwei  ebenfalls 
beim  Amphitheater  zutage  gekommene  Maß- 


stäbe aus  Knochen,  zum 
Zusammenlegen  und 
Feststellen  eingerichtet, 
an  den  Enden  und  bei 
den  Scharnieren  mit 
Kupferblech  umkleidet, 
eingeteilt  nach  dem  rö- 
mischen Fuß  0,2957  m 
(Not.  321,  Fig.  13;  hier 
Abb.  48).  Not.  1920,  310, 
Fig.  6  gibt  Orsi  eine 
merkwürdige'  Zisterne 
unter  einem  altgriechi- 
schen Hause  der  Ortygia 
(6.  Jahrhundert)  in  Gra- 
benform mit  Einsteig- 
öffnungen. Orsi  betont 
die  Notwendigkeit,  die 
alte  Arbeit  Schubrings 
über  die  Bewässerungs- 
systeme von  Syrakus  auf 
neuer  Grundlage  wieder- 
aufzubauen. —  Auch  die 
Erforschung  des  christ- 
lichen Syrakus  hat  be- 
deutende Fortschritte 
gemacht  (Not.  1915, 
203—08;  1918,  270—85; 
1920,  326 — 27):  mehrere 
neue  Katakomben  wur- 
den entdeckt,  schon 
früher  bekannte  genauer 
durchforscht,  von  letzte  - 
ren  namentlich,  in  fünf- 
jähriger Arbeit,  die  Kata- 
komben von  S.  Lucia, 
früh,  vielleicht  schon  im 
2.  Jahrhundert  (noch 
keine  Täfelchen  aus  Mar- 
mor) angelegt,  anders 
wie  die  bekanntesten, 
erst  nach  freigegebenem 
Kultus  erbauten  Kata- 
komben von  S.  Giovanni. 
Die  Ansichten  Führers 
und  Schultzes  sind  viel- 
fach verbessert,  manche 
Graffiti  und  Wandge- 
mälde, auch  byzanti- 
nische, entdeckt.  Der 
letzte  Bericht  Orsis  mel- 
det   in    mehr    kurz    an- 


m 


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J3 
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191 


Italien  1914 — 1920. 


192 


kündigender  Weise    über    Arbeiten  [in  den 
Katakomben  (Not.  1920,  326 — 27),  sowohl  : 
derjenigen    von    S.   Lucia    (s.    Not.    1918, 
270  ff.),  wie  einer  neuen  »Bracciamore«,  in 
derselben  Gegend,  in  zwei  Stockwerken,  un- 
ermeßlich reich  an  Lampen,  der  Cassia,  uns 
bisher  besonders  durch  Führers  Behandlung  ' 
Abh.  bayr.  Akad.  1897,  710 — 29  bekannt,  wo 
sieben  Kampagnen  vor-    und   nachkonstan-  I 
tinische  Teile  haben  scheiden  lehren,    viele 
Malereireste  zutage  förderten,   wo  es   noch 
immer     viele     verschlossene     Loculi     gibt, 
schHeßlich  in  einem  »Ipogeo  Fortuna«,  meer- 
wärts  von  S.  Lucia,  wo  vorchristliche  Kom-  ' 
plexe   von  4 — 5  Grabkammern   des   2. —  3. 
Jahrhunderts  in  einen  einzigen   Raum  zu-  | 
sammengelegt  wurden,  sich  auch  jetzt  noch  j 
Loculi    mit    Beisetzungen    nach    vorchrist-  ■ 
lichem  Ritus  und  vereinzelte  Brandbestat- 
tungen fanden,  auch  viele  Lampen  vorchrist- 
licher Art.  — AuchCatania,  dessen  historische 
Topographie  trotz  der  eifrigen  Bemühungen 
Holms,   Sciuto  Pattis,  Vaters  und  Sohnes,  u. 
a.  bis  in  die  jüngste  Zeit  infolge  der  teilweisen 
Überdeckung  durch  Lava  und  derdichtenund 
andauernden  Besiedelung  so  vielfach  dunkel 
geblieben  ist,   beginnt  langsam  sich  aufzu- 
hellen.    Orsi  faßt  Not.   1915,  215  —  25  und 
19181   53 — 71-  mancherlei   zusammen.      Die 
Expropriation    des    Odeion,    wenigstens    zu 
seinem  größeren  Teile,  des  Nachbarbaues  des 
Theaters,  hatte  schon  kurz  vor  dem  Kriege 
begonnen  zu  seiner  Freilegung  den  Weg  zu 
ebnen,  gegen  Ende   191 7  war  beendet,  was 
bis  jetzt  gemacht  werden  kann;    schon  im 
Mai  1914  konnte  ich  mich  von  der  vorzüg- 
lichen Erhaltung  des  überhaupt  Erhaltenen, 
großer   Teile   der   Cavea,    überzeugen;    das 
^-  Bühnengebäude  scheint  leider  verschwunden. 
Wichtiger  sind  Orsis  Versuche,  die  Gräber- 
verteilung Catanias  zu  ermitteln,  um,  wenn 
möglich,    auch    durch   neue   und   gut   kon- 
trollierte Untersuchungen  weiterzukommen, 
als  einige  sorgsam  von  ihm  gesammelte  No- 
tizen (68 — 70)  über  im  Nordwesten  der  alten 
Stadt  früher  gemachte  Funde  korinthischer 
und  attischer  Vasen  des  6.-5.  Jahrhunderts 
—   s.   die  Lekythen  Fig.   15  und   die  pan- 
athenäische  Amphora  der  alten  Reihe  RM. 
1900,  258—59,  Fig.  3—4  —  es  bis  jetzt  ge- 
statten.   Leider  ist  nur  ein  Fund  gleich  alter 
Zeit  von  aus  Steinplatten  zusammengesetzten 


Bestattungsgräbern  an  der  Via  Etnea  unter 
dem  neuen  botanischen   Institut  ihm   trotz 
emsigen   Forschens  bekannt  geworden.      In 
einer  späteren  Gräbergegend,  unweit  S.  Ma- 
ria di  Gesü,  ließ  sich  der  Unterbau  einer  dori- 
schen Grabaedicula   frühhellenistischer   Zeit 
feststellen,   auch  spät   noch,   unter  allerlei 
Veränderungen   für  Deposition  dann  aller- 
dings unterirdischer  Sarkophage  (s.  z.  B.  den 
Bleisarg  Fig.  12— 13  mit  kleiner,  verschheß- 
barer  Öffnung  im  Deckel,  genau  wie  der  Bull. 
Inst.  1833,  172— 76  beschriebene)  verwendet. 
Ebenso  wie  in  Syrakus,  so  ist  also  auch  hier 
die  Errichtung  solcher  Grabnaiskoi,  wie  wir 
sie  namentlich  aus  Tarent  in  Originalresten 
und    von    den    Vasenabbildungen    kennen 
(s.  Pagenstechers  Unteritalische  Grabdenk- 
mäler), bezeugte  Sitte.    Den  Niedergang  der 
Stadt  gegen  Ausgang  des  Altertums  bestätigt 
hier,  wie  so  oft,  die  Ausbreitung  des  Gräber- 
gebiets über  Stadtgegenden,  die  fjüher  dicht 
besiedelt  waren  und  wo  unter  den  späten 
Formae  frühere  Häuserreste  hervorkommen. 
So  dehnt  sich  zwischen  der  Piazza  del  Duomo 
und   dem   Meere   über  einem   Gebiet  voller 
alter  zerfallener  Gebäude  eine  große  Reihe 
ausgedehnter  Grabfelder;    besonders  bemer- 
kenswert ein  gewölbter  Saal  mit  gut  erkenn- 
barer Dekoration  des  I.  Jahrhunderts  n.  Chr., 
zu  einem  Hause  der  letzten  Zeit  der  Republik 
oder  der  ersten  Kaiserzeit  gehörig,  schwerlich 
ursprünglich,  wie  Orsi  meint,  sondern  wohl 
erst  später  infolge  Aufhöhung  des  Bodens 
unterirdisch  geworden  und  dann  zu  allerlei 
unsauberen    Praktiken    verwendet,    wovon 
eine  recht  obszöne,  bereits  lateinische  Liebes- 
erzählung, Graffito,  (S.  58—59)  Zeugnis  ab- 
legt. —  Und  wie  mit  Catania,  so  ist  nunmehr 
auch  mit  der  dritten  Großstadt  der  Ostküste, 
Messina,  Orsis  Name  verknüpft  durch  eine 
ausführliche     und     musterhafte    Veröffent- 
lichung der  im  Gefolge  der  Zerstörung  dieser 
Gegend  durch  das  große  Erdbeben  und  die 
Aufbaunotwendigkeiten  bloßgelegten  Gruppe 
römischer  Gräber  bei  S.  Placido,  unweit  der 
Meeresküste  nahe  dem  Nordende  der  alten 
Stadt,  von  mir  noch  1914,  soweit  sie  damals 
offenlag,    untersucht     (ML.    XXIV,     1916, 
121  — 192,   tav.   I— IV  und  viele  Textabbil- 
j  düngen,  die  beste  Bearbeitung,  die  bis  jetzt 
1  ein  römisches  Gräberfeld  Siziliens  oder  Groß- 
I  griechenlands   gefunden   hat).      Es  ist  das 


193 


Italien  1914 — 1920. 


194 


erste   wirkliche    Nekropolenstück    Messinas, 
vom  I.  Jahrhundert  n.  Chr.  bis  höchstens  in 
den  Anfang  des  3.  reichend.   Nach  hellenisti- 
scher Sitte,  wie  sie  uns  schon  aus  Lykien 
früher  vertraut  ist,  aus  Thessalien  z.  B.  aus 
Metropolis  in  der  Hestiaiotis  (Prakt.   191 1, 
338,    Fig.    13)    uns    entgegentritt,    ist    der 
Typus  des  Familiengrabes  festgehalten  mit 
starker  Betonung  des  Eigentums  durch  eine 
den  Grabbezirk  umschheßende  Mauer.     In- 
nerhalb  des    Bezirks   wurde   zunächst  eine 
Grabaedicula  zur  Aufnahme  der  ersten  Gräber 
errichtet;     andere    Gräber   gruppieren   sich 
bald  um  jenes  erste  Grabhaus,  häufig  in  wenig 
geordneter  Weise,  sogar  in  bloßen  Erdgruben. 
Die  meisten  Toten  liegen,  da  kein  Haustein 
dort,  in  Ziegelsärgen,  mit  einem  rechteckigen 
»Tumulus«  überbaut,  der  stuckiert  und  rot 
bemalt  zu  sein  pflegt.    Nur  etwa  ein  Achtel 
sind  Brandgräber,  also  das  Verhältnis,  wie 
seit  dem  8.  Jahrhundert  im  allgemeinen  in 
allen  griechischen  Nekropolen  Siziliens.   We- 
nige Inschriften,  in  beiden  Sprachen,  auch 
die  griechischen,  der  Zusammensetzung  der 
Zugewanderten   gemäß,    meist    mit    lateini- 
schen Namen.    Manche  Inschriftplatten  sind 
später    wiederverwendet.        Mehrere     Blei- 
defixionstafeln  sind  S.  154—60,  Fig.  25—26 
und    167—69,    Fig.    34    abgebildet.     Kaum 
Beigaben:    kleine    Töpfchen,    Gläser   u.  dgl. 
Münzen    mitunter,    aber   nicht   regelmäßig; 
meist  im  Munde,   aber  auch  in  der  Hand. 
Rituell  sind  Zugaben  von  Eisennägeln  und, 
oft,  ein  Kiesel  an  der  Kopfstelle.      Vielfach 
sind  mehrere   Leichen  in  einem   Grabe,   die 
Nachbestattung  erleichtert  durch  bewegliche 
Kopfplatten,  im  Grab  56  durch  eine  beweg- 
liche Giebelplatte,  einmal  durch  einen  hin- 
eingestellten Tonkopf  Fig.  24.    Verbrennung 
fand  meist  in  situ  statt,  daher  wenig  Aschen- 
gefäße.   S.  192—218  folgen  dann  noch  man- 
cherlei topographische  Mitteilungen,  so  über 
eine  Mauerstrecke,  die  vielleicht  Stadtmauer 
war  und  gleichzeitig  Schutzmauer  gegen  die 
Aufschwemmungen  des   Baches   Portalegna, 
ferner     über     Einzelfunde     von     Skulptur- 
stücken. —  Von  Syrakus,  Catania,  Messina 
abgesehen  ist  aus  der  östlichen    Inselhälfte 
nicht  viel  neues  zu  melden:  nur  Zufallsfunde 
und   kleine    Tastgrabungen.    Ein  wichtiger 
Fund  ist  in  Megara  gemacht.  Orsi  bemühte 
sich,   den  einzig  nachweisbaren  Tempel  der 

Archäologischer  Anzeiger  1921. 


Stadt,  dessen  Fundamente  leider  vor  40  Jah- 
ren zerstört  sind,  soweit  möglich  zu  unter- 
suchen, wobei  freilich  nur  die  Einarbeitungen 
im  Boden  gefunden  wurden,  ferner  unbedeu- 
tende Säulenreste  —  dorischer  Hexastylos  • — , 
Stücke  architektonischer  Terrakotten,  wie  in 
der  Mutterstadt  von  Selinus  zu  erwarten,  und 
protokorinthische  Scherben.    Aber  die  Tem- 
pelachse  steht   auf   einem    Graben,    dessen 
weiterer,  zum  Teil  gewundener  Verlauf  ihn 
als  Schutzgraben  eines  Stentinellodorfs  er- 
kennen  läßt.      Außer   den   üblichen   Sten- 
tinelloscherben,    den    Feuerstein-    und    Ob- 
sidiansplittern,    bearbeiteten   Knochen   und 
andern  Besiedelungsspuren  fanden  sich  auch 
Reste  einer  sehr  feinen,  gemalten  Tonware, 
darunter  eine  Schale,   »decorata  nella  con- 
vessitä  di  una  grande  Stella  rossa  a  9  raggi«. 
Orsi  vermutet  auswärtigen   Import.     Aber 
woher?      Über  diese   Entdeckung  verheißt 
Orsi  eine  größere  Publikation  in  den  ML. 
(Not.     1920,     331).       Die    im     Gegensatz 
zu   der  heutigen    Konzentrierung  auch   der 
ländlichen   Bevölkerung  auf  die   Städte  im 
späteren  Altertum  und  noch  unter  der  by- 
zantinischen   Herrschaft  .zu    beobachtende 
Ausbreitung  einer  wohlhabenden,  wenn  auch 
dünn  verteilten  Ackerbevölkerung  auf  dem 
flachen  Lande,  wo  augenscheinhch  der  Ge- 
treidebau wieder  lohnender  wurde  nach  Aus- 
scheiden der  fernen  Versorgungsgebiete  für 
Italien  infolge  der  Umgestaltung  der  politi- 
schen   Verhältnisse,    brachte    schon   früher, 
z.  B.    auf    den    Hochflächen    um    Modica, 
manche  wertvolle  Einzelfunde  und  regte  zu 
gelegentlichen    Grabungen    an:    Not.    I9I5) 
212—14.      Interessant,   daß  hier    auch  aus 
griechischer  Zeit  eine  als  Aschengefäß   ver- 
wendete rf.  Vase  ganz  nach  aus  dem  chal- 
kidisch-kymäischen    Kolonialgebiet   bekann- 
ter Weise  in  einen  Steinwürfel  eingeschlossen 
gefunden  wurde,  und  Spuren  anderer  griechi- 
scher Gräber  in  der  Nähe.     Fig.  21  ist  ein 
ausgezeichneter  bronzener  Pferdefuß,  augen- 
scheinlich  von  einem   Denkmal   mit  etwas 
über  lebensgroßen  Gestalten  stammend,  in- 
nerhalb der  Stadt  Modica   gefunden.      Orsi 
vergleicht  einen  Kolossalarm  aus  Bronze  aus 
den  »Castra  Hannibalis«  bei  Catanzaro.    So 
fand  sich  halbwegs  zwischen  Noto  und   Pa- 
chynon,  ebenfalls  als  Aschengefäß  verwendet, 
ein  guter  Kolonnettkrater  (Fig.  20),  dessen 


'95 


Italien   1914^1920. 


196 


Amazonenkampf,  drei  Fußkrieger,  sie  allein 
zu  Roß,  ein  Ausschnitt  ist  aus  einer  megalo- 
graphischen  Komposition,  deren  Widerklänge 
besonders  durch  die  bei  F.-R.  wiedergegebe- 
nen großen  Vasen  uns  neuerdings  so  nahe- 
gebracht sind.  Ebenfalls  als  Aschenurne 
diente  eine  im  Teilarotal  gefundene  rf.  Pe- 
like  des  beginnenden  4.  Jahrhunderts,  auf 
der  ein  Mädchen  zwischen  zwei  Jünglingen 
sich  ihres  Bildes  im  Spiegel  freut  (Fig.  19). 
Bei  Akrai  fand  sich  aus  dem  Heiligtum 
des  Apollon,  der  (weiblichen)  Paides  und  der 
Anna  (nicht  An- 
assal )  hellenistisch- 
römischer Zeit 
(Orsi,  Not.  1899, 
352— 71)  eine  grie- 
chische Marmor- 
tafel, welche  aber- 
mals als  Sitz  des 
Amphipolos  Syra- 
kus  bestätigt,  als 
Priesterin  am  Orte 
eine  Marcia  Cae- 
cilia  nennt.  L.  Cor- 
nelius Aquila  stif- 
tet für  sich,  seine 
Mutter  und  für 
seine  Frau  Mocstia 
Volumnilla  einen 
Spiegel  (^vuTTTpov) : 
Not.  1920,  327— 
29.  —  Von  Akrai 
I  km  entfernt  fand 
sich  der  untere 
Teil  eines  schönen 

hellenistischen 
Hochreliefs  aus  feinstem  Kalkstein:  Apollon, 
stark  entlastet,  lehnt  sich  mit  dem  linken 
Ellbogen  auf  einen  Omphalos,  der  auf  einem 
Altar  steht,  auf  dem  ebenfalls  ein  künstle- 
risch verzierter  Dreifuß;  in  der  Linken  hält 
er  Lorbeerzweige,  der  rechte  Oberarm  ging 
seitwärts,  der  verlorene  Unterarm  scheint 
hoch  gehoben  und  zum  Kopf  geführt  ge- 
wesen zu  sein.  Auf  der  andern  Seite  des 
Altars  steht  eine  Frau  ohne  Kopf  und  rechten 
Arm,  in  hochgegürtetem  Chiton,  den  Mantel 
von  unterhalb  der  rechten  Hüfte  zur  linken 
Hand  emporgeführt;  in  der  Linken  Zweige. 
Orsi  denkt  an  Demeter,  auch  eine  Priesterin 
wäre  möglich  (Not.  1920,  332 — 33,   Fig.  20, 


Abb.  49.     Relief  aus  Akrai 


I  wonach     hier    Abb.     49).     —     Daß     die 
;  Stadt  auf    Monte    S.   Mauro    bei   Calta- 
girone,     woher    das     bekannte     archaisch- 
griechische, kunstgeschichtlich  nach  Rhodos 
und    Kleinasien   weisende    Relief   ML.    XX, 
,  Taf.  9,  zuletzt  Pace,  Arte  ed  Artisti  512, 
!  Fig.  16,  stammt,  tatsächlich  im  6.  Jahrhun- 
dert vielleicht  von  Gela  aus  griechisch  be- 
setzt wurde,  hat  Orsi  in  seiner  damals  er- 
schöpfenden  Behandlung  dieser  Stadt  ML. 
XX  angenommen.   Eine  erneute  Bestätigung 
scheint  eine  noch  ungenügend  bekannte  ärm- 
liche aber  griechi- 
sche Gräbergruppc 
—  etwa  300  fest- 
gestellt, doch  wa- 
ren es  mehr  —  zu 
geben,     die     1913 
anfing     herauszu- 
kommen.   Der  In- 
halt weist    durch- 
aus ins  6.  Jahrhun- 
dert   (Not.     1915, 
225—26).  Die 

noch  nicht  sicher 
zu  benennende 
Sikulerstadt  bei 
Grammichele, 
die  die  Überland- 
verbindung  Gelas 
über  die  Heräi- 
schen  Berge  nach 
dem  Simaithostal 
beherrschte  und 
daher  früher  Helle- 
nisierung  verfallen 
mußte,  hat  uns 
Orsi  bekanntlich  durch  eine  Folge  glänzender 
Untersuchungen  nahegebracht  (Bull.  pal. 
XXXI,  1905,  96—133  für  Orsi  II— III,  als- 
dann ML.  VII  und  XVIII)  und  demMuseum 
in  Syrakus  wertvollste  Kunstwerke  zugeführt. 
Nunmehr  berichtet  er  Not.  1920,  336 — 37 
über  die  Aufdeckung  von  Gräbern  der  4.  Si- 
kulerpcriode,  bereits  Mitte  6.  bis  in  die  zweite 
Hälfte  5.  Jahrhunderts,  welche  augenschein- 
lich die  Hellenisierung  der  Stadt  in  unge- 
mein lehrreicher  Weise  vor  Augen  führen. 
Neben  eine  große  Fülle  einheimischer,  zum 
Teil  noch  geometrischer  Keramik  tritt  ko- 
rinthischer, dann  attischer  Import.  Auf 
dem  Fußring  einer  obszönen  Vase  ein  Vers 


197 


Italien   19 14 — 1920. 


198 


aus  dem  Ephialtes  des  Phrynichos,  von 
Comparetti  erkannt,  der  den  Fund  beson- 
ders veröffentlichen  wird.  Der  auch  sonst 
reiche  Inhalt  dieser  Gräber  wird  Orsi  Anlaß 
zu  einer  umfassenderen  Veröffentlichung 
geben.  —  Aus  Kamarina  bildet  Orsi 
Not.  1920,  330,  Fig.  19  die  Bronze- 
statuette einer  Athena  ab,  deren  gesenkte 
Rechte  wohl  am  verlorenen  Schild  lag,  wäh- 
rend die  Linke  eine  Eisenlanze  hoch  faßte. 
Tracht  und  ganzer  Habitus,  Kopfwendung 
u.  a.  scheinen  mir  das  Figürchen,  dessen 
ausführliche  Behandlung  Orsi  in  Aussicht 
stellt,  in  das  4.  Jahrhundert  zu  weisen. 
Nachklänge  der  Großplastik  des  5.  auf- 
zeigend. Orsi  verweist  auf  das  Prototyp 
der  in  die  erste  Hälfte  des  5.  Jahrhunderts 
gehörenden  Athena  auf  den  Silberlitren  von 
Kamarina  (Salinas,  Taf.  XVI,  27—41;  BMC. 
Sicily  S.  33;  Holm,  GS.III,  Taf.  II,  i), 
wohl  das  Kultbild  der  Stadt,  dem  auch  der 
Bronzebildner  jüngerer  Zeit  naturgemäß 
folgte.  —  Die  ebenfalls  noch  unbe- 
nannte Stadt  auf  dem  Hochplateau  von 
Serra  Orlando  bei  Aidone  ergab  ein 
Haus,  ferner  ein  Brandgrab,  in  dem 
die  Leiche  ausgestreckt  in  situ  verbrannt 
lag,  daneben  ']^  Astragalen  und,  wie  es 
scheint,  hellenistisches  Geschirr,  alsdann  ein 
Kammergrab  mit  drei  Bänken  und  Mittel- 
graben, darin  36  Skelette,  attisches  sf.  Ge- 
schirr und  einheirnisches,  6.  bis  Anfang  5. 
Jahrhundert.  Andere  hellenistische  Gräber 
hier  und  bei  Cittadella,  ebenda,  ergaben  Be- 
stattungsgräber, diese  zum  Teil  Tonsärge  und 
auf  der  Stelle  verbrannte  Leichen,  auch  zwei 
aufgemauerte  Grabmäler,  wie  sie  z.  B.  aus 
Kenturipe  bekannt  sind.  Weitere  Hausfunde 
stehen  in  Aussicht:  allmählich  ist  die  Zahl 
sizilischer  Hänser  besonders  der  hellenisti- 
schen Zeit  so  im  Wachsen,  daß  wohl  die 
Hoffnung  auf  eine  zusammenfassende  Ver- 
öffentlichung ausgesprochen  werden  darf.  — 
Besondere  Aufmerksamkeit  hat  Orsi  dem 
vorgriechischen  Ort  und  der  wahrscheinlich 
von  ihm  8  km  entfernten,  von  Dionysios  als 
Zwingburg  errichteten  Festungsstadt  von 
Adranum-Adernö  zugewandt,  hat  nur 
wegen  Knappheit  der  Mittel  nach  50tägiger 
Kampagne  abbrechen  müssen,  aber  an  die- 
sem .sehr  viel  Aufklärung  versprechenden  \ 
Punkt  noch  weitere  Arbeit  und  dann  natür-  ' 


lieh  auch  umfassende  Veröffentlichung  in 
Aussicht  (Not.  1915,  227—30)  gestellt.  Das 
vorgriechische  Adranum  unten  im  Symai- 
thostal  mit  seinen  rohen  Steinwällen  um  den 
Ort,  seinem  großartigen  Bronzefund  (Bull, 
pal.  XXXV,  1913,  43—44),  jetzt  der  Stolz 
des  syrakusaner  Museums,  wo  im  5.  Jahr- 
hundert Sikuler  ihre  Sprache  mit  griechi- 
schen Buchstaben  in  die  Ziegel  drückten 
(Not.  1912,  416—17,  Fig.  24—25),  und  die 
neue  gewaltige  Festung  in  der  Höhe,  deren 
Mauern  auch  mir  früher  als  zu  mächtig 
erschienen,  um  nur  als  Substruktionen  des 
Adranusheihgtums  zu  dienen,  werden  der 
Forschung  noch  manche  schöne  Aufgabe 
stellen.  —  Aus  dem  so  lange  vernachlässigten 
und  jetzt  unter  Orsis  glückliche  Hand  ge- 
kommenen Tyndaris  gibt  er  Not.  1920,346, 
Fig.  30  den  leider  auch  nur  fragmentarisch 
erhaltenen  Unterteil  einer  nach  rechts  vor- 
wärts schwebenden  Nike,  ein  wunderschönes, 
scharf  geschnittenes,  in  griechischem  Marmor 
gearbeitetes  Stück.  Orsi  denkt,  durchaus 
wahrscheinlich,  an  ein  Akroter,  datiert  je- 
doch zu  hoch  noch  in  das  5.  Jahrhundert. 
Das  Stück  erinnert  am  meisten  an  die  guten 
Epidaurosskulpturen,  auch  an  des  Timotheos 
Leda  u.  a.,  womit  ja  auch  die  Zeit  des  erst 
396  durch  Dionysios  gegründeten  Tyndaris 
(s.  meine  Darlegungen  Z.  f.  Numism.  III, 
1876,  27 — 39)  stimmt.  —  Hellenistische 
Gräber  bei  Assaro  ergaben  schöne 
Bronzen.  Ein  ausgezeichneter  Eimer  mit 
Schlangenhenkeln  und  als  Attache  einem 
Silenkopf,  der  hervorlugt  unter  Efeublät- 
tern, die  zum  Teil  in  Silberplattierung  auf- 
gelegt sind:  Not.  1920,  334—35,  Fig-  21—22. 
—  Nahe  der  Station  Giardini  wurde  in 
einem  späten  Hause  ein  Fußboden  mit  dem 
Bilde  des  Labyrinth  gefunden,  von  Mauern 
und  Türmen  umgeben:  Not.  1920,  341 — 45, 
Fig.  26 — 29.  —  Im  Hof  des  Manfredkastells 
oberhalb  Castrogiovannis  fanden,  als  ich 
1914  zuletzt  dort  war,  umfassende  Auf- 
grabungen statt;  in  Verbindung  mit  diesen 
fand  sich  eine  byzantinische  Kirche  und 
viele  Gräber,  die  schon  wegen  der  zu  Füßen 
sich  verengernden  Form,  bekanntlich  auch 
bei  uns  typisch  mittelalterlich,  für  ebensolche 
gehalten  werden  müssen.  Dazwischen  jedoch 
konnten  viele  glockenförmige  Silos  (»Ziri«) 
beobachtet  werden,   in  denen  nahe  und  ge- 


199 


Italien  19 14 — 1920. 


200 


wissermaßen  unter  dem  Schutz  der  chthoni- 
schen  Göttinnen  die  Kornvorräte  der  Ein- 
wohner sicher  und  trocken  geborgen  waren 
(Not.  1915,  232—33).  —  Als  interessante  Ein- 
zeltatsache sei  noch  erwähnt,  daß  aus  Gran- 
michele  eine  richtige  archaische  Rippen- 
cista  aufgetaucht  ist,  ein  Fund,  denOrsi  ver- 
wertet, ähnlich  wie  1913  den  Fund  eines 
Eimers  aus  Bronzeblech  von  Leontinoi  (Bull, 
pal.  XXXVIII,  1913,  30-38,  168-75,  um 
mit  Heibig  und  mir  (RM.  1887,  269)  für 
chalkidisch-ionischen  Ursprung  dieser  Metall- 
formen gegenüber  der  von  Marchesetti,  Du- 
cati,  Grenier  u.  a.  vertretenen  nordischen 
Herkunft  einzutreten:  eine  grundsätzlich  für 
Fabrikations-  und  Handelsgeschichte  recht 
wesentliche  Frage  von  weittragender  Be- 
deutung (Bull.  pal.  XLII,  1917,  36—49). 
Im  selben  Bande  des  Bull.  pal.  1 10— 112 
bildet  MaggiuUi  eine  solche  Rippencista  aus 
Rudiae  im  Museum  von  Lecce  ab  und  be- 
tont ihr  häufiges  Erscheinen  auf  apuhsch- 
messapischen  Vasen  des  4.  Jahrhunderts  aus 
Rugge  und  Umgegend.  —  So  glänzend  es, 
seit  Orsis  Tatkraft  vor  mehr  als  30  Jahren 
einsetzte,  um  unsere  enorm  erweiterte  Kennt- 
nis Ostsiziliens  bestellt  ist,  so  kümmerlich 
war  es  bekanntlich  im  Westen.  Eine  so 
wichtige  Griechenstadt  wie  Akragas  blieb 
so  gut  wie  unberührt,  in  Selinus  wurde  zwar 
gegraben,  auch  Wichtiges  gefunden:  aber 
die  Fundstücke  wanderten  in  die  Keller  des 
Museums  von  Palermo,  ohne  daß  genügende 
Berichterstattung  erfolgt  wäre.  Ebenso  in 
Lilybäum  usw.  Auch  die  ProJ:)leme  der 
Frühzeit,  die  Orsi  im  Osten  so  schön  klärte 
und  die  Entwicklung  langer  Jahrhunderte 
in  einen  organischen  Zusammenhang  brachte, 
,so  daß  ein  festes  geschichtliches  Bild  auch 
vom  einheimischen  Wesen  bis  tief  in  die  helle 
griechische  Zeit  hinein  geschaffen  ist,  sind  im 
Westen  nur  sporadisch  angefaßt.  Das  alles 
wird  aber  besser  werden,  seit  vor  einigen 
Jahren  mit  Ettore  Gabriel  ein  Direktor  ans 
Museum  von  Palermo  getreten  ist,  der  mit 
großer  Sachkenntnis  und  Grabungserfahrung 
auch  Fleiß  und  Gewissenhaftigkeit  in  hervor- 
ragendem Maße  mitbringt.  Die  großen  Men- 
gen zum  Teil  schon  vor  langer  Zeit  aufge- 
deckter selinuntiner  Gräber,  deren  Inhalt  in 
den  Katakomben  des  palermitaner  Museums 
von  neuem  begraben  war,  mußte  ihn  ver- 


anlassen, der  vornehmsten  Begräbnisstätte 
von  Selinus  im  Fondo  Gaggera  westlich 
des  Selinus  seine  besondere  Aufmerksamkeit 
zuzuwenden,  um  so  mehr,  da  an  dieser  einzig- 
artigen Stätte  zwar  1902— 03,  1905,  1915  ge- 
graben ist,  die  Berichterstattung  jedoch  mit 
1898  aufgehört  hat.  Besonders  interessant 
ist  hier  bekanntlich  die  Verbindung  der  Ne- 
kropole  mit  reich  mit  Kultvorrichtungen 
und  Weihegaben  ausgestattetem  heiligem 
Bezirk,  welcher  den  Gräberfeldern  vorge- 
lagert ist.  Das  Haupttemenos  erfuhr  1905 
eine  Ergänzung  durch  ein  kleineres  Temenos 
mit  einem  Altar.  Der  mit  Resten  von  Weih- 
gaben ganz  durchsetzte  Boden  in  beiden  Be- 
zirken gab  arger  Raubgräberei  ein  gefähr- 
liches Feld.  So  begann  denn  Gabriel  seine 
Tätigkeit  mit  genauen  Untersuchungen  und 
Vervollständigung  früherer  Arbeit,  deren  Er- 
gebnisse durch  den  Flugsand  zu  gutem  Teile 
bereits  wieder  zugedeckt  waren.  Die  Nord- 
westecke des  großen  Temenos  wurde  frei- 
gelegt und  ebenso  der  kleine  Bezirk.  Das 
Votivmaterial  hat  sich  außerordenthch  ver- 
mehrt; schon  die  in  Gabriels  erstem  Bericht 
Not.  1920,  67—91  abgebildeten  30  Terra- 
kotten von  ganzen  Figuren  und  Köpfen 
weiblicher  Gottheiten  geben  eine  Vorstellung, 
was  für  den  Kult  der  chthonischen  Götter 
hier  alles  gewonnen  und  zu  gewinnen  ist, 
so  daß  man  versteht»  daß  Gabriel  eine 
größere  Publikation  mit  Plänen  und  voll- 
ständiger Veröffentlichung  des  gesamten  Vo- 
tivmaterials  in  Vorbereitung  hat  und  bitter 
klagt,  daß  auch  in  Italien  die  Schwierig- 
keiten und  Kosten  des  Drucks  jetzt  so  hin- 
dernd eingreifen.  Die  erste  der  Stadt  in 
ihrer  anfänglichen  Beschränkung  auf  das 
Burgplateau  —  auf  das  sie  nach  der  Zer- 
störung und  Neubefestigung  durch  Hermo- 
krates  wieder  reduziert  wurde  —  nächste 
Nekropole  auf  dem  nördlichen  Hügel  von 
Galera  Bagliazzo,  wo  u.  a.  über  einem  Grabe 
noch  der  Bronzejüngling  von  Castelvetrano 
gefunden  ist  — ,  ist  augenscheinlich  be- 
deutend früher  als  wir  annahmen  durch  die 
Westnekropole  zu  ersetzen  begonnen,  ein 
Beweis  für  das  rasche  Aufblühen  der  Stadt: 
das  lehren  die  neuen  Funde.  Denn  unendlich 
reich  ist  von  dort  bereits  die  protokorinthi- 
sche,  korinthische, rhodische,  attisch  sf.  Kera- 
mik vertreten,  dann  die  rf.,  dazu  die  Terra- 


20I 


Italien  1914 — 1920. 


2Ü2 


kotten,  und  alles  durch  das  Zerstörungsjahr 
mit  festem  Endpunkt.  Sie  vervollständigen 
zugleich  das  Bild  dieser  in  der  ganzen  griechi- 
schen Welt  bis  jetzt  so  einzigartigen  Toten- 
kultstätte  derartig,  daß,  wer  sich  mit  griechi- 
scher Religionsgeschichte  abgibt,  nur  mit 
größter  Erwartung  jener  in  Aussicht  gestell- 
ten Gesamtveröffentlichung  entgegenhoffen 
kann.  Drei  vielfach  interessante  Bleidefixio- 
nen  von  dort  RCL.  1918,  193—206  (Com- 
paretti).  —  Von  den  Grabungen  auf  der 
Akropolis  beim  Tempel  C  war  schon  oben 
die  Rede.  Im  Archivio  stör.  p.  1.  Sicilia 
Orientale  XVI,  1—8  mit  Tafel  veröffentlicht 
Gabriel  Originalberichte  Valerio  Villareales, 
mit  Serradifalcos  Nachlaß  ins  Museum  von 
Palermo  gekommen,  über  die  Grabungen  der 
Jahre  1830— 32  an  den  Tempeln  E  und  F, 
sowie  einige  nachträgliche  Grabungen  bei 
B  und  C.  Wenn  auch  schon  benutzt  im 
Bull.  Inst.  1831,  177  ff.  und  bei  Serra- 
difalco,  enthalten  die  Berichte  doch  noch 
manches  beachtenswerte,  besonders  über  die 
noch  zahlreich  beobachteten  Farbspuren 
(über  die  Gabriel  erneute  Untersuchung  ver- 
spricht) und  die  Fundlage  der  Metopen.  — 
Motye,  die  karthagische  Inselfestung,  früher 
derartig  verwachsen,  daß  man  in  der  Tat 
kaum  mehr  davon  sah,-  als  das  Bild,  welches 
wir  1896  auf  einer  badischen  Studienreise 
aufnahmen  (Aus  dem  klassischen  Süden, 
Taf.  131),  hat  durch  ihren  jetzigen  Besitzer, 
den  italianisierten  Engländer  Whitaker,  eine 
Untersuchung  erfahren,  deren  Ergebnisse  er 
selbst  in  einem  Buch,  das  mir  noch  nicht  zu 
Gesicht  gekommen  ist,  dargelegt  hat :  Joseph 
^  J.  Whitaker,  Motya,  a  Phoenician  Colony  in 
Sicily.  London  1921.  G.  Bell  and  sons.  XVI, 
358  SS.  9  Karten  und  Pläne.  116  Abb. 
Preis  30  Sh.  Pace  berichtet  Not.  1915, 
431 — i,(s  und  bildet  einiges  ab  mit  leider  nur 
10  Textfiguren  und  ohne  den  Stadtplan, 
soweit  er  sich  bis  dahin  hätte  geben  lassen. 
Die  Gräber  geben  auch  hier  das  getreueste 
Bild  der  Stadtgeschichte.  Daher  erwähne 
ich  zunächst  eine  überraschende  Entdeckung, 
Gräber  auf  der  Insel  selbst  und  zwar  unter 
und  innerhalb  der  Stadtmauer,  also  älter  als 
diese  und  mit  dem  Karthago  des  8.-7.  Jahr- 
hunderts auch  darin  zusammengehend,  daß 
in  für  Semiten  erstaunlichem  Grade  die  Vcr- 
brenmingssitte   Platz  gegriffen   hat:    proto- 


korinthische  Gefäße  verschiedenster  Gattung 
und  anderes  Material,  als  Waffen,  Halsketten 
auch  mit  Bernsteinverwendung,  mit  Silber 
und  Gold  datieren  diese  Gräber.  Die  späte- 
ren früher  allein  bekannten  Gräber  gegenüber 
auf  dem  Festland  an  der  »Li  Birgi«  ge- 
nannten Örtlichkeit  kehrten  wieder  zur  alt- 
semitischen Bestattung  in  Sarkophagen  oder 
Holzsärgen  zurück,  wenn  auch  vereinzelte 
Brandnachzügler  nicht  fehlen.  Diese  jüngere 
Nekropolis,  die  kurze  Zeit  noch  neben  den 
Begräbnissen  auf  der  Insel  herging,  dann 
aber  diese  ersetzte,  ist  durch  die  sf.  und  rf. 
attischen  Vasen,  bunte  Gläser,  etwas  junges 
Bucchero,  schwarzgefirniste  Gefäße  mit  auf- 
gesetztem Weiß  und  Rot,  dazu  einigen  In- 
schriften mit  punischen  Namen,  aber  in 
älterer  griechischer  Schrift,  die  erst  demnächst 
veröffentlicht  werden  sollen,  charakterisiert; 
sie  steht  ganz  unter  jenem  starken  griechi- 
schen Einfluß,  dem  die  karthagische  Epi- 
krateia  überhaupt  im  5.  Jahrhundert  zu  er- 
liegen drohte,  den  man  auch  auf  dem  Eryx 
beobachten  kann,  so  daß  man  das  gewalt- 
same Abwerfen  solcher  politisch  gefährlich 
werdenden  Suprematie  gegen  das  Jahrhun- 
dertende versteht;  dieser  Gräberinhalt,  mit 
dem  manche  Funde  im  Stadtgebiet  zusam- 
mengehen, bestätigt  durchaus,  was  man 
schon  aus  der  Münzprägung  hätte  sehen 
können,  aus  den  Silbermünzen  mit  griechi- 
scher Aufschrift,  z.  B.  Holm,  Gesch.  Siz.  III, 
Taf.  IV,  9  oder  Brit.  Mus.  Cat.  Sicily  115, 
116,  ebenso  aus  den  punischen,  für 
sizilische  Zirkulation  in  Motye  geprägten 
Stücken:  Holm,  Taf.  VIII,  8  oder  BMC. 
243—45.  Erwähnt  sei,  daß  die  Grabungen 
verschiedene  neue  Münztypen  zutage  för- 
derten, darunterein  Silbertetradrachmon  mit 
einem  dem  Typus  des  Eukleidas  und  Kimon 
nachgebildeten  Frauenkopf  nach  rechts, 
einem  Weizenkorn  zwischen  vier  Kugeln  auf 
der  Rückseite  (443,  3).  Eine  gute  Vorstellung 
vom  Aussehen  der  älteren  insularen  Brand- 
gräber, deren  Inhalt  und  einfachsten  Grab- 
cippen  geben  die  Abbildungen  Fig.  8 — 10. 
Die  Stadt  lebte  bis  397.  Die  Belagerungs- 
geschichte und  ihre  Einnahme  durch  Diony- 
sios,  wie  sie  Diod.  XIV,  47—53  anschaulich 
schildert,  erhält  durch  die  Aufdeckung  der 
Befestigungen  und  der  wesentlichen  Züge 
des  Stadtgrundrisses  sowie  der  Häuser  helles 


203 


Italien   1 914  — 1920. 


204 


Licht.  Die  Stadtmauern,  schöner  Quader- 
bau mit  viereckigen  Türmen,  ein  doppel- 
tes, reich  gegliedertes  Nordtor  von  zwei 
Türmen  flankiert,  stellt  die  Hauptverbin- 
dung der  Stadt  nach  dem  Festland  dar,  in- 
dem es  sich  nach  dem  Deich  öffnete;  im 
Süden  entsprach  ein  einfacheres  Tor;  kleine 
Pförtchen,  die  eine  anschauliche  Vorstellung 
geben  z.  B.  von  den  Ausfallpforten  auf  dem 
Stadtbilde  der  Gjölbaschireliefs,  öffnen  sich 
dazwischen.  Weiß  getünchte  Zinnen  aus 
Sandstein  zeigen  eine  neue  Form  (Fig.  4); 
schöne  Treppen  führen  von  den  Mauern 
herab  zu  den  Landeplätzen  (Fig.  6).  Im 
Nordwesten  ist  eine  große  Bresche  gefunden 
und  ebenda  eine  große  Menge  Bronzepfeil- 
spitzen :  wohl  die  Bresche  des  Dionysios. 
Das  Nord-  und  Südtor  sind  durch  eine  grade 
Straße  verbunden,  in  der  Mitte  ein  großer 
Platz  mit  Tennenboden,  wohl  ein  Markt. 
An  ihm  stand  ein  Monumentalbau,  ungewiß, 
ob  städtischen  oder  religiösen  Zwecken  die- 
nend. Auch  eine  Töpferwerkstatt  fand  sich 
am  Platz,  ebenda  eine  Terrakottaarula  mit 
zwei  Löwen  und  Stier,  wie  solche  mehrere 
gefunden  sind,  merkwürdig  auch  für  griechi- 
sche Religionsäußerungen  auf  fremdrassigem 
Boden.  Häuser  mit  Mosaikböden,  auch  fi 
gürlich  geschmückten  —  Tierkämpfe  — , 
durch  rf.  Gefäßbruchstücke,  das  wohl  jüngste 
eine  Meidiasscherbe,  vor  397  datiert,  wie  zu 
erwarten.  Ein  imposantes,  vornehmes  Haus 
läßt  noch  seine  Höhe  erkennen,  wie  ja  auch 
in  Karthago  gebaut  wurde  und  die  enge 
Inselfestung  es  nahelegen  mußte.  Einfache 
Häuser  sind  aus  Lehmziegeln  und  Holz  ge- 
baut. Die  Dächer  sind  bei  vielen  Häusern 
nicht  Ziegel,  sondern  Lehmschlag  oder  Rohr- 
dächer über  Holzbalken,  auch  Olivenzweige 
sind  verwendet  worden.  Zwischen  den 
Häusern  enge  Zwischengänge,  wie  so  oft. 
Face  verweist  auf  die  gleiche  Erscheinung 
in  Solus.  Auch  auf  Pergamon  mit  seinen 
Peristaseis  können  wir  hinweisen.  Ein  klei- 
nes, geschlossenes  Hafenbecken,  wie  wir  es 
aus  Diodors  Beschreibungerschließen  müssen, 
in  Karthago  noch  sehen,  wurde  ermittelt. 
Führt  uns  nunmehr  dies  Hafenbecken  eine 
Episode  der  Schlußkatastrophe  lebendig  vor 
Augen,  so  mag  damit  auch  eine  kleine 
Gruppe  von  Gräbern  auf  der  Insel  selbst 
nnhe  den  Bastionen  am  Nordtor  in  Zusam- 


menhang stehen ;  wohl  mit  Recht  sieht  Pace 
hier  während  der  Belagerung  Gestorbene. 
Aus  späterer  Zeit  sind  nur  ganz  vereinzelte 
Dinge  gefunden,  ärmlich  und  unbedeutend, 
die  nur  bestätigen  können,  daß  es  mit  Motye 
nach  397  zu  Ende  war.  Lilybaion  war  an  die 
Stelle  getreten.  Erwähnt  sei  schließlich,  daß 
einzelne  Spuren  vorphönikischer  Besiedelung 
altsikulischen  Charakters  auf  der  Insel  ge- 
funden sind  (445). 

Not.  1919,  80—86  macht  Pace  einige  Mit- 
teilungen über  die  Gruppen  punischer  Gräber 
um  Lilybaion,  wo  ganz  anders  wie  bei 
Motye  die  punische  Grabesform  des  Vertikal- 
schachtes mit  von  der  Bodenfläche  sich  öff- 
nenden Seitenkammern,  wie  W'ir  sie  von  Sar- 
dinien, Karthago,  Cypern  usw.  kennen,  die 
in  der  Hauptgräbergegend  nördlich  und  öst- 
lich übliche  ist,  während  im  Südosten  Grup- 
pen unterirdischer  Krypten  mit  Loculi  oder 
gemauerten  Kammern,  zu  denen  man  auf 
Treppen  hinabsteigt,  vorherrschen.  Von 
hier  stammen  jene  bemalten  Stelen  in  Pa- 
lermo, von  denen  oben  die  Rede  war.  Die 
Nekropolen  reichen  augenscheinlich  bis  tief 
in  die  Kaiserzeit  hinab;  doch  fehlen  noch 
durchaus  genauere  Beobachtungen,  so  scheint 
es  wenigstens,  um  eine  wissenschaftliche 
Gliederung,  ja  auch  nur  die  Ritenwechsel 
klar  zu  überschauen.  Viele  rhodische  aber 
auch  einheimische  und  punische  Stempel 
werden  hier  vielleicht  noch  manche  Auf- 
schlüsse über  die  Handelswegc  geben  (Stem- 
pel: 80—82).  Pace,  Arti  ed  Artisti  579  mel- 
det von  Katakombengemälden  aus  Lilybaion, 
die  auf  Salinas  Geheiß  aquarelliert  seien,  von 
denen  man  jedoch  nichts  erfahren  hat.  — 
In  späte  Zeiten  führt  eine  Arbeit  Paces 
ML.  XXIV,  697—736  mit  zwei  Tafeln,  die 
die  Basilika  von  Salemi,  1893  entdeckt 
und  bisher  nur  durch  einen  kurzen  Bericht 
Not.  1893,  339—42  bekannt,  nach  eingehen- 
den Untersuchungen  darstellt:  drei  Schich- 
ten übereinander,  sowohl  die  Kirche  wie  die 
dazu  gehörigen  Gräber.  So  denn  auch  drei 
Mosaikböden  übereinander.  Die  unterste 
Schicht  aus  dem  3.-4.  Jahrhundert  ist  nur 
noch  in  Andeutungen  vorhanden;  desto 
besser  die  zweite,  von  Cubuldeus  (=  Quod 
vult  Deus)  und  Maxima  hergestellt,  mit 
griechischen  Inschriften  des  5.  Jahrhunderts, 
darüber  die  dritte  Schicht  mit  dem  Namen 


20j 


Italien   1914 — 1920. 


2ü6 


des  Presbyter  Dionysius,  alles  lateinisch, 
6.  Jahrhundert,  während  hernach  alles  wie- 
der griechisch  wird.  Die  Gräber,  soweit 
untersucht,  stammen  meist  aus  der  zweiten 
Schicht.  Pace  hätte  gut  getan,  zur  Erklärung 
jenes  merkwürdigen  Wechsels  hinzuweisen 
auf  den  ganz  scharf  im  6.  Jahrhundert  ein- 
setzenden Einfluß  der  römischen  Kirche  auch 
auf  rein  politischem  Gebiet,  wie  ihn  uns  die 
Briefe  Gregor  d.  Gr.  in  so  eindringlicher  und 
kulturell  wertvoller  Weise  schildern,  worüber 
in  Holms  Geschichte  Siziliens  III,  282—316 
ein  sehr  lesenswertes  Kapitel  steht. 

Was  Orsi  für  Sizilien,  ist  Taramelli  für 
Sardinien  geworden.  Sein  schönes  Mu- 
seum in  Cagliari,  luftig  und  weit  und  unge- 
mein übersichtlich  und  methodisch  geordnet, 
durch  einen  von  49  Tafeln  begleiteten  Kata- 
log (Guida  del  Museo  di  Cagliari;  1915, 
200  S.)  gut  vorgeführt,  zeigte  mir,  als  ich 
es  zuletzt  1914  sah  und  mit  der  Erinnerung 
an  die  früheren  bescheidenen  und  überfüllten 
Räume  in  der  Unterstadt  verglich,  welche 
enorme  Fortschritte  die  Kenntnis  der  Insel 
und  ihre  wissenschaftliche  Verwertung  unter 
Taramellis  Leitung  gemacht  hat,  nicht  min- 
der deutlich,. wie  seine  und  seiner  Mitarbeiter 
—  meist  sind  es  aber  seine  überaus  fleißigen 
Abhandlungen  in  den  ML.,  Not.  und  Bull, 
pal.  allein  —  umfassende  Berichte  es  den- 
jenigen ahnen  lassen,  den  das  Schiff  nicht 
hinüberführt  zu  der  einsamen  und  früher  so 
arg  vernachlässigten  Insel.  Mit  großer  Kon- 
sequenz und  eiserner,  auch  physisch  bei  den 
schwierigen  klimatischen  und  sonstigen  Ver- 
hältnissen der  Insel  nicht  hoch  genug  anzu- 
schlagender Ausdauer  haben  Taramelli,  Nis- 
sardi  und  Porro  fortgesetzt,  was  schon  vor 
1913  in  jahrelanger  glücklicher  Arbeit  be- 
gonnen war.  Die  Kenntnis  der  äneolithischen 
und  der  besonders  glänzenden  Bronzezeit, 
die  sich  in  manchen  ihrer  Erscheinungen  auf 
der  abgeschiedenen  Insel  bis  in  die  punische 
und  römische  Zeit  weiterahnen  läßt,  ist  durch 
fruchtbare  Erforschung  einzelner  und  ganzer 
Gruppen  von  gemeinsamem  Zweck  dienender 
Nuragen  sowie  der  zugehörigen  Dörfer  und 
Gräber,  Wasseranlagen  und  Heiligtümer  un- 
gemein gefördert,  auch  das  zugehörige  In- 
ventar, insbesondere  die  Bronzen,  auf  au- 
tochthonen  Ursprung  oder  Import  bzw.  Be- 
einflussung ■  von    anderen    höheren    Kultur- 


gebieten, namentlich  dem  mykenischen  (s. 
besonders  Porro,  Influssi  dell'  Oriente  pre- 
ellenico  suUa  civiltä  primitiva  della  Sar- 
degna:  Atene  e  Roma  1915,  Luglio-Agosto), 
sorgsam  und  vielseitig  untersucht  und  da- 
durch die  Stellung  der  Insel  in  ihrer  Los- 
gelöstheit vom  übrigen  Italien,  ihrer  engeren 
Verknüpfung  mit  den  westmediterranen  Ge- 
bieten, aber  auch  mit  östlichen  Ländern 
mehr  und  mehr  geklärt  worden.  Die  ganze 
Aufmerksamkeit  der  Forscher  während  der 
Berichtszeit  ist  auf  das  eigentlich  Sardische 
gerichtet  gewesen,  entsprechend  den  starken 
Anregungen,  die  Taramellis  eigene  und 
Mackenzies  Forschimgen  über  Nuragen  und 
Megalithdenkmäler  anderer  Art,  über  Siede- 
lungs-  und  Hausbauformen,  Gräber  und 
Heiligtümer  gegeben  haben.  Pettazzonis  ge- 
dankenreiches Buch  »La  religione  primitiva 
in  Sardegna«,  Piacenza  1912,  kombiniert  ge- 
wiß noch  oft  zu  rasch  und  eilt  unserm  wirk- 
lichen Wissen  kühn  voraus:  aber  sicher  hat 
Deubner  recht,  wenn  er  Arch.  f.  Religions- 
wiss.  XX,  1920,  191  es  zu  den  Büchern 
rechnet,  welche  der  Wissenschaft  einen  Ruck 
geben.   Daß  wir  uns  namentlich  in  den  Bcrg- 

'  gebieten  der  Insel  noch  inmitten  der  ge- 
schichtlichen Zeiten  puniscner  und  später 
römischer  Beherrschung  einem  deutlich  greif- 
baren Naturvolkszustand  gegenübersehen, 
wie  ihn  uns  Poseidonios  von  Ligurern  und 
Korsen  schildert,  macht  grade  die  kultlichen 
Dinge  auf  der  Insel  in  ihrer  ganzen  Greif- 
barkeit mit  den  von  Jahr  zu  Jahr  rasch 
fortschreitenden  und  musterhaft  veröffent- 

I  lichten  Forschungsergebnissen  für  uns  so 
lehrreich;    aber  auch  alles  übrige,   die   Bc- 

I  festigungskunst,  ganz  auf  stete  Verteidi- 
gungsbereitschaft gerichtet,  die  Wohnweisc, 
die  Hauskunst,  den  Totenkult  u.  a.  Wäh- 
rend in  früheren  Zeiten  der  jetzt  ja  erledigte 
Streit  über  die  Bestimmung  der  Nuragen 
mehr  zur  Einzelbeobachtung  gedrängt  hatte, 
hat  die  namentlich  durch  den  unermüdlichen 
Nuragenforscher  Nissardi  gewaltig  geförderte 
Zahl  der  wissenschaftlich  bekannten  Nu- 
ragen und  der  Entwurf  wenigstens  partieller 
Nuragenkarten  zur  Erkenntnis  der  in  ihnen 
sich  ausdrückenden  Befestigungssysteme  ge- 
führt und  damit  zur  Ermittelung  ihres  Ver- 
hältnisses zur  Gestaltung  der  Landschaft, 
ihrer  Gliederung  und  Verteidigungsfähigkeit. 


207 


Italien  19 14 — 1920. 


208 


So  gaben  die  schönen  Entdeckungen  San- 
filippos,  schon  benutzt  von  Pais  RCL.  1909, 
5—6,  den  ersten  Anstoß  zu  der  gründlichen 
Bearbeitung  des  sardischen  Verteidigungs- 
systems des  südwestlichen  Erzgebirges 
durch  Tarämelli  ML.  XXIV,  633—95  mit 
27  Textabbildungen,  eine  Arbeit,  die  sich 
würdig  seiner  Darstellung  des  grandiosen 
innersardischen  Festungskomplexes  der  Gi- 
ara  di  Gesturi  durch  ihn  und  Nissardi  ML. 
XVIII  anschheßt  und  ihre  Forsetzung  findet 
in  der  Behandlung  der  Sperrfortsysteme 
zwischen  dem  Campidano  und  dem  nörd- 
lichen Inselteil,  durch  welche  »ugleich  die 
durch  die  Flußgebiete  südlich  des  Tirso, 
nördlich  des  Temo-Coghinas  sich  öffnenden 
Verbindungen  ins  Innere  und  durch  die  Insel 
gedeckt  wurden,  durch  Taramelli  in  Wieder- 
aufnahme von  Pinzas  Veröffentlichung  des 
Nissardischen  Materials  (ML.  XI)  in  folgen- 
den Neubehandlungeh:  Not.  1915,  305—13 
Nurage  S.  Barbara  auf  der  Felszunge  öst- 
lich vom  Eintritt  des  Tirso  in  das  Campidano: 
ein  Doppclturm,  dazwischen  Hof,  sukzessiv 
angelegt,  mit  Geheimkammer  im  Haupt- 
turm mit  Beobachtungs-  und  Verteidigungs- 
loch im  Boden,  durch  zwei  Treppen  zu- 
gänglich, der  Herd  steht  im  Nebenturm,  der 
zur  Verteidigung  des  Hauptturms  eingerich- 
tet wurde ;.  ähnliche  Anlagen  auch  anderswo, 
aber  nirgends  so  gut  untersucht  und  er- 
halten; im  Innern  Spuren  von  Hütten- 
bauten noch  aus  der  Kaiserzeit  mit  zuge- 
hörigen Gräbern  draußen.  Ferner  15  —  18  km 
weiter  nördlich  die  westöstlich  verlaufende 
Sperrlinie,  welche  den  Nordrand  der  Hoch- 
fläche von  Abbasanta  zwischen  Tirso  und 
Collica  verteidigt,  wo  die  Nuragenzitadellen 
von  Norbello  (Not.  1915,  117— 118),  Nurar- 
thei  im  Tal  von  Domusnovas  Canales  (Not. 
1915,  118— 119;  Bull.  pal.  XLI,  15  —  16), 
besonders  aber  »il  sovrano  dei  nuraghi  sardi« 
(Bull.  pal.  XLI,  18),  der  mächtige  Nurage 
Losa  mit  seinen  sukzessiven  Erweiterungen, 
seinem  mit  Korkplatten  zur  Trockenhaltung 
ausgefütterten  Geheimraum  für  Waffen  u.  ä. 
seinen  römischen  und  christlichen  Hütten 
und  seinen  Kultresten  schön  aufgenommen 
wurde  (Not.  1916,  235—54).  Alsdann  hat 
sich  Taramellis  Forschung  nördlich  der  schon 
durch  Lamarmora  u.  a.  relativ  gut  bekannten 
Nuragenkette,  welche  das  Plateau  von  Ma- 


comer  sicherte,  dem  Gebiet  von  Bonorva 
zugewandt,  wo  die  Abdachungen  des  Mar- 
ghineplateaus,  jene  unwirtliche,  altberühmte 

!  Banditengegend,  den  Paß  zwischen  Tirsotal 
und  Logudoro  sowie  die  Verbindungen  nach 
Nordwest  beherrschen,  eine  Gegend,  die  we- 
gen der  vielen  und  äußerst  geschickt  an- 
gelegten Nuragen,  ummauerten  Bezirken, 
Siedelungen  und  Heiligtümern  sowie  der 
zahlreichen  und  ausgedehnten  vorrömischen 
Nekropolen  Taramelli  für  den  politischen 
und  strategischen  Mittelpunkt  der  Insel  an- 
sehen möchte.  In  einer  umfassenden  und 
gründlichen  Abhandlung  ML.  XXV,  1919— 
20,  765—904  mit  60  Abbildungen  breitet 
Taramelli  seine  Ergebnisse  aus,  gibt  zunächst 
ein  durch  Karten,  die  freilich  nicht  die 
grade  hier  wichtige  klare  Reliefwirkung  der 
Lamarmoraschen  Karte  oder  der  auf  sie  ge- 
bauten des  Touring  Club  erreichen,  erläuter- 
tes Bild  der  ganzen  Landschaft  mit  ihren 
unendlich  vielen  Nuragen,  um  darauf  seine 
weiteren  Darlegungen  und  Schlüsse  aufzu- 
bauen, bildet  einzelne  der  hervorragendsten 
Nuragen  ab,  z;  B.  Oes  bei  Torralba,  Giove, 
Oltovolo,  Puttu  de  Inza  (Fig.  28—32)  u.  a. 
und  erläutert  den  sakralen  Charakter  einiger 
Nuragen  (834—35).  Sodann  wird  besondere 
Aufmerksamkeit  den  runden  ummauerten 
Bezirken  zugewandt,  von  denen  namenthch 
einer  im  Piano  di  S.  Lucia  bei  der  Fontana 
Sansa  eingehend  veröffentlicht  und  be- 
sprochen wird  (Fig.  17— 20b);  allein  auf 
dieser  Hochfläche  sind  nicht  weniger  als  30 
solcher  »Recinti«  festgestellt,  die  keine  Be- 
festigungen, sondern  Umhegungen  heihger 
Bezirke  gewesen  sein  müssen,  da  in  ihnen 
vielfach  Quellen  gefunden  sind,  deren  Kult, 
mag  man  auch  einige  Übertreibungen  re- 
ligiöser Heiligung  aller  Quellen  abziehen, 
wie  sie  namentlich  in  Pettazzonis  Buch  auf- 
zutreten scheinen,  doch  zweifellos  ein  un- 
gemein wichtiges  Element  der  sardinischen 
Agrarreligion  gewesen  ist,  wie  grade  Tara- 
melli in  den  beiden  grundlegenden,  vorzüg- 

I  liehen  und  glänzend  illustrierten  Abhandlun- 
gen »II  Tempio  Nuragico  cd  i  monumenti 
primitivi  di  S.  Vittoria  di  Serri«  (ML. 
XXIII,  1915  —  16,  313—436  mit  Taf.  I  bis 
VIII  und  119  Textabbildungen,  früher  kurz 
Not.  1915,  99—107,  ferner  Pettazzoni,  Bull, 
pal.  XXXV,   159—77)  und  »II  tempio  Nu- 


209 


Italien   1914 — 1920. 


210 


ragico  di  S.  Anastasia  in  Sardana«  (ML. 
XXV,  1918,  5  —  106,  Taf.  I-X  und  109  Ab- 
bildungen) zur  Gewißheit  erhoben  hat,  mit 
zahlreichen  Grundrissen,  Abbildungen, 
Durchschnitten,  Rekonstruktionen  und  über- 
zeugenden Heranziehungen  von  Erwähnun- 
gen in  jder  antiken  Literatur  belegt.  Hierzu 
die"  obengenannte  Behandlung  des  Recinto 
von  Fontana  Sansa  (810—16)  und  von 
Su  Lumarzu  (Fig.  22— 26)  sowie  die  schöne 
Entdeckung  des  als  »Funtana  coperta« 
erhaltenen  Quellheiligtums,  das  Spano  schon 
kannte,  ohne  es  würdigen  zu  können,  unweit 
Ballao  am  Flumendosa  (Not.  1919,  169—86 
mit  14  Abbildungen),  eingereiht  in  die  früher 
bekannten  (Not.  173).  Vielfach  Unschädlich- 
machung durch  das  aufgemalte  oder  ge- 
meißelte Kreuz  oder  durch  angeheftete 
Eisenkreuze,  wie  beim  Tempel  von  S.  Vit- 
toria  di  Serri.  Die  Funde  innerhalb  dieser 
mit  wissenschaftlicher  Gewissenhaftigkeit  un- 
tersuchten heiligen  Stätten  berechtigen  dazu, 
viele  früher  bekannt  gewordene  Einzelfund- 
stücke oder  Gruppen  von  solchen,  wie  von 
Forraxi  Nioi,  Valenza,  Abini  u.a.  ebenfalls 
solchen  Heiligtümern  zuzuschreiben  und  da- 
durch Licht  zu  bringen  in  manches  Dunkel 
der  altsardischen  Kleinkunst  und  Religion 
(Bp.  XLI,  13—17).  Gegenüber  der  neuer- 
dings z.  B.  von  Rellini  vertretenen  Annahme, 
erst  die  Bronzeleute  wären  die  Träger  des 
Quellenkultus  gewesen,  wird  derselbe  schon 
in  die  neolithisch-äneolithische  Zeit  hinauf- 
gewiesen (ML.  XXV,  815  —  16).  Von  da  an 
geht  die  Entwicklung  auf  Sardinien  ebenso 
wie  auf  Sizilien  in  ungebrochener  Kette 
weiter,  wie  in  allem  und  jedem  so  auch  in 
der  Religion.  Daß  durch  diese  Kontinuität 
die  zuletzt  von  Ghirardini  vertretene  An- 
sicht, die  keines  der  in  Ägypten  eingefallenen 
Seevölker  mit  einem  der  im  Westen  wohnen- 
den identifizieren  will,  berührt  wird,  erkennt 
auch  Taramelli  und  sucht  sich  in  längeren 
Ausführungen,  auf  die  hier  nicht  eingegangen 
werden  kann,  mit  diesen  Fragen  auseinander- 
zusetzen. Für  mich  sind  allerdings  die 
Schardana  und  die  Schakaleschi  wesentlich 
leichter  und  doch  auch  wohl  methodischer 
mit  Namen  wie  Sardes  und  Sagalassos  in 
Zusammenhang  zu  bringen,  wie  mit  den 
Sardern  und  Sikulern;  und  daß  Taramelli 
ernsthaft  mit   der  These   Cocchias   rechnet 


(883—84),  der  die  Turscha  =  Tusci  schon 
deswegen  für  Italiker  erklärt  (Atti  Acc. 
Napoli  1914,  45),  weil  der  Name  doch  mit 
der  »radice  italica«,  »turris«  osk.  »tiurri« 
zusammenhänge,  die  in  Türmen  wohnenden 
Leute  bezeichne,  ist  verwunderlich;  beide 
scheinen  sich,  wenn  einmal  an  diesen  Stamm 
gedacht  werden  soll,  nicht  des  gutgriechi- 
schen Tupat?  (z.  B.  Find.  Ol.  H,  126,  Xen. 
Anab.  IV,  4,  2;  V,  2,  5;  Hell.  IV,  7,  6  u.  ö.) 
zu  erinnern.  Die  törichte  Verbindung 
übrigens  bereits  bei  den  Alten:  Dion.  Hai.  I, 
26;  Schol.  Find.  Ol.  II,  127  Drachm.; 
schol.  Lycophr.  717.    Daß  grade  den  etruski- 

1  sehen  Mauern  Türme  von  Haus  aus  fremd 
sind,  hob  schon  O.Müller  (M.-Deecke  I,  235) 

j  mit  Recht  hervor.     Ferner  behandelt  Tara- 

j  mein  in  jener  umfassenden  Bonorvaarbeit 
eine  Fülle  von  Gräbern,  die  zu  den  um  die 
Nuragen  gruppierten  Dörfern  gehören,  so- 
wohl Tombe  dei  Giganti  wie  Domus  de 
gianas  mit  vielen  guten  Abbildungen,  Grund- 
rissen und  Durchschnitten:  gradezu  über- 
raschend wirken  die  Gräber  von  S.  Andrea 
Priu    (845—82,  Fig.  35—60),  in  den  Fels 

I  gearbeitete  Komplexe  großer  und  diesen  an- 
geschlossener kleiner  Kammern,  die  großen 
Räume  zum  Teil  mit  inneren  Säulenstellun- 
gen,   imitierten    Zelt-    oder    Satteldächern, 

j  Sparrennachbildung,  Votivnischen  darin, 
auch  in  den  Boden  getieften  Bestattungs- 
gruben (für  Sardinien  neu  859—60),  ferner 
sowohl  in  den  Hauptsälen  wie  besonders  in 
den  Vorräumen  ebenso  wie  in  Anghelu  Ruju 
beckenartige  Vertiefungen  für  Spenden  (z.  B. 
861-66,  Fig. 44-46;  877-80,  Fig.  56-58): 
ähnlich  in  Tonara,  Not.  1911,  388,  Fig. 
1—2;  in  den  Tombe  dei  Giganti  von  Luogo- 
santu  unweit  Laerru  ganz  im  Norden: 
Not.  191 5,  394,  Fig.  I  usw.  Überall  drängen 
sich  die  Vergleiche  mit  den  Wohnhütten  und 
Häusern  der  Lebenden  auf,  deren  Bild  uns 
in  lehrreichster  Weise  vor  Augen  geführt 
wird.  Rundgräber  wie  861—64,  Fig.  44—45 
geben  uns  die  schönste  Ergänzung  zu  den 
Hüttenböden  der  Wohnhütten  von  S.  Vit- 
toria  di  Serri  ML.  XXIII,  329,  Taf.  II 
oder  zu  dem  ganzen  Dorf  in  der  Senkung 
zwischen  dem  mächtigen,  schützenden  Nu- 
ragen auf  der  einen,  den  Gräbern  auf  der 
andern  Höhe,  das  uns  die  Aufdeckungen  von 
Gonnesa    (Scrrucci)  ML.  XXIV,  655  ff., 


211 


Italien   1914 — 1920. 


212 


Fig.  12  wiedergeschenkt  haben,  mit  seinen 
vielen  unregelmäßig  gruppierten  runden 
Steinhütten,  nach  Süden  geöffnet,  manche 
mit  runden  oder  eckigen  Anbauten  für 
Schweine  oder  Kleinvieh,  den  kleinen  Höfen 
dazwischen,  die  Mauern  mit  etwas  Anzug, 
aber  nicht  stark  genug,  um  Steinwölbungen 
zu  tragen,  sondern  berechnet  auf  Holz- 
deckung, wie  die  Gräber  sie  uns  imitiert 
zeigen,  den  vielfachen  Nischen  besonders 
nahe  dem  Herd  zum  Abstellen,  den  ähnlich 
nahe  den  Gräbern  aufgestellten  baitylos- 
artigen  Steinen  und  Stelen,  wie  sie  schon 
früher  von  Tamuli  und  Perdu  Pes,  dort  mit 
Reliefbildern  weiblicher  Brüste  versehen,  be- 
kannt waren  (ML.  XXV,  792—93),  in  Gon- 
nesa  konisch  (ML.  XXIV,  Fig.  19,  22,  23) 
usw.  Es  ist  nur  natürlich,  daß  Taramelli 
durch  die  Entdeckung  besonders  von  Gon- 
nesa  die  Entstehung  der  Nuragenform  und 
-struktur  und  ihr  genetisches  Verhältnis  zu 
jener  einfachen  Hüttenform  neuen  Erwägun- 
gen unterzieht  und  sich  namentlich  mit  Pa- 
troni  (L'Origine  del  Nuraghe  Sardo:  Atene 
e  Roma,  1916,  145-68)  ML.  XXIV,  687-92 
gewissenhaft  auseinandersetzt,  worauf  dann 
wieder  Patron!  repliziert  im  Archivio  storico 
sardo  XIII,  1919,1—22.  Erwähnt  sei  noch, 
daß  in  der  Gegend  von  Orunc,  nördlich 
von  Nuoro,  in  dem  früher  so  wenig  bekann- 
ten Bergland  der  nördhchen  Osthälfte  ein 
neues  Nuragengebict  erforscht  und  gut  er- 
haltene Brunnenanlagen,  Gräber,  auch  wie- 
der von  dem  neuerdings  sich  so  mehrenden 
Dolmentypus,'  aufgefunden  und  abgebildet 
wurden  (Not.  1919,  120—32,  Fig.  I  — 14). 
Besonders  interessant  war  die  Erforschung 
des  Nuragc  von  Ortu  Comidu,  am  Nord- 
os^rand  des  Campidano,  2  km  südlich  von 
Sardara:  ein  nuragenartiger  Bau  mit  zwei 
runden  Nebenräumen  und  mehreren  Vor- 
räumen, tiefem  miteingeschlossenem  Brun- 
nen, der  Nurage  durch  niedrige  Umwallungen 
noch  besonders  geschützt.  Darinnen  reich- 
liche Spuren  einer  Metallgießerei  mit  den 
nötigen  Öfen,  Gruben,  Gefäßen  usw.  (ML. 
XXV,  1919-20,  107-35,  Taf.  Xl-XIIund 
12  Abbildungen).  Fig.  116  gibt  eine  feine 
Rekonstruktion  eines  derartigen  Ofens,  um 
das  Kupfer  aus  dem  Erz  zu  schmelzen.  Der 
politisch  und  handelsgeschichtlich  wichtige 
Reweis,    daß   diese    ganze   Tätigkeit   in    die 


volle  Nuragenzeit  gehöre,  wird  durch  Tara- 
melli gebracht.  Dieser  Fund,  die  Entdeckung 
altsardischer  Kupferausbeutung  bei  Gadoni 
südwestlich  vom  Gennargentu  im  Quellgebiet 
des  Flumendosa  (Taramelli,  Bull.  pal. 
XXXVIII,  1913,  75-83;  ML.  XXV,  127 
bis  29),   diejenige   der  sardischen  Verteidi- 

:  gungskette,    die    das    den    Puniern    so    be- 

'  gehrenswerte  südwestliche  Erzgebirge  gegen 
unberechtigte  Ausbeutung  und  Konkurrenz 
schützen  sollte,  und  manche  Einzelfunde  von 
Bronze  zum  Teil  mykenischen  oder  sonst  aus- 
ländischen Charakters  legen  natürlich  Ur- 
sprungsbetrachtungen nahe,  die  sich  durch 
die  Tarameilischen  Arbeiten  der  letzten  Zei- 
ten hindurchziehen  und  auch  in  jener  oben- 
genannten Abhandlung  Porros  (Atene  e 
Roma  191 5)  ihren  Ausdruck  fanden:  wann 
nämlich  die  durch  die  Funde  der  mykenisch- 
kyprisch  signierten  Bronzebarren  von  Serra 
Ilixi  bei  Cagliari  (Pigorini,  Bull.  pal.  XXX, 
1904,  91  —  107)  bezeugte  Einfuhr  des  Metalls 
durch  einheimische  Produktion  in  Wegfall 
kam  und  die  der  Erzeugung  folgende  ein- 
heimische Metallarbeit  einsetzte,  eine  Frage, 

.  die  besonders  für  die  Waffenformen,  aber 
natürlich  auch  für  vieles  andere  von  großem 
Interesse  ist.  So  ergab  ein  bedeutender  Fund 
von  Waffen,  Werkzeugen,  Geräten  und 
Bronzebruchstücken  aller  Art,  auch  runden 
und  längHchen  Bronzebarren,  der  1914  auf 
dem  Monte  Idda  am  Ostrand  des  Erz- 
gebirges, nahe  dem  Ausgang  des  Cixerritales 
zwischen  Siliqua  und  Decimoputzu  gemacht 
wurde  (Not.  1915,  89—97;  Bull.  pal.  XLI, 

I  16—18;    Not.  1918,  163—68)  u.a.  Schwert- 

I  griffe,  die  deutlich  an  kretische  und  mykeni- 
sche  Formen  anklingen,  aber  doch  durch 
Vereinfachung  und  leichte  Abweichungen 
wohl    auf    einheimische    Arbeit    hinweisen. 

i  Während  die  ägeischen  Elemente  derselben 
Zeit  in  Sizihen  einfach  aufgenommen  wur- 
den, wo  einheimisches  Metall  fehlte,  hat  das 
sardinische  Kupfer,  das  das  Handelsinteresse 
und  die  Habsucht  der  Phöniker  und  Kar- 
thager in  einer  für  die  Insel  so  verhängnis- 
vollen Weise  früh  reizte,  die  einheimische 
Technik  zeitig  geweckt  und  für  Waffen  und 

'  Werkzeuge  die  Bewohner  bald  zu  Selbst- 
erzeugern gemacht,  wobei  die  überkomme- 
nen bewährten  Formen  maßgebend  blieben, 
während  die  Freude  an  der  neu  errungenen  . 


213 


Italien   1914 — 1920. 


214 


Kunst    den    Anreiz    bot,    der    eigenen    für 
Plastik  durch  keine  Tradition  gebundenen 
und  gezügelten  Phantasie  die  Zügel  schießen 
zu  lassen  und  so   zu   jener  barbarisch  an-  : 
mutenden,figürlichen  Auswirkung  führte,  die  ' 
uns  mehr  an    Iberisches  und  Westafrikani- 
sches wie   an   östliche   Mittelmeerkunst  er- 
innert.     Beiläufig   sei   hier  der  Fund  eines 
frühsardischen  Kriegers  aus  der  Gallura  er- 
wähnt, das  erste  Beispiel  aus  jener  Gegend  [ 
überhaupt,    die    ja    in    manchem    mehr   an 
Korsika   wie    an    die    eigne    Insel   gemahnt 
(Not.  1918,  72—76).     Taramelli  hält  sie  für 
das   Anzeichen   eines   dem   Fundort   nahen 
Heiligtums,  an  dessen  Stelle,  am  Wege  von  j 
Tempio    nach    Palau,    bei    Luogosantu    am  ! 
Abhang  des  Monte  Balaiana  zwei  alte  Feld- 
kirchlein, des  N.  S.  del  Rimedio  und  des  Sal- 
vatore,    die   letztere   uralt,    nach   Taramelli 
vielleicht  die   Erinnerung  festhalten.      Der- 
artige Schlüsse  sind  auf  Sardinien  ganz  be- 
sonders   berechtigt,    wo    die    Zähigkeit    der 
Tradition  einzigartig  ist,  wie  ja  auch  Lebens-   ' 
und  Geistesverfassung  der  Bewohner  in  den  j 
abgelegneren  Gegenden  noch  heute  durch- 
aus frühgeschichtlich,  um  nicht  prähistorisch 
zu  sagen,  anmutet.     Der  antike  Kult  setzt 
sich  fort  in  Höhlen   (ein  interessanter  Be- 
richt z.  B.  über  die  Grab-  und  Votivgrotte  ' 
von  S.  Michele  dei  Cappuccini  bei  Ozieri 
von    Porro    Not.    1915,    124—36)    und   auf  [ 
Bergen  und  Hochflächen;    so  ist  das  Kirch- 
lein   von    S.  Vittoria    di    Serri    noch    heute  J 
Stätte  von  Dankfesten,  besonders  für  Ernten,  ; 
sicher   ganz   wie    vor    Jahrtausenden    (ML.  . 
XXIIT,   388),   so  finden  die  religiös-zivilen 
Versammlungen  der  heutigen   Sarden    noch 
auf  entlegenen  Höhen  oder  von  den  Orten 
entfernten  Plätzen  statt,  wie  solch  ein  Platz 
inmitten  der  Giara  di  Serri  für  Versammlun- 
gen hergerichtet  mit  allen  nötigen  religiösen 
Einrichtungen,  einem  Weihwasserbecken  am 
Eingang,  einem  Altar  im  Inneren,  den  Fund- 
stücken nach  benutzt  durch  die  ganze  puni- 
sche  und  römische  Zeit,  von  Taramelli  ML. 
XXIII,  406—29  mit  Hinweis  auf  die  jetzigen 
Sitten  beschrieben  und  abgebildet  wird.   — 
Langandauernde    Gräberplünderungen    und 
der  Wunsch,  einer  vor  langen   Jahren  ins 
Museum  von  Cagliari  gelangten  Sammlung 
von     Fundstücken    aus     Cornus     wissen- 
schaftlich näherzukommen,  gaben  Taramelli 


den  Anstoß,  diese  kleine,  inmitten  der  West- 
küste gelegene  Stadt  und  ihre  Umgebung 
besser  zu  untersuchen,  als  es  früheren  For- 
schern gelungen  war  (Not.  1918,  285—331 
mit  67  Abbildungen).  Die  Akropolis,  Aus- 
gangspunkt und  schließlich  wieder  Abschluß 
der  in  der  jüngeren  Kaiserzeit  absterbenden 
Stadt,  späte,  wohl  erst  in  der  Sccräuber- 
oder  Vandalennot  errichtete  Mauern  wurden 
festgestellt,  vom  Inneren,  worüber  alte  Be- 
richterstatter mehr  zu  sagen  wußten,  freilich 
ohne  viel  Gewähr  zu  geben,  wenig  mehr  ge- 
funden außer  allerlei  Einzelstücken,  dagegen 
ziemlich  viele  Gräber,  deren  Lage  zeigt,  wie 
außerhalb  der  Stadt,  ihrer  ländlichen  Be- 
deutung gemäß,  sich  Einzelgehöfte  oder 
Dörfer  in  ihrem  Weichbild  verbreitet  hatten, 
vielleicht,  darauf  führt  namentlich  die 
Lage  altsardischer  Gräber  —  guter  Domus 
de  gianas,  darunter  intakte,  mit  außerordent- 
lich vielen  sukzessive  hineingebrachten  Toten 
gefüllt  — ,  sogar  Vorgänger  der  Stadt  selbst, 
die  in  punischer  und  frührömischer  Zeit  sich 
einer  gewissen  Blüte  erfreut  zu  haben  scheint. 
Auch  punische  und  römische  Gräber  wurden 
ziemlich  viele  gefunden,  mit  •zum  Teil  in- 
taktem Inhalt,  darunter  schöne  und  sehr 
mannigfache  Glasgefäße,  wie  sie  mit  jener 
Sammlung  auch  seit  lange  einen  Stolz  des 
Museums  von  Cagliari  bilden.  —  Daß  im 
übrigen  wie  an  Interesse  so  auch  an  tat- 
sächlichen Funden  die  jüngere  Zeit  auf  der 
Insel  mehr  zurücktritt,  versteht  sich  von 
selbst.  Punisches  wurde  während  der  Be- 
richtsperiode, wie  es  scheint,  kaum  erforscht, 
in  Sulcis  ein  römisches  Haus  mit  spätem 
Mosaik  untersucht  (Not.  1914,  406—09), 
spätkaiserlich- »barbarische«  Schmucksachen 
im  Campidano  aus  Gräbern  bei  Sardiana 
und  Dolianova  (Not.  1919,  141— 47)  aus- 
gehoben und  in  Assemini  13  km  westnord- 
westlich von  Cagliari  interessante  byzantini- 
sche Stücke  dekorativer  Art  zum  Teil  inner- 
halb des  Altars  und  unter  dem  Fußboden 
der  alten  Kirche  S.  Giovanni  Battista  ent- 
deckt (Not.   1919,   161—68). 

Funde  einzelner  bemerkenswerter- 
Kunstwerke,  soweit  sie  nicht  imvorstehen- 
den  Bericht  bereits  verzeichnet  sind.  Nicht 
berücksichtigt  sind  hier  die  inventarartigen 
Aufführungen  aus  den  Zugangslisten  der  Mu- 
seen   in    der    Cronaca    dellc    belle    Arti    im 


215 


Italien   1914 — 1920. 


216 


BoUettino  d'Arte,  ebensowenig'  selbstver- 
ständlich der  große  und  so  höchst  erfreuliche 
Zuwachs  wertvoller  Marmorkunstwerke,  wel- 
che der  Öffnung  der  vatikanischen  Magazine 
verdankt  wird,  worüber  vorläufig  der  Bericht 
über  Amelungs  Vortrag  in  der  arch.  Ges.  in 
Berlin  vom  11.  April  ds.  Js.  Kunde  gibt 
(unten  Sp.  261  f.). 

Statuarische  Marmorwerke:  Statue 
einer  Göttin,  gefunden  bei  Aricia,  jetzt  im 
Museo  nazionale;  Veröffentlichung  durch 
Amelung  im   Jahrbuch   zu  erwarten.      (Vgl. 


Abb.  50.     Fischer,    hellenistische    Statue    von    der 
Via  Praenestina. 

unten  Sp.  261.)  Die  Photographien  lassen 
eine  nooh  strenge  Peplosgestalt  mit  jüngeren 
Anklängen  erkennen,  deren  zu  kleiner  Kopf 
jedoch  neben  der  Hera  Farnese  auch  den 
Barberinischen  Apoll  in  München  herb  i- 
ruft.  Amelung,  der  das  Original  kennt,  denkt 
an  Hegias,  m.  E.  zu  früh.  Ich  fragte  mich 
beim  Anschauen  des  Bildes,  ob  die  Statue, 
schon  ihrer  überlebensgroßen  Ausführung 
nach  Kopie  oder  Umarbeitung  einer  Kult- 
statue des  5.  Jahrhunderts,  nicht  etwa  für 
den    strittigen    Zeitansatz    des    Alkamenes 


von  Bedeutung  werden  kann.  Hera? 
Artemis?  —  Eine  leider  bis  jetzt  nicht 
abgebildete  Athena  ohne  Ägis,  in  der 
man  Parthenosnachwirkung  erkenne,  ist, 
bös  zerbrochen,  an  der  Terrasse  der  sog. 
Villa  Neroniana  in  Antium  gefunden.  5.-4. 
Jahrhundert  nach  Fornari  Not.  1915,  54—55. 

—  Die  von  Mariani  Bull.  com.  XXIX,  1901, 
Taf.  VI,  wozu  71—81,  bekannt  gemachte 
größere   und  treuere  Marmorkopie  der  Her- 

I  kulanenser  Tänzerin  Ost.  Jahresh.   IV,   181, 
Fig.    198,    von    Benndorf   ebenda    183—84 
:  gleichfalls    besprochen,    steht    nunmehr   als 
j  Leihgabe  ihrer  jetzigen  Bostoner  Besitzerin 
I  in  der  Amerikanischen  Akademie  in   Rom 
!  und   ist   als   Titelbild    der   Memoirs   of   the 
Amer.    Acad.    in  Rome   I,   1917  in  schöner, 
neuer    Abbildung   vorgelegt.    —    Im    Frigi- 
darium  der  Thermen  in  Sezze  sind  ein  guter, 
alte  Formensprache  in  den  Stil  des  4.  Jahr- 
hunderts   überführender    Apollonkopf    und 
eine  anmutige  frühhellenistische  Frauenstatue 
gefunden:   Not.  1916,  182—83,  Fig.  3,  2.  — 
Ein    nachpraxitelischer  jugendlicher  Diony- 
sos,   kopflos,  rechter  Arm  hoch,  linker  ge- 
senkt,  stammt  wohl  aus  römischem  Villen- 
besitz bei  Castel  Gandolfo:   Not.  1914,  191. 

—  ML.  XXIV,  207—08  ist  eine  gute,  wenn 
auch  etwas  trockene  Kopie  der  Hygieia 
Hope,  ohne  Kopf,  rechte  Schulter  und  Hand 
gegeben.  —  Eine  leider  sehr  trümmerhaft  er- 
haltene Kolossalgruppe  von  der  Via  Salaria 
atmet  pergamenischen  Geist.  Man  denkt  an 
Achill-Penthesileia  und  erinnert  sich  der 
Amazone  Borghese:    Not.   1915,  25,  Fig.  2. 

—  Ein  hellenistischer  Fischer,  kopflos,  in 
der  Linken  die  Sportula,  knickebeinig,  ähn- 
lich dem  Fischer  in  der  Galleria  dei  cande- 
labri  und  den  beiden  im  Louvre,  stammt  von 
der  Via  Praenestina:  Not.  1920,  224,  Fig.  2 
(wonach  hier  Abb  50).  Dem  Herausgeber 
Mancini  ist  begreiflicherweise  Wiegands 
erschöpfende  Behandlung  des  schönen 
Torso      aus      Aphrodisias      (Jahrb.     d.    pr. 

'  Museen  1916)  unbekannt  gebUeben;  die- 
,  selbe  erfährt  durch  die  neue,  fast  lebens- 
große Gestalt  eine  erwünschte  Erweiterung.  — 
Ebenda  226,  Fig.  3  gibt  eine  gute  Brunnen- 
figur eines  hochauftretenden  jugendlichen 
Satyr,  der  mit  der  linken  den  Strahl  lenkt, 
der  dem  auf  dem  rechtem  Oberschenkel  ru- 
henden Schlauch   entspritzt.  —  Aus  Albano 


217 


Italien  1914 — 1930. 


218 


stammt  eine  guteFrauenbtiste  der  ersten  Kai- 
serzeit: Not.  19 14,  194,  Fig.  2.  —  An  der 
Via  Labicana  fand  sich,  trefflich  erhalten 
und  originell  komponiert  das  Grabbild  einer 
auf  dem  Klinesarg  schlafenden  Frau  flavi- 
scher  Zeit,  bei  der  man  an  das  Haterierdenk- 
mal  erinnert  wird:  Not.  1917,  97,  Fig.  3.  — 
Aus  Olbia,  rarae  aves  für  Sardinien,  kommen 
ein  Drususartiger  Kopf  und  ein  Traian:  Not. 
1919,  113 — 20,  Fig.  I — 4.  —  Ein  sentimental 
aufblickender  römischer  Frauenkopf  der 
zweiten  Hälfte  des  2.  Jahrhunderts  stammt 
aus  Poggio  Sommavilla:  Not.  1916  282.  — 
Den  ikonographisrhen  Hauptfund  aus  der 
Kaiserzeit  ergab  Ostia  mit  einer  Kolossal- 
gruppe des  Commodus  und  der  Crispina  als 
Mars  und  Venus,  die  bekannte  Zusammen- 
stellung der  beiden  Statuenschöpfungen  des 
4.  Jahrhunderts,  für  eine  Nische  bestimmt, 
von  ausgezeichneter  Erhaltung  (es  fehlen  nur 
die  rechten  Hände),  obschon  wahrscheinlich 
hinabgestürzt  in  eine  christliche  Basilika: 
Alles  gut  dargelegt,  die  Gruppe  zutreffend 
behandelt  durch  Moretti:  Not.  1920,  61, 
Fig.  II.  —  Ebenda  Fig.  8  eine  vorzügliche 
Büste  eines  Römers  hadrianischer  Zeit.  — 
In  den  Anfarig  des  3.  Jahrhunderts  gehört 
ein  wohl  zu  einem  Monumentalgrab  an  der 
Via  Appia  zwischen  Capua  und  Caserta  ge- 
hörender Männerkopf,  von  der  Herausgeberin 
Alda    Levi    zu    früh    datiert:    Not.    1917, 

34—35,  Fig-  1—2. 

Marmorwerke  in  Relief:  Von  der  Via 
Clodia  (5 — 6  km  von  Rom)  stammt  ein  aus- 
gezeichnetes Büstenrelief,  die  Büste  in  tiefer 
Nische,  vom  Grabe  eines  L.  Petronius  L.  f. 
Pal.  patronus  faber  argentarius,  also  eines 
freien  Künstlers.  Auffassung  und  Arbeit 
weisen  in  flavische  Zeit.  —  An  der  Via  Sa- 
laria  fanden  sich  große  Bruchstücke  bester 
Arbeit  in  hohem  Relief:  vom  Meer  auf- 
steigende Quadriga,  Männer  und  Frauen, 
vielleicht  Schmuck  eines  monumentalen 
Grabbaues.  Man  möchte,  da  die  Deutung 
mythologisch  gesucht  werden  muß,  an 
Achills  Zug  nach  Leuke  denken:  Not.  1917, 
305 — 08,  Fig.  6 — 7.  —  Von  einem  späten 
Grabe  bei  Aricia  stammt  die  größere  Hälfte 
eines  guten,  leider  ungenügend  abgebildeten 
Reliefs,  jetzt  im  Museo  nazionale,  vielleicht 
von  einem  älteren  Grabe  an  der  Via  Appia, 
mit  ägyptisierenden  Darstellungen  in  römi- 


scher, zum  Teil  absichtlich  scherzhafter  Auf- 
machung. Paribeni  begleitet  die  Veröffent- 
lichung Not.  1919,  106 — 12  mit  guten  Dar- 
legungen über  den  Unterschied  alexandrini- 
cher  und  römischer  Auffassung  ägyptischer 
Dinge.  Ein  interessanter  guter  Larenaltar 
mit  bacchischem  Opfer  aus  Ostia :  Not.  1916, 
145 — 48  und  423,  Fig.  4 — 5:  Laribus  vicinis 
sacrum,  in  situ  gefunden.  —  Von  Sarkopha- 
gen sei  genannt  ein  eigenartiges  Stück  aus 
der  oben  behandelten  Nekropole  S.  Placido 
von  Messina  (ML.  XXIV,  198) :  zu  beiden 
Seiten  der  Vorderfront  je  ein  sich  zuge- 
wandtes Kentaurenpaar,  männlich  und  weib- 
lich, in  der  Mitte  ein  auf  Palmen  ruhender 
Gorgonenschild,  links  und  rechts  davon  zwei 
Panther,  zwei  andere  unter  den  Kentauren; 
über  diesen  fliegende  Harpyien.  —  Ferner 
ein  Endymionsarkophag  von  der  Via  Ar- 
deatina  (Not.  1920,  219,  Fig.  l),  gut 
erhalten,  der  die  Familie  'gut  vertritt, 
welche  uns  durch  den  Sarkophag  Panfili 
(M. — D.  2712;  Robert,  Sarkophage,  III,  I 
Taf.  XIV,  50)  besonders  geläufig  ist.  — 
Aus  Sulcis  sei  ein  kleiner  Altar  genannt,  der, 
auf  drei  Seiten  mit  Darstellungen  punischer 
Götter  in  hellenistischer  Formgebung,  an 
griechische  Götter  und  Heroen  durchaus  an- 
gelehnt, geschmückt,  der  punischen  Inschrift 
zufolge  von  Puniern  geweiht  ist.  Taramelli 
hat  in  sorgsamen  Ausführungen  diese  merk- 
würdige Erscheinung  eingehend  gewürdigt: 
Not.  1919,  151 — 59.  —  Und  wenn  auch  nicht 
aus  Marmor,  sondern  aus  Steatit,  mag  hier 
noch  angereiht  sein  eine  Tafel  aus  Tharros, 
welche  auf  der  Rückseite  in  guter  Hiero- 
glyphenschrift Weihung  an  Amonra,  Mut 
und  Chonsu  ausspricht,  nach  Schiaparelli 
mit  einer  unägyptischen  Anomalie,  während 
die  Vorderseite  diese  Götter  in  allerdings 
weder  ägyptisch  noch  griechisch  aussehender 
Art  in  Relief  gibt:  Not.  1919,  135 — ^40, 
Fig.  1—2. 

Kleinbronzen.  Die  vielen  zum  Teil 
recht  wertvollen  Bronzen  aus  Lokri  und 
Medma,  die  im  obigen  Bericht  nicht  alle 
die  gebührende  Berücksichtigung  finden 
konnten,  sollen  hier  nur  erwähnt  sein;  be- 
sonders hervorgehoben  jedoch  ein  1906  ge- 
fundener Spiegel,  dessen  Rückseite  ein  feines 
Rosettensystem  schmückt  und  den  mit 
hoch  erhobenen  Händen  ein  Peplosmädchen 


219 


Italien  1914 — 1920. 


220 


trägt:  Orsi,  BoU.  d'Arte  XIII,  1919,  95 — lOi 
mit  5  Abbildungen.  Ebenso  die  große  Zahl 
sardischer  Bronzen  aus  den  dortigen  Heilig- 
tümern und  Gräbern,  deren  Abbildungen 
durch  Taramellis  große  Berichte  verstreut 
sind,  unscrn  bisherigen  Bestand  wesentlich 
vergrößern  und  —  was  noch  wichtiger  — 
vielfach  besser  erklären.  Besonderes  Ge- 
wicht legt  Taramelli  auf  einen  Bronzekrieger 
aus  einem  Grabe  bei  Sardara  (ML.  XXIII, 
432,  Fig.  1 18 — 19),  weil  er  in  Tracht  und  Be- 
waffnung seiner  Meinung  nach  den  Bildern 


Eine  atestinische  Frau  aus  der  Anfan  gszeit  des 
großen  Baratelafundes,  also  Periode  III, 
5. — 4.  Jahrhundert,  ersterem  wohl  näher. 
Die  Tracht  ist  aufs  genaueste  nachgebildet, 
der  kurze,  stark  auf  Taille  gearbeitete 
langärmlige  Rock,  der  Gürtel  mit  der  großen, 
rautenförmigen  Schließe,  die  wie  eine  Kor- 
sage wirkt  und  als  solche  schon  in  vielen 
Frauengräbern  Ober-  und  Mittelitaliens  ge- 
funden ist,  der  aus  den  überreichen  Haaren 
spitz  aufgedrehte  Tutulus,  die  dicken  Hosen 
oder  Gamaschen,   die  in  barbarischer  Fülle 


Abb.  51.     Herakles.     Bronzestatuette  aus  Alife. 


der  Schardana  auf  ägyptischen  Wänden 
gleiche.  Auch  auf  das  sonderbare  Votiv- 
bukranion  von  S.  Maria  di  Tergu  ML. XXIII, 
401,  Fig.  95  und  den  prachtvollen,  sonstiges 
sardische  weitüberragenden  Stierkopf  aus 
Orani  ebenda  Fig.  96  sei  besonders  hin- 
gewiesen. — •  Als  Kunstwerk  schauderhaft, 
als  Trachtstück  vom  größten  Wert  ist  eine 
Statuette,  die  in  der  archaischen  Nord- 
nekropole  von  Este  gefunden,  von 
Ghirardini  veröffentlicht  und  mit  muster- 
hafter Sorgfalt  kommentiert  wurde  (Bull,  di 
pal.    XLI    1916,     147 — 163,    Fig.    la — c). 


um  Hals  und  Brust  gelegten  Schmuckketten: 
das  alles  stellt  uns  solch  eine  venetische  Bar- 
barenfrau so  greifbar  wie  nur  denkbar  vor 
Augen  und  erklärt  Originale  aus  den  Gräbern 
und  Abbildungen  auf  Denkmälern.  —  Bendi- 
nelli  bespricht  ML.  XXVI,  221—66 
Taf.  I — II  eine  Menge  italischer  Votiv- 
bronzen  im  Museo  V.  Giulia.  Er  veröffent^ 
licht  den  großen  Fund  von  Cagli  (1878)  und 
knüpft  daran  eine  Zusammenstellung  vieler 
ähnlicher  Stipes  sacrae  —  leider  nicht  aller, 
die  literarisch  bekannt  sind  — ,  insbesondere 
der  Marsbronzen,  von  denen  die  beiden  Ta- 


221 


Italien  1914 — 1920. 


222 


fein  vorzügliche  Abbildungen  geben;    viele 
andere  im  Text.     Bendinelli  bedauert  mit 
Recht,  daß  diese  wertvollen  Zeugen  italischer 
Religion  und  Kunst  bisher  nicht  gesammelt 
worden  seien,  betont  jedoch  zu  einseitig  das 
»italische«  Element  darin,  während  doch  die 
Formgebung  auf  dem  Festlande  von  vorn- 
herein auf  griechisches  Schema  zurückgeht. 
Merkwürdig,    daß   er   die   vielen   Herkules- 
bronzen gar  nicht  streift.    Bei  Besprechung 
zweier  weiblicher  Bronzen  mit  Angabe  von 
allerlei    Toilettenbesonderheiten    wird    die 
Frage  erwogen,  was  Gottheit,  was  dankbare 
Sterbliche  sind.    Bendinelli  entscheidet  sich 
mehr    für     letztere.    —    An    der    Via  La- 
bicana  und  zwar  in  einem  Columbarium  ist 
eine  0,144  m  hohe  Replik  des  Diadumenos 
gefunden,    bis   auf  den  fehlenden  vorderen 
Teil  der  Unterarme  und  die  Hände  gut  er- 
halten, den  Statuen  von  Vaison  und  Delos 
am  nächsten  verwandt:  Not.  1918,  26 — 27, 
Fig.  I — 2;    vgl.  1920,  31 ;    abg.  auch  AJA. 
XXIII,  1919,  83.     Die  Figur  hat  nur  sechs 
Kopflängen  und  ist  oben  zu  breit.  Not.  1916, 
112 — 13.  —  Fig.  I — 2  (hier  Abb.  51)  ver- 
öffentlicht     Alda     Levi     einen     aus     Alife 
stammenden     nachlysippischen     jugendlich 
schlanken     Herakles,      das     Löwenfell    als 
Schurz     umgegürtet,      ein     Trinkhorn     in 
der    Rechten,    ein    schönes    Stück,    höchst 
erfreulich  ergänzt  durch  das  fehlende,  vom 
Finder  bereits  ein  Jahr  vorher  einem  Tabak- 
händler für  2  sigari  napoletani  und  ein  Päck- 
chen Tabak  zu    10  centesimi  verkauft  ge- 
wesene Bein.  —  RCL.  XXV,   1916,  81—84 
wird  von  Mengarelli  die  gute  Bronzebüste 
einer   Göttin   mit   der   Kapsel,    die   sie   an 
einem  Bugspriet  befestigte,  abgebildet  und 
richtig  besprochen:   ein  schönes  und  inter- 
essantes   Stück,    das   aus    dem   Hafen  von 
Centumcellae  gefischt  sein  soll  und  ins  Museo 
nazionale  gekommen  ist.  —  Aus  Ostia  bildet 
Calza  Not.  1915,  253 — 56,  Fig.  13 — 20  (vgl. 
auch    Journ.    of    Roman    Stud.    V,    191 5, 
165 — 72)  eine  Reihe  Kleinbronzen  ab,  dar- 
unter     einen    ausgezeichneten     Negerkopf. 
Für  Terrakotten  gilt  das  vorher  von  den 
Kleinbronzen    gesagte:   Lokri    und  Medma, 
aber  auch  die  sizilischen  Fundstätten  sind 
durch  den  hier  gegebenen  Bericht  bei  weitem 
nicht  erschöpft.      Ferner:    aus   Reggio  eine 
Tonform  mit   dem   Bild  eines  kämpfenden 


jugendlichen  Kriegers,  dem  Mars  auf  den 
Mamertinermünzen  sehr  ähnlich,  ein  Beweis 
für  dort  einheimische  keramische  und  damit 
doch  auch  wohl  toreutische  Industrie  im 
3.  Jahrhundert:  Not.  1915,  430,  Fig.  i.  — 
In  Ferento  fanden  sich,  zur  Bedeckung  eines 
Totei>  verwendet,    Simastücke   aus    Terra- 


Abb.  52.     Punische  Maske  aus  Tharros. 

kotta  (Not.  1920,  117 — 20),  von  denen 
Fig.  3  für  die  Konstruktion  und  Verwendung, 
Fig.  I  durch  die  beiden  ausgezeichneten 
Masken  von  Sklaven  der  neueren  Komödie 


Abb.  53.     Punische  Maske  aus  Tharros. 

wertvoll.  —  Aus  Tharros  und  der  Nekropole 
von  San  Sperate  sind  Masken  zutage  ge- 
kommen ähnlich  denen,  die  schon  früher  in 
glänzenden  Exemplaren  sowohl  in  Karthago 
(Mus6e  S.Louis  und  Bardo)  wie  im  Museum  von 
Cagliari  aus  den  Punierstädten  Sardiniens  die 
Aufmerksamkeit  so  stark  erregt  haben  und 
den  Weg  zeigten,  auf  dem  die  Phersu- 
masken  zu  den  Etruskern  —  und  von  da 
als  »persona«  zu  den  Römern  —  kamen 
(Arch.  Anz.   1896,  88).     Taramelli,    der  sie 


223 


Italien  1914— 1930. 


224 


Not.  1918,  145 — 55,  Fig.  I — 8  herausgibt 
(vgl.  unsere  Abb.  52 — 55),  möchte  schei- 
den in  Masken  ursprünglich  bacchi- 
schen  Charakters,  die  zuerst  griechisch 
auf  dem  Wege  über  Sizilien  und  die 
Epikrateia  zu  Puniern  gekommen  seien 
und  eine  andere  Klasse,  die  rein  orientalisch 
uns  die  grimassenhaften  japanischen  Cha- 
raktermasken zunächst  vor  Augen  rufen. 
Sammlung  und  kritische  Verarbeitung  dieser 
ganzen  Maskenfamilien  wäre  recht  erwünscht. 
Vasen.  Auch  hier  unmöglich,  alles  heraus- 
zuheben, was  Interesse  erwecken  möchte. 
Außer  dem  schon  früher  aufgeführten  sei 
noch  der  Beginn  der  Veröffentlichung  der 
wertvollsten     Vasen    des    Museo    V.  Giulia 


Einzelnes.  Aus  Bronze:  Aus  Olbia  schö- 
nes, mit  Pompejanischem  sich  eng  berühren- 
des Gerät,  auch  ein  Kandelaber  (Not.  1920, 
91 — 96,  Fig.  I — 5);  vom  Emporium  in  Rom 
allerlei  Schiflszubehör,  so  drei  Cheniskoi,  eine 
Platte  mit  Balkeneinsatz  für  die  Schiffsseite 
u.a.  (Bull.  com.  1916,  236 — 48);  eine  Amu- 
lettscheibe, rund,  auf  der  einen  Seite  eine 
opfernde  zeusartige  Gestalt,  über  der  »So- 
lomon«,  auf  der  andern  Hekate  in  öfter  vor- 
kommender Weise,  aus  Ostia:  Not.  1917, 
326—28,  Fig.  1—2.  —  Aus  Elfenbein:  Hörn 
mit  figürlich  geschmücktem  Goldblechbe- 
schlag, 7.-6.  Jahrhundert  (Not.  1914,  450 
bis  52,  Fig.  6—10).  —  Stücke  einer  Athena- 
statue    in    der    vatikanischen    Bibliothek: 


Abb.  54.      Punische  Maske  aus  Tharros. 


Abb.  55.     Punische  Maske  aus  Tharros. 


im  Bollettino  d'Arte  X,  1916,  335 — 68 
mit  24  Abbildungen  durch  Savignoni  ge- 
nannt, durch  dessen  so  beklagenswerten 
Tod  leider  unterbrochen.  —  Eine  attische 
lax  sf.  Schale  aus  Pitigliano  verdient  Er- 
wähnung: A:  zwei  kauernde  Krieger  mit 
devot  vorgestreckten  Händen  blicken  auf 
■  zu  einer  eben  mit  dem  einen  Fuß  den 
Boden  erreichenden  Nike,  vom  Rücken  ge- 
sehen, nach  links  umschauend,  die  jeder  der 
Krieger  um  Unterstützung  anfleht.  B:  zwei 
Krieger  in  gleicher  Stellung.  Hier  streckt 
nur  der  zur  Rechten  seine  Rechte  einer  in 
Vordersicht  auf  Klappstuhl  sitzenden  Göttin 
entgegen,  die  den  Kopf  ihm  zuwendet. 
Weinranken  auf  beiden  Seiten,  auf  A  unter 
Freilassung  des  Mittelfeldes  zwischen  den 
Kriegern,  auf  B  auch  hier  in  zwei  Doppel- 
zweigen hinter  der  Göttin  aufsteigend  (Not. 
1914,  89—91,  Fig.   1—3). 


Albizzati,  JHSt.  XXXVI,  1916,  373—402 
mit  2  Tafeln  und  8  Textabbildungen.  — 
Aus  Knochen:  Verkleidungsstücke  eines  Ge- 
räts, wohl  Kastens,  aus  einem  Kammergrab 
von  Perugia,  auf  dem  noch  zwei  geflügelte 
Krieger  und  der  Anfang  eines  '  dritten:  Not. 
1914,  140,  Fig.  5.  —  Aus  Glas:  Vieles  in  den 
genannten  Berichten;  besonders  bemerkens- 
wert eine  Zikade  als  Fläschchen  für  aromati- 
sches Öl:  Not.  1915,  340,  Fig.  5.  —  Aus 
Obsidian:  Geschnitzte  Bruchstücke  plasti- 
scher Figuren  aus  der  früheren  Villa  Patrizi: 
Not.  1915,  408—09;  Bull.  com.  1915,  326. 
Vgl.  Plin.  XXXVI,  196.  -  Malerei:  Pap. 
of  the  Brit.  Seh.  Rome  VIII,  1916,  91  —  103 
veröffentlicht  E.  Strong- Seilers  Gemäldereste 
aus  einem  Privathaus  der  Via  de'  Cerchi  mit 
lebensgroßen  Figuren.  Die  Herausgeberin 
erkennt,  natürlich  auch  unter  dem  Einfluß 
der  Fresken  von  Boscoreale  und  Villa  Item, 


225 


Italien   1914 — 1920. 


226 


zweiten  pompejanischen  Stil,  während  Mii3 
van  Deman  ihren  Baukriterien  zufolge  den . 
Bau  viel  später  setzt.  —  Aus  Ostia  sei  außer 
dem  schon  im  Bericht  allgemein  gesagten 
noch  besonders  hingewiesen  auf  eine  origi- 
nelle Dekoration:  Wand  mit  konvex  nach 
oben  geschwungenen  Festons  feinster  Zeich- 
nung, unter  denen  zierliche  Rehe  v.  dgl. : 
Not.  191 5,  343,  Fig.  7.  —  Von  der  Via  La- 
bicana  ein  auffällig  gutes  Arkosolien- 
porträt  Not.  1914,  381,  Fig.  2. 

Inschriften.  Nur  eine  Auswahl  des 
Wichtigsten  und  nur  in  Form  der  Erwähnung 
hier  zu  berücksichtigen,  soweit  nicht  schon 
im  Hauptbericht  berührt.  Nicht  weniger 
wie  acht  mehr  oder  minder  archaische  In- 
schriftbrocken  aus  Selinus  und  drei  aus  der 
Festlandnekropole  von  Motye  bringt  in 
guten  Faksimilewiedergaben  Gabriel  Not. 
191 7,  341—48;  1—5  stammen  aus  den  Gra- 
bungen der  Jahre  1892—93,  also  den  Her- 
mokratischen  Befestigungen,  soweit  etwa 
sepulkral,  also  wohl  von  der  älteren  Nekro- 
pole  Galera  Bagliazzo,  6 — 8  aus  der  West- 
nekropole  von  Manicalunga.  Auf  die  Merk- 
würdigkeit, daß  auf  Motye  das  Griechische 
so  stark  eindrang,  wurde  oben  schon  hin- 
gewiesen. —  Not.  1914,  Suppl.  4  wird,  eben- 
falls in  Faksimile,  jene  Weihung  durch  Ka- 
paron  und  Proxenos  aus  Lokri  wieder- 
gegeben, deren  Namen,  Vater  und  Sohn, 
bei  Thukydides  III,  103  korrumpiert,  durch 
die  Inschrift  richtiggestellt  werden,  und  deren 
Stellung  in  der  Stadt  durch  diese  in  Lokri 
so  überaus  seltene  epigraphische  Form  be- 
sonderen Nachdruck  empfängt  (Keil,  Her- 
mes L,  1915,  635—36).  —  Aus  Menae 
in  Sizilien  der  Vokativ  'Adr^voi  (Not. 
1920,  337).  —  ML.  XXIV,  195-98 
zwei  oskische  griechisch  geschriebene  Mamer- 
tinerinschriften,  durch  Wackernagel  Berl. 
ph.  W.  1917,  1248  zurechtgerückt.  —  Ein 
Altar  von  mehreren  gleichartigen,  die  gewiß 
ebenso  aus  schmucklosen,  viereckigen 
Blöcken  aufgebaut  und  durch  C.  Saufeius 
Sabinus  und  C.  Orcevius  als  Censoren  von 
Praeneste  genehmigt  waren,  dieser  der  luno 
Palosticaria  geweiht;  ein  neues  Epitheton; 
Zeit:  2.  Jahrhundert  v.  Chr.  (Not.  1914,  195 
bis  196;  Bull.  com.  1913,  22  ff.).  —  Not.  1917, 
329  ist  ein  neugefundenes  Ejgänzungsstück  zu 
der  Inschrift  CIL.  XIV,   2983  gegeben,  das 

Archä?>Iogischer  An/eiijer  1921. 


Dessaus  Bedenken  wegen  der  drei  ersten 
Zeilen  beseitigt  und  die  Verbindung  der  In- 
schrift mit  den  Dindii  und  Macolnii  (ficoroni- 
sche  Cista!)  zuläßt.  —  Daß  quer  über  das  Fo- 
rum von  Pompeji  eine  Bronzeinschrift  lief, 
stellt  A.  W.  van  Buren  durch  das  Vorhanden- 
seih eines  monumentalen  Q  fest:  Memoirs  of 
the  Amer.  Academy  in  Rome  II,  70—71.  — 
Zwei  wichtige  Fastenfragmente  sind  in  Ostia 
zutage  gekommen  und,  auch  photographisch, 
gut  reproduziert  von  Paribeni  Bull.  com. 
XLIV,  191 6,  208—27  und  von  Calza  Not. 

1917,  180 — 95;  dazu  Hülsen  B.  ph.  W. 
1920,  305  — 12;  das  zweite  von  Calza  Not. 

1918,  223—45;  zum  Fundort  Paribeni  Not. 
1920,  156.  Ebenfalls  aus  Ostia  das  Bruch- 
stück eines  Elogium  auf  Ancus  Martius, 
wohl  zu  der  Reihe  vom  Augustusforum 
(CIL.  I»  p.  186  ff.)  gehörig:  Paribeni  Not. 
1918,  137.  Auch  ein  paar  Grenzcippen 
zwischen  öffentlichem  und  privatem  Grund 
aus  Ostia  seien  genannt:  Not.  1918,  131—32, 
sowie  die  für  die  bekannte  Verknüpfung  des 
Kaiserkults  mit  Silvanus  bemerkenswerte 
Inschrift  Not.  1918,  136,  zu_  der  Paribeni 
auch  an  die  grade  für  Ostia  bezeugte  Ver- 
bindung Silvanus-Mithra  erinnert.  —  Zwei 
neue  Arvaltafeln  sind  gefunden,  die  eine, 
wohl  um  140  zu  setzende  (Not.  1919,  IOC 
bis  106),  in  welcher  Paribeni  u.  A.  Bezug 
sehen  möchten  auf  ein  Verlangen  der  servi 
nach  dem  Begräbnisplatz  nahe  dem  Zirkus 
der  Arvalen  draußen  bei  der  Dea  Dia. 
Diese  Tafel  enthält  auf  ihrer  Rückseite 
die  knappe,  kümmerhche  Angabe  eines 
Magisteriums  der  Arvalen  aus  dem  Jahre 
304,  die  bis  jetzt  letzte  Erwähnung  der 
Existenz  des  Kollegium,  zugleich  ein  Be- 
weis für  den  damals  schon  eingetretenen 
starken  Verfall  der  Baulichkeiten.  Die 
zweite,  ungleich  wichtigere,  unter  S.  Cri- 
sogono  in  Trastevere  gefunden,  aus  dem 
Jahre  240,  gut,  auch  photographisch,  ver- 
öffentlicht von  Mancini  und  Marucchi  Not. 
1914,  464—78,  ist  von  Wissowa  Hermes  LII, 
191 7,  321—47  ausgiebig  behandelt.  —  Die 
späte  BauinschriftvonCasteldiSangro,  welche 
den  rechten  Flügel  eines  Macellum  und  eine 
Porticus  erwähnt,  ist  über  die  Veröffent- 
lichung Marianis  (ML.  X,  1901,  259)  hinaus 
etwas  vervollständigt  worden  (Not.  191 8, 
143);  aber  trotz  der  guten  photographischen 


227 


Italien    1914 — 1920. 


228 


Aufnahme  ist  sie  nicht  recht  zu  einem  ver- 
ständlichen Zeugnis  für  so  überraschend 
späte  munizipale  Bautätigkeit  in  der  ab- 
gelegenen Aufidenagegend  auszugestalten. 
Bei  Amiternum  ist  die  von  einem  leicht 
gerundeten  Grabe  kommende  Inschrift  eines 
Illvir  Augustalis  gefunden,  eine  Besonder- 
heit, statt  des  Sevir,  von  Amiternum  und 
Peltuinum:  Not.  191 7,  339.  —  Aus  Sulcis 
kommt  ein  Stempel  »Annus  longus«,  inter- 
essant, weil  noch  heute,  namentlich  in  der 
entlegenen  Mitte  der  Insel,  der  übliche  Neu- 
jahrsgruß (Not.  191 9,  150).  Die  Gräber- 
gruppe von  S.  Placido  bei  Messina  (s.  o.) 
hat  viele  neue  Ziegelstempel  ergeben  (ML. 
XXIV,  180—81).  Gamurrini  ist  es  geglückt, 
eine  Not.  1916,  185  bekanntgemachte  In- 
schrift von  Venosa  richtig  zu  lesen  und  zu 
erklären,  in  welcher  letztwillig  bestimmt 
wird,  auf  den  Scheiterhaufen  feinen,  süßen 
Honig  zu  stellen,  wozu  Gamurrini  Parallelen 
zusammenstellt:  RCL.  1917,  98 — 102.  Ein 
hübsches  Graffito  vor  der  Porta  del  Vesuvio 
von  Pompeji,  an  dem  sich  schon  Hülsen  mit 
Glück  versucht  hatte,  ist  von  Della  Corte, 
Hülsens  Ergänzung  schön  bestätigend,  so 
gelesen :  Sic  tibi  contingat  semper  florere, 
Sabina,  Contingat  forma(e),  sisque  puella 
diu!  (Not.  1916,  286).  —  In  S.  Sabina  in  Rom 
ist  ein  Inschriftblock  entdeckt,  der  in  Über- 
einstimmung mit  dem  Scr.  h.  Aug.  Wieder- 
herstellung des  Balneum  Surae  durch  Gor- 
dian  III.  bezeugt:  Not.  1920,  141—42.  —  Im 
Bull.  com.  di  Roma  ist  ein  Ehrencippus  aus 
Reggio  Cal.  veröffentlicht  (XLIII,  1915, 
47—51),  zunächst  für  Flavius  Optatus,  dann, 
in  Versen,  für  Zenodorus,  corrector  Lucaniae 
et  Bruttiorum.  Not.  1914,  224:  lange,  metri- 
sche Klage  einer  Ehefrau,  später  christhch 
verwendet.  Not.  1916,  31.8— 20:  zwei  neue 
Tiberterminationscippi,  hadrianische  Resti- 
tutionen. Hadrian  auffälligerweise  Imp.  IV 
bezeichnet  (sonst  immer  Imp.  II).  —  Eine 
Freigelassene  mit  der  neuen  Bezeichnung 
»tosillaria«  erscheint  Bull.  com.  XLIII,  1915, 
67.  —  Ebenda  208  ein  Aidilis  lustralis,  noch 
repubUkanisch,  auf  der  Akropolis  von  Tus- 
culum.  —  Ein  römisches  Mosaikpaviment  in 
Este  begrüßt  die  Besucher:  salvis  amicis 
felix  hie  locus  (Not.  1918,  260).  —  Inmitten 
des  großen  Gräbergebiets  zwischen  Porta 
Salaria    und    Nomentana    kam    ein    später 


j  Marmorcippus  zutage:  Eufrosynus  posuit 
donum    deo    aram    et    deum:    Bull.    com. 

■  IQIS)  65.  Ein  Columbarientitulus  von  der 
Via  Salaria  nennt  einen  M.  Servilius  Pa- 
ratus  concinnator  a  scaena,  worunter  E.  Gatti 
einen  Theatermaschinisten  verstehen  möchte 
(Not.  1920,  285).  Scharfsinnig  rekonstruiert 
und  würdigt  Taramelli  eine  leider  sehr  man- 
gelhaft erhaltene  monumentale  Inschrift  aus 
augusteischer    Zeit    aus   den  Thermen  von 

i  Fordungianus,  also  dem  natürlichen  Ein- 
gangstor in  die  Gennargentugegend,  die  ja 
seit  dem  Altertum  noch,  besonders  südlich 
und  südwestlich  von  jenem  Bergmassiv,  Bar- 
bargia  heißt  (s.  Dante,  Purg.  XXIII, 
94 — 96).  Die  Civitates  Barbariae  sprechen 
dem  Kaiser  ihren  Dank  aus  durch  eine 
Weihung,  nachdem  die  Übernahme  der  Insel 
in  kaiserliche  Gewalt  Ordnung  geschaffen 
hatte.  Hierdurch  bestätigt  die  civitates 
Barbariae    der    pränestiner    Inschrift    CIL. 

!   XIV,   2954   (Not.   1920,   347—53)- 

I       Münzfunde.     Nur  soweit  in  den  Notizie 

!  verzeichnet,  da  mir  die  Rivista  di  numis- 
matica,    Bollettino  di  numismatica  und  an- 

!   dere  Organe   noch   nicht  zugänglich  waren. 

j  S.  Stefano  Roero  (Prov.  Cuneo):  halbe 
Victoriati,  Denare,  Quinare,  alle  aus  der 
letzten  Zeit  der  Republik,  die  letzten 
von  Caesar  und  Augustus  (Not.  1914, 
86—88).  —  Gignod  (Aostatal):  122  Klein- 
bronzen, von  Valerian  bis  Diocletian:  Not. 
1914,409—10.  —Turin:  1357  Kaisermünzen 
von  244—68:  Not.  1915,  62—69.  —  Angera 
(L.  maggiore),  in  einer  Mithrasgrotte:  Kaiser- 
münzen von  Ende  3.  bis  Anfang  5.  Jahr- 
hunderts, nach  Patroni  Not.  1918,  8—9  zu- 
sammenhängender Fund.  —  Besano,  unweit 
Varese:  182  römische  Sesterzen,  Dupondii, 
Asse  von  Tiberius  bis  Philippus  minor:  Not. 
1918,  92—93.  —  Ebendaher  23  Sesterzen 
von  Domitian    bis    Alexander    Severus,    in 

I  einen  Topf:  Not.  1917,  197— 98.  —  Castagnaro 
unweit  Verona:  1227  Aurei  und  Denare  von 
Vespasian  bis  Hadrian:  Not.  1914,  213—18 

'  mit  Hinweis  auf  drei  zum  Teil  bedeutende 
Münzfunde  der  gleichen  Gegend,  von  denen 
zwei  in  die  Republik,  einer  in  die  Kaiserzeit 
gehören.  —  Bei  Martellago,  unweit  Mestre, 
fanden  sich,  wohl  in  einem  Holzkistchen  ge- 
borgen,   497    Sesterzen    von   Vespasian   bis 

!    Trebonianus  Gallus:  Not.  1917,  217 — 20.  — 


229 


Italien  19 14 — 1920. 


230 


Bei  S.  Giorgio  di  Nogaro  (Prov.  Udine) : 
206  römische  Asse,  älter  als  89  v.Chr.: 
Not.  1917,  235—36.  —  Topffund  bei  Vico  Pi- 
sano,  nahe  dem  Lago  Bientina.  Der  Topf 
war  mit  rundgeschnittenem  Ziegel  geschlos- 
sen. 202  Denare  und  —  wenige  —  Quinare 
aus  der  letzten  Zeit  der  Republik  bis  Au- 
gustus.  Museum  Florenz  (Not.  1920,  240 
bis  43).  —  Bei  Imola  12  Victoriati  und  über 
500  Denare,  um  89 —88  vergraben :  Not.  1916, 
159—63.  —  In  Ostia  zwei  Funde  von  Billon- 
münzen,  aus  der  zweiten  Hälfte  des  3.  Jahr- 
hunderts bis  Probus:  Not.  1914,  252;  323.  — 
Bei  Sessa  Aurunca  ein  kleiner  Topffund  von 
ostgotischen  und  byzantinischen  Münzen: 
Not.  1919,  356—58.  —  Am  Platz  des  antiken 
Calatia,  links  von  der  Via  Appia,  ist  ein 
etwa  92  v.  Chr.  unter  die  Erde  geratener 
Fund  von  361  Münzen  zutage  gekommen, 
und  zwar  336  Denare  und  26  Victoriati: 
Not.  1914,  172—78.  —  Von  San  Martino, 
bei  Cava  dei  Tirreni,  wurden  Teile  eines 
schon  1908  gemachten  Fundes  bekannt  (Not. 
1908,  84—85),  der  87  Aes  gravestücke  ent- 
hielt und  165  Münzen  von  Rom,  Campanien, 
Paestum,  Mamertinern,  Syrakus,  alles  3. 
Jahrhundert:  Not.  1918,  268—69.  —  Suk- 
zessive Niederlage  von  Münzen  vom  4.  Jahr- 
hundert V.  Chr.  bis  zum  6.  n.  Chr.  vor  der 
Pertosagrotte  wurde  von  Rellini  festgestellt: 
ML.  XXIV,  597—98.  —  Aus  Curinga,  un- 
weit Maida,  ist  ein  Fund  von  etwas  über 
300  archaischen  Silbermünzen  von  Meta- 
pont,  Sybaris,  Kroton,  Kaulonia  zur  Kennt- 
nis gekommen  (Not.  1916,  186—87),  über 
den  Orsi  eine  Sonderbehandlung  zusagt, 
»poichfe  di  tesoretti  monetali  calabresi,  che 
io  sappia,  quasi  mai  si  h  dato  conto«.  Vgl. 
jedoch  z.  B.  meine  Berichte  Z.  f.  Numism. 
VII,  1880,308 — 1 1 ;  312 — 14.  —  Ein  größe- 
rer Schatzfund  griechischer  Silbermünzen, 
darunter  besonders  viele  der  im  Bruttierland 
ja  überhaupt  so  auffällig  zahlreichen  Statere 
von  Ambrakia  und  Akarnanien,  stammt  von 
S.  Giorgio  Morgeto,  unweit  Medma- Rosarno: 
Not.  1914,  211  — 12.  —  Gegen  lOO  meist 
sizilische  Stücke,  nur  7  von  Rhegion,  5.  bis 
4.  Jahrhundert,  sind  in  Reggio  gefunden. 
Putortl  bezeichnet  den  Fund  als  verwandt 
den  Not.  1888,  295  flf.;  1891,  345  ff.;  1912, 
454  ff.  aufgeführten  und  verspricht  Sonder- 
behandlung:    Not.    1914,    159—60.    —    Bei 


Gizzeria,  unweit  Nicastro,  fand  sich  in  einem 
Topf  eine  zwischen  510—350  zu  datierende 
Gruppe  von  Münzen,  nur  2  silberne  von 
Metapont  und  Messana,  59  Bronze:  3  Velia, 
23  Kroton,  5  Rhegion,  20  Messana,  2  Syra- 
kus, 5  schlecht  erhalten:  Not.  1914,  211.  — 
Aus  der  Nähe  Paternös  kam  ein  Fund,  etwa 
40  archaische  Stücke  von  Messana,  Syrakus, 
Gela,  Akragas  und  ein  größerer  Denarfund 
aus  Paterno  selbst,  von  dem  157  fürs  Mu- 
seum von  Syrakus  gerettet  werden  konnten: 
Not.  191 5,  226.  —  Ein  Fund  aus  Gela,  Zeit 
des  Agathokles,  ergab  viele  Pegasosstatere, 
mit  ihnen  ein  Paar  schöne  Löwenkopfohr- 
ringe  :  Not.  1915,  234.  —  Topffund  bei  Gela. 
Kleine  Goldstatere  des  Philippus  und  Ale- 
xander. Dabei  ein  Goldohrring  mit  Löwen- 
'  köpf.  Vielleicht  aus  diesem  Fund  auch  kartha- 
i  gische  Elektronstatere,  die  in  Catania  Stücken 
aus  diesem  Funde  beigemischt  gesehen 
wurden.  Orsi  vermutet,  daß  dieser  Fund  wie 
zwei  andere,  frühere,  mit  Goldmünzen  des 
Agathokles  um  282,  als  Phintias  Gela  zer- 
störte, unter  die  Erde  gekommen  sei  (Not. 
1920,  338).  Aus  Lilybaion  kamen  328 
Kleinbronzen  von  Nachfolgern  Constan- 
tins:  Not.  1919,  80.  —  Aus  Ber- 
chiddu  (unweit  Ozieri)  stammt  ein  Fund 
von  etwa  1400  Denaren,  der  um  82  v.  Chr. 
verloren  sein  muß,  von  Taramelli  in  lehr- 
'  reichen  Vergleich  gesetzt  mit  dem  Fund  von 
I  871  Denaren  aus  Olbia,  der  von  268  bis  Au- 
i  gustus  hinabgehe  (Not.  1918,  155—69).  — 
Aus  einer  Bidelle  genannten  Gegend  bei 
Villaurbana  in  der  Nähe  Oristanos  kam  ein 
in  der  Riv.  it.  di  numism.  1915  fasc.  I  be- 
handelter Fund  von  287  Bronzemünzen  der 
Kaiserzeit,  von  Traian  bis  Trebonianus  Gal- 
lus,  die  älteren  Stücke  sehr  abgenutzt;  die 
meisten  von  Gordian  und  Philippus  d.  Ä. 
(Not.  191 5,  97—99).  —  Aus  dem  4.  Jahr- 
liundert  n.  Chr.  stammt  ein  Fund  von  Gus- 
pini,  im  südwesthchen  Erzgebirgegebiet :  Not. 
1919,  187.  —  Den  Schluß  mache  eine  antike 
Geldbörse  aus  dünnem  Blei,  zu  einer  Tasche 
zusammengelegt,  mit  89  stempelfrischen  Vic- 
toriati, gefunden  auf  dem  Plateau  einer  an- 
tiken sizilischen  Stadt,  Serra  Orlando,  bei 
Aidone:  Not.  1915,  233  -34,  Fig.  36. 

Heidelberg,  Mai  1921.        F.  v.  Duhn. 


231 


Archäologische  Gesellschaft  zu  Berlin.     Januar- Sitzung  1921. 


232 


ARCHÄOLOGISCHE  GESELLSCHAFT 
ZU  BERLIN. 

Sitzung  vom  4.  Januar  1921. 

Herr  Valentin  Müller  sprach  über 
drei  archaische  männliche  Statu- 
etten. Die  16  cm  hohe  Bronze  in 
Stockholm  (Abb.  i  nach  Harald  Brising, 
Antik  Konst  i  Nationalmuseum.  Stockholm 
1911,  Taf.  XIV,   Nr.  314)')  gehört  zu  den 


Abb.   I.     Bronzestatuette  in  Stockholm. 

ältesten  Beispielen  des  »Kurostypus«; 
nur  die  Kuroi  aus  Rhodos  und  Naukratis 
(Deonna,  Apollons  archaiques  Nr.  135  und 
148)  sind  noch  älter,  jünger  dagegen  ist  der 
Torso  aus  Tigani  (a.  a.  0.  Nr.  137),  bei  dem 
die  Hände  schon  zur  Faust  geballt  sind  *). 


')  Brising  gibt  keine  stilistischen  Erläuterungen; 
kurz  gestreift  wird  die  Bronze  von  Poulsen,  D. 
Orient  u.  d.  frühgriech.  Kunst  160. 

')  Poulsens  Bemerkungen  a.  a.O.  sind  nicht  richtig: 
die  Bronze  aus  Ephesos  (Excavations  Taf.  XIV)  ge- 
hört wie  die  in  Stockholm  ins  VII.  Jahrhundert  und 
ist  noch  älter  als  diese;  im  VI.  gibt  es  nur  bei  weib- 
lichen Figuren  noch  vereinzelt  ausgestreckte  Hände: 
ionische  Terrakotte  in  Berlin  (Ath.  Mitt.  1921  Taf. 
IV,  I)  und  aus  der  Auktion  Lambros-Dattari  Nr.  113. 
Auch  in  der  ägyptischen  Kinst  kommt  diese  ja  ur- 
sprünglich auch  Männern  eigene  Haltung  (Curtius, 
Antike  Kunst  Abb.  54  Porphyrstatue  der  Samml.  Mac 
Gregor)  später  auch  noch  bei  Frauen  vor:  vgl.  die 
Gruppe  Cat.  g^n.  du  Mus^e  du  Caire,  Borchardt, 
Statuen  u.  Statuetten  Taf.  34  f.  Nr.  151  u.  158,  bei 
der  der  Mann  die  Faust  ballt,   Hie  Frau    die  Hand 


^Taf .  I  ff.  auf- 

Bterien   gehört 

^tung  der  Arme 

zu  10—12;  die 


Auf  Grund  der  von  Deom 

gestellten  chronologischen  | 
die  Bronze  in  bezug  auf  diel 
hinter  Taf.  I  Nr.  2,  vor  3, 
Rückenlinie  ist  etwa  die  von  20—22 ;  dem 
Brust -Bauchwinkel  nach  ist  er  nicht  nach 
Taf.  II  Nr.  38  zu  setzen,  der  Schenkel-Brust- 
breite vor  53;  die  Linie  nach  den  Achseln  hin 
ist  stark  ausgebogen,  wie  bei  den  ersten  hinter 
54.  Mit  dem  absoluten  Datum  möchte  der 
Vortragende  keinesfalls  unter  600  herab- 
gehen, besonders  da  Deonna  (379)  die  älteren 
Kuroi  eher  zu  spät  als  zu  früh  datiert:  er 
setzt  S.  292  den  Chares  um  550  (vgl.  Curtius 
A.  M.  XXXI  1906,  154  f.). 

Stilistisch  ist  der  mit  Recht  Chios  zuge- 
schriebene »Kuros«von  Melos  (Nr.  114)  trotz 
der  jüngeren  Entstehungszeit  sehr  verwandt; 
ebenso  der  Torso  von  Tigani  (Nr.  137)  und 
die  Torsen  aus  Naukratis,  wohl  lokaler  Ar- 
beit (z.  B.  Nr.  150). 

Das  Silberfigürchen  Hogarth,  Excava- 
tions at  Ephesus  Taf.  XI  Nr.  23  läßt  sich 
zum  Vergleich  nicht  brauchen,  wohl  aber 
der  prächtige  Kopf  im  Brit.  Mus.  Abb.  2, 
der  vom  Artemision  der  Kroisoszeit  stammt '). 
Er  ist  rund  ein  halbes  Jahrhundert  jünger: 
Das  Fleisch  ist  saftig  und  quellend,  ja  fett, 
während  es  bei  der  Bronze  knapper  und 
fester  ist,  aber  die  Formprinzipien  sind  die 
gleichen;  man  vergleiche  u.  a.  den  Profil- 
kontur mit  der  zurückfliehenden  Stirn,  der 
leichten  Schwellung  der  Nasenwurzel,  der 
leichten  Einsenkung  des  kurzen  Rückens; 
gleich  ist  auch  bei  beiden  das  breite  runde 
Untergesicht,  in  dessen  von  Jochbeinen  und 
Kinnrundung  gebildeter  Mulde  der  gerade 
Mund  liegt,  und  der  Ausdruck,  dessen  Lä- 
cheln etwas  unangenehm  Süffisantes  hat. 
Die  Bildung  des  Auges  beim  Ephesoskopf 
ist  illusionistisch :  die  Lider  sind  nicht 
als    bestimmte    Hautfalten    in    ihrer   Form 

ausstreckt;  spätere  Bronzen  z.  B.  Cat.  g^n.  Daressy, 
Statues  de  divinit^s  Taf.  XLIV  Nr.  38866  und 
38868,  XLVII. 

■)  Veröffentlicht  ist  er  in  Dreiviertelprofil  und 
klein  bei  Hogarth,  Atlas  Taf.  XVI  Nr.  6.  Für  die 
Überlassung  der  Photographien  und  der  Publika- 
tionserlaubnis bin  ich  Paul  Stern  in  Leipzig  zu  größ- 
tem Dank  verpflichtet,  dem  1913  die  Verwaltung 
des  Britischen  Museums  in  ihrer  damals  geübten 
und  mit  Dank  anerkannten  Liberalität  die  Erlaubnis 
dazu  e^b. 


233 


Archäologische  Gesellschaft  zu  Berlin.     Januar-Sitzung  1921. 


234 


Abb.  2.     Kopf  vom  Artemisioii  in  Ephesos,  London. 


klar  gezeichnet,  sondern  derAugapfel  quillt 
stark  aus  seiner  Umgebung  hervor,  getrennt 
nach  Augenhöhlenrand  und  Wange  hin 
durch  Kehlungen;  er  ist  nicht  konvex,  son- 
dern konkav;  es  entsteht  ein  lebendiges 
Flimmern  von  schmalen  Augen  in  fettem 
Gesicht.  Das  gleiche  starke  Hervorquellen 
schmaler  flimmender  Augen  hat  auch  die 
B. on/c  in  Stockholm;  im  Gegensatz  ver- 
gleiche man  dazu  die  Augenbildung  des 
Köpfchens  aus  Milet  in  Berhn  Ant.  Denkm. 
III  Taf.  37  Textabb.  8  '). 

Den  gleichen  Gegensatz  der  knapperen  und 
saftigeren  Formbildung  zeigt  auch  der  älteste 
Branchide  Brunn-Br.  141  1.,  Perrot-Chipiez 
VIII  272  Abb.  109  gegenüber  jüngeren, 
z.  B.  Brunn-Br.  143  1.,  Perrot-Chipiez  275 
Abb.  1 1  j.  Das  für  den  Ursprung  der  Bronze 
in  St.  in  Betracht  kommende  Gebiet  ist  also 
klein,  es  aber  auf  Ephesos,  das  doch  wohl 
eine  lokale  Schule  gehabt  haben  dürfte,  ein- 


zuschränken,  ist  beim  jetzigen  Stande  der 
Forschung  zu  gewagt. 

Für  die  Beziehungen  der  arch9,isch  grie- 
chischen Kunst  zu  Ägypten  ist  eine  Bronze- 
statuette des  Albertinums  in  Dres- 
den bezeichnend,  die  mit  gütiger  Erlaubnis 


')  Auch   die   kyprische  Kunst   übernimmt   diese    1 
Augenbildung:    Ohnefalsch-Richter    Taf.     XLVIII 
Nr.  2,  anders  Nr.  i.  1 


Abb.  3.     Bronzestatuette  in  Dresden. 


235 


Archäologische  Gesellschaft  xu  Berlin.     Januar-Sitzung  1931. 


236 


des  Direktors  Herrmann  Abb.  3  gibt  (Z.  V. 
2626;  jetzige  Höhe  8,3  cm).  Trotz  der 
schlechten  Erhaltung  erkennt  man  deutlich 
—  bei  der  Untersuchung  des  Originals  unter- 
stützte den  Vortragenden  in  liebenswürdiger 
Weise  W.  Müller  —  als  Bekleidung  einen 
ägyptischen  Schurz,  und  zwar  den  »Königs- 
schurz«: senkrechte  Fältelung  des  Haupt- 
teils undwagerechte  des  Mittelstücks,  Gürtel 
[vgl.  Sethes  Untersuch.  VH.  G.  Bonnet, 
Ag.  Tracht  14  ff.  Taf.  H  Nr.  8) ;  auch  Privat- 
personen tragen  ihn  später.  Auch  die  Arm- 
haltung: steifes  Herabhängen  des  einen  und, 
wie  es  scheint,  wagerechtes  Vorstrecken 
des  anderen  Unterarms  ist  ägyptisch  (vgl. 
Daressy,  a.  a.  0.  Taf.  I  Nr.  38003,  -6,  -7,  -8 
u.  a.);  in  der  Körperbildung  meint  man 
ebenfalls  ägyptische  Formgebung  zu  spüren. 
Frontalität  und  Vorsetzen  des  linken  Beins 
könnten  auch  griechisch  sein.  Unzweifelhaft 
griechisch  ist  nun  aber  die  Bildung  des 
Kopfes;  die  nächsten  Analogien  sind  die 
ionischen  Köpfe  aus  Hieronda  (Perrot- 
Chipiez  VHI  281,  Abb.  113)  im  Brit.  Mus., 
in  Konstantinopel  (a.  a.  0.  282  Abb.  114) 
und  in  Kairo  (Cat.  g6n.  Edgar,  Greek  Sculp- 
tureNr.  27425  Taf.  I).  Das  Haar  bildet  über 
der  Stirn  einen  gegen  den  Kopf  abgesetzten 
Streifen,  der  mit  welligen  senkrechten  Linien 
gekerbt  ist,  was  sich  an  dem  griechischen 
Kopf  in  Kairo,  Edgar,  Nr.  27  428  Taf.  I  und 
dem  genannten  in  Konstantinopel  wieder- 
findet. 

Diese  Verbindung  von  griechischer  Kopf- 
und  ägyptischer  Körperbildung  ist  höchst 
eigenartig  und  singulär.  Der  Jäger  aus 
Naukratis  (Gardner,  NaukratisII  Taf.  XHI 
Nr.  5)  hat  einen  Schurz  mit  gleichartig 
zugeschnittener  Spitze,  aber  über  einem 
Chiton,  und  auch  in  Cypern  wird  der 
noch  dazu  abgewandelte  ägyptisierende 
Schurz  fast  immer  über  einem  Chiton 
getragen:  Cesnola,  Cypriote  Antiqu.  z.  B. 
Taf.  n-rV,  VH,  IX;  auch  sonst  sieht  die 
Bronze  ganz  und  gar  nicht  kyprisch  aus.  Die 
einzige  Parallele  ist  vielleicht  eine  Stütz- 
figur in  Cambridge,  die  aber  nur  in  ganz 
ungenügender  Abbildung  im  Museum  Dis- 
neianum  II  Taf.  LXIV  und  bei  Reinach, 
R^p.  statuaire  II,  89  Nr.  4  vorliegt;  Feder- 
krone und  Lampe  sind  wohl  sicher  nicht 
zugehörig;  archaisch  scheint  sie  auch  zu  sein. 


Möglicherweise  ist  auch  die  Bronze  in  Dres- 
den eine  Stützfigur;  ein  jetzt  an  den  Kopf 
angesetzter  Aufsatz  ist  zwar  nach  Ansicht 
von  Herrmann  nicht  zugehörig,  doch  meint 
er,  daß  ein  solcher  vorhanden  gewesen  sein 
könne;  dafür  spricht,  daß  der  Kopf  glatt 
abgearbeitet  ist,  sonderbarerweise  hinten 
am  Kopf  die  Haare  fehlen,  und  auf  den 
Schulterblättern  eine  wagerechte  längliche 
Erhöhung  sitzt.  Bei  einer  Stützfigur  wäre 
die  Darstellung  eines  Ägypters  auch  gut  er- 
klärlich, vgl.  A.  M.  XXXI  1906,  174  ff.  Da 
die  Statuette  nach  der  Angabe  des  Händlers 
in  Vonitza  inAkamanien  gefunden  ist,  wor- 
an   man   nicht  zu  zweifeln  braucht,  ist  sie 


-Abb.  4.     Terrakottastatuette  in  Berlin. 

für  den  griechischen  Gebrauch,  wohl  in  Nau- 
kratis oder  in  lonien,  verfertigt  worden; 
auch  die  Torsen  von  Aktium  sind  östlicher 
Import  (Deonna,  a.  a.  O.  129).  Der  Gesichts- 
bildung nach  dürfte  sie  nicht  vor  der  Mitte 
des  6.  Jahrhunderts  entstanden  sein. 

Die  Terrakotte  im  Antiquarium  in 
Berlin  (Abb.  4  mit  liebenswürdiger  Erlaub- 
nis von  Direktor  Zahn;  Misz.  Inv.  6634; 
h.  13,5  cm)  ')  verdient  es,  einmal  photo- 
graphisch wiedergegeben  zu  werden,  da  das 
an  ihr  Bemerkenswerte  in  der  Zeichnung  bei 
Winter,  Typen  I  177,  2  nicht  herauskommt: 
nicht  nur  die  Brustmuskeln  sind  sehr  stark 
und  fett,  sondern  auch  der  Leib  zeigt  einen 

')  AuchDeonnaverzeichnetsie:a.a.  0.359  Nr.  19. 


237 


Archäologische  Gesellschaft  zu  Beilin.     Februar-Sitzung  1921. 


238 


recht  stattlichen  Embonpoint.  Die  Haltung 
der  Arme  ist  ungewöhnlich,  da  sie  nicht 
herabhängen,  sondern  auf  die  Oberschenkel 
gelegt  sind;  sie  geben  eine  rundliche  Linie, 
verstärken  dadurch  die  Rundlichkeit  des 
Leibes  und  rufen  den  Eindruck  der  Bequem- 
lichkeit und  Schlaffheit  hervor;  auch  das  alte 
Schema  der  geschlossenen  Beine  ist  be- 
wahrt (vgl.  Deonna,  a.  a.  0.  257  ff.).  Ähn- 
lich ist  dieser  Typus  dem  der  »Dickbauch- 
dämonen«, aber  wesentlich  gemildert,  die 
Fettfalten  fehlen,  und  die  Arme  sind  nicht 
ostentativ  auf  den  Leib  gelegt  (vgl.  Winter, 
Typen  I  213;  Boehlau,  Aus  ionischen  und 
italischen  Nekropolen,  Taf.  XIII,  4.  Furt- 
wängler,  Arch.  f.  Religionswiss.  X  1907, 
321  ff.).  Winter  hält  die  Terrakotte  mit 
Recht  für  kleinasiatisch.  In  diesem  Kunst - 
kreis  findet  sich  ja  auch  sonst  verschiedent- 
lich die  starke  Ausbildung  der  Brustmuskeln 
(Deonna  Nr.  149)  und  die  Korpulenz;  man 
vergleiche  den  Branchiden  Brunn-Br.  143  1; 
Perrot-Chipiez  VIII 275  Abb.  iii,  dessen  von 
Deonna  (a.  a.  0.  306  A.  3)  behauptete  Männ- 
lichkeit die  Terrakotte  bestätigt. 

Hierauf  sprach  Herr  Delbru  eck  über  das 
Templum  Divi  Augusti  auf  dem 
Forum  Romanum;  vgl.  den  Aufsatz  in 
diesem  Hefte  des  Jahrbuches  S.  8  ff. 

Sitzung    vom    i.   Februar    1921. 

Zunächst  berichtete  Herr  Neugebauer 
über  die  Archaische  Terrakotta- 
gruppc  aus  Veji,  die  bisher  an  folgenden 
Stellen  besprochen  worden  ist:  Notizie 
degli  scavi  1919,  13  ff.  (Giglioli),  vgl.  Amer. 
Journ.  of  Arch.  1920,  299ff.,  1921,  179;  Ras- 
segna  d'arte  VII  1920,  33  ff.  (Giglioli),  ins 
Deutsche  übersetzt  Zeitschrift  für  bildende 
Kunst  LVI  1921,  25  ff.  (Kreplin);'  Kunst- 
chronik 1920,  373  ff.  (E.  Maaß);  Emporium 
LI  1920,  59 ff.  (Giglioli);  The  BurHngton  Ma- 
gazine XXXVI  1920,  245  ff.  (van  Buren); 
Revue  de  l'art  ancien  et  moderne  XXXVII 
1920,  258  ff.  (Cumont);  La  Renaissance 
de  l'art  frangais  III  1920,  185  f.  (L.  Ven- 
turi);  Dedalo  I  1920/21,  560  ff.  (della  Seta); 
Boll.  d'Arte  XIV  1920,  73  ff.  (Anti). 

Darauf  trug  Herr  Delbrueck  über  die 
Konstantinssäule  in  Konstantinopel 
vor. 


Außerordentliche  Sitzung 
vom  12.  Februar  1921. 

In  der  außerordentlichen  Sitzung  vom 
12.  Februar  1921,  die  im  archäologischen 
Hörsaal  der  Universität  stattfand,  wurden 
die  wichtigsten  Erwerbungen  der  letzten 
Jahre,  in  erster  Linie  die  ausländische 
Literatur,  vorgelegt.  Diese  ist  zum  großen 
Teile  der  gütigen  Hilfsbereitschaft  einzelner 
Freunde  deutscher  Wissenschaft  im  neu- 
tralen Auslande,  z.  T.  der  griechischen  ar- 
chäologischen Gesellschaft  und  der  General- 
ephorie  in  Athen  zu  danken.  Einzelne  Zeit- 
schriften waren  auch  bereits  wieder  auf  dem 
Wege  des  Tausches  beim  Archäologischen 
Institut  eingegangen.  Die  mit  *  bezeich- 
neten Werke  hatte  die  BibHothek  der  staatl. 
Museen  für  den  Abend  zur  Verfügung 
gestellt. 

Ausgelegt  waren:  'Apy/xwko-^iyAv  AsKziov  I 
1915,  II  1916;  'Ap}(ottoXoYixr| '  E'f /ifispt'?  1914 
bis  18;  ripotxTtxa  TTj?  dp}(.  STctip.  1914;  Mara- 
ghiannis,  Antiquit.  cr^t.  III.  —  Annuario  d. 
scuola  it.  di  Atene  I  1914,  II  1916;  Noti- 
ziario  archeologico  II,  i  1916;  Ausonia  VIII 
1915,  IX  1919;  Monumenfi  antichi  XXIV, 
1  1917,  XXV  1919;  *BulIetino  comunale 
XLIII  1915  -XLV  1917;  A.  della  Seta, 
Museo  di  Villa  Giulia  I.  Rom.  Danesi  1918. 
-  B.  C.  H.  XXXIX  1915,  XL  1916,  XLV  i 
1920;  *Mon.PiotXXIIi9i6,  XXIII 1918-9; 
Sylvain  Mulinier,  Maisons  sacröes  de  Delos 
315-166/5.  Paris  1914.  -  J.  H.  S.  XXXIV 
1914- XXXIX  1919;  J.  R.  S.  IV  1914, 
VIII  1918;  B.  S.  A.  XX  1913/14,  XXII 
1916/18;  Pap.  Brit.  Seh.  Rome  VII  1914, 
VIII  1916;  A.  Evans,  Tomb  of  the  Double 
Axes,  London  1914  =  Archaeologia  LXV; 
F.  Gardner,  History  of  Ancient  Coinage.  — 
A.  J.  A.  XVIII  1914  -  XXIV,  3  1920; 
*Memoirs  of  the  American  Academy,  Rome 
I  1917  —  III  1919,  *Boston,  Museum  of 
Eine  Arts,  Bulletin  1914—20;  Metropolitan 
Museum  of  Art,  New  York  [Gisela  M.  A. 
Richter],  Classical  CoUection  1917;  [die- 
selbe], Greek,  Etruscan  and  Roman  Bronzes, 
1915;  J.  D.  Beazley,  Attic  Red-Figured 
Vases  in  American  Museums,  Cambridge 
1918;  J.  C.  Hoppin,  Handbook  of  Attic 
Red-Figured  Vases,  Cambridge  1919;  ders., 
Euthymides    and    his    Fellows,    Cambridge 


239 


Arch&ologiiche  Gesellschaft  zu  Berlin.    Februar-Sitiung  1931. 


240 


191 7;  *Dennison,  GoldTreasure  fromEgypt. 
Michigan  Studies.  —  Fra  Ny  Carlsberg 
Samlinger,  Kopenhagen  1920;  F.  Poulsen, 
Delphi,  engl.  Ausg.;  ders.,  La  Collection 
Ustinow,  Kristiania  1920;  K.  Johansen, 
Sikyoniske  Vaser,  Kopenhagen  1918;  S. 
Eitrem,  Beiträge  z.  griech.  Religionsge- 
schichte III  =  Videnskapsselskapets  Skrif- 
ter.  II.  Hist.-Filos.  Klasse  1919  Nr.  2, 
Kristiania  1920;  Joh.  Sundwall,  Ursprung 
d.  kret.  Schrift.  =  Acta  Academiae  Abo- 
ensis,  Humaniora  I  2,  1920;  ders.,  Zur  Deu- 
tung kret.  Tontäfelchen,  dass.  II,  1920.  — 
Vjestnik  Hrvatskoga  archeoloskoga  drustva 
N.  S.  XIV,  Zagreb  191 9. 

Dazuvon  deutschen  Veröffentlichun- 
gen: Jahrb.  XXX 191 5— XXXV  1920;  Ath. 
Mitt.  XXXXII  1917,  XXXXIII  1918; 
Rom.  Mitt.  XXXI  1916— XXXIII  1918; 
Ant.  Denkm.  III  Heft  3/4;  Münchn. 
Jahrb.  X,  XI;  Präh.  Zeitschr.  VI-XII.  - 
Robert,  Oidipus;  ders.,  Archäol.  Herme- 
neutik; ders.,  Griech.  Heldensage  I;  Schuch- 
hardt,  Alteuropa;  Studniczka,  Der  La- 
pithenkopf  der  VI.  Südmetope  vom  Parthe- 
non, Leipziger  Winckelmannsblatt  1920; 
Wiegand,  Sinai;  ders.,  Milet,  Nymphäum; 
Djemal-Pascha,  Alte  Denkmäler  a.  Syrien; 
Fimmen,  Kretisch-myken.  Kultur;  Pagen- 
stecher, Nekropolis;  Langlotz,  Zur  Zeit- 
bestimmung der  strengrotfigurigen  Vasen 
maierei. —Osterr.  Jahreshefte  XVIII— XX; 
Heberdey,  Altattische  Porosskulptur,  Wien 
1920;  C.  Praschniker  u.  W.  Schober,  Ar- 
chäol. Forschungen  in  Albanien  u.  Monte- 
negro. Akad.  d.  Wiss.  Wien.  Schriften  der 
Balkankommission,  antiquar.  Abt.  VIII 1919. 

Herr  Noack  gab  einen  Überblick  über 
die  verschiedenen  Ausgrabungen  und  topo- 
graphischen Untersuchungen  der  letzten 
Jahre. 

I.  Kleinasien  und   Inseln, 

Klares,  Propylon:  BCH.  191 5. 

Troas,  Topographisches:  BSA.  XXI. 

Thasos  (Neue  Tore  u.  große  Tiergruppen. 
Säulenreste  der  Agora  (?);  arch.  ionische 
Terrakottasimen ;  kolossale  arch.  Jünglings- 
statue): Deltion  1 1915.  C.  R.  ac.  inscr.  1915. 

Chios  (Nekropole  mit  Tonsarkophagen. 
Apollonheiligtum  in  Phanai,  arch.-ionische 


Architekturreste)  :  Deltion  I  u.  II  (vgl. 
Arch.  Anz.  1915). 

Delos  (Häfen,  Stadtquartiere,  Gemälde- 
reste. Heiligtümer  auf  und  am  Kynthos): 
Deltion  L    BCH.  1916. 

Kreta:  Plati  BSA.  XX.  Atsipada  Eph. 
1915.  Damania  Deltion  II  1916.  Gurnes 
Deltion  I  (u.  Deltion  III  1918,  45—87). 

Phaistos  Ausonia  VIII  (meist  Gräber  und 
Grabfunde).  Von  einem  neuen  myken.  Palast- 
fund meldet  die  Times  v.  3.  Juni  1920. 

Kythera,  myken.  Gräber:  Deltion  II  1916. 

Eretria,    Isistempel:   Deltion   I. 

II.  Nord-   und    Mittelgriechenland. 

I        Elaeus    (Dardanellen),    Nekropole    5.-2. 
I    Jhdt.    BCH.  1915. 

i  Makedonien,  Prähistor.  Stationen;  BCH. 
I  1916  (AJA.  1917).  Dium  (dor.  Tempel, 
Agora,  Theater):  Deltion  I.  C.-R.  ac.  inscr. 
191 5.  Philippi:  Deltion  l.  Olynth  (Lage) 
BSA.  XXI.  Salonik,  Die  antiken  Reste  des 
Triumphbogens  und  der  Kirche  d.  heil. 
Georg:  BCH.  1920. 

Thessahen:  Praktika  1914,  149— 218. 
Trikka,  Asklepieion:  Ephem.  1918. 

Aetolien,   Thermos    (Schicht    der    ellipt. 
Häuser;  arch.  Bronzestatuetten.    Dachterra- 
kotten u.  Metopenfragmente):  Deltion  I,  II. 
Akarnanien,  Topographisches:  Deltion  I. 
Alyzia:     Grabmalreste    ähnl.    dem    Ne- 
reidenmonument: Times  3.  Juni  1920. 

Lokris,  Oeta,  irupd  des  Herakles.  Topo- 
graphie, AJA.  1916. 

Boeotien,  Theben  (Zusammenfassung  der 
archäolog.  Arbeiten.  Topographie,  myken. 
Funde, Tempeid.  ApoUon  Ismenios):  Deltion 
I  III,  1—503  (Keramopulos). 
I  Attika  Amphiareion  (Hallenanlagen  f. 
j  Kranke,  Quellhaus):  Ephem.  1918. 
!        Pansgrotte:  Ephem.   1918,   Sunion  ebda. 

i    1917- 

Athen,  Odeion :  Praktika  1914.  AJA.  1916. 
Ephem.  1915.  1917.  Lage  des  Tempels  der 
Aphrodite  Urania:  Ausonia  IX  1919. 

Eleusis,  kl.  Propyläen  u.  Ausgrabungen 
im  Vorhof :  Annuario  II.  Times  3.  Juni  1920. 

III.  Peloponnes  und  westl.  Inseln. 

Korinth,  Lechaion  u.  Ausgrabungen  in 
der  Stadt:  BCH.  191 5.   Deltion  L 


241 


Archäolog^ische  Gesellschaft  xu  Berlin.     Februar-Srtzungf   192 1. 


242 


Mykenae.  Neue  Untersuchungen  am 
Gräberrund  u.  Atreusgrab:  Ephem.  1918, 
AJA.  1920.  Neue  Grabfunde:  Times  3.  Juni 
1920.  Evans  über  d.  Datierung  der  Schacht- 
gräber: Times  15.  JuH  1920.  —  (Vormyk'en. 
Keramik  auf  d.  Festland:  BSA.  XXII.  Über 
den  Stil  d.  Vaphiobecher:  AJA.  1917.) 

Elis,  Theater;  Deltion  I  (1915).' 

Messenien,  Heiligtum  d.  ApoUon  Koryn- 
thos:  Deltion  II  (1916). 

Kephallenia,  Demetertempel  bei  Argostoli 
(dorisch):  Times  3.   Juni   1920. 

Kerkyra,  Die  deutschen  Ausgrabungen: 
Deltion  I  1915. 

IV.  Italien  u.  d.  Westen. 

Rom.  Unterirdische  Basilika:  AJA.  191 8, 
79;  1919,  82.  Das  augusteische  Palatium: 
Journ.  of  Rom.  Stud.  IV.  Ebenda:  Villa  des 
Horaz  in  Tivoli. 

Pompeji,  D.  Vesuvausbruch  v.  J.  79  n. 
Chr.:  AJA.  1918,  1920.  Forumstudien:  Mem. 
Amer.  Acad.  Rome  II. 

Syrakus,  Vor-  und  frühgriech.  Funde  b. 
Athenatempel.  Reste  e.  archaischen  Heilig- 
tums :Mon.  Line.  XXV  1919;  AJA.  1920,297. 

Von  ausländischen  Mitteilungen  über 
neue    Skulpturenfunde    seien    genannt: 

Hochrelief  (hocharchaische  Sitzfigur)  aus 
Kreta:  Annuario  II  313  f. 

Kolossalkopf  einer  arch.  weiblichen  Kult- 
statue u.  andere  früharchaische  Kalkstein- 
plastik auf  Sizihen:  Mon.  Piot.  22  (1916) 
Taf.  14,   15. 

Artemis  Laphria  des  Menaichmos  u.  Soi- 
das  (Versuch,  sie  in  einem  jüngeren  statuar. 
Typus  nachzuweisen):  Annuario  II,    181  ff. 

Relieffragment  eines  Epheben  mit  Pferd 
(Stil  des  Onesimos):  Journ.  Hell.  Stud.  1917. 

Ephebentorso  (Kreis  des  Kritios):  Samm- 
lung Ustinow  (s.  o.). 

Weibliche  Gewandstatue  der  Übergangs- 
zeit (Bullet,  com.  1901  Taf.  6):  Mem.  Amer. 
Acad.  Rome  I. 

Apollon  vom  Thermensaal  in  Cherchel 
(vgl.SpringerHdb.il,  243):  Mon.  Piot.  22 
(1916)  Taf.  7—9. 

Frauenkopf  in  Boston  (ca.  460/50) :  AJA. 
1917,  102.  [Ebenda  und  1918  über  das  Re- 
lief Ludovisi  und  sein  Bostoner  Gegenstück 
(Caskey);  vgl.   darüber  auch   Journ.   Hell. 


Stud.  1920,  113  ff.  (Gisela  M.  A.  Richter), 
u.  137  ff.  (Casson).] 

Kleine  Parthenosreplik  (Genua):  AJA. 
1919,421. 

Kopf  V.  Parthenonfries:  Mon.  Piot.  23 
(1917)  Taf.   I. 

Grabrelief  d.  Museums  in  Philadelphia: 
AJA.   1917,  352  (Abb.). 

Grabrelief :  Catalogue  Metropol.  Museum, 
New  York  (Berl.  philol.  Woch.  1920,  iiSQff.). 

Grabreliefs  aus  Thessalien:  Eph.  1916, 
1917.   Bemalte  Grabstele  a.  Theben:  Deltion 

in,  245. 

Diadumenoskopf,    Bronze,    fragmentiert: 
J.  H.  S.   1919,  Taf.  I. 
Kopfreplik  der  Berliner  Amazone  AJA. 

1917,  353- 

Jünglingsstatue  Wellesby  (Furtwängler 
Meisterwerke,  493  f.):  AJA.  19 18,  Taf.  I  (die 
Zugehörigkeit   des  Kopfes   wird    dargetan). 

Zum  Apollon  Lykeios  des  Praxiteles: 
Bullet,  com.  1915,  Taf.  II,  III.  Zur  Aphro- 
dite V.  Arles:  Mon.  Piot  1913,  13—45. 

Kopf  einer  Göttin  mit  Schleier  (Boston), 
praxitehscher  Kreis:  AJA.  1916,  Taf.  17,  18. 

Athenakopf  mit  korinth.Helmüber  Leder- 
kappe (Princeton  Universität):  AJA.  1917. 

Kopf  des  gealterten  Sophokles:  Sammig. 
Ustinow  (s.  o.). 

[Über  die  Nachfolger  des  Praxiteles 
(Dickins):  BSA.  XXI  (1914).) 

Asklepiosreliefs:  i.  mit  kniender  Frau, 
2.  Krankenbesuch,  vervollständigt  aus  Conze, 
Att.  Grabrel.  1174:  Eph.  1917,  227. 

Alexander  mit  der  Aegis,  Bronzestatuette: 
AJA.  1917,  213,  Mon.  Piot.  1913. 

Olympiodoros,  Porträtbüste  (Zt.  d.  De- 
mosthenesstatue) :  Sammlung  Ustinow  (s.o.). 

Helioskopf  aus  Rhodos:  AJA.  1916,  Taf. 
7,8. 

Jugendlicher  Satyrkopf,  frühhellenistisch : 
BCH.  1916. 

Dionysos  vom  Satyr  gestützt  (Gruppe, 
Venedig):  Ausonia  IX  1919,  Taf.  IV. 

Statuette  d.  personifizierten  Afrika:  Mon. 
Piot  22  (1916),  Taf.  16. 

Aphrodite  mit  Helm  an  d.  Seite,  Ostia: 
Ausonia  IX  1919. 

Weiblicher  Kopf  aus  Stuck  und  Marmor 
(Grabfigur?):  Mon.  Piot  23  (1917)- 

Frauenkopf  aus  Korinth,  2.  Jhdt.  n.  Chr. : 
AJA.   1916,  Taf.  XIV— XV. 


243 


ATehftologtsche  Gesellschaft  zu  Berlin.     Februar-Sitzung  1921. 


244 


Jünglingskopf  aus  Spanien,  mit  Kopftuch: 
Mon.  Piot  22  (1916),  Taf.  17. 

Herme  des  Herodes  Attikus  mit  Inschrift 
TIptt>5rj?  iv&aSe  irspie'rcctTei  (Korinth)  BCH. 
1920,  171  ff.;  vgl.  die  Abhandlung  V.  Grain- 
dor  über  Kosmetenköpfe  BCH.  191 5. 

Mithrasrelief  aus  Syrien:  AJA.  1918. 

Verschiedenes. 

Die  Funde  aus  der  Tomba  Bemardini, 
Praeneste:  Mem.  Amer.  Acad.  Roma,  Bd.  HI. 

Terrakotta-Altärchen  aus  Italien  u.  Si- 
zilien: ebenda  Bd.  II. 

Tempelterrakotten  aus  Falerii:  Pap.  Br. 
Seh.  Rome  VIII  1916.  Etrusk.  Dachterra- 
kotten im  Museum  in  Philadelphia  AJA. 
191 7,  296  ff. 

Römische  Wandmalereien,  vergesseneReste 
a.  e.  Hause  Via  de'  Cerchi :  Pap.  Br.  Seh. 
Rome  VIII  (1916). 

Terra  Sigillata-Ware  aus  Pompeji:  Journ. 
of  Rom.  Stud.  IV,  1914,  Taf.  2  —  14  (Bullet, 
com.  1915). 

Amphorenhenkel  aus  Rhodos:  Annu- 
ario  II. 

Die  Bedeutung'  von  Jootvov  bei  Pau- 
sanias  AJA.  1917,  8  ff. 

Die  Verteilung  der  Panainosbilder  am 
Zeusthron  in  Olympia:  Atti  del  Reale  Isti- 
tuto  veneto  di  scienze,    lettere  ed  arti  1915, 

1555  ff- 

Zur  Beriiner  Göttin:  Rev.  arch^ol.  1916, 
180  f. 

Zur  Entstehung  und  Erklärung  des  dori- 
schen Gebälkes:  AJA.  1917  (L.  B.  Holland), 
1919  (Washburn). 

Über  Tempelorientierung:  AJA.  1917 
(Frothingham). 


Darauf  besprach  Herr  Wiegand  im  An- 
schluß an  Ghislanzonis  Bericht  im  Notiziario 
archeologico  pubblicato  dal  Ministero  delle 
Colonie  II  die  italienischen  Ausgrabungen 
in   Kyrene. 

Freigelegt  wurden  der  Zeustempel,  in  dem 
sich  das  stehende  Kultbild  fand,  und  eine 
große  Thermenanlagc  unweit  der  Apollo- 
quelle, mit  zahlreichen  Mosaiken  und  Mar- 
morskulpturen. Von  diesen  seien  erwähnt: 
ein  sehr  pathetischer  lebensgroßer  Dionysos- 


kopf mit  hoher  Frisur,  der  Torso  einer  leicht 
bekleideten  und  elegant  bewegten  Tänzerin, 
ein  bogenspannender  Eros,  zwei  Gruppen  der 
drei  Chariten,  die  größere  mit  vorzüglich  er- 
haltenen Köpfen.  Ferner  ein  lebensgroßer 
praxitelischer  Aphroditetorso  (jetzt  im  Ther- 
menmuseum), wohl  im  Typus  der  das  Dia- 
dem anlegenden  Liebesgöttinnen,  ein  Athena- 
kopf  strengen  Stils,  auf  ein  Original  des 
5.  Jahrh.  zurückgehend,  und  die  Statue  eines 
jugendlichen  Athleten,  ebenfalls  5.  Jahrh. 
Schließlich  fand  sich  eine  Statue  Alexanders 
d.  Gr. ;  ihr  Kopf  ist  durch  seine  aufdringliche 
Mache  für  die  Alexanderikonographie  wert- 
los. Im  Asklepiostempel  in  der  nächsten  Um- 
gebung von  Kyrene  kam  eine  Siegesgöttin 
im  Stil  des  5.  Jahrh.  v.  Chr.  zutage,  stilistisch 
mit  der  sog.  Lemnia  verwandt. 

Der  Vortragende  erwähnte  ferner  den  auf 
Thasos  von  den  Franzosen  gemachten  Fund 
eines  unvollendeten,  aber  vollständig  erhalte- 
nen, mit  der  Plinthe  3  m  hohen  kolossalen 
archaischen  Kriophoros  und  berichtete 
über  die  von  der  französischen  Orientarmee 
unternommenen  Grabungen  und  Unter- 
suchungen an  der  S.  Georgskirche  von 
Saloniki.  Es  erwies  sich,  daß  der  »Ga- 
lerius«bogen,  um  306  n.  Chr.  errichtet  und 
ursprünglich  ein  arcus  quadrifrons  von  größ- 
ten Ausmessungen,  gleichzeitig  mit  dem 
Rundbau  des  H.  Georgios  entstanden  ist 
und  mit  ihm  eine  architektonische  Einheit 
gebildet  hat.  Im  ursprünglichen  Zustand 
wurde  der  Rundbau  von  acht  annähernd 
gleichtiefen  Nischen  gebildet,  deren  Gewölbe 
auf  Pfeilern  von  ö'/i  m  Stärke  ruhte;  über 
ihnen  und  in  der  Achse  der  Pfeiler  öffnete 
sich  ein  Lichtgaden.  Das  Ganze  wurde  von 
einer  Kuppel  von  24,10  m  Dm.  bekrönt  und 
erreichte  dieHöhe  von  fast  30m.  Ins  5.  Jahrh. 
n.  Ch  ■.  fällt  die  Umwandlung  des  römischen 
Gebäudes  in  eine  byzantinische  Kirche:  der 
Eingang  wird  von  SW.  nach  NW.  verlegt,  die 
Ostnische  verbreitert  und  um  den  römischen 
Kern  ein  konzentrischer  Umgang  gelegt. 
Drei  Nischen  und  die  Kuppel  tragen  pracht- 
vollen Mosaikschmuck,  letztere  in  acht  Fel- 
dern riesige  stehende  Heiligengestalten  vor 
architektonischem  Hintergrund.  Im  16. 
Jahrh.  wurde  die  Kirche  von  den  Türken  in 
eine  Moschee  umgewandelt  und  ist  erst  1912, 
nach  dem  letzten  Balkankrieg,  ihrer  früheren 


245 


ArchSologische  Gesellschaft  zu  Berlin.     Februar-Sitzung  1921. 


246 


Bestimmung  als  Kirche  zurückgegeben 
worden. 

Die  im  Inneren  des  Gebäudes  und  in  seiner 
Umgebung  vorgenommenen  Ausgrabungen 
förderten  schöne  Architekturfragmente  und 
die  Basis  des  bekannten,  jetzt  im  Konstan- 
tinopler  Museum  befindlichen  Ambo  zutage. 
In  den  unter  dem  Boden  der  ursprünglichen 
Kirche  befindlichen  Gräbern  fanden  sich  Bei- 
spiele byzantinischer  Keramik  des  10. — 16. 
Jahrh.  und  feine,  mit  Goldbelag  geschmückte 
Glasfläschchen. 

Herr  Dragendorff  legte  Mon.  antichi  dei 
Lincei  Bd.  XXV  vor,  aus  denen  er  besonders 
die  reichen  Funde  aus  einer  germanischen 
Nekropole  der  Völkerwanderungszeit  bei 
Nocera  Umbra  und  Orsis  ausführlichen 
Bericht  über  die  mit  großer  Sorgfalt  ge- 
führten Grabungen  am  Tempel  von  Syrakus 
hervorhob,  die  die  Geschichte  der  Heilig- 
tümer, die  aufeinanderfolgenden  Tempel- 
bauten und  den  heiligen  Bezirk  bis  in 
die  tiefsten  vorgriechischen  Schichten  der 
vorausgehenden  vorgriechischen  Kultur  we- 
sentlich geklärt  haben.  Unter  den  Funden 
sind  besonders  prachtvolle  Terrakottaplatten 
zu  erwähnen. 

Herr  Bru eckner  faßte  Bereicherungen 
der  Kenntnis  vom  griechischen  Gräber- 
wesen zusammen. 

Im  American  Journal  XIX  1915,  385  ff. 
hat  Gisela  M.  A.  Richter  aus  dem  Besitze 
des  New  Yorker  Metropolitan  Museum  zwei 
große  Dipylon-Kratereveröffentlicht.  Haupt- 
darstellung des  einen,  pl.  XXI,  ist 
die  Aufbahrung  eines  Kriegers  unter  einem 
Zelte.  Die  Stelle  für  das  Zelt  ist  nicht  das 
Innere  des  Hauses,  sondern  der  Hof.  Das 
fordert  die  Sitte  auch,  damit  ritterliche 
Wagenzüge  den  Aufgebahrten  umkreisen 
können,  wie  unter  den  bildlichen  Dar- 
stellungen des  8.  vorchr.  Jahrhunderts  die 
Vasen  des  Louvre  A  517  und  541,  von  den 
epischen  Schilderungen  das  Beispiel  des  Um- 
zugs um  die  Leiche  des  Patroklos  beweisen: 
0  ifap  Yspot?  ia-i  Oavovrtuv  W  9.  Die 
bürgerliche  Sitte  der  späteren  Zeit  verlegt 
die  Prothesis  in  das  Haus.  Wenn  also  Thu- 
kydides  II  34  das  Aufschlagen  eines  Zeltes 
(ix/jVTjv  uoti^tjav-sc)  zur  Aufbahrung  der 
im  Kriege  Gefallenen,  vermutlich  auf  dem 
Staatsmarkte,   bezeugt,    so  zeigt   sich,    daß 


die  athenische  Demokratie  dabei  altes  aris- 
tokratisches Herkommen  für  ihre  ä'piaxoi  be- 
obachtete. In  der  Zeit  der  Dipylonvasen 
pflegte  das  ganze  Zelt  mit  dem  Toten  zur 
excpopa  auf  einen  großen  Wagen  gehoben 
zu  werden,  auf  dem  wohl  auch  die  nächsten 
.ungehörigen  ihren  Platz  hatten,  wie  der  Ver- 
gleich von  M.  d.  I.  IX  39,  A.  M.  XVIII 1893, 
102  und  dazu  Hekabes  und  Andromaches 
Klage  auf  dem  Leichenwagen  des  Hektor 
Q  711  lehrt. 

In  dem  Prothesis-Bilde  des  zweiten  New 
Yorker  Kraters,  pl.  XVII— XX,  schwingen 
Frau  und  Kinder  des  Toten  Zweige 
über  die  Leiche.  Die  gleiche  Art  Zweige 
hängen  vom  Totenbette  herab  auf  der  Scher- 
be M.  d.  I.  IX  39,  3.  So  hat  man  den  Weiß- 
dorn, pa'[j.voc,  auch  an  die  Türen  gehängt, 
zu  dem  ausgesprochenen  Zwecke  schädliche 
Geister  abzuwehren  (Rohde,  Psyche*l237,3; 
Samter,  Geburt,  Hochzeit  und  Tod  73  f.). 
Daß  der  Ritus  forderte,  damit  um  den  Toten 
zu  kehren,  ja  daß  geradezu  Kehrreigen  um 
ihn  stattfanden,  ist  für  die  Dipylonzeit  aus 
der  Scherbe  Graef,  Vasen  von  der  Akropolis 
T.  8,  251  zu  entnehmen,  wo  klagende 
Schwertträger  hinter  sich  die  in  der  Malerei 
ornamental  zu  einem  »Fischgrätenmuster« 
aufgelöste  Rute  halten;  daß  es  wirklich  eine 
Rute  ist,  beweisen  die  gleichartigen  Scher- 
ben ebenda  282  und  305  und  Waldstein,  The 
Argive  Heraeum  II,  LVIII  12  a,  b.  Dies 
sind  die  ältesten  Belege  für  einen  Brauch, 
der  in  Griechenland  nur  noch  im  Gesetze 
von  Julis  durchschimmert,  welches  ver- 
bietet, den  Kehricht  zum  Grabe  zu  schaffen, 
[xsSs  xä  xaXXuafxaTa  »spsv  im  m  dr^iin 
IG  XII  5  nr.  593.  LS'lI  S.  261;  vgl.  ö?u- 
&u[iia  bei  den  Hekatäen  s.  v.  Hesych, 
Harpokr.  Phot.  Lex.  Länger  hat  sich  die 
Sitte  in  Rom  erhalten,  nach  den  An- 
gaben in  Paulus'  Epitome  77,8:  für  den 
Hauserben  blieb  die  Bezeichnung  exverri- 
ator.  Ausfeger;  nam  exverriae  sunt  pur- 
gatio  quaedam  domus,  ex  qua  mortuus  ad 
sepulturam  ferendus  est,  quae  fit  per  everri- 
atorem  certo  genere  scoparum  adhibito. 
Weitere  volkskundHche  Belege  dieser  Sitte 
hat  Samter   a.  a.  0.   S.   30  ff.  gesammelt. 

Nach  S.  Pelekidis'  Veröffentlichung  im 
'ApyaioXo-cixöv  AsXxtov  0  1916,  49  ff.  wurde 
der    Befund    eines    Verbrechergrabes    vor- 


247 


Archäologische  Gesellschaft  lu  Berlin.     Februar-Sitzung  1921. 


248 


geführt,  das,  in  der  Strandebene  des  Phaler 
entdeckt,  die  grauenvolle  Strafe  des  An- 
nageins (TCpoaÄoiüaotXs'jiiv,  vgl.  Herod.  IX 
120,  Arist.  Thesmoph.  931  ff.)  an  18  Opfern 
attischer  Justiz  zeigt.   — 

Als  bedeutendstes  der  neuerdings  bekannt 
gewordenen  attischen  Grabreliefs  besprach 
der  Berichtende  das  von  Gis.  Richter  im 
Handbook  des  Metropolitan  Museums  auf 
S.  220  Fig.  133  veröffentlichte,  von  L.  Cur- 
tius  in  seiner  Besprechung  Berl.  Phil.  Woch. 
1920,  1160  ah  Werk  eines  jüngeren  Schülers 
des  Phidias  gewürdigte.  In  der  Tat  ist  das 
Relief  im  Stile  auf  das  engste  dem  des  Kna- 
ben mit  dem  Vogelbauer  Conze  1032  ver- 
wandt. Zur  Zeitbestimmung,  nach  Curtius 
um  400,  bedarf  es  einer  Nachprüfung  der 
Inschrift  des  Epistylblockes,  in  der  Sostrate, 
Tochter  des  Thymokles  vonPrasiai,  genannt 
ist.  Denn  je  nach  den  Schriftzügen  wird  der 
zeusähnliche  Thymokles  des  Reliefs  entweder 
der  Vater  oder  der  Großvater  desjenigen 
Thymokles  von  Prasiai  sein,  der  nach  Pro- 
sopogr.  attica  7401  im  Jahre  356/5  Trier- 
arch  war.   — 

Schließlich  wurde  vorgelegt:  K.  F.  Kinch, 
Le  tombeau  de  Niausta.  Tombeau  mac6- 
donien,  D.  Kgl.  Danske  Vidensk.  Selsk. 
Skrifter,  7.  Raekke,  hist.  og  filos.  Afd.  IV  3, 
Kopenhagen  1920,  die  Veröffentlichung  eines 
72  km  westl.  Salonik  entdeckten  Kammer- 
grabes vom  Ausgang  des  4.  vorchr.  Jhdts., 
dessen  Hauptschmuck  das  2,05  lange,  l,il 
hohe  Wandgemälde  mit  der  Gruppe  eines 
Ritters  ist,  der  mit  eingelegter  Lanze  gegen 
einen  durch  vorgestreckten  Schild  sich 
wehrenden,  schreienden  Barbaren  von 
packender  Naturwahrheit  ansprengt. 
^  Zum  Schluß  gab  Herr  Valentin  Müller 
eine  Übersicht  über  die  Arbeiten  auf  dem 
Gebiet  der  Keramik: 

B.  C.  H.  XL.  Prähistorisches,  dem  Thes- 
salischen  verwandt,  auch  Spätmykenisches 
und  Pi(itogeometrisches. 

B.  S.  A.  XXII  Wace  und  Biegen:  Premy- 
cenaean  Pottery  of  the  Mainland.  Neue 
Terminologie:  helladisch. 

früh-helladisch    =    Urfirnis    =    Früh- 

Minoisch— M.  M.  I 
mittel-helladisch  =  Minyisch,  Mattma- 
lerei =  M.  M.  II/III,  Schachtgräber, 
Anfang 


spät-helladisch  =  Mykenisch  =  Schacht- 
gräber, Ende,  Sp.  M.  I— III 

J.  H.  S.  XXXIV:  Forsdyke,  The  Pottery 
calied  Minyan  Ware;  XXXV:  Childe,  On  the 
Date  and  Origin  of  Minyan  Ware. 

AeXtiov  I.  Ausgrabungen  in  Thermos:  Mo- 
nochromes, Mattmalerei,  Mykenisches. 

Rev.  Arch.  IV  1916  (Bericht  A.  J.  A.  XXI 
458).  Franchet  hat  ein  neues  System  für 
die  kretische  Chronologie  aufgestellt. 

Neolith.  I  (Tripiti,  Rouss^s) 

Neolith.  II 

Eneohth.  =  Fr.  M.  I,  II 

Bronze  I  =  Fr.  M.  III,  M.  M.  I 

Bronze  II  =  M.  M.  II  u.  Anfang  M.  M.  III 

Bronze  III  =  M.  M.  III  Ende,  Sp.  M.  I,  II 

Bronze  IV  =  Sp.  M.  III 

I.  Eisen-Zeit  =  Geometrisch. 

AsXti'ov  II.  Gräber  in  Phaleron  mit  »Pha- 
leron<(gattung.  — ■  Kuruniotis  hat  auf  Chios 
viele  sog.  naukratitische  Ware  gefunden; 
daraufhin  nimmt  er  Chios  als  Fabrikations- 
ort an. 

A.  J.  A.  XXIIL  Ionischer  Deinos  in  Boston, 
von  derArtderB.C.H.  XVII  veröffentlichten. 

K.  F.  Joharisen,  Sikyoniske  Vaser,  Kopen- 
hagen 1918,  besprochen  von  B.  Schweitzer 
in  Berl.  phil.  Woch.  1919  Nr.  8. 

Mon.  antichi  XXV.  Eine  protokorintliische 
Lekythos  aus  Syrakus  mit  Wagenrennen. 

A.  J.  A.  XX.  Eine  »kyrenäische«  Schale 
mit  Zweikampf  in  Bryn  Mawr;  eine  Gruppe 
spätschwarzf.  Amphoren  vom  »nolanischen« 
Typus. 

Die  Union  internationale  acadömique,  die 
ausdrücklich  die  deutsche  Wissenschaft  aus- 
schließt, plant  ein  Corpus  griechischer  Vasen- 
bilder in  Photographien.  (Referenten  Ho- 
molle  und  Pottier.) 

Ein  Corpus  der  Meistersignaturen  hat 
Nicole  in  Rev.  arch.  191 7  zusammengestellt. 
Nachträge  und  Berichtigungen  im  A.  J.  A. 
XXL 

Das  Werk  von  Paul  MiUiet,  Recueil 
arch^ologique,  das  alle  Literatur,  antike 
und  moderne,  über  griechische  Künstler 
bringen  will,  wird  auch  die  Vasenmaler  be- 
handeln; imi,  1921  erschienenen  Bandesind 
sie  noch  nicht  enthalten. 

A.J.  A.  XXI,  409  ff.  u.  XXIV,  271  f.: 
Listen  verschollener  Vasen,  die  wieder  auf- 
getauchtsind,  z.B.  Coghill  in  SammlungHope. 


249 


Archäologische  Gesellschaft  zu  Berlin.     Mäiz-Sitzung  1921. 


250 


Beazley,  Attic  Red  Figured  Vases  in 
American  Museums,  Cambridge  1918,  ver- 
öffentlicht nicht  nur  Vasen  in  Amerika, 
sondern  gibt  eine  Übersicht  über  das  ganze 
Werk  des  Meisters,  dem  die  betr.  Vase  zuge- 
schrieben wird;  dabei  werden  auch  Vasen 
in  Europa  abgebildet.  Die  Anordnung  ist 
chronolopsch.  Die  Meister  werden  kurz 
charakterisiert. 

Hoppin,  Handbook  of  Attic  Red  Figured 
Vases,  Cambridge  1919  (2  Bände),  will  keine 
neue  Forschungen  geben,  sondern  ein  be- 
quemes Nachschlagewerk  sein.  Die  Anord- 
nung ist  alphabetisch  nach  Meistern,  deren 
bisher  irgend  zugewiesene  Werke  nach  Mu- 
seen und  Katalognummern  geordnet  auf- 
geführt werden.  Die  signierten  Werke  wer- 
den abgebildet,  vielfach  nach  Furtw.-Reich- 
hold;    kaum  etwas  Neues. 

Hoppin,  Euthymides  and  his  Fellows, 
Cambridge  191 7,  ist  eine  2.  Auflage  seines 
Euthymides  und  behandelt  diesen,  Phin- 
tias  und  Kleophrades.  Eine  Besprechung 
von  Beazley  J.  H.  S.  XXXV  H. 

A.J.A.  XXI.  Schale  desOltos  in  Baltimore. 

J.  H.  S.  XXXV.  Radford:  Euphronios 
and  his  CoUeagues,  scheidet  I'^pccisv-Meister 
von  iiroir,asv  und  nimmt  hier  5  verschiedene 
an:  Panaitios-M.,  Troilos-M.,  Onesimos,  M. 
der  polychromen  Schale  in  Berlin  Innenbild, 
M.  der  Außenbilder. 

A.  J.  A.  XX.  Schale  des  Panaitios-M.  in 
New- York,  signiert  von  Euphronios.  He- 
raklesszenen. 

A.  J.  A.  XIX.    Skyphos  des  Brygos. 

J.  H.  S.  XXXVIII.  Skyphos  im  Stil  des 
Brygos,  m.  Silenen  in  der  (jetzt  versteigerten) 
Hope-Collection. 

A.  J.  A.  XXI.  2  Schalen  des  Hieron  in 
New  York  mit  Hetärenszenen  und  Männern 
und  Jünglingen  im  Himation. 

J.  H.  S.  XXXIX.  Beazley  bespricht  eine 
Scherbe  des  Duris  in  Lewes  (Sammlung 
Warren)  und  gibt  Nachträge  für  ihn. 

A.  J.  A.  XIX.    Penthesilia-Meister. 

Mon.  Piot.  XXII.  Pottier  veröffentlicht 
vier  weißgrundige  Lekythen  im  Louvre. 

Sitzung  vom  i.  März  1921. 
Herr  Borrmann  sprach  über  das  Pan- 
theon   in    Rom.     Der  Vortragende  ging 
von  der  Tatsache  aus,  daß  über  das  ursprüng- 


liche Innere  des  Pantheons  —  und  nur  von 
diesem  wolle  er  sprechen  —  noch  immer 
verschiedene,  voneinander  zum  Teil  stark 
abweichende  Meinungen  im  Umlauf  wären. 
Der  gegenwärtige  Zustand  ist  das  Ergebnis 
eines  Umbaues  vom  Jahre  1747.  Damals 
wurde  das  Attikageschoß  zwischen  der  un- 
teren, großen  Ordnung  und  der  Kuppel 
gänzlich  umgestaltet  (Abb.  i  rechts). 
Über  den  Zustand  vor  1747  unterrichten 
uns  Skizzen  und  Aufnahmen  verschiedener 
Renaissancemeister,  am  besten  die  sorg- 
fältigen  Aufmessungen   eines  französischen 


Abb.  I .     Pantheon. 

Rekonstruktion  von   F.  Adler.     Jetziger  Zustand. 

(Aus  J.  Durm,    Baukunst  der  Römer.) 

Architekten,  Antoine  Desgodetz')  (Abb.  2). 

Alteren  und  späteren  Bearbeitern  galt 
es  als  feststehend,  daß,  wie  die  Inschrift 
am  Friese  des  Frontgebälks  meldet,  das  Pan- 
theon von  M.  V.  Agrippa  während  seines 
dritten  Konsulats,  d.  i.  im  Jahre  27  vor 
unserer  Ära,  gegründet  wäre. 

Die  Überlieferung  gibt  nur  wenig  an  die 
Hand;  am  wichtigsten  ist  eine  Nachricht 
bei  Plinius  d.  Ä.,  welcher  die  Bildwerke  im 
Frontgiebel  und  die  Karyatiden  des  Bild- 
hauers Diogenes  »in  columnis  templi« 
rühmt.  Die  Pliniusstelle  lieferte  £.uch  den 
ersten  Anlaß  zu  Wiederhsrstellungsver- 
suchen.  Unter  denselben  hat  lange  Zeit  ein 
im    Winckelmannsprogramm    der    Archäo- 


■)  Antoine  Desgodetz:    Les   Mifices   antiques   de 
Rome.     Paris  1682. 


251 


Archäologische  Gesellschaft  zu  Berlin.     März-Sitzung  1931. 


252 


logischen  Geselbchaft  (1871)  veröffentlich- 
ter Versuch  von  Fr.  Adler  Beifall  gefunden. 
Das  Bestechende  der  Adlerschen  Rekon- 
struktion lag  darin,  daß  sie  die  sechs  großen 
Seitennischen  oder  Exedren  des  Rundbaues 
im  Attikageschosse  durch  Bögen  öffnete 
und  in  die  Bögen  die  Karyatiden  einstellte 
(Abb.    I  links).     Adlers  Wiederherstellung 


Auf  zwei  Voraussetzungen  beruht  die 
Adlersche  Wiederherstellung,  wie  andere 
ähnliche  Versuche:  i.  daß  wir  in  dem  Rund- 
bau des  Pantheons  noch  den  Ursprungsbau 
des  Agrippa,  2.  in  dem  Zustande,  wie  ihn 
die  Aufnahmen  von  Desgodetz  geben,  einen 
späteren  Umbau  zu  erkennen  haben.  Von 
einem   solchen   berichtet   eine   zweite   Bau- 


Abb.  2.     Querschnitt  des  Pantheons  nach  A.  Desgodetz. 


war  daher  ein  geistvoller  Versuch,  die  Bild- 
werke des  Diogenes  in  den  architektonischen 
Organismus  einzuordnen. 

Kein  Zweifel,  daß  durch  die  Bogen- 
öffnungen  in  der  Attika  ein  klarer  Zusam- 
menhang zwischen  der  großzügigen  Säulen- 
architektur des  Unterbaues  und  der  Kuppel 
hergestellt  wird,  daß  namentlich  der  Rhyth- 
mus der  Wandstruktur  zwischen  tragenden 
Pfeilerblocks  und  Raum  öffnenden  Nischen 
dem  Auge  faßlich  entgegentritt. 


Inschrift  amEpistyl  des  Frontgebälks,  worin 
es  heißt,  daß  die  Kaiser  Septimius  Severus 
und  Caracalla  »Pantheum  vetustate  corrup- 
tum  cum  omni  cultu  restituerunt«. 

Die  erste  Voraussetzung  ist  bekanntlich 
gefallen,  seitdem  durch  Untersuchung  der 
Ziegelstempel  der  Gewölbebau  des  Pan- 
theons in  allen  Teilen  als  ein  Werk  der  hadri- 
anischen  Epoche  erwiesen  und  damit  end- 
gültig an  die  in  der  Baugeschichte  allein 
mögliche  Stelle  gerückt  ist.    Das  Pantheon 


253 


Archäologische  Gesellschaft  zu  Berlin.     März-Sitzung  192 1. 


254 


des  Agrippa  mit  den  Bildwerken  des  Dio- 
genes scheidet  damit  aus  unserer  Betrach- 
tung aus.  Es  war  schon  einmal  unter  Titus, 
ein  zweites  Mal  im  Jahre  112  durch  Feuer 
schwer  beschädigt  worden,  ehe  es  —  eben 
durch  Hadrian  —  auf  ganz  veränderten 
Grundlagen  neu  erbaut  wurde. 

Wie  steht  es  nun  mit  der  zweiten  Voraus- 
setzung eines  Umbaues  des  Innern  in  spät- 
römischer Zeit?  Aus  den  Konstruktions- 
zeichnungen in  dem  Sammelwerk  von  M.  E. 
Isabelle:  Les6dificescirculaires  et  les  domes, 
Paris  1855  und  in  dem  bekannten  Hand- 
buche von  J.  Durm:  »Die  Baukunst  der 
Römer«  läßt  sich  folgendes  entnehmen 
(Abb.  3):  Blickt  man  hinter  die  Stuckver- 
kleidung des  jetzigen  Attikageschosses,  so 
zeigen  sich  im  Backsteingemäuer  der  Ro- 
tunde weitgespannte,  bis  zur  Peripherie  hin- 
durchgreifende Entlastungsbögen,  sowohl 
über  den  großen  Seitenexedren  als  auch  in 
den  Mauerblocks  zwischen  diesen.  Die  Bö- 
gen über  den  Exedren  werden  jedesmal 
durch  zwei  Backsteinpfosten  —  an  deren 
Stelle  Adler  seine  Karyatiden  setzte  — 
geteilt;  zwischen  den  Pfosten  bUeben  kleine 
Öffnungen  ausgespart,  denen  wieder  Wand- 
nischen von  gleichen  Abmessungen  in  den 
Mauerblocks  entsprechen. 

Die  Zeichnungen  bei  Isabelle  und  Durm 
lehren  ferner,  daß  die  Backsteinpfosten 
über  den  Säulen  der  Exedren  vorsorglich 
durch  Zungenwände  und  Bögen  mit  den 
Umfassungswänden  verankert  werden.  Pfo- 
sten aber  und  Zungenwände  sind  nicht  etwa 
nachträglich  eingeschaltet,  sondern  Glieder 
der  ursprünglichen  Konstruktion.  Schon 
dieser  Befund  spricht  das  entscheidende 
Wort.  Die  Bögen  über  den  großen  Wand- 
nischen können  niemals  offen  gewesen  sein, 
denn  sonst  hätte  man  die  Hilfskonstruktion 
vom  Innern  aus  sehen  müssen.  Daß  es  hier 
etwas  zu  verdecken  gab,  hat  auch  ein  spä- 
terer Wiederhersteller,  der  Architekt  J.  Dell '^, 
wohl  gefühlt,  indem  er  die  Bogenöffnungen 
durch  ein  engmaschiges  Gitter  ausfüll, e. 
Wozu  aber  eine  Öffnung  schaffen,  wenn  man 
sie  nachträglich  wieder  verschließen  muß? 


Von  Durm,  der  den  klaren  Blick  für  das 

Technische  nie  verleugnet,  ist  denn  auch  die 
Unmöglichkeit  der  Adlerschen  und  Dell- 
schen  Anordnung  richtig  erkannt,  trotzdem 
hat  er  beide  Rekonstruktionen  neben  einer 
dritten  in  seine  Baukunst  der  Römer  auf- 
genommen. 

Es  sprechen  jedoch  noch  andere  als  die 
bisher  erwähnten   Gründe   dagegen:    Adler 


^')  Josef  Dell  in:  Zeitschrift  f.  bildende  Kunst 
1893,  273—278.  Vgl.  auch  Springer-Michaelis,  Hand- 
buch der  Kunstgeschichte  I.  11.  Auflage  1920, 
Abb.  958. 


.jä^iäss«»- 


Abb.  3.    Pantheon,   Konstruktionssystem  des  Innern. 
(Aus  J.  Durm,  Baukunst  der  Römer.) 

und  Dell  müssen,  in  Übereinstimmung  mit 
der  Mauerkonstruktion,  die  Archivolten 
ihrer  Exedren  auf  einer  Brüstung  ansetzen 
lassen.  Die  Folge  davon  ist,  daß  dieselben 
dann  höher  hinaufrücken  als  die  unmittel- 
bar auf  dem  Gebälk  fußenden  Bögen  der 
Eingangs-  und  Altarnische;  damit  aber 
werden  gerade  die  beiden  Hauptnischen  in 
der  Mittelachse  niedriger  und  unansehn- 
licher als  die  durch  Säulen  vom  Rundraume 
abgetrennten  Seitenexedren. 


255 


Archäologische  Gesellschaft  zu  Berlin.     März-Sitzung  1921. 


256 


Beachtung  erheischt  noch  die  Entlastungs- 
konstruktion am  Gebälk  der  großen  Ord- 
nung (Abb.  3).  Man  hat  über  Pilastern  und 
Säulen  jedesmal  Widerlagsblöcke  aus  Mar- 
mor eingeschaltet  und  zwischen  diese  flache 
Backsteinbögen  eingespannt.  Die  gleiche 
durchdachte  Zerlegung  des  Mauerwerks  in 
tragende  und  versteifende  Teile  kehrt  auch 
an  anderen  Stellen  wieder.  So  finden  sich 
am  Kuppelfuße,  f,erade  über  den  großen 
Exedren,  drei  Entlastungsbögen  in  gleicher 
Funktion  wie  die  Bögen  am  Säulengebälk 
und  in  deutlicher  Beziehung  zu  denselben; 
auch  fehlen  nicht  die  Zungenwände,  welche 
die  Kuppelschale  mit  der  Hintermauerung 
verbinden.  Angesichts  dieser  Übereinstim- 
mung in  der  Kuppel-  und  Nischenkonstruk- 
tion müssen  alle  Zweifel  an  der  Gleichzeitig- 
keit beider,  folglich  auch  an  der  Ursprüng- 
lichkeit des  Pfeiler-  und  Bogensystems  in 
den  großen  Nischen  fallen. 

Die  Innenarchitektur  des  Pantheons,  wie 
sie  bis  zum  Umbau  im  Jahre  1747  bestanden 
hat,  ist  mithin  nicht  einem  spätrömischen 
Umbau  zuzuschreiben,  sondern  hadrianisch 
.  —  sie  trägt  auch  sonst  alle  Kennzeichen 
dieser  Zeit.  Selbst  Schwächen  und  Mängel 
im  formalen  Ausdrucke  finden  darin  ihre 
Erklärung.  Ist  es  doch  eine  in  der  Bauge- 
schichte genugsam  beobachtete  Tatsache, 
daß  gerade  die  großen  raumschöpferischen 
Epochen  oft  mit  einem  Niedergange  der 
Formenkunst  zusammenfallen.  Wie  sehr 
dies  für  das  Zeitalter  Hadrians,  den  Beginn 
der  gewaltigen  Gewölbebaukunst  Roms  zu- 
trifft, lehrt  des  Kaisers  eigenste  Bau- 
schöpfung, seine  Residenz  bei  Tibur.  An 
raumbildnerischen  Aufgaben  und  Lösungen 
^  ist  dieser  Mikrokosmos  der  Architektur 
■  vielleicht  einzig  in  aller  Welt,  daneben  aber 
begegnet  man  in  der  Tiburtina  einer  auf- 
fallenden Nachlässigkeit  in  den  Einzel- 
bildungen, einem  Mangel  an  Formgefühl, 
kurz  einer  Ausführung,  die  nicht  entfernt 
auf  der  Höhe  der  Raumkonzeption  steht. 
Man  wende  nicht  ein,  daß  daran  die  Eile  und 
Hast,  mit  der  dort  gebaut  und  der  kaiserliche 
Bauherr  zufriedengestellt  werden  mußte, 
allein  die  Schuld  trage.  Es  sind  Schwächen, 
denen  wir  auch  anderwärts  begegnen. 

Die  Attika  z.  B.  mit  der  kleinlichen  Pi- 
lasterarchitektur  über  einer  großen  Ordnung 


findet  sich  in  einer  zeitlich  einigermaßen 
bestimmbaren  Gruppe  von  Felsbauten  in 
Petra  in  Nordarabien.  Selbst  formale  Nach- 
lässigkeiten, wie  das  unvermittelte  Ein- 
schneiden der  Nischenbögen  in  die  Pilaster- 
ordnung,  was  zur  Folge  hat,  daß  die  Pilaster 
gewissermaßen  an  den  Bögen  emporklettem 
(Abb.  2),  kehren  in  Petra  wieder.  Es  sei 
nur  auf  die  allgemein  der  hadrianischen 
Epoche  zugeschriebene  Grabfassade  des  Sex- 
tius  Florentinus ')  und  verwandte  Beispiele 
derselben  Denkmalklasse  hingewiesen. 

Man  hat  es  ferner  als  ein  Zeichen  gesun- 
kenen Geschmacks  betrachtet,  daß  an  eben 
jener  Attika,  unter  der  machtvollen  Kuppel 
des  Pantheons,  die  architektonische  Glie- 
derung nur  durch  die  farbige  Steininkru- 
station bewirkt  wurde.  Desgodetz  betont  im 
Texte  zu  seinen  Aufnahmen  ausdrücklich, 
daß  an  den  Pilastern  bloß  Kapitelle  und 
Basen  gemeißelt,  die  Schäfte  dagegen  aus 
Platten  roten  Porphyrs  gefertigt  wären  und 
nicht  aus  der  Wandfläche  vorsprängen. 
Ganz  die  gleiche  Behandlung  der  Pilaster 
zeigt  u.  a.  auch  die  Marmorinkrustation 
am  Nympheion  des  Herodes  Atticus  in 
Olympia.  Der  Bau  des  Herodes  aber  steht 
der  hadrianischen  Epoche  immerhin  näher 
als  der  des  Septimius  Severus  und  Caracalla. 

Noch  eine  bisher  immer  nur  gestreifte 
Frage  bleibt  in  diesem  Zusammenhange  zu 
erörtern.  Die  Frage  nach  der  ehemaligen 
Polychromie  des  Innern  des  Pantheons. 
Von  farbigen  Aufnahmen  ist  meines  Wissens 
nur  eine  Teilansicht  der  großen  Ordnung  bei 
Isabelle  veröffentlicht  *).  Daß  dieselbe  dem 
ursprünglichen  Zustande  entspricht,  ist  nir- 
gends in  Zweifel  gezogen  worden,  geht  auch 
aus  allen  älteren  Aufnahmen  hervor.  Von 
der  Marmorverkleidung  des  Pilastergeschos- 
ses,  vor  dem  Umbau  von  1747,  handel  glück- 
licherweise derText  bei  Desgodetz.  Mit  rüh- 
menswerter Genauigkeit  hat  der  franzö- 
sische Architekt  nicht  nur  die  Stein-  und 
Marmorsorten  nebst  ihren  Farben,  sondern 
auch  deren  Verteilung  auf  die  Fläche  ange- 
geben. Material  aber  und  Farben  sind  die- 
selben wie  im  Säulengeschoß.  Die  großen 
Wagerechten,   die  Gebälke  und  Sockel  be- 

')  R.  E.  Brünnow  und  A.  v.  Domaszewski,  Ara- 
bia  I,  Fig.  192,  194  u.  197. 
i        ^)  IsabeUe  a.  a.  0.  pl.  17. 


257 


Archäologische  Gesellschaft  zu  Berlin.     März-Sitzung  1921. 


258 


Stehen  aus  weißem  Marmor,  aus  weißem 
Marmor  auch  die  Kapitelle  und  Basen. 
Die  farbigen  Steinsorten  kleiden  die  Flächen. 
Von  diesem  Hintergrunde  heben  sich  im 
Hauptgeschosse  die  hellmarmornen  Säulen- 
schäfte, an  der  Attika  die  dunklen  Porphyr- 
schäfte der  Pilaster  ab;  so  ergab  sich 
Übereinstimmung  zwischen  Attika  und 
Unterbau.  Aber  Desgodetz  gibt  noch 
mehr:  er  hat  beobachtet,  daß  in  beiden  Ge- 
schossen auch  Übereinstimmung  in  der  Be- 
arbeitung des  Materials  herrschte,  daß  die 
Profile  für  die  Unteransicht  etwas  unter- 
schnitten, daß  die  lotrechten  Flächen  leicht 
nach  vorn  geneigt  waren.  In  großem  Maß- 
stabe ist  das  bekanntlich  auch  bei  den 
Kassetten  der  Kuppel  geschehen  und  schon 
immer  aus  optischen  Rücksichten  erklärt 
worden.  • 

Derartige  werkliche  Eigenheiten  sind 
nicht  ohne  Belang,  denn  sie  geben  etwas  wie 
die  Handschrift  der  ausführenden  Meister. 
In  unserem  Falle  liefern  sie  ein  weiteres 
wertvolles  Zeugnis  für  die  zeitliche  Zusam- 
mengehörigkeit aller  Teile  der  Rotunde. 
Wollte  man  daher  an  dem  Gedanken  fest- 
halten, daß  das  Innere  des  Pantheons  durch 
eine  Wiederherstellung  unter  Septimius  Se- 
verus  und  Caracalla  wesentliche  Verände- 
rungen erfahren  habe,  so  müßte  der  ur- 
sprüngliche Zustand  erst  noch  erfunden 
werden.  Nachzuweisen  ist  er  nicht.  Im 
Gegenteil,  es  spricht  alles  dafür,  daß  der  von 
Desgodetz  und  den  Renaissancemeistern 
dargestellte  Befund  in  allen  wesentlichen 
Teilen  demalten,  hadrianischen entsprochen 
ha«. 

Sonach  können  allein  die  auf  dem  Des- 
godetzschen  Werke  beruhenden  Wieder- 
herstellungen Anspruch  auf  Glaubwürdigkeit 
erheben.  Unter  ihnen  aber  kommt  immer 
noch  die  Tafel,  welche  Isabellei)  seinen  Auf- 
nahmen vom  Pantheon  beigefügt  hat,  in 
erster  Linie  in  Betracht.     (Abb.  4.) 

Wie  man  sich  auch  zu  dem  Bilde  verhalten 
mag  —  und  der  Phantasie  verbleibt  noch 


»)  Isabelle  a.  a.  0.  pl.  18.  Irrtümlicherweise  hat 
Isabelle  in  seiner  Rekonstruktion  den  Pilastern  der 
Attika  Relief  gegeben,  abweichend  von  den  Auf- 
nahmen und  dem  Texte  bei  Desgodetz,  abweichend 
auch  von  einer  gewöhnlich  dem  Rafael  zugeschrie- 
benen Skizze  vom  Innern  des  Pantheons. 

Archäologischer  Anzeiger  1921. 


Spielraum  genug,  sich  das  Innere  des  Pan- 
theons im  Schmucke  seiner  Götterstatuen 
und  Anatheme,  der  Bronzepracht  und  Ver- 
goldung der  Kuppel  vorzustellen  — ,  eines 
kommt  auf  jenem  Bilde  überzeugend  zum 
Ausdruck:  die  unvergleichliche  Raumes- 
macht des  Innern.  Sie  beruht  auf  der  Ein- 
heit und_^Geschlossenheit  des  Baukörpers. 
Überall,  wo  man  auch  stehe,  hat  man  den 
vollen,  durch  nichts  beengten  Raumeindruck. 
Wand  und  Decke  sind  eines.    Unmerklich 


Abb    4.    Pantheon.    Rekonstruktion  des  Innern 
von  M.  E.  Isabelle. 

führt  die  Kuppel  den  Blick  vom  Boden  zur 
Höhe,  zur  Lichtöffnung  des  Scheitelrings, 
der  das  Innere  mit  ruhiger,  gleichmäßiger 
Helle  erfüllt.  Es  gibt  im  ganzen  Bereiche  der 
Baukunst  kein  zweites  Beispiel  mehr  einer 
derartigen  Konzentration  aller  Ausdrucks- 
mittel auf  ein  Ziel,  auf  Raumwirkung. 
Hierauf  trug  Herr  E.  Pernice  (Greifs- 
wald) über  die  kunstgeschichtliche 
Verwertung  der  pompejanischen 
Bronzegerätc  vor.  In  Anfang  wurde  die 
Forderung  einer  genauen  Untersuchung  der 
einzelnen    bedeutenderen    Stücke    erhoben 


259 


Archäologische  Gesellschaft  zu  Berlin.     April-Sitzung  1921. 


260 


und  die  Berechtigung  dieser  Forderung  durch 
den  Nachweis  geUefert,  daß  wohlbekannte 
und  bedeutende  Stücke  (tanzender  Faun, 
Dreifuß  aus  dem  Isistempel  u.  a.)  durch 
antike  Restaurierung  oder  Umarbeitung 
stark  verändert  worden  sind.  Alsdann  wurde 
die  Methode  besprochen,  durch  die  es  ge- 
lingen könne,  die  ungeheuere  Menge  von 
Bronzen  zu  gruppieren.  Den  Hauptteil  des 
Vortrags  bildete  der  unter  Vergleichung 
sonstiger  italischer  Funde  (Bronzen  und  be- 
sonders Vasen)  unternommene  Nachweis, 
daß  ein  naher  Zusammenhang  zwischen  den 
pompejanischen  Bronzearbeiten  und  der 
unteritalischen,  insbesondere  der  tarentini- 
schen  Kunst  besteht.  Eine  nicht  geringe 
Anzahl  von  Gefäßen  und  Geräten  konnte 
dabei  der  Tuffzeit  zugewiesen  und  der  künst- 
lerische Stil  der  tuffzeitlichen Toreutik  über- 
haupt genauer  festgestellt  werden. 

Sitzung  vom  11.  April  1921. 

Herr  Schuchhardt  sprach  über  den  neuen 
»Nuraghen-Tempel«  von  Sta.  Anastasia, 
den  Taramelli  kürzlich  im  XXV.  Bd.  der 
Monumenti  dei  Lincei  veröffentlicht  hat.  Es 
ist  ebenso  wie  das  ganz  verwandte  früher  ge- 
fundene Gebäude  von  Serri  (Mon.  Line.  23, 
1914  und  Arch.  Anz.  1910,  193)  kein  Tempel, 
sondern  ein  Quellhaus,  in  dem  oben  am 
Eingang  ein  Kult  eingerichtet  war.  In  dem 
neuen  Nurago  steht  das  Wasser  unten  noch 
mannshoch.  Taramelli  tut  auch  unrecht, 
wenn  er  über  die  Nuragen  im  allgemeinen 
immer  noch  die  alten  Ansichten  vorbringt, 
sie  gehörten  mit  ihren  Funden  zu  den  Nach- 
klängen der  mykenischen  Kultur  und  könn- 
ten in  dem  entlegenen  Westen  wohl  noch  ins 
8.  Jahrh.  gesetzt  werden.  Wir  wissen  längst, 
daß  die  Nuragen  als  Wohntürme,  die  Land- 
güter oder  kleine  Ortschaften  schützten,  zu- 
sammengehören mit  den  unterirdischen  Kam- 
mergräbern wie  Anghela  Ruju  und  den  ober- 
irdischen »Gigantengräbern«  und  daß  sie  da- 
mit in  die  Zeit  der  Glockenbecher  fallen,  die 
der  Periode  von  El  Argar  =  Troja  II  vorauf- 
geht. Sie  sind  also  um  2500  v.  Chr.  anzu- 
setzen. Grade  der  neue  Nurago  bietet  wich- 
tige Anhaltspunkte  dafür,  daß  wir  in  seines- 
gleichen nicht  Nachklänge,  sondern  Vorstu- 
fen des  Mykenischen  vor  uns  haben.    Unter 


seiner  Keramik  befinden  sich  viele  Schnabel- 
kannen,  die  für  die  Kykladenkultur  be- 
zeichnend sind  und  in  das  Frühmykenische 
nur  noch  spärlich  hineinragen.  Von  der 
Umrahmung  der  monumentalen  Tür  sind 
einige  Blöcke  vorhanden,  die  einmal  das 
einfache  Zickzackornament,  das  beliebteste 
Zierstück  der  Kykladen  bieten,  ein  ander- 
mal dieses  selbe  Zickzack  neben  einer  großen 
runden  Scheibe  genau  wie  ein  im  sog.  Atreus- 
grabe  zu  Mykene  gefundener  Block  es  hat 
(Schliemann,  Mykenä  S.  163,  Nr.215).  Die 
Tür  dieses  Nurago  von  Sta.  Anastasia  scheint 
also  schon  ganz  ähnlich  gestaltet  gewesen  zu 
sein  wie  die  der  mykenischen  Tholosbauten. 
Aber  nicht  nur  in  den  mykenischen  Tho- 
losgräbern  klingen  die  Nuragen  nach.  Sieht 
man  die  Pläne  der  kleinen  sardinischen 
Burgen  durch,  die  in  Bogenlinien  eine  Hoch- 
fläche umziehen  und  im  Innern  gewöhnHch 
einen  großen  Nurago  als  einzigen  festen  Bau 
haben,  so  erklärt  sich  leicht  der  große  Rund- 
bau in  der  Mitte  der  Burg  von  Tiryns,  der 
kurz  vor  dem  Kriege  erkannt  worden  ist 
(Schuchhardt,  Alteuropa  S.  216).  Er  ist 
selbst  auch  ein  Nurago,  ein  mächtiger  Wohn- 
turm, und  von  der  alten  zu  ihm  gehörigen 
Burgmauer  ist,  wie  mir  scheint,  auch  noch 
ein  Stück  vorhanden.  Fast  die  ganze  er- 
haltene Umwehrung  ist  gradlinig,  recht- 
eckig, die  einzelnen  Stücke  gleichmäßig  dick. 
Im  Süden  aber  springt  ein  eigenartiger 
Mauerbogen  aus,  um  einen  Nebenein-  und 
-aufgang  zu  decken.  Schon  die  Bogenlinie 
an  sich  spricht  für  höheres  Alter,  außerdem 
ist  die  Bogenmauer  im  Westen  5,  in  der 
Mitte  6,  im  Osten  7  m  dick.  Das  Tor  in  ihr 
ist  durch  Überkragen  zugewölbt,  wofür  ich 
im  Mykenischen  kein  Beispiel  mehr  weiß, 
und  die  Mauertechnik  ist  noch  weit  ent- 
fernt von  dem  schönen  Quaderbau  am  ti- 
rynther  oder  mykenischen  Haupttore,  sie  ist 
ganz  »Kyklopisch«.  Eine  Nachforschung  an 
Ort  und  Stelle  wird  leicht  entscheiden  kön- 
nen, ob  meine  Vermutung  richtig  ist.  Ich 
glaube  es  um  so  mehr,  als  auch  die  vor- 
geschichtliche Akropolisvon  Athen  mit  ihrer 
ganz  alten  primitiven  Mauertechnik  eine 
Linienführung  verbindet,  die  in  der  SO.- 
Ecke  eine  große  Schleife  macht  in  der  Art, 
wie  die  Nuragenburgen  auf  ihren  Ecken 
runde  Türme  umziehen. 


2ÖI 


Archäologische  Gesellschaft  zu  Berlin.     Mai-Juni-Sitzung   1921 


262 


Darauf  sprach  Herr  Amelung  (Rom) 
über  neue  Funde  in  Italien,  zunächst 
über  die  Kolossalfigur  einer  Göttin,  deren 
Körper  in  pentelischem,  deren  Kopf,  Arm- 
fragment  und  linker  Fuß  in  parischem  Mar- 
mor gearbeitet  ist.  Die  Figur  steht  heute  in 
einer  großen  Halle  der  Diokletians-Thermen 
in  Rom;  gefunden  wurde  sie  in  einem  Wein- 
berge bei  Ariccia.  Sie  verdient  unser  be- 
sonderes Interesse,  da  ihr  Kopf  eine  Replik 
der  Hera  Farnese  in  Neapel  ist.  Bekleidet  ist 
der  Körper  mit  dem  tiefgegürteten  Peplos 
und  einem  um  Schultern  und  Arme  ge- 
schlungenen Mantel.  A.  erklärte  die  Darge- 
stellte für  Artemis  oder  Hekate,  jedenfalls 
eine  jungfräuliche  Göttin,  suchte  die  Stel- 
lung des  Werkes,  dessen  Original  augen- 
scheinlich in  Bronze  gearbeitet  war,  in  der 
kunstgeschichtlichen  Entwickelung  zu  be- 
stimmen —  Mitte  des  5.  Jahrh.  v.  Chr., 
attisch,  etwaHegias,  Lehrer  des  Pheidias,  — 
und  betonte  die  große  Bedeutung  des  neuen 
Fundes  für  unsere  Erkenntnis  griechischer 
Religion.  Nachdem  A.  darauf  kurz  eine 
jetzt  im  Thermen-Museum  in  Rom  befind- 
liche Christus-Statuette  erwähnt  hatte,  die 
sich  als  eine  Arbeit  antoninischer  Zeit  nach 
dem  Vorbilde  des  Sarapis-Bildes  in  Alexan- 
dria erkennen  läßt,  berichtete  er  eingehend 
über  seine  Durchforschung  der  Magazine 
des  vatikanischen  Museums,  wo  sich  eine 
außerordentlich  große  Menge  bedeutender 
Skulpturenfragmente  unter  dem  Staub  eines 
Jahrhunderts  vorfand.  A.  konnte  sich  im 
allgemeinen  sehr  anerkennend  über  das 
freundliche  Entgegenkommen  der  italieni- 
schen Fachgenossen  aussprechen:  während 
R.  Paribeni,  der  Direktor  des  Thermen-Mu- 
seums, in  liberalster  Weise  die  Aufnahmen 
jener  Kolossalfigur  ermögÜcht  und  deren 
Veröfifentlichung  im  Jahrbuch  des  Instituts 
und  dann  in  den  Bruckmannschen  Denk- 
mälern gestattet  hat,  wird  die  Erlaubnis 
und  Förderung  der  Studien  in  den  vatikani- 
schen Magazinen  insbesondere  B.  Nogara, 
dem  neuen  Direktor  des  vatikanischen  Mu- 
seums, dem  bekannten  Etruskologen,  ver- 
dankt. Diese  Funde  werden  in  einem  großen 
Bande  von  der  Accademia  Pontificia  di  ar- 
cheologia  mit  einem  von  A.  verfaßten  Texte 
veröffentlicht  werden.  Von  besonders  her- 
vorragenden Stücken  sind  zu  nennen:  eine 


vorzügliche  Wiederholung  des  Pherekydes- 
Aristogeiton,  mit  der  eine  Ergänzung  des 
bärtigen  Tyrannenmörders  endgültig  ausge- 
führt werden  kann;  eine  gute  Wiederholung 
des  Kopfes  der  myronischen  Athena,  dem 
Dresdener  Kopfe  ähnlicher  als  dem  Frank- 
furter; eine  Wiederholung  des  Athleten- 
kopfes aus  Perinth  in  Dresden,  hier  mit 
Satyrohren,  wohl  von  einem  Pan  oder  Fluß- 
gott  stammend;  eine  in  voller  Schärfe  aus- 
geführte Kopie  des  Idolino-Kopfes  in  Ba- 
salt; eine  Wiederholung  des  sog.  Hertzschen 
Kopfes  (Nike  des  Paionios)  ungebrochen  auf 
•  Hermenbüste  aus  pentelischem  Marmor;  ein 
bärtiger  Originalkopf  aus  den  Metopen  des 
Parthenon;  zwei  unter  einander  abweichende 
Wiederholungen  der  knidischen  Aphrodite; 
%in  praxitelischer  Aphrodite-Kopf,  dem 
Kaufmannschen  sehr  verwandt;  eine  ganze 
Gruppe  alexandrinischer  Originalköpfe,  deren 
Hinterköpfe  in  Stuck  ausgeführt  waren;  eine 
Reihe  neuer  Fragmente  der  Skylla-Gruppe; 
Plinthe,  Stamm  und  Beine  der  Diogenes- 
Statuette  in  Villa  Albani;  ein  außerordent- 
lich reizvoller  hellenistisch-etruskischer  Kopf 
in  Nenfro  gearbeitet;  endlich  eine  ganze 
Gallerie  vortrefflicher  römischer  Porträts, 
zumeist  aus  der  letzten  Zeit  der  Republik 
und  dem  Beginn  der  Kaiserzeit. 

Herr  Dragendorff  beglückwünschte  den 
Vortragenden  zu  der  reichen  Fülle  neuge- 
wonnenen wertvollen  Materiales  und  bat  ihn, 
den  italienischen  Fachgenossen,  vor  allem 
Herrn  Dir.  Nogara  den  aufrichtigen  Dank 
der  Gesellschaft  zu  übermitteln. 

Sitzung  vom  3.  Mai    1921. 

Herr  Schäfer  (als  Gast)  hielt  einen  Licht- 
bildervortrag über  das  Bildnis  in  der 
ägyptischen  Kunst. 

Sitzung  vom  7.  Juni   1921. 

Herr  Ippel  berichtete  über  das  Grab 
des  Petosiris,  das  1920  bei  Derwe,  west- 
lich von  El-Amarna,  auf  dem  ehemaligen 
deutschen  Konzessionsgebiet  aufgedeckt  wor- 
den ist  ■).  Es  ist  datiert  durch  griechische 
Graffiti    des    3.  Jahrhunderts    v.  Chr.    und 


•)  Annales  du  service  de  l'ant.  en  Egypte,    XX 
1920,  41  ff.,  Taf.  I— IV  (Lefebvre). 


263 


Archäologische  Doktor-Dissertationen. 


264 


durch  die  biographischen  Angaben  des  Pe- 
tosiris  in  ägyptischer  Sprache.     P.  war  da- 
nach   in    der    letzten    persischen    Zeit    vor 
Alexander  sieben  Jahre  lang  Oberpriester  in 
Hermupolis.      Das   Grab  muß   danach  um 
300  gebaut  sein.     Das  ist  von  größter  Be- 
deutung wegen  der  reichen  ägyptischen  Re- 
liefs, die  in  gräzisierendem  Stil  gehalten  sind. 
Auch  ein  »Zinkenaltar«,  hoch  1,95  m,  steht 
vor  dem  Grabe.     Bei  aller  nötigen  Reserve 
bis  zur  vollständigen  Veröffentlichung  der 
Reliefs    kann    man    immerhin    eine    Reihe 
wichtiger  Folgerungen  ziehen:    I.  Das  erste 
Werk   hellenistischer   Zeit    in    ägyptischem 
»Mischstil«   ist   bestimmt   von   ägyptischen 
Künstlern    gearbeitet.       Das    eröffnet   ganz 
neue  Ausblicke  auf  das  Verhältnis  der  Grie- 
chen zu  Ägypten  und  umgekehrt  im  4.  Jahr» 
hundert.    2.  Es  ergibt  sich  die  Möglichkeit, 
die  stattliche  Menge  verwandter  Reliefs  ab- 
solut zeitlich  zu  ordnen.    Etwas  jünger  z.  B. 
ist  das  neue  Berliner  Relief  2214 '),   etwa 
gleichzeitig  Berlin  15  415;    um  350  gehört 
das  des  Zi-Bastet-Emow>)  und  Pathnefti  J), 
noch  ins   5.  Jahrhundert  die  Zanoferreliefs 
und  Berlin  15  414  (Henot),  auf  denen  noch 
nichts  »griechisch«  ist.  Die  ägyptische  Kunst 
beschreitet  in  der  letzten  Zeit  von  sich  aus 
einen  Weg,  der  dem  Griechischen  naheführt, 
bis  dies  tatsächlich  rezipiert  wird.     3.  Die 
Skulptur    geht   parallel:    Berlin    2214    und 
Petosiris  gleicht  etwa  der  Kopf  Berlin  10 1004) ; 
Zi-Bastet-Emow    gleicht    durchaus     Berlin 
8805  5);  den  Henot  und  Psammetiknef  ersam 
steht  ganz   nah   der  kleine  grüne   Berliner 
Kopf*),   der  also  ins  5.  Jahrhundert  gehört 
und  dem  großen  Berliner  grünen  Kopf  die 
Zeit  davor  anweist,   wohl  noch  sicher  das 
$.  Jahrhundert.    Man  muß  sich  davon  frei- 
machen, Griechisches  in  ihm  finden  zu  wol- 
len. 4.  Die  Möglichkeit  ist  jetzt  ohne  weiteres 
vorhanden,  den  ältesten  Isistypus  mit  dem 


')  Berliner  Museen  XLIt  1920,  15  fr.  (H.  Schäfer) 
und  Festschr.  zu  Lehmann-Haupts  60.  Geburtstag 
(=  Janas  I  1921)  194  S. 

»)  Petrie,  Memphis  II  (1909)  Taf.  17  r. 

3)  Vgl.  im  ganzen  v.  Bissing-Bruckmann  zu 
Taf.  lOi,  wo  die  relative  Datierung  ähnlich  ge- 
geben wird. 

4)  Recueil  des  travaux  XVIII  S.  132  f.  (v.  Bis- 
sing). 

5)  V.  Bissing-Bruckmann  zu  Taf.  67. 

«)  Vgl.  Ny  Carlsb.  Taf.  211  C  (A  141)! 


»Isisknoten«  (s.  Sp.  263  A.  l)  in  demselben 
ägyptischen  Kreis  entstanden  zu  denken,  aus 
dem  die  Petosirisreliefs  hervorgingen;  die 
Griechen  hätten  dann  diesen  Typus  übernom- 
men und  weitergebildet.  5.  Die  neuen  Reliefs 
stellen  mit  ihrenDarstellungen  vom  Leben  und 
Treiben  auf  dem  Nil  die  direkte  Verbindung 
vom  Altägyptischen  zudenalexandrinischen, 
entsprechenden  Darstellungen  her,  d.  h.  das 
»Agyptisieren«  in  der  Kunst  stammt  eben 
aus  Ägypten!  6.  Die  zum  Teil  jener  Relief- 
gruppe gleichzeitigen  Bildhauermodelle  er- 
halten ganz  neues  Licht  und  zeigen  auch 
auf  diesem  Gebiet  die  großen  Leistungen 
der  Nektaneboszeit.  7.  Die  Beziehungen  zu 
»Petosiris  und  Nechepso«  ■)  sind  wohl  so  zu 
denken,  daß  ein  berühmter  Petosiris  eben  in 
der  Zeit  Nechepsos  (während  der  25.  Dyn.) 
lebte,  daß  man  aber  in  dem  neuen  Grab 
das  des  alten  Weisen  wiedergefunden  zu 
haben  glaubte;  denn  ein  griechisches  Graf- 
fito  redet  P.  als  Weisen  an,  wofür  er  also 
schon  im  3.  Jahrhundert  bei  den  Griechen 
gilt^). 

Darauf  sprach  Herr  Rubensohn  über 
das  Delion  auf  Paros.  Der  Vortrag 
soll  an  anderer  Stelle  im  Druck  erscheinen. 


ARCHÄOLOGISCHE  DOKTOR- 
DISSERTATIONEN. 

Walter  Wrede,  Kriegers  Abschied  und 
Heimkehr  in  der  griechischen  Kunst  I. 

(Von  der  Philos.  Fakultät  Marburg  als  Preisarbeit, 
dann  als  Dissertation  angenommen  1921.  Referent: 
Prof.  P.  Jacobsthal.  —  170  S.  Text,  74  S.  Anmer- 
kungen ;  in  Maschinenschrift.  Ein  Exemplar  in  der 
Staatsbibliothek  Berlin,  zwei  in  der  Universitätsbib- 
liothek Marburg,  eines  im  Archäol.  Seminar  Marburg. 
Dazu  eine  Originalmappe  Pausenskizzen  und  Photos 
im  Archäol.  Seminar  Marburg.  Die  letzteren  gelten 
nicht  als  Publikationl  —  Längerer  Auszug  (yj  Druck- 
bogen) im  Jahrbuch  der  Philos.  Fakultät  Marburg.) 

Die  Arbeit  bietet  den  ersten  Teil  einer 
Behandlung   der   verschiedenen   Abschieds- 

»)  W.  Kroll,  Neue  Jahrb.  VII  569  fr. 

')  Diese  Lösung  erscheint  auch  Herrn  Prof. 
Heinr.  Schäfer  als  die  wahrscheinlichste,  dem  ich 
auch  an  dieser  Stelle  für  seine  unermüdliche  An- 
teilnahme an  den  hier  nur  kurz  angedeuteten  Stu- 
dien herzlich  danken  möchte. 


265 


Archäologische  Doktor-Dissertationen. 


266 


typen  griechischer  Kunst  (Abschiedsspende, 
Rüstungsszene,  8eSt(uat?  u.  a.),  zu  der  dem 
Verf.  das  Material  vorliegt. 

Einleitung.  Typologische  Methode. 
Thema.  Der  Berliner  Amphiaraoskrater 
(F.-R.  121/122)  der  Behandlung  der  sf. 
Wagenszenen  zugrunde  gelegt.  —  Katalog 
mit  125  Ausfahrts-  und  33  Anschirrungs- 
szenen.  I.  Elemente  der  Abschieds- 
typik  in  der  Kunst  vor  Ausbildung 
des  sf.  Stils.  U.  a. :  Frau  der  mykenischen 
Kriegervase  (Furtw.-Loeschcke,  Myk.  Vas. 
42/43);  »Lcontis«  (?)  der  geometr.  Bronze- 
fibel B.  M.  3205;  Motiv  der  Hinterschnei- 
dung  des  Pferderückens  durch  menschliche 
Figur  schon  mykenisch.  —  Argivische  He- 
raionscherben Waldstein  II,  pl.  57,  i  typen- 
geschichtlich und  stilistisch  besprochen.  An- 
dere Wagenszenen  orientalisierender  Stile.  — 
II.  Ausfahrt  zu  Wagen.  A.  Im  sf. 
Stil  des  Mutterlandes.  Die  einzelnen 
Figuren  der  Ausfahrtskompositionen  und 
ihre  Gruppierungen  besprochen,  und  zwar 
I.  Held  und  Lenker,  2.  die  Frauen,  3.  der 
Stehende  vor  den  Pferden,  4.  der  Sitzende 
vor  den  Pferden  (das  Halimedesproblem; 
Klappstuhlmänner),  5.  der  stehende  bärtige 
Mann,  6.  die  begleitenden  Krieger,  7.  die 
Gespanne  (Schrittmotive,  Gespannkompo- 
sition), 8.  die  übrigen  Tiere  (Vogel  und 
Schlange,  Eidechse  usw.;  Hunde),  9.  Zu- 
sammenfassung. Kompositionsfragen.  — 
B.  In  der  Malerei  außerhalb  des 
Festlandes.  Bostoner  Klaz  omenischer  Sar- 
kophag Phot.  Coolidge  9880  selbständige 
Typik.  Münchener  italisch-ionische  Vase 
Sieveking-Hackl  883  typologisch  vom  Fest- 
land beeinflußt.  Die  unhelladische  Ver- 
bindung der  Wagenszene  mit  Reihe  mar- 
schierender Krieger.  • —  C.  Archaische 
Reliefs  usw.  Sima  v.  Palaikastro  (BSA. 
XI,  1904/05,  pl.  XV),  etruskische  Terrakotta- 
friese (Milani,  Stud.  emat.  I,  92  ff.,  Mon.  d.i. 
Suppl.  Taf.  I,  u.  a.),  Elfenbeinpyxis  von 
Chiusi  (Mon.  d.  I.  X,  Taf.  39a)  u.  a.  typo- 
logisch und  stilistisch  analysiert.  Auch  hier 
die  Kriegerreihe.  Diese  Typik  stammt  aus 
dem  Orient.  —  D.  Anschirren  des  Ge- 
spanns (z.  B.  Berlin,  Furtw.  1897).  i. 
Technischer  Vorgang,  Einzeltypik,  2.  Kom- 
position (drei  Hauptgruppen),  3.  Stil.  — 
E.  Deutungsfragen;    Mythos   und  ßio?. 


Bestimmte  epische  Szene,  allgemein  mytho- 
logische Sphäre,  ßt'o?.  —  Exkurse  und 
Anmerkungen. 

W.  Wrede. 


Hans  Möbius,  Die  Darstellung  des 
sitzenden  Menschen  in  der  antiken  Kunst. 
I.  Teil:  Bis  zum  Ende  der  archaischen 
griechischen  Kunst.  Ungedruckte  Disser- 
tation. Marburg  1921.  Ref.  Prof.  Dr. 
P.  Jacobsthal.  Ein  Exemplar  in  Maschinen- 
schrift (140  Seiten)  mit  12  Tafeln  kann 
vom  archäologischen  Seminar  der  Universi- 
tät Marburg  entliehen  werden,  ein  anderes 
(ohne  Tafeln)  von  der  Zentraldirektion  des 
Archäologischen  Instituts. 

Fragestellung:  »In  welchen  Fällen  wird 
im  Altertum  der  Mensch  sitzend  dargestellt?« 
und  »Wie  entwickelt  sich  der  Typus  des 
sitzenden  Menschen  in  der  Kunst?« 

I.  Sitzen  und  Hocken.    »Thronende  Herr- 
scher und  hockende  Völker«.    In  primitiver 
Kunst  Hockende  und  Sitzende^  nebeneinan- 
der.     II.  Ägypten,      i.  Offiziell  gebunden. 
(Könige,   Götter,   Tote.)      Starrer  Typ   der 
Sitzstatue.      Kanonische  Flächenprojektion 
durch  Realismus  unter  Amenophis  IV.  unter- 
brochen.   Vier  feste  Typen  von  Kauernden: 
»Hieratisch«,    »Würfelhocker«,    »Schreiber«, 
»Kauernde   mit    einem    untergeschlagenen 
Bein  .    2.     Frei    bewegte    Darstellung    des 
Volkes:   Höchste  Mannigfaltigkeit  der  Hal- 
tungen, Körpergefühl,  Verkürzungen.     III. 
Vorderasien.      i.   Offiziell   gebunden.      Ba- 
bylon. —  Hethitisch:  Die  »orientalische  Sil- 
houette«:   Kurzer  Oberkörper,   lange  Ober- 
schenkel,  über  den  Knieen  ausgebogene  Ge- 
wandkurve.  Flächenprojektion:  beide  Beine 
j   übereinander.      Assyrisch:    Scharfes    Profil 
I   des  Unterkörpers.'     2.  Frei  bewegtes  Volk. 
I   Babyl. :  Handwerker  und  hockende  Frau  auf 
Siegelzylindern.    Assyrisch:  Angler  und  Ge- 
fangene kauernd  auf  Reliefs.    IV.  Kretisch- 
myk.  Kultur.   Keine  Herrscherbilder.  Thro- 
'   nende  Gottheiten  auf  Gemmen  tragen  Zei- 
chen oriental.  Herkunft,  dagegen  originelle 
Haltung  der  großen  kret.-myk.  Göttin:  Leb- 
,  hafte  Bewegung,  tiefes  Sitzen.   V.  Griechen- 
I  land.     A.  Geometrisch.     Bilder  thronender 


267 


Archäologische  Dokior- Dissertationen, 


268 


Kultstatuen   zeigen    »oriental.    Silhouette«. 

Sitzende  und  kauernde  Klagefrauen,  Schif- 
fer und  Handwerker.  (Verschiedene  Stadien 
der  Geometrisierung.)  B.  Orientalisch.  Die 
»oriental.  Silhouette«  in  Phönikien,  Cypern, 
Rhodos,  Korinth,  Etrurien,  Oberitalien  (?). 
C.  Archaisch,  i.  Der  Sitzende  als  Einzel- 
figur. Verbreitung,  inhaltliche  Bedeutung, 
antiquarische  und  stilistische  Kriterien  spre- 
chen für  ihre  Herkunft  aus  Asien,  ägyptische 
Einflüsse  erst  in  jünger  archaischen  Werken. 
Entwicklung  von  der  »Hagemo«  zur  En- 
doios-Athena,  im  Relief  zur  klassischen 
Flächenprojektion  in  Xanthos.  Drei  Typen 
der  Frau  im  Totenmahl.  2.  Der  sitzende 
Mensch  als  Glied  zusammenhängender  Dar- 
stellungen, a)  Inhaltlich.  Aufzählung  und 
Scheidung  nicht-attischer  und  attischer  Ty- 
pen, (lonien:  Thronende  Herrscher.  Ko- 
rinth: sitzendeMuttermit  Kind.  Attika:Zeus 
(Athenageburt),  Zeus  und  Hera  (Einführung 
des  Herakles  und  Hephai§tos),  Götterver- 
sammlung, »Sacra  conversazione«,  zuschau- 
ende Götter,  Greise,  Priamos  auf  dem  Altar. 
Brettspieler,  Männer  neben  der  Sphinx, 
»Mann  vor  den  Pferden«  (beim  Auszug  zu 
Wagen),  Preisrichter,  Handwerker,  Frauen. 

b)  Formal.  Folgen  der  archaischen  Aktivität 
und  des  Silhouettenstiles:  Bewegter  Kontur 
(Umblicken,  stark  angezogenes  Bein,  Sitzen 
auf  der  Stuhlkante),  keine  Überschneidun- 
gen, kein  Zurücklehnen  und  Aufstützen. 
3.  Der  auf  der  Erde  sitzende  und  hockende 
Mensch  im  Altertum,  a)  Silene,  Komasten, 
Pan,    Riesen.       b)    Sklaven,    Handwerker. 

c)  Kinder,  d)  Brautführer,  e)  Trauernde, 
Verwundete,  Gefangene,  f)  Schutzflehende, 
g)  Seher. 

Hans  Möbius. 


Lili  Frankenstein,  Tarentiner  Terra- 
kotten, Studien  zur  Kunstgeschichte  Groß- 
griechenlands. Ungedruckte  Dissertation. 
Greifswald  1921.  Ref.:  Geh.  Reg.-Rat  Prof. 
Dr.  E.  Pemice.  Vollständige  Exemplare  in 
Maschinenschrift  in  der  Universitätsbiblio- 
thek zu  Greifswald  und  der  Staatsbibliothek 
zu  Berlin. 

Aufgabe  der  Arbeit  ist,  eine  Übersicht 
über  die  in  Tarent  gefundenen  Werke  der 


Kleinplastik  in  Ton  zu  geben  —  soweit  in 

der  Jetztzeit  eine  Sammlung  des  Materials 
möglich  ist  —  und  das  Verhältnis  der  Ta- 
rentiner zur  griechischen  Kunst  zu  zeigen. 

Als  Material  liegen  zugrunde  figürliche 
und  Reliefdarstellungen  (archaische — helle- 
nistische Periode),  Typen  von  »Webe- 
gewichten«,  »Kuchenstempeln«,  Antefixen 
sowie  von  Reliefkästchen,  Altärchen,  Relief- 
gefäßen und  Kohlenbecken. 

Die  Ausführung  umfaßt  folgende  Teile: 
I.  Übersicht  über  Typen  und  antiquari- 
sche Einzelheiten. 

II.  Zur  Form. 

Technik.  Primitive  Terrakotten  sind 
aus  freier  Hand  geknetet.  Seit  dem  6.  Jahr- 
hundert Herstellung  von  flachen  Figuren 
aus  Halbformen  und  völlige  oder  teilweise 
Entfernung  des  Reliefgrundes.  Cha- 
rakteristisch für  die  archaische  Stilstufe  ist 
Verbindung  von  Relieftechnik  und 
rundplastischer  Bildung.  Seit  dem 
5.  Jahrhundert  Benutzung  von  Doppelfor- 
men. Bei  der  Herstellung  der  Formen 
Streben  nach  vielseitiger  Verwendbarkeit 
(Zerlegung  in  Teile,  die  für  verschiedene 
Darstellungen  benutzt  werden  können;  Bil- 
dung indifferenter  Typen,  die  durch  nach- 
träglich aufgesetzte  oder  einmodellierte  Zu- 
taten individualisiert  werden).  Bemalung 
spielt  seit  der  archaischen  Zeit  eine  wichtige 
Rolle  bei  der  Ergänzung  wesentlicher  Zu- 
taten und  der  dekorativen  Ausgestaltung. 
Zunächst  Rot  und  Braun,  später  über- 
wiegend bunte  Farben.  Die  Bemalung  er- 
strebt entweder  Naturwiedergabe  oder  rein 
dekorative  Wirkung  (hellblaue  Pferde- 
mähne). 

Typen.  Das  Vorherrschen  von  Figuren 
in  Ruhe  in  archaischer  Zeit  ist  erstens  in 
der  Verwendung  als  Weihgaben  und  der 
entsprechenden  Wahl  der  Motive  begründet; 
ferner  erschwert  die  archaische  Gewandung 
die  Darstellung  des  bewegten  bekleideten 
Körpers.  Nur  die  unbekleideten  Silene  sind 
in  Bewegung  dargestellt,  und  zwar  stets 
laufend.  Frauen  in  lebhafter  Bewegung 
erst  am  Ende  des  5.  Jahrhunderts,  vielleicht 
im  Zusammenhang  mit  der  Einbürgerung 
des  leichteren  ionischen  Chitons.  Stärkeres 
Bedürfnis  nach  Wiedergabe  von  Bewegung 
in  hellenistischer  Zeit:  laufende  Kinder  und 


j69 


Archäologische  Doktor-Dissertationen. 


270 


Eroten,  ringende,  tanzende,  schwebende 
Figuren.  Im  4.  Jahrhundert  auch  Verände- 
rung des  Reitertyps.  Statt  des  Reiters  in 
ruhiger  Haltung  Apobaten;  auch  Delphin- 
und  Hahnenreiter  im  Apobatenschema.  — 
Gruppenbildung  erfolgt  in  archaischer  Zeit 
durch  nachträgliche  Verbindung  von  Einzel- 
figuren (Frau  mit  Kind;  Reihen  von 
Frauen),  oder  durch  bloßes  Nebeneinander- 
stellen einzelner  Figuren  (Gelagerter  mit 
gesondert  sitzender  Frau).  Beide  Arten 
bieten  wieder  eine  vielseitige  Verwendungs- 
möglichkeit der  Einzelfiguren.  Seit  dem 
5.  Jahrhundert  Gruppen  aus  einer  Form 
gewonnen.  Dabei  lassen  sich  allmählich 
Fortschritte  in  der  Komposition  erkennen 
(vgl.  die  Gruppen  aus  dem  Kreise  des  Ge- 
lagerten in  verschiedenen  Zeiten). 

Stil.  Schon  seit  der  archaischen  Periode 
griechischer  Charakter  der  tarentiner  Koro- 
plastik,  doch  leben  in  einzelnen  Stücken 
vorgriechische  Stilelemente  fort,  wie  auch 
sonst  öfters  in  apulischer  Keramik.  Außer- 
dem ist  für  Taren  t  eine  archaisierende  Tendenz 
charakteristisch,  die  über  den  allgemeinen 
Konservatismus  der  Koroplastik  hinausgeht. 

III.  Zum  Inhalt  der  Darstellungen. 

Die  Terrakotten  bis  zum  Anfang  des 
4.  Jahrhunderts  sind  im  wesentlichen  für 
Kultzwecke  verfertigt.  EJs  werden  Gott- 
heiten, Heroen  und  Sterbliche  dargestellt. 
Die  Verteilung  auf  diese  Gruppen  ist  z.  T. 
von  den  Fundumständen  abhängig:  Ins- 
besondere bietet  die  Deutung  der  Gelagerten 
und  verwandter  Typen  Schwierigkeiten,  und 
die  inhaltliche  Einordnung  der  hier  nur 
nach  formalen  Gesichtspunkten  behandelten 
Figuren  dieser  Art  muß  einer  religions- 
geschichtlichen Untersuchung  vorbehalten 
bleiben,  die  neben  den  Beziehungen  zum 
griechischen  Kult  auch  den  Zusammenhang 
mit  apulischen  Lokalkulten  berücksichtigt. 
In  hellenistischer  Zeit  macht  sich  Schwin- 
den des  religiösen  Ernstes  und  Be- 
tonung des  Erotischen  bemerkbar  (s.  d. 
Entwicklung  bei  den  Gelagerten),  und  die 
seit  dem  4.  Jahrhundert  vertretenen  Genre- 
figuren  und  grotesken  Typen  mehren 
sich.  Für  die  Entwicklung  des  Grotesken 
und  die  idyüische  Richtung  bietet  die  hel- 
lenistische Literatur  in  Tarent  Parallelen 
(Rhinton  und  Leonidas). 


IV.  Kunstgeschichtliche  Einordnung. 
Nach  Typen,  Stil  und  antiquarischen 
Einzelheiten  ergibt  sich  folgendes  Bild 
der  Entwicklung:  vor  dem  6.  Jahrhundert 
»Daedalidenkunst«,  dorische  Periode; 
seit  dem  6.  Jahrhundert  ostgriechische 
Einflüsse,  vermutlich  aus  ionischer  Kunst 
eingedrungen;  im  5.  Jahrhundert  pelo- 
ponnesischer  Einschlag,  argivische 
Schule;  seit  der  2.  Hälfte  des  5.  Jahrhun- 
derts attischer  Einfluß,  z.T.  in  Ver- 
bindung mit  ionischen  Elementen) 
im  4.  Jahrhundert  Fortdauer  des  atti- 
schen Einflusses  und  Einwirkung  der 
großen  Kunst  (Praxiteles,  Skopas,  Ly- 
sipp).  Übereinstimmung  mit  griechi- 
scher Koroplastik  von  Tanagra  und 
Ägypten  in  praxitelischen  und  allgemein 
hellenistischen  Zügen;  die  meisten  und 
weitestgehenden  Parallelen,  auch  im  Stil, 
bieten  die  Terrakotten  des  griechischen 
Ostens  in  hellenistischer  Zeit. 

Für  die  großgriechische  Koroplastik  der 
hellenistischen  Periode  ist  Abhängigkeit  von 
Griechenland,  Kleinasien  oder  Alexandria 
nicht  sicher  nachweisbar;  wahrscheinlich 
fand  Austausch  von  Formen  und  fertigen 
Figuren  und  gegenseitige  künstlerische  Be- 
einflussung statt. 

Deutlicher  als  bei  der  Koroplastik  tritt 
;  die  Wechselbeziehung  zwischen  Großgrie- 
[  chenland  und  den  übrigen  hellenistischen 
i  Kunstzentren  bei  der  Reliefkeramik  und 
j  der  mit  ihr  zusammenhängenden  Toreutik 
1  hers'or,  vgl.  übereinstimmende  Reliefstempel 
j  von  »Webegewichten«,  Altärchen  und  Ge- 
I  fäßen  und  die  Embleme  in  Hochrelief  an 
j  Funden  aus  Tarent  und  dem  übrigen  Groß- 
!  griechenland  mit  solchen  aus  Ägypten, 
!   Griechenland,  Kleinasien. 

Im  Hinblick  darauf,  daß  das  Haupt- 
zentrum der  »calenischen «  Keramik  auf 
italischem  Boden  Hegt  und  daß  die  unter- 
italische, insbesondere  tarentiner  Toreutik 
reiches  Material  an  Vorlagen  bietet  (vgl. 
z.  B.  Coppa  Tarantina  und  Schale  von  An- 
cona  als  Vorbilder  für  apuhsche  Eierschalen 
in  Ton;  Orestesemblem  aus  dem  Kuban- 
gebiet im  Stil  der  tarentiner  Toreutik  und 
dieselbe  Szene  auf  tonpfanne  aus  Orvieto), 
scheint  es,  daß  Italien  der  Ausgangs- 
punkt auch  für  die  auswärts  gefunde- 


271 


Ein  neues  Parthenonfragment.  —  Institutsnachrichten. 


272 


nen  Werke  der  Calener  Keramik  und 
ihrer  Vorstufen  ist.  Die  Annahme  wird 
gestützt  durch  Inschriften  aus  Delos,  die 
für  hellenistisch-römische  Zeit  Kolonien  von 
Tarentinem  u.  a.  Italikern  im  Osten  be- 
zeugen. Darin  liegt  Begründung  für  leb- 
haften Wirtschaftsverkehr  mit  Großgriechen- 
land und  Möglichkeit  künstlerische!  Zu- 
sammenhänge. Ähnlich  wird  das  Verhält- 
nis zu  Alexandria  gewesen  sein.  Zwar  fehlt 
hierfür  bisher  die  literarische  Bestätigung, 
doch  spricht  das  gelegentliche  Vorkommen 
anscheinend  ägyptischer  Elemente  in  ta- 
rentiner  Toreutik  dafür. 

Anhang  I.    Zu  den  Signaturen  der  Terra- 
kotten. 

Signaturen  treten  in  Tarent  vereinzelt 
seit  Anfang  des  5.  Jahrhunderts  auf,  die 
meisten  im  4.  Jahrhundert  und  später. 

Ihr  Vorkommen  auf  den  Formen  (nur 
einmal  auf  einer  Statuette)  macht  den  Ver- 
trieb von  Formen  neben  fertigen  Figuren 
aus  großen  Werkstätten  wahrscheinlich.  Es 
folgt  die  Liste  der  Signaturen. 

Es  sind  entweder  vollständige  oder  ab- 
gekürzte Namen,  wohl  Künstlersignaturen, 
oder  einzelne  und  ligierte  Buchstaben. 
Diese  können,  vielleicht  in  Zahlbedeutung, 
als  Werkzeichen  für  Zusammensetzung  von 
Formteilen  dienen.  Denselben  Zweck  haben 
eingeritzte  Linien,  Kreuze  usw. 

Die  Namensignaturen  finden  sich  teilweise 
auf  großgriechischen  Münzen  und  toreuti- 
schen  Werken  wieder. 

Anhang    II.       Museographische    und    Li- 
teraturübersicht   von    Funden    aus    Tarent 
(Plastik  in  Ton,  Bronze,  Marmor,  Kalkstein, 
Waffen,  Schmuck,  Metallgefäße). 
Aachen,  Lili  Frankenstein. 

Marktstr.  2. 


tut   der   Universität   Heidelberg  oder 
vom  Verfasser  direkt  zu  beziehen. 


Die  Dissertation  von  B.  Schweitzer, 
Untersuchungen  zur  Chronologie  der  geo- 
metrischen Stile  in  Griechenland  I  (191 7) 
ist  für  das  Inland  und  Deutsch-Österreich 
zum  Preise  von  6  M.,  für  das  Ausland  gegen 
Voreinsendung  von  2  Franken  (Goldwäh- 
rung) durch  das   Archäologische    Insti- 


i  EIN  NEUES  PARTHENONFRAGMENT. 

}  Das  kleine  Reliefbruchstück  der  Kunst- 
historischen Sammlungen  in  Wien  (Esten- 
sische  Kunstsammlung,  Neue  Burg),  früher 
in  Catajo,  Dütschke,  Ant.  Bildw.  in  Ober- 
italien, V  Nr.  723,  das  unter  Vorbehalt  in 
die  »Attischen  Grabreliefs«  III  Nr.  1297 
aufgenommen  ist,  stammt  vom  Nordfriese 
des  Parthenon.  Es  enthält  die  verhältnis- 
mäßig gut  erhaltenen  Köpfe  von  Michaelis 
IX  31   und  32. 

Die  Veröffentlichung  des  wertvollen 
Fundes  und  der  Nachweis  der  Zugehörig- 
keit nebst  einem  kleinen  Nachtrag  zu  dem 
schon  längst  bekannten,  in  derselben  Samm- 
lung befindlichen  Reiterfragment  des  Par- 
thenonfrieses (Michaelis,  Der  Parthenon, 
S.  248  XXVII A;  Smith, The Sculptures  of  the 
Parthenon,  pl.  92,  p.  59  u.  p.  66  no.  389) 
erfolgt  unter  obigem  Titel  im  »Jahrbuch 
der  Kunsthistorischen  Sammlungen  in  Wien«, 
Bd.  XXXV  S.  235—242  Taf.  XIX;  sie 
kann  als  Sonderdruck  vom  Verlag  Halm 
und  Goldmann,  Wien  I  Opemring  17,  be- 
zogen werden. 

Wien,  im  Oktober   1921. 

Fritz  Eichler. 


INSTITUTSNACHRICHTEN. 

Zum  I.  Sekretär  des  deutschen  Archäologi- 
schen Instituts  in  Rom  ist  Herr  Walter 
Amelung  ernannt  worden. 

Stellvertretend  für  den  I.  Sekretär  in 
Athen  hat  Herr  Noack  während  des  Sommer- 
halbjahrs die  Leitung  des  dortigen  Instituts 
übernommen.  An  seine  Stelle  wird  mit 
Ende  Oktober,  zunächst  ebenfalls  stellver- 
tretend,. Herr  Buschor  treten. 

Eine  hochherzige  Stiftung  gestattete  dem 
Institut,  Herrn  Kurt  Müller  für  einige  Mo- 
nate nach  Athen  zu  entsenden  zur  ab- 
schließenden Bearbeitung  der  Funde  '  von 
Tiryns. 


JAHRESBERICHT 
DES  ARCHÄOLOGISCHEN  INSTITUTS  FÜR  DAS  JAHR  1920. 


Die  Tätigkeit  des  Instituts  hat  sich  im  verflossenen  Geschäftsjahr  erfreulich  belebt. 
Dank  dem  von  der  Reichsregierung  bekundeten  Willen,  unser  Institut  als  lebensfähigen 
Organismus  der  Wissenschaft  zu  erhalten,  konnte  die  Arbeit  fortgesetzt  und  nach  den 
langen  Kriegsjahren  wieder  planmäßig  in  geregelte  Bahnen  gelenkt  werden.  Gewiß 
müssen,  den  so  veränderten  Verhä*ltnissen  entsprechend,  auch  wir  uns  bescheiden  und 
vielfach  einschränken.  Wir  hofllen  aber  auch  so  in  dem  Institut  der  deutschen  archäo- 
logischen Wissenschaft  die  feste  Stütze,  die  es  ihr  seit  bald  einem  Jahrhundert  gewesen 
ist,  erhalten  zu  können.  Den  vorgesetzten  Behörden  im  Rückblick  auf  das  vergangene 
Jahr  für  die  verständnisvolle  Berücksichtigung  der  Bedürfnisse  des  Instituts  auch  an 
dieser  Stelle  zu  danken,  ist  der  Zentraldirektion  eine  angenehme  Pflicht. 

Aus  der  Zentraldirektion  schied  der  Vertreter  des  Auswärtigen  Amtes,  Herr  Geh. 
Legationsrat  v.  Schnitzler  infolge  der  Übernahme  eines  anderen  Referates  aus.  An 
seiner  Stelle  entsandte  der  Reichskanzler  Herrn  Generalkonsul  Moraht  in  die  Zentral- 
direktion. Gegen  Ende  des  Berichtsjahres  gab  auch  Herr  Robert  sein  Mandat  in  die 
Hände  der  preußischen  Regierung  zurück.  Daß  wir  uns  ihm  auch  an  dieser  Stelle  zu 
wärmstem  Dank  verpflichtet  fühlen,  bedarf  kaum  einer  Begründung.  Als  eines  der 
ältesten  Mitglieder  des  Instituts  hat  Carl  Robert  sein  Leben  lang  an  den  Arbeiten  des 
Instituts  sich  beteiligt.  Es  genügt,  auf  die  vier  mächtigen  Bände  des  Sarkophagwerkes 
hinzuweisen,  deren  letzter  im  vorigen  Berichtsjahr  abgeschlossen  wurde.  Die  Fülle  der  oft 
entsagungsvollen  Arbeitsleistung,  die  Robert  in  diese  größte  unserer  Serienpublikationen 
gesteckt  hat,  kann  wohl  kaum  einer  von  denen  voll  ermessen,  die  heute  dankbar  das 
Werk  benutzen,  das  uns  diese  Denkmälerklasse  erst  wissenschafdich  erschlossen  hat. 
Wenn  wir  Herrn  Robert  mit  Trauer  aus  der  Zentraldirektion  scheiden  sahen,  so  versöhnt 
uns  damit,  daß  wir  ihn  mit  ungebrochener  geistiger  Kraft  an  seiner  wissenschaftlichen 
Arbeit  sehen  und  daß  unter  seinen  Händen  auch  bereits  ein  weiterer  Band  des  Sarkophag- 
werkes der  Veröffentlichung  entgegenreift. 

Neu  eingetreten  sind  im  Herbst  1920  in  die  Zentraldirektion  die  Herren  Curtius 
und  Zahn. 

Zum  I.  Oktober  verließ  Herr  Karo  das  Institut, .  um  einem  Rufe  an  die  Uni- 
versität Halle  Folge  zu  leisten.  Auch  an  dieser  Stelle  ist  es  der  Zentraldirektion  ein 
Bedürfnis,  ihm  ihre  Dankbarkeit  für  sein  langjähriges  erfolgreiches  Wirken  in  Athen  zu 
bekunden.  Die  Stellung,  die  Köhler,  Dörpfeld  und  Wolters  der  athenischen  Anstalt 
errungen,  hat  er  ihr  erhalten  und  weiter  entwickelt,  selbstlos  arbeitend,  helfend  und 
ratend  nach  allen  Seiten.  Mit  besonderem  Dank  gedenkt  die  Zentraldirektion  seiner 
Tätigkeit  während  des  Krieges.  Ihn,  der  in  guten  Zeiten  das  kollegiale  Verhältnis  zu 
den  fremden  Schulen  aus  innerster  Überzeugung  von  der  Gemeinsamkeit  kultureller  und 
wissenschaftlicher  Arbeit  so  liebevoll  gepflegt  hatte,  trafen  die  Anfeindungen  deutscher 
Wissenschaft  ganz  besonders  schwer  und  bitter.  Den  Gründen,  die  Karo  veranlaßten, 
nicht  wieder  auf  seinen  athenischen  Posten  zurückzukehren,  konnte  die  Zentraldirektion 
sich  nicht  verschließen.  Mit  besonderer  Genugtuung  begrüßt  sie  es,  daß  er  seitens  der 
preußischen  Regierung  an  Stelle  von  Herrn  Robert  in  die  Zentraldirektion  entsandt 
wurde  und  sogleich  wieder  an  ihren  Beratungen,  die  ja  gerade  jetzt  von  besonderer 
Bedeutung  sind,  teilnehmen  und  seine  reiche  Erfahrung  weiter  dem  Institut  zuteil  werden 
lassen  kann. 

Aus  der  Reihe  seiner  Mitglieder  verlor  das  Institut  durch  den  Tod  die  Herren 
F.  Biermann-Paderborn  (C.  M.),  H.  Dressel-Berlin  (O.  M.),  G.  Ghirardini-Bologna 
(O.  M.),  F.  Imhoof-Blumer-Winterthur  (O.  M.),  L.  Reinisch-Wien  (CM.),  R.  v.  Scala- 
Innsbruck  (C.  M.). 


—    II   —  j< 

Von  der  Abhaltung  einer  Plenarversammlung  wurde  ebenso  wie  von  der  Ver- 
teilung von  Reisestipendien  im  Berichtsjahre  noch  Abstand  genommen.  Ausschuß- 
sitzungen fanden  am  12.  Juni,  2.  August  und  13.  Dezember  statt.  Den  im  Jahre  1914/15 
mit  Reisestipendien  Beliehenen  konnten  diese  überwiesen  werden. 

Die  schon  im  vorigen  Bericht  erwähnte  Reise  des  Generalsekretars  nach  Rom 
dehnte  sich  bis  in  den  Juni  1920  aus.  Weitere  Reisen  nach  Weimar,  Eisenach,  München, 
Lübeck,  Schwerin,  Kiel,  Würzburg,  Freiburg,  Frankfurt  a.  M.  dienten  teils  der  Teilnahme 
an  Versammlungen,  teils  Propagandazwecken  für  das  Institut,  teils  Beratungen  mit  Zentral- 
direktionsmiigliedern,  eine  Reise  nach  Wien  der  Besprechung  gemeinsamer  Interessen 
mit  der  I^eitung  des  österreichischen  Instituts. 

Vom  Jahrbuch  und  Anzeiger  erschien  Band  XXXIV,  von  den  Athenischen 
Mitteilungen  Band  XLIV  (19 19),  von  den  Römischen  Mitteilungen  Band  XXXIV 
(19 19).  Herr  von  Mercklin  stand  dem  Generalsekretär  bei  der  Redaktion  aller  drei  Zeit- 
schriften zur  Seite. 

In  Rom  führten  langwierige  Verhandlungen,  bei  denen  die  Interessen  der  deutschen 
wissenschaftlichen  Institute  außer  durch  unsere  diplomatischen  Vertreter  durch  Geh.  Rat  Kehr, 
die  des  Archäologischen  Institutes  im  besonderen  zunächst  durch  den  Generalsekretär, 
dann  durch  Herrn  Amelung  vertreten  wurden,  im  Herbst  1920  zu  einem  Abkommen 
mit  der  italienischen  Regierung,  das  die  Weiterführung  unseres  Archäologischen  Instituts 
gestattet,  das  seit  Jahrzehnten  Gelehrten  aller  Nationen  Gastrecht  gewährt  hat.  Die 
Institutsbibliothek  wurde  aus  ihrer  Internierung  in  der  Engelsburg  betreit  und  uns  wieder 
übergeben.  Allen,  die  sich  um  dieses  für  die  Wiederanbahnung  wissenschaftlicher  und 
kultureller  Beziehungen  so  wichtige  Abkommen  verdient  gemacht  haben,  sagt  die  Zentral- 
direktion auch  an  dieser  Stelle  ihren  wärmsten  Dank.  Noch  sind  wir  weit  vom  Ziele. 
Noch  fehlt  uns  vor  allem  ein  Ersatz  für  das  uns  durch  Enteignung  genommene  Instituts- 
gebäude, so  daß  wir  die  Bibliothek  noch  nicht  wieder  aufstellen  und  der  Benutzung 
zugänglich  machen  können,  woran  nicht  nur  wir  Deutschen  ein  lebhaftes  Interesse  haben. 
Wir  hoflen  aber,  daß  auch  hier  Mittel  und  Wege  zur  Lösung  gefunden  werden. 

Im  Oktober  reiste  auf  Bitte  der  Zentraldirektion  Herr  Studniczka  nach  Athen. 
Er  konnte  die  dortige  Zweiganstalt,  die  dem  Schutz  der  griechischen  Regierung  an- 
vertraut, von  dieser  mit  vorbildlicher  Treue  gehütet  war,  übernehmen  und  wieder  er- 
öffnen. Sein  Wirken  während  des  Winters  hat  besonders  viel  dazu  beigetragen,  dem 
Institut  seine  alte  Stellung  wiederzugeben  und  einem  entgültigen  Leiter  die  Wege  zu 
ebnen.  Als  freiwilliger  Hilfsarbeiter  hatte  sich  dem  Institut  in  Athen  Herr  G.  Weiter 
in  dankenswerter  Weise  zur  Verfügung  gestellt. 

In  Frankfurt  a.  M.  stand  Herr  Drexel  wie  bisher  Herrn  Koepp  zur  Seite.  Die 
Römisch-Germanische  Kommission  bestrebt  sich  in  erster  Linie  ihre  periodischen  Ver- 
öffentlichungen, die  »Germania«  und  die  Berichte  fortzuführen.  Von  sonstigen  Ver- 
öffentlichungen erschien  der  zweite  Teil  des  Kataloges  der  Sammlung  in  Bingen,  be- 
arbeitet von  Herrn  Behrens  und  ein  Nachtrag  zu  Georg  Wolflfs  Werk  über  die  südliche 
Wetterau.  Die  Kommission  konnte  die  Forschungen  des  württembergischen  Landes- 
konservatoriums in  den- Donaukastellen  unterstützen,  ebenso  die  Bearbeitung  der  von 
der  Gesellschaft  für  rheinische  Geschichtskunde  geplante  Karte  der  Römerstraße  der 
Rheinprovinz.  Auch  die  vom  historischen  Verein  für  Niedersachsen  herausgegebenen 
»Urnenfriedhöfe  in  Niedersachsen«   wurden  unterstützt. 

Reisen  führten  den  Direktor  u.  a.  nach  Wetzlar^  Bonn,  Bamberg,  Herrn  Drexel 
nach  Augsburg  und  München.  Gelegentlich  der  Teilnahme  des  Direktors  an  der  Tagung 
des  Gesamtvereins  deutscher  Geschichts-  und  Altertumsvereine  in  Weimar  erfolgte  die 
Gründung  eines  Bundes  für  heimische  Altertumsforschung,  der  es  sich  zur  Aufgabe 
macht,  Arbeiten  auf  dem  Gebiet  der  heimischen  Archäologie  zu  unterstützen. 

Dankbar  erwähnen  wir  zum  Schluß,  daß  auch  im  Berichtsjahr  die  Stadt  Frankfurt 
die  Kommission  durch  Gewährung  eines  Zuschusses  unterstützt  hat. 


JAHRBUCH  DES  INSTITUTS  XXXVI  1921 


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TEILWBJE  VBJE»J«(MrVHO  ERfiÄttT. 


JAHRBUCH  DES  INSTITUTS  XXXVI  1921 


Südostbi 


JAHRBUCH  DES  INSTITUTS  XXXVI  1921 


TAFEL  5 


Südostbau,  Skizzen  1:500,  teilweise  rekonstruiert. 
A.  Aufril3  von  Norden.  —  B.  Schnitt  O.-W..  Blick  nach  Süden. 


JAHRBUCH  DES  INSTITUTS  XXXVI  1921 


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Südostbau,  Skizzen  1:500,  teilweise  rekonstruiert. 
A.  Aufriß  von  Süden.  —  B.  Schnitt  N.-S.,  Blick  nach  Westen. 


JAHRBUCH  DES  INSTITUTS  XXXVI  1921 


TAFEL  7 


SCidostbau.     Westsaal,  Skizzen  1:500. 
A.  Querschnitt,  Blick  nach  O.  —  B.  dgl.  mit  hadrianischem  Einbau, 

rekonstruiert. 


JAHRBUCH  DES  INSTITUTS  XXXVl  1921 


TAFEL  8 


S^D-OSTBüV    WESTSAAL    REliDNJSTBVIEDT  .      BÜCK- VOM   NOBD-  OSTENJ. 


JAHRBUCH  DES  INSTITUTS  XXXVI  1921 


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JAHRBUCH  DES  INSTITUTS  XXXVI  1921 


TAFEL  10 


Doppelseitiges  Relief  in  Barcelona. 


ZUR  BAUGESCHICHTE  VON  SENDSCHIRLI. 

Die  Königsburg  von  Schamal,  heute  Sendschirli,  in  Nordsyrien  umschließt 
mit  ihrem  Mauerring  eine  Reihe  von  Einzelgebäuden  bzw.  Gebäudegruppen,  die 
nach  dem  Ausgrabungsbefund  nicht  gleichzeitig  sein  können,  sondern  das  Ergebnis 
einer  längeren  Baugeschichte  darstellen.  Sie  ist  indessen  so  verwickelt,  daß  die 
Herausgeber  der  Ausgrabungsberichte  (Koldewey,  v.  Luschan  und  Jacoby)  schon 
in  der  Deutung  der  Einzelheiten  des  Befundes  nicht  immer  Einhelligkeit  erzielten 
und  daher  auch  im  Ganzen  zu  keinem  befriedigenden  Ergebnis  gelangen  konnten'). 
Das  ist  bis  zum  gewissen  Grade  in  dem  —  allerdings  sehr  beda'uerlichen  — 
Umstände  begründet,  daß  die  Ausgrabung  nicht  fertig  geworden  ist,  und  eine 
endgültige  Klärung  der  Baugeschichte  kann  daher  auch  nur  von  weiteren 
örtlichen  Untersuchungen  erwartet  werden.  Indessen  gibt  eine  sorgfältige  Nach- 
prüfung des  Befundes,  wie  er  in  den  bisherigen  Veröffentlichungen  niedergelegt 
ist,  auch  ohne  dies  die  Möglichkeit,  einige  offensichtliche  Irrtümer  richtigzu- 
stellen und  gegenüber  der  bisherigen  Erkenntnis  weiterzukommen. 

Der  beigefügte  Übersichtsplan  (Abb.  I,  nach  Ausgr.  S.  262,  Abb.  168)  läßt 
folgende  Baulichkeiten  erkennen: 

1.  Die  Ringmauer  mit  dem  Torgebäude  D  und  die  innere  Abschnittsmauer 
mit  dem  Torgebäude  E. 

2.  Der  Komplex  der  sogenannten  Kasematten  (F). 

3.  Der  »obere  Palast«  (G),  so  genannt  wegen  seiner  Lage  auf  der  höchsten 
Stelle  des  Burghügels,  bestehend  aus  einem  um  einen  Hof  zusammengeschlossenen 
Gebäudekomplex  (A — Q)  und  einem  Einzelgebäude  daneben  (R — Z).  Das  Hof  haus 
erhebt  sich  über  den  Fundamenten  des  großen  Hilani  H  i,  dessen  Umrißlinie  punk- 
tiert eingetragen  ist. 

4.  Der  »untere  Palast«,  bestehend  aus  den  beiden  Hilanis  H  u  H  m,  dem 
»nördlichen  Hallenbau«  (NHB)  und  dem  südlichen  Hallenbau  P,  die  den  Hof  R 
umschließen. 

5.  Der  »Nordwestbezirk«,  bestehend  aus  dem  Torgebäude  Q,  dem  vielräumigen 
Palaste  J,  der  mit  dem  Hilani  K  zu  einem  Gebäudekomplex  zusammengeschweißt 
ist,  und  der  an  die  Burgmauer  angelehnten  Raumreihe  L. 


')  Ausgrabungen    in    Sendschirli,    ausgeführt   und  1911   (=   Mitteilungen    aus    den  Orientalischen 

herausgegeben  im  Auftrage  des  Orient-Komitees  Sammlungen   der  königlichen  Museen  zu  Berlin 

zu   Berlin,    I.     1893,    II,    1898,    III,    1902,    IV,  XI— XIV). 

Jahrbuch  des  archäolog-ischen  Instituts  XXXVI.  j 


86 


F.  Oelmann,  Zur  Baugeschichte  von  Sendschirli. 


Als  Koldewey  in  Heft  II  der  Ausgrabungen  (1898)  S.  172  ff.  die  Bauge- 
schichte der  Burg  zu  rekonstruieren  versuchte,  waren  der  Nordwestbezirk  und 
der  südliche  Hallenbau  noch  nicht  bekannt,  und  an  absoluten  Datierungsmitteln 
waren  nur  die  Asarhaddonstele  aus  dem  kleinen  Hofe  des  äußeren  Burgtores,  die 


Abb.   I.     Übersichtsplan  von  Sendschirli. 


Orthostateninschrift  des  Barrekub  vom  Ostteil  des  NHB  und  die  große  Bauinschrift 
;les  Barrekub  vorhanden,  die  damals  noch  vermutungsweise  dem  Westteil  des 
NHB  zugewiesen  wurde.  Koldewey  suchte  deshalb  wenigstens  eine  relative 
Chronologie  aus  den  Verschiedenheiten  der  Fundamentierungstechnik  abzuleiten 
und  kam  zu  folgender  Gruppierung: 

1 .  Gebäude  mit  Balkenrost  und  zwischengelegten  Steinschichten :  die  äußere 
und  innere  Burgmauer  mit  den  Torgebäuden  und  vermutlich  Hilani  I,  dessen 
Rostschicht  allerdings  nicht  erhalten  ist. 

2.  Gebäude  mit  Balkenrost  ohne  Steinreihen  dazwischen :  Hilani  III  mit  dem 
nördlichen  Hallenbau  und  vermutungsweise  Hilani  II. 

3.  Gebäude  ohne  wahrnehmbaren  Balkenrost:  der  »obere  Palast«  und  die 
»Kasematten«. 

Gegen    die  angenommene  Abfolge  der  drei  Gruppen  ist  nach  der  Lage  des 


F.  Oelmann,  Zur  Baugeschichte  von  Sendschirli.  87 

Befundes  in  der  Tat  kaum  etwas  einzuwenden.  Eine  absolute  Datierung  ist  nur 
für  Gruppe  2  gegeben  durch  die  Orthostateninschrift  vom  NHB,  die  den  Barrekub 
bar  Panammu,  den  Vasallen  Tiglat  Pilesers  III  (745 — 727),  als  Bauherrn  nennt. 
Daß  die  dritte  Gruppe  in  die  Zeit  Asarhaddons  (681 — 668)  fällt,  der — jedenfalls 
im  Jahre  670  —  seine  Stele  im  äußern  Burgtore  errichtete,  ist  zum  mindesten 
sehr  wahrscheinlich.  Den  Beginn  der  ersten  Gruppe  glaubte  Koldewey  durch 
Schätzung  des  Wachstums  der  Schuttschichten  etwa  ins  13.  Jahrhundert  setzen 
zu  dürfen,  wobei  er  sich  allerdings  über  das  Problematische  eines  solchen  Ver- 
fahrens nicht  im  Unklaren  blieb.  Für  die  vermutungsweise  Einordnung  von  H  j 
in  Gruppe  l  und  von  H  n  in  Gruppe  2,  und  zwar  vor  H  m,  war  für  ihn  eine 
Theorie  maßgebend,  die  er  sich  über  die  Entstehung  und  Entwicklung  des  soge- 
nannten Hilanitypus  gebildet  hatte.  Danach  sollte  nämlich  das  Hilani  aus  dem 
Festungstore  hervorgegangen  sein  und  seine  Ähnlichkeit  mit  diesem  Vorbilde 
erst  im  Laufe  der  Entwicklung  allmählich  eingebüßt  haben.  So  ergab  sich  ihm 
die  zunächst  wohl  bestechende  Entwicklungsreihe  Hi — Hn — Hm — G.  Jacoby 
und  v.  Luschan,  die  in  Heft  IV  der  Ausgrabungen  (191 1)  das  Bild  der  Burg 
durch  den  Nordwestbezirk  und  den  südlichen  Hallenbau  ergänzen  konnten,  haben 
sich  Koldeweys  Anschauungen  im  wesentlichen  angeschlossen  und  jedenfalls 
keine  grundsätzlichen  Zweifel  geäußert,  so  daß  Koldeweys  Auffassung  heute  noch 
in  Geltung  zu  sein  scheint.  Wie  schwach  sie  indessen  begründet  ist,  wird  sich 
zeigen,  wenn  wir  an  der  Hand  des  Befundes  die  einzelnen  Bauten  auf  ihre  relative  und 
absolute  Chronologie  hin  nachprüfen. 

1.  Die  Ringmauer  ist  nicht  zu  trennen  von  den  beiden  Torgebäuden  D 
und  E.  Für  ihre  Datierung  ist  auszugehen  von  ihrem  reichen  Orthostatenschmuck, 
der  —  wenigstens  teilweise  —  zum  Ältesten  gehört,  was  in  Sendschirli  gefunden 
ist.  Puchstein  setzte  die  Reliefs  ins  10.  und  9.  Jahrhundert,  und  ich  sehe  keinen 
zwingenden  Grund,  sie  wesentlich  höher  zu  datieren ').  Die  Ringmauer  ist  im  Laufe 
der  Zeit  mehrfach  erneuert  worden  und  überschneidet  in  ihrem  jüngsten  Zu- 
stande beispielsweise  an  der  Westseite  die  rückwärtigen  Mauervorsprünge  von 
Hilani  III  und  die  Südwestecke  des  südlichen  Hallenbaus  (vgl.  Abb.  2),  ist  hier  also 
jünger  als  Barrekub.  Man  wird  kaum  fehlgehen,  wenn  man  diese  jüngste  Er- 
neuerung in  die  Zeit  setzt,  wo  Asarhaddon  seine  Stele  im  äußeren  Burgtor  auf- 
stellen ließ. 

2.  Die  sogenannten  Kasematten  (F)  sind  auf  alle  Fälle  jünger  als  die  Burg-* 
mauer  und  von  jüngeren  Bauten  nicht  mehr  überlagert.  Ihre  Fundamentierungs- 
technik  ist  die  gleiche  wie  beim  Palast  G,  der  zu  den  jüngsten  Bauten  auf  der 
Burg  gehört.  So  spricht  viel  dafür,  daß  sie  gleichfalls  in  die  Zeit  Asarhaddons 
gehören.  Bei  dieser  Gelegenheit  sei  noch  darauf  hingewiesen,  daß  wir  hier,  so- 
viel ich  sehe,  das  älteste  Beispiel  für  die  Art  des  Kasernenbaus  haben,  wie  sie  in 
den  spätrömischen  Kastellen  seit  Diocletian  üblich  ist.  Zwar  ist  öfter  geäußert 
worden,    daß   dieser  Kastelltypus    mit    den    an   die   Mauer   angelehnten    Kasernen 

')  O.  Puchstein,  Pseudohetitische  Kunst,   1890,  9  f.     F.  Oelmann,  Kunstchronik  LVIII,   1922/23,  68  ff. 

7* 


88 


F.  Oclmann,  Zur  Baugeschichte  von  Sendschirh. 


Abb.  2.     »Oberer  Palast«  in  Sendschirli. 
I  :  looo. 


Abb.  4.     Haus  in  Meroe.      I  :  1000. 


1 

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Abb.   7.     Palast  in  Hatra.      i  :  1000. 


F.  Oelmann,  Zur  Baugeschichte  von  Sendschirli. 


89 


altorientalisch  sein  müsse,  doch  sind  Belege  m.  W.  bisher  nicht  beigebracht  worden. 
Zu  vergleichen  sind  auch  als  älteste  Beispiele  des  orientalischen  Chantypus  die 
beiden  Hofhäuser  an  der  Ostseite  des  großen  Hofes  von  E-Temenanki  in  Babylon '). 

3.  Der  obere  Palast  (Abb.  2)  ist  großenteils  aus  dem  Material  älterer  Gebäude 
errichtet  worden.  Für  die  Türschwellen  wurden  nach  Koldewey  alte  Oithostaten- 
platten  von  Hilani  I,  II  und  III  verwendet,  wobei  die  Reliefs  abgemeißelt  wurden  2). 
Im  Grundriß  zeigt  der  Nebenbau  R — Z  auffallende  Ähnlichkeit  mit  dem  Hilani 
Sanheribs  (705—681)  in  Ninive-Kujundschik,  worauf  schon  Koldewey  hinwies,  und 
der  um  den  Hof  zusammengeschlossene  Baukomplex  A — Q  ist  in  seiner  Planung 
eng  verwandt  dem  kleinen  Palaste  von  Saktsche  Gözü  (Abb.  3),  der,  nach  seinem  Ortho- 
statenschmuck  zu  urteilen,  nicht  älter  als  Ende  des  8.  Jahrhunderts  sein  dürfte  3). 
Jedenfalls  ist  der  ganze  Komplex  G  jünger  als  Barrekub,  und  Koldeweys  Datie- 
rung in  die  Zeit  Asarhaddons  hat  viel  für  sich. 

Darunter  liegen  die  nur  in  den  unteren  Fundamentschichten  erhaltenen  Reste 
des  Hilani  I  (Abb.  5  a).  Koldewey  setzt  es  an  die  Spitze  seiner  Entwicklungsreihe  der 
Hilanibauten,  da  es  nicht  nur  an  Größe  (34x52  m)  alle  übrigen  übertrifft,  sondern 
auch  dem  angeblichen  Vorbilde  des  Gebäudetypus,  dem  Festungstor,  noch  ver- 
hältnismäßig nahesteht,  nämlich  in  der  Einfachheit  und  Regelmäßigkeit  des  Grund- 
risses und  der  angebUch  massiven  Ausbildung  der  beiden  »Türme«. 


Abb.  5.     a  Hilnni  I  in  Sendschirli.     b  Hilani  Sargons  in  Khorsabad.     c^  d  Torgebäude  in 
Sendschirli.     e  Tempel  in  Takschasila  (Gandhara)  i  :  1000. 


')  R.  Koldewey,  Das  wieder  erstehende  Babylon, 
1913,   181   Abb.   144. 

=)  An  anderer  Stelle  wird  die  Wiederverwendung 
von  Orthostaten  aus  Hilani  11  nur  als  wahrschein- 
lich bezeichnet.  Da  sich  'herausstellen  wird, 
daß    H  i[    junger    als    Barrekub    und    vielleicht 


gar  nicht  älter  als  G  ist,  so  darf  man  wohl  H  n 
.ils  Ursprungsort  von  Baumaterial,  das  beim  Bau 
von  G  wiederverwendet  wurde,  ausscheiden. 
3)  Vgl.  v.  Luschan,  Ausgr.  371  (»etwa  720«).  Nach 
J.  Garstang,  Annais  of  Archaeology  and  Anthropo- 
logy  V    1913,   73  ff.  älter  (9.  Jalirh.). 


QO  F.  Oelmann,  Zur  Baugeschichte  von  Sendschirli. 

Zunächst  jedoch  erweist  der  letzte  Punkt  sich  bei  näherem  Zusehn  als  nicht 
stichhaltig.  Denn  die  »Massivität«  des  rechten  »Turmes«  ist  weder  durch  die 
Ausgrabung  erwiesen,  noch  wird  sie  durch  die  Analogie  der  übrigen  Hilanibauten 
wahrscheinlich  gemacht,  und  auch  der  linke  »Turm«  ist  gar  nicht  als  massiver 
Festungsturm  zu  denken,  sondern  als  Treppenhaus,  wie  ein  Blick  auf  das  Hilani  K 
lehrt,  das  Koldewey  allerdings  noch  nicht  kannte.  Daß  ein  solches  Durchfun- 
damentieren  des  Treppenhauses  geradezu  typisch  ist  für  den  orientalischen  Lehm- 
bau überhaupt,  mag  ein  hellenistisch-römisches  Peristylhaus  in  Meroe  zeigen, 
wo  ja  von  irgend  einem  Zusammenhang  mit  dem  massiven  Festungsturm  gar 
keine  Rede  sein  kann  (Abb.  4)'). 

Aber  schon  der  Grundgedanke,  daß  das  Hilani  nichts  als  ein  modifiziertes 
Festungstor  sei,  muß  zum  mindesten  starken  Zweifeln  unterliegen.  Solche  Zweifel 
hat  bereits  Val.  K.  Müller  geäußert  und  statt  eines  unmittelbaren  Abhängigkeits- 
verhältnisses eine  Wechselwirkung  zwischen  Hilani  und  Festungstor  angenommen^). 
Und  selbst  damit  geht  er  m.  E.  noch  zu  weit,  denn  eine  Absicht,  durch  die  an- 
geblichen Türme  das  Haus  verteidigungsfähig  und  damit  dem  Festungstore  in 
gewisser  Beziehung  ähnHch  zu  machen,  ist  schwerlich  zu  erweisen.  Hätte  man 
das  gewollt,  so  wäre  vor  allem  die  Vorhalle  mit  ihren  Holzsäulen  zu  beseitigen 
gewesen,  die  immer  einen  denkbar  günstigen  Angriffspunkt  bieten  mußte.  So  ist 
selbst  eine  Beeinflussung  des  Hilanitypus  durch  das  Festungstor  sehr  zweifelhaft,  denn 
dem  Festungstor  fehlt,  was  für  das  Hilani  bezeichnend  ist,  die  Säulenhalle,  und  für  das 
Hilani  sind  die  Verteidigungstürme  zum  mindesten  nicht  nachzuweisen  (vgl.  Abb.  5  c,d). 
Viel  eher  könnte  ein  Zusammenhang  mit  einem  Gebäudetypus  des  alten  Reiches 
in  Ägypten  vorliegen,  den  Torbauten  der  Totentempel  der  5.  Dynastie  bei  AbusirS). 
Diesen  Fragen  wird  an  anderer  Stelle  ausführlicher  nachzugehen  sein,  hier  sei 
nur  noch  einmal  festgestellt,  daß  gar  kein  Grund  vorliegt,  dem  Hilani  I  ein  be- 
sonders hohes  Alter  zuzuschreiben.  Dagegen  spricht  außerdem  noch  die  Beob- 
achtung Koldeweys,  daß  vor  dem  Hilani  an  dieser  Stelle  schon  kleinere  Gebäude 
standen,  vor  diesen  schon  ein  größeres  von  recht  erheblicher  Mauerstärke  (2'/a  m) 
und  vor  diesem  wieder  kleinere  Gebäude.  Die  Einfachheit  des  Grundrisses  und 
die  geringe  Zahl  der  Räume  mag  sich  daraus  erklären,  daß  das  Gebäude,  an  der 
höchsten  Stelle  des  Burghügels  gelegen,  lediglich  der  Repräsentation,  als  Audienz- 
halle diente.  Und  die  allerdings  ungewöhnliche  Stärke  der  Fundamente  ist  ein- 
fach durch  den  Lehmbau  bedingt,  genau  wie  in  Ägypten  und  Babylonien. 

4.  Der  »untere  Palast«  (Abb.  6)  ist  sowohl  von  Koldewey  und  v.  Luschan  wie 
noch  von  Müller  als  eine  bauliche  Einheit  aufgefaßt  worden,  bestehend  aus  den 
beiden  Hilanis  II  und  III,  die  später  durch  Säulenhallen  verbunden  worden  seien. 
Nur  Jacoby  (Ausgr.  S.  312)  fiel  es  schon  auf,  daß  die  Fundamentkrone  von  H  n 
rund  3,4  m  höher  liegt  als  die  Schwelle  der  Halle  P  t,  und  er  schloß  daraus,  daß 
P  beim   Bau    von  H  n   teilweise  oder   ganz   zerstört  sein  müsse.     Das   ist   in  der 


')  Annais   of  Arch.  and  Anthrop.  IV   1912  Taf.  7.        3)  Vgl.  tiermania  1921,  66  Anm.  4. 
^)  Val.   K.    Müller,    Ath.   Mitt.   XLU     1917,    118. 


F.  Oelmann,  Zur  Baugeschichte  von  Sendschirli. 


91 


Abb.  6.     »Unterer  Palast«  und  »Nordwestbezirk«  in  Sendschirli.     i  :  1000, 


Q2  F.  Oelmann,  Zur  Baugeschichte  von  Sendschirli. 


Tat  richtig  und  wird  durch  folgende  Überlegung  bestätigt.  Denkt  man  sich  H  n 
als  einer  späteren  Bauperiode  angehörig  fort,  so  wird  zunächst  die  östliche  Hälfte 
des  nördlichen  Hallenbaus  mit  den  dahinter  gelegenen  Räumen  2  und  3  als  ein 
kleines  Hilani  verständlich,  das  in  der  Folge  als  H  w  bezeichnet  wird  und  in 
Zahl  wie  Anordnung  der  Räume  dem  Hilani  K  des  Nordwestbezirks  völlig  entspricht 
Genau  wie  dort  ist  dem  großen  Hauptsaal  an  der  Rückseite  ein  kleinerer  Raum 
(Schlafraum  ?)  angehängt,  und  der  rechts  neben  der  Vorhalle  gelegene  und  zum 
großen  Teil  unter  der  Nordwestecke  von  H  n  verschwundene  Fundamentklotz  ist 
zweifellos  als  Treppenhaus  zu  deuten,  denn  bezeichnenderweise  sind  die  Lehm- 
.^iegellagen  des  Aufgehenden  gerade  da  unterbrochen,  wo  der  Eingang  zur  Treppe 
zu  erwarten  ist  (vgl.  Ausgr.  Taf.  24/25).  Verlängert  man  ferner  die  Ostwand  der 
Halle  Pi  nordwärts  unter  H  n  hindurch,  so  stößt  sie  genau  auf  die  Ostecke  des  oben 
besprochenen  Treppenhauses.  Das  kann  unmöglich  ein  Zufall  sein  und  beweist 
unwiderleglich  die  spätere  Entstehung  von  H  n-  Daß  Koldewey  diesen  völlig 
klaren  Sachverhalt  nicht  sah  oder  nicht  sehen  wollte,  ist  wieder  in  seiner  allzu 
schematischen  Entwicklungstheorie  begründet,  nach  der  allerdings  H '  i  wegen 
seiner  Größe  und  seiner  Raumzahl  zwischen  H  i  und  H  m  eingeordnet  werden 
mußte.  Nur  unter  dem  Eindruck  dieser  Theorie  wird  auch  v.  Luschan  den  ver- 
mutlich zu  Hn  gehörigen  Sphinxorthostaten  (a.a.O.  S.  330f.)  für  älter  als  die 
Skulpturen  von  H  m  erklärt  haben.  Er  scheint  mir  vielmehr  entschieden  zum 
Jüngsten  zu  gehören,  was  überhaupt  in  Sendschirli  an  Plastik  gefunden  ist. 

Nach  Ausscheidung  von  H  n  ist  noch  der  übrigbleibende  Baukomplex  zu 
betrachten.  Auch  er  ist  keineswegs  aus  einem  Gusse,  vielmehr  ist  der  Hallenbau 
P  ,0  nach  Jacobys  Beobachtung  (a.  a.  O.  S.  31 7)  sicher  an  H  ni  angelehnt,  also 
jünger,  und  dasselbe  zeitliche  Verhältnis  wird  man  für  den  ganzen  Komplex  der 
Hallenbauten  einschließlich  H  jv  annehmen  dürfen,  der  eine  architektonische 
Einheit  gebildet  zu  haben  scheint.  Dazu  paßt  auch,  daß  die  Säulenbasen  und 
Orthostatenreliefs  von  H  m  stilistisch  einen  älteren  Eindruck  machen  als  die 
von  H  IV. 

Den  Eingang  zürn  Hofe  R  suchte  v.  Luschan  an  der  Südseite,  wo  er  von  ' 
einer  Fortsetzung  der  Grabung  weiteren  Aufschluß  erwartet,  wie  jedoch  zu  be- 
fürchten ist,  vergeblich.  Denn  einmal  zeigen  die  Fundamente  von  P3 — ^  von 
einem  Torbau  nicht  die  geringste  Spur,  und  vor  allem  ist  er  auch  gar  nicht  hier 
in  dem  spitzen  Winkel  zwischen  P3 — g  und  der  Burgmauer  zu  erwarten,  sondern 
gegenüber  dem  Hauptgebäude  des  Palastbezirks,  dem  Hilani  III.  In  der  Tat  weist 
die  Halle  Pi  nahe  der  Südwestecke  von  Hu  eine  schmale  Quermauer  auf,  die 
am  ehesten  als  südliche  Begrenzung  eines  unter  H  n  begrabenen  Durchgangs- 
raumes zu  deuten  sein  dürfte.  Gestützt  wird  diese  Auffassung  durch  den  Rest 
eines  festungsartigen  Tores,  der  gleich  östlich  von  H  n  zutage  gekommen  ist 
und  gleichfalls  zu  Zeiten  dieses  Gebäudes  abgebrochen  gewesen  sein  muß.  Seine 
Lage  gerade  gegenüber  H  ni  spricht  sehr  dafür,  daß  es  diesem  Bau  gleichzeitig 
gewesen  ist,  und  als  eine  Möglichkeit  sei  wenigstens  erwogen,  ob  es  nicht  mit  der 
turmbewehrten   Rückwand  des   nördlichen  Hallenbaus    zu  einer  rechteckigen  Um- 


F.  Oelmann,  Zur  Baugeschichte  von  Sendschirli.  g^ 


mauerung  der  Art  zusammengehörte,  wie  sie  den  kleinen  Palast  von  Saktsche  Gözü  um- 
schließt (Abb.  3).  Dann  kann  man  sich  die  Baugeschichte  etwa  so  denken,  daß 
der  H  m  vorgelagerte  Palasthof  zunächst  von  der  turmbewehrten  Mauer  mit  dem 
Tor  vom  Typus  Saktsche  Gözü  umgrenzt  war,  und  daß  erst  später  dieser  Hof 
verkleinert  und  mit  den  Hallenbauten  einschließlich  H  iv  umgeben  wurde.  Ein 
Umbau  scheint  sich  auch  in  der  Südostecke  des  Hofes  zu  verraten,  wo  Pi  und 
P3  zusammenstoßen  und  der  Eckpfeiler  in  auffälliger  Weise  aus  der  Fluchtlinie 
von  P3  herausfällt. 

Absolut  datiert  ist  von  allen  diesen  Baulichkeiten  nur  das  kleine  Hilani  IV 
durch  das  Orthostatenrelief  mit  der  Inschrift  des  Barrekub.  Die  Hallenbauten  in 
ihrer  letzten  Gestalt,  insbesondere  Pi,  gehören  damit  zweifellos  eng  zusammen. 
Dann  mögen  das  ältere  Hilani  III,  ferner  das  festungsartige  Tor  neben  H  n  und 
die  Rückwand  des  NHB  mit  ihren  Türmen  dem  Vater  Panammu  bzw.  dem  Groß- 
vater Bar  Sur  gehören.  Hilani  II  dagegen  ist  erst  errichtet,  als  diese  Baulichkeiten 
durch  Brand  und  zwar,  wie  Koldewey  scharfsinnig  beobachtet  hat,  wahrscheinlich 
durch  beabsichtigte  Brandlegung  vernichtet  waren.  In  die  gleiche  Zeit  wird  die 
Erneuerung  der  Burgmauer  an  der  Westseite  zu  setzen  sein,  die  hier  über  die 
niedergebrochene  Rückwand  von  H  m  und  die  Südvvestecke  der  Hallenbauten 
hinweggeführt  ist.  Schreibt  man  den  Brand  mit  Koldewey  einer  Eroberung  der 
Burg  durch  Asarhaddon  zu,  was  viel  für  sich  hat,  so  kann  auch  H  n  nicht  älter, 
muß  vielmehr  dem  oberen  Palaste  etwa  gleichzeitig  sein. 

Die  eben  besprochenen  Gebäude  waren  indessen  nicht  die  ältesten,  die  an 
dieser  Stelle  gestanden  haben.  Ältere  Bauten,  die  insbesondere  unter  H  m  zutage 
getreten  sind,  sind  ihnen  voraufgegangen.  Sie  scheinen  sich  nach  Süden  nicht 
über  die  Mitte  des  Hofes  R  ausgedehnt  zu  haben,  der  hier  von  einer  Wehr- 
mauer unterkreuzt  wird.  Ihre  turmartigen  Verstärkungen  sind  nach  Süden  gekehrt, 
sie  bildete  also  die  Begrenzung  eines  nördlich  gelegenen  Burgbezirks  und  wird 
bis  zur  Erbauung  von  Hilani  III  den  sogenannten  Nordwestbezirk  der  Burg  nach 
Süden  hin  abgeschlossen  haben,  dessen  Betrachtung  noch  übrigbleibt. 

5.  Daß  auch  die  Gebäude  desNordwestbezirks  (Abb.  6)  nicht  aus  einem  Gusse 
sind,  ist  schon  Jacoby  und  v.  Luschan  nicht  verborgen  geblieben.  Beide  er- 
kannten, daß  J  und  K  wohl  gleichzeitig  in  Benutzung  gewesen,  aber  nicht  gleich- 
zeitig entstanden  sein  können.  In  der  Beurteilung  des  zeitlichen  Verhältnisses 
beider  Gebäude  macht  sich  indessen  ein  merkwürdiges  Schwanken  bemerkbar.' 
Entscheidend  ist  wieder  Jacobys  Beobachtung,  daß  die  Fundamentkrone  von  K 
etwa  I  m  höher  liegt  als  die  von  J.  Daraus  schloß  Jacoby,  daß  K  jünger  sei. 
während  v.  Luschan  (a.  a.  O.  S.  245)  nach  mehrfachem  Schwanken  sich  für  das 
Gegenteil  entschied,  ohne  seine  Ansicht  näher  zu  begründen.  Er  scheint  auch 
da  wieder  im  Banne  der  Koldeweyschen  Entwicklungstheorie  gestanden  zu  haben, 
nach  der  allerdings  J  jünger  hätte  sein  müssen,  weil  ihm  der  bei  K  noch  vor- 
handene »massive  Verteidigungsturm«  ganz  fehlt. 

Daß  Jacoby  Recht  hat,  wird  nun  durch  weitere  Beobachtungen  außer  Zweifel 
gesetzt.   In  der  Westwand  von  J^  finden  sich  zwei  symmetrisch  angeordnete  Fenster, 


QA  F.  Oelmann,  Zur  Baugeschichte  von  Sendschirli. 

die  ungewöhnlich  tief,  fast  bis  zum  Fußboden,  hinabreichen,  so  wie  es  in  Boghazköi 
üblich  ist').  Sie  sind  beide  durch  die  Ostwand  von  K  verbaut  und  so  zu  Nischen 
geworden.  Auch  die  beiden  Öffnungen  in  der  Westwand  von  J  3  dürften  ursprüng- 
lich solche  tief  herabreichende  Fenster  gewesen  sein.  Sie  liegen  ebenfalls  streng 
symmetrisch,  nur  ist  die  südliche  Öffnung  bei  ihrer  Umwandlung  zu  einer  Ver- 
bindungstür mit  K  2  bis  zur  Südecke  der  Wand  verbreitert  worden,  während  die 
nördliche  Öffnung  wohl  Fenster  blieb,  aber  fast  zur  Hälfte  durch  K  verbaut 
wurde.  In  ähnlicher  Weise  ist  auch  die  Südfassade  des  Raumkomplexes  J 10 — 14 
durch  K  verbaut  worden,  worauf  wir  noch  zurückkommen  werden.  Ferner  ließen 
sich  in  Ji — 3  vielfach  Ausbesserungen  und  Umbauten  feststellen.  So  führen  in 
J2  die  verschiedenen  Wandputzschichten  auf  zwei  bis  drei  Bauzeiten,  und  in  J3 
- —  nicht  etwa  in  K  —  zeigten  sich  mehrere  Fußböden  übereinander^).  Der  Fuß- 
boden wurde  hier  offenbar  bei  dem  Anbau  von  K  höher  gelegt,  um  den  Höhen- 
unterschied auszugleichen.  Daß  schließlich  K  in  seiner  Grundrißbildung  völlig 
mit  dem  kleinen  Hilani  IV  übereinstimmt,  wurde  schon  hervorgehoben.  Da  dieses 
inschriftlich  als  Bau  des  Barrekub  gesichert  ist,  so  wird  man  auch  K  in  die  gleiche 
Zeit  setzen  dürfen. 

Das  wird  nun  in  denkbar  wünschenswerter  Weise  bestätigt  durch  den  Um- 
stand, daß  die  schon  erwähnte  Platte  mit  der  großen  Bauinschrift  des  Barrekub 
aller  Wahrscheinlichkeit  nach  den  linken  Orthostaten  von  Ki  gebildet  hat  3). 
Ihre  letzten  Zeilen  sind  für  die  Baugeschichte  des  Nordwestbezirks  so  wichtig,  daß 
ich  sie  in  neuer  Übersetzung  hersetze  4): 

16  durch   mich   ist  es  schön   gebaut   worden,    nicht  war  es  vorhanden  für  meine 

Väter, 

17  die  Könige  von  Schamal.     Stehe  da  ist  das  Haus  des  Kalamu  von  ihnen. 


')  Vgl.   V.  K.   Müller  a.a.O.   «37  ff.,  dem  jedoch  »)  Jacoby,  Ausgr.  272,  276,  279. 

bei  der  Suche  nach  Analogien  für   die  Fenster  3)  v.    Luschan,     Ausgr.     255.      Dagegen    hat    sie 

von    Boghazköi    die    beste    und    schlagendste,  Lidtbarski,  Ephemeris  für  semitische  Epigraphik 

nämlich  Sendschirli,    entgangen   ist.     Die   Ahn-  III     igog'is,    218    wieder  der     Westhälfte   des 

lichkeit    geht    sogar    noch    viel    weiter.      Wenn  nördlichen    Hallenbaus    zusprechen  wollen,  weil 

man  beispielsweise    die    Räume  Ji,   J3  und  K2  der     Bau     K,    »wie    nach    v.  Luschan  feststeht, 

,    mit    den    Thronsälen    III  ,3   und   IV  ,3    in   Bu-  älter  als  die  Zeit  des  Barrekub«  sei.    Das  Gegen- 

ghazköi   (O.  Puchstein,    Boghazköi,    1912,     176  teil  ist  aber  der  Fall,  wie  eben  gezeigt  wurde. 

Abb.    108,    Müller   a.  a.  O.    125    Abb.    17   und  Außerdem   ist   der  Hallenbau  gar  kein  »Haus«, 

127    Abb.    19)    vergleicht,    so    ergeben  sich  als  sondern   nur   eine  Porticus.     Nur  die   Osthälfte 

weitere  Übereinstimmungen  die  Lage  des  Thron-  ist   ein   wirkliches   Haus    vom  Hilanitypus,   und 

Sitzes  vor  der  Mitte  der  linken  Schmalwand  —  sie  hat  schon  ihre  Orthostateninschrift,  nach  der 

in   Ja    und    J3   in    Sendschirli   nach     Analogie  ebenfalls  Barrekub  der  Erbauer  war. 

von    Kl    zwischen    den     beiden     Fenstern    der  4)  Sie  stammt  von  E.  Littmann,  dem  ich  überhaupt 

Rückwand     zu    ergänzen    — ,   femer    die    Lage  für    seine    stete    Hilfsbereitschaft    in    semitisch- 

des  Haupteingangs   am  Ende  der  einen   Längs-  sprachwissenschaftlichen  Fragen  zu  danken  habe, 

wand    (ausgenommen   Jj)   und   vor    allem    die  Ältere  Übersetzungen:  Sachau,  Sitzungsber.  Berl. 

ausgesprochene  Tiefräumigkeit  aller  dieser  Säle,  Akad.    1896,     1051  ff.    (danach    in    den    »Aus- 

deren   ideelle    Achse    offensichtlich    durch    die  grabungen«    168);     v.     Luschan,    Ausgr.   380; 

Lage  von  Thronsitz  und  Herd  bestimmt  ist.  Lidzbarski  a.  a  O.  218. 


F.  Oelmann,  Zur  Baugeschichte  von  Sendschirli.  gc 

i8   siehe    da   ist   das  Winterhaus   von   ihnen,   siehe   da   ist  das   Sommerhaus   von 

ihnen  und 
19  ich  habe  dies  Haus  erbaut. 

Da  ist  zum  mindesten  von  zwei  verschiedenen  Häusern  die  Rede,  einem 
älteren  des  Kalamu  und  einem  jüngeren  des  Barrekub.  Das  »Winterhaus«  und 
das  »Sommerhaus«  sind  bisher  immer  mit  einem  von  beiden  gleichgesetzt  worden, 
aber  der  Wortlaut  läßt  auch  die  Möglichkeit  zu,  an  vier  verschiedene  Häuser  zu 
denken. 

Mit  dieser  Auffassung  läßt  sich  nun  der  Grundriß  des  Gebäudekomplexes  in 
überraschender  Weise  vereinigen.  Daß  nur  K  das  neue  Haus  des  Barrekub  sein 
kann,  haben  wir  gesehen.  Nun  hat  es  ein  glücklicher  Zufall  gefügt,  daß  an  der 
linken  Eingangswange  von  J  i  ein  Orthostat  in  situ  erhalten  gefunden  wurde,  der 
eine  große  Inschrift  des  Kalamu,  Sohnes  des  Haja(nu),  mit  beigefügtem  Bildnis 
trägt').  Dieser  Haja(nu)  ist  zweifellos  derselbe  wie  der  auf  dem  Monolith  Sal- 
manassarsll  für  859  und  854  genannten  Hajan(u),  Sohn  des  Gabbar  von  Schamal^). 
Das  Gebäude  J  ist  also  das  in  der  Barrekubinschrift  genannte  Haus  des  Kalamu 
und  muß  in  der  zweiten  Hälfte  des  9.  Jahrhunderts  errichtet  sein.  Doch  gilt  das 
sicher  nur  für  den  vorderen  Teil  von  J,  d.  h.  die  Räume  Ji — 3.  Denn  auch  J  ist  kein 
einheitlicher  Bau,  sondern  setzt  sich  aus  zwei  Teilen  (Ji — 3  und  J4 — 14)  zusammen, 
die  nicht  gleichzeitig  errichtet  sein  können,  wie  die  zwischen  J 10  und  der  Nord- 
westecke von  J  3  sichtbare  Mauerfuge  ausweist,  v.  Luschan  wollte  in  dem  rück- 
wärtigen Komplex  J4 — 14  eine  nachträgliche  Erweiterung  sehen.  Daß  die  Sache 
gerade  umgekehrt  liegt,  lehrt  eine  aufmerksame  Betrachtung  dieses  Gebäudeteils. 
Er  zerfällt  seinerseits  wieder  in  zwei  Hälften,  denen  dasselbe  Planschema  zu 
Grunde  liegt.  Beidemal  bildet  den  Mittelraum  eine  tiefe  Halle  (Je  und  J13),  die 
jedesmal  von  zwei  Räumen  gleicher  Größe  flankiert  ist.  Diese  Seitentrakte  sind 
entweder  ungeteilt  (J4  und  Ji4)  oder  zerfallen  in  mehrere  Abteilungen  (J 7 — g  und 
Jio — 12)-  Jio  ist  ein  massiver  Fundamentklotz,  auf  dem  man  sich  nach  Analogie 
von  K  das  Treppenhaus  zu  denken  hat.  Über  J4 — n  haben  schon  Jacoby  und 
V.  Luschan  wegen  der  Schichtung  des  Brandschutts  ein  Obergeschoß  angenommen. 
In  der  westlichen  Gebäudehälfte  ist  der  Mittelsaal  (J13)  nach  vorn  in  voller  Breite 
geöffnet,  also  ein  richtiger  Liwan.  v.  Luschan  und  Jacoby  (a.  a.  O.  S.  252  und  286) 
halten  ihn  zwar  für  ungedeckt,  d.  h.  für  einen  Hof,  dem  widersprechen  aber 
zwei  mächtige  Orthostaten,  die  den  Eingang  flankieren  und  seine  Eigenschaft  als 
Tor  sicherstellen.  Die  Südwand  von  Jio — 14  ist  dann  als  eine  monumentale  Fassade 
aufzufassen,  von  völliger  Symmetrie,  mit  weiter  Mittelöffnung  zwischen  flankierenden 
Wandflächen,  also  von  demselben  Typus,  wie  er  in  der  sasanidischen  und  persisch- 
islamischen Baukunst  üblich  ist  i).     Ob  die  breite  Mittelöffnung  einen  wagerechten 


')  Letzte  Behandlung    der  Inschrift  mit  deutscher  Felsreliefs,     1910,     129;    Sarre     und    Herzfeld, 

Übersetzung  von  Lidzbarski,  Ephemeris  III  218  ff.,  Archäolog.  Reise  im  Euphrat-  und  Tigrisgebiet 

wo  auch  die  altere  Literatur  zusammengestellt  ist.  III  191 1,  Taf.39ff.  ;  Swoboda,  Rom.  u.  roman. 

=)  Lidzbarski  a.a.O.  225.  Paläste,   1919,    iSoff.  —   Firuzabad:  P.  Coste 

3)  Z.  13.  Klcsip  hon;    Sarre  und  Herzfeld,  Iranische  et    E.   Flandin,    Voyage   en   Perse.   Perse   anci- 


96 


F.  Oelmann,  Zur  Baugeschichte  von  Sendschirli. 


oder  bereits  bogenförmigen  Abschluß  hatte,  ist  nicht  zu  entscheiden,  doch  scheint 
mir  die  letztere  Annahme  im  Hinblick  auf  die  spitzbogigen  Stadttore  in  Boghaz- 
köi  und  die  vermutliche  Abkunft  des  Liwans  von  den  rundbogigen  Schilf  hütten 
der  Euphratanwohner  wohl  erwägenswert').  Da  nun  die  Wirkung  dieser  Fassade 
durch  die  übergreifende  Nordwestecke  von  J3  —  und  erst  recht  natürlich  durch 
K  —  zerstört  ist,  so  ist  der  Schluß  unausweichlich,  daß  der  Bau  Ji — 3  nachträg- 
lich vor  J4 — 14  vorgesetzt  ist.  Ob  die  rechte  Hälfte  des  rückwärtigen  Gebäude- 
teils (J4 — 9)  dasselbe  Fassadenmotiv  wiederholte  oder  ob  hier  der  Mittelraum 
l6  vorn  geschlossen  war,  kann  natürlich  nur  eine  Tiefgrabung  lehren.  Unbedingt 
nötig  scheint  es  mir  nicht,  denn  auch  in  dem  Raumkomplex  L4 — 6,  dem  das 
gleiche  Schema  des  dreiteiligen  Hauses  zu  Grunde  liegen  dürfte  (L 1 — 3  und 
Ly — 8  sind  wohl  Anbauten),  ist  der  Mittelraum  L5  nach  vorn  nicht  voll  ge- 
öffnet 2). 

So  ergibt  die  Grundrißanalyse  des  Nordwestbezirks  vier  Einzelhäuser,  wie 
sie  auch  aus  der  Bauinschrift  des  Barrekub  herauszulesen  sind.  Da  K  als  das 
Haus  des  Barrekub  und  Ji — 3  als  das  des  Kalamu  bereits  erkannt  worden  sind, 
so  liegt  der  Schluß  nahe,  daß  mit  dem  Winterhaus  und  Sommerhaus  der  Raum- 
komplex J4— 14  gemeint  ist.  Die  westliche  Hälfte  J  10 — 14  mit  dem  weit  geöffneten 
Liwan  könnte  dann  das  Sommerhaus  sein,  während  in  der  östlichen  Hälfte  (J4 — g), 
die  eine  größere  Anzahl  kleiner  und  geschlossener  Räume  aufweist,  eher  das 
Winterhaus  zu  erkennen  wäre. 

Was  die  absolute  Chronologie  betrifft,  so  reicht  das  Doppelhaus  J4 — 14 
nunmehr  mindestens  in  die  Zeit  des  Haja(nu)  oder  Gabbar,  also  in  die  Mitte  oder 
erste  Hälfte  des  9.  Jahrhunderts  hinauf  und  ist  somit  wahrscheinlich  das  älteste 
Gebäude,  das  überhaupt  in  Sendschirli  vollständig  im  Grundriß  erhalten  ist.  Die 
Baugeschichte  stellt  sich  jetzt  in  wesentlichen  Punkten  anders  dar,  als  Koldewey, 
v.Luschan  und  Jacoby  sie  sich  gedachthaben.  Am  Anfang  steht  das  Doppelhaus  J4 — ,4 
mit  seinem  in  dieser  Umgebung  ganz  fremdartig  wirkenden  Grundrißschema  des 
dreiteiligen  Liwanhauses.  Auch  L4 — e  und  vielleicht  Li — 3  mögen  noch  in  diese 
Zeit  zurückreichen,  ebenso  wie  die  unter  Hr  gelegenen  Bauten,  deren  Grundriß- 
schema nicht  bekannt  ist.  Die  Burgmauer  in  ihren  älteren  Teilen  sowie  das 
äußere  Burgtor  mit  seinem  ganz  altertümlichen  Orthostatenschmuck  wird  gleich- 
falls hierhergehören.    Dann  baut  Kalamu  in  der  zweiten  Hälfte  des  9.  Jahrhunderts 


enne  1   Taf.    39 f.;    M.   Dieulafoy,  1,'art  antique        »)  Weitere  Beispiele  für  die  Schließung  des  Mittei- 


de la  Perse  IV  1885  Taf.  13 ff. 
')  Auf  die  Geschichte  des  Liwanhaustypus  werde 
ich  an  anderer  Stelle  ausführlicher  zu  sprechen 
kommen.  —  Für  die  Frage  der  Wölbung  in 
Sendschirli  ist  noch  eine  Grabstele  aus  der  Zeit 
des  Barrekub  zu  vergleichen  (v.  Luschan,  Ausgr. 
325  ff.  Taf.  54).  Der  rundbogige  Abschluß 
des  Bildfeldes  mit  seiner  rechteckigen  Um- 
rahmung läßt  sich  ohne  architektonisches  Vor- 
bild kaum  erklären. 


raums  in  gleichen  oder  ähnlichen  Haustypen 
sind  der  Nordostpalast  in  Lachisch-Tell  el  Hesi 
(Kanaanitisch,  14.  Jahrhundert?,  vgl.  Bliss,  A 
Mound  ofMany  Cities,  1894,  71  ff.  H.Vincent, 
Canaan,  1907,  64  Abb.  35;  die  Front  liegt 
nach  Westen,  nicht  nach  Osten  1),  ferner  die 
Nebenhäuser  in  Mschatta  (vgl.  Jahrb.  preuß. 
Kunstsamml.  XXV  1904  Taf.  7)  und  vor  allem 
das  Hauranhaus  der  Kaiserzeit  (vgl.  H.  C.  Butler, 
Ancient  Architecture  in  Syria,  1907  ff.  A  194 ff.). 


F.  Oelmann,  Zur  Baugeschichte  von  Sendschirli.  nn 


vor  die  Osthälfte  von  J^ — 14  in  neuem  Stil  sein  Haus  Ji — 3,  dessen  Verwandt- 
schaft mit  der  hetitischen  Baukunst  von  Boghazköi  schon  hervorgehoben  wurde. 
Nicht  zu  trennen  ist  davon  der  kleine  Torbau  Q  und  die  altertümliche  Statue  auf  der 
Löwenbasis,  die  an  die  Ostwand  des  neuen  Hauses  angelehnt  wurde.  Ihre  Sockel- 
löwen sind  denen  des  äußeren  Burgtores  aufs  engste  verwandt.  Die  südliche 
Begrenzung  des  Nordwestbezirks  bildete  damals  die  den  späteren  Hallenhof  R 
unterkreuzende  Abschnittsmauer.  Der  Zeit  des  Karal  und  des  älteren  Panammu 
(um  800),  der  ebenso  wie  Haja(nu)  als  König  von  Jaidi  bezeichnet  wird  und  die 
Hadadstatue  von  Gerdschin  hinterlassen  hat,  lassen  sich  keine  Bauten  mit  Be- 
stimmtheit zuweisen.  Vielleicht  gehören  das  innere  Burgtor  und  das  große 
Hilani  I  in  diese  Zeit.  Auf  Bar  Sur  oder  den  jüngeren  Panammu  glaubten  wir 
dann  den  Bau  von  Hilani  III  zurückführen  zu  dürfen  mit  dem  davorgel  egenen 
Palasthofe  in  seiner  älteren  Gestalt  (vom  Typus  Saktsche  Gözü).  Festen  Boden 
betreten  wir  erst  wieder  mit  Barrekub  (um  730,  vielleicht  bis  Ende  des  8.  Jahr, 
hunderts),  der  als  Erbauer  der  beiden  gleichartigen  Häuser  K  und  H  iv  und  jeden- 
falls auch  der  Hallenbauten  P  inschriftlich  gesichert  ist.  In  diesem  Zustande  ist 
die  ganze  Burg  einem  großen  Brande  zum  Opfer  gefallen,  der  von  Koldewey 
wohl  mit  Recht  mit  einer  assyrischen  Eroberung  in  Zusammenhang  gebracht 
worden  ist.  Auf  den  Trümmern  wurde  dann  Hilani  II  und  der  obere  Palast  er- 
richtet, ob  gleichzeitig  oder  nacheinander,  ist  nicht  zu  entscheiden.  Auch  die 
Burgmauer  wurde  erneuert  oder  streckenweise  ganz  neu  errichtet,  an  der  Westseite 
wurde  sie  über  die  ehemalige  Westwand  von  L  und  Hni  sowie  über  die  Südwest- 
ecke von  Pg  weggeführt,  die  nicht  wieder  aufgebaut  waren.  Dieser  Neubau  (Jer 
Burgmauer  ist  mit  Wahrscheinlichkeit  datiert  durch  die  große  Stele,  die  Asarhad- 
don  i.  J.  670  im  äußeren  Burgtor  errichten  ließ.  Damit  ist  die  Baugeschichte 
der  Burg  im  wesentlichen  abgeschlossen. 

Schließlich  wäre  noch  die  Frage  zu  erörtern,  ob  die  beiden  verschiedenen 
Haustypen,  die  sich  ergeben  haben,  das  dreiteilige  Liwanhaus  der  älteren  Zeit 
(vor  Kälamu)  und  das  sog.  Hilanihaus  der  jüngeren  Zeit  sich  vielleicht  zwei  ver- 
schiedenen Bevölkerungsschichten  zuweisen  lassen.  Doch  ist  da  über  Vermutungen 
einstweilen  nicht  hinauszukommen.  Es  sei  aber  wenigstens  darauf  hinge- 
wiesen, daß  es  für  das  alte  Doppelhaus  vom  Liwantypus  eine  merkwürdig  weit- 
gehende Parallele  gibt,  das  ist  der  Hauptpalast  von  Hatra  (Abb.  7,  ob.  S.  88).  Auch 
hier  sind  zwei  dreiteilige  Häuser  mit  dem  großen  Liwan  in  der  Mitte  und  kleineren 
doppelgeschossigen  Räumen  zu  beiden  Seiten  nebeneinander  gesetzt  und  zu  einer 
Einheit  verbunden.  Der  Hatrener  Palast  stammt  spätestens  aus  dem  zweiten 
Jahrhundert  n.  Chr.,  vielleicht  reicht  er  mit  der  Gründung  der  ganzen  Siedelung 
noch  ins  erste  vorchristliche  Jahrhundert  zurück.  Die  Gründer  waren  Araber,  wie 
E.  Herzfeld  wahrscheinlich  gemacht  hat').  Araber,  d.  h.  Steppen-  und  Wüsten- 
bewohner, waren  aber  auch  die  Aramäer,  die  gegen  Ende  des  zweiten  Jahrtausends 


')  E.   Herzfeld,    Zeitschr.   deutsch,    morgenl.  Ges.  LXVIII   1914,    655ff.  und   Jahri).  preuß.  Kunsts.  XLII 

1921,   107. 


q8  Karl  Schwenderaann,  Der  Dreifuß. 


in  Nordsyrien  seßhaft  wurden.  Sie  werden  auch  zuerst  den  Burghügel  von  Send- 
schirli  besiedelt  und  mit  dem  semitischen  Namen  Schamal  belegt  haben,  jeden- 
falls sind  von  einer  älteren,  etwa  mitannischen  Bevölkerungsschicht  keine  Spuren 
nachgewiesen  worden.  Unmittelbar  aus  der  Wüste  allerdings  werden  die  Araber 
den  Liwantypus  nicht  mitgebracht  haben,  wohl  aber  können  sie  ihn  in  der  unteren 
Euphratlandschaft  kennen  gelernt  haben,  wo  Schilfhütten  vom  Liwantypus  heute 
noch  landesüblich  und  offenbar  uralt  sind.  Erst  Kalamu  und  seine  Nachfolger 
errichten  ihre  Häuser  nach  einem  anderen  Grundrißschema,  das  zur  Kategorie 
des  Laubenhauses  gehört  und  in  Kleinasien  verbreitet  ist').  Zwar  spricht  auch 
er  aramäisch  bezw.  phönikisch,  wenigstens  in  seiner  Inschrift,  aber  der  Name  ist 
nach  Lidzbarski  kleinasiatischer  Herkunft,  wie  übrigens  auch  schon  der  seines 
Vaters  Haja(nu)^).  Sollte  es  da  ein  Zufall  sein,  daß  wir  gerade  am  Hause  des 
Kalamu  so  auffallende  Übereinstimmungen  mit  der  Baukunst  von  Boghazköi  fanden? 
So  ist  wenigstens  mit  der  Möglichkeit  zu  rechnen,  daß  im  9.  Jahrhundert  ein 
kleinasiatisches  Dynastengeschlecht  die  Herrschaft  über  die  aramäische  Siedelung 
gewann  und  seine  kleinasiatische  Herkunft  in  seinen  Bauten  zum  Ausdruck  brachte. 
Von  dem  Fassadenmotiv  des  sogenannten  Hilani  (d.  h.  Porticus  mit  Eckrisaliten), 
das  ja  auch  in  Boghazköi  unbekannt  ist,  ist  hier,  am  Hause  des  Kalamu,  noch 
nichts  zu  bemerken,  es  setzt  sich  erst  später,  wohl  unter  südlichem  Einfluß,  durch. 
Die  Klärung  seiner  Herkunftsfrage  und  weiteren  Geschichte  muß  einer  besonderen 
Untersuchung  vorbehalten  bleiben,  die  an  anderer  Stelle  vorgelegt  werden  soll. 
Bonn.  F.  Oelmann. 


•    DER  DREIFUSS. 

EIN  FORMEN-  UND  RELIGIONSGESCHICHTLICHER  VERSUCH. 

Mit  einer  Beilage. 

TEIL  I:  DIE  FORMENGESCHICHTE  DER  DREIBEINIGEN  GERÄTE. 

Wenn  wir  das  Wort  Dreifuß  hören,  tritt  uns  unwillkürlich  der  Name  Apollo 
Ins  Bewußtsein,  wir  denken  an  Delphi  und  sein  Orakel.  Des  weiteren  mögen  wir  uns 
an  Homer  erinnern,  wo  Dreifüße  so  oft  erwähnt  werden.  Treten  wir  aber  in  eine  Unter- 
suchung über  die  Dreifüße  ein,  so  wird  vor  allem  das  Wort  Dreifuß  und  der  dadurch 
ausgedrückte  Begriff  die  Grundlage  der  Fragestellung  bilden  müssen.  Was  ist  ein 
Dreifuß }  Ganz  allgemein  ein  Gerät  mit  drei  Füßen.  Als  Thema  unserer  Abhandlung 
ergibt  sich  dann  eine  Reihe  von  Fragen:  Welche  Geräte  dieser  Art  gab  es  im  Altertum, 
wie  und  wo  sind  sie  entstanden,  welche  formale  Entwicklung  haben  sie  durchgemacht 
vom  Beginn  bis  zum  Ausgang  der  Antike;  welches  waren  die  Namen  dieser  Geräte 
bei  den  Griechen  und  Römern?  Welchen  Zwecken  dienten  sie  als  Gegenstände  des 
täglichen  Lebens  und  des  Kultus?     So  zerfällt  unsere  Aufgabe  in  drei  Teile:  i.  Die 


')  Vgl.     vorläufig    Germania     1921,    71    Anm.    12.  2)  Lidzbarski   a.a.O.   200  und   223. 


JAHR 


€^ 


I.  Oly 
1881   ' 

VII  rl 

-,.8.1 

—  24 


Karl  Schwendemann,  Der  Dreifuß. 


99 


Formengeschichte  der  dreibeinigen  Geräte  im  Altertum  zu  entwickeln.  2.  Ihre  Termi- 
nologie klarzustellen.    3.  Ihre  Bedeutung  in  Leben  und  Kultus  darzulegen. 

Die  weite  Verbreitung  und  die  Vielfältigkeit  der  dreibeinigen  Geräte  ist  der 
Einfachheit  und  Standsicherheit  ihrer  Form  zuzuschreiben.  Für  ein  Gerät  kommen 
vor  allem  vier  Arten  des  Stehens  in  Betracht,  auf  einem,  auf  zwei,  auf  drei  oder  vier 
Füßen.  Ein  nach  unten  ausladender  Fuß  vermag,  besonders  am  Schwerpunkt,  eine 
Last  genügend  zu  unterstützen.  Ebenso  bieten  zwei  in  gleicher  Entfernung  vom 
Schwerpunkt  angefügte  Stützen  mit  der  nötigen  Standfläche  sicheren  Halt.  Die 
einfachste  und  dabei  sicherste,  zugleich  die  mannigfachste  Benützung  gestattende 
Art,  eine  gerade  oder  gebogene  Fläche  in  horizontaler  Lage  zu  erhalten,  ist  die  Unter- 
stützung an  drei  Punkten,  ganz  besonders  bei  allen  jenen  Flächen,  deren  Grundform 
sich  dem  Dreieck  nähert  oder  ihm  ein-  oder  umbeschrieben  werden  kann. 

Die  tektonisch  einfachste  Gestalt  eines  dreibeinigen  Gerätes  ist  der  an  drei 
Punkten  unterstützte  Kreisring  oder  die  Kreisfläche,  dann  der  mit  drei  Stützen  ver- 
sehene Topf.  Davon  kann  die  dritte  Form  aus  der  ersten  entstehen,  wenn  der  auf 
den  Ring  gestellte  Kessel  mit  diesem  zusammenwächst.  Ferner  kann  aus  der  ersten 
Gattung  die  zweite  entstehen  durch  Auflegen  einer  Platte  auf  den  Ring.  Dabei  ist 
natürlich  eine  mannigfache  Gestaltung  der  getragenen  Fläche  denkbar. 

Nach  dem  Gesagten  kann  es  nicht  befremden,  dreibeinige  Geräte  der  verschie- 
densten Gestalt  und  Benützung  zu  finden.  Ferner  muß  man  von  vornherein  ver- 
muten, daß  die  Griechen  wie  sonst  so  auch  hier  manches  von  auswärts  übernahmen, 
was  die  Zweckdienlichkeit  der  Form  bei  älteren  Kulturvölkern  .längst  hatte  ent- 
stehen lassen. 

DIE  NIEDEREN  UNTERSÄTZE  UND  VERWANDTES. 

Die  Vermutung  bestätigt  sich  sofort  bei  der  einfachsten  Form,  dem  durch  drei 
niedere  Füße  getragenen  Kreisring.  Massenhaft  sind  solche  Geräte  in  archaischen 
Fundschichten  Griechenlands  und  Italiens  vertreten:  In  Olympia'),  Dodona  ^), 
Delphi  3),  dem  argivischen  Heraion  4),  auf  der  athenischen  Akropolis  5),  an  vielen 
Stellen  Italiens  ^),  um  nur  die  wichtigsten  aufzuführen.  Es  gibt  einfachere  und  reichere 
Formen.  OI.IV853  ist  ein  schön  erhaltenes  Beispiel  der  einfacheren  Art  (Beil.,  Abb.i). 
Ein  Ring  mit  Stabverzierung  am  äußeren  Rand  ruht  auf  einfach  stilisierten  Löwen- 
klauen, die  jeweils  auf  einer  rechteckigen  kleinen  Plinthe  stehen,  das  Ganze  dann 
auf  einem  einfachen  unteren  Ring.  Die  letzte  Eigentümlichkeit  ist  aber  selten.  Eine 
lebendigere  Bildung  Ol.  IV  856.  Der  Fuß  ist  einzeln  gearbeitet  und  mit  dem  oberen 
Fortsatz  von  innen  an  den  Ring  angenietet  gewesen?).    An  Stelle  der  Löwenklauen 


■)  Curtius- Adler,    Die   Ausgrabungen    in   Olympia.  *)  Ol.   IV,   136. 

Bd.  IV.     Die  Bronzen  S.   136  ff.  ')  Bei  einem  anderen  Exemplar  (De  Ridder  Nr.  97, 

>)  Carapanos,  Dodone   S.   84.      Taf.   XL,  XXIII.  Fig.  10)  entwickeln  sich  die  Voluten  direkt  aus 

3)  Fouilles  de  Delphes  V,  70.    Nr.  259  ff.  der   Klaue,   was   den   Ausdruck   der   Elastizität 

4)  Waldstein,  ArgiveHeraeum  II,  295  ff.  PI.  CXXIV.  hervorruft.     Der  Winkel  zwischen  den  sich  aus- 

5)  De  Ridder,  Les  Bronzes  de  l'Acropole  d'Athenes  breitenden  Voluten  ist  mit  einer  Palmette  gefüllt. 
Nr.  60 — 101.    Vgl.  Arch.  Anz.  1915,  207.- 


lOO  •^'"■^  Schwendemann,  Der  Dreifuß. 


finden  sich  auch  solche  von  Greifen'),  auch  Pferdehufe.  Die  einzelnen  Beine  können 
jeweils  auf  runder  Basis  ruhen.  Meist  stehen  sie  aber  frei  auf.  Die  Tragkraft  des 
Ganzen  ist  manchmal  noch  verstärkt,  indem  die  Löwenklauen  unter  sich  noch  ein- 
mal mit  Stäben  verbunden  sind,  welche  sich  unter  der  Mitte  des  Ringes  treffen »). 

Dieser  Untersatztypus  stammt  aus  Assyrien,  wie  u.  a.  ein  Relief  aus  Khorsabad 
beweist,  das  einen  Sieg  Sargons  über  einen  König  von  Armenien  verherrlicht  3). 
Fragmente  solcher  Geräte  fand  Palma  di  Cesnola  auf  Cypern,  Löwenklauen  und 
Stierfüße  aus  Bronze,  welche  unzweifelhaft  von  derselben  Gattung  stammen  4). 

Dieses  nach  Ausweis  der  Funde  in  archaischer  Zeit  offenbar  sehr  beliebte  Gerät 
hat  sich  mit  geringer  Veränderung  lange  erhalten.  Öfter  erscheint  es  auf  Vasen- 
bildern 5),  auch  auf  etruskischcn  Wandgemälden,  immer  als  Träger  von  Kesseln  und 
Schalen.  Die  Maße  bewegen  sich  zwischen  8 — 20  cm  Ringdurchmesser  und  ca.  3  —  12 
cm  Höhe.  Die  Vasenbilder  illustrieren  den  Gebrauch  (Beil ,  Abb.  2).  Verschiedent- 
lich wurden  auch  große  fußlose  Kessel  mit  solchen  Untersätzen  zusammen  ge- 
funden *•). 

Daß  auch  die  hellenistische  und  römische  Zeit  das  Gerät  besaß,  zeigen  zwei 
Exemplare    im    Silberschatz    von    Boscoreale  /). 

Eine  noch  einfachere  Art  von  Untersätzen  ohne  formengeschichtliche  Bedeu- 
tung mag  hier  kurz  erwähnt  werden:  Ein  eiserner  Ring  auf  drei  ebensolchen  geraden 
einfachen  Füßen  diente  als  Küchengerät,  um  fußlose  Kessel  übers  Feuer  zu  stellen; 
es  behielt  stets  dieselbe  Form.  Auf  einem  älter-schwarzfigurigen  Vasenfragment 
von  der  Akropolis  8)  sehen  wir  ein  solches  Gerät  in  Gebrauch.  Es  steht  über  dem 
Feuer,  ein  großer  Kessel  darauf,  in  dem  ein  Mann  rührt.  Gestelle  derselben  Art  wurden 
im  Tumulus  III  von  Gordion,  der  an  den  Ausgang  des  VIII.  Jahrhunderts  gehört, 
gefunden  9).  Pompeianische  Wandgemälde  zeigen  nach  so  vielen  Jahrhunderten  die 
Form  unverändert '  ),  auch  wieder  als  Küchengerät. 

•      DREIFÜSSIGE  SCHALEN. 

In  der  Form  nahe  verwandt  mit  den  niederen  Untersätzen  ist  eine  Reihe  drei- 
füßiger Schalen,  die  in  archaischer  Zeit  in  Griechenland  und  Italien  in  Verwendung 
waren  und  auch  später  noch  nachweisbar  sind.    Das  älteste  vollständige  Exemplar 


')  De  Ridder  Nr.  63.  oben  in  einen  Blattkelch  endigend,  aus  dem  ein 

^)  Olympia   IV,   855.      Catalogue   of   the   Bronzes  Eros  herausragt.     Die  Eroten  tragen  das  ganz 

in   the   British  Museum  61,62.  flache   Becken,   das   hier   an    Stelle   des   Ringes 

3)  Museo  Italiano  II,  818.     Menant,  Glyptique  II,  ist.    Nr.  3:    D.  0,73.    H.  0,33.    Greifenfüße  oben 
S.  94.  mit  Blattkelch,  auf  dem  der  Ring  sitzt.      Ein 

4)  Cesnola,  Salaminia  PI.  III,  5,  4.  Vgl.  Ed.  Meyer,  außergewöhnlich  großes  Exemplar,  aber  derselbe 
Reich  u.  Kultur  d.  Chetiter  S.  45.  Typus.    Vgl.  Arch.  Anz.  191 7,  75. 

5)  Z.  B.  Furtwängler-Reichhold,  Taf.  19.   Mon.  d.  I.  *)  Graef,  AkropoHsvasen  654  a. 

VIII,  27.    Ebd.  IV,  32  u.  sonst  öfter.  9)  G.  und  A.  Körte,  Gordion  (V.  Ergänzungsheft 

')  Olympia   IV,    136.      Ein   Dinos   auf   Untersatz.  des  Arch.  Jahrb.)  S.  68,  80.    H.  =  0,30.   D.  0,48. 

Mon.  d.  I.  XI,  6.  '»)  Mau,  Rom.  Mitt.  XI,  75,  Nr.  152.     Not.  d.  sc. 

7)  Mon.  Piot.  V,  Taf.  XXII,  1,3.  Nr.  i:    D.  0,11.  1901,  259. 

H.  0,04.   Lüwenklauen  auf  kleinen  runden  Basen, 


Karl  Schwendemann,  Der  Dreifuß. 


lOl 


wurde  zusammen  mit  dem  Bronzewagen  von  Monteleone  gefunden,  gehört  also  etwa 
in  die  Mitte  des  VI.  Jahrhunderts  ').  Ein  tiefes  Becken  mit  übergebogenem  Rand 
und  zwei  hochstehenden  Henkeln  ruht  auf  den  Löwenklauen.  »Der  am  Kessel  an- 
liegende Teil  zeigt  ein  durchbrochenes  Ornamentstück  und  darüber  den  oberen  Teil 
einer  Sphinx  mit  emporgehobenen  Flügeln  in  barbarisierendem  Stil.  Zugrunde  liegt 
ein  altgriechischer  Typus  von  Bronzebeckenfüßen,  wo  sich  aus  der  Löwenklaue  direkt 
der  Oberteil  einer  Sphinx  oder  Gorgone  erhebt«  ^).  Gerätfüße  dieser  Art,  mit  denen  der 
Untersätze  sehr  verwandt,  vielleicht  sogar  von  solchen  stammend,  sind  in  archaischen 
Fundschichten  sehr  häufigs).  Ein  ganz  gleichartiges  Becken  stammt  aus  Pompei4). 
Also  auch  dieser  Typus  bleibt  durch  die  Jahrhunderte  lebendig. 


DREIFUSSVASEN. 

In  naher  Beziehung  zu  den  dreifüßigen  Untersätzen  auf  Löwenklauen  stehen 
die  Dreifußvasen.  Sie  sind  entstanden  durch  Zusammenwachsen  eines  solchen  Unter- 
satzes mit  einem  darauf  gestellten  Gefäß.  Dabei  ist  die  Dreifußpyxis  auf  die  Aus- 
gestaltung der  Form  nicht  ohne  Einfluß  gewesen  5).    Den  englischen  Ausgrabungen 


')  Brunn-Bruckmann,  Text  zu  Taf.  586,  587.  Abb.  6. 
Furtwängler,  Kl.  Sehr.  II,  317.  Abb.  6.  Vgl. 
Furtw.-Reichh.  89.  Richter,  Metropolitan  Mu- 
seum. Bronzes  S.  224.  Nr.  624.  Die  Darstellung 
eines  hethitischen  Siegelzylinders  (Ed.  Meyer, 
Reich  u.  Kultur  d.  Chetiter  S.  55,  Fig.  46)  be- 
weist die  Existenz  dreifülBiger  Schalen  bei  den 
Hethitern. 

')  Furtwängler  a.  a.  0. 

3)  Ein  besonders  altertümliches  Stück  aus  der 
idäischen  Zeusgrotte  auf  Kreta.  Mus.  Ital.  II, 
744.  Taf.  XII,  Fig.  17.  H.  =  0,085.  ^^^  einer 
Löwenklaue  steigt  ohne  Vermittlung  eine  Sphinx 
mit  ausgebreiteten  oben  einwärts  gebogenen 
Flügeln  auf.  Kleine  Bronzestreifen  an  Kopf  und 
Flügelenden  dienten  einst  zur  Befestigung. 
Olympia  IV,  858:  ähnliches  Stück  mit  Gorgone; 
hier  noch  einige  weitere  zitiert.  Ein  solches 
Becken  auf  der  Vase  Furtw.-Reichh.  Taf.  89 
(Beil.  Abb.  3). 

4)  Not.  d.  sc.  1908,  288,  Fig.  II.  H.  der  Füße  0,23. 
D=  0,44  m.  Schlanke  Katzenfüße,  aber  bis  zu 
den  Schenkeln  ansteigend  und  darüber  eine 
Sirene  mit  ausgebreiteten  Flügeln.  Ganz  ähn- 
liches Becken  auf  der  apulischenVase.  Mon.d.  I. 
VI/VII,  71,2,  ebenso  auf  der  Patroklosvase 
Furtw.-Reichh.  Taf.  89,  und  der  Medeavase 
in  München,  ebda.  Taf.  90. 

5)  Die  Dreifußpyxis  selbst,  welche  besonders  der 
protokorinthischen  und  korinthischen  Industrie 
Jahrbuch  des  archäolog^ischen  Instituts  XXXVI. 


angehört,  zeigt  in  ihren  ältesten  Exemplaren 
eine  auffällige  Verwandtschaft  mit  einer  Art  von 
dreifüßigen  Becken,  meist  aus  Stein,  wie  sie  an 
verschiedenen  Orten  gefunden  wurden.  Sie  ge- 
hören alle  einer  sehr  frühen  Epoche  an  und  sind 
teils  flacher,  teils  etwas  tiefer  mit  drei  breiten 
mitgearbeiteten  Füßen,  die  nach  unten  sich 
verjüngen.  Ein  schönes  Exemplar  Fouilles  de 
Delphes  V,  21,  Fig.  97  aus  Serpentin  D.  =  0,40  m. 
Ganz  ähnliche  fand  Schliemann  in  Mykenae, 
jetzt  im  Museum  zu  Athen.  Daneben  halte  man 
das  Fragment  einer  in  Gela  gefundenen  proto- 
korinthischen Pyxis  von  noch  geometrischer 
Dekoration  (Mon.  d.  Line.  XVII,  630,  Fig.  443). 
Eine  ähnliche  Form  des  Beckens,  aber  tiefer  und 
mit  mehr  rechtwinkligem  inneren  Kontur, 
Veränderungen,  welche  durch  die  Verschiedenheit 
des  Materials  zur  Genüge  erklärt  werden.  Ganz 
dieselbe  Form  des  kurzen,  nach  unten  schmäler 
und  dünner  werdenden  Beines.  Das  Ganze  er- 
scheint wie  ein  erster  Versuch  der  Übertragung 
jener  alten  Form  in  den  Ton.  Später  werden 
dann  ja  die  Füße  gleichmäßig  breit  und  dick 
und  höher,  bis  in  den  Pyxides  des  VI.  Jahr- 
hunderts ein  ästhetisch  befriedigender  Typus 
vorliegt;  die  Füße,  welche  einen  unnötigen  Auf- 
wand an  Form  bedeuten,  verschwinden  schließ- 
lich ganz.  Den  Übergang  dazu  zeigt  ein  Stück 
in  München  (Sieveking-Hackl,  Vasens.  I,  334, 
Taf.  12). 

8 


I02  K*'l  Schwenden)  ann,  Der  Dreifuß.  » 

ZU  Rhitsona  in  Böotien,  dem  alten  Mykalessos')  verdanken  wir  eine  große  Anzahl 
solcher  Gefäße.  Darunter  ist  eines  »)  (Beil.,  Abb.  4),  welches  aus  einem  tönernen  Untersatz 
mit  drei  Löwenklauen  besteht,  auf  dem  ein  rundes  im  Durchschnitt  ellipsenförmiges 
Becken  mit  stark  verengter  Mündung,  von  der  Gestalt  der  sogenannten  Kothone 
ruht.  Die  beiden  Teile  sind  fest  verbunden  3).  Formal  ist  die  Trennung  aber  deutlich. 
Ein  genau  entsprechendes  Becken  trägt  eine  Dreifußvase  imLouvre  4)  (Beil.,  Abb.  5). 
Doch  ist  hier  der  Untersatz  verschwunden;  dafür  sitzen  drei  breite  Beine  am  Rand  des 
Beckens,  mit  dem  sie  außerdem  unten  noch  durch  je  drei  gebogene  Stützen  ver- 
bunden sind.  Metallimitation  ist  deutlich.  Die  spätere  Entwicklung  hat  auch  die 
Form  des  Beckens  verändert.  Ein  Gefäß  derselben  Gattung  im  athenischen  National- 
museumS)  (Beil.,  Abb. 6)  hat  die  beiden  Formenelemente  verschmolzen.  Das  Becken  hat 
walzenförmige  Gestalt  bekommen,  mit  flachem  Boden.  Die  Ansatzstellen  der  Beine 
sind  durch  Palmetten  mit  Doppelvoluten  geschmückt.  An  Stelle  der  neun  inneren 
Verstrebungen  sind  drei  getreten,  die  etwas  über  den  unteren  Enden  der  Beine  an- 
setzen und  sich  in  der  Mitte  des  Kesselbodens  treffen  und  so  dem  Ganzen  sichersten 
Halt  und  einfachsten  Ausdruck  geben.  Die  Löwenklauen  erscheinen  wieder  an  den 
Beinen.  Die  schönste  Entwicklung  der  Dreifußvasen  macht  der  »Dreifuß  von  Tanagra« 
deutlich  ^)  (Beil. ,  Abb.  7,8).  Hier  ist  die  völlige  Verschmelzung  der  Elemente  eingetreten, 
die  einzelnen  Teile  in  ein  befriedigendes  Verhältnis  zum  Ganzen  gebracht  und  dadurch 
jeder  Eindruck  von  Schwere  vermieden.  Die  Breitenentwicklung  des  Beckens  mit  der 
Profilierung  der  Oberseite  und  de^  Deckels  tritt  in  erfreulichen  Gegensatz  zu  der 
Vertikale  der  Beine  mit  ihren  einfach  stilisierten  Löwenklauen.  Die  unteren  Stützen 
vollenden  den  Eindruck  ruhigen  und  sicheren  Stehens. 

Pernice  hat  7)  die  Meinung  ausgesprochen  »daß  die  ursprüngliche  Form  des 
Gerätes  der  kleine  Dreifuß  ist.  Sein  Oberteil  von  den  Füßen  losgelöst  und  selbständig 
gemacht,  ergibt  den  henkellosen  Kothon  mit  drei  Ansätzen;  die  gewöhnlich  Kothon  ^) 
genannte  Form  mit  dem  einen  kleinen  horizontalen  Henkel,  ist  eine  Weiterbildung 
dieses  selbständig  gewordenen  oberen  Teiles  eines  Dreifußes«.  Dagegen  ist  zunächst 
geltend  zu  machen,  daß  die  gewöhnlichen  »Kothone«  mit  einem  niederen  Fuß  und 
einem  horizontalen  Henkel  schon  in  viel  älterer  Zeit  vorkommen  als  die  Dreifußvasen  9). 
Ebenfalls  gegen  Pernice  spricht  die  Erwägung,  daß  die  Entstehung  eines  kompli- 
zierteren Gerätes  aus  einem  einfacheren  mehr  Wahrscheinlichkeit  für  sich  hat  als  das 
Umgekehrte,  wenigstens  zu  Zeiten  aufsteigender  Kultur.  Ferner  wäre  es  unerklärlich, 
daß  von  den  hunderten  bis  jetzt  bekannten»  Kothonen  «'°)  —  wurden  doch  in  Rhitsona 


')  Ann.  Brit.  Seh.  Ath.  XIV.  7)  Jahrb.  d.  Inst.  XIV  1899,  64. 

')  A.  a.  0.  Taf.  IX  i.    H  0,115.    ^-  "i^o  m.  *)  Daß  die  Bezeichnung  Kothon  für  die  ganze  Klasse 

3)  Weitere     Gefäße     derselben     Gestalt,     teilweise  dieser  Gefäße  mit  dem  stark  nach  innen  über- 
aus Metall,  Journ.  Hell.  St.  191 1,  82.    Class  G.  gebogenen  Rand  nicht  richtig  ist,  betont  Pernice 

4)  B.  C.  H.  XXII  1898,  293.    Taf.  VII.    H=o,23.  a.a.O. 

D.=  o,23  m.  9)  J.  H.  St.  1911,  82. 

5)  B.  C.  H.  a.  a.  0.  Fig.  8.  H.=  0,17.  D.  =  0,18  m,  ■»)  Zusammengestellt    und    klassifiziert    J.   H.   St. 
schwarzfigurig.  a.  a.  0. 

«)  Arch.  Ztg.  1881,  Taf.  IV.    H.  0,18.    D.  0,17  m. 
Furtwängler,  Berl.  Vasens.  1727. 


Karl  Schwendemann,  Der  Dreifuß.  iQ-i 


allein  etwa  120  gefunden  —  nur  28  Dreifußform  zeigen').  Ausschlaggebend  aber 
sind  die  Formen,  welche  das  einfache  fußlose  Gefäß  auf  dem  dreibeinigen  Untersatz 
zeigen»).  Es  trijfft  demnach  alles  zusammen,  um  die  oben  an  Beispielen  aufgezeigte 
Entwicklung  zu  bestätigen. 

Auch  der  Zweck  der  Gefäße  ist  umstritten.  Pernice  a.  a.  0.  erklärt  sie  alle  als 
Räuchergefäße  3).  Durch  die  Zusammenfassung  des  ganzen  Materials  im  J.  H.  St. 
191 1  wird  für  die  meisten  Exemplare  eine  Verwendung  als  Lampen  festgestellt,  für 
die  Dreifußvasen  wahrscheinlich  gemacht  4),  obwohl  auch  eine  Benützung  als  Räucher- 
becken durchaus  möglich  ist.  Der  tief  übergreifende  Rand  schützte  einen  Teil  der 
eingelegten  Kohlen  vor  direktem  Luftzug  und  verhinderte  dadurch  ein  zu  rasches 
Abbrennen.    Mit  dem  Deckel  konnte  die  Glut  jederzeit  erstickt  werden. 

Eine  Anzahl  Dreifußvasen  weicht  von  dem  durch  das  Exemplar  von  Tanagra 
vertretenen  Typus  ab  und  zeigt  deutliche  Anlehnung  an  die  Dreifußpyxis  5)  (Beil., 
Abb.  9).  Sie  haben  dieselben  breiten  niederen,  der  Rundung  des  Oberteils  ent- 
sprechend konvexen  Beine,  teilweise  noch  durch  untere  Verbindungen  verstärkt,  wie 
das  ja  auch  an  Pyxides  vorkommt'').  Zuweilen  sind  7)  große  einfache  Ringhenkel 
im  Ton  modelliert,  eines  der  vielen  Anzeichen  für  Nachahmung  eines  Metallvorbildes. 

DIE  STABDREIFÜSSE. 

Tektonisch  eng  verwandt  mit  den  dreibeinigen  Ringuntersätzen  sind  die  Stab- 
dreifüße in  ihrer  verschiedenen  Gestaltung.  Auch  sie  stellen  im  Prinzip  alle  einen  an 
drei  Stellen  unterstützten  Kreisring  dar. 

Die  ältesten  Exemplare,  welche  uns  auf  griechischem  Boden  begegnen,  zeigen 
schon  einen  fertigen  durchaus  charakteristischen  Typus.  Drei  Beine  tragen  einen 
hohen  Ring.  In  etwa  1/3  Höhe  der  Beine  gehen  von  ihnen  nach  beiden  Seiten  und  nach 
hinten  dünnere  Stäbe  aus.  Die  seitlichen  treffen  sich  zu  je  zweien  am  oberen  Ring 
in  der  Mitte  zwischen  den  Ansätzen  der  zwei  Beine,  von  denen  sie  ausgehen  und  ver- 
einigen sich  in  einem  Bogen.  Die  nach  hinten  abzweigenden  Stäbe  treffen  in  einem 
Ring  in  der  Mitte  des  durch  die  drei  Beine  dargestellten  Dreieckes  zusammen. 

Im  ganzen  sind  fünf  Exemplare  dieser  Gattung  bekannt: 

1.  Aus  einem  Grabe  von  Kurion  auf  Cypern,  im  Metropolitan  Museum  in  New- 
York,  abgeb.  jetzt  bei  Richter,  The  Metropolitan  Museum  of  Art:  Greek,  Etruscan 
and  Roman  Bronzes.    New- York  191 5.     S.  345  ff. 

2.  Aus  einem  Dipylongrab  zu  Athen,  abgeb.  Athen.  Mitt.  1893,  414.  Taf. 
XIV   (Beil..  Abb.    10). 

■)  Wichtig  ist  auch  die  Dreifußvase  des  athenischen  4)  Diese    dort    aufgeführt    als   Klasse   C.      S.   76. 

Nationalmuseums  Nr.  12924.    J.  H.  St.  a.a.O.  Anm.  33,  34,  35.     Die  Dekoration  ist  bei  allen 

Fig.    14,   die   nur   einen   und   zwar  horizontalen  spätkorinthisch  oder  schwarzfigurig. 

Henkel  hat;  deutlich  der  mit  drei  Beinen  ver-  5)  Z.  B.  B.  C.  H.  XXII,  300  f.  Fig.  9,  10. 

sehene  einfache  Kothon.  6)  Z.  B.  Ann.   Brit.   Seh.  Ath.  XIV,  Taf.  X  c. 

»)  Zusammengestellt  J.  H.   St.  a.a.O.     S.  82  als  7)  B.  C.  H.  XXII,  Fig.   10.     Nicole,  Vases  peints 

Klasse  G.  du    Mus^e    National    d'Athenes.        Supplement 

3)  Kuruniotis    in    der  'EtprjiJ..  ipy.  1899,  234  mach-  Taf.  V. 

te  dagegen   treffende   Einwände   geltend. 


104  Katl  Schwendemann,  Der  DreifuB. 


3.  Ein  Dreifuß  desselben  Typus  aus  Grab  3  der  geometrischen  Nekropole  von 
Knossos.  Ann.  Brit.  Seh.  Ath.  VI,  83.  B.  Schweitzer,  Untersuchungen  zur  Chrono- 
logie der  geom.  Stile  in  Griechenland  39. 

4.  Ein  kleines  Miniaturexemplar  aus  einem  Enkomigrab  (Nr.  58)  auf  Cypern, 
ganz  ähnlich  Nr.  2,  jetzt  im  British  Museum.  Jahrb.  d.  Inst.  191 1,  228.  Furtwängler, 
Kl.  Sehr.  II  301.     Schweitzer  a.  a.  O.  39. 

5.  Südöstlich  der  Burg  von  Tiryns  wurde  mit  einem  Schatzfund,  der  Gegen- 
stände aus  verschiedenen  Zeiten  enthielt,    »ein  sehr  hübscher  kleiner  Stabdreifuß 

mit  Tierköpfen  und  Bommeln  (Blüten  und  Vögelchen)  reich  verziert«  gefunden 

(Karo,  Arch.  Anz.   191 6,   145). 

Alle  diese  Exemplare  sind  aus  Bronze  und  gegossen.  Ihre  Zeit  bestimmt  sich 
durch  den  Fundort  und  außerdem  durch  stilistische  Betrachtungen. 

Nr.  I  stammt  aus  der  spätmykenischen  Nekropole  von  Kurion  ').  Nr.  2  fällt 
in  frühgeometrische  Zeit  2),  nach  Poulsen  ins  IX.  Jahrhundert  v.  Chr. 

Das  Grab,  in  welchem  Nr.  3  gefunden  wurde,  gehört  nach  Schweitzer  a.  a.  0. 
40,  ins  X.,  vielleicht  noch  ins  XL  Jahrhundert,  während  das  Enkomigrab  von  Poulsen 
auf  Grund  der  syrisch-het  itisch  beeinflußten  Elfenbeinfunde  etwas  vor  das  Jahr 
1000  v.  Chr.  gesetzt  wird.    (Jahrb.  d.  Inst.  XXVI  1911,  231.) 

Dazu  kommen  stilistische  Momente.  Der  obere  Ring  von  Nr.  i  zeigt  im  Relief 
den  mykenischen  »Galop  volant«,  rennende  Steinböcke  und  verfolgende  Löwen  3). 
Das  Exemplar  vom  Dipylon  hat  an  derselben  Stelle  eine  Reihung  von  Brillcnspiralen, 
auch  ein  mykenisches  Element  und  bei  den  ältesten  Kcsseldreifüßen  von  Olympia 
noch  vorkommend  (s.  unten  S.  122).  Dasselbe  gilt  für  das  Strickornament,  welches 
bei  I  und  2  die  Vorderseite  der  Beine  schmückt  4). 

Zwei  eng  mit  unseren  Dreifüßen  verwandte  Bronzegeräte  von  Cypern  gehören 
stilistisch  ebenfalls  in  spätmykenische  Zeit  5).  Ihr  ringförmiger  Aufsatz  trägt  dasselbe 
Spiralmotiv  k  jour  wie  unser  Dreifuß  Nr.  2.  Ebenso  findet  sich  eine  reichliche  Ver- 
wendung des  Strickornaments.  Die  Ansatzstellen  der  Beine  haben  an  unseren  Drei- 
füßen die  Gestalt  einer  jonischen  Volute,  welche  zwischen  Horizontale  und  Vertikale 
vermittelt.  An  der  entsprechenden  Stelle  der  kyprischen  Kesselwagen  erscheint 
dasselbe  Motiv  ^).  Die  Gruppe  dieser  Dreifüße  gehört  nach  den  Fundumständen 
in  die  spätmykenische  bezw.  die  von  Schweitzer  in  die  Zeit  vom  XII.  bis  X.  Jahrhun- 


')  Poulsen,  Jahrb.  d.  Inst.  XXVI  1911,  234.    Furt-  10,  Fig.  18.   Vergl.  auch  Karo,  Arch.  f.  Rel.  VIII 

wängler,  Kl.  Sehr.  II  513.  Beiheft,  62.   Taf.  i.   Wie  ein  später  Abkömmling 

*)  Furtwängler  a.  a.  0.  dieser    Kesselwagen    erscheint    ein    Bronzegerät 

3)  Furtwängler  a.  a.  0.  Schöne  Parallele  bei  Richter,  im  Museum  zu  Kairo.  Muse^  du  Caire.  Edgar, 
Metropolitan  Museum,  Bronzes  S.  223.  Rand  The  Bronzes  Nr.  27  904,  PI.  XIX  3.  Arch.  Anz. 
eines   Beckens   mit   Relief.      Löwen,  Eber  und  J903,   147,   Fig.   3  d. 

Stiere   verfolgend.       Bronze.       Spätmykenisch.       '')  Auch   sonst   ist   es   in   mykenischer   Zeit   anzu- 

4)  Über  die  Chronologie  dieser  Dreifüße  neuerdings  treffen.  So  besteht  eine  Halskette  aus  Palaikastro 
ausführlich  Karo,  Ath.  Mitt.  XXXXV1920,  I28ff.  (Ann.  Br.  Seh.  Ath.  IX,  PI.  XIII  74)  aus  einer 
Nach  Abschluß  dieser  Arbeit  erschienen.  Reihe  von  Paaren  solcher  Glieder,  die  mit  den 

!)  Furtwängler,  Kl.  Sehr.  II  298  ff.     Abgeb.  auch  Voluten  nach  außen  schauen  und  mit  dem  Rücken 

bei  Murray- Smith-Walters,  Excavations  in  Cyprus  aneinander  haften. 


Karl   Schwendemann,  Der  Dreifuß. 


105 


dert  gesetzte  Epoche  des  protogeometrischen  Stils,  in  dessen  Verlauf  die  anfänglich 
noch  starken  spätmykenischen  Einflüsse  allmählich  absterben.  Daß  die  Dreifüße  in 
ihrer  Dekoration  noch  ganz  spätmykenisch  sind,  beweist  nur,  daß  in  dieser  protogeo- 
metrischen Epoche  das  Kunsthandwerk  die  mykenische  Tradition  länger  festhielt  als 
die  Töpferei.  Man  darf  auch  nicht  vergessen,  daß  die  Dreifüße,  von  denen  zwei  in 
Cypern  selbst  gefunden  sind,  und  die  in  den  Kesselwagen  vonCypern  die  allernächsten 
stilistischen  und  technischen  Parallelen  haben,  wohl  dem  kyprischen  Kulturkreis  ent- 
stammen, in  dem,  wie  überhaupt  im  ganzen  Osten  und  Südosten  das  geometrische 
Element  langsamer  vordringt  wie  im  Westen,  eine  erklärliche  Tatsache,  da  der  geo- 
metrische Stil  der  Ausdruck  des  griechischen  Formwillens  ist.  Aber  dieser  Stab- 
dreifußtypus hat  sich  auch  weiterhin  gehalten.  Er  ist  aus  geometrischer  Zeit  zwar 
nicht  durch  erhaltene  Exemplare,  wohl  aber  mehrfach  durch  Nachbildungen  aus 
Ton  bezeugt  ('EttTjfi.  dpx.   1898  Taf.  IV,  3.    Ath.  Mitt.  1918,  52.    Taf.  I,  5;  65.    Taf. 

IV  3). 

Mit  diesen  Tonnachbildungen  finden  wir  einen  wenn  auch  nicht  sehr  engen 
zeitlichen  Anschluß  an  den  archaischen  Stabdreifußtypus,  der  dann  der  Ausgangs- 
punkt für  eine  lange  und  glänzende  Entwicklung  geworden  ist,  ebenso  gut  wie  an 
den  in  den  archaischen  Fundschichten  Italiens  des  VIII.  bis  VI.  Jahrhunderts 
häufigen  Typus  des  aus  Bronzeblech  verfertigten  dreibeinigen  Untersatzes,  ein 
Anschluß,  der  typengeschichtlich  deutlich  in  die  Augen  springt.  Karo  (Ath.  Mitt. 
XXXXV  1920,  I33f.)  weist  nachdrücklich  auf  die  Lücke  zwischen  diesen  spät- 
mykenisch-protogeometrischen  und  den  späteren  archaischen  Stabdreifüßen  hin. 
Immerhin  haben  wir  die  genannten  geometrischen  Tonnachbildungen,  die  mindestens 
das  Weiterleben  der  Form  beweisen. 

Der  archaische  Stabdreifuß  besteht  in  seinen  älteren  und  einfacheren  Exemplaren 
wie  dem  von  La  Garenne  (Olympia  IV,  S.  115  (Beil.,  Abb.  II).  Savignoni,  Mon.  d. 
Line.  VII,  314,  fig.  10.  Vgl.  auch  Fouilles  de  Delphes  V  68  ff.)  aus  einem  oberen  Eisen- 
ring, der  auf  drei  Eisenstäben  steht,  mit  denen  er  durch  ein  bronzenes  Verbindungs- 
stück befestigt  ist.  Die  Eisenstäbe  stecken  unten  in  Löwenklauen  aus  Bronze.  In 
jede  der  drei  so  gebildeten  Seiten  des  Dreifußes  ist  ein  parabelförmiger  Eisenbogen 
eingespannt,  der  mit  den  unteren  Enden  in  den  Löwenklauen  steckt  und  mit  dem 
Scheitelbogen  durch  Bronzebänder  unfer  dem  oberen  Ring  festsitzt.  Von  den  Löwen- 
klauen horizontal  nach  innen  laufende  gebogene  Eisenstäbe  halten  mit  Hilfe  von 
Bronzeverschnürungen  einen    unteren  kleinen  Ring. 

Das  Gerät  entspricht  also  im  Typus  ganz  dem  spätmykenisch-protogeometri- 
schen  gegossenen  Bronzedreifuß.  Alle  Verschiedenheiten  erklären  sich  ausschließlich 
durch   die   Technik. 

Dieser  einfache  Typus  belebt  sich  dann  im  Laufe  des  VI.  Jahrhunderts  und 
verändert  gleichzeitig  seine  Form.  Während  das  Exemplar  von  La  Garenne,  ebenso 
wie  das  mit  dem  Bronzewagen  von  Monteleone  zusammen  gefundene  (Furtwängler, 
Kl.  Sehr.  II,  317  (Beil.,  Abb.  12);  Text  zu  Brunn-Bruckmann  Taf.  586/87),  mit  seinem 
spätmykenischen  Ahnen  noch  gemein  hat,  daß  die  senkrechten  mittleren  Beinstützen 
die  Hauptlast  tragen,  eine  Ursprünglichkeit,  die  auch  das  Exemplar  von  Palestrina 


jq5  Karl  Schwendemann,  Der  DreifuB. 

(Savignoni  a.  a.  0.  312  fig.  9)  beibehält,  ist  diese  Funktion  beim  Dreifuß  von  Meta- 
pont  (Savignoni  a.  a. O.Taf.  VIII)  (Beil.,  Abb.  13)  auf  den  ursprünglich  als  Beistütze 
entstandenen  Bogen  der  Beinseitenteile  übergegangen,  währen  die  bisherigen  Haupt- 
stützen, in  Palmetten  endigend,  den  oberen  Ring  nur  noch  berühren.  Die  Vulcenter 
Stabdreifüße  (Savignoni  a.  a.  O.  Taf.  IX,  Mon.  d.  Inst.  II  Taf.  42  u.  a.)  (Beil., 
Abb.  14)  verlieren  dann  den  oberen  Ring  vollständig.  Die  Beine  sind  mit  dem 
Kessel  fest  verbunden.     Außerdem  sind  diese  Exemplare  ganz  in  Bronze  gegossen. 

Die  Ausbildung  des  Typus  bis  zu  seiner  reichsten  Gestaltung  ist  nicht  den 
Etruskern  sondern  den  Griechen  zu  verdanken  (Savignoni  a.  a.  O.  304,  369  ff.). 
Das  Stück  aus  Metapont  bezeichnete  schon  Furtwängler  als  »vorzügliche,  echt  grie- 
chische Arbeit«  (Olympia  IV,  S.  127). 

Allmählich  wurde  der  Stabdreifuß  seiner  ursprünglichen  Bedeutung  als  Kessel- 
untersatz entfremdet.  Noch  das  Exemplar  von  Metapont  und  das  ihm  nahe  ver- 
wandte von  Capua  (Rom.  Mitt.  1897,  114)  dienten  dem  ursprünglichen  Zweck.  Die 
Vulcenter  trugen  dagegen  Kohlenbecken  (Savignoni  S.  302).  Bei  dem  Exemplar 
von  Dürkheim  war  dasselbe  noch  erhalten  (Berthold- Sprater,  Führer  durch  das 
Museum  von   Speyer). 

Mit  den  Vulcenter  Dreifüßen  ist  die  Entwicklung  des  Stabdreifußes  in  dieser 
Linie  abgeschlossen.  Sie  geht  nicht  über  das  V.  Jahrhundert  hinab,  dem  die  jüngsten 
Exemplare  angehören '). 

Ebenso  wie  der  archaische  Stabdreifuß  geht  auch  der  altitalische  Blechdrei- 
fuß auf  den  spätmykenisch-protogeometrischen  Typus  zurück.  Eine  einfache 
Gegenüberstellung  der  Typen  ist  beweisend  (z.  B.  Savignoni,  Mon.  d.  Line.  VII,  318, 
fig.  12,  13)*)  (Beil.,  Abb.  10  u.  15).  Der  einzige  wesentliche  formale  Unterschied 
besteht  in  der  Biegung  der  Beine  bei  den  Blechdreifüßen  und  der  Verschiedenheit  von 
deren  Konstruktion.  Ihre  Seitenstützen  vereinigen  sich  nicht  zu  Bogen  wie  an  den 
gegossenen  und  geschmiedeten  Stabdreifüßen;  das  war  technisch  unmöglich.  Die 
Biegung  der  Beine  erklärt  sich  bei  deren  starker  Spreizung -ebenfalls  technisch:  Sie 
war  nötig  um  die  an  den  oberen  Ring  genieteten  Beine  dort  glatt  aufzulegen.  Die 
Biegung  durch  Nachahmung  der  Form  des  Menschenbeines  zu  erklären  (Petersen, 
Rom.  Mitt.  1897,  8  ff.)  geht  nicht  an.  Wenn  der  Dreifuß  von  Lucera  (Petersen 
%.  a.  0.  4  Fig.  I )  diese  Eigentümlichkeit  aufweist,  so  folgt  er  eben  einem  damals 
bei  reicheren  Gestaltungen  üblichen  Gebrauchs).  Aber  die  ursprüngliche  Form  ist 
das  nicht  4). 

•)  Ob  wir  bei  den  auf  den  Totenmahlreliefs  öfter  Verzierung     »mit     Tierköpfen     und     Bommeln 

vorkommenden    Kesseluntersätzen   (Z.    B.    Svo-  (Blüten  u.  Vögelchen)«. 

ronos,  Ath.  Nat.  Mus.  Taf.  94,  151,  152,  177,  187)       3)  Menschenbeine  sind  in  archaischer  Zeit  in  Italien 

an    einen    ähnlichen    Typus    zu   denken    haben,  recht  häufig   zu   Gerätfüßen   verwandt   worden, 

ist  nicht  klar,  da  der  obere  Teil  des  Geräts  stets  An  Vasen:  Rom.  Mitt.  1908,  Beilage  III.  Pottier, 

mit  einem  Tuch  überdeckt  ist.  Vases  du  Louvre  D  23.     Gardner,   Greek  Vases 

')  Der  von  Karo  (Arch.Anz.  1916,  146;  Nr.  5  unserer  Cambridge,  229.    PI.  XXXV  S.  76.    M.  Mayer, 

obigen  Reihe)  beschriebene  Stabdreifuß  hat  als  Apulien  Taf.   11,  Fig.  4.     Dazu  die  Belege  bei 

erstes   frühgriechisches   Exemplar   auch   die   bei  Petersen  a.  a.  O.  S.  10.    Ferner  an  verschiedenen 

den  italischen  Blechdreifüßen  öfter  vorkommende  altitalischen  Kesseldreifüßen,  die  aber  mit  dem 


Karl  Schwendemann,  Der  Dreifuß. 


107 


DIE   KLAPPDREIFÜSSE. 

Schon  in  früharchaischerZeit  (Beil.,  Abb.  16)  (Graef,  Akropolisvasen654a,  Sieve- 
king-Hackl,  Münchner  Vasensammlung  Nr.  900  Taf.  40)  kommt  ein  Stabdreifuß 
als  Kesselträger  vor  '),  der  Querverstrebungen  vom  unteren  nach  dem  oberen  Bein- 
ende aufweist,  eine  Konstruktion,  die  ähnlich  auch  ein  rotfiguriges  Gefäß  des  fünften 
Jahrhunderts  (Furtwängler-Reichhold  Taf.  116)  zeigt,  und  die  uns  durch  ein  kleines 
Exemplar  aus  der  Isisgrotte  in  Vulci  auch  direkt  überliefert  ist  (Mon.  d.  Line.  VII, 
310  fig.   7). 

Wird  nun  der  eine  Endpunkt  der  Diagonalstäbe  mit  den  senkrechten  Stäben 
durch  ein  Scharnier  verbunden,  die  Kreuzpunkte  der  Querstäbe  beweglich  und  die 
Verbindung  ihres  andern  Endpunktes  mit  den  Hauptstäben  in  der  Vertikale  ver- 
schiebbar, so  haben  wir  den  Klappdreifuß. 

Gestelle  dieser  Art  oder  Reste  von  ihnen  sind  aus  dem  Altertum  in  ziemlicher 
Anzahl  erhalten.  Die  mir  bekannten  werden  hier  aufgeführt.  I.  Im  Konservatoren- 
palast zu  Rom  Nr.  514.    InstitutsphotographieVID22.  2.  Im  Kapitolinischen  Museum. 


eben  in  Frage  kommenden  Typus  nichts  zu  tun 
haben.  St.  e  Mat.  II,  221.  Nr.  376  f.  aus  Vetu- 
lonia. 

4)  Nach  dem  Gesagten  wäre  die  von  Petersen 
(Rom.  Mitt.  XII,  1897,  6  ff.)  aufgestellte  Reihe 
der  Stabdreifüße  zu  ändern.  An  erster  Stelle 
haben  die  mykenischen  zu  stehen,  bei  Petersen 
C  I,  2.  Dann  spaltet  sich  die  Reihe;  die  eine  Seite 
ist  die  der  Blechdreifüße,  bei  Petersen  A  i  bis 
A  a  4,  wobei  aber  das  Stück  von  Kurion  nicht 
die  erste  Stelle  annehmen  darf  (s.  0.);  die  andere 
Seite  beginnt  mit  den  Fragmenten  von  Olympia 
IV  823  ff.,  dann  die  Serien  E  bis  H  bei  Petersen. 
Dabei  kann  über  Anordnung  der  einzelnen  Stücke 
in  den  Serien  natürlich  gestritten  werden.  Zu 
der  Reihe  E  bis  H  kommt  ein  neues  Exemplar, 
das  zusammen  mit  dem  Bronzewagen  voff  Mon- 
teleone  gefunden  wurde,  abgeb.  bei  Furtwängler 
im  Text  zu  Brunn-Bruckmann  Taf.  586,  587. 
Kl.  Sehr.  II  316.  Es  hat  verschiedene  Eigen- 
tümlichkeiten; der  untere  Ring  steht  in  halber 
Höhe  des  Gerätes  (vgl.  Savignoni  Fig.  11); 
ferner  ist  die  dreispitzige  Lilienblüte  an  ihm 
mehrfach  zum  Schmuck  verwandt,  an  den  drei 
Verbindungspunkten  des  unteren  Rings  mit 
seinen  Trägern,  aufwärts  stehend,  nach  unten 
gerichtet  an  den  drei  Bogen. 

')  Stilistisch,  nicht  typengeschichtlich  gehören  noch 
zu  den  archaisch-griechischen  Stabdreifüßen 
die  im  Amer.  J.  of  Arch.  2.  S.  XII  1908,  287  ff. 
Taf.  VIII— XVIII  veröffentlichten  drei  Stücke. 
Es  sind  dreiseitige  Untersätze,  auf  Löwenklauen 


ruhend,  oben  abschließend  mit  einem  runden 
mehrfach  profilierten  Glied,  aus  dem  ein  stili- 
sierter großer  Blattkelch  sich  erhebt,  auf  welchem 
der  Kessel  ruht.  Die  drei  Seiten  sind  bis  herab 
auf  die  Löwenklauen  mit  Bronzeblech  über- 
kleidet und  zeigen,  in  mehreren  Streifen  über- 
einander, Kämpfergruppen,  Szenen  aus  der 
Mythologie  und  Tiere  im  Wappenschema.  Die 
Reliefs  sind  sehr  lebendig  und  frisch  modelliert, 
im  Stil  mit  denen  des  Bronzewagens  von  Mon- 
teleone  eng  verwandt  und  wohl  griechische 
Arbeit,  vielleicht  in  Etrurien  selbst  gemacht. 
Die  Form  dieser  Untersätze,  welche  wie  eine 
Kombination  des  Stabdreifußes  und  des  runden 
reUefgeschmückten  Untersatzes  aussieht,  ist  die 
eines  Fußstückes  eines  Kandelabers.  Die  Größe 
beträgt  mit  den  zusammengefundenen  Kesseln 
0,89 — 1,378  m.  Zu  demselben  Typus  gehört 
das  schöne  Bronzeblech  Olympia  IV  Taf.  38. 
Nr.  696.  S.  100.  H.  =  0,86  untere  Breite  0,35, 
obere  0,25.  Diese  dreiseitigen  Untersätze  sind 
der  Ausgangspunkt  für  die  späteren  Marmor- 
kandelaber geworden  (Hauser,  Neuattische  Re- 
liefs S.  123  ff.).  Nahe  verwandt  mit  ihnen  sind 
Stücke  wie  der  altjonische  Bronzekandelaber 
des  römisch-germanischen  Zentralmuseums  zu 
Mainz  (Behn,  Mainzer  Zts.  1911,  Taf.  i,  S.  4  ff. 
v.  Duhn,  Verzeichnis  der  Abgüsse  nach  ant. 
Bildw.  im  arch.  Inst.  d.  Univ.  Heidelberg  Nr. 
425  B.).  Das  Mainzer  Stück  hängt  stilistisch 
wieder  mit  den  Stabdreifüßen  aufs  engste  zu- 
sammen  (Behn   a.  a.  0.). 


I08  Karl  Schwendemann,  Der  Dreifuß. 


Bottari,  Museo  Capitolino  II  Taf.  C  S.  212.  3.  Aus  Xanten,  Houben  und  Fiedler,  Denk- 
mäler von  Castra  vetera  Taf.  XII  (Beil.,  Abb.  17).  4.  ImKairener  Museum,  Catalogue 
gönöral  des  antiquitfe  Egyptiennes  du  mus^e  du  Caire  Vol.  XIX  1905.  Edgar,  Greek 
Bronzes.  Nr.  27817,  H.  =  o,97m,  Nr.  27  8l8H.=  0,94m.  5.  Im  Museo  nazionale  in 
Neapel.  Museo  Borbonico  V  60  (Beil.,  Abb.  18).  6.  Aus  Pompeji,  Not.  d.  sc.  1899, 
442 .  7.  Im  Museum  zu  Turin  aus  Industria.  Atti  della  societä  di  archeologia  e 
belle  arti  per  la  provincia  di  Torino  III  1880,  Taf.  XVI.  H.  =  0,98.  8.  Im  Hildes- 
heimer  Silberfund.  Pernice- Winter,  Der  Hildesheimer  Silberfund  Taf.  XXVII 
S.  54  ff.  H.  =0,70.     [Zwei  vollständige  Exemplare  auch    im  Arch.  Mus.  zu  Lüttich.] 

Dazu  kommen  viele  Fragmente.  Ein  vollständiges  Bein:  Fröhner,  Bronzes 
de  la  CoUection  Gr6au  Nr.  327,  Taf.  LIX.  H.  =  0,595.  Die  Beine  dieser  Gestelle  endigen 
oben  meist  mit  einer  Büste.  Solche  finden  sich  in  den  Bronzensammlungen  häufig. 
Arch.  Ztg.  1883,  178.  Babelon-Blanchet,  Catalogue  des  bronzes  antiques  de  la  bib- 
lioth^que  nationale  486,  487.  Schumacher,  Bronzen  in  Karlsruhe  417  u.  418,  Taf. 
VII8.V.  Sacken,  Die  antiken  Bronzen  inWienS.7,  Taf.  XXIX3.  Edgar  a.a.O.  Taf.  VII 
Nr.  27  819  —  27.  Perdrizet,  Bronzes  grecques  d'Egypte  de  la  collection  Fouquet  S.  15 
Nr.  13  PI.  X.  Lindenschmidt,  Altertümer  unserer  heidnischen  Vorzeit  IV,  Taf.  64, 
3  —  5.  M.  Bieber,  Die  antiken  Skulpturen  und  Bronzen  des  königlichen  Museum 
Fridericianum  in  Cassel  191 5.  Nr.  297,  298.  Taf.  XLVIII.  Die  Gußform  für  eine  solche 
Büste:  Catalogue  genöral  du  Mus^e  du  Caire  VIII  Edgar,  Greek  Moulds  Nr.  32  232 
Taf.  XVI.  Stücke  aus  Bulgarien  befinden  sich  im  Nationalmuseum  in  Sofia.  Arch. 
Anz.  191 5,  232.  Abb.  8,  9.  Weitere  Exemplare  notierte  ich  im  Museum  zu  Leiden. 
Untere  Endigungen  von  Füßen:  Edgar  27  830,  27  832  PI.  XVI. 

Die  angeführten  Exemplare  und  Reste  zusammenklappbarer  Stabgestelle  ge- 
hören, wie  es  scheint,  alle  der  hellenistischen  und  römischen  Zeit  an.  Aber  es  läßt 
sich  an  ihnen  eine  Entwicklung  aufzeigen.  Dem  ursprünglichen  Typus  am  nächsten 
steht  I').  Die  Beine  sind  von  einfach-rechteckigem  Durchschnitt,  unten  um- 
gebogen, ohne  jede  Verzierung.  Die  Diagonalverstrebungen  sind  an  deren  oberen 
Ende  beweglich  an  scheibenförmigen  Zapfen  befestigt,  die  etwas  schief  nach  außen 
gestellt  sind,  entsprechend  dem  Winkel  des  durch  die  drei  Beine  bezeichneten 
Dreieckes.  Am  Kreuzungspunkte  sind  die  Querstäbe  durch  einen  Stift  mit 
großem  Kopf  beweglich  verbunden.  Die  Verbindung  von  Querstäben  und  Beinen 
unten  geschieht  durch  ein  eigenes  Glied.  Um  das  Bein  ist  ein  Bronzeband  gelegt, 
dessen  beide  Enden  nach  hinten  schauen  und  durch  Stifte  mit  den  entsprechenden 
Querstäben  verbunden  sind.  So  ist  ein  Zusammenklappen  möglich  und  das  Gerät 
kann  weiter  oder  enger  gestellt  werden,  je  nach  dem  Zweck,  dem  es  dienen  soll.  Zu- 
gleich ist  aber  eine  Vorrichtung  vorhanden,  um  es  höher  oder  niederer  zu  machen. 
Auf  das  eigentliche  Bein  ist  in  seiner  oberen  Hälfte  ein  zweiter  kürzerer  Bronzestab 
derselben  Form  gelegt,  der  an  seinem  unteren  Ende  mit  einem  Bügel  um  das  Bein 
herumgreift,  während  dieses  an  seinem  oberen  Ende  in  gleicher  Weise  den  aufgelegten 

')  Damit   soll   aber    keineswegs    gesagt    sein,    daß  hier  wie  immer:  Einfachere  Formen  leben  neben 

das  Stück  zu  den  älteren  gehört,  sondern  es  ist  den  reicheren  fort. 


Karl  Schwendemann,  Der  DreifuB.  iqq 


Stab  umfaßt.  Beide  Teile  sind  also  beweglich  verbunden  und  können  auseinander 
oder  zusammengeschoben  werden,  etwa  wie  das  Stativ  eines  photographischen  Appa- 
rats. Damit  das  höhergestellte  Gerät  nicht  wieder  zusammensinkt  ist  das  eigentliche 
Bein  in  seiner  oberen  Hälfte  in  gleichem  Abstand  dreimal  durchbohrt,  während  an 
seinem  beweglichen  Teil  durch  ein  Kettchen  ein  kleiner  Stift  befestigt  ist,  der,  wenn 
das  Gerät  höher  gezogen  ist,  in  das  entsprechende  Loch  gesteckt,  das  Ganze  in  der 
gewünschten  Höhe  erhält.  Das  Gestell  kann  so  um  mehr  als  1/3  erhöht  werden.  Das 
Bein  endigt  oben  in  ein  durchbrochenes  ornamentales  Stück,  das  wohl  auch  als  Hand- 
habe gedient  hat.  An  seinem  Ansatz  ist  ein  aufwärts  gebogener  Haken  sichtbar. 
In  diese  Haken  sind  die  Ringhenkel  eines  halbkugelförmigen  Kessels  gehenkt. 

Eng  verwandt  mit  diesem  Exemplar  ist  das  in  Xanten,  Nr.  3  unserer  Reihe. 
Derselbe  Mechanismus  zum  Weiter-  und  offenbar  auch  zum  Höherstellen,  nur  scheinen 
Stift  und  entsprechende  Löcher  zu  fehlen.  Die  Beine  endigen  jeweils  in  einen  plumpen 
Menschenfuß,  der  von  einem  nach  unten  schauenden  roh  stilisierten  Blattkelch 
ausgeht,  oben  in  eine  männliche  Büste  mit  phrygischer  Mütze.  An  ihrem 
Ansatz  wieder  der  Haken.  Die  zwei  Exemplare  aus  dem  Kairener  Museum 
(Nr.  4)  haben  denselben  Mechanismus  zum  Weiterstellen  und  sind  auch  zusammen- 
geklappt und  durch  den  Rost  unbrauchbar  geworden  gefunden.  Es  fehlt  aber  wie 
allen  folgenden  Stücken  eine  Einrichtung  zum  Höherstellen.  Ein  kleiner  Unterschied 
besteht  darin,  daß  die  vertikal  bewegliche  Befestigung  von  Querstäben  und  Beinen 
hier  oben  und  die  Scharniere  unten  sind.  Das  Stabwerk  ist  rechteckig,  auf  der 
Vorderseite  mit  Rundstäben  geschmückt,  während  die  großen  Köpfe  der  Nieten  mit 
konzentrischen  Kreisen  ornamentiert  sind.  Die  Beine  stehen  unten  ohne  besonders 
gebildeten  Fuß  auf.  Die  bekrönenden  Hermenbüsten  sind  abgebrochen  bei  27  817, 
bei  27  818  ist  noch  eine  erhalten.  Die  Büsten  sind  stets  getrennt  gearbeitet  und  ver- 
mittelst eines  auf  ihrer  Unterseite  befindlichen  Loches   auf   die    Stäbe    gezapft  '). 

Völlig  verschieden  von  den  behandelten  Stücken  erscheint  auf  den  ersten 
Blick  der  Bronzedreifuß  von  Industria  (Nr.  7).  Der  ganze  Aufbau  ist  mit  reichem 
figürlichem  und  ornamentalem  Schmuck  ausgestattet.  Die  Beine  zeigen  in  der 
Mitte  eine  starke  Schweifung  nach  außen.  Als  Fuß  ist  eine  Löwenklaue  auf  kleiner 
runder  Basis  angesetzt,  oben  in  eiVien  Blattkelch  endigend,  aus  dem  ein  na  kter 
bärtiger,  glatzköpfiger  Alter,  von  der  Mitte  der  Oberschenkel  sichtbar,  aufsteigt. 
Die  Hände  stützt  er  auf  die  beiden  seitlichen  volutenartig  sich  ausbreitenden  Blätter 
des  Kelches.  An  der  Schulter  des  Alten  und  dem  hinteren  Kelchblatt  ist  der  Vertikal- 
stab angegossen.  Er  steigt  zunächst  mit  leichter  Krümmung  einwärts  empor,  bis  zu 
etwa  1/3  seiner  Höhe,  um  dann  mit  starkem  Schwung  nach  außen  und  wieder  zurück- 
zubiegen und  gerade  nach  oben  auszulaufen.  Der  unterste  Teil  bis  zu  dem  Bogen 
erscheint  von  vorn  zweigeteilt,  wie  zwei  neben  einander  verlaufende  Rundstäbc. 
Über  das  Bogenstück  ist  ein  Blattmotiv  gebreitet,  das  sich  nach  oben  kelchartig 
ausweitet  und  einer  nach  außen  blickenden  geflügelten  Sphinx,  deren  Arme  bis  auf 

')  Nur  bei  dem  Exemplar  von  Xanten  sind   Stab  berührt    sich    ein    vierbeiniger    Klapptisch    aus 

und  Büste  an  einem  Stück.     Mit  diesem  Stück  Pompei  (Mus.  Borb.  XV  6). 


1 1 0  Karl  Schwendemann,  Der  Dreifuß. 


die  Löwenklauen  menschlich  gebildet  sind,  Platz  zum  Sitzen  gewährt.  In  der  Scheitel- 
höhe der  Sphinx  setzt  das  Bein  mit  einem  Rundstab  ab,  über  dem  ein  einfacher  drei- 
blätteriger Kelch  erscheint,  dessen  breites  vorderes  Blatt  einer  auf  der  Kugel  schwe- 
benden Nike  als  Stütze  dient.  Sie  ist  in  einen  dorischen  Chiton  gekleidet  und  faßt 
mit  beiden  Händen  den  wallenden  Peplos.  Das  über  sie  hinausragende  kurze  Stück 
des  Beines  schließt  oben  mit  horizontaler  Profilierung,  auf  der  eine  Dionysosherme 
mit  Blumen  im  Haar  sitzt.     Im  Rücken  des  Dionysos  wieder  der  Haken. 

Die  figürlichen  und  ornamentalen  Teile,  wie  es  scheint,  auch  die  Dionysosherme, 
sind  alle  mit  dem  Stab  gegossen.  Der  Stil  der  Figuren  ist  grob,  unklar  und  schematisch, 
der  Ausdruck  stumpf.  Das  fällt  besonders  bei  der  Nike  auf,  aus  der  alles  Leben  des 
Originals  bis  auf  weniges  in  den  größten  Gewandfaltenzügen  verschwunden  ist.  Ihr 
Gesicht  ist  ohne  jede  feinere  Modellierung.  Die  Haarbehandlung  ist  bei  allen  Figuren 
unklar.  Zu  der  Betrachtung  des  Einzelnen  kann  das  Urteil  über  den  Gesamtaufbau 
nur  bestätigend  hinzukommen.  Das  Motiv  des  Alten,  der  sich  mit  beiden  Händen 
fest  auf  seinen  Blattkelch  stützt,  ist  noch  das  Beste.  Aber  die  Sphinx  und  die  Nike 
sind  mit  dem  Aufbau  des  Gerätes  nicht  im  geringsten  organisch  verbunden,  einfach 
von  außen  angeklebte  Zutaten.  Stellt  man  sich  auf  dem  Gerät  einen  Kessel  vor,  so 
muß  man  das  Motiv  der  leicht  schwebenden  Nike  an  einem  zum  Tragen  bestimmten 
Teil  um  so  unangenehmer  empfinden.  Wie  ganz  anders  hat  es  da  der  Künstler  des 
»Dreifußes  aus  dem  Isistempel«  oder  des  ähnlichen  Exemplars  im  British  Museum 
verstanden,  die  zum  Aufbau  verwandten  Figuren  einzugliedern. 

Schlicht  erscheint  neben  dem  Stück  von  Industria  eines  aus  Pompei  (Nr.  6). 
Vollständig  erhalten  sind  nur  die  drei  Beine,  von  den  Verbindungsstäben  nur  einige 
Stücke.  Es  gehört  formengeschichtlich  eigentlich  nicht  hierher.  Denn  die  Form  des 
Beines  hat  mit  den  Stabdreifüßen  nichts  zu  tun,  sondern  gehört  den  Tischdreifüßen 
mit  Tierbeinen  (s.  u.)  an.  Aber  der  Gesamttypus  des  Gerätes  ist  der  eben  hier  be- 
handelte. Auch  der  Dreifuß  von  Industria  ist  offenbar  von  der  Tierbeinform  beein- 
flußt; wenigstens  ist  die  Biegung  in  der  Mitte  kaum  anders  zu  erklären.  Aber  die 
Typen  mischen  sich  eben,  und  es  kann  ohne  Inkonsequenzen  nicht  abgehen. 

Unser  Stück  gehört  bereits  zur  zweiten  Serie  der  Klappdreifüße.  Bei  diesem 
läuft  der  Rückseite  des  unteren  Teiles  jedes  Beines  ein  dünner  runder  Stab  parallel, 
der  mit  seinen  umgebogenen  Enden  befestigt  ist.  In  ihm  waren,  wie  vollständige 
Ekemplare  zeigen,  die  Querstäbe  mit  einem  Ring  befestigt,  und  er  diente  also  beim 
Zusammenklappen  des  Gerätes  als  Leitschiene. 

Das  Bein  selbst  ist  einfach  gebildet.  Ein  Hundebein  mit  Klaue  und  darauf  der 
Kopf  einer  Hündin.  Diese  trägt  ein  Halsband  und  sogar  die  Warzen  sind  angegeben. 
Im  Nacken  sitzt  ein  Ring  für  die  Querstäbe.  Auf  dem  Kopf  erhebt  sich  ein  kurzer 
Stab,  in  den  oben  die  Tischplatte  eingezapft  war,  wie  nach  Analogie  zahlreicher 
Tischfüße  anzunehmen  ist  (s.  u.).  Das  Material  ist  Bronze  mit  Spuren  von  Silber- 
einlagen ^). 

')  Das  Becken,  welches  jetzt  auf  dem  Gestell  ruht  zierliche   Gestell   viel    zu   schwer.      Dieses   wird 

ist  schwerlich  zugehörig,   sowenig  wie   das   auf  vielmehr  eine  runde  Tischplatte  getragen  haben. 


dem  Dreifui3  aus  dem  Isistempel.    Es  ist  für  das 


Karl  Schwendemann,  Der  Dreifuß.  III 

Die  beiden  letzten  Exemplare  unserer  Reihe  zeigen  den  gleichen  Mechanismus. 
Zunächst  Nr.  5.  Unten  eine  schlanke  Hundepfote,  darüber  in  zwei  Teile  gegliedert 
das  hohe  Mittelstück,  dann  Kopf  und  Hals  einer  Uräusschlange  mit  dreistufigem 
Lotoskelch  und  Knospe.  Das  Mittelstück  des  Beines  besteht  aus  zwei  Teilen,  von 
denen  das  obere  die  etwas  kräftigere  Wiederholung  des  unteren  darstellt.  Sie  sind 
vieleckig  gebildet  und  in  der  Mitte  sowie  an  den  Enden  durch  ein  breites  spitzzu- 
laufendes Blatt  geschmückt.  Das  Ganze  macht  einen  graziösen  und  ruhigen  Eindruck, 
der  nicht  zum  wenigsten  auf  den  Proportionen  der  einzelnen  zierlich  geformten  Teile 
beruht.  Der  Uräus  gibt  uns  zum  ersten  Male  einen  Fingerzeig.  Er  ist  in  Ägypten 
seit  alters  mit  der  Sonnenscheibe  verbunden.  Die  hellenistische  Kunst  hat  das  Motiv 
in  Ägypten  übernommen.  Das  zeigt  u.  a.  ein  kleines  bronzenes  Altärchen  im  Kairener 
Museum  •).  Auf  einem  vierbeinigen  niederen  Untersatz  erhebt  sich  eine  dicke  Mittel- 
stütze und  vier  Seitenstützen,  die  den  Rezipienten  des  Altars  tragen.  Die  Seiten- 
stützen haben  die  Form  des  Uräus,  wie  an  unserem  Dreibein,  der  ein  Isisdiadem,  die 
Mondsichel  mit  Sonnenscheibe  darin,  trägt.  An  einem  anderen  Altärchen  derselben 
Gestalt  2)  sind  die  Uraei  abwechselnd  mit  Isisbüsten  als  Reliefschmuck  verwendet. 
Der  Rezipient  der  Altäre  kommt  in  dieser  Form  nur  im  hellenistischen  Ägypten  vor  3). 
Das  Vorkommen  des  Uräus  an  unserem  Stabgestell  weist  also  nach  der  alexandri- 
nischen    Kunst  4). 

Das  letzte  Glied  unserer  Reihe  bildet  der  große  Dreifuß  aus  dem  Hildesheimer 
Silberfund.  Er  ist  das  schönste  und  wertvollste  aller  erhaltenen  Stücke.  Die  Publi- 
kation von  Pernice- Winter  erübrigt  ein  näheres  Eingehen  5).  Nur  Weniges  sei  zum 
Vergleich  mit  den  übrigen  Stücken  hervorgehoben.  Zunächst  ein  technischer  Unter- 
schied. Die  Zapfen  für  die  Verbindungsstäbe  sind  »so  angebracht,  daß  sie  nur  bei 
einer  der  Hermen  in  gleicher  Schräge  auf  die  Rückseite  treffen;  bei  den  beiden  anderen 
Hermen  liegt  der  eine  der  Zapfen  parallel  zur  Frontebene  der  Herme,  also  im  rechten 
Winkel  zu  ihrer  Seitenfläche,  während  der  andere  in  schräger  Richtung  auf  die  Rück- 
fläche aufstößt.    Hieraus  ergibt  sich  mit  Notwendigkeit,  .  .  .  daß  die  Hermen  nicht 

•)  Perdrizet,   Bronzes   Fouquet   Taf.   XL.       Edgar       4)  Uraei  in  derselben  Funktion  befinden  sich  an  dem 

27  813,  PI.  XV.  Vgl.  Expedition  Sieglin  Bd.   I.  kleinen  Dreifuß  des  Hildesheimer   Silberfundes, 

S.  239.    Abb.  176.    Tönerne  Altäre  dieser  Form  Pernice-WinterTaf.  XXV,  S.  51,  ebenso  an  einem 

aus   Alexandria.      Der  Aufsatz   ist   ursprünglich  bronzenen  Bein  im  Antiquarium  zu  Berlin  Inv. 

nichts  als  ein  Korb  (Furtwängler,  Gemmen  III,  1518.    Pernice-Winter  a.a.O. 
S.  45)  wie  er  auf  den  Vasen  öfter  vorkommt.       5)  Ein  den  Beinen  des  Hildesheimer  Dreifußes  im 

Z.  B.  Furtw.-Reichh.  Taf.  73.    v.  Bissing,  Arch.  Aufbau    verwandtes    bei    Froehner,    CoUection 

Anz.    1903,     147     vermutet    syrische    Herkunft  Gr^au  327  Taf.  LIX.   Aber  dort  steht  die  Herme 

für  diese  Altarform.    Sie  sieht  aus  wie  ein  später  auf  einer  niederen  zweistufigen   Basis   und  hat 

Abkömmling  der  »Baetylic  altars«.    Vgl.  Evans,  außerdem   keine   frei   gebildeten  Füße,   sondern 

J.  H.  St.  1901,  115  Fig.  g.  Dasganze  Material  über  nur  deren  Vorderteil  schaut  aus  dem  Hermen- 

diese  Altarform  bei  W.  Weber,  Die  äg.  griech.  schaft  hervor.      Die  Herme   als  Tischfuß  ist  ja 

Terrakotten.    Mitt.  aus    der  äg.  Samml.  der  Kgl.  auch  sonst  sehr  beliebt.     Vgl.  z.  B.  Altert,  von 

Mus.  zu  BerHn  II,  Text  S.  257,  Taf.  40,  41,  Nr.  Pergamon  VII,  S.  337.  Andere  Ath.  Mitt.  XXXII 

470,  471.  1907,  397,  XXV  1900,  204,  Nr.  112  ff.  Dionysos- 

*)  Edgar  27  814.  hermen.   Würz,  Plastische  Dekoration  des  Stütz- 

3)  Schreiber,  Alexandrinische  Torcutik   176.  werks  121,  Fig.  83. 


112  Karl  Schwendemann,  Der  DreifuS. 


dreiseitig  über  Eck,  sondern  in  Parallelstellung  zu  einander  gestanden  haben«.  Der 
Dreifuß  hatte  also  eine  Vorderseite.  Darin  macht  er  von  den  anderen  einen  '^nt^r- 
schied.  Mit  großer  Wahrscheinlichkeit  wird  die  runde  Platte  a.  a.  O.  Taf.  XXV^il  c 
Tischplatte  des  Gestells  angesehen.  Sie  zeigt,  welche  Bedeckung  man  sich  auf  diesen 
zierlichen  Gestellen  zu  denken  hat.  Sie  macht  auch  begreiflich,  wie  bei  den  Gestellen 
mit  Leitschiene  die  nötige  Stabilität  garantiert  und  bei  der  leichten  Verschiebungs- 
möglichkeit ein  unerwünschtes  Auseinanderklappen  bei  Belastung  vermieden  wurde. 
Die  Platte  hat  nämlich  einen  nach  unten  gebogenen  Rand,  welcher  die  Hermen- 
köpfe festhielt.  Vielleicht  haben  auch  die  Haken  an  anderen  Exemplaren  nicht 
zum  Einhängen  eines  Kessels  gedient,  sondern  griffen  unter  den  übergebogenen  Rand 
einer  aufgelegten  Tischplatte. 

Die  in  den  Hermen  dargestellten  Personen  gehören  in  überwiegender  Mehrzahl 
dem  dionysischen  Kreise  an.  Dionysos,  Mänaden  und  Satyrn,  auch  Pan  und  Pri- 
apos,  stellen  das  Hauptkontingent.  Die  einfachste  Art  der  Verbindung  mit  dem  Stab  ist, 
daß  wie  z.  B.  bei  dem  Exemplar  von  Xanten,  sie  sich  auf  einer  horizontal  gegliederten 
Basis  erheben.  So  auch  Edgar  27  830,  27  83^.  PI.  XVI.  27820.  Perdrizet  13  PI.  X. 
Meist  aber  vermittelt  ein  Blattkelch  zwischen  Basis  und  Herme.  Die  Blattkelche 
sind  sehr  verschieden  in  der  Form,  entweder  ein  breites  Blatt  vorn  und  zwei  schmälere 
auf  den  Seiten  wie  Edgar  27  819,  27  828,  oder  ein  Kelch  gleichsam  aus  einem  Blatt  mit 
vielen  Teilungen,  vorne  nieder  und  an  den  Seiten  bis  zu  den  Schultern  der  Figur 
hinaufreichend,  Edgar  27  827.  Auch  die  Büsten  zeigen  reiche  Mannigfaltigkeit  in 
den  Motiven.  Meist  hat  der  Kopf  eine  Wendung  nach  der  Seite.  Neben  den  Büsten 
kommen  auch  Halbfiguren  vor.  So  Edgar  27  824  die  Halbfigur  eines  jungen  Dionysos, 
über  der  linken  Schulter  die  Nebris,  die,  mit  der  Linken  in  einen  Bausch  gefaßt, 
Früchte  enthält.  Die  Rechte  hat  der  jugendliche  Gott  zum  epheubekränzten  Haupt 
erhoben.  Er  lacht  vergnügt.  Ein  reizendes  Motiv,  wenn  auch  technisch  nicht  von  der 
besten  Ausführung.  Das  künstlerisch  bedeutendste  Stück  dieser  Büsten  ist  Edgar 
Nr.  27  827.  PI.  VH,  H.  =  0,10  m.  Eine  männliche  Büste.  Kopf  nach  links  gewandt, 
nackt  und  bartlos;  sie  ist  von  höchst  lebendigem,  gesteigerten  Ausdruck,  von  stark 
persönlicher  Art,  so  daß  man  nur  an  ein  Porträt  denken  kann;  vielleicht  hellenistisch. 
In  diesem  Falle  wäre  sie  der  Beweis  für  das  Vorkommen  unseres  Klappdreifußtypus 
in  hellenistischer  Zeit.  Schon  oben  wies  die  Uräusschlange  nach  dem  hellenistischen 
Ägypten.  Vergegenwärtigt  man  sich  den  großen  Einfluß,  welchen  die  hellenistische 
Toreutik  auf  die  römische  ausgeübt  hat,  Einflüsse  welche  an  den  Silberfunden  von 
Boscoreale  und  Hildesheim  so  deutlich  sind,  so  wird  die  Vermutung,  der  Klappdreifuß- 
typus sei  vom  Osten  zu  den  Römern  gekommen,  nicht  zu  gewagt  erscheinen,  umso- 
mehr  als  ja  schon  in  archaischer  Zeit  ein  Stabgestell  mit  Diagonalverstrebungen  in 
Griechenland  nachweisbar  ist  (oben  S.  107). 

Fragt  man  nach  der  Verwendung  dieser  Geräte,  so  steht  die  Verbindung  mit  ei- 
nt m  Kessel  (Nr.  i)  und  mit  einer  runden  Tischplatte  fest  (Nr.  8)  •).   Für  Nr.  6  kann 

')  Die  Tischplatte  liegt   entweder  direkt  auf  den  des  Blattkelches,  aus  dem  die  Büste  hervorkommt, 

Beinenden    auf,    oder   diese   haben   nach   hinten  nach    rückwärts    hochgezogen    und    mit    einem 

einen  Haken,  zuweilen  auch  ist  das  hintere  Blatt  Knopf  zur  Auflage  der  Tischplatte  versehen. 


Karl   Schwendemann,  Der  Dreifuß. 


'13 


ebenfalls  nur  eine  Tischplatte  in  Betracht  kommen.  Kessel-  und  Schalenträger  oder 
Tisch T'^-telle  sind  sie  also  gewesen.  Manches  Exemplar  mag  beiden  Zwecken  gedient 
uh^i'iJ'.Die  besonders  zierlichen  Stücke  wie  das  Hildesheimer  erscheinen  zu  gewöhn- 
lichem Gebrauch  wenig  geeignet  und  man  wird  bei  ihnen  eine  Verwendung  als  Prunk- 
und  Ziertische  voraussetzen  dürfen  '). 

Von  den  zusammenklappbaren  Stabgestellen  sind  die  römischen  foculi  nicht 
zu  trennen,  wie  sie  so  zahlreich  auf  Münzen  und  Reliefs  erscheinen.  Es  herrscht  hier 
zwar  durchaus  keine  Einheitlichkeit  der  Form,  so  daß  nicht  die  Klasse  als  Ganzes 
an  die  Klappdreifüße  angeschlossen  werden  kann;  aber  verschiedene  Exemplare 
scheinen  deutlich  mit  ihnen  im  Zusammenhang  zu  stehen,  so  daß  sich  die  Besprechung 
der  foculi  an  dieser  Stelle  rechtfertigen  läßt,  besonders  da  auch  bei  Stücken,  welche 
mit  den  Klappdreifüßen  keinen  Zusammenhang  haben,  ein  solcher  mit  den  Stab- 
dreifüßen im  allgemeinen  nicht  von  der  Hand  zu  weisen  ist. 

Zum  Vergleich  mit  manchen  dieser  römischen  Tischaltäre  können  die  gallischen 
runden  Tische  herangezogen  werden;  aut  dem  schönen  Sarkophag  Mon.  d.  Inst.  IV,  9 
ist  ein  foculus  sichtbar,  welcher  bis  auf  Einzelheiten  ihnen  in  der  Gestalt  entspricht. 
Auf  ziemlich  breiten  flachen  Beinen,  welche  unten  in  Löwenklauen  endigen,  ruht  eine 
runde  Platte.  Die  Beine  sind  kreuzweise  mit  flachen,  dünnen  Stäben  verbunden, 
an  deren  Kreuzungspunkt  der  Kopf  der  Niete  sichtbar  ist.  Derselbe  Typus  auf  einem 
Relief  aus  der  Zeit  des  Kaisers  Marcus  2)  mit  der  Darstellung  des  Opfers  derSuovetau- 
rilia  durch  den  Kaiser.  Ebenso  auf  dem  Relief  vom  Bogen  der  Goldschmiede  zu  Rom  3) 
mit  den  Porträtgestalten  des  Septimius  Severus  und  seiner  Gemahlin  Julia  Domna. 
Auch  die  Größe  dieser  Altäre  entspricht  derjenigen  der  Klapptische.  Sie  reichen 
zumeist  bis  zur  Mitte  der  Oberschenkel  der  sie  umgebenden  Gestalten,  was  einer  Höhe 
von  0,80 — 1,00  m  entspricht.  Allerdings  sind  sie  auch  niederer  anzutreffen,  was  aber 
bei  jenen  ebenfalls  vorkommt  4) ;  so  auf  dem  schönen  Sarkophag  in  den  Uffizien  in 
Florenz  mit  den  Darstellungen  aus  dem  Leben  eines  vornehmen  Römers  5).  Hier  ist 
jedoch  ein  wichtiger  Unterschied  in  der  Form  deutlich.  Über  den  Löwenklauen  sind 
die  Beine  noch  einmal  durch  Horizontalstäbe  verbunden,  so  daß  also  an  einen  Klapp- 
dreifuß nicht  gedacht  werden  kann  6). 

Daneben  begegnen  nun  für  die  foculi  Gestaltungen,  welche  mit  den  Stabdrei- 
füßen kaum  mehr  in  Zusammenhang  gebracht  werden  können.  Auf  einem  römischen 
Relief  aus  dem  Ende  des  vierten  Jahrhunderts  7)  im  Museo  nazionale  zu  Rom  mit  der 


')  Overbeck,  Pompei'   II,   52.      Massivere  Formen  ')  Der  kleine  Dreifuß  aus  der  Grotta  d'lside  bei 

finden  sich  öfter  auf  gallischen  Reliefs  der  Kaiser-  Savignoni,   Mon.   Line.   VII,   Fig.   7   hat  schon 

zeit.  SoimProvinzialrhuseumzuTrier  Nr.  10  032,  dieselbe  Gestalt,  aber  ohne  die  unteren  Horizon- 

10042;  Hettner,  Führer  Nr.  5.  talstäbe.   Angesichts  solcher  Zusammenstellungen 

')  Brunn-Bruckmann  530.  ist   der   allgemeine    Zusammenhang   der   foculi 

3)  BernouUi,  Rom.  Ikonogr.  Taf.  XV.  mit  den   Stabdreifüßen  besonders  deutlich,  um 

4)  Der  große  Dreifuß  aus  dem  Hildesheimer  Schatz  so  mehr  als  jene  in  ihrer  reichsten  Entwicklung 
mißt  0,70  m,  ein  Bein  bei  Fröhner,  Collection  in  den  Vulcenter  Exemplaren  ebenfalls  schon  als 
Gr^au  327,  Taf.  LIX,  0,595.  Kohlenbecken   benützt    wurden. 

5)  Wien.    Vorlegebl.     1888,    Taf.     IX.        Roßbach,  7)  Bollettino  d'arte  VI  1900,  178,  Fig.  9. 
Römische  Hochzeits-  und  Ehedenkmäler  Taf.  I. 

Photogr.  Alinari  P.  I.   Nr.  1308. 


\ 


11^  Karl  Schwendemann,  Der  Dreifuß, 

üblichen  Opferszene  sehen  wir  einen  Altar,  dessen  runde  Platte  auf  drei  unten  mit 
Löwenklauen  endigenden  Füßen  ruht,  welche  durch  zwei  Verbindungsringe  zusammen- 
gehalten werden,  ähnlich  wie  bei  den  Kesseldreifüßen.  Dieselbe  Form  zeigt  ein  Relief 
auf  einem  Marmoraltar  aus  Pompeji,  aber  ohne  horizontale  Verbindungsringe '). 
Daß  verschiedene  Formen  im  Kulte  nebeneinander  im  Gebrauch  waren,  illustrie- 
ren die  Münzen  von  Alexandria  Troas  ^).  Da  ist  die  Statue  des  Apollon  Smintheus 
auf  einer  Basis  stehend  sichtbar,  mit  der  Patera  in  der  Rechten  über  den  vor  ihm 
stehenden  Altar  libierend.  Dieser  trägt  bald  einen  Kessel  3),  bald  eine  runde  Platte4), 
von  denen  jeweils  das  Feuer  emporlodert. 

DIE  TISCHDREIFÜSSE. 

Schon  oben  mußte  verschiedentlich  auf  Formen  von  Tischen  eingegangen 
werden,  welche  formengeschichtlich  nicht  ganz  dem  Typus  angehören,  welchem  sie 
zugewiesen  wurden. 

Die  in  der  ganzen  Antike  besonders  beliebten  Tischformen  lassen  sich  alle  auf 
einen  Typus  zurückführen.  Es  ist  die  durch  Tierfüße  getragene  runde  Platte.  Der 
Prototyp  dafür  ist  in  Assyrien  schon  vollständig  ausgebildet  anzutreffen,  wo  er  als 
Tisch  und  als  Altar  dient  5).  Und  zwar  ist  die  Verwendung  als  Tisch  jedenfalls  das  Ur- 
sprünglichere. So  erscheint  der  Typus  auf  der  sogenannten  Gartenszene  des 
Aschurbanipal,  ein  Tisch  mit  drei  geraden  unten  in  Löwenklauen  endigenden  Beinen, 
Mittelstütze  und  Horizontalverbindung  in  ^/^  Höhe  der  Beine.  Die  Form  wurde  nicht 
selten  in  Stein  übertragen.  Zwei  solche  Stücke  wurden  in  Niniveh  gefunden  *).  Der 
zwischen  den  Beinen  stehende  Block  ist  bei  ihnen  stehen  gelassen. 

An  diese  assyrische  Altarform  ist  offenbar  jene  anzuschließen,  welche  auf  den 
phönikischen  und  kyprischen  Schalen  öfters  erscheint.  Auf  einer  solchen  aus  der 
idäischen  Zeusgrotte  auf  Kreta  7)  ist  ein  durch  die  ganze  Darstellung  offenbar  als 
Altar  charakterisiertes  Gerät  sichtbar,  welches  den  assyrischen  Altartischen  sehr 
verwandt  ist,  wenn  auch  die  Beine,  offenbar  mit  stärkerem  Naturalismus,  mehr  der 
Form  des  Tierbeines  —  ob  es  unten  in  Löwenklauen  endigt,  darüber  gestattet  der 
fragmentarische  Zustand  kein  Urteil  —  angenähert  ist,  indem  die  Kniekrümmung 
hier  stark  betont  wird.  In  dem  Krümmungsbogen  und  etwas  über  den  Klauen  sind 
yerbindungsglieder  sichtbar,  ob  horizontale  Platten  oder  Ringe  ist  nicht  deutlich. 
Eine  Schale  von  Kurion  ^)  weist  dieselbe  aber  etwas  niederere  und  breitere  Tisch- 
form auf.  ,  Die  Beine  endigen  in  Löwenklauen  und  sind  über  diesen  horizontal  ver- 
bunden.   Eine  weitere  Schale  von  Idahon  9)  auf  Cypern  zeigt  dieselbe  Form,  aber  mit 

')  Mus.  Borb.  VI,  Taf.  LVII  i.  Taf.  157.  D,=  0,70111;  H.  etwas  größer.  Andere 

^)  Catalogue  of  Greek  Coins  in  the  Brit.  Mus.   Troas  Beispiele  bei  Menant,  Glyptique  Orientale  II,  72 

PI.  IV,  V.  Fig.  73;  69  Fig.  65.    Bezold  a.  a.  O.  Abb.  45. 

3)  a.  a.  O.  PI.  IV  5,  V  12,  13.                                •  7)  Mus:  Ital.  II,  723  Tav.  IX  3. 

4)  a.  a.  0.  PI.  IV  6,  V  4.  «)  Ohnefalsch-Richter,    Kypros    126,    Fig.  142. 

5)  Sarre-Herzfeld,    Iranische   Felsreliefs    S.    89.  9)  St.  e  Mat.  III,  48  Fig.  345.    Perrot-Chipiez  III, 
')  Bezold,  Niniveh  und  Babylon  Abb.  96.    Ebenso  482.  G.  Richter,  Metropolitan  Museum,  Bronzes 

aber  als  Altar  Abb.  60.    Vgl.  Sarre-Herzfeld  90,  202,  Nr.  535.  Die  Zeit  dieser  Schalen  ist  das  VIII./ 

Abb.  44,  45.    Botta,  Mon.  de  Niniveh  V  S.  171  VII.   Jahrhundert.    Karo,  Arch.  Anz.  1908,  217. 


Karl  Schwendemann,  Der  Dreifuß.  -  IIS 


Stierhufen  an  den  Beinenden,  wie  sie  ja  in  Ägypten  schon  im  alten  Reich  so  häufig 
an  Möbeln  angewandt  wurden,  und  einer  auf  der  unteren  Horizontalverbindung  auf- 
sitzenden   Mittelstütze. 

Dieser  Typus  erhält  sich  durch  alle  Jahrhunderte  der  Antike  in  einem  reichen 
Wechsel  der  verschiedensten  Bildungen.  An  Stelle  der  Löwenbeine  treten  solche  von 
Greifen,  Pferden,  Rehen,  Panthern  und  Hunden;  ferner  wird  das  Tierbein  sehr  oft 
mit  einem  Kopf  desselben  Tieres,  von  dem  das  Bein  stammt,  oder  von  einem  andern 
verbunden;  außerdem  mit  Tier-  oder  Menschenprotomen.  Die  Vermittlung  der  beiden 
Formen  geschieht  meist  durch  einen  Blattkelch.  Durch  solche  Kombinationen  ent- 
steht eine  unendliche  Mannigfaltigkeit  von  Einzelformen,  die  aber  alle  dem  einen 
Typus  zugehören. 

Es  ist  schwer  hier  eine  Entwicklung  aufzuzeigen,  unmöglich  die  Masse  des 
Erhaltenen  aufzuführen.  So  mag  es  genügen  einige  besonders  typische  oder  inter- 
essante Gestaltungen  zu  erwähnen. 

Seit  dem  IV.  Jahrhundert  kommt  auf  Totenmahlreliefs  an  Stelle  des  üblichen 
griechischen  Speisetisches  ')  der  runde  dreibeinige  *)  häufiger  vor,  ebenso  wie  auf 
Vasenbildern  des  IV.  Jahrhunderts3),  die  gleiche  Form  noch  in  einer  Wandmalerei  aus 
der  Farnesina  4).  Überall  sind  hier  die  hohen  schlanken  Rehbeine  ganz  realistisch 
gebildet  und  sitzen  mit  den  Schenkeln  an  der  Tischplatte. 

Offenbar  ist  es  eine  ursprünglichere  Form  des  dreibeinigen  Tisches,  wenn  das 
Tierbein,  bis  zum  Schenkel  realistisch  gebildet,  ohne  weitere  Vermittlung  an  der 
Tischplatte  ansitzt,  wie  es  z.  B.  die  eben  angeführten  Exemplare  zeigen.  Ein  Fort- 
schritt ist  es,  wenn  das  Bein  an  seinem  oberen  Teil  mit  einem  Blattmotiv  geschmückt 
ist,  wie  an  einem  massiven  Marmortisch  aus  Magnesia  a.M.  5).  Außerordentlich  be- 
liebt ist  dann  in  hellenistischer  und  römischer  Zeit  die  leontokephalopode  Gestalt. 
Das  Löwenbein  endigt  in  einen  Blattkelch,  aus  dem  ein  Löwenkopf  hervorragt,  in 
dessen  Nacken  dann  der  eigentliche  Träger  der  Tischplatte  in  Form  eines  viereckigen 
kurzen  Pfeilers  aufsitzt.    Unzählige  Male  ist  diese  Form  mit  geringen  Wandlungen  in  der 

')  Dieser,  ursprünglich  rechteckig  mit  4  Füi3en,  hatte  mit   einer   ganz   realistischen    Szene   aus   einem 

später    wahrscheinlich    die     Form    eines  gleich-  Fleischerladen.       Dabei   steht    ein  Dreifußtisch 

Schenkligen  Dreieckes  oder  eines  Trapezes,  mit  mit  Löwenklauen  an  den  Beinenden  und  Hori- 

drei    Beinen,    die    oft    unten    mit   Löwenklauen  zontalverbindung  der  Beine  in  ''■ji  Höhe.      Vgl. 

endeten  (Blümner,  Arch.  Ztg.   1884,   183).     Die  auch  Brit.  Mus.  Cat.  Vas.  II,  B.  3.    Kyrenäische 

Sitte,   beim  Mahle   zu   liegen,    kam    aus  Klein-  Schale,  abgeb.  Arch.  Ztg.  1881,  Taf.  13,  i.    Die 

asien   und  ebenso    die   dazugehörige  Tischform,  aus    geometrischer     Zeit    mehrfach    erhaltenen 

die   wir   seit   dem  VII.   Jahrhundert   auch    auf  Tonnachbildungen     von     Opfertischchen     (Lun- 

festländisch-griechischen  Denkmälern  nachweisen  singh    Scheurleer,    Catalogus  eener  Verzameling 

können    (Dragendorff,  Thera  II  107).  Egyptische,    Grieksche,    Romeinsche    en    andere 

')  Furtwängler,  Sammlung  Sabouroff  Taf.  XXXII  2.  Oudheden   Nr.    186,   Taf.   XVI.      Naukratis   II, 

Svoronos,  Das  Ath.  Nat.  Mus.  Taf.  LXXXVIft. ;  Taf.  VII)  lassen  sich  formal  schwerHch  an  den 

Ant.    Skulpturen   in    Berlin,    Beschreibung   Nr.  orientalischen    Tischtypus    anschließen. 

81 5  ff.;  Ath.  Mitt.  XXV  1900,  175.     Daß  dieser  3)  Furtwängler-Reichhold  Taf.  66,  Text  IJ,  S.  38. 

Rundtisch  aber  auch  schon  im  VI.  Jahrhundert  CR.  St.  Petersb.  1860,  Taf.  I. 

in  Attika  in  Gebrauch  war,  beweist  ein  schwarzfig.  4)  Mon.  d.  I.  XII,  Taf.  8,5. 

Krug  im  Heidelberger  archäologischen  Museum,  5)  Ath.  Mitt.  1894,  54. 


1  i6  Karl  Schwendemann,  Der  Dreifuß. 


antiken  Kunst  angewandt  worden.  Ein  sehr  schöner  vollständiger  Tisch  dieser  Art  aus 
weißem  Marmor  befindet  sich  in  Neapel ').  Das  Löwenbein,  der  Akanthuskelch  und 
das  Löwenhaupt,  alles  von  gleichmäßiger  technischer  Vollendung  und  lebendigem 
Ausdruck.  Die  Beine  stehen  jeweils  auf  viereckiger  Basis.  Zwischen  Kelch  und  Nacken 
des  Löwen  springt  nach  innen  eine  starke  Leiste  vor.  Diese  Leisten  vereinigen  sich 
unter  der  Mitte  der  Tischplatte.  An  die  Stelle  des  Löwenkopfes  kann  eine  menschliche 
Figur  treten,  schon  in  hellenistischer  Zeit.  Ein  schönes  Beispiel  dafür  bietet  ein  Bein- 
fragment in  der  Sammlung  v.  Bissing  in  München*).  »Aus  einem  Akanthuskelch 
taucht  der  Oberkörper  eines  nackten  Herakles,  der  mit  dem  rechten  Arm  die  Keule 
schultert.  Die  gesenkte  Linke  scheint  einen  Apfel  gehalten  zu  haben;  der  Kopf  blickt 
nach  links.  Im  lockigen  Haar  liegt  eine  Binde «.  An  derselben  Stelle  findet  sich  Eros 
an  einem  Tischfuß  im  Vatikan  3).  Er  trägt  eine  Scheitelflechte,  lange  Locken,  die 
Nebris  und  zurückgekrümmte  Flügel,  zwischen  denen  der  vierkantige  Pfosten  sitzt, 
auf  dem  die  Tischplatte  ruhte.  Unter  den  Skulpturen  des  Berliner  Museums  4)  be- 
finden sich  eine  Anzahl  interessanter  Gestaltungen.  Besonders  hübsch  ist  Nr.  1074. 
Ein  elegant  bewegter  jugendlicher  Satyr,  der  zu  dem  Zicklein  emporblickt,  das  er  auf 
den  Schultern  trägt.  1071  zeigt  einen  geflügelten  Eros,  der  zierlich  ein  Rehfell  um 
die  Schulter  trägt  und  mit  beiden  Händen  eine  Muschel  vor  die  Brust  hält.  Ein  gut 
erhaltenes  Exemplar  eines  bronzenen  dreifüßigen  Gestelles  für  eine  Tischplatte  oder 
Schale  im  Museo  nazionale  zu  Neapel  zeigt  die  Verbindung  von  Hundebein  und 
Menschenleib  5).  Auf  einer  profilierten  dreiseitigen  Basis,  deren  Seiten  sehr  stark 
eingeschweift  und  deren  Ecken  abgeschnitten  sind,  stehen,  mit  ihr  zusammengegossen, 
dreischlanke  Hundebeine  mit  dem  gewöhnlichen  knieförmigen  Knick.  Der  Oberschenkel 
ist  mit  fein  ausgeführter  Behaarung  bedeckt,  aus  der  ohne  weitere  Vermittlung  die 
Gestalt  eines  jugendlichen  Satyrs  von  der  Mitte  der  Oberschenkel  an  emporwächst. 
Er  ist  mit  dem  Oberkörper  etwas  zurückgelehnt,  während  der  Kopf  sich  nach  vorn 
neigt.  In  feinem  Schwung  zieht  sich  so  die  Linie  des  Hundebeines,  fortgesetzt  in  der 
Gestalt  des  Satyrs,  empor,  während  die  Neigung  des  Kopfes  die  tragende  Funktion 
zum  Ausdruck  bringt.  Der  Satyr,  ganz  nackt,  hat  zierlich  die  Rechte  in  die  Seite 
gesetzt  und  streckt  die  Linke  mit  der  ausgebreiteten  Hand  wie  abwehrend  von  sich. 
Über  der  Stirn  trägt  er  Hörnchen  und  im  Haar,  das  wellig  in  den  Nacken  fällt,  einen 
^eif.  Er  lächelt  vergnügt.  Die  Körperformen  sind  zierlich  aber  muskulös  und  in 
großen  Teilungen  modelliert.  Die  Schwänze  der  Satyrn  sind  erhoben  und  gehen  im 
rechten  Winkel  nach  hinten,  wo  sie  einen  Ring  tragen,  um  den  sie  gewickelt  sind  ^). 
Etwas  unorganisch  erscheint  auf  den  ersten  Blick  die  Verbindung  des  dünnen  Hunde- 
beines und  des  Satyrkörpers.  Das  hat  auch  der  Künstler  gefühlt  und  den  behaarten 
Oberschenkel  des  ersteren  durch  eine  Längsfurche  geteilt,  die  dann  etwas  schwächer 

')  Niccolini,   Pompei    III 2,   Taf.   XLVIII.      Mus.  Ähnliches     Stück     Behn,     Sammlung     Ludwig 

Borb.  III,  Taf.  XXX.  Marx  1913,   Taf.   III  5. 

^)  Österr.  Jahresh.  XV,  76.  ■»)  Beschreibung  S.  424  ff. 

3)  Amelung,  Vatikan  Taf.  97  Nr.  73.    Taf.  90  Nr.  4  5)  Nr.   522. 

ein  geflügelter  Knabe  in  derselben  Verwendung.  ')  Ein  ähnliches  Motiv  an  einem  Bronzegefäß  des 


British  Museum  (K.  5.    Photogr.  Mansell  2367). 


Karl  Schwendemann,  Der  Dreifufi. 


117 


werdend  bis  zu  den  Zehen  unten  verläuft.  Durch  diese  Zweiteilung  wird  der  Eindruck 
hervorgerufen,  als  ob  unter  der  Behaarung  des  Hundebeines  die  Schenkel  des  Satyrs 
sich  fortsetzten.  Auf  den  Köpfen  der  Satyrn  ruht  ein  schweres  tiefes  Becken,  das  aber 
schwerlich  zugehörig  ist. 

Ein  originelles  Motiv  ist  es,  wenn  aus  dem  Akanthuskelch  eines  fragmentierten 
Tischbeines  aus  Kertsch  ^)  ein  nach  oben  springender  Hund  emportaucht.  Ein  voll- 
ständiger Tisch  mit  solchen  Beinen  aus  Bronze  fand  sich  in  Pompeji  ^). 

Verschiedentlich  begegnen  Tischfüße,  bei  welchem  ein  nach  unten  gerichteter 
Delphin  entweder  allein  3)  oder  vor  einen  Pfeiler  gebunden  4)  als  Träger  verwendet 
ist.  Dem  letzteren  Beispiel  verwandt  sind  Bildungen,  welche  aus  einem  Pfeiler  be- 
stehen, aus  dessen  Vorderseite  der  zoomorphe  Träger  in  Hochrelief  hervortritt,  wie 
an  einem  Exemplar  im  Vatikan  5). 

Neben  den  reicheren  Formen  kommen  natürlich  auch  die  einfacheren  zahlreich 
vor.  Oft  entbehrt  das  leontokephalopode  Bein  der  auf  das  Löwenhaupt  aufgesetzten 
Stütze.  Nicht  selten  ist  dann  ferner  der  Kopf  selbst  fortgelassen,  so  daß  das  Tierbein 
sich  direkt  in  einem  kurzen  glatten  Pfeiler  fortsetzt,  auf  welchem  die  Tischplatte  ruht  6). 
Das  Löwenbein  kann  auch  oben  in  eine  Volute  auslaufen,  welche  direkt  die  Platte 
trägt?).  Die  Form  des  Tierbeines  verblaßt  oft  vollständig,  und  es  bleibt  nur  die  S-för- 
mige Biegung  des  Beines  mit  dem  darauf  gesetzten  senkrechten  Auflager  der  Platte  ^), 
so  daß  es  auf  den  ersten  Blick  verwunderlich  erscheint,  warum  die  Tischbeine  gebogen 
sind. 

Das  Streben  nach  reicher  und  prunkvoller  Gestaltung  führte,  wie  man  wohl 
annehmen  darf,  schon  in  hellenistischer  Zeit  zu  Bildungen,  die  aus  verschiedenen 
Elementen  zusammengesetzt  sind  und  von  denen  sich  aus  römischer  Zeit  noch  Reste 
erhalten   haben. 

Ein  bronzenes  Tischgestell  dieser  Art  befindet  sich  im  British  Museum  9),  ein 
anderes,  der  berühmte  »Dreifuß  aus  dem  Isistempel«  im  Museo  nazionale  zu  Ne- 
apel >")  (Beil.,  Abb.  19).  Die  beiden  sind  im  Aufbau  verwandt  und  vergleichende 
Bemerkungen  daher  am  Platze.    Bronze  ist  bei  beiden  das  Material. 

Der  »Dreifuß  aus  dem  Isistempel«  steht  auf  einer  mitgegossenen  Basis  von 
derselben  Form  wie  bei  dem  oben  beschriebenen  Gestell  mit  den  Satyrn.  Die  kräftigen 
Hundebeine  endigen  oben  mit  einem  ganz  schmalen   Blattüberfallmotiv,   auf  dem 


')  Jahrb.  d.  Inst.  XVII  1902,  125.     Das  Material  1069.    Brit.  Mus.  Cat.  of  Roman  Pott.  M  131 1, 

ist  Zedernholz.  1312,  1339,  1354,  1357. 

')  Niccolini,  Pompei  II.     Descr.  gen.  VIII.  5)  Amelung,  Vatikan  II  Taf.  39.     Nr.  246. 

3)  Mus.  Borb.  VI,  Taf.  XXX.    Ein  Lampenständer  ^)  Fröhner,  Mus^es  de  France  18.    Niccolini,  Pom- 
in  Tischform.  pei   II,  Descr.  generale   III. 

4)  Ath.  Mitt.  XXXni907,400,  Abb.  12,H.  =  0,92.  7)  Bonn.   Jahrb.  81,  Taf.   Uli. 
Ein  Delphin  mit  Löwenklaue  in  der  Schnauze  wie  *)  Niccolini,  Pompei  IV  Taf.  XII. 

Mus.   Borb.  VI,   Taf.   XXX  erscheint  auch  an  9)  Catal.  of  Bronzes  Nr.  2560.     Photogr.  Mansell 

einem    etruskischen     Kandelaberfuß    aus     dem  2355.  H.  =  ca.  0,65  m.     Aus  Herculaneum. 

III.  Jahrhundert.    Milani,  II  R.  Museo  archeol.  «>)  Friederichs-Wolters,    Nr.    2087.     Dort  die  ältere 

di  Firenze  Taf.  XXIII.     Vgl.  auch  D^chelette,  Literatur.     Jahrb.  d.  Inst.   1908,   107  fi.      Auso- 

Les  vasesc^ramiques  orn^s  de  la  Gaule  Romaine  II  nia  III  1908,  252. 

Jahrbuch  des  archäologischen  Instituts  XXXVI.  ^ 


X  I  8  Karl  Schwenderoann,  Der  DreifuB. 


eine  niedere  nach  hinten  etwas  ansteigende  Basis  ruht.  Auf  dieser  sitzt  eine  Sphinx 
mit  großen  hochgestellten  Flügeln.  Zwischen  ihnen  erhebt  sich  ein  aus  mannigfachen 
Blatt-  und  Kelchmotiven  zusammengesetztes  Stück,  das  oben  in  zwei  Ranken  sich 
teilt,  zwischen  denen  eine  Knospe  sitzt.  Vom  obersten  Teil  der  Hundebeine  löst  sich 
auf  der  Rückseite  eine  mächtige  Ranke  '),  die  sich  teilt  und  mit  dem  einen  Ausläufer  in 
verschiedenen  graziösen  Windungen  zur  Ferse  des  Handebeines  zurückstrebt,  während 
der  zweite  mit  den  entsprechenden  der  anderen  Beine  an  einem  besonderen  Glied 
in  der  Mitte  vereinigt  ist.  Dieses  besteht  aus  sieben  stilisierten  Blattkelchen,  von  denen 
vier  sich  nach  oben,  drei  etwas  anders  gebildete  nach  unten  entwickeln  und  jeweils 
mit  einer  runden  Knospe  enden.  Das  Gestell  wird  bekrönt  von  einem  zwar  antiken 
aber  nicht  zugehörigen  Becken  ^).  Die  Hundebeine  tragen  im  Scheitelpunkt  der 
Krümmung  vorn  je  eine  bärtige  männliche  Maske.  Der  ganze  Oberschenkel  des 
Beines  ist  übersponnen  von  reichem  Ranken-  und  Spiralwerk.  Der  Gesamteindruck 
ist  ein  äußerst  vornehmer.  Geradezu  feierlich  sitzt  die  Sphinx  da,  den  straff  auf- 
gerichteten Oberkörper  auf  die  hohen  schmalen  Vorderbeine  gestützt.  Auch  Kopf 
und  Hals  in  schlanken  zierlichen  Verhältnissen.  Und  dann  die  Flügel!  Wie  ein  mäch- 
tiger Fächer  breiten  sie  sich  aus,  die  einzelnen  Schwungfedern  hoch  ausstreckend. 
Durch  nichts  wird  die  künstlerische  Qualität  der  Sphinx  besser  verständlich  als  durch 
eine  Vergleichung  mit  der  an  der  entsprechenden  Stelle  sitzenden  des  Dreifußes  aus 
Herculaneum.  Auch  hier  drei  Hundebeine,  aber  nicht  auf  gemeinsamer  Basis,  sondern 
jedes  auf  einer  Schildkröte  aufstehend.  Sie  endigen  oben  in  einem  hohen  Blattkelch, 
in  dem  eine  nackte  männliche  Figur  bis  zu  den  Hüften  steckt.  Sie  trägt  auf  dem  Haupt 
einen  breiten  niederen  Blattkelch,  mit  dem  eine  runde  profilierte  Basis  wie  zu  einem 
Kapitell  verbunden  ist.  Zwei  breite  Blätter  gehen  links  und  rechts  von  dem  Kelch 
aus;  nach  ihnen  faßt  die  Figur  mit  den  Händen.  Auf  dem  Kapitell  sitzt  eine  geflügelte 
Sphinx,  deren  Schwingen  sich  im  rechten  Winkel  nach  hinten  entwickeln.  Auf  ihnen 
ruht  ein  profilierter  Ring,  welcher  einst  die  Tischplatte  zu  tragen  hatte.  Die  Sphinx 
trägt  das  ägyptische  Klaft.  Die  Hundebeine  sind  untereinander  ähnlich  durch  Ranken 
verbunden  wie  am  »Dreifuß  aus  dem  Isistempel«.  Ihr  Treffpunkt  wird  durch  eine 
große  Knospe  bekrönt. 

Vergleicht  man  unsere  beiden  Tische  im  Gesamtaufbau  —  wir  wollen  den  Drei- 
fuß aus  dem  Isistempel  mit  A,  den  aus  Herculaneum  mit  B  bezeichnen  —  so  fällt 
zunächst  auf,  daß  die  Beine  aus  drei  Elementen  bestehen;  bei  A  aus  Hundebein, 
Sphinx  und  ornamentalem  Stück,  bei  B  aus  Hundebein,  Figur  mit  Kapitell  und 
Sphinx.  Diese  Dreiteilung  ist  nur  bei  A  künstlerisch  verwertet.  Die  Sphinx  ist  nicht 
nur  das  zweite,  sondern  auch  das  mittlere  und  Hauptstück  des  Aufbaus;  sie  ist  das 
Auge  dieses  Organismus,  in  dem  sich  sein  Ausdruck  sammelt.  Ganz  anders  bei  B. 
Hier  ist  keine  Mitte  des  Aufbaus,  sondern  eigentlich  nur  das  Bein  mit  der  Figur  und 
dem  Kelchkapitell  und  darauf  die  Sphinx.    Aber  diese  wirkt  schwerfällig  gegen  die 


')  Ähnliche    schöne    Ranken    auch    mit    manchen  1899,  443  Fig.  5;  Mon.  d.  Line.  X  1901,  645  Fig.  5; 

verwandten  Einzelformen  sind  in  Pompeji  ver-  österr.  Jahresh.  IV,  175;  auch  Ausonia  III,  246 f. 

schiedentlich  gefunden  worden.    Vgl.  Not.  d.  sc.  Fig.  9,    10;   Mus.   Borb.   XV,   Taf.   XLVI. 

>)  Jahrb.  d.  Inst.  1908,  107  f. 


Karl  Schwendemann,  Der  Dreifuß.  iig 


bei  A.  Ihre  Formen  sind  gedrückt  und  im  Einzelnen  wenig  ausdrucksvoll.  Ganz 
ebenso  die  Hundebeine.  Bei  A  biegsam,  an  den  Fesseln  sehnig,  mit  langer  schmaler 
Klaue  und  weiter  oben  mit  gespannter  feiner  Muskulatur  wie  bei  einem  Hund  guter 
Rasse.  BeiB  nichts  von  all  dem.  Entsprechend  sind  die  Jünglingsfiguren  ohne  feinere 
Durcharbeitung  der  Form.  Ferner  sind  die  Verbindungsranken  bei  A  großzügig, 
schwungvoll,  zwar  stark  stilisiert,  aber  das  einzelne  Blatt,  die  einzelne  Ranke  und 
Knospe  sich  streckend,  lebendig,  mit  feinster  Detailausführung,  bei  B  plump  und 
ohne  Schwung. 

Der  Aufbau  der  beiden  Stücke  ist  barock '),  ähnlich  wie  bei  dem  Stabdreifuß 
von  Industria,  insofern  zum  Wesen  des  Barocks  Formenreichtum,  Formenvielfältigkeit 
und  bewußte  Komplizierung  gehören.  Aus  den  einzelnen  Teilen  ist  hier  ein  Ganzes 
geworden,  bei  B  durch  die  Art  der  Kombination,  indem  jedes  Stück  eine  tragende 
Funktion  bekommen  hat,  bei  A  mehr  durch  den  Gesamtausdruck,  durch  das  in  den 
einzelnen  Elementen  gleichmäßig  sichtbare  Stilgefühl  und  die  starke  Akzentuierung 
der  Sphinx. 

Im  Anschluß  an  die  Tische  muß  hier  eine  Anzahl  von  Geräten  behandelt  werden, 
die  als  Lampenuntersätze  gebraucht  wurden  (Fernice,  Arch.  Anz.  1900,  181). 

Formengeschichtlich  können  sie  nicht  direkt  auf  einen  Typus  zurückgeführt 
werden,  wenn  auch  eine  gewisse  Verwandtschaft  mit  den  alten  Stabdreifüßen  nicht 
zu  leugnen  ist  (Pernice,  Arch.  Anz.  1900,  182).  Am  nächsten  der  Tischform  kommt 
ein  Exemplar  in  der  Bibliotheque  nationale  zu  Paris  (Babelon-Blanchet  1473)  (Beil:, 
Abb.  20).  Die  drei  Beine  bestehen  aus  Löwenfüßen,  welche  in  Schwanenbüsten  mit 
ausgebreiteten  Flügeln  übergehen.  Die  Platte  ruht  auf  einem  breiten  Ring,  der  mit 
einem  Eierstabmotiv  geschmückt  ist  und  auf  den  Köpfen  und  Flügeln  der 
Schwäne')  aufruht.  Zwischen  den  Beinen  ist  an  dem  Ring  eine  große  nach  unten 
gerichtete  Palmette  angebracht. 

Eine  Anzahl  weiterer  Exemplare  2)  (Beil.,  Abb.  21,  22)  erinnert  an  die  niederen 
Untersätze  auf  Löwenklauen,  denen  die  ganze  Gerätserie  auch  in  der  Größe  etwa  ent- 
spricht. Über  der  Löwenklaue  ist  das  Bein  entweder  ganz  gerade  und  ohne  Ver- 
zierung») oder  es  teilt  sich  in  zwei  Voluten  3).  Zwischen  den  Beinen  sitzt  ein  nach 
unten  gerichtetes  Blatt  4)  oder  ein  Löwenkopf. 

Zwei  Stücke  aus  Pompei  5)  sehen  aus  wie  eine  Verkümmerung  der  alten  Stab- 
dreifüße.  Der  obere  Ring  ist  sehr  hoch.   Die  Beine  teilen  sich  oben  in  drei  Teile,  von 

■)  Der   kleine  Dreifuß   aus   dem   Silberschatz  von  3)  Antichitk  di  Ercolano  VIII  58,  59,  61.     Nr.  59 

Hildesheim  (Pernice- Winter,  Taf.  XXV,  S.  50  f.)  =  Mau,  Pompei»  396,  Fig.  221. 

ist  ein  Ergebnis  derselben  Geschmacksrichtung,  4)  a.a.O.  61. 

allerdings  ein  sehr  feines.     Auf  die  Verwandt-  5)  a.a.O.  58,  61. 

Schaft  seiner  Ornamente  mit  denen  des  zweiten  *)  Große  oft  sehr  fein  und  naturalistisch  ausgeführte 

Stiles  der  römischen  Wandmalerei  wird  a.  a.  0.  Blätter  zur  Raumfüllung  oder  Dekoration  finden 

hingewiesen.  sich  häufig.     Vgl.  z.  B.  Not.  d.  sc.  1899,  443, 

')  Löwenfüße  in  Schwanenkopf  endigend  kommen  Fig.  7.    Fröhner,  Collection  Gr^au  Nr.  346  Taf. 

auch  an  Tischen  vor.    Jahrb.  d.  Inst.  1907,  126,  LXa;  Pernice- Winter,  Hildesh.  Silberf.  46,  Taf. 

Fig.  10.  XXII. 

7)  Pompei  II  Taf.  95.    Arch.  Anz.  1900,  181  Fig.  7. 

9* 


I20  Karl  Schwendemann,  Der  Dreifuß. 

denen  der  mittlere  sofort  an  den  Ring  anschließt,  während  die  seitlichen  sich  nach 
außen  biegen,  den  oberen  Ring  zwar  berühren,  sich  aber  wieder  loslösen  und,  sich 
tief  herabbiegend,  mit  dem  Seitenteil  des  nächsten  Beines  vereinigen.  Durch- 
brochenes Rankenwerk  füllt  die  dabei  entstehenden  Zwischenräume  '). 

DIE  KESSELDREIFÜSSE. 

Die  Notwendigkeit  einen  Topf  zum  Kochen  über  das  Feuer  zu  stellen  mußte 
früh  dazu  führen,  Gefäße  herzustellen,  welche  sicher  stehen  konnten  und  dabei  der 
Flamme  freien  Zutritt  unmittelbar  an  die  mit  Flüssigkeit  gefüllte  Bauchung  gestatteten. 

Töpfe  mit  drei  Beinen  sind  denn  auch  in  den  frühen  Fundschichten,  z.  B.  in 
Troja  von  der  ersten  »Stadt«  an  nicht  selten.  Ein  kleiner  kupferner  Kessel  mit  3  Beinen 
von  17  cm  Höhe  fand  sich  im  IV.  Schachtgrab  von  Mykene »). 

Von  all  diesen  Gestaltungen  ist  der  eigentliche  griechische  Kesseldreifuß  sehr 
zu  unterscheiden.  Sein  Prototyp  reicht  hinauf  in  die  mykenische  Zeit.  In  der  Nekro- 
pole  von  Knossos  wurde  in  einem  Grab,  das  eine  ganze  Menge  schöner  Bronzegeräte 
enthielt,  ein  Dreifußkessel  gefunden  3)  (Abb.  23),  welcher  alle  wesentlichen  Merk- 
male des  griechischen  Typus  besitzt.  Es  ist  ein  spitzkugeliger  Kessel,  etwa  wie  der 
spätere  griechische  Deines,  mit  ziemlich  starker  oberer  Einziehung,  auf  den  ein  kräftiger 
Rand  genietet  ist.  An  diesen  sind  zwei  senkrecht  stehende  Ringhenkel  angenietet. 
Sie  bestehen  aus  zwei  zusammen  gearbeiteten  Teilen,  dem  eigentlichen  Ringhenkel, 
der  durch  einen  breiten  Wulst  in  der  Mitte  gegliedert  ist,  und  einem  horizontalen 
Stück,  welches  mit  Nieten  an  den  Rand  des  Kessels  bfefestigt  ist.  Der  Kessel  ruht 
auf  drei  Beinen  von  rautenförmigem  Durchschnitt,  welche  unten  stark  nach  außen 
gespreizt  sind,  um  die  Standsicherheit  des  Ganzen  zu  erhöhen.  Sie  erweitern  sich 
oben  zu  einer  rhombusförmigen  Platte,  welche  am  Kessel  ansitzt.  Bemerkenswert  ist, 
daß  dieses  Ansatzstück  nur  bis  zum  Anfang  der  Schulter  des  Kessels  hinaufreicht, 
während  es  tief  an  den  Kesselbauch  herunter  greift. 

Durch  den  Fund  dieses  Kessels  wird  erwiesen,  daß  der  »Kesseldreifuß«  keine 
Erfindung  der  Griechen  ist,  sondern  der  kretisch-mykenischen  Kultur  verdankt  wird, 
ebenso  wie  die  Xsß/)TE;,  die  großen  bronzenen  Kessel,  die  in  Tylissos  auf  Kreta  in 
einem  mykenischen  Herrensitz  in  mehreren  schönen  Exemplaren  zu  Tage  kamen,  bis  zu 
1,40  D.  messend  (Arch.  Anz.  1910,  150.  'Apx-  'E<P1H-  I9I2,  221,  Abb.  29,  30).  Hier 
hat  er  als  Gebrauchsgegenstand,  als  Kochkessel  gedient,  wie  schon  seine  einfache 
Form  beweist,  welche  mit  ihren  niederen  gespreizten  Beinen,  dem  mächtigen  Kessel 
und  den  starken  aufrecht  stehenden  Henkeln  ganz  dem  Zwecke  praktischer  Benutz- 
barkeit  entspricht. 

')  Vgl.  De   Ridder,  CoUection  De  Clerq   III  Taf.  Exemplare  gefunden.    Auf  Kreta,  in  der  Gegend 

57,  3.  und  Richter,  Metropolitan  Museum,  Bronzes  des  heutigen  Dorfes  Malia  »lagen  in  einer  Grube 

375,  Nr.  1318.  zwei  wohlerhaltene  bronzene  Dreifüße  mit  eigen- 

^)  SchUemann,  Mykenae  440.  artig  geradwandigen  dreihenkligen  Kesseln  und 

3)  Archaeologia   59,    1905,   426   Taf.   89,   Fig.   38;  grobe  minoische   Scherben«.  (Karo,  Arch.  Anz. 

433,  14  p.    H.  =  0,47,  D,  =  0,41.    H.  der  Beine  1916,   154.) 
=  0,33  m.    Inzwischen  wurden  auf  Kreta  weitere 


Karl   Schwendemann,   Der  Dreifuß.  121 


Die  Reste  der  ältesten  auf  griechischem  Boden  in  Olympia  gefundenen  Kessel- 
dreifüße zeigen  dieselbe  Gestaltung.  Aber  Beine  und  Henkel  sind  aus  Eisen  und 
nur  der  Kessel  aus  Bronze  ').  Es  ließ  sich  sogar  feststellen,  daß  auch  hier  noch  Exem- 
plare vorkamen,  bei  welchen  die  Beine  am  Bauch  befestigt  waren ^),  während  sonst 
bei  den  olympischen  und  allen  späteren  Dreifüßen  der  Beinansatz  bis  zum  Kessel- 
rand hinaufreicht.  Ein  weiterer  Unterschied  besteht  in  der  Befestigung  der  Henkel. 
Sie  bestehen  aus  drei  Teilen:  »l.  aus  dem  Kesselansatz,  einem  glatten  horizontalen 
Streifen  mit  Nagellöchern  an  den  Enden,  2.  aus  dem  Kesselhenkel,  dem  von  der  Mitte 
dieses  Ansatzes  oder  dem  untersten  Teil  des  Ringhenkels  außen  nach  unten  gebogenen 
Henkel,  welcher  sich  unten  zu  einem  mit  Nagelloch  versehenen  Ansatz  an  den  Kessel 
verbreitert,  und  endlich  3.  aus  dem  emporstehenden  Ringhenkel,  welcher  bei  größeren 
Exemplaren  mit  dem  Kesselansatze  durch  zwei  vertikale  Stützen  verbunden  ist«  3). 
Es  ist  also  zu  den  beiden  Teilen  des  Henkels  an  dem  Exemplar  von  Knossos  ein  drittes, 
der  Kesselhenkel  hinzugekommen,  was  offenbar  durch  den  Umstand  veranlaßt  ist, 
daß  die  olympischen  Dreifüße  keinen  angesetzten  Rand  haben  4).  Damit  der  Henkel  5) 
bei  der  Schwere  des  Gefäßes  den  nötigen  Halt  hatte,  mußte  er  außer  durch  den 
Kesselansatz  noch  durch  ein  an  den  Bauch  herunter  greifendes  Stück  befestigt 
werden. 

Aus  den  Resten  der  großen  in  Olympia  einst  vorhandenen  Dreifüße  hat 
Furtwängler  drei  Klassen  rekonstruiert,  von  denen  die  erste  die  früheste  und 
einfachste  ist,  die  zweite  und  dritte  aber  neben  einander  hergehen  und  reichere  For- 
men zeigen  (Beil.,  Abb.  24  a,  b,  c). 

Bei  der  ersten  Gattung  sind  die  Beine  massiv,  zuerst  von  Eisen,  dann  von 
Bronze,  von  rautenförmigem,  sechs-  oder  achteckigem  Durchschnitt.  Die  Seiten, 
erst  einfach  glatt,  werden  später  kannelurenartig  ausgetieft.  Die  Beine  sind  kurz, 
etwa  50—70  cm  hoch,  die  Kessel  sehr  bauchig,  die  Ringhenkel  schwer,  mit  Strick - 
Verzierung,   oft  auch  mit  Doppelspiralen  geschmückt. 

Charakteristisch  für  die  zweite  Gattung  ist  zunächst,  »daß  nur  Kleinigkeiten 
an  denselben  wie  die  figürlichen  Zutaten  gegossen,  alle  anderen  Teile  aber  gehämmert 
sind.  Die  Füße  wie  die  Henkel  bestehen  aus  starkem  Blech  von  i  —3  mm  Dicke. 
Dieselben  sind  mit  von  der  Oberseite  eingeschlagenen  geometrischen  Verzierungen 
bedeckt.  Das  Hauptmotiv  derselben  bilden  konzentrische  Kreise,  welche  durch  Tan- 
genten verbunden  werden.  .  .  .  Die  Ringhenkel  sind  auf  beiden  Seiten  verziert,  die 
Beine  natürlich  nur  auf  einer«  ^).  Die  Beine  dieser  Gattung  bestehen  bei  den  kleinen 
Exemplaren  aus  einem  breiten  Blechstreifen,  bei  den  großen  aus  einer  Vorderseite 
und  zwei  im  rechten  Winkel  mit  ihm  durch  Zapfen  verbundenen  schmalen  Neben- 
seiten, da  bei  der  Größe  der  Geräte  eine  Verstärkung  notwendig  wurde.     Auf  den 

■)  Olympia  IV  S.  75.  henkeis  begegnet  auch  sonst  gelegentlich,    z.  B. 

')  a.a.O.  S.  76.  an    einer   Dipylonvase   (Ath.    Mitt.    1892,    206, 

3)  a.  a.  0.  S.  78.  Taf.  X),  anderes,  sogar  profiliertes  Exemplar  an 

4)  a.  a.  0.  S.  80.     »Das  Blech  wird  am  Rande  ein-  einem  Becken  aus  dem  Tumulus  III  von  Gordion 
fach  dicker  und  springt  nach  innen  etwas  heraus«.  (G.  u.  A.  Körte,  Gordion  72  Nr.   59,  Abb.  52). 

5)  Die  bei  den  Dreifüßen  übliche  Form  des  Ring-  *)  Olympia  IV  S.  81. 


X22  Ka.r\  Schwendemann,  Der  DreifuS. 


Henkeln  stehen  meist  geometrisch  stilisierte  Pferde.  Die  Henkel  waren  vielfach  durch 
vertikale  Stützen  des  weiteren  befestigt.  Diese  hatten  oft  die  Form  eines  nackten 
Jünglings,  der  auf  dem  Kesselrand  aufstehend  mit  den  Händen   den  Ring  stützt. 

»Während  die  zweite  Gattung  nur  aus  einem  einzigen  festen  Typus  bestand, 
der  fertig  auftritt,  ohne  sich  wesentlich  weiter  zu  entwickeln,  so  begegnen  uns  in  der 
dritten  Gattung  wieder  mannigfaltige  Typen,  welche  jene  Entwicklung  fortsetzen, 
die  wir  in  der  ersten  Gattung  beobachtet  haben.  Das  Neue  und  Charakteristische 
der  Gattung  ist,  daß  die  gegossenen  Henkel,  und  besonders  die  Beine,  sich  durch  die 
in  Blech  gehämmerten  Formen  sowohl  als  durch  die  reiche  Ornamentik  der  zweiten 
Gattung  beeinflußt  zeigen.  Die  Beine  nehmen  jene  Gliederung  in  eine  breite  Vorder- 
und  zwei  schmale  Nebenseiten  an,  welche  dort  durch  die  Technik  der  aus  Blechstreifen 
zusammengenieteten  Teile  gefordert  war,  während  sie  hier  in  lediglich  dekorativer 
Absicht  nachgeahmt  wird.  Wir  fanden  in  der  ersten  Gruppe  eine  durchaus  konsequente 
stilvolle  Entwicklung  aus  der  Plumpheit  der  polygonalen  Formen  der  Beine  zur  Ele- 
ganz mannigfacher  Kannelierung.  Diese  Entwicklung  wird  nun  unterbrochen  durch 
die  Nachahmung  der  Formen  einer  fremden  Technik.  Auch  die  Henkel  suchen  dem 
Blechstil  nahezukommen.  Sie  bestehen  nicht  mehr  aus  einem  massiven  Reif  von 
rundem  Durchschnitte,  sondern  aus  einem  breiten  und  flachen  Ringe,  welcher  häufig 
wie  ausgeschnitten  und  mit  durchbrochenen  Verzierungen  versehen  ist.  Endlich 
wird  auch  die  Ornamentik  der  Blechdreifüße  nachgeahmt;  nur  tritt  in  der  Gußtechnik 
an  Stelle  der  eingeschlagenen  Arbeit  das  Relief«  '). 

Die  drei  Gattungen  der  in  Olympia  vorkommenden  Dreifüße  repräsentieren 
eine  lange  Entwicklung.  Sie  reichen  mit  den  ihnen  verwandten  Dreifußresten  vom 
Heraion  in  Argos  und  von  Delphi  über  die  ganze  lange  Epoche  vom  mykenischen 
bis  zum  archaischen  Stil.  Das  wird  einmal  aus  einer  Analyse  ihrer  Ornamentik  klar. 
Mit  den  Kesselhenkeln  Olymp.  IV.  Taf.  XXX  575,  571  und  Taf.  XXIX  572,  570 
befinden  wir  uns  noch  ganz  im  Bannkreis  spätmykenischer  Ornamentik  ^).  Brillen- 
spirale und  plastisches  Strickornament  bestreiten  die  Dekoration  ähnlich  wie  an  den 
mykenischen  Stabdreifüßen  und  den  kyprischen  Bronzewagen.  Die  mykenische  Or- 
namentik lebt  hier  fort,  ähnlich  wie  wir  das  bei  den  Stabdreifüßen  gesehen  haben. 
Die  genannten  Stücke  stehen  somit  am  Anfang  der  olympischen  Gruppe.  Da  sie,  wie 
wir  noch  sehen  werden,  sicher  nicht  aus  mykenischer,  sondern  nachmykenischer  Zeit 
stammen,  andererseits  rein  spätmykenisch  dekoriert  sind,  kann  man  sie  wohl  unbe- 
denklich der  Zeit  des  protogeometrischen  Stils  zuweisen.  Auf  sie  folgt  die  von  Furt- 
wängler  als  Typus  II  der  olympischen  Dreifüße  festgelegte  Gruppe  des  Blechstils. 
Sie  zeigen  die  volle  Entfaltung  des  geometrischen  Stils,  in  ähnlicher  Reinheit  wie  die 
klassisch-geometrischen  Gefäße  auf  Thera.  Typus  III  geht,  wie  schon  die  Nach- 
ahmung des  Blechstils  beweist  neben  diesem  her,  aber  auch  noch  über  ihn  hinaus 
bis   in  die  Zeit  des  orientalisiercnden  Stils.     Das  beweist  einmal  der  Löwe  auf  dem 


')  Ebda.  S.  90.  Fig.  203)  ist  ein  Henkel  mit  ä  jour  gearbeitete 

')  Auch   in   Delphi   (Fouilles    de   Delphes   V,   65.  Brillenspiralenverzierung  gefunden. 


Karl  Schwendemann,  Der  Dreifuß. 


123 


Henkel  Olymp.  IV  Taf.  XXX,  641  ').  Außerdem  das  häufige  Vorkommen  der  fort- 
laufenden Spirale,  Olymp.  IV,  Taf.  XXVIII  632  a,  632,  629,  641,  574  neben  den  geo- 
metrischen Zickzackornamenten  -). 

Die  Frage  der  Chronologie  der  olympischen  Dreifüße  berührt  sich  aufs  engste 
mit  der  Frage  nach  dem  Alter  der  Fundschichten  des  Heiligtums  von  Olympia.  Die 
Kontroverse  darüber  zwischen  Dörpfeld  3)  und  Furtwängler  4)  hat  sich  trotz  des  Nach- 
weises, daß  Olympia  schon  in  mykenischer  Zeit  besiedelt  war  5),  zu  Gunsten  Furt- 
wänglers  entschieden.  Es  hat  sich  nämlich  herausgestellt,  daß  die  mykenische  Schicht 
Olympias  von  den  späteren,  in  denen  die  massenhaften  Ablagerungen  von  Votivtieren 
und  Dreifußfragmenten  sich  fanden,  durch  eine  Sandschicht  getrennt  ist  *),  welche 
nicht  von  Anschwemmung  stammt,  sondern  das  Resultat  einer  Planierung  ist. 

Die  ältesten  Bronzen  und  Terrakotten  von  Olympia  müssen  ganz  eng  an  das 
Ende  der  spätmykenischen  Epoche  angeschlossen  werden.  Denn  einmal  fanden  sie 
sich  gerade  in  den  tiefsten  Schichten  7).  Zum  andern  zwingt  zu  dieser  Annahme  ihr 
stilistisches  Verhältnis  zu  den  Terrakottarindern,  -Pferden  und  -Idolen,  welche  beim 
Aphaiatempel  in  Ägina  *)  zahlreich  zu  Tage  kamen  und  nach  Technik  und  Bemalung 
in  spätmykenische  Zeit  gehören  und  importiert  oder  lokale  etwas  spätere  Nachahmung 
sind  9).  Mit  den  ältesten  der  in  Olympia  gefundenen  Bronzen  und  Terrakotten  kommen 
wir  also  nahe  ans  Ende  der  spätmykenischen  Epoche.  Das  oben  über  den  Zusammenhang 
der  olympischen  Dreifüße  mit  Spätmykenischem  Gesagte  bestätigt  sich  demnach. 

An  anderen  Orten  Griechenlands  läßt  sich  die  Entwicklung  des  Kesseldreifußes 
im  orientalisierenden  Stil  deutlich  verfolgen.  Auch  einige  in  Olympia  nicht  vertretene 
geometrische  Varianten  finden  sich.  Es  kommen  dabei  die  Funde  im  argivischen 
Heraion  i»),  in  Delphi  ")  und  auf  der  athenischen  Akropolis  ")  in  Betracht. 

»)  Vgl.  Schröder,  Text  zu  Brunn-Bruckra.  Taf.  sei,  muß  bei  den  Spiralen  des  olympischen 
641 — 45.  Der  Löwe  kommt  im  geometrischen  Typus  III  zweifellos  im  letzteren  Sinne  ent- 
Stil beinahe  garnicht  vor.  Auch  Typus  II  reicht  schieden  werden,  schon  deswegen  weil  Typus  III 
bis  an  die  Schwelle  der  archaischen  Epoche,  deutlich  eine  Nachahmung  des  klassisch-geo- 
wie  das  »der  letztenEntwicklungdesgecm.  Stils«;  metrischen  Typus  II  darstellt,  zu  dessen  Zeit  auf 
aus  seinem  »Übergang  zum  archaischen  Stile«  dem  Festland  die  mykenischen  Überlebsei  völlig 
angehörende  Pferdchen  auf  dem  Henkel  Olympia  abgestorben  waren.  Außerdem  sind  in  Delphi 
IV,  86  Nr.  607  beweist.  Reste  einer  dem  Typus   III  von  Olympia  ent- 

^)  Diese  chronologische  Aufeinanderfolge  der  olym-  sprechenden    Gattung    gefunden    (siehe    unten), 

pischen    Dreifüße     übersieht     Schweitzer    (Ath.  die    archaische    Dekorationselemente    aufweisen, 

Mitt.  1918,  87  u.  99).     »Furtwänglers  Ableitung  3)  Ath.  Mitt.  1906,  215  ff. 

aus  dem  mykenischen   Stil«  gilt  nicht   für  4ie  4)  Kl.   Sehr.  I,  446  ff. 

Laufspiralen  des  Typus  III,  sondern  nur  für  die  5)  Ath.  Mitt.  1908,  185  ff.;   1911,   181  ff. 

Brillenspiralen  des  Typus   I.     Die  an  sich  stets  *)  Ath.  Mitt.  1911,  185.    Arch.  Anz.  1909,  572. 

zu  stellende  Frage,  ob  man  es  mit  mykenischen  7)  Olympia  IV  S.  28,  38,  43. 

oder  orientalisierenden  Elementen   zu   tun  hat,  8)  Furtwängler,  Aegina  374. 

mit  anderen  Worten,  ob  die  Dekorationselemente  9)  a.a.O.  375. 

von  einem  autochthonen  Weiterleben  des  Mykeni-  ■»)  Waldstein,  The  Argive   Heraeum. 

sehen  stammen  oder  der  nach  Jahrhunderten  aus  ")  Fouilles  de  Delphes  V  S.  59 — 72. 

dem  Osten  und  Südosten  zurückflutenden  Welle,  ''')  De  Ridder,  Les  Bronzes  de  l'Acropole  d'Athenes 


die  ja  auch  mykenische  aber  nur  im  Osten  lebendig  S.  9 — 21. 

gebliebene  Elemente  wiederbringt,  zu  verdanken 


124 


Karl  Schwendemann,  Der  Dreifuß. 


Der  olympische  Typus  III  findet  sich  in  Delphi  und  im  Heraion  noch  um  einige 
Züge  bereichert.  Zwischen  die  Ornamentstreifen  des  Beines  und  die  Verzierung  seines 
oberen  Ansatzes  sind  öfter  ')  ein  oder  mehrere  Felder  eingeschoben,  die  als  Füllung 
ein  Ordenskreuz  tragen,  meist  eingeschlossen  in  zwei  konzentrische  Kreise,  zwischen 
denen  eine  Zickzacklinie  läuft.  Dieses  Ornament  ist  dann  öfters  noch  durch  einen 
oder  mehrere  horizontale  Streifen  von  dem  vertikalen  Dekorationsschema  des  Beines 
getrennt  ^).  Das  Ansatzstück  des  Beines  ist  dann  immer  besonders  behandelt  und 
trägt  eine  Riefelung,  deren  Linien  den  beiden  Beinrändern  entlang  laufen,  unten 
rechtwinklig  umbiegen  und  sich  treffen.  Die  Einfügung  eines  Zwischengliedes  in 
die  Ornamentik  des  Beines  konnte  nur  den  Zweck  haben  zwischen  der  Vertikale  des 
Beines  und  der  Horizontale  des  Kessels  eine  optische  Vermittlung  herzustellen,  wie 
ja  auch  bei  Typus  II  von  Olympia  das  Ansatzstück  des  Beines  nicht  selten  mit  hori- 
zontalen Tangentenkreisen  ausgestattet  ist.  Aber  eine  Vermittlung  fehlt  dort.  Ihr 
konnte  gerade  das  Kreuz  mit  dem  umlaufenden  Zickzack  gut  dienen,  weil  es  an  beiden 
Bewegungsrichtungen  teilnehmend,  dem  Auge  den  besten  Halt  bietet.  An  Stelle  des 
Kreuzes  erscheint  in  einem  Falle  eine  sechsblättrige  Rosette  3).  Besonders  interessant 
ist  das  Fragment  eines  großen  Beines  4).  Es  war  offenbar  in  über  einander  liegende 
Felder  eingeteilt,  die  Reliefschmuck  trugen.  Vom  obersten  durch  einen  Eierstab 
umrandeten  Felde  ist  noch  die  eine  Hälfte  erhalten  und  zeigt  die  obere  Hälfte  einer 
geflügelten  Göttin  mit  den  in  archaischer  Weise  oben  nach  innen  gebogenen  Flügeln, 
also  wohl  eine  uoTvta  Or^pöüv.  Wir  befinden  uns  bereits  im  orientalisierenden  Stil. 
Das  Stück  beweist  zudem,  daß  die  Nachahmung  des  Blechstiles  sich  auch  auf  die  Aus- 
schmückung der  Beine  mit  Reliefs  ausdehnte;  denn  diese  Art  von  Reliefs  ist  den  sog. 
argivisch-korinthischen  Bronzereliefs  geläufig  und  von  diesen  doch  jedenfalls  zuerst 
auf  das  verwandte  Material  der  Blechdreifüße  übertragen  und  erst  nach  ihrem  Vorgang 
im  Guß   nachgeahmt  worden. 

Einige  Stücke  des  Typus  III  machen  ein  interessantes  technisches  Detail  deutlich; 
der  Raum  zwischen  den  Nebenseiten  ist  nachträglich  ganz  oder  teilweise  mit  Bronze 
ausgegossen  worden  5).  Man  hatte  also  die  Nachahmung  von  Typus  II  so  weit  ge- 
trieben, daß  man  diesen  Fehler  nachträglich  wieder  gut  machen  mußte.  Auch  in 
Olympia  fanden  sich  Beine  des  Typus  III,  die  noch  einer  besonderen  Verstärkung 
bedurften  und  diese  in  Gestalt  einer  dritten  Nebenseite  zwischen  den  zwei  regelmäßig 
vorhandenen  erhielten  ^).  Man  suchte  eben  mit  allen  Mitteln  der  dekorativen  Wirkung 
des  Blechstils  nahezukommen  und  mußte  darauf  achten,  auf  andere  Weise  die  Beine 


')  Fouilles  de  DelphesV  241,  242,  243.    Argivc  He-  Ath.  X,  PI.  C.  Mon.  d.  Line.  I  tav.  XIII).     Es 

raeum  221.  scheint  sich  im   Südosten  aus  der  mykenischen 

')  Das  Ordenskreuz  ist  ein  geläufiges  geometrisches  Kunst  erhalten  zu  haben  und  von  dort  wieder 

Dekorationsmotiv  und  auf  Vasen  sehr  oft  anzu-  nach  Westen  vorgedrungen  zu  sein.     Vgl.  auch 

treffen,  z.  B.  auf  den  geometrischen  von  Rhodos  Mayer,   Apulien  197  fif. 

und  Milet  (Catal.  of  Vas.  Brit.  Mus.  I,  2,  C  745,  3)  Fouilles  de  Delphes  V  243  Fig.  217. 

763.  775.  780),   von  Thera  (Thera  II,  Fig.  322,  4)  Ebda.   191,  Fig.   183.      D.  =  0,18  m. 

324,   330),  auch   auf   mykenischen  Vasen   (Ath.  5)  Waldstein,  Arg.  Her.  2218,  2221. 

Mitt.   1897,  231)  und  Urnen     (Ann.  Brit.   Seh.  ')  Olympia  IV,  bes.  627,  627  a. 


Karl  Schwendemann,  Der  Dreifuß.  j  2  C 


wieder  zu  verstärken,  da  natürlich  gegossene  Bronze  nicht  dieselbe  Widerstands- 
kraft besitzt  wie  gehämmerte. 

Die  Nachahmung  des  Blechstiles  in  der  Gußtechnik  legt  den  Gedanken  nahe, 
daß  Typus  II,  der  in  Olympia  ganz  fertig  auftritt,  von  irgendwoher  eingewandert  ist 
und  den  Gußtypus  zu  verdrängen  drohte,  der  sich  nur  dadurch  helfen  konnte,  daß  er 
die  Formen  des  Rivalen  möglichst  treu  nachahmte.  Woher  dieser  fertige  Blechstiltypus 
kam,   ist  bis  jetzt  nicht  auszumachen  ').    ' 

Schon  oben  wurden  an  Typus  III  vereinzelte  orientalisierende  Elemente  ange- 
merkt, die  als  Nachahmung  des  Blechstils  betrachtet  wurden.  Verfolgt  man  die  Ent- 
wicklung des  Typus  II  weiter,  so  findet  man  dieses  Urteil  bestätigt,  zu  dem  schon 
allgemeine,  Erwägungen  drängen  müssen.  Der  Blechstil  hat  durch  sein  Material 
den  Vorzug  leichterer  Wandlungsfähigkeit.  Er  steht  dem  Reliefstil  durch  Material 
und  Technik  nahe.  Ferner  konnte  eine  bis  auf  Kleinigkeiten  sich  erstreckende  Nach- 
ahmung durch  den  Gußstil  öfter  bemerkt  werden.  Das  zwingt  zu  der  Vermutung, 
daß  der  Blechstil  in  der  Aufnahme  der  orientalisierenden  Elemente  voranging,  und 
sie  wird  bestätigt  durch  die  Tatsache,  daß  die  Reste  eine  reiche  Entfaltung  des  Blech- 
stiles innerhalb  der  orientalisierenden  Kunst  erschließen  lassen. 

Fragmente  von  der  Akropolis  zeigen  das  weitere  langsame  Eindringen  des  orien- 
talisierenden Stils  in  die  Ornamentik  der  Blechdreifüße  2).  Gleichzeitig  tritt  ein  neuer 
Typus  von  Dreifußbeinen  auf,  deren  Dekoration  ganz  orientalisierend  ist3).  Sie  be- 
stehen aus  einem  Rahmenwerk  von  2  cm  breiten  und  1/2  cm  dicken  Bronze - 
leisten  mit  Strickmuster.  Darauf  sind  von  hinten  Bronzebleche  von  i  mm 
Dicke  aufgenagelt,  welche  den  Zwischenraum  ausfüllen  und  in  reliefgeschmückte 
Felder  eingeteilt  sind.  Zur  Verstärkung  waren  hinten  auf  jeder  Seite  noch  einmal 
schmale  Streifen  von  Bronzeblech  aufgenagelt,  welche  nach  unten  breiter  wurden. 
Die  an  den  Rändern  dreifache  Bronzelage  genügte  zwar  den  Forderungen  der  Sta- 
bilität, aber  diese  Konstruktion  hat  es  verschuldet,  daß  nur  geringe  Reste  der  Reliefs 
erhalten  geblieben  sind.  Sie  lassen  aber  soviel  erkennen,  daß  die  auf  den  schwarz- 
figurigen  Vasen  so  beliebten  Kompositionen  hier  die  Themen  der  Dekoration  abgaben, 
natürlich  in  anderer  Weise.  Der  beschränkte  Raum  der  quadratischen  Bildfelder 
gestattete  nur  Gruppen  zu  wenigen  Personen  oder  Tieren.  Es  scheint,  als  ob  Tier-  und 
Menschengruppen  in  den  einzelnen  Bildfeldern  abwechselten.  Wenigstens  ist  das  bei 
dem  größten  der  erhaltenen  Fragmente  der  Fall  4).  Wenn  wir  die  wenigen  Fragmente 
durch  die  Vasenbilder  und  besonders  durch  die  sog.  argivisch-korinthischen  Reliefs 
in  der  Phantasie  ergänzen,  so  erhalten  wir  eine  Vorstellung  von  dem  Reichtum,  zu 
welchem  sich  der  Blechdreifußtypus  entwickelt  hat  5).     Auch  die  Henkel  wurden 

')  Schweitzers    Herleitung    von    Typus    III    (Ath.  4)  De  Ridder  29;  J.  H.  St.  XIII,  264  Fig.  30.   Zwei 

Mitt.  1918,  87),  die  nicht  mit  lauter  stichhaltigen  Löwen     im    Wappenschema;     darunter     Kampf 

Gründen   belegt   wird,    läßt   sich   keinesfalls   auf  zweier  Athleten  um  einen  Dreifuß.    Eine  Palmette 

alle  olymp.  Dreifüße   ausdehnen,   am  wenigsten  das  Feld  füllend.  De  Ridder  33.  Ebda.  40,  Krieger 

auf  den  Typus  II,  den  geometrischsten  von  allen.  mit  korinthischem  Helm. 

^)  J.  H.  St.  XIII,  235  Fig.  3.    De  Ridder,  Bronzes  5)  Danach    müssen    wir    uns    die   lirE(pYoc((j.ivo  an 

de  l'Acr.  25.  den    Dreifüßen    des    Gitiadas   in   Amyklai   vor- 

3)  De  Ridder  29 — 46.      J.   H.   St.  XIII,  265  ff.  stellen.  Das  paßt  auch  chronologisch,  da  Gitiadas 


126  Karl  Schwendemann,  Der  Dreifuß. 


geschmückt.  Im  Akropolismuseum  befindet  sich  ein  Henkel,  dessen  Rund  durch  die 
in  Blech  ausgeschnittene  Figur  einer  Gorgo  mit  feiner  Detailgravierung  ausgefüllt 
ist  ■),  ganz  im  Stil  des  großen  Heraklesreliefs  von  Olympia  *),  und  in  der  Technik 
den  Reliefdreifußbeinen  entsprechend. 

Soweit  kann  die  Entwicklung  des  Kesseldreifußtypus  in  Metall  an  den  Resten 
selbst  verfolgt  werden.  Später  fehlen  diese.  Wir  haben  Weihinschriften,  Vasen-  und 
Münzbilder  und  Übertragungen  der  Form  in  den  Stein,  freiplastisch  oder  in  Relief. 
Sie  bilden  die  Quelle  unserer  Kenntnis,  und  hinzu  tritt  gelegentliche  Erwähnung  in  der 
Literatur.  Ganz  losgelöst  vom  Zwange  praktischer  Benutzbarkeit  als  Gebrauchs- 
gegenstand, folgt  der  Typus  in  seiner  Entwicklung  dem  Streben  nach  freier  Gestaltung, 
noch  mehr  als  bisher. 

Die  Beine  der  älteren  Dreifüße  endigen  unten  einfach  mit  glattem  Abschnitt. 
Die  Dekoration  hört  meist  schon  ein  Stück  vor  dem  unteren  Beinende  auf.  Die  Ge- 
räte standen  also  entweder  im  Freien  in  der  Erde  oder  waren  in  eine  steinerne  Basis 
eingelassen.  Seit  dem  sechsten  Jahrhundert  sitzt  nach  Ausweis  der  Münzen  und  Vasen 
am  Beinende  stets  eine  Löwenklaue,  so  schon  auf  der  Frangoisvase  3).  Ferner  treten  an 
die  Stelle  der  in  alter  Zeit  üblichen  zwei  Henkel  drei,  welche  über  den  Beinen  stehen, 
während  sie  früher  zu  denselben  in  keinerlei  Responsion  gestanden  hatten.  Dadurch 
wird  eine  einheitlichere  und  ruhigere  Wirkung  erzielt  4). 

Für  die  Befestigung  der  Henkel  hat  man  öfter  die  dekorative  Form  der  Pal- 
mette verwendet  5),  ein  an  den  Bronzegefäßen  des  VI.  und  V.  Jahrhunderts  ja  äußerst 
beliebter  Ansatz.  Auch  die  Art  des  Ansatzes  zeigt  Veränderungen.  Bei  den  ältesten 
olympischen  Dreifüßen  saßen  die  Henkel  noch  etwas  unterhalb  des  Kesselrandes  auf. 
Typus  II  stellt  sie  höher,  so  daß  zwischen  Rand  und  Kessel  eine  Fuge  bleibt,  ebenso 
Typus  III.  So  ist  es  noch  auf  vielen  archaischen  Vasenbildern  *).  Die  Henkel  rücken 
immer  höher  7),  bis  sie  manchmal  um  die  Hälfte  ihres  Durchmessers  vom  Kessel- 
rand abstehen.  Da  gerade  auf  einer  Anzahl  sehr  sorgfältig  gemalter  Vasen  dieser  Zug 
auftritt,  wird  man  darin  keine  Zufälligkeit  sehen  dürfen.  Er  scheint  vielmehr  mit 
einigen  anderen  auf  dasselbe  Streben  zurückzugehen.     Man  wollte  die  auch  in  den 


in  der  Mitte  des  VI.   Jahrhunderts  tätig  war.  dreihenkliges   Gerät    malte.       Gegen   Ende    des 

Pauly-Wiss.  VII,  137.  VI.  Jahrhunderts  scheint  der  dreihenklige  Typus 

J)  J.  H.  St.  XIII,  267  Anm.  20.  Regel  geworden   zu  sein. 

»)  Olympia  IV  Taf.  XL.  5)  österr.  Jahreäh.  1907  Taf.  III,  IV;  Mon.  d.  Inst. 

3)  Die  Löwenklaue  setzt  deutlich  ab,  und  der  II  46,  26;  Furtw.-Reichh.  91.  Zuweilen  ent- 
Knöchel des  Löwenbeines  ist  durch  einen  Vor-  wickeln  sie  sich  aus  Voluten:  Furtw.-Reichh. 
Sprung  über  der  Einziehung  der  Klaue  markiert.  134.  Auch  Doppelpalmetten  kommen  vor,  die 
Je  nach  der  Sorgfalt  des  Vasenmalers  erscheinen  dann  vom  Kesselrand  gerade  in  der  Mitte  über- 
die  Klauen  lebendig  und  ausdrucksvoll,  so  auf  schnitten  werden.  Catal.  Vas.  Brit.  Mus.  II 
einer    Amphora    des    »Tüftlers«    Phintias    (Furt-  B  195.  Abb.  30.     S.  22. 

wängler-Reichhold    Taf.  91),    oder    schematisch  ')  Z.   B.   Gerhard  A.  V.   157.      Furtw.-Reichh.    133 

und   ausdruckslos.  u.  sonst  öfter. 

4)  Interessant  ist,  daß  der  Maler  Phintias  in  zwei  7)  Gerhard  A.  V.  225.  Furtw.-Reichh.  32,  134. 
uns  erhaltenen  Darstellungen  des  Dreifußraubes  Mon.  d.  Inst.  II  46.  Pellegrini,  Mus.  civico  di 
das   eine    Mal   ein    zweihenkliges   (Furtwängler-  Bologna  I  Fig.  35,  Fig.  56. 

Reichhold  Taf.  32),  das  andre  Mal  (ebda.  91)  ein 


Karl  Schwendemann,  Der  Dreifuß. 


127 


entwickeltsten  olympischen  Exemplaren  noch  reichlich  schwere  Form  leichter  und 
graziöser  gestalten.  Schon  die  Aufnahme  eines  dritten  Henkels  konnte  dazu  beitragen, 
indem  so  die  Vertikale  der  Beine  über  die  Horizontale  des  Kessels  hinausgeführt 
wurde.  Besser  noch,  wenn,  wie  das  die  Vasenbilder  des  VI.  und  V.  Jahrhunderts 
zeigen,  die  Bauchung  des  Kessels  verringert  wurde,  und  er  mehr  die  Gestalt  einer 
flachen  Schale  erhielt '). 

Während  ferner  die  olympischen  Dreifußkessel  keinen  Rand  hatten,  sieht  man 
auf  Vasenbildern  sehr  oft  Kessel  mit  niederem  Rand  *),  was  eine  sehr  befriedigende 
Form  ergibt.  Die  Bauchlinie  des  flachen  Kessels  biegt  oben  in  graziösem  Schwung 
um,  läuft  ein  kleines  Stück  einwärts,  um  sich  dann  im  Rand  noch  einmal  zu  erheben 
und  auszulaufen.  Später  wird  aus  diesem  Rand  ein  hoher  Hals,  an  dem  bisweilen 
die  Henkel  sitzen  3). 

Des  weiteren  wird  das  ganze  Gerät  schlanker,  die  Beine  höher.  Während  bei 
den  ältesten  Dreifüßen  aus  Knossos,  Mykenae  und  Olympia  der  Kessel  breiter  ist  als 
die  Beine  hoch,  ist  das  Verhältnis  bei  Typus  H  und  HI  etwa  4  :  5  anzunehmen  4) ; 
die  Frangoisvase  kommt  auf  3  :  5,  die  Vasenbilder  des  Phintias  auf  2  : 4,  die  des 
strengen  und  schönen  Stils  auf  i  :  3,  ja  i  :  4  5). 

Es  ist  öfter  zu  bemerken,  daß  die  Distanz  der  Fußpunkte  der  Beine  geringer 
ist  als  der  Durchmesser  des  Kessels.  Die  Beine  neigen  sich  also  oben  etwas  nach  aus- 
wärts.    Dadurch  erscheinen  die  Verhältnisse  schlanker').     Das  hat  sich  gehalten. 


■)  Z.  B.  Furtw.-Reichh.  32,  134;  sehr  schön  Mon. 
d.  Inst.  II  46. 

')  Furtw.-Reichh.  133,  32,  134,  91.  Mon.  d.  Inst. 
II  46. 

3)  Angelini-Patroni,  Vasi  dipinti.  Taf.  38.  Mon. 
d.  Inst.  VI/VII  71,  2.  Der  Kessel  mit  Hals  ist 
auf  Münzen  des  IV.  Jh.  besonders  häufig,  z.  B.  auf 
solchen  von  Zakynthos  (Cat.  Greek  Coins  Br. 
Mus.  Peloponnes  97  Nr.  33  Taf.  XIX  23).  Auf 
denen  von  Kroton  ist  die  Form  mit  und  ohne 
Hals  abwechselnd  (Cat.  Gr.  C.  Brit.  Mus.  Italy 
S.  348  £f.)  zu  sehen. 

■1)  Nach  Furtwänglers  Rekonstruktion  a.  a.  O.  Taf. 
40. 

5)  Zuweilen  begegnen  übermäßig  schlanke  Verhält- 
nisse (Furtwängler,  Gemmen  Taf.  X8;  Furtw.- 
Reichh.  32,  133;  Gerhard  A.  V.  225.  Mon.  d. 
Inst.  I  9,  3  II,  46).  Sehr  schlank  war  auch  das 
platäische  Weihgeschenk.  Die  Höhe  des  jetzt 
noch  erhaltenen  Schlangengewindes  beträgt  5,35 
m.  Rechnet  man  die  verloren  gegangenen  Stücke 
mit  etwa  "/lo  des  jetzt  vorhandenen,  setzt  man 
außerdem  einen  flachen  Kessel  mit  einem  Ver- 
hältnis zwischen  Kesseltiefe  und  Kesseldurch- 
messer von  I  :  3,  wie  es  zahlreiche  Vasenbilder 


der  Zeit  zeigen,  und  den  Kesseldurchmesser 
zu  1,30  m  (Verhältnis  ca.  i  :  3)  so  kommt  man 
auf  eine  Beinlänge  von  6,30  m.  Die  von  Furt- 
wängler publizierte  Basis  des  Weihgeschenkes, 
welche  von  den  Franzosen  in  Delphi  wieder- 
gefunden wurde,  zeigt  einen  Beinabstand  von 
1,15,  so  daß  ein  Verhältnis  von  5,5  :  i  zwischen 
Beinhöhe  und  Kesseldurchmesser  sich  ergibt; 
eine  unerträglich  schlanke  Form  für  die  erste  Vor- 
stellung. Erst  wenn  wir  eine  ungewöhnlich 
starke  Neigung  der  oberen  Beinenden  nach  außen 
um  mehr  als  die  Hälfte  der  unteren  Bein- 
distanz annehmen,  kommen  wir  zu  einem 
annehmbaren  Verhältnis.  Wir  dürfen  nicht  ver- 
gessen, daß  bei  der  gewaltigen  Höhe  des  Monu- 
ments, das  auf  einer  mehrstufigen  Basis  stand, 
eine  sehr  starke  Ausladung  der  Beine  und  ein 
sehr  großer  Kessel  nötig  war,  wenn  das  Ganze 
richtig  wirken  sollte.  Wir  dürfen  demnach  einen 
Kesseldurchmesser  von  i,8ö  annehmen  und 
hätten  dann  das  Verhältnis  etwa  I  :  3,5.  Die 
Rekonstruktion  bei  Springer-Michaelis  9  Fig.  396 
ist  demnach  kaum  schlank  genug. 
')  Z.  B.  Furtw.-Reichh.  32,  133.  Gerhard,  A.  V. 
225.  Mon.  d.  Inst.  I  9,  3  II  46. 


128  K.*'l  Schwendemann,  Der  Dreifuß. 


Noch  Dreifüße  auf  römischen  Monumenten  zeigen  oft  diese  kaum  merkhche  Neigung 
der  Beine,  die  man  eigentlich  nur  durch  Nachmessen  kontrollieren  kann  '). 

Auch  sonst  lassen  sich  noch  verschiedene  weniger  wichtige  Züge  anmerken, 
welche  die  Formen  bereichern.  Die  Henkel  werden  mit  einem  ganzen  Gitterwerk  von 
Stäben  verbunden,  welche  offenbar  auf  die  schon  an  den  olympischen  Exemplaren 
vorhandenen  Nebenstützen  der  Ringe  zurückgehen.  Über  die  Ringe  wird  zum  Ab- 
schluß des  Ganzen  ein  Reif  gelegt,  der  nicht  selten  mit  Zacken  oder  Stacheln  ver- 
sehen ist,  offenbar  um  den  Vögeln  das  Aufsitzen  auf  die  freiaufgestellten  Weihdrei- 
füße zu  verleiden.  Vielleicht  sollte  dem  zu  einem  Teil  auch  das  Stabwerk  zwischen 
den  Ringen  dienen.  Ebenfalls  einem  praktischen  Bedürfnis  diente  der  bald  flache, 
bald  halbkugelige  Deckel,  welcher  so  oft  (z.  B.  auf  dem  Fries  des  Lysikratesmonu- 
ments)  auf  den  Denkmälern  erscheint;  er  sollte  offenbar  den  Kessel  abdecken  und 
das  Eindringen  des  Regenwassers  verhindern,  das  in  dem  Kessel  stehen  geblieben 
wäre  und  ihn  in  kurzer  Zeit  hätte  zerstören  müssen. 

Der  Verstärkung  des  Gerätes  galten  die  Horizontalringe  an  den  Beinen,  die  in 
der  Ein-  und  Mehrzahl  erscheinen  und  schon  in  archaischer  Zeit  nachweisbar  sind  ^). 
Auch  sie  sind  nicht  selten  mit  Stacheln  besetzt. 

Die  Entwicklung  des  Kesseldreifußes  vollzieht  sich  bis  ins  IV.  Jahrhundert 
in  den  Formen  des  Metallgeräts.  Die  Vasenbilder  zeigen  deutlich  stets  den  Typus  des 
Dreifußes  aus  Metall. 

Diese  Entwicklung  ist  reich  und  vielseitig.  Aus  dem  mykenischen  Kochtopf 
formen  sich  infolge  der  Bedeutung  des  Dreifußes  als  Kunstgegenstand  und  Anathem 
die  in  Olympia  vertretenen  Typen,  deren  fortgeschrittenste  Vertreter  uns  zeigen, 
wie  der  vollentwickelte  geometrische  Stil  das  Problem  löste,  den  alten  Kochtopf  zu 
einem  freiaufgestellten  Gerät  ohne  praktischen  Zweck  umzubilden,  das  nur  ästhetischen 
Anforderungen   zu    genügen   hatte. 

Ein  flachhalbkugelförmiges  Becken  ruht  auf  drei  breiten  niit  reichster  geo- 
metrischer Dekoration  ausgestatteten  Beinen,  die  bis  zum  Kesselrande  hinauflaufen. 
Zwei  große  ebenso  dekorierte  Ringhenkel  stehen  ohne  Responsion  zu  den  Beinen  auf 
dem  Kesselrande.  Die  Funde  von  der  Akropolis  lassen  die  archaische  Durchbildung 
dieses  Typus  erkennen.  Die  Beine  sind  mit  einer  Vertikalreihung  von  Reliefs  ge- 
schmückt, in  das  Rund  des  Henkels  ist  eine  in  Blech  ausgeschnittene  Figur  kompo- 
niert. Palmetten,  Rosetten  und  andere  orientalisierende  Ziermotive  vervollständigen 
die  Dekoration  (Journ.  Hell.  Stud.  XHI  265  ff.).  Weiterhin  tritt  eine  Responsion 
von  Henkeln  und  Beinen  ein,  das  Gerät  wird  schlank,  der  Kessel  verliert  an  Schwere. 
Zutaten  wie  ein  Ring  über  den  Henkeln  und  solche  um  die  Beine  und  anderes  kommen 


')  Z.  B.  Jahn,  Bilderchroniken  Taf.  V;  Rom.  Mitt.  unterhalb  ihrer  mittleren  Höhe  eingezogen  sind, 

1896,  19,  CR.  St.  Petersb.  I  Taf.  III;  Mon.  d.  um    dann    in    einer    leichten    Ausbiegung    nach 

Inst.    IV,   4.      Musees   des   antiques    III   Taf.   2.  oben  zu  verlaufen.    Altert,  von  Pergamon  VII,  2 

Zoega,  Bassirilievi  II  Taf.  98.  S.  312  Nr.  402.    Not.  d.  sc.  1880,  132.    Taf.  V. 

Ein   origineller  Versuch   die   Form  graziöser  Rom.  Mitt.  1908,  35,  Matz-v.  Duhn  3664.    Babe- 

zu  gestalten  ist  es  ferner,  wenn  die  Beine  auf  Ion,  Rois  de  Syrie  S.  32  Nr.  224,  T.  VI. 
hellenistischen  und  römischen  Denkmälern  etwas        ^)  Furtwängler,  Berliner  Vasens.  1837. 


Karl   Schwendemann,   Der  Dreifuß.  j  2Q 


hinzu.  Die  Notwendigkeit  der  Aufstellung  der  Dreifüße  als  Anatheme  oder  später 
als  Dekorationsstücke  beherrschte  dann  die  wichtigsten  Bildungen,  die  uns  seit  dem 
V.  Jahrhundert  erhalten  sind,  völlig. 

Sie  lassen  sich  alle  unter  dem  Gedanken  der  Gestaltung  des  Dreifußes  als  frei- 
plastisches Kunstwerk  zusammenfassen.  Diese  vollzog  sich  in  Metall,  ganz  besonders 
aber  in  Stein. 

Nun  ist  ein  auf  einer  Basis  gegen  den  freien  Luftraum  aufgestellter  Dreifuß  ein 
künstlerisches  Unding.  Der  mächtige  Kessel  auf  den  drei  dünnen  Beinen  hängt 
unsicher  im  Räume,  da  er  keinen  festen  plastischen  Körper  unter  sich  hat,  sondern 
nur  eine  durch  die  drei  Beine  angedeutete  theoretische  prismatische  Körperlichkeit. 
Erhält  ein  bedeutender  Künstler  den  Auftrag,  einen  Weihdreifuß  zu  bilden,  so  wird 
er  sich  dieser  Schwierigkeit  bewußt  sein,  die  davon  herrührt,  daß  ein  reines  Gebrauchs- 
gerät nun  die  Funktion  eines  freiplastischen  Kunstwerkes  zu  erfüllen  hat.  Seine 
Vorstellung  wird  sich  auf  das  theoretische  Prisma  zwischen  den  Dreifußbeinen  konzen- 
trieren; dessen  Unkörperlichkeit  wird  seine  Vorstellung  irgendwie  beseitigen  müssen. 
Andererseits  darf  die  Tektonik  der  Dreifußform  nicht  verschwinden  '). 

Die  einfachste  und  durch  die  Monumente  auch  am  zahlreichsten  überlieferte 
Lösung  *)  ist  die  einer  vierten  Unterstützung  des  Kessels  unter  seiner  Mitte  durch 
eine  Säule.  Das  Gerät  bleibt  so  als  solches  in  seinem  Aufbau  völlig  klar,  da  die  Durch- 
sicht zwischen  Mittelstütze  und  Beinen  nicht  verhindert  ist,  und  der  Kessel  hat  nun 
einen  seiner  Masse  entsprechenden  tragenden  Körper  unter  sich.  Das  Ganze  gewinnt 
jetzt  erst  die  durch's  Auge  geforderte  Stabilität  und  besitzt  eine  nach  allen  Seiten 
gleiche  Anschaulichkeit.  Daß  die  Säule  die  auf  den  Denkmälern  am  häufigsten  vor- 
kommende Art  der  mittleren  Kesselunterstützung  ist,  kann  man  deshalb  wohl  schwer- 
lich  als  Zufall  betrachten. 

Nicht  weniger  selbstverständlich  ist  es,  daß  bedeutende  Künstler,  wenn  sie 
mit  der  Aufstellung  eines  Dreifußes  betraut  wurden,  sich  mit  diesem  einfachen  Motiv 
nicht  zufrieden  gaben,  sondern  nach  einem  neuen  Gedanken  suchten. 

So  stellten  Gitiadas  und  Kallon  weibliche  Gewandstatuen  unter  ihre  Drei- 
füße zu  Amyklai.  Denn  ihre  »Dreifußstatuen«  wird  man  doch  als  Trägerinnen  des 
Kessels  auffassen  müssen,  oder  besser  als  einen  Versuch,  das  Problem  der  Umbildung 


')  Eine  Vorstufe,  die  primitivste  Art  der  Besei-  distanz  von  40 — 53  cm  ergeben,  was  ein»  Höhe 
tigung  des  unplastischen  Prismas  zwischen  der  Dreifüße  von  0,80- — 1,10  m  entspricht, 
den  Dreifußbeinen  läßt  sich  aus  Funden  auf  der  können  sehr  wohl  ästhetische  Gründe  maßgebend 
Akropolis  von  Athen  erschließen.  Eine  Anzahl  gewesen  sein.  (Ath.  Mitt.  1908,  273.)  Die  An- 
Porosblöcke  von  der  Gestalt  eines  rechtwinkligen  sieht  von  Fabricius  (Jahrb.  d.  Inst.  1886,  191), 
Dreiecks  mit  abgeschnittenen  Ecken,  deren  jede  der  die  »DreifußmittelstUtzen«  mit  der  Not- 
einen breiten  Falz  trug,  und  ein  gleichartiger  wendigkeit  der  Entwässenmg  des  Kessels  er- 
Block, der  oben  kalottenförmig  eingetieft  war,  klären  wollte,  wird  durch  diesen  Fund  widerlegt, 
ließen  eine  Aufstellung  von  Dreifüßen  erschließen,  da  von  'einer  Entwässerungsvorrichtung  für  den 
bei  der  das  Prisma  zwischen  den  Beinen  völlig  Kessel  keine  Spur  vorhanden  ist. 
in  Stein  materialisiert  war.  Ob  das  aus  tech-  2)  Fabricius,  Jahrb  d.  Inst.  I  1886,  187  ff.  Reisch, 
nischen  oder  künstlerischen  Rücksichten  gesche-  Griech.  Weihgeschenke  74,81.  Ath.  Mitt.  1906, 
hen  ist,  ist  unsicher.    Da  die  Blöcke  eine  Bein-  134  ff-,  Klio  IX,  153  ff. 


130 


Karl  Schwendemann,  Der  Dreifuß. 


des  Gerätes  zum  freiplastischen  Kunstwerk  zu  lösen.  Gerade  die  archaische  Gewand  • 
figur  eignete  sich  durch  ihre  Gebundenheit  dazu  besonders  '). 

Aber  die  Dreifußstatue  mußte  der  entwickelten  Kunst  als  ungeeignet  erscheinen, 
da  sie  der  Forderung  der  allseitigen  Anschaulichkeit  nicht  entsprach.  Der 
Künstler,  der  das  platäische  Weihgeschenk  schuf,  von  dem  uns  Basis  und  »Schlangen- 
säule« ja  noch  erhalten  sind,  hat  eine  neue,  völlig  befriedigende  Lösung  gefunden. 
Er  verzichtete  auf  die  Statue,  ohne  jedoch  auf  das  simple  Motiv  der  Säule  zurück- 
zukommen, und  wählte  drei  in  einander  gewundene  Schlangenleiber,  denen  zu  Liebe 
er  dem  Dreifuß  sehr  schlanke  Proportionen  gab.  Diese  Lösung  entspricht  der  Forde- 
rung nach  allseitiger  Anschaulichkeit  und  vermeidet  außerdem  die  Starrheit,  welche 
eine  Säule  an  derselben  Stelle  hat.  Auf  den  sich  windenden  Schlangenleibern,  deren 
züngelnde  Köpfe  zwischen  den  Beinen  unter  dem  Kessel  hervorschauten  und  deren 
Kontur,  an  sich  lebendig,  durch  den  Glanz  der  gewölbten  Bronzeflächen  jede  tek- 
tonische  Starrheit  verlor,  behielt  der  Kessel  etwas  von  dem  freien  Schweben,  das  für 
den  Eindruck  des  Dreifußes  ohne  Mittelstütze  bezeichnend  ist.  Der  Künstler  gewann 
also  bei  allseitiger  Sichtmöglichkeit  eine  plastische  Stabilierung  des  Dreifußes,  ohne 
daß  der  Eindruck  des  Schwebens  beim  Kessel  ganz  verloren  ging,  und  löste  so  seine 
Aufgabe,     den  Dreifuß  zu  einem  freiplastischen   Kunstwerk  zu  gestalten,     restlos. 

Als  der  Künstler,  der  die  Pflanzensäule  vonDelphi  schuf  (Beil.,  Abb. 25),  sich  vor 
ein  ähnliches  Problem  gestellt  sah,  kehrte  er  zum  Motiv  der  Dreifußstatue  zurück»). 
Aber  als  Zeitgenosse  des  griechischen  Barocks  mußte  er  die  Forderung  allseitiger 
Anschaulichkeit  noch  stärker  empfinden  als  der  Schöpfer  des  platäischen  Weihge- 
schenks. Ist  doch  das  Hinausgreifen  der  Freiplastik  in  den  Raum,  ihre  bewußte  Ge- 
staltung als  ein  nach  allen  Seiten  sich  entwickelnder  Organismus  gerade  das  typische 
Merkmal  des  Barocks  alter  und  neuer  Zeit.  So  erscheinen  denn  auf  der  delphischen 
Pflanzensäule  drei  tanzende  Koren  unter  dem  Dreifuß.  Es  ist  die  barocke  Lösung 
des  Problems  des  freiplastischen  Dreifußes  mit  Hilfe  der  menschlichen  Figur.  Der 
Künstler  läßt,  entsprechend  den  drei  durch  die  Dreifußbeine  gegebenen  Flächen, 
drei  Koren  auftreten  und  gewinnt  damit  für  jede  der  drei  Seiten  eine  Frontalansicht. 
Durch  die  Tanzbewegung  wurde  gleichzeitig  der  Eindruck  des  Tragens  vermieden, 
so  daß,  ähnlich  wie  am  platäischen  Weihgeschenk,  das  freie  Schweben  des  Kessels 
erhalten  blieb,  um  so  mehr,  als  der  metallene  Dreifuß  sich  von  dem  Marmor  der  Plastik 
abhob.    Aber  die  Verbindung  der  Elemente  war  loser  als  dort. 

Noch  auf  andere  Weise  hat  die  Antike  versucht,  das  Dreifußgerät  zum  plasti- 
schen Kunstwerk  umzubilden.  Das  plastische  Vakuum  zwischen  den  Beinen  konnte 
auch  von  außen  her  beseitigt  werden,  so  gut  wie  von  innen  durch  »Mittelstützen«, 
wie,  das  zeigen  zwei  gemalte  Dreifüße  aus  der  Casa  dei  Dioscuri  in  Pompei  (Herrmann- 
Bruckmann,  Denkmäler  d.  Malerei  d.  Alt.  Taf.  131),  zu  denen  es  mehrere  Analogieen 
gibt,  so  daß  man  den  »Eindruck  eines  künstlerischen  Typus«  hat.  Es  sind  sehr  schlanke 

')  Vgl.  Anhang  über  die  Dreifußstatuen.  Delphes    II   Taf.   XIV   (auch   bei   Luckenbach, 

')  Vgl.    die    Rekonstruktion    BuUes    (Der  schöne  Olympia  und  Delphi  Fig.  65).     Ähnlich  müssen 

Mensch  297  Abb.  70),  die  offenbar  mehr  Anspruch  wir  uns  wohl  den  von  Paus.  I,  18,8  erwähnten 

auf  Richtigkeit  hat  als  die  in  den  Fouilles  de  Dreifuß  vorstellen. 


Karl  Schwendemann,  Der  Dreifuß. 


131 


Exemplare  mit  horizontalen  Beinringen,  auf  denen  Figuren  (Niobiden)  stehen  und 
knieen.  Diese  füllen  die  Flächen  zwischen  Beinen,  Beinringen  und  Kessel  und  geben 
dem  Ganzen  die  Möglichkeit  der  plastischen  Scheinexistenz. 

Am  weitesten  haben  von  dem  ehemaligen  Typus  die  Bemühungen  abgeführt, 
den  Kesseldreifuß  als  Steinplastik  zu  bilden. 

Chronologisch  an  erster  Stelle  stehen  verschiedene  Fragmente  aus  Pergamon, 
die  uns  zum  ersten  Male  von  dem  Versuch  Zeugnis  geben,  den  Dreifuß  als  plastisches 
Kunstwerk  in  Stein  zu  gestalten.  Ein  Beinfragment ')  hat  flach-stabartige  Form 
und  endet  oben  in  einem  Kapitell,  mit  hohen  Voluten,  deren  Aufrollung  mit  einer 
Rosette  gefüllt  ist.  Die  Fläche  des  Kapitells  wird  durch  einen  Akanthuskelch eingenom- 
men, aus  dem  sich  ein  arazeenartiger  Blütenkolben  mit  einem  Deckel  auf  der  Spitze 
entwickelt.  Das  Bein  ist  als  architektonisches  Glied  empfunden.  Direkt  über  seinem 
Kapitell,  das  bis  an  den  Rand  des  Kessels  hinaufreicht,  liegt  ein  mächtiger  Kranz, 
von  einem  doppelten  Band  umschlungen,  die  Stephane,  welche  auf  den  Vasenbildern 
und  Münzen  seit  dem  V.  Jh.  so  oft  über  den  Henkeln  der  Dreifüße  erscheint,  sei  es,  daß 
damit  der  Kranz  als  Zeichen  des  Sieges  oder  als  Symbol  Apolls  gemeint  ist.  Auch  dieser 
Kranz  ist  hier  als  mächtiger  Wulst  architektonisch  stilisiert.  Die  Henkel  hat  der  Künst- 
ler weggelassen.  Daß  er  dabei  einer  richtigen  Empfindung  gefolgt  ist,  lehren  die  Drei- 
füße, welche  in  Fragmenten  im  Baieuterion  von  Milet  zutage  gekommen  sind,  und  von 
denen  einer  wieder  zusammengesetzt  und  ergänzt  werden  konnte.    (Beil.,  Abb.  26). 

Die  eingehende  Behandlung  durch  H.  Winnefeld  ^)  erübrigt  ein  Weiteres.  Die 
Dreifüße  standen  jedenfalls  in  den  Winkeln  des  Buleuterions  zwischen  Umfassungs- 
mauer und  oberster  Sitzreihe.     Die  Gesamthöhe  betrug  etwa  3,87  m. 

Vom  zweiten  Dreifuß  sind  nur  wenige  Reste  erhalten.  Aber  er  stimmte  im  Auf- 
bau, weniger  im  Ornament,  mit  dem  ersten  überein  3).  Die  Übertragung  des  Metall- 
gerätes in  Stein,  wie  sie  freiplastisch  für  uns  zum  ersten  Male  diese  milesischen  Drei- 
füße dartun,  ist  recht  unglücklich  ausgefallen.  Der  Künstler  vermochte  sich  nicht 
genügend  vom  Metallvorbilde  loszumachen.  Die  Verbindung  von  Beinen  und  Kessel 
ist  zu  locker,  der  Kessel  selbst  tritt  zu  wenig  in  die  Erscheinung  und  die  großen  hoch- 
gestellten Ringhenkel  nötigten  dazu,  den  oberen  Teil  des  Dreifußes  viel  zu  hoch  zu 
bilden,  so  daß  das  ganze  schlecht  in  den  Proportionen  und  zusammenhanglos  ge- 
worden ist  4). 

In  einer  Hinsicht  sind  diese  milesischen  Dreifüße  aber  bezeichnend  für  die 
Bildungen  der  hellenistischen  und  römischen  Zeit,  im  Reichtum  ihrer  Zierformen,  der 
ja  in  der  gleichzeitigen  Architektur  viele  Parallelen  hat. 

Ganz  natürlich  werden  auch  bei  anderen  Übertragungen  des  Kesseldreifußes 
in  Stein  die  Einzelformen  in  die  Sprache  der  Architektur  übersetzt.   Die  Beine  werden 

')  Altert,  von  Pergamon,  VII  2,  349  Nr.  443.  Bruch-  Nr.  442. 

stück    eines    Beines  H.  =  0,22    mit    beiderseits  4)  Vgl.  Mus.  d.  Ant.  III.  Autels  PI.  2.    Ein  römischer 
anschließenden  Teilen  des  Bauches.  Künstler   hat  hier  unter   deutlicher  Anlehnung 
^)  Milet  Heft  II,  S.  90  ff.,  Taf.  19,  20.  an  das  Metallvorbild  eine  Übertragung  in  den 
3)  Die   Hälfte  eines  kleinen  Marmordreifußes  von  Stein   gegeben,   die   als   völlig  gelungen  zu    be- 
einfacheren    Formen,     Pergamon    VII 2,     348,  trachten  ist. 


122  Karl  Schwendemann,  Der  Dreifuß. 

als  Pilaster  auf  stilisierten  Löwenklauen,  oben  in  ein  Kapitell  endigend,  gebildet  •). 
Ihre  Vorderseite  ist  kannelliert,  wie  an  den  milesischen  Stücken,  oder  mit  Ornament 
übersponnen  »).  Die  Henkel  erscheinen  zuweilen  als  Masken  umstilisiert  3)  oder  als 
Rosetten  gebildet  4).  Die  dionysischen  Masken  an  den  milesischen  Dreifüßen  finden 
ihre  Analogie  in  Gorgoneien  und  Löwenköpfen  an  anderen  Exemplaren  5).  Auch  die 
Beinendigungen  sind  nicht  selten  mit  solchen  Masken  besetzt  6).  Der  Kessel  ist  fast 
regelmäßig  geriefelt  und  teils  flacher  7),  teils  tiefer.  Öfter  setzt  sich  die  halbkugel- 
förmige Rundung  des  Kessels  über  die  Beinendigungen  hinaus  in  einer  Einziehung 
fort  und  ergibt  so  eine  hohe  oben  schmaler  werdende  Form  ^),  welche  übrigens  unter 
den  auf  römischen  Reliefs  erscheinenden  Gefäßen  nicht  ohne  Analogie  ist.  Wo  ein 
oberer  Ring  über  den  Henkeln  liegt,  ist  er  öfter  von  Sphinxen  getragen  9).  Durch 
solche  Bildungen  wird  man  an  die  Beschreibung  des  30  Ellen  hohen  Dreifußes  in  der 
Pompa  des  Ptolemaios  Philadelphos  erinnert.  Die  Worte  des  Athenaios  (V  202  c) 
scheinen  sich  wenigstens  nicht  anders  deuten  zu  lassen,  als  daß  man  die  Figurjen  auf 
dem  Kesselrand  annimmt.  An  altitalische  Kessel  mit  Figurenschmuck  zu  erinnern 
geht  nicht  an,  weil  sie  nur  in  hocharchaischer  Zeit  nachweisbar  sind. 

Das  letzte  Wort  in  der  Übertragung  des  alten  Kesseldreifußes  in  den  Stein 
hat  dann  die  römische  Kunst  gesprochen  durch  ein  dreifüßiges  Marmorbecken,  das 
aus  der  Hadriansvilla  in  den  Louvre  gekommen  ist '")  (Beil.,  Abb.  27). 

Vergleicht  man  dieses  reife  und  feine  Kunstwerk  mit  den  Steindreifüßen  aus 
dem  Buleuterion  von  Milet,  so  erscheint  es  als  die  Lösung  des  Problems,  das  dort 
gestellt  worden  war.  Die  Übertragung  der  Form  des  Metallgeräts  in  den  Stein,  seine 
Gestaltung  zu  einem  freiplastischen  Kunstwerk  in  Marmor  ist  hier  völlig  gelungen. 
Die  ehemals  schlanke  Form  ist  breit  geworden  und  hat  nun  völlige  Horizontaltendenz. 
Die  bei  einem  statuarischen  Marmorwerke  sinnlosen  Henkel  sind  verschwunden, 
alle  Einzelformen  sind  rein  architektonisch.  Das  mächtige  Becken  ruht  mit  auf  einer 
vierten  Mittelstütze,  die  dem  ganzen  erst  plastische  Sicherheit  verleiht,  indem  sie 
das  plastische  Vakuum  zwischen  den  drei  äußeren  Beinen  beseitigt.  Der  jedem  Archi- 
tekturwerk nötige  Sockel  ist  vorhanden  und  tritt  zu  der  kräftigen  Hohlkehle  unter 
dem  Beckenrande  in  wirksame  Responsion,  während  sein  konkaves  Lineament  lebhaft 
gegen  das  vorspringende  Kesselrund  oben  agiert.     Dieselbe  plastische  Aktion,  die 

O'Z.  B.  Zoega,  Bassirilievi  II  Taf.  98.     Mus.  de  «)  Jahrb.  d.  Inst.  IV  1889,    87   Taf.   11,2.      Mon. 

antiques   III.    Autels   Taf.   3,  2.  d.  Inst.  IV,  4. 

')  Mus.  Torlonia  Taf.  63,  Nr.  243;  Zoega  II,  Taf.  98.  9)  Jahn,  Bilderchron.  Taf.  5.  Furtwängler,  Gemmen 

3)  Zoega  a.  a.  0.  Mus.  d.  ant.  III,  Taf.  3.  Taf.  35,  44  (hellenistisch).     Auf  einer  schönen 

4)  Altert.  V.  Pergamon  VII  2,  312,  Nr.  402.  Scherbe    des    Perennius    Milani,    Mus.   archeol. 

5)  Mus.  d.  ant.  III,  Taf.  2,  3  u.  sonst.  di  Firenze  Taf.   79. 

6)  Robert,  Sarkophagreliefs  II,  Taf.  56.  Furt-  ">)  Mus^es  d.  ant.  III.  Fontaines  Taf.  11.  Gus- 
wängler,  Berl.  geschn.  Steine  2240.  man,  L'art  dfoorat.  de  Rome.    Taf.  2.     Ders., 

7)  Not.  d.  sc.  1880,  132,  Taf.  V4;  besonders  des-  Villa  impir.  de  Tibur  265  Fig.  440.  Pentelischer 
wegen  interessant,  weil  die  Form  des  Kessels  Marmor  H.  1,43  m,  D.  1,35-  Hat  einst  als  Fon- 
genau  mit  der  eines  Stückes  aus  der  Tomba  del  täne  gedient.  Durch  die  Mittelstütze  lief  das  Rohr. 
Duce  in  Vetulonia  übereinstimmt  (Montelius  Ein  ähnliches  Becken  ebenfalls  aus  der  Hadrians- 
Taf.  194,24);  also  nach  vielen  Jahrhunderten  villa  bei  Gusman,  Villa  imp^r.  de  Tibur  265, 
dieselbe  Form.                                      ,  Fig.  439. 


Karl  Schwendemann,  Der  Dreifuß.  j  j  ? 


Übrigens  auch  in  den  Ranken  auf  den  Beinen  und  deren  Kapitellen  zum  Vorschein 
kommt,  beherrscht  die  Mittelstütze  und  die  Kesselbildung.  Auf  der  runden  Basis 
der  Mittelstütze  erhebt  sich  ein  Blattkelch,  und  aus  ihm  dreht  sich  mit  Verjüngung 
nach  oben  der  Träger  empor.  Aus  seiner,  wie  durch  die  Last  breitgedrückten  Endi- 
gung fahren  dann  die  Riefelungen  des  Kessels  heraus.  Ein  Profil  gebietet  ihnen  Halt, 
in  seinem  Wulst  sammelt  sich  die  Bewegung,  ebbt  in  tiefer  Kehlung  zurück,  wieder 
nach  außen  und  wird  durch  einen  Eierstab  endgültig  beruhigt. 

Ein  Werk  klassischen  Barocks  der  Kaiserzeit,  in  seinem  reichen  aber  völlig 
harmonisierten  plastischen  Antagonismus!  Ebenso  wie  diese  Brunnenschale  nach 
Zweck  und  Benutzung  mit  ihrem  Prototyp,  dem  griechischen  Kesseldreifuß,  nichts 
mehr  gemein  hat,  ist  sie  in  ihrer  formalen  Durchbildung  von  ihm  völlig  unbeeinflußt '). 

DIE  ITALISCHEN  KESSELDREIFÜSSE. 

In  den  archaischen  Fundschichten  Italiens  begegnen  eine  ganze  Reihe  von 
Kesselformen,  die  hier  behandelt  werden  müssen,  wenn  sie  auch  meist  kein  besonderes 
stilistisches    Interesse  erregen. 

Es  unterscheiden  sich  zunächst  eine  Anzahl  Exemplare  mit  flachhalbkugeligem 
Becken  und  drei  in  geringem  Abstand  an  den  Bauch  befestigten  gegossenen  Beinen, 
die  zunächst  abwärts,  dann  fast  rechtwinklig  nach  außen  verlaufen,  um  dann  wieder 
rechtwinklig  nach  unten  zu  biegen  und  unten  mit  Menschenbeinen  zu  endigen.  Auf 
dem  horizontalen  Stück  ist  meist  eine  figürliche  Zutat  angegossen,  ein  Reiter  mit 
spitzem  Helm,  von  frühgeometrischer  Stilisierung  ^).  Die  Form  des  Gerätes  ist  immer 
dieselbe  mit  genügen  Unterschieden  im  einzelnen  und  in  der  Größe. 

')  Über  die  Gröi3e  der  Kesseldreifüße  ist  folgendes  platäische  Weüigeschenk  ist  ca.  6  m  hoch  gewesen 

bemerkenswert.       Die    ältesten   Exemplare   aus  (Rekonstruktion  bei  Springer?,  Handbuch,  Alter- 

Knossos  und  Olympia  sind  0,47  m  hoch  (Archae-  tum  S.  231  Fig.  433).   Für  die  Preisdreif.  der  atti- 

ologia  59,   S.  433,  4  p.)  bezw.  etwas    niederer  sehen    Phylenchöre    berechnet    Reisch    (Griech. 

(Olympia  IV  S.  78).  Die  Fragmente  von  Olympia  Weihges:h.  833. ;  Pauly-Wiss.  V  2,  1692).  Größen 

zeigen  deutlich  ein   stetiges  Wachsen    der  Pro-  von   2,0 — 2,5   m.      Das   Riesigste  was  uns  von 

Portionen.     Typus  I  bringt  Größen  von  0,50 —  D.  aus  d.  Altertum  bekannt  ist,  ist  der  30  Ellen 

0,70  m  (a.  a.  0.  S.  76).    Für  Typus  II  lassen  sich  hohe  in  der  von  Athenaios  beschriebenen  Pompa 

Größen  von  1,60 — 1,70  m  und  darüber  berechnen.  des  Ptolemaios  mitgeführte. 
Ähnliche  Größen  zeigt  Typus  III.    Daneben  gab        *)  Studi  e  Mat.  II,  221  aus  einem  Grab  von  Vetu- 

es  auch  ganz  kleine  Exemplare  und  sicher  Zwischen-  lonia  H.  =  0,18  cm;  ganz  ähnlich  Falchi,  Vetu- 

stufen.     Für  die  athenische  Akropolis  sind  fürs  lonia    Taf.    VIII,    20.       Hoernes,    Urgeschichte 

VI.    Jahrhundert   ganz   beträchtliche    Maße   zu  Taf.  IX,  18.    Falchi,  a.a.O.  VI,  22.    Aus  einem 

erschließen.     Der  Henkel   eines   archaischen  D.  Bestattungsgrab  in  Corneto  Mon.  d.  Inst.  XII, 

(J.  H.  St.  XIII  267,  Anm.  20)  hat  einen  Durch-  3,   14  j    Catal.  of  Bronzes    Brit.  Mus.  Nr.  382; 

messer  von  zwei  Fuß.     Nimmt  man  das  Ver-  hier  unter  dem  Horizontalstück  durchbrochene 

hältnis  zwischen   Ringhenkel  und   Beinhöhe   zu  Arbeit,  in  dieser  eine  Ente.  Vgl.  Montelius,  Civ. 

I  :6  (nach  Olympia)  so  erhält  man  eine  Bein-  prim.  II,  T.  183,19.     Als  Nachahmung  in  Ton 

länge  von  3,60  m  und   eine   Gesamthöhe  d.  D.  ist   der   kleine   Tondreifuß   bei   Montelius    134,8 

von  4,20  m.     Auf  den  Vasenbildern  begegnen  zu    betrachten.       Ein    anderer    Tondreifuß    mit 

Exemplare  von  der  halben  Größe  eines  Mannes  deutlicher     Nachahmung    des     Menschenbeines, 

bis  über  Mannshöhe.     Der  eine  der  milesischen  aber  mit  anderer  Kesselform,  die  jedoch  in  Italien 

Steindreifüße  war  3,87  m  hoch,  ein  anderer  nach  auch  häufig  ist,  Montelius  320,  12. 
gefundenen    Fragmenten    noch    größer.        Das 

Jahrbuch  de«  Archäologischen  Instituts  XXXVI.  'O 


I  7A  Karl  Schwendemann,  Der  Dreifufi. 


Eine  wie  es  scheint  allein  stehende  Form  ist  der  Dreifuß  bei  Montelius  Civ. 
prim.  II  Taf.  i88,8  aus  der  Tomba  del  Duce  von  Vetulonia ').     Ein  halbkugeliger 
Kessel  mit  drei  Bronzeblechbeinen,  die  bis  an  den  Rand  hinauf  reichen,  aber  tiefer 
angenagelt  sind  und  so  der  Bauchung  des  Kessels  folgend  unten  einwärts  laufen,- 
so  daß  eine  ziemlich  enge  Stellung  herauskommt.   Die  Beine  zeigen  drei  Grate. 

Auch  die  denkbar  einfachste  Form  einer  Schale  mit  drei  geraden  am  Rand 
ansitzenden  Beinen  findet  sich  ^). 

Daneben  hebt  sich  ein  bestimmter  Typus  ab,  der  zwar  verschiedene  Kessel- 
formen aufweist,  aber  immer  dasselbe  Beirischema,  ob  dieselben  massiv  oder  von 
Blech  sind.  Es  scheint  deutlich  beeinflußt  durch  die  Beinform  der  Untersätze  mit 
dreigeteilten  Blechfüßen.  Die  Beine  sind  mit  Nieten  am  Kessel  befestigt,  laufen  ein 
kurzes  Stück  horizontal,  um  mit  einem  Knick  sich  nach  unten  zu  wenden.  Ein  ganz 
einfaches  Exemplar  des  Typus  3)  hat  halbkugeligen  Kessel,  auf  die  angegebene  Weise 
getragen  von  einfachen  flachen  Beinen.  Diese  sind  mit  dem  Kesselbauch  noch  einmal 
durch  eine  kleine  Horizontalstütze  verbunden,  ähnlich  wie  bei  den  Kesseldreifüßen 
von  Olympia.  Ein  anderes  Stück  mit  gegos'senen  Beinen  hat  eine  andere  Kesselform, 
ein  flaches  Becken  mit  auswärts  gebogenem  Rand  4). 

Halbkugelige  Schalen  und  Kessel  wie  am  ersten  Stück  kommen  in  alten  Fund- 
schichten Italiens  massenweise  vor  5).  Sehr  oft  begegnen  sie  in  den  Gräbern  des 
VIII.  und  IX.  Jahrhunderts  von  Corneto  und  Cumae  *).  Nach  Italien  kam  die  Form 
aus  Cypern  7)  und  Phonikien.  Aber  auch  dorthin  kam  sie  von  auswärts,  wie  eine 
Anzahl  schöner  Steinschalen  der  Art  im  Berliner  Museum  beweisen,  welche  dem 
IV.  Jahrtausend  v.  Chr.  angehören  **)  und  aus  Ägypten  stammen. 

Das  flache  Becken  wie  Mon.  d.  Line.  XV  Fig.  86  kommt  auch  in  Olympia  vor  9). 
Wie  der  Prototyp  davon  sieht  eine  blaue  Fayenceschale  mykenischer  Zeit  von  Kreta 
aus  ">).  Die  Form  hat  auch  in  späteren  Zeiten  fortgelebt,  wie  eine  schöne  von  drei 
geflügelten  Sphinxen  getragene  Marmorschale  aus  Pompeji  beweist  "). 

Dreifüße  mit  dem  Halbkugelbecken  fanden  sich  noch  mehrere  "),  reichere 
Stücke  in  dem  Barberini-  und  Bernardinigrab.  Das  Stück  aus  dem  Barberinigrab  '3) 
ist  aus  Bronze  getrieben  mit  gegossenen  angenieteten  Beinen  desselben  Materials 
und  zeigt  einen  getriebenen  Reliefschmuck  von  6  Sirenen  rund  um  den  Bauch.    Sie 


■),Auch  Falclüa.  a.  0.  XI  Fig.  3.  H.  =  0,35.  Wende  0,20  m;  hier  weitere  aufgezählt,  die  sich  in  Grie- 

des  VII./VI.  Jahrhunderts.  chenland  und  Italien  fanden,  besonders  in  Fund- 

-)  Mon.  d.  Line.  X,  Taf.  5,  Fig.  47.  schichten  des  VII.  Jahrhunderts.     Furtwängler 

3)  Ann.  d.  Inst.  1879,  15,  Taf.  C,  7,  7  a.  H.  =0,32.  hielt  sie  für  Import  aus  Chalkis  oder  Korinth. 
Kesseldurchmesser   0,375   m,   aus   Bronze.  ■")  Ann.  Br.  Scji.  Ath.  IX  73. 

4)  Mon.  d.  Line.  XV  86,  Fig.   199.     D.  =  0,20.  ")  Niccohni,  Pompei  IV,  Taf.  49. 

5)  Z.  B.  Mon.  d.  Line.   V,  Taf.   13,22;  XIII  240,  '=)  Mon.  d.  Line.  XV  229  Fig.  96,  H.  =  0,40.    D.  = 
Fig.    16.  0,19.      Die   gegossenen   Beine   von   dreieckigem 

')  Mon.  d.  Line.  XX  1913,  405,  Fig.  151.  Durchschnitt     sind     am     Kesselansatz     breitge- 

7)  Poulsen,  Orient  und  frühgriechische  Kunst  20;  hämmert  und  mit  drei  Nieten  mit  spitzen  Köpfen 

Cesnola,  Antiq.  of  Cyprus  II  3,  Taf.  83,  85;  II  4,  befestigt.     Ganz  ähnliches  Exemplar  aus  Narce 

97,  99.  Montelius  313,  23,  H.  =  ca.  0,25  m. 

')  Kunst  und  Künstler  XI,  Taf.  12.     S.  629.  >3)  Bollettino  d'arte  III  180,  Fig.  12.     VII.  Jahr- 

9)  Olympia  IV,  Taf.  35,  S.  T4,  dieselbe  Größe  D.  =  hundert    H.  =  0,505  m,    D.  des  Beckens   0,235. 


Karl   Schwendemann,  Der  Dreifuß.  jic 


bestehen  eigentlich  nur  aus  Kopf,  Hals  und  Beinen.  Der  Kopf  quadratisch,  mit 
groben  Zügen  steht  in  Vordersicht ').  Das  Gesicht  wird  umgeben  von  einer  breiten 
Haarmasse,  die  nach  Art  der  Etagenperücke  gegliedert  ist.  Von  der  Vereinigungsstelle 
von  Hals  und  Beinen  breiten  sich  die  Flügel  aus,  überall  von  gleicher  Breite;  auch 
sie  durch  Horizontallinien  gegliedert.  Die  Sirenen  stehen  auf  Stierschädeln.  Die 
Zwischenräume  zwischen  den  Köpfen  sind  mit  einem  orientalisierenden  Motiv  gefüllt. 
Das  Ganze  ist  eine  rohe  ungeschickte  Arbeit. 

Gegenstücke  zu  dem  Dreifuß  aus  dem  Barberinigrab  sind  zwei  solche  aus  dem 
Bernardinigrab  *).  Auch  sie  sind  etruskisch  aber  nach  phönikischen  Vorbildern 
gearbeitet.  Das  zeigt  vor  allem  die  Etagenperücke,  die  in  Phönikien  schon  im  IX.  Jahrh. 
vorkommt3),  während  sie  sich  in  Griechenland  erst  im  VHL,  ganz  besonders  aber  im 
VII.    findet. 

Eine  reliefgeschmückte  Schale  von  gleicher  Technik  und  Stilart  befindet  sich 
im  Museum  von  Turin  und  ist  mit  8  abwechselnden,  nach  links  schreitenden  Gestalten 
von  Sphinxen  und  phantastischen  Fabelwesen  geschmückt  4). 

Diese  Kesseldreifußformen  scheinen  sich  nicht  über  die  archaische  Zeit  hinunter 
verfolgen  zu  lassen. 

STEINDREIFÜSSE  UND  VERWANDTES. 

Die  in  archaischer  Zeit  in  Griechenland  vereinzelt  vorkommenden  »Steindrei- 
füße« hängen  mit  Gebilden  der  kretisch-mykenischen  Kultur  zusammen. 

Evans  hat  (J.  H.  St.  XXI,  113  ff.)  gezeigt  5),  wie  aus  dem  heiligen  Stein  und 
dem  mit  Spenden  gefüllten  auf  ihn  gestellten  Gefäß  unter  Hinzufügung  von  Stützen 
ein  Gebilde  erwachsen  ist,  welches  auf  rechteckiger  Basis  fünf  Säulen  zeigt,  eine 
stärkere  in  der  Mitte  und  je  zwei  schwächere  rechts  und  links,  und  darüber  ein  der 
Basis  entsprechendes  Stück,  welches  drei  napf artige  Vertiefungen  aufweist  *).  Die 
mittlere  Säule  ist  der  ursprüngliche  Baitylos  und  die  Säulen  rechts  und  links  nur  aus 
einem  praktischen  Bedürfnis  hinzugefügt.  Es  ist  dann  nur  ein  geringer  Unterschied 
in  der  Form,  wenn  das  Ganze  quadratische  Gestalt  bekommt,  wobei  der  Baitylos 
in  der  Mitte  steht,  währ'end  die  vier  Stützen  sich  auf  die  Ecken  verteilen  7). 


')  ÄhnlicheGesichteranArinbändern.Studi  eMat.  II  kleine   tables  sind  in   Kreta  sehr  zahlreich  ge- 

106;   sind  außerdem  mit  der  phönikischen  Pal-  fanden,  in  der  diktäischen  Höhle  (Ann.  Br.  Seh. 

matte  geschmückt  a.  a.   0.  Taf.  IX  u.  Fig.  108,  Ath.  VI  Taf.  XI),  kleine  runde  oder  viereckige 

109.     Die  Form  ist  die  des  Hathorkopfes  und  Steatittäf eichen  mit  einer  flachen  oder  tieferen 

offenbar  aus  Phönikien  und  Cypern  eingewandert;  Höhlung   und    niederem   Fuß    oder    auch    ohne 

Cesnola,  Ant.  of  Cypr.  I  I,  Taf.  18,  22,  51.   Ohne-  solchen.      Andere   ähnliche  aus   Knossos   (Ann. 

falsch-Richter,  Cyprus  Taf.  200,   S.  481.  Br.  Seh.  Ath.  IX  41);  mit  zwei  runden  Höhlungen 

»)  Poulsen  a.a.O.  Abb.  138,  139.  und  ohne  Fuß  (Mon.   d.   Line.  XIV  1904,  473, 

3)  Poulsen  S.  127.  Fig.  79).    Daß  die  ursprüngliche  Form  die  einer 

4)  Rom. Mftt.1909,  31711.  Hier  ist  eine  ganzeAnzahl  Platte  mit  einer  flachen  Höhlung  war,  zeigt  ein 
weiterer    Schalen   dieser  Art   namhaft  gemacht.  hochaltertümliches  tönernes  Exemplar  aus  neo- 

5)  Vgl.  B.  C.  H.  XXVI  581.  lithischer,     vormykenischer     Zeit    aus  Phaistos, 
«)  a.a.O.  S.  114,  Fig.  7.    Die  ursprüngliche  Selb-  Mon.   d.  Line.   XIV  Taf.  36.     0,55    X    0,45  m 

ständigkeit   von    Pfeiler   und    table   of   offering  messend.  Maraghiannis,  Ant.  cr^toises  I  Taf.  IX. 
ist  von  Evans  mit  Recht  betont  worden.    Solche        7)  a.  a.  0.  Fig.  9. 

10* 


loß  Karl  Schwendemann,  Der  Dreifuß. 

Gebilde  dieser  Art  scheinen  es  zu  sein,  welche  öfter  auf  altkretischen  Siegel- 
ringen und  Pasten  erscheinen,  besonders  merkwürdig  auf  einer  Glaspaste  aus  Mykene') 
und  dem  bekannten  oft  abgebildeten  Siegelring*).  Die  erstere  zeigt  zwei  Paare 
dämonischer  Wesen,  welche  mit  Kannen  in  den  erhobenen  Händen  über  ein  Gerät 
libieren,  welches  zunächst  wie  ein  schlanker  griechischer  Dreifuß  aussieht.  Man  hat  aber 
darin  nichts  anderes  zu  erkeftnen  als  einen  Baitylos  mit  table  ofoffering  und  vier  Neben- 
stützen, von  denen  aber  nur  zwei  sichtbar  sind.  Daß  dem  wirklich  so  ist,  lehren  zwei 
andere  Glaspasten  3)  gleicher  Herkunft  mit  ähnlichen  Dämonen  in  ihrer  spendenden 
Haltung.  Aber  an  Stelle  des  »Dreifußes  «steht  (Fig.  13)  ein  Pfeiler.  Daß  auch  für  das  Gerät 
auf  dem  mykenischen  Goldring  dasselbe  gilt,  ist  längst  ausgesprochen  4).  Diese  my- 
kenischen  Gebilde,  welche  auf  den  ersten  Blick  eine  verblüffende  Vorstufe  für  die 
Bedeutung  des  Dreifußes  im  griechischen  Kult  zu  bieten  scheinen,  sind  also  in  Wirk- 
lichkeit etwas  ganz  anderes,  nämlich  der  heilige  Pfeiler  mit  Libationstafel  und  vier 
Stützen  5). 

Mit  diesen  mykenischen  Gebilden  haben  die  sog.  Steindreifüße  drei  charak- 
teristische Züge  gemein,  die  starke  Mittelstütze,  die  darüber  liegende  Platte  mit 
Höhlung  und  die  äußeren  Stützen,  welche  in  der  Dreizahl  vorkommen,  wenn  auch 
durchaus  nicht  immer.  Der  Hauptunterschied  besteht  darin,  daß  die  äußeren  Stützen 
als  weibliche  Figuren  gebildet  sind. 

Dieser  Wandel  hat  zu  verschiedenen  Erklärungen  Anlaß  gegeben.  Eine  Ana- 
logie dazu  schienen  die  Hekataia  zu  bieten,  wo  die  mittlere  Säule  das  ursprüngliche 
anikonische  Bild  der  Göttin  darstellt,  während  die  drei  darum  gestellten  Gestalten, 
welche  den  Späteren  als  die  dreileibigeHekate  galten,  ursprünglich  die  drei  Dienerinnen 
der  Göttin  sind^).  Der  auf  Cypern  so  oft  erscheinende  Kulttanz  dreier  Personen  um 
einen  heiligen  Baum  oder  um  die  Sonnensäule  7)  wäre  eine  weitere  noch  nähere  Ana- 
logie. Aber  es  ist  folgendes  zu  beachten.  Die  Hekataia  und  die  kyprischen  Kult- 
tanzdarstellungen zeigen  von  vorn  herein  bei  den  drei  Figuren  ikonische  Gestalt. 
Sie  sind  und  bleiben  immer  dasselbe.  Drei  um  einen  heiligen  Mittelpunkt  sich  be- 
wegende Gestalten.  Anders  die  Figuren  der  Steindreifüße;  nach  außen  gewandt, 
in  strenger  Ruhe,  tragen  sie  ein  Becken,  das  ein  fremdes  Element  wäre.  Außerdem 
sind  bei  den  kretisch-mykenischen  Vorstufen  die  Säulen  einfach  Träger.  Wir  dürfen 
hier  also  nicht  mit  dem  Gegensatz  von  ikonisch  und  anikonisch  operieren,  sondern 
die  weiblichen  Figuren  sind  der  Ersatz  für  die  äußeren  Träger,  ohne  jede  sakrale  Be- 
deutung, eine  ganz  auf  künstlerischem  Gebiet  liegende  Entwicklung. 

Das  bestätigt  sich  bei  näherer  Betrachtung  der  bekannten  Stücke.  Es  sind 
im  ganzen  5  bekannt: 

■)  J.   H.   St.  1901,  117,  Fig.  14.  zwei     erhaltenen     haben    vier     äußere    Stützen 

»)  Studi  e  Mat.  II  11,  Fig.   17.  und  die  spätere  Entwicklung  hat  die  Dreizahl 

3)  J.  H.  St.  1901,  116 — 17,  Fig.  12,  13.  ebenfalls  nicht  einseitig  bevorzugt.     Maßgebend 

4)  Wolters,  Arch.  Anz.  1900,  148.  müssen   vor  allem  die   zwei   erhaltenen  Exem- 

5)  Petersen,  Jahrb.  d.  Inst.  1908,  20  will  eine  Mittel-  plare  sein  (Evans  Fig.   79). 
stütze  mit  drei  Seitenstützen  annehmen.     Aber  *)  Petersen,  Jahrb.  d.  Inst.  1908,  31  ff. 

nach  dem  Gesagten  mit  Unrecht.    Die  Dreizahl        7)  Ohnefalsch-Richter,    Kypros   Taf.    76.      Perrot- 
ist  bei  diesen  Geräten  nicht  das  Typische.    Die  Chipiez  III  586,  Fig.  299. 


Karl  Schwendemann,  Der  Dreifui], 


137 


1.  Aus  Rhodos,  Ton,  im  Louvre').  (Beil.,  Abb.  29.)  H.  =  o,l8.  Runde  Schale,  ge- 
tragen von  einer  starken  runden  mittleren  Stütze  und  von  vier  weiblichen  Gestalten. 
Das  Ganze  auf  runder  Basis.  Am  Rand  des  Beckens  vier  weibliche  Köpfe.  Die  vier 
Trägerinnen  sind  hocharchaisch,  flach,  mit  auf  die  Brust  fallenden,  horizontalge- 
gliederten Haaren;  die  Hände  haben  sie  auf  die  Brust  gelegt. 

2.  AusKorinth,  inOxford,  aus  Stein.  H.  =  0,66,  D.  unten  =  0,54,  oben  =  0,36. 
Grundform  ähnlich  wie  beim  vorhergehenden;  3  Frauenfiguren,  auf  Löwen  stehend, 
deren  Schwänze  sie  mit  der  einen  Hand  halten,  während  sie  mit  der  andern  ihr  Ge- 
wand ein  wenig  heben.     Auch  sie  hocharchaisch  2). 

3.  Aus  Olympia,  lakonischer  Marmor;  zu  erschließende  ursprüngliche  Höhe 
0,86  m.  Sehr  ähnlich  dem  vorhergehenden,  auch  hier  die  drei  weiblichen  Figuren 
auf  Löwen,  tragen  auf  dem  Haupt  den  Kalathos  3)  (Abb.  28). 

4.  Von  der  athen.  Akropolis  Fragmente  eines  von  sechs  weiblichen  Figuren  ge- 
tragenen Beckens  mit  Mittelstütze,  Marmor. 

5.  Derselben  Herkunft;  Fragment  eines  ähnlich  verzierten  Beckens,  von  dem 
sich  nur  die  Kranzplatte  wiederherstellen  läßt  4). 

Wenn  wir  für  unsere  Figuren  irgend  welche  sakrale  Bedeutung  annehmen 
wollten,  wie  sollten  wir  sie  benennen?  Weil  sie  bei  2  und  3  auf  Löwen  stehen  etwa 
als  TOTVtai  &r;p(i)v.  Dann  müssen  wir  dieselbe  Bedeutung  für  alle  annehmen;  dazu 
zwingt  die  Einheitlichkeit  der  ganzen  Gattung.  Die  anderen  Exemplare  lassen  aber 
die  entsprechende  Charakteristik  vermissen.  Ferner  sind  es  drei,  vier  oder  sechs 
Figuren;  auch  das  spricht  nicht  für  eine  sakrale  Vorstellung.  Nur  der  gemeinsame 
Stil  und  dieselbe  Verwendung  vereinigt  also  die  Figuren,  sonst  nichts.  Sie  sind  einfach 
xopai,  so  gut  wie  die  Dreifußstatuen  5). 

Die  einzige  sakrale  Beziehung  welche  man  für  die  Steindreifüße  zugeben  kann 
ist  die  Benützung  als  Weihwasserbecken  ^),  die  sich  aus  ihrer  Herkunft  von  den  my- 
kenischen  tables  of  offering  leicht  verstehen  läßt. 

Von  den  Steinbecken  stammen  formengeschichtlich  dieBuccherokelche  in  Etru- 
rien  ab.  Die  mit  der  Zufügung  von  Seitenstützen  zu  dem  mykenischen  Baitylos 
begonnene,  durch  die  Umgestaltung  dieser  Stützen  in  weibliche  Figuren  fortgesetzte 
Entwicklung  geht  hier  weiter,  indem  diese  Figuren  zum  Tragen  vöUig  ausreichend, 
immer  stärker  betont  sind,  bzw.  die  Mittelstütze  auf  ein  Rudiment  zusammen- 
schrumpft 7).  Die  Buccherokelche  zeigen  noch  in  anderer  Beziehung,  daß  das  Be- 
wußtsein der  ursprünglichen  Form  verloren  gegangen  ist.  Viele  von  ihnen  sehen  aus 
wie  ein  vierbeiniger  Untersatz,  auf  dem  ein  halbkugelförmiger  Kessel  sitzt.  Das 
Bewußtsein  der  ursprünglichen  Verbindung  der  beiden  Teile  ist  geschwunden,  und 

■)  Pottier,  Vas.  d.  Louvre  I  Taf.  13,  A  396.  in  gröi3eren  Dimensionen. 

')  J.  H.  St.  XVI  1896,  279,  Taf.  XII.  «)  Olympia   III    S.    29.    Das   kleine   Exemplar   im 

3)  Olympia  III,  26  ff.    Abb.  27,  28.    Taf.  5.  Louvre    hält  Pottier     für    ein    Räucherbecken. 

4)  Ath.  Mitt.  1892,  41.   Taf.  VII.  7)  Cat.  of  Vas.  Brit.Mus.  I,  2  pl.  XVIII  H.  198  hat 

5)  Es  sind  sogar  wohl  die  ältesten  Beispiele  dieser  sie  noch  bis  zum  Becken  hinaufreichend ;  Vases  du 


!■ 


Louvre  IC  657  nur  noch  bis  zur  halben  Höhe,  und 
Curtius,  Münchner  Jahrb.  f.  bild.  Kunst  1913,  18)  so  sehr  oft.   Bei  Montelius,  Civ.  prim.  Taf.  323,  3, 

Kunstform  auf  griechischem  Boden,  wenigstens  330,  7  fehlt  sie  ganz. 


Iß8  Karl  SchwendemaoD,  Der  Dreifuß. 


man  gibt  dem  Gerät  eine  Form,  welche  den  tektonischen  Sinn  der  auf  einen  Unter- 
satz gestellten  Schale  hat. 

Die  formengeschichtliche  Betrachtung  verlangt,  hier  noch  verschiedenes  an- 
zuschließen, was  nicht  im  unmittelbaren  Zusammenhang  der  eben  aufgezeigten 
Entwicklung  steht,  aber  doch  nicht  von  ihr  getrennt  werden  kann. 

Der  »Dreifuß  von  Kamarina«')  (Beil.,  Abb. 30)  hat  die  Benützung  von  vier^) 
Frauengestalten  als  Trägerinnen  mit  den  eben  besprochenen  Monumenten  gemein. 
Es  fehlt  jedoch  die  Mittelstütze  und  die  Basis;  ferner  ist  das  Becken  nicht  fest  ver- 
bunden, sondern  ruht  frei  auf. 

Ein  stilistischer  Vergleich  der  Korai  der  »Steindreifüße«  mit  denen  des  Drei- 
fußes von  Kamarina  hat  folgendes  Ergebnis:  Bei  den  Steinbecken  ist  die  weibliche 
Figur,  wie  sie  uns  etwa  in  der  Nikandre  von  Delos  entgegentritt,  als  Stütze  verwendet, 
ohne  jede  Veränderung  und  Anpassung.  Auch  die  Figur  von  Kamarina  steht  mit 
beiden  Füßen  fest  auf.  Aber  beide  Arme  hat  sie  erhoben  und  faßt  nach  den  Voluten 
über  ihrem  Haupte,  auf  denen  die  Last  ruht,  und  die  als  vermittelndes  Glied  zwischen 
Figur  und  Kessel  eingeschoben  sind.  Durch  die  ganze  Gestalt  geht  eine  leise,  kaum 
merkliche  Bewegung.  Sie  scheint  zu  balancieren.  Sehr  gut  paßt  dazu  die  Bewegung 
der  Hände,  die  nur  leicht  mit  der  Innenfläche  der  Finger  die  Voluten  berühren  nicht 
energisch  stützend  zufassen.  Auch  die  schön  geschwungenen  Voluten  selbst,  welche 
die  auf  ihnen  ruhende  Last  vom  Kopf  der  Figur  nach  den  beiden  Seiten  verteilen 
—  eine  Gestaltung  zu  der  gewiß  Spiegelstützcn  Vorbilder  waren  — ,  tragen  zur  Ruhe 
und  Selbstverständlichkeit  der  Figur  bei,  welche  in  den  einfachen  Linien  ihrer  Ge- 
wandung ebenfalls  die  stützende  Funktion  ausdrückt.  Das  ist  hier  viel  zweckent- 
sprechender als  bei  den  Karyatiden  vom  Schatzhaus  der  Knidier  in  Delphi  3),  welche 
das  fiir  die  freistehende  Figur  erfundene  Motiv  des  Gewandlüpf ens  einfach  über- 
nehmen, ohne  daß  es  dem  Künstler  in  den  Sinn  gekommen  wäre,  wie  dadurch  eine 
ganz  widersprechende  Note  in  die  Bewegungslinien  der  Gestalt  hineinkommt,  durch- 
aus nicht  passend  zu  ihrer  tektonischen  Aufgabe. 

Es  ist  lehrreich  hier  noch  ein  anderes  Werk  aus  späterer  Zeit  anzuschließen.  Drei 
weibliche,  nackte  jugendliche  Gestalten  erscheinen  als  Trägerinnen  an  einem  römischen 
Monument  4).  Von  einer  runden  Basis  erhebt  sich  erst  schmäler  werdend,  dann  sich 
nach  oben  ausbreitend,  eine  halb  ornamental,  halb  architektonisch  stilisierte  Stütze, 


')  Mon.  d.   Line.  XIV  1904,  yögff.,  Taf.  46.    Die  mag  bezweifelt  werden.    Sie  wurde  offenbar  ge- 

Stelle  bei   Herodot  IV   152    über   das   Weihge-  wählt  nach  Analogie  der  vier  Widderköpfe  am 

schenk   der    Samier   nach   der  glücklichen  Tar-  Bronzebecken    von    Leontinoi    (Winnefeld,    59. 

tessosexpedition    wird    nicht    mit    Unrecht    für  Berliner  Winck.-Progr.).    Aber  das  ist  ein  Fehl- 

dieses    Gerät    angezogen.      Wenn    die    Samier  Schluß.  Denn  der  Kessel  von  !a  Garenne  (Olympia 

xpets    xoXodSoüs    iiiTar.Tiyzoii    als     Stützen   eines  IV,   S.  115)  hat  vier  Greifenprotomen,  während 

Kessels   verwenden,   zeigt  das,    welch  mächtige  der  Untersatz  dreifüßig  ist.    Das  Weihgeschenk 

Dimensionen  in  jener  alten  Zeit  hierbei  vorkamen.  der  Samier  hatte  ebenfalls  drei  tragende  Figuren. 

Eine  knieende  vollständige  Figur  einer  Gor-  3)  Bull,  corr.hell.  1899,  Taf.  7,  8;  1900,  6,  7;  Fouilles 

gone  als  Trägerin  erwähnt  Furtwängler,  Olym-  de  Delphes  II,  Taf.  11;  IV,  Taf.  18  ff. 

pia  IV   137.  4)  Gusman,  L'art  d^corat.  de  Rome.  Taf.  97. 

=)  Ob  die  Ergänzung  mit  vier  Figuren  richtig  ist, 


Karl  Schwendemann,   Der  Dreifuß. 


139 


die  ein  rundes  Becken  trägt.  Auf  der  Basis  stehen  rings  um  die  Stütze  drei  Mädclien, 
welche  nach  innen  gewandt  mit  erhobenen  Händen  das  Becken  oben  zu  stützen 
scheinen,  also  dasselbe  Motiv  wie  am  Dreifuß  von  Kamarina.  Aber  wie  ganz  anders 
aufgefaßt  und  gestaltet!  Seitdem  hat  die  Kunst  gelernt  der  plastischen  Form  jedes 
Bewegungsmotiv  mitzuteilen.  So  stehen  die  drei  Mädchen  in  anmutsvollen,  lebendigen 
Bewegungen  da  und  fassen  nach  dem  Becken  hinauf.  Der  Künstler  hat  sie  nicht 
zu  Trägerinnen  machen  wollen,  sondern  er  wollte  drei  schöne  Mädchenkörper  in 
reichster  Verschlingung  anmutsvoller  Linien  zeigen.  Zugleich  erreicht  er  damit  ein 
Höheres.  Wie  die  Figuren  an  den  alten  Werken  faktisch  die  Last  tragen,  so  erwecken 
hier  die  um  den  Träger  des  Kessels  spielenden,  fluktuierenden  und  schillernden  Linien 
und  Flächen  das  Gefühl  der  Leichtigkeit,  des  Gehobenseins.  Dieser  Künstler  hat  also 
mit  dem  Schein  den  Eindruck  der  Wirklichkeit  erreicht. 


ANHANG. 

DIE  DREiFUSSSTATUEN. 

Wie  man  sich  die  sogenannten  Dreifußstatuen  vorstellen  muß  und  welcher 
Ursache  sie  ihre  Entstehung  verdankten,  ist  in  verschiedenem  Sinne  erörtert  worden. 

Die  ältesten  Statuen,  von  denen  wir  wissen,  sind  die  unter  drei  Dreifüßen  von 
Amyklai,  welche  von  Gitiadas  und  Kallon  geschaffen  waren  (Pausanias  HI  18,8). 
Beide  Künstler  gehören  in  die  zweite  Hälfte  des  VL  Jahrhunderts  (Pauly-Wiss.  VH  i, 
1371).  Schon  diese  Statuen  wurden  verschieden  aufgefaßt.  Curtius  (Ges.  Abh.  H  280) 
meinte:  »Man  hat  keinen  Grund  sich  hier  etwas  anderes  vorzustellen,  als  zwischen 
den  Dreifußbeinen  frei  stehende  Figuren,  welche  dem  Geräte  eine  religiöse  Weihe 
zu  geben  bestimmt  waren,  ohne  in  die  tektonische  Konstruktion  als  Glieder  eingefügt 
zu  sein«.  E.  Reisch  (Pauly-Wiss.  V  2,  1691)  denkt  sich  die  Dreifüße  so  gestellt,  daß 
zwei  Beine  vorne  sind  und  zwischen  ihnen  die  Statue  »als  außenstehender  Träger, 
als  Ersatz  von  Bein,  nicht  der  Mittelstütze«,  nach  Analogie  etwa  des  Steindrciiußes  von 
Oxford  (J.  H.  St.  XVI  1896,  279  ff.)  und  verwandter  Dinge,  eine  mißliche  Annahme 
wie  mir  scheint.  Man  könnte  sich  in  diesem  Falle  die  Dreifüße  doch  nur  in  einer 
Nische  aufgestellt  denken  mit  einer  Schauseite  —  dafür  fehlt  aber  jede  Analogie  — 
oder  man  müßte  immer  drei  Statuen  postulieren.  Welchen  tektonischen  Sinn  eine 
hätte,  ist  nicht  zu  verstehen. 

Das  Richtige  wird  vielmehr  sein,  sich  die  Statuen  unter  der  Mitte  des  Kessels 
zu  denken.  Freistehende  Statuen  mit  einem  Becken  auf  dem  Kopf  sind  uns  aus 
archaischer  Zeit  noch  erhalten  (z.  B.  Rom.  Mitt.  XII  1897,  Taf.  X;  M.  Mayer,  Apulien 
Taf.32,1.  Jahrb.  d.  Inst.  191  o,  184.  Abb.9— II ;  Apulia  III,  1912,  Taf.  14.  Br.  Mus. 
Cat.  Terracottas  B  1 34.  Abb.  20),  so  daß  also  die  Verwendung  von  Statuen  als  Kessel- 
träger  gesichert  ist.  Aber  auch  sonst  finden  wir  ja  die  weibliche  Gestalt  als  Träger 
vielfach  verwendet  schon  im  VI.  Jahrhundert,  an  Werken  der  Kleinkunst  noch  früher. 
Nach  solchen  Analogien  müssen  wir  uns  die  Dreifußstatuen  von  Amyklai  vorstellen, 
vielleicht  mit  dem  Kalathos  auf  dem  Kopf. 


MO 


Karl  Schwendemann,  Der  Dreifuß, 


Dem  widerspricht  die  Pausaniasstelle  III,  l8, 8  nicht:  Tou?  8k  dpyaio-zipooi 
(seil.  Tpiirooa?)  Sexatr^v  t&u  itpo?  MsaarjVt'ous  iroXsp.ou  'ftxaiv.  Twi  }ikv  Syj  xu>  irp<uTq) 
Tpt'irooi  'AtppoStTTj?  aYotXjia  Idnijxst,  'Aptsfitf  81  unö  Tip  8suT£p(j),  6  xpitoj  82  Itciv 
Ai-{ivri-mii  KaXXtuvo;.  Tit^  tdutw  8k  aYotXfta  Kopij?  t^c  ArjtxrjTpo;  Suttjxsv.  Nach  Pau- 
sanias  waren  es  also  drei  Göttinen,  welche  in  diesen  Dreifußstatuen  dargestellt 
waren.  Stellen  wir  uns  diese  alten  Dreifußstatuen  als  richtige  Trägerinnen  vor,  so 
können  es  keine  Göttinen  gewesen  sein,  wenigstens  keine  drei  verschiedenen.  Aber 
wie  kommt  Pausanias  dazu  sie  als  solche  zu  bezeichnen  und  sogar  ihre  Namen  zu 
nennen?  Er  fügt  bei  keiner  eine  nähere  Beschreibung  bei,  aus  der  etwaige  Attribute 
deutlich  wären.  Sein  Bericht  beruht  auch  keinesfalls  auf  einer  literarischen  Quelle. 
Er  bezieht  sie  ausdrücklich  auf  den  messenischen  Krieg  i),  was  aus  chronologischen 
Gründen  (Kallon  und  Gitiadas  gehören  ins  VI.  Jahrhundert,  Pauly-Wiss.  VII  i,  1371, 
X  2,  1757)  nicht  richtig  sein  kann,  so  daß  also  die  ganze  Stelle  stark  in  ihrer  Glaub- 
würdigkeit herabgesetzt  wird.  Pausanias  wird  eben  da  wie  so  oft  nicht  seine  eigene 
Ansicht,  sondern  die  seiner  Führer  angeben. 

Also  zu  Pausanias  Zeiten  galten  jene  Dreifußstatuen  als  Aphrodite,  Artemis 
und  Kora.  Es  ist  sehr  wahrscheinlich,  daß  sie  dafür  schon  am  Ausgang  des  V.  Jahr- 
hunderts galten.  Als  die  Spartaner  nach  der  Schlacht  von  Aigospotamoi,  nach  der 
endlichen  Niederwerfung  ihrer  größten  Gegnerin,  den  Göttern  ihren  Dank  zum  Aus- 
druck bringen  wollten,  da  weihten  sie  zwei  Dreifüße  und  unter  jedem  eine  Statue  und 
stellten  sie  offenbar  direkt  neben  jenen  alten  Dreifüßen  auf,  wie  aus  der  Erzählungs- 
weise des  Pausanias  hervorgeht.  Das  alles  offenbar  aus  folgendem  Grund.  Die  alten  Drei- 
füße mit  Statuen  imAmyklaion  galten  schon  damals  als  geweiht  aus  dem  Zehnten  der 
Beute  nach  endlicher  Besiegung  der  Messenier  im  ersten  messenischen  Krieg,  der  die 
Existenz  Spartas  gefährdet  und  schließlich  seine  Suprematie  im  Peloponnes  zum 
ersten  Male  besiegelt  hatte.  Was  war  da  natürlicher,  als  daß  man  jetzt  nach  endlicher 
Niederwerfung  Athens,  ein  ähnliches  Weihgeschenk  aufstellte,  wie  es  die  Ahnen  einst 
getan,  um  dem  Bewußtsein  Ausdruck  zu  geben,  daß  man  den  jetzigen  Sieg  dem  der 
Väter  gleichstelle?     (Vgl.  auch  Robert  bei  Pauly-Wiss.  V  l,  1371.) 

Es  bleibt  zu  untersuchen,  wie  man  gerade  auf  die  Namen  der  Aphrodite,  Artemis 
und  Kora  kam.  Die  Griechen  nannten  unsere  Karyatiden  -/öpai,  Mädchen.  So 
mußten  also  auch  unsere  Dreifußstatuen  in  alter  Zeit  geheißen  haben.  Als  man  sie 
taufte,  konnte  eine  den  alten  Namen  behalten;  dann  war  sie  eben  xopr^  xfj?  AT5[ir,Tpo?. 
Für  die  zweite  konnte  daim  in  Lakonien  nur  Artemis  in  Betracht  kommen;  denn  sie 
ist  von  allen  lakonischen  Göttinnen  die  volkstümlichste  und  am  meisten  verehrte.  Die 
dritte  konnte  beliebig  benannt  werden.  Man  nahm  Aphrodite,  vielleicht  weil  sie 
auf  dem  amykläischen  Thron  mit  Artemis  vereinigt  war,  vielleicht  auch  weil  die 
Kythercia  (Röscher,  Lex.  II,  1770)  den  Einwohnern  Lakoniens  besonders  nahe  stand. 

Haben  wir  die  alten  Dreifußstatuen  von  Amyklai  als  ursprünglich  xopai  er- 
kannt, dann  stehen  sie  unserer  These  von  der  aus  rein  künstlerischer  Erwägung  er- 
folgten  Verwendung   der   Dreifußstatuen   als  Mittelstützen   nicht   mehr   im   Wege. 


')  An   einer  späteren   Stelle   (IV  14,2)   erzählt   er  dasselbe  als  Tatsache  ohne  tfa'fv. 


Karl  Schwendemann,  Der  Dreifuß.  iai 


Es  scheint  doch  auch  mit  dem  Geiste  der  archaischen  Kunst  wenig  vereinbar,  daß  sie 
eine  Großplastik  ')  frei  zwischen  die  Dreifußbeine  gestellt  haben  sollte.  Bemerkens- 
werterweise wissen  wir  ja  auch  später  nur  von  weiblichen  Statuen  unter  Dreifüßen 
(Reisch,  Pauly-Wiss.  V  2,  1691). 

TEIL  II:  TERMINOLOGIE.     BEDEUTUNG  IN  LEBEN  UND  KULTUS. 

Die  formale  Betrachtung  der  Dreifüße  führte  zu  einer  Klassifizierung  der  ein- 
zelnen Typen  und  ihrer  Entwicklung.  Bevor  wir  zur  Untersuchung  des  religions- 
geschichtlichen Materials  übergehen,  müssen  wir  versuchen,  die  Namen  für  die  einzel- 
nen Typen  festzustellen.  Hier  ist  den  Alten  und  Neueren  aus  Mißverständnissen 
und  Unkenntnis  der  in  Betracht  kommenden  Formen  mancher  Irrtum  unterlaufen, 
worauf  im  folgenden  einzugehen  sein  wird. 

Als  Bezeichnung  für  die  niederen  Untersätze  wird  mit  Recht  allgemein  Tpi- 
iroSioxo?^)  angenommen,  und  natürlich  kann  mit  demselben  Recht  xpi^oSiov  gesagt 
werden.  Ebenso  hindert  nichts,  auch  die  verschiedenen  Ausdrücke  für  Untersatz 
für  sie  in  Anspruch  zu  nehmen. 

Zu  den  Untersätzen  gehören  auch  die  Stabdreifüße.  Es  gibt  eine  ganze  Anzahl 
von  Ausdrücken.  Der  gebräuchlichste  ist  l^ifuOv^xTjS).  Suidas  s.  v. :  (jxsüo?  ti  irpöc  tö 
xpar^pa?  Tj  Xspr/xa?  rj  Tt  TOtoÖTOv  oöx  dXXoTpiov  iTttxEid&oi  kmzrßeirtv.  Vgl.  Etym.  mag. 
308,  56  i-^^ob-q-Kri  •  2xsu6?  Ti  •  o[  8s  «^70?  j^wpTjttxöv  tjxeuüjv.  ■>)  Trjv  v5v  dffo&ijxrjv.  Ttapöt 
To  iif'Ji  xeTaOai. 

Eine  nähere  Erläuterung  dazu  gibt  Athenaios  V  210  c.  fj  Ss  utc'  'AXeSavSpscuv  .  .  . 
xaXou(iev/j  dY^oör^/Tj  xpqujvoj  laxi  xata  fissov  xotXr],  5£j(S(jDat  5uvatj.svir)  evTif>£jj.svov  xspafxiov. 
ej(ouai  8q  xauTTjv  o?  [isv  Trevyjxe?  SuXivrjv,  ol  8e  itXoucrioi  yakyäiv  TJ  dpfupav. 

Die  Definition  des  Suidas  ist  ganz  allgemein;  ein  Gerät,  um  Kessel  darauf  zu 
stellen.  Darunter  können  die  niederen  und  hohen  Untersätze,  also  xpt7ro8t'(Jxoi  und 
Stabdreifüße,  und  ebenso  jedes  demselben  Zweck  dienende  Gerät  wie  die  archaischen 
vollen  Untersätze  verstanden  werden.  Die  Definition  des  Athenaios  betont  die  Drei- 
seitigkeit und  sagt,  daß  die  Armen  das  Gerät  aus  Holz  und  die  Reichen  aus  Erz  oder 
Edelmetall  hatten.     Dabei  denkt  man  zunächst  an  eine  dreiseitige  hohe  Holzplatte, 


»)  Etwas  anderes  ist  die  Verwendung  von  kleinen  panos,  Dodone  XXIII  2)  TepiJdxXrj?   ru'i  Atl  Naitp 

menschlichen  Figuren,  sogar  in  lebhafter  Bewe-  ^«'{iiiiSo«  dv^Sjjxs. 

gung,  als  Stützen  von  Thronen  auf  dem  unteren  Für  die  niederen  Untersätze  sind  jedenfalls 

Querholz  (B.  C.  H.  1906,  506),  wovon  das  be-  auch  die  in  eleusinischen  Tempelinventaren  vor- 

rühmteste    Beispiel    die    Tötung    der    Niobiden  kommenden      Xeovxoßassis      zu      beanspruchen 

•    durch  Apoll  u.  Artemis  an  den  Schwingen  des  (Furtw.,  Olympia  IV  136),  wenn  damit  nicht  jene 

Zeusthrones     zu  Olympia   ist    (Paus.   V   11,2),  schon  im  VI.  Jahrhundert  nachweisbaren    drei- 

wenn  man  dafür  auch   wohl  Reliefbildung  an-  beinigen  Becken  (s.  o.  S.  100  f.)  gemeint  sind,  wie 

nehmen  muß.  wohl  bei  Aischylos  Frg.  225.    xal  vtexpa   8^  XP^ 

')  Sie  waren  beliebte  Weihgeschenke,  wie  ihr  häuft-  Scoafäpujv  ttoSiüv  -^epsiv   XsovxopäfKov  noü  axä-fi; 

ges  Vorkommen  in  den  Fundschichten  der  Heilig-  yaXxi^Xaxo;. 

tümer  beweist.   Auf  einem  aus  Dodona  steht  sogar       3)  Auch  ii-cjodii-/.Ti  kommt  vor:  Lukian,  Lexiphanes 

noch  die  Weihinschrift  (Roehl  I.  Gr.  A.  502.  Cara-  c.  2. 


142 


Karl  Schwendemann,  Der  Dreifuß. 


die  in  der  Mitte  ein  Loch  hat.  Aber  die  Ausdrucksweise  des  Athenaios,  besonders 
wenn  er  sagt,  die  Reichen  hätten  das  Gerät  aus  Erz  oder  Silber,  braucht  nicht  zu 
besagen,  daß  er  eine  Form  im  Auge  hat,  sondern  nur,  daß  das  Gerät  dreieckig  ist 
und  in  der  Mitte  xoiXtj,  und  kann  daher  auch  auf  die  Stabdreifüße  bezogen  werden. 
Das  wird  bestätigt  durch  Athen.  V  210  a.  Es  wird  eine  Rede  des  Lysias  angeführt, 
in  der  eine  '/a\^^i  ^TT"^'^'")  genannt  wurde  und  von  der  es  hieß:  Ttspumv  5s  iTrtaxsuöaoti 
aÖTr)v  ß&uX6(j,svoj  iSeStuxa  ek  zh  j^aXxeiov  iaxl  ^dip  auv&sf»]  xai  Saxupeuv  e^^ei  «poaojita  xai 
ßouxe^oXia.  Hier  ist  zum  mindesten  von  einem  Gerät  gesprochen,  das  komplizierte 
Formen  zeigte,  nicht  so  einfach,  wie  man  nach  210  c  etwa  annehmen  könnte.  Man 
meint  geradezu  von  einem  Stabdreifuß  sprechen  zu  hören,  der  auch  auvÖsToj  ist  und 
besonders  oft  aoTuptuv  Trpoacuir«  aufweist.  Man  wird  kaum  einen  Gerättypus  finden, 
auf  den  man  die  Stelle  eher  beziehen  kann,  als  auf  die  Stabdreifüße. 

199c  erwähnt  Athenaios  Xsßrjxe?  ii:  ii-^ob-fiy^aii;.  Mit  demselben  Wort  wird  21  ob 
der  berühmte  Untersatz  des  Glaukos  von  Chios  bezeichnet: " H-jijaavSpo;  8s  6  AsXcpö;  . . . 
rXauxou  (prfll  xoGl  Xtou  zh  Iv  AsX^oi?  ujroatrjjxa  oTov  i-c(i>brj-Kriv  xivi  aiSr^päv.  Zugleich 
begegnet  hier  ein  neues  Wort  uicoüTrjjia.  Dasselbe  nennt  Pollux  X  46  aus  den  attischen 
Demiopraten:  XootT/ptov  xai  uTtöatatov.  Mit  anderer  Präposition  begegneit  es  in 
attischen  Inschriften  als  imazazo;,  k-Kiuzdzr^i,  uTtodTatr)?').  Ein  sehr  beliebtes  Wort 
für  Untersatz  ist  oiroxprjxrjpt'Siov,  das  durch  die  Inschrift  von  Sigeion  I.  G.  A.  492, 
vgl.  C.  I.  G.  2139,  II  und  eine  Vaseninschrift  aus  Naukratis,  Dittenberger  Sylloge^ 
750  schon  für  das  VI.  Jahrh.  belegt  ist  und  das  Herod.  1 25  von  dem  Werk  des  Glaukos 
gebraucht.  Dasselbe  nennt  Paus.  X  16,  i  uTOÖTjfta.  Alle  diese  Bezeichnungen  müssen 
auch  auf  die  Stabdreifüße  bezogen  werden.  Denn  sie  dienten  besonders  in  archaischer 
Zeit  hauptsächlich  als  Kesselträger.  Wir  können  also  nicht  sagen,  daß  die  Stabdrei- 
füße in  der  Terminologie  von  den  anderen  Geräten  desselben  Zweckes  unterschieden 
worden   seien  ^). 

Das  ist  nur  der  Fall,  wenn  sie  als  xpi'TroBe?  bezeichnet  werden,  wobei  dann 
natürlich  Verwechslungen  mit  anderen  Formen  der  Dreifüße  möglich  sind.  Ein 
Stabdreifuß  mit  Kessel  wird  bei  Hesiod "Epfa  533  ff.  zu  einem  Vergleich  beigezogen: 
Toxe  8t)  xpiiroSi  ßpoxoi  Taoi,  ou  x'  ^7:1  vüjxa  eafs,  x«'p>j  8'  efj  ou6af  opäxai  •  xw  fxsXol  «oixcöoiv, 
dX8uo(A8vot  vt'^a  Xsoxi^v.  Das  Gestell,  der  eigentliche  Stabdreifuß,  ist  hier  zd  vSxa, 
^der  Kessel  xo  xdp-q  genannt  und  gedacht  ist  hier  an  ein  Gerät,  dessen  oberer  Ring  zer- 


')  Boeckh,  I.  Gr.  I.  S.  20,  auch  !jjr(5aTT)(ia  C.  I.  Gr.  I. 
989  b,  991  b. 

')  Auf  dem  »M;uitheos«-Rclief  in  Wilton  House 
(zuleut  Preuncr,  Arch.  Jahrb.  1920,  76  fr.;  ein 
ähnliches  Relief  in  Rom:  Helbig-Amelung, 
Führer  IJ,  972)  steht  vor  einem  Sitzbild  des 
Zeus  auf  dreibeinigem  Gestell  ein  Kessel,  in 
den  ein  nackter  Jüngling  die  Hände  streckt. 
Es  ist  ein  Weihwasserbecken,  wie  sie  vor  den 
Heiligtümern  standen  und  zugleich  die  Grenze  des 
heiligen  Gebietes  darstellten  (Pollux  18  tiTj  o'üv 
ö    (A^v    tum    -cpippavTTjpftuv    x6r.oi    Svöso;)    und 


Ttiptppavf^piov  oder  ditop.  genannt  wurden.  Vgl. 
auch  Milet  Heft  III  (1914)  S.  409.  Inschr.  aus 
dem  Jahre  7  v.  Chr.  Zeile  13:  jrepipavT:^pta  S'lo 
^v  T(j)  vaijJ  TOÜ  '.AwiiXXiuvo;  toü  AiSupiimt.  Das  la- 
teinische incitega  ist  nach  dem  griechischen 
l^yuäi^xirj  gebildet.  Saalfeld,  Tensaurus  italo- 
graecus  gibt  dafür  folgende  Definition:  „Das 
durchlöcherte  Gestell,  auf  welches  die  unten  spitz 
zulaufende  Amphora  gestellt  wurde";  vgl.  Paul. 
Diac.  p.  107,  3  incitega  machinula,  in  qua  con- 
stituebatur  in  convivis  vini  amphora,  de  qua  sub- 
inde  deferrentur  vina. 


Karl  Schwendemann,   Der  Dreifuß.  145 


brechen  ist,  so  daß  der  Kessel  auf  einer  Seite  herunter  sinkt,  und  das  Ganze  wird 
den  Menschen  verghchen,  welche  tief  vorne  übergebeugt  vor  dem  ihnen  entgegen- 
wehenden Schnee  sich  decken. 

Semos  und  Philochoros  bei  Athen.  37  e  ff.  bezeugen  den  Gebrauch  des  Wortes 
Tpiitoof  für  Stabdreifuß  mit  Kessel.  Es  wird  da  auseinandergesetzt,  daß  die  Trunke- 
nen die  Wahrheit  enthüllen  und  auch  andere  dazu  veranlassen.  Daher  komme  das 
Wort  des  Alkaios  oTvo?  xal  dXrfizitx,  daher  (offenbar  weil  in  ihm  der  Wein  gemischt 
wurde)  sei  der  Tpiitou?  dionysischer  Siegespreis.  Dann  heißt  es:  xai  fap  ex  tpiTroSoc  Xe^eiv 
(pajisv  xous  akrfieoovzai'  Sei  6i  vostv  tpiTroS«  to5  Atovuaou  xöv  xpat^pa.  fjV  fip  xh  dpycdov 
860  flvT]  TpiTToStuv  ou?  xaXetsöat  Xsßrjta;  duvsßaivsv  d(icpoTs'pou?  liiitopißTjTr)?  6  xai  Xoexpoj^oo?. 
AXaypKoi  (Frg.  I  N.)  tov  fifev  rptTtooc  IMZolz'  ofxEto?  Xeßr);  del  cpuXddCHuv  t)iv  uirsp  Ttupb? 
oiTdatv.  6  81  iTspo?  xpaTY]p  xaXoufievo?.  'Ojirjpof  (I  122)'  »Si^t'  (XTrupous  tpiTtoSas".  iv  tou- 
Toi?  8s  TÖv  olvov  Ixipvojv  •  xat  ouTo?  luTiv  6  xrfi  aXT)9sia?  TpiTtoo?.  8tö  '  AttoXXcuvo;  (isv 
o^xeToi;  6t(i  tyjv  ix  (jiavTixT);  a^ösiav,  Atovuaou  8k  8i(i  ttjv  Iv  (a^ötq.  Sr^pios  8'  6  AijXtot 
(pTjot  (F.  H.  Gr.  IV  494)  »TpiTToof  yakxoöi,  oö/  6  RuDixoc,  dW  8v  v5v  Xsßyjxa  xaXoüaiv. 
ouxoi  8'  fjOav  0"  (xkv  aTtopoi,  dt  ou?  xöv  oTvov  etdsxspa'vvoov,  oT  8e  Xoexpoj^ooi,  Iv  ok  xö 
58u)p  lOspfiaivov,  xai  ^tiTruptßfjxai". 

Athenaios  sagt  also,  der  Dreifuß  des  Dionysos  sei  ein  Krater  und  derselbe,  der 
bei  der  Wendung  dx  xprao8oc  Xsfsiv  gemeint  sei,  zu  derselben  Gattung  gehöre 
auch  der  dX^iÖEi«;  xpiitou?,  der  Apollon  heilig  sei.  Da  nun  nur  die  Stabdreifüße  als 
Mischkessel  verwendet  wurden,  so  geht  aus  der  Stelle  hervor,  daß  sich  Athenaios, 
wenn  überhaupt  etwas,  einen  Stabdreifuß  als  Dreifuß  des  Apoll  und  Dionysos 
vorgestellt  hat.  Jedenfalls  setzt  er  xpinou?  und  xpaxTJp  gleich  und  glaubt,  die  xpiitoSe? 
aTTopoi  Homers  seien  zum  Mischen  des  Weines  bestimmt  gewesen. 

Diese  aus  Homer  entlehnte  Unterscheidung  der  xpmoSss  aTtupoi  von  den 
xp.  l(i.7ruptßT,xai  oder  Xosxpo)(6ot  findet  sich  ebenso  bei  Paus.  IV  32,  i :  xsTvxai  8e  xai 
apj(aTot  xptuo8es*  aTrupou?  aöxou;  xaXsi  "Ojiripo?.  Auch  Hesych.  s.  v.  xpi'irou? 
und  Apollonios,  Lex.  Hom.  s.  v.  xpiro8a?  kennen  sie.  Von  den  Alten  haben  die 
Neueren  diese  Unterscheidung  übernommen,  so  Hermann-Blümner,  Griech.  Privat- 
altertümer 3  (1882)  S.  168,  6,  ebenso  Wieseler,  Über  d.  delphischen  Dreifuß  (Abh. 
d.  Gott.  Ges.  d.  Wiss.  XV  1870);  und  noch  in  der  neuesten  Zusammenstellung  über 
Dreifüße  bei  Daremberg-Saglio  V,  474  ff.  findet  sie  sich.  Die  so  entstandene  Verwir- 
rung besonders  deutlich  bei  Boucher-Leclercq,  Histoire  de  la  divination  III,  89,  A.  2. 

Um  zu  prüfen,  ob  jene  Unterscheidung  zu  Recht  besteht,  müssen  die  einschlä- 
gigen Homerstellen  betrachtet  werden.  Das  Wort  i[X7rupißi^xrj?  kommt  bei  Homer 
nur  einmal  vor:  II.  XXIII  702  x(j)  (lev  vixVjaavxi  [xs^av  xpiTO8'  IfiTruptßT^xrjv  übers, 
von  Ameis-Hentze  »im  Feuer  stehend  d.  i.  bestimmt  über  das  Feuer  gestellt  zu  werden«. 
Öfter  begegnet  Xoexpo/oo;,  aber  nicht  als  stehendes  Beiwort,  sondern  im  Hinblick 
auf  die  jedesmalige  Situation.  Der  Dreifuß  soll  übers  Feuer  gestellt  werden,  um 
Osp(i(i  Xosxpa  zum  Bade  zu  bereiten  II.  XVIII  344  ff.  (darnach  wörtlich  Od.  VIII435). 
An  solchen  Stellen  heißt  der  Dreifuß  meist  [is^a?  (auch  II.  XXII  442,  XXIII  40,  Od. 
X  358),  und  der  Zweck  ist  substantivisch  oder  verbal  ausgedrückt.  IL  XXII,  442 
sind  0sp(i4  Xoexpa  genannt  für  Hektor;    II.  XXIII  23   soll  für  den  Peliden  Wasser 


I^^  Karl  Schwendemann,  Der  Dreifuß. 


zum  Xouaaaöai  gerichtet  werden.  Also  kann  aus  diesen  Stellen  nur  bei  oberflächlichem 
Hinsehen  gefolgert  werden,  daß  lniruptßTJTT)?  oder  XosTpo^oo?  auf  eine  besondere 
Gattung  von  Dreifüßen  geht. 

Ebenso  steht  es  mit  dem  Wort  aTtopoj.  Es  bedeutet  »noch  nicht  auf  dem  Feuer 
gewesen,  noch  ungebraucht«,  nicht  etwa  '>nicht  bestimmt,  über  das  Feuer  gestellt  zu 
werden«.  II.  IX  122  zählt  Agamemnon  unter  den  Geschenken  für  Achill  litx'  ditu- 
poüc  TpfcoS«?  auf;  ebenso  IX  264.  Achill  erwähnt  II.  XXIII  267  ff.  als  Kampfpreis 
bei  den  Leichenspielen  des  Patroklos:  «utip  xtj)  Tpixatq}  aitupov  xateÖYjxs  Xeßrjta 
xoXiv  Tsaaapa  [isxpa  xejfovSota  Xeoxiv  iö'  auTtoc;  das  Xeuxo«  zeigt  deutlich,  wie  aitupoc 
gemeint  ist.  II.  XXIII  885  kommt  das  Wort  auch  wieder  bei  Aufzählung  von 
Kampfpreisen  vor.  II.  XXIII  270  wird  es  in  anderer  Form  als  äirupwto;  von  einer 
(ptot'Xrj  gebraucht.  Ganz  besonders  beweisend  ist  aber  ein  Fragment  des  Alkman  33  B; 
17.  Crusius.  xal  itoxa  xoi  8u>3(u  xptuoSo«  xuxoj,  (^  x'  Ivi  (aixi'  dok)k€  d-ysip-Q?-  dXX'  2x1 
vöv  7'  ttTcupo?,  xa}(0  6s  itXeo?  exveo«,  ... 

Die  alte  immer  wieder  aufgenommene  Unterscheidung  der  xpinoSs«  in  awupoi  und 
i|xituptßT|Xat  ist  also  in  den  Homer  hineingetragen  und  durchaus  hinfällig.  Es  muß 
vielmehr  festgehalten  werden,  daß  wir  bei  Homer  nur  immer  Kesseldreifüße  anzu- 
nehmen haben.  Keine  Stelle  verlangt  anzunehmen,  daß  das  Wort  xpi'irouf  auch  Stab- 
dreifuß bedeutet.  Der  Dreifuß  ist  bei  Homer  stets  das,  was  er  seiner  Entstehung  nach 
ist,  Kochtopf.  Er  wird  über  das  Feuer  gestellt.  Reisch  (Pauly-Wiss.  V,  i,  1670)  hat 
die  Vermutung  ausgesprochen,  daß  er  zuweilen  auch  als  Mischkessel  gedient  haben 
könnte,  mit  Hinweis  auf  II.  XXIII  264,  wo  ein  xpiitoo?  Sutoxaistxoatfxsxpo?  genannt 
wird,  und  II.  XVIII  374,  wo  von  Dreifüßen  des  Hephaistos  gesagt  wird,  sie  seien 
bestimmt  laxotjisvat  itepl  xot^ov  iüaxafteo?  [ie-^apoio.  Aber  für  die  erste  Stelle  genügt 
es,  auf  II.  XXIII  267  ff.  hinzuweisen,  die  zweite  wird  durch  die  Erwägung,  daß 
zu  allen  Zeiten  kostbares  Hausgerät  auch  als  Zierde  des  Hauses  verwendet  wurde, 
erledigt.  Maßgebend  für  diese  Frage  und  die  Betrachtung  der  Homerstellen  be- 
stätigend sind  die  Denkmäler.  Öfter  erscheinen  auf  Vasenbildern  Stabdreifüße  mit 
Krateren;  ebenso  Kesseldreifüße  über  dem  Feuer  stehend  '),  nie  aber  sieht  man 
einen  Kesscldreifuß  als  Krater  verwandt."  Man  darf  auch  nicht  annehmen,  Semos  und 
Philochoros  hätten  in  der  oben  zitierten  Athenaiosstelle  »reale  Verhältnisse  vor  Augen 
gehabt,  wenn  sie  dreibeinige  Xeßyjxe?  auch  als  Mischkessel  verwendet  sein  lassen«  2). 
Wie  wenig  auf  sie  zu  geben  ist,  hat  die  nähere  Betrachtung  gezeigt.  Das  Zitat  ergibt 
vielmehr  nur,  daß  die  Späteren  die  zwei  hauptsächlichen  Typen  von  Dreifüßen  bei 
Homer  finden  wollten  und  daß  sie  mit  dem  xpi'itouj  aitupo?  -eben  den  Stabdreifuß  mit 
Krater  meinten. 

Übrigens  wird  xpiicoo?  und  Xißij?  schon  früh  für  dasselbe  Gerät  gebraucht.  Auf 
einem  attischen  frühschwarzfig.  Vasenbild 3)  mit Darstellungvon  Kampfspielen  stehtals 
Kampfpreis   ein  Kesseldreifuß  zwischen  den  Personen  und  darüber  liest  man  XsßTj?. 

')  Z.    B.   auf   einem   streng   rotfigurigen   attischen  ebenso  Gerhard,  A.  V.  III  158,2;  Pottier,  Vases 

Stamnos  in  Berlin  mit  der  Aufkochung  des  Wid-  du  Louvre  F  372  Taf.  86. 

ders  durch  die  Töchter  des  Pelias,  Furtw.  2188;  ^)  Reisch  bei  Pauly-Wiss.  V  i,  1670. 

3)  J.  H.  St.  XIII  Taf.   12.  Graef,  Akropolisvasen  Taf.27. 


Karl  Schwendemann,  Der  DreiruS.  145 


Aischylos  Frg.  I  sagt:  ■zhv  (ikv  tpiitoo?  ISsJar'  o?xetoc  ^i^-q^  dsl  <poXäaamv  tyjv  uirkp 
Ttupoi  aiaatv  und  Hesych  s.  v.  XsßYjc  ^(dXxsio?  iroSovintrjp,  xptirouj.  Man  kann  daher 
zuweilen  im  Zweifel  sein,  ob  mit  Xeßr)?  ein  Kessel  auf  Untersatz  oder  ein  Kessel- 
dreifuß oder  nur  der  Kessel  des  Kesseldreifußes  allein  gemeint  ist  '). 

Für  TptTTou;  begegnet  auch  xpiTto?  IL  XXII  164.  Hes.  Scut.  312,  Lentz,  Herod. 
rel.  I  187  3,  II  66  38,  593  24,  704  18 ;  vgl.  Eustath.  z.  Ilias  1264  26.  Auch  xpiiroSir)?, 
das  ursprünglich  drei  Fuß  lang  bedeutet  (Hesiod.  op.  423  ff.)  wurde  von  Späteren 
=  TptiToo?  gesetzt.  Röscher,  Lex.  Uli,  739;  vgl.  Lentz,  Herod.  rel.  I  63  18.  Der 
Kessel  des  Dreifußes  heißt  ^daxpa  (II.  XVIII  348,  Od.  VIII  437),  auch  xuxo?  Alkman 
Frg.  33  B,  Eurip.  Suppl.  1202.  Die  Henkel  nennt  Homer  wx«.  So  heißen  auch  später 
noch  die  Henkel  von  Krateren,  z.  B.  in  delischen  Tempelinventaren  B.  C.  H.  VI,  S. 

46,  47- 

Das  lateinische  tripus,  dem  Griechischen  entlehnt,  bedeutet  adjekt.  dreifüßig, 
subst.  ein  dreifüßiges  Geschirr,  Dreifuß,  im  besonderen  den  der  Pythia  zu  Delphi. 
Es  kommt  dafür  auch  die  Nebenform  tripoda,  -ae  vor  2). 

Dem  XsßrjS  entspricht  das  lateinische  cortina.  Es  ist  die  »Bezeichnung  eines 
Gefäßes,  ohne  daß  sich  der  Begriff  nach  Form,  Material  oder  Gebrauch  näher  be- 
grenzen ließe.  Meist  erscheint  cortina  als  Kochtopf.  Poetisch  heißt  cortina  der  Dreifuß 
des  Apoll,  eigentlich  das  auf  demselben  ruhende  Becken  3) «. 

Bevor  wir  zum  Dreifuß  des  Apoll  übergehen,  der  zu  den  Kesseldreifüßen  gehört, 
müssen  die  Tischdreifüße  behandelt  werden. 

Der  eigentlich  griechische  und  etruskische  Speisetisch,  welcher  mit  der  Sitte 
des  Liegens  beim  Mahle  aus  dem  Osten  kam  4),  heißt  xpdirsC«,  xpdiz&^rx  xptTtouj 
oder   xpKjxsXij?  5).     xpaireCa    ist    verkürzt    aus    xexpdTtsC«  Vierfuß*).     Damit    stimmt, 


■)  xpfnout  kommt  auch  für  den  Kessel  eines  Drei-  mälem  nicht  ganz.  Auf  einem  bronzenen  Gerätfuß 

fußes  vor.    Wenigstens  scheinen  die  auf  das  pla-  der  Bibl.  Nat.  zu  Paris  (Babelon-Blanchet  582) 

täische  Weihgeschenk  bezüglichen  Stellen  keine  stehen  Herakles  und  Apoll  im  Kampf  um  d3n 

andere  Deutung  zuzulassen.    Herod.  IX  81  sagt . . .  Dreifuß,  der  hier  ein  fußloser  Kessel  ist.    Schwei- 

6   Tpfitou;   6   ypüjEo;    (ävet^B))    6   im  toO    tpixa-  gen  darf  man  von   den  verschiedenen  Etymo- 

pi^vo'j  otpio;  Toü  3(aXxiou;  Paus.  X,  13,  5  nennt  logien   mehrerer  Scholiasten:    Varro,   Ling.    lat. 

das  Weihgeschenk  jjpuioüv  xp(7ro8a  !p«fxovxt  im-  VIT  48;  Schol.  Lucan  Phars.  V  152.   Hygin,  Fab. 

xefpiEVOv  )faXx<Ji;  Diodor  XI  33,2  nennt  es  j(pu-  140.      Servius   zu   Aeneis    HI  92,   VI   347,   daß 

ooüv  XQlnoha.    Aus  der  Ausdrucksweise  des  He-  nämlich  der  Dreifuß  des  Apoll  deshalb  cortina 

rodot  wurde  gefolgert,  daß  die  Beine  des  Drei-  heiße,  weil  in  ihm  das  Herz  des  Python  (cor)  be- 

fußes  auf  den  drei  Köpfen  aufgestanden  hätten.  graben  sei  oder  weil  er  mit  der  Haut  des  Python 

Die    Schlangenleiber    waren    aber    Mittelstütze.  (corium)  bedeckt  sei.    Folgerichtig  sah  man  dann 

Bei   der  Größe   des   Monumentes    können   aber  den  Dreifuß  als  das  Grab  des  Python  an,  Hygin 

die  Beine  des  Dreifußes  nicht  aus  Gold  gewesen  a.  a.  O.  Servius  III  360. 
sein.    Es  bleibt  also  nur  übrig,  daß  Herodot  mit        4)  Dragendorff,  Thera  II  107. 
xpteous   den  goldenen  Kessel,    der   wirklich    inl        5)  Blümner,  Arch.  Ztg.  iSSi,  183. 
xoü  xpixapi^vou  ffcptoc  lag,  bezeichnete.  Pausanias        ')  Etym.   magn.  763,  38    xpiitefa:    xaxoi    ai7:sPoX7)v 

und    Diodor   haben   den   Ausdruck   dann   über-  t^{  xk  O'jXXaß?)«  TETpiiteC'i  xisüapas  ni^at  lyoMua  • 

nommen.                           "  al  fiip   xüiv   jtaXatüiv   xpcijteCai  XExpa'yuivoi   r^oav. 

')  Saalfeld,  Tensaurus  s.  v.  Vgl.  Etym.  Gud.  s.  v.    Die  Böoter  sagten  xpiireja 

3)  Pauly-Wiss.  IV  2,    1660.     Ein   solcher  Ausdruck  Lentz,     Herod.     rel.    II     S.   593,  23.      Hesych, 

durch  pars  pro  toto  fehlt  sogar  unter  den  Denk-  xpmEtav  x/jv  xptiTretav  Boiwxo^ 


1(6  Karl  Schwendemann,  Der  Dreifuß. 


daß  diese  Tische  ursprünglich  vier  Füße  hatten.  Von  diesem  ist  der  kleine  Rundtisch 
zu  unterscheiden,  der  assyrischen  Ursprungs  ist  und  auf  Vasenbildern  schon  im  VI., 
auf  den  Totenmahlreliefs  seit  dem  IV.  Jahrh.  öfter  erscheint.  Er  heißt  oft  tpiTtoui. 
Durch  Athenaios  II  49  B  wissen  wir,  oxi  '  HcrwSo?  iv  K;^üxo?  f  ajj.(p  .  .  .  tpiiroSa?  tac 
TpairsCa?  csTjtJi  (Frg.  157  Rzach).  Dasselbe  sagt  Pollux  VI,  83;  er  zitiert  X,  80 
Stellen  aus  Aristophanes,  Xenophon  und  Menander,  um  TpotTsCo  und  Tpiirou;  in  der 
Bedeutung  von  Tisch  zu  belegen.  Aus  diesen  Stellen  geht  deutlich  hervor,  daß  Pollux 
zwischen  dem  dreiseitigen  griechischen  Speisetisch  und  dem  kleinen  Rundtisch  nicht 
unterscheidet.  So  wenig  wie  Eustathios  z.  Ilias  740,  17  ean  5^  ■Kavzon  lauiov  Tpiirouv 
siiteiv  xai  TpoTTsCav.  Aus  der  bei  Pollux  auf  die  Belegstellen  unmittelbar  folgen- 
den Erörterung  ist  deutlich,  daß  er  immer  den  Rundtisch  im  Auge  hat.  Jedoch  sind 
seine  Belegstellen  nicht  für  den  Rundtisch  verwendbar,  da  aus  ihnen  nicht  hervor- 
geht, welche  von  beiden  Tischformen  gemeint  ist.  Höchstens  kann  man  aus  der 
Menander-Stelle  (Kock  III,  S.  73,  Frg.  250),  wo  tpiTroSta  genannt  sind,  schließen, 
daß  der  Dichter  an  kleine  Rundtische  gedacht  hat,  als  er  das  auch  sonst  vorkom- 
mende Diminutiv  xpiitoStov  gebrauchte.  Ähnliches  wie  von  den  Pollux -Zitaten 
ist  von  Athenaios  II  49  6  ff.  zu  sagen.  Die  Stelle  aus  Epicharm  spricht  von  einem 
TpiTtou?  TexpaTtouc.  Auch  die  Stelle  aus  Phylarchos  bei  Athenaios  IV  142  d  (F.  H.  G. 
I  346),  wo  ein  xpiitoo?  als  Tisch  genannt  wird,  wie  aus  den  Gegenständen  auf  ihm 
hervorgeht,  kann  nicht  mit  völliger  Sicherheit  auf  den  Rundtisch  bezogen  werden, 
wenn  die  Wahrscheinlichkeit  dafür  auch  groß  ist;  denn  es  werden  nur  Trinkgefäße 
auf  ihm  erwähnt.  Die  Rundtischchen  wurden  aber  gerade  nach  dem  Mahl  zum  Sym- 
posion hereingebracht.  Das  zeigt  eine  Stelle  bei  Plutarch,  Kleomenes  XIII  26  ff  : 
djrapöeitjjj?  os  xr^?  xpaTteCi^?  ef(Jsxo[j.iCsxo  xpiuouc  xpaxTjpa  xaXxouv  e^tuv  ofvou  ixeaxiv  xal 
<ptaX.as  dp'yupä?  8txox6>.ouj  8uo  xai  itoxrjpia  xöiv  ap-cupüiv  öW-ja  uavxaTtaatv.  Hier  ist  ganz 
deutlich  die  zpäTisCoi,  der  Speisetisch,  von  dem  xpiiroo;,  dem  Rundtisch,  unterschieden. 
Solche  kleinen  Rundtische  sind  wohl  auch  bei  Athen.  V  198  cd.  gemeint,  wo  in  der 
Pompa  des  Ptolemaios  ein  afa^fi«  •  Awvudoo  Sexäitr^x"  genannt  wird,  irpolxsixo  8e 
a5xo5  xpaxY)p  Aaxwvixö;  }(pu(joü?  fiexpifjxöiv  SexaTCVTe  xai  xpiirou;  }(pu(Jouf,  icp'  ou  öu[iia- 
xijpiov  j(poaoCiv  xai  <pidkai  860  ^(podal  xaasta;  (leaxal  xai  xpoxou.  Die  ganze  Beschreibung 
erinnert  an  die  Theoxenien,  wo  der  Heros  auf  der  Kline  liegt,  meist  mit  der  Schale  in 
dpr  Rechten,  vor  ihm  ein  Rundtisch  und  ein  großer  Krater  auf  der  Seite,  aus  dem  ein 
Knabe  schöpft.  Man  darf  wohl  annehmen,  daß  das  a-yaXjia  des  Dionysos  in  der  Pompa 
des  Ptolemaios  nach  diesem  Typus  gebildet  war. 

Sicher  an  runde  Dreifußtische  ist  bei  Athen.  V  197  b  zu  denken:  irapstsÖTiaav 
8s  xai  xpfcoSe?  xoi?  xaxaxetjisvot?.  /puaot  8iaxöatoi  xöv  äpi8(j.öv,  Ä3x'  elvat  860  xaxa  xXivrjv, 
dir'  dpifupäv  8i£8ptuv.  Der  Umstand,  daß  je  zwei  xpi7ro8ej  auf  eine  Kline  kommen, 
schließt  aus,  daß  große  dreiseitige  Speisetische  gemeint  sind,  von  denen  keine  zwei 
vor  einer  Kline  Platz  finden  konnten. 

Man  sieht,  wie  allgemein  der  Gebrauch  des  Wortes  xpi'ttoo?  ist,  und  daß 
man  nur  selten  sicher  sagen  kann,  welcher  Gerättypus  gemeint  ist ').    Die  Unsicher- 

')  In   einem  Grabepigramm  aus   Smyma  (Kaibel,  öp^voist  irapi^jiEvov  i;  tptXiJTTjTa  xai  fU  ropd  tpt- 

Epigr.   Graeca   312,    12  ff.)  heiftt    es:   jfpuottetst  iriSeaai  xai  djjißpoijiijoi  tpair^Cai?   ifii^uwi   xaxa 


Karl  Schwendemann,  Der  Dreifuß, 


H7 


heit  wird  noch  gesteigert,  wenn  man  bedenkt,  daß  auch  der  Rundtisch  ausdrücklich 
als  tpaTreCa  bezeichnet  wird;  so  bei  Athen.  XI  p.  489  c,  wo  eine  TpairsC«  xuxXosi8y]c 
genannt  ist.  Eine  rpaireCot  jxovoxoxXo?  erwähnt  Pollux  X  81.  An  dieser  Stelle  sagt 
er  sogar:  xal  [xijv  xal  ra  §7tiTi9e[j.eva  xot?  tptTtojt  xpotTteCat  xaXouviat,  xai  [xa-yiSe?,  also  die 
runde  Tischplatte,  die  etwa  auf  Klappdreifußgestelle  wie  beim  großen  Dreifuß  des 
Hildesheimer  Silberfundes  aufgelegt  wird,  heißt  TpotueC«,  ähnlich  wie  der  Kessel 
des  Kesseldreifußes  auch  als  pars  pro  toto  mit  Tpiwouj  bezeichnet  wird. 

Tische  wurden  bei  den  Griechen  und  Römern  im  Kult  häufig  gebraucht.  Eine 
Scheidung  zwischen  Opfertisch  und  Altar  im  engeren  Sinne  ist  nicht  durchführbar. 
In  demselben  Kult  dient  bald  ein  Tisch,  bald  ein  Altar  den  gleichen  Bedürfnissen'). 
Daher  werden  selbst  metallene  Opfertische  zuweilen  ß(ujj.oi  genannt  (Paus.  II  17,6. 
Lukian,  irspl  tt^s  2upirj?  öeou  39).  Schon  Aischylos,  Eum.  539,  setzt  einen  Tisch 
als  Altar  voraus,  wenn  er  sagt,  daß  der  Frevler  dilscp  uo8l  mit  gottlosem  Fuß,  also 
durch  einen  Fußtritt  den  Altar  (ßwjxos)  der  Dike  umwirft  (Usener,  Arch.  f.  Rel.  1904, 
322).  Auf  die  gleiche  Benutzung  des  Tisches  als  Altar  geht  seine  Bezeichnung  als 
Oucupoc;  Hesych  s.  v.  xpaireCav  ttjv  t«  Out)  (poXotdacudav.  Pollux  IV  123  sagt,  von 
den  Teilen  des  Theaters  sprechend:  im  82  ttj?  axTjvTjS  xal  dfutsus  exsiTo  ßoujii?  6  itpö 
xmv  öupuiv,  xal  Tpa'irsC«  TCE[i|xaTa  sj^ousa,  t]  Ostuplf  tuvojidCsto  ri  Outupt?. 

Vereinzelt  erscheint  für  Tisch  auch  [iaht's;  Pollux  VI  83  sagt,  daß  Sophokles 
den  Tisch  so  genannt  habe;  vgl.  Pollux  X,  81   xal  [it)v  xal  tä  lm-ci&sjj.8va  xoTj  -cpiitooi 


Satxa  8eol  cpfXov  eisopotustv.  Sind  mit  xpiicdSESSt 
Stabdreifüße  für  Kratere,  Kesseldreifüße,  Rund- 
tische oder  gar  Sitze,  für  die  ja  auch  das  Wort 
Tpteout  vorkommt,  gemeint?  Isidorus  Etymolog. 
XX  11,12  rechnet  gar  noch  die  Kandelaber  unter 
die  Dreifüße  und  XX  8,  5  alles,  was  irgend  drei 
Beine  hat. 
")  Pauly-Wiss.  I,  2,  1676.  Belege  aus  Inschriften 
und  Schriftstellern  sind  reichlich  vorhanden. 
Einige  mögen  genügen.  C.  I.  A.  836  ab  23  iiA  t})v 
dvdSesiv  xal  itotijSiv  rf]«  xpaicifir);.  ebd.  948  toü^Se 
ir.i&ilaTO  b  Upo'fivxTj?  tt/v  xXfvnjv  oxpiüaat  xA 
fiXouxtuvi  xal  xr)v  xpaneCav  xo!J(ATjcjat  xaxa  X7)V 
(iavxt(av  xoü  Seoü.  ebda.  III  i  74  iäv  ii  zu 
xpctiteCav  itXrjpij)  xdi  Seip  .  .  .  Ein  Opferkalender 
aus  dem  IV.  Jahrhundert  gibt  für  ein  Opfer  die 
Vorschrift  (CoUitz-Bechtel,  Griech.  Dialektinschr. 
III  I  3636  Z.  2):  6  hk  lep£u{  xa8i^(j8(u  itäp  xäv 
xpajt^Cav  Bfia^  xäv  ...  xol  Sc  Upo7ioio(  ixaxipm 
tat  xpajr^Ca;.  Dittenberger,  Sylloge  583,  7  ff.  gibt 
eine  Beschreibung  des  Opfertisches  und  seiner 
Umgebung  xal  Isxcv  a6x6c  6  8eö{  im  ßi^fjiaxoj 
|iapfiap(vou  xal  if)  itapaxei(ji^v7)  xujJ  8iiü  xpa'jtsta 
X(8ou  XEoß(ou  Ej(ou3a  r.6Zai  dvaYXünxous  fpünaj 
xol  i:p6  a6xT){  dßäxtov  (iapjioptvov  jrpöj  x^v 
^fpTJsiv  X(üv  SusiaWvxtov  xal  8u(jiiaxi^piov  xexpoi- 
yiuvov.      Eine     Inschrift     aus    Orchomenos     aus 


hellenistischer  Zeit,  CoUitz-Bechtel  II  1634  nennt 
xpait^Ca?  ypuo^as  xoü  Ai6(.  Dionys  von  Hali- 
karnass  Antiq.  Rom.  II  50,  3,  weiß  zu  berichten, 
daß  der  König  Tatius  h  iitacjais  xat;  xoupfats 
"Hpif  xpaTt^Ca«  ^8exo  Kouptx(8i  Xtyopi^v^.  Der  Platz 
an  der  xpciiteCa  ist  natürlich  heilig,  und  Polybius 
IV  35, 4  berichtet  es  als  großen  Frevel,  daß 
einige  Leute  niedergehauen  wurden,  itjpl  xöv 
ßiufiöv  xal  xTjv  xpctirejav.  Vgl.  Dinarch  III  2: 
xal  ^nt(upxr]X(i){  öv  u)[j.03ev  Spxov  fitxaSu  xoü 
86ou{  xal  x^s  xpait^Cl«.  Die  Verwendung  des 
Tisches  bei  Theoxenien  und  Lektistemien  ver- 
mittelt den  Übergang  zum  Altar.  Interessant 
ist  hierfür  ein  merkwürdiges  Sarkophagrelief 
aus  Kilikien  (Heberdey,  Reisen  in  Kilikien. 
Denkschr.  Wien.  Akad.  1896,  158).  Rechts 
steht  ein  Grabbau  auf  hohem  Sockel;  davor  ein 
Mann  auf  einem  Stuhl.  Vor  ihm  steht  auf  niederer 
Säule  eine  Schüssel  und  daneben  ein  Tisch 
von  der  Art  der  foculi,  auf  ihm  eine  Kanne.  Es 
ist  offenbar  der  Tote  gemeint,  der  vor  seinem 
Grabhaus  sitzt.  Der  Dreifuß  ist  hier  Tisch,  zu- 
gleich Opfertisch,  da  der  Tote  als  heroisiert  gilt. 
Über  Opfertische  als  Grabaltäre  vgl.  auch  Pfuhl, 
Ath.  Mitt.  1903,  336.  Stengel,  Opfergebräuche  142. 
Brückner,  Ornament  u.  Form  der  attischen  Grab- 
stelen   I  ff. 


148 


Karl  Schwendemann,  Der  Dreifuß. 


TpaiteCod  xaXoijivTat  xal  [ut-^da.  Die  letztere  Stelle  zeigt  deutlich,  daß  man  auch  das 
Gestell  eines  Tischdreifußes,  also  die  Klappgestelle,  wie  den  großen  Dreifuß  des 
Hildesheimer  Silberfundes  oder  das  Tischgestell  aus  Herculaneum  im  Brit.  Museum 
Tpiito8e?  nannte  und  die  aufgelegte  Platte  ipaiteC«  oder  [ii^h.  Weitere  Bezeichnungen 
für  die  Tischplatte  sind  xuxXo?  und  S)>|ioj;  Pollux  X  8i :  -cb  8'  ImftTjjia  to5  Tptito8os 
xoxXov  xal  SXjxov  upodi^xsi  xaJ^siv.  Ebenso  nennt  Artemidor  V  2i  die  Platte  des  Drei- 
fußes xuxXos. 

Die  Vieldeutigkeit  des  Wortes  xpiTroo?  führte  schon  im  Altertum  dazu,  nach 
einer  Unterscheidung  der  einzelnen  Typen  in  der  Benennung  zu  suchen.  Man 
wollte  anscheinend  vor  allem  den  Tischdreifuß  und  den  Kesseldreifuß  auseinander- 
halten und  nannte  den  letzteren  zpiitom  8sXcptx6f.  So  bei  Athen.  V  197  a,  198  c. 
Es  genügt,  die  zweite  Stelle  anzuführen:  Icplpovto  SsXtpixoi  tpiiroSsf,  ibXa.  toi?  t&v 
d8XTjT<üv  j(opi)-fotj.  Es  sind  also  Kesseldreifüße  gemeint.  Denn  diese  sind  von 
jeher  aöXa  xax'  iioyr^v.     Sie  werden  auch  xp.  ituöixol  genannt '). 

Das  lateinische  Wort  für  Tisch  ist  vor  allem  mensa  und  kann  von  jedem  Tisch 
ohne  Rücksicht  auf  seine  Form  gesagt  werden,  also  natürlich  auch  von  einem  drei- 
beinigen. So  nennt  Horaz  Sat.  I  3,  13  eine  mensa  tripes,  was  dem  griechischen  tpäirsC« 
Tpt'iTou?  entspricht,  aber  hier  natürlich  von  einem  Rundtisch  gesagt  ist,  da  der  drei- 
seitige Speisetisch  speziell  griechisch  ist. 

Tpi'itou?  8sX(pix6;  haben  die  Lateiner  mit  mensa  delphica  übersetzt  ^),  subst. 
mit  delphica.  Der  8sX«ptxd?  der  Griechen  ist  ein  Kesseldreifuß,  die  mensa  delphica 
ein  Tischdreifuß.  Hier  muß  also  ein  Irrtum  vorliegen,  er  ist  leicht  zu  erklären.  Die 
Griechen  auch  der  hellenistischen  Zeit  wußten,  wie  der  Dreifuß  aussah,  der  zu  Delphi 
in  so  enger  Beziehung  stand.  Der  Dreifuß  war  seit  alter  Zeit,  wie  die  Denkmäler 
zeigen,  in  der  Vorstellung  der  Griechen  lebendig  und  blieb  es  auch  in  hellenistischer 
Zeit.  Das  war  aber  bei  den  Römern  nicht  der  Fall.  Zu  ihnen  kam  der  Kesseldreifuß 
nur  als  Symbol  des  Apoll  und  führte  in  der  Kunst,  deren  Typik  von  den  Griechen 
entlehnt  war,  ein  Scheinleben;  ebenso  in  der  Literatur.  Das  Gerät  selbst,  wie  es  in 
den  Heiligtümern  der  griechischen  Welt  und  z.  B.  in  Athen  auf  glänzenden  Monu- 
menten zu  sehen  war,  blieb  den  Römern  im  allgemeinen  unbekannt.  So  konnte  es 
kommen,  daß  sie  xp.  SsXtpixoj  falsch  übersetzten,  weil  ihnen  die  Anschauung  fehlte, 
ebenso  wie  die  Neueren  zuweilen  über  die  Dreifüße  zu  unrichtigen  Vorstellungen 
kamen,  weil  ihnen  die  Denkmälerkenntnis  fehlte.    Die  Lateiner  setzten  in  ihrer  Vor- 


')  riiilüslratos,  Vita  Apoll.  III  27.  Tpi'noSe;  (aev 
^SeicoptiÄTjOav  jtuSixol  ■rfxTapet  oOrdfiOTOt,  xaSäirsp 
ol  'OliVlpEioi  (Ilias  XVIII  373  ff.).  Trpoi(ivTe{, 
oivo)((5oi  8'  iit'  o6toTc  5(aXxoü  fiÄavo«,  oioi  7:01p' 
"EX/tjOiv  ol  rovupii'jSEts  TE  y.a\  oi  UiXoizH.  xtüv 
ti  TpiK(I8(«v  ol  (Aiv  860  ofvou  ijrippEov,  xoiv  SuoTv 
ii  6  |jiEv  uSaxot  ÖEppioü  xpifjvr)v  Tiaptt/Ev,  6  8^ 
au  <j;u)(po5  Man  wird  nicht  annehmen  wollen, 
daß  der  Verfasser  reale  Verhältnisse  im  Auge 
gehabt  habe,  sondern  es  geht  zweierlei  bei  ihm 
durcheinander,  Gelehrtenkram  ('Opi^piwt  ^  aftxiJ- 


(iatoi)  und  Fabelei  des  Romanschriftstellers. 
Zum  ersteren  wird  auch  der  Ausdruck  nuBixol 
Tp(;to8et  gehören,  den  er  irgendwo  gelesen  hatte 
und  nicht  versäumte,  hier  anzubringen.  Auch 
Tp(Tcrf8iov  StX^txrfv  begegnet,  offenbar  für  ein 
Miniaturexemplar  (B.  C.  H.  VI,  33,  39)  tpitC($8lOV 
izX<flt6•^,  dvrf8T)(ta  'Apisxrfp^ou;  Inventar  des  de- 
lischtn  Apoliotempels. 
2)  Wieseler,  Über  den  delphischen  Dreifuß  (Abh. 
Gott.  Ges.  d.  Wiss.  XV  1870,  225.  Pauly-Wiss. 
IV  2,  2503). 


Karl  Schwendemann,  Der  Dreifu0. 


149 


Stellung  an  die  Stelle  des  Kesseldreifußes  den  Dreifußtisch,  den  die  Griechen  ja  auch 
tpiicooc  nannten  und  von  dem  man  eine  ursprüngliche  Beziehung  zum  delphischen 
Gott  um  so  eher  annehmen  konnte  '),  als  ja  derartige  »Dreifüße«  in  den  Tempeln 
der  Götter  standen  als  Tische  und  Altäre.  Cicero,  Verr.  IV  59,  §  131  wirft  Verres  vor, 
er  habe  mensas  delphicas  e  marmore  ex  omnibus  aedibus  sacris  geraubt.  Festus 
p.  149  (Lindsay)  sagt:  mensae  in  aedibus  sacris  ararum  vicem  optinebant;  vgl.  Vergil, 
'  Aeneis  VIII  279  ocius  pmnes  in  mensam  laeti  libant  divosque  precantur  (vgl.  I  736, 
II  764),  und  Macrob.,  Sat.  III,  XI,  5  mensa  arulaeque  eodem  die  quo  aedes  ipsae 
dedicari  solent,  unde  mensa  hoc  ritu-dedicata  in  templo  arae  usum  et  religionem  op- 
tinet  pulvinaris  »),  und  Juvenal  II  iio  hie  nuUus  verbis  pudor  aut  reverentia  mensae, 
Vergil,  Aeneis  II 764  huc  undiqueTroia  gaza  incensis  erepta  adytis  mensaeque  deorum 
congeritur,  Macrob.,  Sat.  III  II,  6  in  fanis  instrumentorum  principem  locum  optinet 
mensa  in  qua  epulae  libationesque  et  stipes  reponuntur.  Die  mensa  tripes  war  also 
in  der  römischen  Vorstellung  der  heilige  Dreifuß.  Wenn  gar  mensa  und  pulvinar 
gleichgestellt  werden,  dann  ist  es  nicht  mehr  weit  zu  der  Vorstellung,  daß  Apoll 
und  Pythia  auf  einem  solchen  Gerät  weissagen.  Auch  die  Denkmäler  zeigen,  wie  wir 
noch  sehen  werden,  daß  gerade  die  mensa  delphica  mit  ganz  deutlicher  Beziehung 
auf  den  mantischen  Dreifuß  des  Apoll  bei  Zauberei  und  Mantik  eine  Rolle  spielte. 

Mit  mensa  delphica  und  delphica  wird  dann  jeder  Rundtisch  ganz  ohne  Bezie- 
hung zum  Kultus  bezeichnet.  Er  dient  zum  Aufstellen  des  Trinkgeschirrs  (Martial 
XII  66,  5).  Die  Digesten  (XXXIII  10,  3)  zählen  die  delphica  unter  der  supellex 
auf.  Sogar  das  griechische  Lehnwort  abacus,  das  ursprünglich  eine  viereckige  Platte 
bezeichnet,  dann  Schenk-  und  Kredenztisch  bedeutet  3),  wird  der  delphica  gleich- 
gesetzt 4). 

Im  Anschluß  an  die  antike  Terminologie  der  dreibeinigen  Geräte  muß  über  die 
Form  des  apollinischen  Dreifußes  5)  kurz  gesprochen  werden.  Aus  dem  Umstand, 
daß  Athenaeus  V  198  c  unter  den  xp.  hek<pixo(  anathematische  nennt,  wurde  schon 
gefolgert,  daß  der  apollinische  Dreifuß  ein  Kesseldreifuß  war.  Wieseler  *)  hat  aus  der 
Übersetzung  des  Tpiirou?  SeXcpixo?  mit  mensa  delphica  gefolgert,  daß  er  ein  Tisch- 
dreifuß gewesen  sei.  Aber  auf  Vasenbildern  und  Reliefs  ist  der  Dreifuß  des  Apoll 
und  besonders  das  Gerät,  auf  dem  der  Gott  oder  die  Pythia  sitzt  7),  ferner  der  Drei- 

')  Prokop,  De  bello  vand.   I  21   sagt  es  deutlich:  Die  Lampenständer  (s.  o.  S.  119),  die  teils  den 

A^ftxa  54  TÄv  Tflnoha  —  er  spricht  von  einem  Tischen,   teils   den   Untersätzen   verwandt   sind, 

Tischdreifuß  —  xaXoüsi  'PuifjiaTot  ItisI  TTpiüTov  h  kann  man  unter  den  Namen  lychnuchus  ein  reihen, 

AeXtpoTs  y^YOve.  da  der  Ausdruck  für  jeden  Lampenhalter  ange- 

')  Die  Stellen  zeigen,  daß  man  unter  mensa  delphica  wandt   wird   (Blümner,    Rom.    Privataltertümer 

nicht  nur  die  Tische  mit  Tierbeinen,  sondern  auch  (1911)  14O1  Anm.  6). 

die  foculi  und  Klappdreifüße  zu  verstehen  hat,  5)  So  nennt  man  am  besten  das  Gerät,  nicht  delph. 

denn  diese  erscheinen  auf  den  Monumenten  be-  Dreifuß,  da  bei  der  antiken  Terminologie  hier- 

sonders  oft  als  Altäre.  durch  Mißverständnisse  entstehen  können. 

3)  Saalfeld,  Tensaurus  s.  v.  Marquardt-Mau,  Privat-  *)  Delph.  Dr.  228. 

leben  I  204.                                            •  7)  Einige    schöne    Beispiele    sind:    i.    Streng-rotfig. 

4)  Jahn,  Schol.  in  Juven.  Sat.  III  204,  urceoli  sex,  Vase.  Apollo  auf  geflügeltem  D.  über  das  Meer 
omamentum  abaci  Schol.  quod  nos  delphicam  fliegend.  Mon.  d.  Inst.  I  46.  2.  Apoll  in  Delphi 
appellamus.  auf  D.    Tischbein,  Vases  Hamilton  1 28.    Over- 

Jahrbucb  des  archäologiscben  Institut«  XXXVI.  1 1 


ISO 


Karl  Schwendemann,  Der  Dreifuß. 


fuß,  der  so  oft  in  den  Darstellungen  des  Dreifußraubes  vorkommt,  ein  Kesseldreifuß 
und  seiner  Form  nach  nicht  zu  trennen  von  den  Dreifüßen,  die  als  Kampfpreise  und 
Weihgeschenke  geläufig  sind.  Das  beweist,  daß  Wieseler  geirrt  hat.  Denn  für  unsere 
Vorstellung  vom  apollinischen  Dreifuß  dürfen  nicht  römische  Autoren  maßgebend  sein, 
sondern  vor  allem  die  griechischen  Denkmäler  des  VII. —  III.  Jahrh.  Wenn  es  jemand 
wissen  konnte,  wie  der  Dreifuß  im  delphischen  Adyton  aussah,  so  waren  es  die  Griechen 
jener  Zeit.  Es  sind  damit  endgültig  auch  alle  Ansichten  der  Früheren  erledigt,  die" 
aus  der  Anwendung,  dem  Sinn  und  der  Etymologie  der  für  den  apollinischen  Dreifuß 
und  seine  Teile  gebrauchten  antiken  Ausdrücke  die  Denkmäler  interpretierten  '), 
um  über  Gestalt  und  Einrichtung  des  apollinischen  Dreifußes  Klarheit  zu  gewinnen, 
und  dabei  zuweilen  auf  merkwürdige  Ergebnisse  kamen. 

Der  apollinische  Dreifuß  hat  mannigfache  Namen  erhalten  wie  6  xp.  6  Iv  AsX- 
«poif,  6  riuOot  tp.,  xp.  Caöeo?,  kpbs  xp.,  xp.  xotvo?  'EXXaio?,  6  xp.  6  [xavxixoj,  6  SsX'ftxo? 
oder  ituöixo?  xpiTtou;^),   xptiro5r/toj  SSpYj3),   auch  Si'^poj  x'^X'^^oa;  xpet?  iroSa;  lyuiVi). 

Viel  gestritten  wurde  über  die  Bedeutung  des  Wortes  oXjxo?,  das  öfter  in  Be- 
ziehung auf  den  Dreifuß  des  Apoll  vorkommt.  0.  Müllers)  verstand  darunter  eine  runde 
Platte;  ebenso  Wieseler^),  welcher,  von  der  Ansicht  ausgehend,  daß  der  apollinische 
Dreifuß  zu  den  Tischdreifüßen  gehöre,  in  dem  SXiio?  die  Tischplatte  erkennen  wollte. 
Maßgebend  war  vor  allem  Pollux  X  8i.  'H  81  u7roxet(j.evifj  xoT?  o^J^ot?  xpaitsC«  xat 
xptitooc  äv  xaXoixo*  .  .  .  xö  8'  inibrnia  xoü  xptiroSoj  xuxXov  xal  SXpiov  irpoaijxsi  xaXeiv,  lizsl 
xal  xoS  AsX^pixoü  xpiTto8of  xö  Im'O/jfio,  (p  l-(xdb-qxon  tj  7rpo<prjXic,  oXfios  xaXeixai  .... 
Darnach  wäre  SXpiof  und  iiriftr^ia  allerdings   gleichbedeutend.     Aber   Pollux    ist   ein 


beck,  ApoUon  S.  326.  Atlas  XXII  7.  3.  Apulische 
Volutenamphora  in  Berlin:  Furtwängler  3256. 
R.  Rochette,  Mon.  in^d.  Taf.  35.  Orest  in  Delphi. 
Apoll  auf  D.  4.  Relief  im  athenischen  National- 
museum; Svoronos,  Taf.  181,  S.  493;  Wejhrelief 
mit  mehreren  Figuren,  Apoll  auf  D.  5.  Relief 
ebda.  Taf.  54,  Nr.  1389,  S.  334,  die  delphische 
Trias,  Apoll  auf  D.  Beide  Stücke  aus  dem  Ende 
des  V.  Jahrh.  An  Stelle  Apolls  tritt  Themis. 
6.  Rotfig.  Gefäß,  zweites  Drittel  des  V.  Jahrh. 
.  Gerhard,  A.  V.  IV  327,  328.  Furtw.-Reichh. 
Taf.  140.  Aigeus  in  Delphi  vor  Themis,  die  auf 
dem  D.  sitzt.  7.  Pythia  auf  D.  Arch.  Ztg. 
1860,  Taf.  138,  S.  49  ff.  Die  Ausnahmen  von  der 
Regel  sind  verschwindend.  Sieveking-Hackl, 
Münchner  Vasens.  Nr.  900,  S.  124,  Taf.  40, 
ionische  Hydria  mit  Dreifußraub.  Der  D. 
ist  ganz  deutlich  ein  Stabgestell  mit  Kessel 
darauf.  Eine  Münze  von  Rhodos,  Brit.  Mus. 
Cat.  Carla  Taf.  39,  7,  Nr.  175,  zeigt  als  Beizeichen 
kleinen  Stabdreifuß  mit  Kessel,  vgl.  Br.  M.  C.  Ga- 
latia  S.  165,  Nr.  125.  Münze  von  Antiochia. 
Apollokopf.  JJ  Dreifuß,  an  dessen  Beinenden 
Menschenköpfe  sitzen,  also  doch  Tischdreifuß,  dar- 


auf Gefäß.  Kaiserzeit.  Mehrmals  ist  deutlich,  daß 
ein  Stabgestell  mit  oberem  Ring  gemeint  ist,  in 
dem  der  Kessel  ruht.  Strong,  Rom.  Sculpture 
Taf.  79.  Stark,  Niobiden  Taf.  19,  2.  Sarkophag 
II.  Jahrh.  n.  Chr.  Brit.  Mus.  Cat.  Creta  S.  14, 
Nr.  3,  Taf.  III  13,  ebenso;  Münze  von  Axos.  Die 
Vorstellung  eines  solchen  Gerätes  liegt  offenbar 
der  Stelle  bei  Photius  zugrunde:  Lex.  TpfcoSa 
Xi^rjxa.  h  ÄEXtpoT;  Inf  TpfeoSi  xefftevov  piavttxoü 
^ Atz6XKu)10(.  Aber  die  Monumente  sind  über- 
wiegend spät,  und  die  Vorstellung  der  mensa 
delphica  spielt  herein. 

■)  Bes.  K.  0.  Müller,  De  tripode  Delphico,  1820. 
Kunstarchäol.  Werke  I,  46 — 59  (Berlin  1873); 
ders..  Über  die  Tripoden  I  (1820);  ebda.  6  — 74. 
Über  d.  Tr.  II,  ebda  74—85.  Wieseler,  Delph.  D. 
Hier  die  zwischen  Müller  und  Wieseler  liegende 
Literatur. 

=)  Wieseler  223. 

3)  Kallimachos,  Hymn.  auf  Delos  90. 

4)  Jambl.  de  myst.  III  11,  p.  126.     Barth. 

5)  Über  d.  Tripoden  II,  74.  Auch  Kl.  deutsche  Sehr. 

11,  589. 
«)  Delph.  Dreifuß  245  ff. 


Karl  Schwendemann,  Der  Dreifuß.  151 


später  Schriftsteller  und  hält  mit  anderen  späten  Griechen,  z.  B.  Nonnos 
Dionys.  IV  291,  den  delphischen  Dreifuß  wie  die  Lateinet  für  eine  mensa. 
Aus  mehreren  anderen  Stellen  scheint  hervorzugehen,  daß  Sophokles  das 
Wort  oXjioj  mit  dem  apollinischen  Dreifuß  zuerst  in  Beziehung  brachte,  vgl. 
Zenob.  III  63  xal  xou;  xpiiroSa;  tou  'AitöXWvo;  oXfAOU?  xaXeTaöai  xal  'AuoXXtuv  uno 
2otpoxXeou?  (Frg.  942)  £voX[j.o?.  Auch  einige  andere  Zeugnisse  besagen,  daß  der 
Dreifuß  des  Apoll  o>.[j,o?  heiße,  so  Schol.  Arist.  Wesp.  238;  Eustath.  zu  Ilias  XI 147. 
Schol.  Arist.  Plut.  9  sagt  xaXsiTat  5^  xö  fispo?  iv  1^  xä&rjxai  (fj  Iluöia)  oXfifj?. 

oXfioc  bedeutet  einen  walzenförmigen  Körper,  Mörser,  Trog  ').  II.  XI  147  wird 
der  Rumpf  des  menschlichen  Körpers  oX(i.os  genannt;  das  Scholion  zur  Stelle  besagt: 
&  xuX(v6p(uS7]c  Xi'&o?  ouTu)  xaXstxai,  et;  ov  xoTixouatv  ooirpia  xal  akXa.  xiva.  Für  den 
menschlichen  öcupaj  gebraucht  es  offenbar  nach  Homer  Pollux  II  162.  Hesych 
s.  V.  sagt  dasselbe  wie  das  eben  angeführte  Scholion.  Bei  Herodot  I  200  bedeutet 
oX|ioc  Mörser  und  Pollux  X  114  Backtrog,  bei  demselben  II  93  heißen  die  Höhlungen 
der  Zähne  oXfAiaxei. 

Diese  Stellen  beweisen,  daß  Sophokles  unter  5Xn.oj  den  Kessel  des  apollinischen 
Dreifußes  verstand,  wenn  er  den  Gott  evoX|xoj  nannte,  und  daß  die  Späteren  unrecht 
hatten,  das  Wort  =  xuxXo?  zu  setzen.  Allerdings  mußten  sie  dazu  kommen,  wenn 
sie  an  einen  Tischdreifuß  dachten.  Auch  die  cortina  wurde  aus  demselben  Grund  als 
mensa  aufgefaßt.  Schol.  Lucan.  Phars.  V  152  tripus  est  mensa  Apollinis  a  tribus 
pedibus  ^). 

DIE  RELIGIONSGESCHICHTLICHEN  BEZIEHUNGEN  DER  DREIBEINIGEN 

GERÄTE. 

Der     Dreifuß     als     Hausgerät,     Wertgegenstand,      Kampfpreis,     Weih- 
geschenk   und     Siegeszeichen. 

Man  denkt,  wenn  man  von  religionsgeschichtlicher  Beziehung  der  Dreifüße 
hört,  zunächst  an  den  apollinischen  Dreifuß.  Antike  und  neuere  Forscher  sind  immer 
wieder  von  der  Tatsache  ausgegangen,  daß  der  Dreifuß  dem  Apoll  und  Dionysos 
heilig  war,  und  haben  von  hier  aus  erklären  wollen.  Man  wollte  den  Dreifuß  erfunden 
sein  lassen,  um  der  Pythia  über  dem  delphischen  Erdspalt  einen  sicheren  Sitz  zu  bieten, 
alle  Dreifüße  sollten  nach  diesem  einen  gemacht  sein  3).  CO.  Müller  sah  den  Ur- 
sprung des  Dreifußes  in  bacchischen  Religionsideen;  er  sei  ursprünglich  dem  Dionysos 
heilig  und  von  Apoll  übernommen  worden  4),  andere  haben  sich  das  Verhältnis  um- 
gekehrt gedacht  5).  Ebenso  wurden  verschiedene  Ansichten  ausgesprochen  über  die 
Frage,  welchen  Göttern  der  Dreifuß  heilig  gewesen  sei.    So  lange  man  in  erster  Linie 

')  Prellwitz,  Etym.  Wörterb.  s.  v.  mehr  als  Scheibe,    sondern    als  Kugel    auffaßte, 

')  Die  Stellen,  in  denen  von  einem  a^iuv  die  Rede  mußte   die   alte  Erdmittelpunktidee   zu   der   von 

ist,  auf  welchem  Apoll  oder  seine  Prophetin  sitzt,  der  Erdachse  werden.     Vgl.  Blümner,  Kerl.  Phil. 

hat  Röscher,   Omphalos    (Abh.  Phil.-hist.  Kl.  d.  Woch.   1914,    1526- 

Sachs.    Ges.   d.   Wiss.   XXIX,   Nr.  IX)   40   und  3)  Diodor  XIV,  25. 

74,  wohl  richtig  dahin  erklärt,  daß  aSmv  =  Erd-  *)  Z.  B.  Reisch  bei  Pauly-Wiss.  V  i,  16S4. 

achse  zu  verstehen  sei.     Als  man  die  Erde  nicht  5)  Über  d.  Tripoden  60. 


Xe2  Karl  Schwendemann,  Der  Dteifuä. 


die  literarischen  Zeugnisse  befragt,  wird  man  für  alle  Antworten  Belege  beibringen 
können.  Das  erscheint  nicht  verwunderlich,  wenn  man  sich  erinnert,  daß  sich  die 
antike  Literatur  auf  über  ein  Jahrtausend  erstreckt,  in  den  verschiedensten  Ländern 
rings  ums  Mittelmeer  entstanden  ist  und  ihre  meisten  Zeugnisse  über  die  hier  in 
Betracht  kommenden  Fragen  aus  den  späteren  Jahrhunderten  stammen. 

Wenn  wir  historisch  untersuchen,  müssen  wir  die  Frage  nach  dem  apollinischen 
Dreifuß  und  allem,  was  sich  daran  anschließt,  zunächst  außer  acht  lassen.  Denn 
es  gibt  Früheres. 

Wir  haben  oben  gesehen,  daß  der  Kesseldreifuß  —  von  ihm  handelt  es  sich 
zunächst  ausschließlich  —  mykenischen  Ursprungs  ist  und  daß  er  in  alter  Zeit  Koch- 
topf war.  Wir  konnten  eine  lange  Entwicklung  von  der  Zweckform  zur  Kunstform 
aufzeigen.  Noch  die  älteste  literarische  Überlieferung,  Homer,  zeigt  uns  den  Dreifuß 
in  seiner  ursprünglichsten  Bedeutung,  als  Kochgerät.  Er  wird  über  das  Feuer  gestellt, 
um  Wasser  zu  erwärmen,  ebenso  in  den  oben  zitierten  Stellen  aus  Aischylos,  Alkaios, 
ferner  Sophokles  Aias  1405  und  Euripides,  Hiket.  1194  ff. '),  Orphica  lith.  724  ff. 
Aber  bei  Homer  ist  der  Dreifuß  auch  Wertgegenstand;  ganz  natürlich,  da  in  metall- 
armer Zeit  große  Erzgefäße  einen  bedeutenden  Metallwert  darstellen.  Der  Dreifuß 
ist  ein  Schmuckstück  des  Hauses  (Ilias  XVHI 23),  ein  Hauptgegenstand  edler  Schmie- 
dekunst 2);  als  Thetis  zu  Hephaistos  kommt,  ist  er  eben  mit  Dreifüßen  beschäftigt. 
Als  Wertgegenstand  ist  der  Dreifuß  Gastgeschenk  (II.  IX  122,  Od.  IV  128,  XV  84), 
im  Wert  gleichgestellt  einem  goldenen  Becher  (Od.  XV  84)  oder  einem  Paar  Maul- 
tiere, ja  einem  Weibe  (II.  VIII  290).  Ferner  ist  der  Dreifuß  ein  beliebter  Kampfpreis 
im  Wagenrennen  (II.  XXIII  764,  XXII  164,  XI  701,  Hesiod  scut.  312)  und  Ring- 
kampf XXIII  702.  Vergil  Aeneis  V  IIO,  IX  267  kopiert  das.  Dasselbe  gilt  von  den 
XsßTjTs?  3),  den  großen  fußlosen  Kesseln,  die  oft  mit  den  Dreifüßen  zusammen  er- 
wähnt werden  und  auf  den  alten  Vasenbildern  erscheinen.  Sehr  zahlreich  sind  die 
Darstellungen,  in  denen  der  Dreifuß  als  Preis  in  den  verschiedensten  Agonen  fungiert. 

Eine  Dipylonscherbe   des  Louvre  4)   zeigt  einen  Leichenzug,  links  zwei  große 

")  Hier  ist  er  zugleich  Pfand.    Athena  fordert  The-  F  372,  Taf.  86.    Arch.  Ztg.  1846,  Taf .  40,  S.  249  ff. 

seus   auf,   die   Argiver   einen   Eid   schwören   zu  Besondersschönauf  demMedearelief,  das  inmehre- 

lassen,  daß  sie  nie  gegen  Athen  feindlich  auftreten  ren  Repliken  erhalten  ist,  am  besten  im  Lateran, 

,  wollten.     In  einen  Dreifui3,   den  Herakles   einst  Heibig,   Führers  1154.    Brunn-Bruckmann  34tb. 

als   Beute   von    Ilion   brachte,   sollen  Opfer  ge-  ")  Eine  sf.  Lekythos  aus  einem  Grab  von  Gela  (Mon. 

schlachtet  und  der  Wortlaut  des  Eides  auf  den  d.  Line.  XVH,  55,  Fig.  27)  zeigt  einen  Erzarbeiter 

Kessel  geschrieben  werden.    Apoll  soll  dann  dieses  mit  einem  Gehilfen  an  einem  hohen  Kesseldreifuß 

Pfand  zur  Aufbewahrung  erhalten.    Der  Dreifuß  beschäftigt. 

ist  hier  gleichsam  als  persönlicher  Zeuje  der  Ver-  3)  In   Tiryns    wurden    120   Miniaturnachahmungen 

einbarung  gedacht.  Ähnlich  ein  Krater:  Sophokles,  von  X^ßrjTt;  aus  Ton,  von  4 — 6  cm  Durchmesser 

Oed.  Kol.  1590  ff.    Aber  beide  sind  urspriinglich  gefunden,  die  als  Weihgaben  der  Armen   aufzu- 

nichts  anderes  als  die  Kessel  zum  Kochen  des  fassen  sind.     Tiryns  I,   loi. 

Opferfieisches,  wie  die  Xißjjres  bei  Herod.  I,  59.  4)  Portier  A  547,  Taf.  20.     Ähnlich  sind  vielleicht 

Als  Illustration  kommen  die  Denkmäler   hinzu,  die  zwar  dekorativ,  aber  doch  wohl  in  innerem 

mehrmals  mit  der  Kochung  des  Pelias,  so  Gerhard,  Zusammenhang  mit  der  dargestellten  Handlung 

A.  V.  III,  157,  2,  Bd.  III,  S.  30,  Anm.  21.    Furt-  zu  verstehenden  Dreifflsse  (Mon.  d.  Inst  DC,  39) 


wängler,  Berl.  Vas.  2188.  Pottier,  Vases  du  Louvre  aufzufassen. 


Karl  Schwendemann,  Der  Dreifuß. 


153 


Dreifüße.  Pottier  vermutet,  daß  sie  Wasser  zur  Totenwaschung  enthalten  sollen. 
Aber  etwas  Ähnliches  fehlt  sonst  auf  den  Denkmälern,  und  wenn  der  Leichenzug 
in  Bewegung  ist,  braucht  man  keine  Geräte  zur  Waschung  mehr.  Die  Dreifüße  werden 
vielmehr  als  Kampfpreise  für  die  Leichenspiele  bereit  stehen  (wie  II.  XXIII  264). 
Das  ist  sicher  der  Fall  auf  dem  schwarzfig.  Fragment  bei  Graef,  Akropolisvasen, 
Taf.  27,  Text  I  Nr.  590,  S.  64  f.,  wo  die  Leichenspiele  des  Pelias  dargestellt  sind. 
Der  Dreifuß  erscheint  auf  den  Denkmälern  als  Siegespreis  für  Wettfahren  '),  Wett- 
rennen 2),  Wettlauf  3),  Ring-  und  Faustkampf  4). 


')  Archaischer  Pithos  aus  Priniä  auf  Kreta,  aus  dem 
Heiligtum  der  Rhea.  Um  den  Bauch  läuft  ein 
Reliefstreifen  von  Reitern  und  Wagen,  die  in 
langem  Zuge  einhersprengen ;  zwischen  den  einzel- 
nen Gespannen  DreifülSe;  lebendige  ausdrucks- 
volle Darstellung:  Bollettino  d'arte  II,  461,  fig.  1 
und  15.  Gleichartiger  Pithos  aus  dem  Pronaos 
des  Tempels  Avon  Priniä.  Annuario  Scuola  arch. 
ital.  di  Atene  I,  1914,  67,  70.  2.  Fran^oisvase 
Furtw.-Reichh.  Taf.  11,  12.  3.  Amphiaraos- 
Krater  in  Berlin.  Ebda.  121.  Leichenspiele  für 
Pelias.  4.  Tyrrhenische  Amphora  in  Florenz. 
Thiersch,  Tyrrhen.  Amphoren  Taf.  4.  Furtw.- 
Reichh.,  Text  III,  S.  5,  Abb.  3.  Ein  Wagen- 
rennen entwickelt  sich  nach  rechts,  wo  auf  den 
deutlich  bezeichneten  Stadionstufen  die  Zuschauer 
sitzen,  rechts  davon  großer  Dreifuß. 

2)  I .  Attische  sf .  Amphora  im  Louvre  (Pottier  E  836). 
Drei  Epheben  nach  rechts  galoppierend,  wo  ein 
Dreifuß  und  ein  Krater  stehen.  2.  Ebda.  E  852, 
elf  Epheben  ebenso  gegen  einen  D.  3.  Ebda. 
E  875  sechs  nackte  Epheben  zu  Pferd  nach  rechts 
gegen  einen  Kampfrichter;  hinter  diesem  neun 
große  Dreifüße  und  vier  X^ßrjxe«.  Knabenwett- 
rennen: 4.  Jahrb.  d.  Inst.  VIII  1893,  95.   Ebenso 

5.  Winnefeld,  Karlsruher  Vasensammlung  Nr.  200. 
Drei  nackte  Knaben  im  Galopp  auf  eine  Ziel- 
säule zu,  dahinter  Dreifüße  und  ein  Mann  mit 
erhobenen   Händen.      Beides  attisch-sf.   Gefäße. 

6.  Furtwängler,  Berl.  Vas.  17 12.  Attisch-sf.  Am- 
phora, acht  nackte  Knaben  im  Galopp  nach 
rechts  gegen  zwei  Zielsäulen,  neben  denen  der 
Dreifußpreis  steht.  7.  Stephani,  Vasensammlung 
der  Ermitage  153,  sf. ;  im  obersten  Bildstreifen 
drei  nackte  Jünglinge  auf  geflügelten  Pferden 
nach  rechts,  hinter  ihnen  D.  Dazu  kommen 
einige  Darstellungen,  wo  der  Sieg  schon  errungen 
ist  und  der  Sieger  mit  dem  Preis  erscheint.  8. 
Collignon,  Vas.  Ath.  617  4.  Sf.  ionisch-korinthi- 
sche Dreifußpyxis.  Auf  einem  der  Beine  Reiter 
vor  einem  D.    9.  Junger  Reiter  vor  einem  mit 


e.  Zweig  geschmückten  D.  Böotische  sf.  Dreifuß- 
pyxis B.  C.  H.  1901,  153,  Fig.  7.  10.  Brit.  Mus. 
Cat.  Vas.  II,  B  144.  Gerhard,  A.  V.  247.  Drei 
Personen,  in  der  Mitte  Reiter,  rechts  Mann  in 
langem  Chiton,  links  ein  nackter  Jüngling  mit 
D.  auf  dem  Kopf  und  einem  Kranz  in  der  linken 
Hand.  Offenbar  läßt  der  Reiter  den  gewonnenen 
D.  und  Kranz  von  seinem  Diener  nach  Hause 
tragen.  11.  Einen  weiteren  Fortschritt  der 
Handlung  zeigt  ein  sf .  Skyphos  in  Athen  (Nicole, 
Vas.  Ath.  920).  Großer  Altar  mit  zwei  bärtigen 
Hermen  auf  acht  Stufen.  Ein  Mann  trägt  auf 
den  Schultern  einen  großen  D.  die  Stufen  hinauf. 
Es  folgen  ihm  einige  Personen,  von  denen  eine 
ein  Pferd  führt.  Es  ist  offenbar  der  Moment  dar- 
gestellt, wie  ein  Sieger  im  Pferderennen  seinen 
Preis  am  Altar  aufstellen  will.  Hierher  gehört 
auch  die  attische  dreiseitige  Reliefbasis  des  Bry- 
axis  aus  der  Mitte  des  IV.  Jahrh.'B.  C.  H.  XVI 
1892,  550  ff.,  Taf.  III,  VII.  Auf  jeder  Seite  sieht 
man  einen  Reiter  auf  einen  D.  zureiten,  der  auf 
zweistufiger  Basis  steht.  Ob  man  hier  an  einen 
Preisdreifuß  für  die  athenischen  Anthippasicn 
(Pauly-Wiss.  I,  2,  2378)  denken  darf,  muß  unent- 
schieden bleiben.  Sicher  aber  ist  der  D.  Preis 
im  Rennen. 

3)  I.  Attisch-sf.  Amphora  aus  Orvieto:  Ann.  d.  Inst. 
1882,  Taf.  H,  S.  58  ff~.  Links  ein  gerüsteter 
Krieger,  den  Helm  in  der  Hand,  rechts  ein  nackter 
Mann,  der  einen  D.  trägt.  Von  den  verschiedenen 
Deutungsversuchen  trifft  der  von  Petersen  (Jahrb. 

f.  Philol.  1884,  129)  das  Richtige.  Der  Krieger 
hat  im  Waffenlauf  einen  D.  gewonnen,  den  sein 
Diener  wegträgt  (vgl.  vorige  Anm.  Nr.  10).  2.  At- 
tisches früh-sf.  Gefäß  (Graef,  Akropolisvasen  I, 
Taf.  41,  Nr.  654b,  c);  Frg.  b  zeigt  eine  dorische 
Säule,  vor  ihr  eine  Anzahl  Dreifüße  und  zwischen 
diesen  große  Kessel,  immer  mehrere  ineinander- 
gestülpt,  also  die  Reichlichkeit  der  Kampfpreise 
betont.  Frg.  c.  zeigt  Teile  eines  Agons,  zwei 
nackte    Läufer,    einen    Flötenspieler   und    einen 


«54 


Karl  Schwendemann,  Der  DreifuB. 


Diese  vielseitige  Verwendung  des  Dre  ifußes  als  Kampf  preis  hat  sich  im  wesentlichen 
nur  in  der  archaischen  Zeit  gehalten,  in  jener  Epoche,  da  der  Geschlechterstaat  die 
Normen  des  Lebens  abgab.  Wir  müssen  uns  beim  Anblick  der  aufgezählten  Denk- 
mäler vorstellen,  daß  es  die  Herren  sind,  welche  hier  um  den  Preis  sich  mühen.  Denn 
das  agonale  Wesen  ist  der  Ausfluß  der  Adelskultur  jener  Zeit ').  Sie  kannte  kein 
baares  Geld,  oder  es  war  ganz  selten,  und  so  sind  Gebrauchsgegenstände  Wertein- 
heiten, besonders  Dreifüße  und  Kessel»).  Und  sie  sind  dann  auch  Kampf  preise. 
Dieser  Frühzeit  3)  ist  der  ideale  Sinn,  der  sich  mit  einem  Ehrenpreis  begnügt,  noch 


Festordner.  3.  Sf.  attische  Amphora  in  München. 
Jahn  476.  Gerhard,  A.  V.  257,  2.  Rechts  drei 
große  D.  und  zwei  Kessel,  dann  dr  i  Krieger,  auf 
einen  bärtigen  Mann  zulaufend,  links  wieder  ein 
D.  4.  Dar.-Saglio  I,  2,  S.  1644.  Vier  nackte 
Jünglinge  auf  ein  pfeilerförmiges  Ziel  zulaufend, 
rechts  Dreifüße.  5.  Thiersch,  Tyrrhenische  Am- 
phoren S.  43,  Taf.  II,  2,  3.  A.  Zwei  D.  und  zwei 
große  Kessel,  davor  auf  Klappstühlen  zwei  Preis- 
richter, auf  sie  zu  kommen  sechs  Läufer.  B.  Links 
drei  große  D.  Davor  zwei  Preisrichter  auf  Klapp- 
stühlen, mehrere  Gruppen  von  Ringern,  Speer- 
werfern und  Diskuswerfern. 

<)  I.  Früh-sf.  Frg.  B.  C.  H.  1901,  150,  Fig.  3.  Zwei 
nackte  Männer  über  D.  boxend.  2.  Ebda. 
Fig.  5,  6.  Bilder  von  einem  böotischen  sf.  Kan- 
tharos.  Je  zwei  Athleten  über  e.  Tripodiskos 
boxend.  3.  Sf.  Amphora,  ionischen  Stils,  im 
Louvre  P^ttier  II,  E  703,  Abb.  B.  C.  H.  1893, 
432,  Fig.  6.  Zwei  Männer  im  Faustkampf  vor 
einem  großen  D.  4.  Korinthischer  Tonpinax  der 
ältesten  Gattung,  Furtwängler,  Berl.  Vas.  797. 
Unterteil  zweier  gegeneinander  schreitender  Män- 
ner, zwischen  ihnen  ein  niederer  D.;  abgeb.  Ant. 
Denkm.  II,  Taf.  23,  19.  5.  Sf.  Vasenfragment 
im  Brit.  Mus.  Cat.  II,  B  124.  Abgeb.  Tanis  II, 
Taf.  XXX,  3,  S.  68.     Links  zwei  Athleten  über 

'■  einem  D.  boxend,  rechts  zwei  Ringer,  neben 
ihnen  zwei  D.  6.  Bronzerelieffragm,  von  einem 
Dreifußbein  von  der  Akropolis  von  Athen,  J.  H- 
St.  XIII,  264  Fig.  30,  Kampf  zweier  Athleten 
um  einen  Dreifuß,  De  Ridder,  Bronzes  de 
l'Acrop.  33.  Die  Verhältnisse  des  realen  Lebens 
werden  auch  auf  die  Sage  übertragen.  Bei  den 
Leichenspielen,  welche  Akastos  seinem  Vater  Pe- 
lias  zu  Ehren  veranstaltete,  bestand  Atalante  mit 
Peleus  den  Ringkampf  (Röscher  I,  665).  7.  Diese 
Szene  erscheint  auf  einer  spätsf.  attischen  Am- 
phora in  Berlin  (Furtwängler  1837).  Rechts  und 
links  von  dem  kämpfenden  Paar  steht  je  ein 
großer  D.  Eine  solche  Darstellung  leitet  über  zu 
anderen,  wo  der  D.  Symbol  des  Sieges  ist. 


Nicht  sicher  vermag  ich  fulgende  Vasenbilder 
zu  erklären:  a)  Entwickelt  geometrische  Vase  im 
Nationalmuseum  zu  Athen  N.  :2,  221.  B.  C.  H. 
XXV,  143,  Fig.  I.  Großer  D.  Rechts  und  links 
von  ihm  je  ein  Mann  mit  erhobenen  Armen,  wie 
mit  einem  Gestus  des  Betens.  Ähnlich  b)  sf. 
Gefäß  in  München,  Jahn  4186:  Ein  großer  D., 
beiderseits  ein  nackter  Mann,  »mit  erhobenen 
Händen  tanzend«.  Man  kann  verschiedene 
Deutungen  vorschlagen.  Entweder  ist  es  ein 
Preisd.  für  einen  Tanzagon  oder  es  ist,  was  wahr- 
scheinlicher sein  wird,  der  Moment  dargestellt, 
wie  zwei  Kämpfer  vor  Beginn  des  Agons  ange- 
sichts des  Preises  um  den  Sieg  beten.  Die  Be- 
schreibungen erwähnen  nichts  von  einem  Feuer 
unter  dem  D.  Sonst  müßte  man  an  eine  Opfer- 
handlung denken,  c)  Sf.  attische  Amphora  im 
Louvre  (PottierE  843  a).  Sechs  bekleidete,  bärtige 
Gestalten,  deren  vorderste  ein  Trinkhorn  hält, 
marschieren  in  einer  Reihe  auf  eine  siebente  zu, 
hinter  der  ein  großer,  mit  Zweigen  geschmückter 
D.  steht.  »Pr^paratif  d'un  concours?  Sacrificef« 
(Pottier).  Eher  könnte  man  an  eine  Siegesfeier 
denken,  da   der  D.  mit  Zweigen  geschmückt  ist 

■)  Ed.  Schwartz,  Charakterköpfe  I,  13  S. 

')  Noch  auf  den  Münzen  von  Knossos  und  Gortyna 
und  mehreren  andern  Städten  Kretas  sind  die 
TpfeoSt«  und  XißiQTej  Werteinheiten  und  erschei- 
nen als  Kontermarken.  B.  C.  H.  XII  1888,  409  ff. 
und  in  Inschriften,  besonders  dem  Recht  von 
Gortyn,  sind  die  Strafen  nach  diesen  Wertein- 
heiten ausgerechnet,  a.  a.  0.  S.  406.  Den  Tp(- 
i:o8ec  und  Xiß7)T£{  entsprechen  die  ireX^xets  und 
i^fiiTrfXexa,  die  i^iXoX  ot8r)po(,  die  uns  als  früheste 
Werteinheiten  vor  dem  gemünzten  Geld  bekannt 
sind.  Über  sie  handelt  ausführlich  Svoronos  im 
Joum.  intern,  numism.  IX,  192  ff.,  Taf.  i — 12. 
Über  die  Spieße  der  Rhodopis  G.  Karo  ebda.  X, 
287  ff.  und  367. 

3)  Besonders  figurieren  früharchaische  Gefäße  zahl- 
reich in  den  angeführten  Reihen. 


Karl  Schwendemann,  Der  Dreifuß.  I55 


nicht  recht  geläufig,  sondern  in  naivem  Realismus  wird  ein  faßbarer  Wert  als  Ziel 
der  Mühe  verlangt.  Das  ändert  sich  später.  Offenbar  sind  der  Einfluß  der  großen 
Nationalfestspiele,  bei  denen  es  nur  Ehrenpreise  gab,  und  ebenso  der  Sturz  der  Ge- 
schlechterherrschaften die  Ursachen  gewesen,  daß  im  Agonismus  der  Blütezeit  das 
Prinzip  des  Ehrenpreises  allgemein  galt.  Nach  derselben  Richtung  drängten  auch 
die  wirtschaftlichen  Verhältnisse.  In  der  Zeit  des  Handels  und  der  Geldprägung 
konnte  ein  einfaches  Erzgerät  keinen  bedeutenden  Wert  mehr  darstellen. 

Die  allgemeine  Verwendung  des  Dreifußes  als  Preis  geht  besonders  auch  noch  daraus 
hervor,  daß  er  wahrscheinlich  bei  den  Agonen  in  Delphi  und  Olympia  ursprünglich 
gegeben  wurde;  später  war  das  noch  an  den  Triopien  und  Herakleen  zu  Theben  der 
Fall  I). 

In  nacharchaischer  Zeit  konnte  er  dann  nur  noch  Ehrenpreis  sein,  der  von  vorn- 
herein zur  Weihung  bestimmt  war.  Das  spricht  deutlich  Herodot  I  144  aus.  Aber 
herunter  bis  in  alexandrinische  und  römische  Zeit  ist  der  Dreifuß  Siegespreis  geblie- 
ben 2),  aber  fast  ausschließlich  mit  Beziehung  auf  Apoll  und  Dionysos,  wovon  später 
die  Rede  sein  wird. 

Die  Bedeutung  des  Dreifußes  als  Weihgeschenk  erklärt  sich  durch  denselben 
Grund  wie  seine  Geltung  als  Siegespreis :  Der  Mensch  schenkt  seinem  Gotte  das,  was 
ihm  selbst  lieb  und  teuer  ist.  So  und  nur  so  ist  das  überaus  häufige  Vorkommen  von 
Dreifüßen  in  den  Fundschichten  alter  Heiligtümer  zu  deuten  3),  in  Olympia 4),  TirynsS), 
Amyklai  *),  Bassai  bei  Phigalia  7),  im  Heiligtum  des  Zeus  Lykaios  in  Arkadien  ^), 
des  diktäischen  Zeus  in  Palaikastro  auf  Kreta  9),  in  der  idäischen  Zeusgrotte  auf 
Kreta'»),  in  Praesos"),  Aegina"),  Delos'3)  im  Ptoion  zu  ThebenM),  auf  der  Akropolis 

')  Belege  bei  Reisch,  Pauly-Wiss.  V  i,  1685.  Herdes   ausgedrückt  habe   (Bötticher,   Tektonik 

')  Belege   bei   Reisch   a.a.O.      Die  Nachricht  bei  1 2,  132).     Sondern    die  D.   in  Olympia   stehen 

Herodot  I   144,    daß    der  D.  im  Triopion  dem  mit  der  Masse  der  Votivtiere  in  derselben  Linie. 

Bundesheiligtum    der   dorischen    Pentapolis    ein  Daß  sie  so  zahlreich  sind,  erscheint  bei  der  Be- 

zur  Weihung  bestimmterPreis  war,  wird  illustriert  deutung  Olympias,  die  zwar,  wie  die  Schatzhäuser 

durch  die  Münzen  von  Kos  (Brit.  Mus.  Cat.  Carla  und  die  in  ihnen  bezeugten  Weihgeschenke  zeigen, 

S.  194.   Head,  Hist.  num.  632.   B.  Schröder,  Zum  in  alter  Zeit  noch  nicht  panhellenisch  war,  aber 

Diskobol  des  Myron.    Kunstgesch.  des  Auslandes  doch  sich  auf  den  Peloponnes  und  die  in  besonders 

Heft  105,  Taf.  IX  a,  b.)  Die  Münzen  gehören  ins  enger  Beziehung  zu  ihm  stehenden  Landschaften 

V.  Jahrb.  und  zeigen  einen  Diskoswerfer  neben  erstre  kte,  nicht  verwunderlich. 

einem  D.     Vgl.  Taf.  IXa,b  bei  Schröder,  Dis-  4)  Olympia  IV,  S.  76  ff. 

kobol  von  einer  sf.  Vase.  5)  Schliemann,  Tiryns  412. 

3)  Natürlich  sind  die  Apolloheiligtümer  ausgenom-  *)  De  Ridder,  Bronzes  de  la  soc.  arch.  d'Ath.  2  ff. ; 

men.     Aber  das  häufige  Vorkommen  besonders  Jrhrb.  d.  Inst.  1918,  127  f. 

in  Olympia  darf  nicht  mit  Furtwängler  (Bronze-  7)  'E<pT]ft.  ipy.  1910,  329. 

funde  S.  13,  Kl.  Sehr.  I,  348)  und  Reisch  (Pauly-  «)  Ebda.  1904,  166,  Fig.  3,  4. 

W^ss.  V  1,  1683)  mit  Orakelwesen  in  Beziehung  9)  Brit.  Seh.  Ann.  XI,  306. 

gebracht  werden.      Die  große   Zahl  archaischer  ">)  Ath.  Mitt.  X,  6    ff. 

Vasen,    welche    den   D.    als    Siegespreis   zeigen  ")  Brit.  Seh.  Ann.  VIII,  1901/02,  259. 

(s.  o.),     muß     davon    abhalten.       Ebensowenig  ")  Furtwängler,  Aegina  S.  392,  420,  Taf.  116,  117. 

wird  man  annehmen,  daß  der  D.  als  Gerät  des  '3)  Arch.   Ztg.   XL,  333;  Ann.   d.   Inst.   1885,   167. 

häuslichen   Herdes   eine   Bitte   um    Schutz   des  M)  B.  C.  H.  IX,  478,  522. 


156  Karl  Schwendemann,  Der  DreifuB. 

ZU  Athen'),  in  Delphi»),  Dodona  3).  Die  literarischen  Zeugnisse  treten  bestätigend 
hinzu  und  nennen  uns  noch  eine  ganze  Anzahl  Heiligtümer  4),  aus  denen  Funde  nicht 
vorliegen,  als  in  alter  Zeit  geschmückt  mit  Weihdreifüßen,  so  daß  auf  jede  Weise  die 
allgemeine  Gültigkeit  des  Dreifußes  als  Weihgeschenk  feststeht. 

Aus  dem  verbreiteten  Gebrauch  des  Dreifußes  als  Preis  und  Weihgeschenk  erklärt 
sich  seine  Verwendung  als  Symbol  des  Sieges  5).  Neben  dem  Gefäß  in  Berlin  (Furt- 
wängler  1837)  kann  dazu  etwa  ein  Stück  in  München*)  überleiten.  Zwei  Krieger  mit 
erhobenen  Lanzen  schreiten  gegeneinander,  zwischen  ihnen  ein  bärtiger  Mann,  da- 
neben ein  Dreifuß.  Der  Maler  hat  zwei  in  der  archaischen  Kunst  beliebte  Motive, 
das  des  Ernstkampfes  von  Kriegern  und  des  Wettkampfes,  ohne  weiteres  Nach- 
denken vereinigt,  wie  der  bärtige  Mann  vermuten  läßt.  Ohne  ihn  müßte  man  den 
Dreifuß  als  Symbol  des   Sieges  auffassen. 

Es  wurden  oben  mehrere  Vasenbilder  aufgeführt,  wo  der  Agon  sich  auf  eine 
Zielsäule  zu  bewegt,  hinter  der  die  Preise  stehen.  Sie  helfen  eine  Anzahl  späterer  Bilder 
erklären,  die  einen  Dreifuß  auf  einer  Säule  zeigen,  an  der  ein  Gespann  vorbeijagt: 
I .  Spätattischer  Krater,  zweite  Hälfte  des  IV.  Jahrh.  7),  Nike  auf  galoppierendem 
Viergespann.  Sie  lenkt  das  Gespann  nach  links  um  die  Zielsäule  herum,  auf  der 
ein  Dreifuß  steht.  Der  Dreifuß  ist  nicht  »als  Siegespreis  geweiht«  (Furtwängler), 
sondern  Symbol  des  Sieges,  das  auf  der  Markierung  des  Zieles,  wo  der  Preis  gewonnen 
wird,  steht.  2.  Gefäß  der  Kcrtscher  Klasse*).  Nike  auf  dem  Wagen,  hinter  ihr  ein 
Knabe,  Xpuao?;  das  Gespann  bewegt  sich  auf  einen  niederen  Pfeiler  zu,  auf  dem  ein 
Dreifuß  steht.  3.  Verwandt  ist  die  Situation  auf  einem  Gefäß  9)  mit  der  Darstellung 
der  Vorbereitung  zum  Wettrennen  des  Pelops  und  Oinomaos,  mit  einer  ganzen  Reihe 
Figuren.  Auf  hoher  *Säule  steht  ein  Dreifuß,  auch  er  offenbar  symbolisch  für  den 
Sieg,  den  Pelops  gewinnen  wird  "•). 

Die  Bilder  mit  Nike  haben  natürlich  keine  direkte  Beziehung.  Der  Maler  hat 
den  gefälligen  Vorwurf  eines  Viergespanns,  das  von  einer  Göttin  gelenkt  wird,  gemalt 
und  als  novellistisches  Motiv  den  Dreifuß  auf  der  Säule,  die  zugleich  Zielsäule  ist, 

')  De  Ridder,  Bronzes  de  l'Ac.  d'Ath.  7  ff.  offenbar  derselben  Verwendung,  bei  Furtwängler, 

')  Fouilles  de  Delphes  V,  59  ff.  Berl.  Vas.  644,  645. 

3)  Carapanos,  Dodone  Taf.  49,    21.  5)  Hierher  gehört  auch  seine  überaus  häufige  Ver- 

4)  Belege  bei  Reisch  S.  1686.  Auch  Nachbildungen  Wendung  als  Schildzeichen  in  archaischer  Zeit, 
in  Stein  werden  geweiht  (Pergamon  VII,  349.  wenn  sie  nicht  einfach  dekorativ  zu  erklären  ist. 
Ein   kleiner   Marmordreifuß   mit   Weihinschrift,  ')  Jahn  Nr.  79. 

KpoTiTTTTOs  'Avie^dvou  xot'  eü)(i^v,  aus  dem  Ende  7)  Furtw.-Reichh.  II,  209,  Taf.  loo,  2. 

der  Königszeit).    Daß  man  sich  sehr  oft  mit  sogar  ')  Furtwängler,  Berl.  Vas.  2661.     Abgeb.  Stackel- 

ganz  ärmlichen  Nachbildungen  begnügte,  zeigen  berg,  Gräber  der  Hellenen  Taf.  17. 

die  Funde  von  Olympia.     Besonders  interessant  9)  Mon.  d.  Inst.  V,  22. 

ist  ein  Tontäfelchen  im  Mus.  provinciale  zu  Bari  ")  Etwas  anders  ist  die  Situation  auf  einem  Neapeler 
(Rom.  Mitt.  1897,  112).  Es  zeigt  in  flachem  Relief  Gefäß  (Heydemann  2414).  Frau  in  Chiton, 
einen  Kesseldreifuß  und  einen  Krater  auf  Unter-  Mantel  und  Haube  steigt  ebeji  auf  ein  Vier- 
satz. Das  Täfelchen  hat  oben  ein  Loch  und  war  gespann,  mit  beiden  Händen  Zügel  und  Kentron 
als  escheidene  Gabe  im  Heiligtum  aufgehängt.  fassend.  Neben  den  Pferden  schreitet  Nike, 
Gemalte  Dreifüße  auf  korinthischen  Pinakes,  welche  mit  beiden  Händen  einen  D.  trägt.  Hier 
ist  de  D.  ganz    deutlich  Symbol  des  Sieges. 


Karl  Schwendemann,  Der  Dreifuß.  j  cj 


dazugegeben.  Er  malt  Nike,  die  Göttin  des  Sieges,  und  als  Symbol  derselben  Idee  den 
Dreifuß.  Das  wird  noch  klarer  durch  4.  eine  spätrotfig.  Oinochoe  in  Athen  '). 
Hinten  ein  Dreifuß  auf  Stufenbasis,  davor  ein  Wagen  mit  zwei  nicht  mehr  kennt- 
lichen Tieren  nach  rechts,  darin  ein  halbbekleidetes  Kind,  weiter  rechts  ein  Kind 
mit  Kuchen  auf  einem  kleinen  Tablett  und  einer  Oinochoe.  In  diesem  Bild  kann 
man  schwerlich  etwas  anderes  erkennen  als  eine  Frucht  heiter  spielender  Phantasie. 
Wie  auf  anderen  Bildern  Nike  auf  dem  Wagen  erscheint,  so  hier  ein  Kind  und  wieder 
der  Dreifuß  als  Symbol  des  Sieges  in  demselben  Sinn.  Das  Kind  mit  den  Gaben 
erinnert  an  Siegesspenden.  Diese  Figuren  sollen  kein  inhaltliches,  sondern  nur  ein 
formales  Interesse  wecken;  sie  füllen  den  Raum  in  anmutigen  Bewegungen,  so  gut 
wie  die  spielenden  und  scherzenden  Eroten  der  hellenistischen  und  römischen  Kunst 
oder  wie  manche  Figuren  auf  den  Meidiasvasen  mit  ihren  »auf  Glück  und  Ruhm 
anspielenden  allgemeinen  Namen«  (Furtw.-Reichh.  Text  I,  143,  vgl.  Il6)  ^).  Ähn- 
liches gilt  5.  von  einem  Gefäß  bei  Gerhard  A.  V.  79.  Eos  im  Viergespann.  Im  Grund 
Dreifuß  auf  Säule.  Da  steht  eben  Eos  an  Stelle  von  Nike,  so  wie  etwa  Eros  öfter  mit 
dem  Dreifuß  kombiniert  vorkommt.  Der  Maler  hat  sogar  noch  mehr  gewußt 
und  den  Pferden  Namen  beigeschrieben,  Phaethon  und  Lamoros.  In  dem  Dreifuß 
dieGrenzmarke  desOlympos  zu  sehen  3),  ist  zu  viel  geraten;  es  fehlt  dazu  an  Analogien, 
ferner  verbietet  unsere  Reihe  diese  Erklärung  4).  Als  Siegeszeichen  ist  der  Dreifuß 
wohl  auch  aufzufassen,  6.  auf  der  von  Gamurrini  auf  den  Fall  des  Oinomaos  gedeu- 
teten Vase  5),  wo  auch  ein  Gespann  an  einer  Säule  mit  Dreifuß  vorbeifährt.  Doch 
trifft  die  Deutung  kaum  das  Richtige  *);  vielleicht  ist  auch  dieses  Bild  inhaltlich 
ähnlich  wie  manche  der  aufgezählten  zu  beurteilen  7). 

«)  CoUignon,  Vas.  d'Ath.  1875.  merkwürdiger  Gegenstand.  »Er  gleicht  einem 
»)  Ein  unteritalisches  Gefäß  in  Neapel  (Mon.  d.  Inst.  Pfahl  oder  Pfeiler,  der  auf  einer  mit  Voluten  und 
VIII,  9)  zeigt  Orpheus  in  der  Unterwelt,  die  von  Eierstab  gezierten  architektonischen  Basis  ruht, 
einer  Menge  mythologischer  Gestalten  bevölkert  Von  seinem  unteren  Teile  gehen  palmenartige 
ist;  rechts  oben  die  Gruppe  des  Pelops,  Myrtilos  Blätter  aus,  mit  vergoldeten  Punkten  da- 
und  der  Hippodameia,  daneben  ein  DreifuiB  auf  zwischen.«  Furtwängler  denkt  an  die  uralten 
Basis.  Man  wird  annehmen  können,  daß  hier  der  Vorstellungen  von  Sonnenbaum  und  -säule  (zu- 
D.  in  seiner.  Bedeutung  nicht  mehr  verstanden  sammenhängend  entwickelt  in  Zts.  für  Ethnol. 
ist,  sondern  daß  der  unteritalische  Maler,  der  XIII  1881,  139  ff.),  an  die  der  Maler  hier  gedacht 
natürlich  seine  Komposition  nicht  selbständig  habe.  Doch  wo  sind  in  griechischer  Kunst  Ana- 
schuf, sondern  höchstens  aus  einzelnen  Teilen,  die  logien  dazu?  Die  nächsten  Analogien  sind  viel- 
auf  ältere  Tradition  zurückgingen,  zusammen-  mehr  die  angeführten  Vasenbilder,  wo  die  Säule 
setzte,  für  die  Gruppe  des  Pelops  eine  Darstellung  das  Ziel  und  den  Wendepunkt  der  Bahn  darstellt. 
wie  die  eben  angeführte  vor  Augen  hatte  und  den  Für  das  Ungewöhnliche  der  Form  der  Säule  auf 
D.  mit  hineinmalte,  wenn  er  auch  für  die  neue  der  Sabouroffschen  Vase  genügt  es,  auf  Gebilde 
Komposition  nicht  paßte.  wie  die  delphische  Pflanzensäule  und  Verwandtes 

3)  Heibig,  Führers  519.  auf   Vasen   hinzuweisen,   bes.   'E(pr,[ji..  dpy.    1885, 

4)  Man  wird  durch  diese  Darstellung  an  eine  andere  Taf.   5. 

auf  einer  flachen  Toilettenbüchse  aus  dem  Ende  5)  Ann.  d.  Inst.  1874,  45,  Taf.  H  I. 

des    V.    Jahrh.    erinnert    (Furtwängler,    Samml.  *)  Röscher,  Lex.   III,   i,  781. 

Sabouroff  I,  Taf.  63.    Röscher,  Selene  Taf.  I,  2,  /)  Hier  ist  noch  ein  spätes  Gefäß  aus  Südrußland 

Myth.  Lex.  I  2007):  Sonnenaufgang  mit  Helios,  '  anzureihen  (Antiq.  du  Bosph.  Cimm.  Taf.  45,  46, 

Eos  und   Selene;  zwischen  Helios  und  Eos  ein  S.  97.  Arch.  Ztg.  1856,  Taf.  56.  C.  R.  St.  Pötersb. 


158 


Karl  Schwendemann,  Der  Dreifuß. 


Symbol  des  Sieges  ist  der  Dreifuß  ferner  7 .  auf  einem  späten  Glockenkrater  des 
Brit.  Mus.  ').  In  der  Mitte  Herakles  mit  Keule,  auf  ihn  zufliegend  von  rechts  Nike, 
in  jeder  Hand  eine  Tänie  haltend;  hinter  Herakles  Dreifuß  auf  dorischer  Säule,  links 
Athene,  rechts  ein  bekränzter  Jüngling,  im  Gespräch  mit  Herakles,  weiter  anderer 
Jüngling  mit  Speeren.  Hier  ist  Herakles  als  Sieger  gedacht;  er  wird  von  Nike  bekränzt 
und  zur  weiteren  Verdeutlichung  des  Sieges  steht  der  Dreifuß  da.  Ähnlich  8.  ein  spät- 
rotfig.  Aryballos  mit  Weiß  und  Vergoldung  in  Berlin»).  Dreifußauf  Erhöhung,  Nike  mit 
Perlschnur  auf  ihn  zufliegend,  Jüngling  einen  Fuß  auf  das  Postament  des  Dreifußes  auf- 
stützend. Er  ist  als  Sieger  gedacht.  Der  Dreifuß  kann  Symbol  des  Sieges  oder  Preis 
sein  3).  Eine  Beziehung  auf  einen  bestimmten  Sieg  ist  nicht  anzunehmen.  Eine  späte 
Hydria  im  Museum  zu  Cairo  (Edgar,  Greek  Vases  26,  224,  Taf.  XIV.)  zeigt  als  Deko- 
ration der  Vorderseite  des  Bauches  ein  von  Gitterwerk  eingerahmtes  Bildfeld;  darin 
zwischen  zwei  großen  Dreifüßen  mit  Löwenklauen  und  Beinringen  eine  nach  links 
schreitende  geflügelte  Nike,  die  im  Begriff  ist,  mit  einem  Kranz  (Tänien  ? )  den  einen 
DrcL^uß  zu  schmücken.  Ein  solches  Bild  leitet  zu  jenen  über,  wo  der  Dreifuß  mit 
oder  ohne  Figurenbegleitung  rein  dekorativ  verwendet  ist.  Diese  ganze  Reihe  von 
Vasenbildern  ist  einigermaßen  vielen  religiösen  Gemälden  des  Barocks  vergleichbar, 
wo  das  Thema  dem  Künstler  nichts  anderes  mehr  ist  als  eine  Gelegenheit,  künst- 
lerischen Problemen  nachzugehen. 


DER  DREIFUSS  IN  SEINEN  BEZIEHUNGEN  ZU  APOLL  UND  ANDEREN 

GÖTTERN. 

Sein  Vorkommen    in    Sagen.       Der    Sagenkomplex    der    sieben  Weisen. 

Von  der  Betrachtung  der  monumentalen  und  literarischen  Zeugnisse,  welche 
den  Dreifuß  in  keiner  Beziehung  zu  Apoll  und  zur  Mantik  zeigen,  wenden  wir  uns 
zu  denen,  bei  welchen  eine  solche  vorliegt. 

Es  gibt  verschiedene  Sagen,  in  denen  der  Dreifuß  zu  Apoll  in  einem  bestimmten 
Verhältnis  steht,  wo  aber  noch  nachgewiesen  werden  kann,  daß  dies  nicht  ursprüng- 
lich ist,  sondern  in  die  fertige  Sage  hineingetragen  wurde.  Dazu  gehört  in  erster  Linie 
der  Sagenkomplex  der  sieben  Weisen.    Die  Gestalten  der  sieben  Weisen  gehören  der 


1866,  Atlas  Taf.  4,  Text  1398.  Stephani,  Vasen- 
sammlung  der  Ermitage  1790).  Jagd  des  Perser- 
königs auf  allerlei  Getier,  viele  Personen.  Im 
Hintergrund  zwei  Säulen  mit  Silphionblättem, 
auf  jeder  D.  Diese  sind  schwerlich  anders  denn 
als  Symbol  des  Sieges  aufzufassen. 
0  Cat.  Vas.  III,  E  408. 

2)  Arch.  Anz.  1895,  40. 

3)  Dasselbe  gilt  von  zwei  Marmorbasen  in  Athen 
(Friederichs-Wolters  1184,  1185.  Arch.  Ztg.  1867, 
Taf.  226,  3,  S.  95).  Anfang  des  IV.  Jahrh.  i.  Auf 
der  einen  Schmalseite  zwei  Niken,  beschäftigt 
einen  D.   aufzustellen,    auf    der  andern  Niken, 


Tropaion  mit  Waffen  schmückend.  2.  Dieselben 
Darstellungen;  Tropaion  und  Dreifuß  sind  Sym- 
bole des  Sieges.  Hier  wird  man  nicht  an  einen 
Preisdieifuß  denken  dürfen.  Anders  auf  einer  Le- 
kythos  schönen  Stils  in  Athen  (Collignon,  Vas. 
d.  Ath.  1362).  Zu  beiden  Seiten  eines  Altars,  auf 
dem  eine  Flamme  brennt,  fliegt  eine  Nike,  mit 
beiden  Händen  einen  D.  tragend.  Als  Sieges- 
zeichen in  etwas  verallgemeinerter  Bedeutung  ist 
auch  der  D.  auf  dem  rotfig.  Vasenfragraent  Jahrb. 
d.  Inst.  1886,  194,  Taf.  10  aufzufassen,  wenn  die 
Teile  wirklich  zusammengehören. 


Karl  Schwendemann,  Der  Dreifuß.  j  cg 


Novelle  an.  Sie  sind  Typen  so  gut  wie  die  Sieben  gegen  Theben,  wenn  ihre  Namen 
auch  historische  Träger  hatten.  An  sie  »knüpfte  der  jonische  Kulturkreis  und  was  in 
seinen  Horizont  fiel,  die  geschichtliche  Überlieferung  von  dem  Können  und  Streben 
der  ersten  Hälfte  des  VI.  Jahrhunderts« '),  und  wie  es  das  Streben  der  Sage  ist,  ihre 
Helden  an  einem  Ort  zu  vereinigen,  so  wurden  auch  die  sieben  Weisen  zusammen- 
gebracht, in  der  geläufigsten  Wendung  dadurch,  daß  ein  goldener  oder  eherner  Drei- 
fuß, welchen  Fischer  aus  dem  Meer  gezogen  hatten  und  der  die  Inschrift  trug  »dem 
Weisesten«,  von  einem  zum  anderen  herumgeschickt,  von  jedem  abgelehnt  und  vom 
letzten  dem  Apollo  gesandt  wurde.  Aber  in  anderen  Versionen  ^)  geht  eine  Schale 
oder  ein  Becher  herum,  von  dem  Argiver  Bathykles  oder  König  Kroisos  dem  Weisesten 
ausgesetzt.  Dreifuß,  Schale  oder  Becher  sind  hier  Preise  in  dem  Agon  um  die  Weisheit 
und  haben  natürlich  keine  ursprüngliche  Beziehung  zu  Apoll.  Das  lehrt  schon  das 
Vorkommen  von  Schale  und  Becher  neben  dem  Dreifuß,  noch  mehr  die  Tatsache, 
daß  neben  Apoll,  dem  delphischen  und  didymäischen,  in  einer  ganzen  Anzahl  von 
Versionen  als  schließlicher  Empfänger  einer  der  sieben  Weisen,  meist  Thaies,  genannt 
wird.  Neben  Thaies  erscheint  am  häufigsten  Blas  von  Priene  und  die  Prieneer  waren 
auf  diesen  ihren  Landsmann  nicht  wenig  stolz.  Denn  sie  setzten  den  Dreifuß  auf  ihre 
Münzen  3).  Es  wurde  also  die  in  lonien  ausgebildete  Sage  erst  nachträglich  zu  Apoll 
in  Beziehung  gebracht.  Der  Dreifuß  aber  fungiert  als  Siegespreis  so  gut  wie  bei  Homer 
oder  auf  zahlreichen  Vasen,  nur  geht  hier  der  Agon  um  die  Weisheit.  Aber  schon  in 
der  Ilias  XVIII  508  ff.  heißt  es:  xsixo  8'  ap'  iv  [ildaoiat  8u(i>  xposoio  taXavxa  xti)  Sdfiev, 
0?  jxsT«  Toiaiv  SixTjV  idövxaza  sr^oi.  Hier  sind  die  Talente  bestimmt  für  die  Richter, 
also  ein  Agon  der  Rechtsprechenden.  Kalchas  ließ  sich  der  Sage  nach  mit  Mopsos  in 
einen  Seherwettstreit  ein,  in  dem  er  unterlag,  so  daß  er  vor  Trauer  starb  4),  und  bei 
Xenophon,  de  vectig.  III,  3  wird  von  einem  Agon  um  den  guten  Rat  gesprochen: 
£?  8s  xat  T-^  Toü  Ifxiroptou  dpxii  S.bXa  itpoTiOsi'r)  Tt?,  ocrti?  8ixai6-:aTa  xai  ■zdyiaxa  Siaipoi'i) 
ta  dficpdofia  .  .  .     Das  sind  Parallelen  zum  Agon  um  die  Weisheit. 

Die  Sage  der  sieben  Weisen,  das  kann  also  wohl  als  sicher  gelten,  hatte  keine 
ursprüngliche  Beziehung  zu  Delphi;  der  in  einigen  ihrer  Versionen  vorkommende 
Dreifuß  hat  mit  Apollo  ursprünglich  nichts  zu  tun,  sondern  ist  ebenso  wie  Schale 
und  Krater,  die  in  einigen  Versionen  der  Sage  seine  Stelle  einnehmen,  Kampfpreis 

I)  V.  Wilamowitz,  Hermes  XXV,  197  ff.  3)  Brit.  Mus.  Cat.  lonia  S.  230,  7,  T.  XXIV,  7  Kopf 

»)  Die  Texte  zusammengestellt  bei  Harro  Wulf,  De  der  Athena  Polias,  deren  berühmter  Tempel  von 

fabellis  cum  collegü  Septem  sapientium  memoria  Alexander  334  gestiftet  wurde  (Head,  H.  N  '  590; 

coniunctis,  Diss.  Halenses  XHI,  Tabelle  I.    Die  vgl.  Wiegand-Schrader,  Priene  S.  81).    If,  Legende 

Sage  wurde  für  uns  zum  ersten  Mal  durch  Andron  Dreifuß.     Diese  Münze  wird  erklärt  durch  eine 

in  seinem  Buche  xpfeou;  zu  Beginn  des  IV.  Jahrh.  andere,    Imhoof-Blumer,  Kleinas.  Münzen  S.  94, 

behandelt,  wobei  der  Titel  zu  verstehen  ist  wie  Nr.  3,  T.  III,  21  Büste  der  Athena.    Ip  Legende, 

»cui   debetur   pahna    sapientiae«,   Wulf   a.  a.  0.  Blas  bärtig  mit  nacktem  Oberkörper,  die  Rechte 

S.  181.    Christ-Schmid,  Griech.  Litgesch.  I  177.  auf  einen  Stab  gestützt,  die  Linke  am  Gewand, 

Vielleicht  nach  diesem  Buch  nannte  der  Demokri-  hinter  ihm  hoher  Dreifui3;  also  Blas,  wie  er  sich 

teer  Nausiphanes  sein  Werk  Tpfcouc  (Fragmente  vom  Dreifuß  abwendet, 

bei  Diels,  Fragm.  d.  Vorsokr.   I',  S.  463),  aus  4)  Röscher,  Lex.  II,  i,  922. 
dem  nach  Diogenes  Laertius  X,  14  Epikur  seinen 
Kanon  ausgeschrieben  haben  sollte. 


l60  K"l  Schwendemann,  Der  Dreifuß. 

im  Agon  um  die  Weisheit.     Die  Beziehung  der  Sage  wurde  erst  nachträglich  her- 
gestellt und  zwar  mit  Hilfe  des  Dreifußes. 

Die  Kyrenesage. 

Eine  andere  Sage  führt  uns  in  den  Sagenkomplex  von  Libyen  und  Kyrene. 
Herodot  IV,  179,  Apollonios  Rhodios,  Argonautica  1547  ff.,  Lykophron,  Kassandra  886 
erzählen,  daß  die  Argonauten  nach  Libyen  verschlagen  und  in  den  Tritonsee  einge- 
fahren seien,  von  wo  sie  den  Ausweg  nicht  mehr  fanden.  Da  tauchte  der  Herr  des 
Landes,  Triton,  auf  und  verlangte  von  ihnen  einen  Dreifuß,  bei  Lykophron  einen 
Krater,  und  gab  ihnen  dafür  eine  Erdscholle,  worauf  sie  den  Ausweg  fanden.  Die 
Erdscholle  ist  das  Symbol  der  Verheißung,  das  den  Besitz  des  ganzen  Landes  gewähr- 
leisten soll.  Die  Scholle  oder  ein  Rasenstück  sind  nicht  nur  bei  den  Griechen  ein 
Symbol  für  die  ganze  Flur,  sondern  auch  bei  den  Germanen  ').  Der  Dreifuß  hat 
jedoch  eine  andere  Bedeutung.  Sein  Vorkommen  hier  ist  nicht  »eine  Analogiebildung 
zur  Schollensage,  die  jedoch  eine  entgegengesetzte  Tendenz  zum  Ausdruck  bringt« '), 
sondern  der  Dreifuß  ist  in  diesem  Sagenkreis  ursprünglich  Gastgeschenk.  Die  Argo- 
nauten geben  dem  Herrn  des  Landes,  um  freundlich  von  ihm  behandelt  zu  werden, 
ein  Geschenk,  einen  Dreifuß  oder  nach  Lykophron  einen  Krater,  wieder  die 
Geschenke,  welche  das  ganze  griechische  Altertum  besonders  schätzte  (s.  o.).  Aber 
dieses  Gastgeschenk  wird  nicht  gerne  gegeben,  sondern  der  Herr  des  Landes  fordert 
es,  und  wie  sonst  das  Gastgeschenk  noch  den  Söhnen  und  Enkeln  freundliche  Auf- 
nahme sichert,  so  übt  es  hier  die  gegenteilige  Wirkung,  weil  es  gezwungen  gegeben 
wird.  Es  wird,  so  lange  der  Beschenkte  es  besitzt,  des  Gebers  Nachkommen  von 
seinem  Lande  fernhalten.  Freilich  ist  der  Sinn  der  Sage  nicht  mehr  auf  den  ersten 
Blick  deutlich,  und  besonders  bei  Apollonios  ist  der  Austausch  von  Scholle  und  Drei- 
fuß ein  Höflichkeitsakt  geworden.  Wir  können  noch  sehen,  wie  der  ursprüngliche 
Sinn  der  Sage,  der  bei  Lykophron  noch  am  deutlichsten  hervortritt,  wo  die  Argo- 
nauten dem  Triton  xpoau)  irXciTuv  xpox^pa  xsxpoTTjuevov  geben  (v.  888),  umgestaltet 
wurde.  Das  geschah  unter  dem  Einfluß  des  delphischen  Orakels.  Die  Koloniegrün- 
dungen in  Kyrene  sind  unabhängig  von  Delphi  entstanden,  die  ersten  noch  in  vor- 
dorischer Zeit  vom  Peloponnes  und  dann  weiter  von  Thera  aus  3).  So  sind  natürlich 
ati'ch  die  damit  in  Beziehung  stehenden  Sagen,  also  auch  die  Tripussage,  ursprünglich 
von  Delphi  unabhängig,  wie  allein  schon  das  Auftreten  eines  Kraters  neben  dem  Drei- 
fuß (bei  Lykophron)  beweisen  könnte.  Der  delphische  Gott  hat  sich  den  Ereignissen 
nur  angeschlossen  und  die  kyrenäischen  Orakel  sind  natürlich  ex  eventu,  vielleicht 
zuerst  nicht  unter  delphischem  Einfluß,  sondern  in  Kyrene  entstanden  4).  Aber  ein 
hesiodischcr  Dichter  hat  um  die  Wende  des  VH.  zum  VI.  Jahrhundert  den  Stoff 
in  delphischem  Interesse  umgestaltet  und  ihm  sind  die  Späteren  gefolgt  5).  Diese 
Dichtung  steht  auf  derselben  Stufe  mit  vielen  anderen,  welche  »die  Geschichte,  zumal 

')  Grimm,  Deutsche   Rechtsaltertümer   14,   153  ff.,         3)  Malten  a.a.O.  190. 

157;  Gercke,  Hermes  XLI,  455.  •»)  Malten  201. 

')  L.  Malten,  Kyrene  131.  5)  Malten  212. 


Karl  Schwendemann,  Der  Dreifuß.  l6l 

die  Kolonialgeschichte  der  Hellenen,  zu  einer  Art  gesta  dei  per  Graecos  gemacht  hat, 
indem  sie  an  seine  Orakel  angeknüpft  ward«  ').  »Alle  diese  Orakel  sind  von  der  sehr 
begreiflichen  aber  historisch  absurden  Anschauung  beherrscht,  daß  der  Gott  dem 
ahnungslosen  Oikisten  befiehlt,  nach  dem  Ort  zu  ziehen,  wo  er  und  seine  Nachkommen 
prosperieren  werden«  ^).  In  dem  frühesten  Bericht  über  die  libysche  Tripussage  bei 
Herodot  IV  179  ist  es  noch  deutlich,  wie  die  ursprünglich  von  Delphi  unabhängige 
Sage  in  den  Bereich  Apolls  gezogen  wurde.  Herodot  erzählt,  daß  lason  nach  Vollen- 
dung der  Argo  mit  einer  Hekatombe  und  einem  Dreifuß  nach  Delphi  habe  fahren 
wollen,  von  Malea  an  die  libysche  Küste  verschlagen  und  in  den  Tritonsee  geraten 
sei,  ohne  den  Ausweg  wiederfinden  zu  können.  Da  sei  Triton  erschienen,  habe  den 
Dreifuß  gefordert,  sich  in  seinem  Heiligtum  daraufgesetzt  und  den  Argonauten  ge- 
weissagt. Man  sieht  noch  die  Fuge,  welche  der  alte  Dichter,  dem  Herodot  hier  folgt, 
nicht  verdecken  konnte.  Warum  fährt  lason  nach  Delphi.?  Der  ganze  Zug  ist  nur 
erfunden,  um  den  Dreifuß,  den  er  Triton  gibt,  mit  Delphi  in  Beziehung  zu  bringen. 
Die  geläufige  und  allein  passende  Version  ist  doch,  daß  die  Argonauten  auf  der  Rück- 
fahrt aus  Kolchis  die  Irrfahrten  bestehen!  Noch  gesuchter  ist  es,  wenn  Triton  auf 
diesem  Dreifuß  weissagt,  der  doch  auch  in  der  von  dem  delphischen  Dichter  ge- 
schaffenen Version  nur  ein  für  Apollo  bestimmtes  Weihgeschenk  ist,  also  keine  man- 
tische  Kraft  besitzt.  Auch  für  die  libysche  Tripussage  ist  so  eine  von  Delphi  ur- 
sprünglich unabhängige  Version  festgestellt,  in  der  zwar  der  Dreifuß  bereits  vorkommt, 
wo  er  aber  keinerlei  Beziehung  zu  Apollo  oder  zur  Mantik  besitzt,  sondern  wo  er 
ganz  allgemein  als  Wertgegenstand  fungiert.  Es  ist  auch  noch  deutlich,  daß  die  nach- 
träglich hergestellte  Beziehung  zu  Apoll  mit  Hilfe  des  in  der  Sage  schon  vorkom- 
menden Dreifußes  geknüpft  wurde. 

Die  Sagen  vom  Dreifußraub  und  Verwandtes. 

Bei  anderen  Sagen  steht  nun  der  Dreifuß  des  Apoll  im  Zentrum  des  Geschehens, 
und  zwar  schon  ursprünglich.  Es  handelt  sich  jedesmal  um  eine  Translokation  des 
Dreifußes,  die  jedoch  nicht  in  allen  in  Frage  kommenden  Sagen  gleich  zu  erklären 
ist.    Betrachten  wir  zuerst  die  Sage  vom  Dreifußraub  des  Herakles. 

Wir  überschauen  zunächst  kurz  die  Überlieferung.  Nach  Schol.  Pindar  Olymp. 
IX,  43  ging  Herakles  nach  Delphi,  um  das  Orakel  zu  befragen.  Er  bekommt  keine 
Antwort,  da  Apoll  abwesend  ist,  gerät  in  Zorn  und  raubt  den  Dreifuß.  Das  ist  die  ein- 
fachste Version.    Bei  Apollodor  Bibl.  II  6,  2  ist  Herakles  wegen  der  Ermordung  des 

•)  V.  Wilamowitz,  Choephoren  S.  20.  zen  Nordgriechenlands.     Pick,  Dacien  u.  Mösien 

»)  Ed.  Meyer,  Gesch.  d.  Alt.  II,  S.  442.    Apollo  wird  Bd.    I,   S.   191;   vgl.    die   Münzen   von   Temesa, 

ja  dann  zum  Gott  der  Kolonisation  (Röscher,  Kroton,   Rhegion,    auf    denen   der  Dreifuß   er- 

Lex.  I,  440  fi.).  Das  ist  er  noch  in  der  Kaiserzeit,  scheint,  weil  sie  als.  Gründungen  Delphis  gelten. 

und  kein  Gott  hat  daher  in  Dakien  und  Mösien  E.  Curtius,  Ges.  Abh.  II  469-    Vgl.  A.  S.  Pease, 

so  viele  Kultstätten  und  lokale  Beinamen  wie  Notes    on  the  Delphic  Oracle    and  Greek  Colo- 

ApoUo,  dessen  Gestalt  und  Attribute,  besonders  nization,  Classical  Philology  XII,  1917,  i  ff.;  mir 

der  Dreifuß,  deshalb  auf  den  Münzen  dieser  Gegen-  nicht  zugänglich, 
den  ungemein  oft  erscheinen.    Die  antiken  Mün- 


1 02  Karl  Schwendemann,  Der  Dreifuß. 

Iphitos  in  schwere  Krankheit  verfallen,  fragt  in  Delphi,  wie  er  ihrer  ledig  werden 
könne,  und  versucht,  da  ihm  die  Pythia  nicht  antwortet,  den  Dreifuß  zu  rauben,  um 
ein  jAavxeiov  tSiov  zu  gründen.  Es  folgt  ein  Streit  zwischen  Apoll  und  Herakles, 
der  von  Zeus  geschlichtet  wird.  Nach  Paus.  X,  13,  8  kommt  Herakles  nach  Delphi, 
die  Pythia  will  ihm  wegen  des  Mordes  des  Iphitos  keinen  Bescheid  geben,  Herakles 
will  den  Dreifuß  rauben,  muß  ihn  aber  dann  wieder  zurückgeben.  Bei  Hygin  fab.  32 
fragt  Herakles  in  Delphi,  wie  er  den  Mord  seiner  Familie  sühnen  könne.  Da  er  keine 
Antwort  erhält,  will  er  den  Dreifuß  rauben,  Jupiter  tritt  dazwischen,  Herakles 
bekommt  sein  Orakel  und  geht  zu  Omphale  in  die  Knechtschaft. 

Apollodor,  Pausanias  und  Hygin  erzählen  das  Ereignis  im  Zusammenhang 
der  Lebensgeschichte  des  Herakles.  Das  Scholion  zu  Pindar  gibt  nur  die  Tatsache, 
ist  also  die  beste  Version.  Als  Grund  warum  Herakles  keine  Antwort  erhält,  wird  die 
Abwesenheit  des  Apoll  genannt,  also  ein  Grund,  der  in  Delphi  im  Winter  tatsächlich 
eintrat.  Herakles  verfolgt  mit  dem  Raub  keinen  Zweck,  sondern  gewalttätig  wie  er  ist, 
wird  er  mit  jedem  handgemein,  der  ihm  nicht  den  Willen  tut.  Bei  Apollodor  allein 
steht,  Herakles  habe  ein  p-avtetov  Biov  gründen  wollen. 

Die  ganze  Sage  enthält  als  Kern  einen  Kampf  um  das  delphische  Orakel.  Der 
Dreifuß  ist  dem  Orakel  des  Apollo  gleichgesetzt.  Schon  in  Herodots  Erzählung  von 
der  Fahrt  der  Argonauten  nach  Libyen  ist  der  Dreifuß  als  Sitz  der  mantischen  Kraft 
gedacht,  wenn  geschildert  wird,  daß  Triton,  wie  er  den  Dreifuß  erhalten  hat,  sich 
daraufsetzt  und  weissagt;  ähnlich  bei  Lukian,  Jupp.  tragoedus  30.  ')  Von  hier  aus 
versteht  man  die  Version  des  Apollodor,  Herakles  habe  ein  [xavtsiov  iStov  gründen 
wollen.  Wenn  er  den  Dreifuß,  an  dem  die  mantische  Kraft  sitzt,  wegschleppt,  so 
wird  dadurch  natürlich  das  Orakel  transloziert. 

Eine  Stelle  bei  Plutarch  de  sera  num.  vindicta  12:  6  'HpaxX^f  dvaaitactac  töv 
tptiroSa  Tov  (lavTixöv  d?  «tevsiv  diri^veyxs  bringt  eine  speziellere  Nachricht,  und  eine 
Lokalsage  zu  Gythion  (Paus.  HI  21,  8)  erzählte,  daß  Herakles  und  Apollon  die 
Stadt  gegründet  hätten,  als  sie  sich  nach  dem  Kampf  um  den  Dreifuß  wieder  ver- 
söhnt hatten.  Alle  diese  Dreifußraubsagen  gilt  es  zu  erklären.  Die  von  Pheneos  und 
Gythion  haben  natürlich  den  delphischen  Dreifußraub  zur  Voraussetzung,  sind  also 
danach   zu  behandeln. 

Zuerst  haben  wir  auf  frühere  Deutungen  einzugehen.  Furtwängler  2)  meinte, 
der  Dreifuß  gehörte  ursprünglich  Herakles  und  Apollon.  Mit  der  Zeit  habe  Apollon  das 


')  Die  gleiche  Vorstellung  auch  bei  Zinob.  III,  63  147  p.  836,  45.     jrepi  xoü  toioütou  oXfiou  XdfOt 

(Lentsch-Schneidewin,  Corp.  paroemiogr.  Graeco-  f^v,  &i  ol  xotfidifievoi  ^v  oittjl  t^t'^'ctxoi  If^vovTO* 

rum   I,    S.   72):   h  Skft.<:f  ^uviom*    ol  fiäv   8Xfjiov  Ilausavfa?  oi)v  ;pr)alv  itopoijxiaxüi?,  iv  SXfiip  Ixoi- 

[idtTVi  (paslv.      ol    oi   toüj   h    Skf).if    xoi(j.r)8^VTe{  K'^<"''i  ^T'*''^  [JiavTixös  äy^vou.   Ob  man  mit  Hauser 

(iavTtxoüt  YEvioBot,   59sv   xaX  7tapoi(j.i'av  Yev^aSai.  (üsterr.   Jahresh.    1914,    43)   aus  diesen  Stellen 

xal  'ApiOTOtpävTjt   6  Ypa(ji[iaTix(ic  tpTjatv,   (ö;   oi  ^v  schließen  darf,  daß  die  Pythia  nicht  nur  in  der 

SXjAij)  xotfiTjö^vTs?  (lavTixol  xal  Toüs  Tp(Tro5a«  toü  geläufigen  Art  der  |Aav(a,  sondern  auch  im  Schlaf 

'AjtdXXoivo;   5X[j.ou{  xaXEiüSai  xal  "AitdXJ.iov   uTtö  Orakel  gebend  gedacht  wurde,  erscheint  zweifei - 

XotpoxX^ous  IvoXfiot.     Vgl.  ebda.  S.  338  (Plutarch  haft. 
114)  iv  SX(A<p  ixotfii^8r)v:  ol  iv  Skfim  xoipiTjöivTe«        ^)  Röscher,  Lex.  I,  2189. 
i7ri8ttaSTixii)TaTo(  siaiv    und   Eustath.    z.  Ilias   A 


Karl  Schwendemann,  Der  Dreifuß.  jg-j 


Gerät  an  sich  gerissen.  »Um  zu  motivieren,  daß  auch  Herakles  Stifter  und  Besitzer 
von  Dreifußkulten  war,  entstand  die  schon  von  der  altertümlichen  Kunst  viel  dar- 
gestellte Sage  vom  Raub  des  Dreifußes  durch  Herakles«.  Aber  von  Dreifußkulten  des 
Herakles,  wie  überhaupt  von  solchen  außerhalb  Delphis,  wissen  wir  nichts.  Furt- 
wänglers  Erklärung  beruht  ferner  auf  der  Ansicht  von  L.  v.  Schröder  '),  daß  der 
Dreifuß  der  Feuertopf  sei,  der  dem  Lichtgott  Apollo  zukomme,  die  mindestens  sehr 
hypothetisch  bleibt,  ruht  also  so  gut  wie  auf  keinen  Stützen. 

Aber  er  hat  die  Denkmäler  zum  Beweis  herangezogen.  Das  erfordert  ein  kurzes 
Eingehen  auf  die  Darstellungen  des  Dreifußraubes.  Furtwängler  2)  unterschied 
zwischen  solchen,  die  Herakles  als  Träger  und  solchen,  die  ihn  als  Räuber  des  Dreifußes 
zeigen.  Die  ersteren  sind  Gemmen  und  bieten  als  solche  die  verkürzte  Darstellung  3). 
Es  bleibt  dann  nur  ein  Münchner  Vasenbild  4),  auf  dem  allerdings  Herakles  erscheint, 
wie  er  einen  mächtigen  Dreifuß  ohne  Anzeichen  eines  Kampfes  wegträgt;  links  von  ihm 
zwei  nackte  Jünglinge,  rechts  einer  und  Athena.  Der  vordere  Jüngling  links  wird 
als  Apollo  gedeutet,  weil  er  einen  Lorbeerzweig  in  der  Hand  hält.  Aber  er  ist  durch 
nichts  von  den  beiden  anderen  Jünglingen  unterschieden.  Er  müßte  so  gut  wie 
Herakles  charakterisiert  sein.  Das  Bild  bleibt  also  völlig  unsicher  und  damit  wenig 
beweiskräftig.  Ebenso  das  Bild  auf  der  Rückseite  der  Vase,  wo  ein  großer  mit  Zweigen 
geschmückter  Dreifuß  dasteht,  an  den  links  eine  Frau  in  langem  Chiton,  rechts  ein 
ebenso  bekleideter  Mann  die  Hand  legt;  beiderseits  je  ein  Mann  in  langem  Chiton. 
Die  beiden  Bilder  sollten  eine  sonst  verschollene  Sagenform  rekonstruieren  helfen, 
nach  welcher  Herakles  mit  Übereinstimmung  Apolls  den  Dreifuß  weggetragen  hätte, 
um  für  diesen  ein  Orakel  zu  gründen.  Aber  wie  die  Vorder-  so  ist  auch  die  Rückseite 
der  Vase  dafür  nicht  zu  verwenden.  Wenn  sie  die  Gründung  der  Orakelstätte  mit 
dem  durch  Herakles  weggetragenen  Dreifuß  darstellen  würde,  könnten  doch  die  Haupt- 
beteiligten, Apoll  und  Herakles,  unmöglich  dabei  fehlen!  Vielleicht  ist  hier  Herakles 
ganz  allgemein  als  Sieger  gedacht,  der  den  in  archaischer  Zeit  üblichen  Siegespreis 
gewinnt  und  dann  weiht. 

So  ist  es  nichts  mit  einem  »Dreifußträger«  Herakles.  Ebensowenig  können 
die  Darstellungen  des  Dreifußraubes  in  solche  geschieden  werden,  in  denen  »beide 
Parteien  mit  gleichen  Rechten  auftreten«  und  andere,  in  dem  Herakles  als  Räuber 
verfolgt  wird  5).  Der  seltenere  Typus  des  Dreifußraubes  zeigt  den  Dreifuß  in  der  Mitte 
stehend,  die  beiden  Gegner  von  rechts  und  links  ihn  fassend,  oder  ihn  von  beiden 
hin  und  hergezerrt,  während  bei  dem  gewöhnlichen  Typus  Herakles  mit  dem  geraubten 
Gerät  davoneilt  und  von  Apoll  verfolgt  wird.  Das  ist  nur  ein  Unterschied  in  der 
Komposition.  Es  läßt  sich  nicht  nachweisen,  daß  der  erste  Typus  der  ältere  ist.  Die 
seltenere  Fassung  kommt  unter  den  ältesten  Monumenten  nicht  häufiger  vor  als 

')  Schröder,  Zts.  vergl.  Sprachwiss.  XXIX,  N.  F.  scher,  Lex.  d.  M.  I,  2,  2212)  spricht  gerade  gegen 

IX,  1887,  197;  wiederholt:  Arische  Religion  II,  ihn.     Denn   Herakles   schwingt  die   Keule   und 

497  fi.  läuft,  wird  also  verfolgt.     Das  sieht  nicht  nach 

')  Röscher,  Lex.  I,  2212.  Gleichberechtigung  aus. 

3)  Der  von   Furtwängler  als   Kronzeuge   für  seine  4)  Jahn  1294.     Arch.  Ztg.   1867,  38  ff.,  Taf.  227. 

Ansicht  abgebildete  altionische  Skarabäus  (Ro-  5)  Furtwängler  a.a.O.  2213. 


164  ^^1  Schwendemann,  Der  Dreifuß. 


später  und  hält  sich  immer  neben  der  anderen.  Das  Überwiegen  des  einen  Typus 
erklärt  sich  nicht  durch  das  allmähliche  Vorherrschen  einer  delphischen  Version 
der  Sage,  die  aus  dem  einst  gleichberechtigten  Herakles  einen  Räuber  machte,  sondern 
aus  künstlerischen  Gründen  zur  Genüge  '). 

So  ist  die  Sage  vom  Dreifußraub  zurückgeführt  auf  das,  was  sie  ist,  die  sagen- 
hafte Überlieferung  eines  Kampfes  um  den  Dreifuß,  d.  h.  um  das  delphische  Orakel. 

Die  Gleichung  Dreifuß  =  delphisches  Orakel  gibt  schon  unsere  älteste  Quelle, 
die  uns  den  delphischen  Dreifuß  bezeugt,  die  von  Pomtow  (Klio  XV,  S.  316  ff.)  er- 
schlossene Überlieferung  der  koischen  Asklepiaden  über  den  ersten  heiligen  Krieg. 
Die  Belagerer  von  Krisa  erhalten  ein  Orakel,  das  ihnen  den  Sieg  unter  gewissen  Be- 
dingungen verspricht.  Der  Sieg  werde  bewirken,  cu?  jai)  irpöispov  0!  KpiaaToi  iv  xqji 
d5uT(p  ihv  Tpi'iToSa  auXi^auxjiv.  Es  wird  auch  ein  Krisäer  genannt  8?  direöave  Xsudöek 
oTs  ^X9sv  sf«  TÖ  a5uTov  xov  xpi'itoSa  ouÄr,a(uv.  Da  diese  Überlieferung  auf  eine  alte 
Tradition  der  koischen  Asklepiaden  zurückgeht,  die  wohl  noch  vor  Herodot 
schriftlich  fixiert  wurde,  sicher  aber  direkt  an  den  Ereignissen  des  ersten  hl.  Krieges 
hängt  (nach  Ed.  Meyer,  Gesch.  d.  Alt.  II  669  wurde  Krisa  586  erobert),  haben  wir 
fürs  frühe  VI.  Jahrhundert  eine  Quelle,  die  die  Gleichung  Dreifuß  =  Orakel  ausspricht. 
Das  stützt  die  Deutung  der  Dreifußraubsage  als  eine  sagenhafte  Überlieferung  eines 
Kampfes  ums  delphische  Orakel.     Siehe  unten. 

Wenn  der  Dodekathlos  einem  argivischen*)  Dichter  des  VIII.  Jahrh.  verdankt 
wird,  so  ist  es  allerdings  ein  Widersinn  zu  glauben,  daß  der  Herakles,  der  diese  Taten 
vollbracht  hat,  deren  historische  Beziehung  einleuchtet,  schon  vorher  den  Dreifuß  geraubt 
habe,  weil  ihn  dies  über  das  Gebiet  hinausgeführt  hätte,  innerhalb  dessen  sich  jene 
Taten  bewegen.  Die  Dreifußraubsage  ist  also  später  und  fordert  wie  jene  eine  histori- 
sche Erklärung.  Es  stehen  zwei  Wege  offen.  Entweder  ist  Herakles  Vertreter 
des  dorischen  Stammes  oder  seiner  eigenen  Religion.  Letzteres  kann  nicht  in  Betracht 
kommen.  Von  einem  Zusammenstoß  apollinischer  und  herakleischer  Religion  oder 
um  einen  Kampf  um  den  Primat  beider  3)  kann  im  Ernst  in  der  in  Frage  kommenden 
Zeit  nicht  die  Rede  sein.  Ferner  soll  Herakles  nur  bei  den  loniern  ein  Gott  sein, 
nicht  bei  den  Dorern  4).  Dorer  aber  sind  es,  die  Delphi  umgeben  oder  deren  Gegensatz 
zu  Delphi  in  so  früher  Zeit  etwas  bedeutete.  Denn  was  gelten  die  lonier  des  Mutter- 
landes vor  dem  VI.  Jahrhundert.''  Es  bleibt  also  Herakles  als  Vertreter  des  dorischen 
Stammes  und  dann  ist  er  entweder  Böoter  oder  Argiver.  Der  argivische  Herakles 
würde  am  besten  auf  das  pheidonischeArgos  bezogen  werden,  also  die  Sage  einen  Gegen- 
satz zwischen  der  Machtpolitik  von  Argos  zu  Pheidons  Zeiten  und  der  Ausbreitungspolitik 

')  Der  Giebel  vom  Schatzhaus  der  Knidier  in  Delphi  »)  v.  Wilamowitz,  Euripides'  Herakles  S.  47  S.  Voll- 
(FouiUes  de  D.  IV,  Taf.  XVI,  XVII)  gibt  Apollo  graS,  Neue  Jahrb.  XXV,  1910,  327. 
als  Hauptfigur  in  der  Mitte  des  Giebels,  während  3)  Weniger  bei  Röscher,  Lex.  II,  37.  Overbeck, 
Herakles  den  D.  auf  den  Schultern  nach  rechts  Kunstmythologie  Bd.  IV.  Apollon  S.  391.  Bei- 
enteilen will.  Apollo  faßt  den  D.  Natürlich  seite  lasse  ich  die  Ausführungen  von  Friedländer, 
rückt  Apollo  in  einer  unter  delphischer  Autorität  Herakles  1 54.  Sie  beruhen  auf  undiskutierbaren 
entstandenen  Darstellung  des  Dreifußraubes  an  Voraussetzungen, 
die  Stelle  der  Hauptperson.  4)  v.  Wilamowitz  a.  a.  0.  S.  33. 


Karl  Schwendemann,  Der  Dreifuß.  jgr 


des  delphischen  Orakels  bedeuten.  Zieht  man  den  böotischen  Herakles  vor,  so  ist 
die  Sage  in  mittelgriechischen  Machtverhältnissen  begründet  und  würde  auf  einen 
Versuch  derBöoter  zu  deuten  sein,  den  entscheidenden  Einfluß  in  Delphi  zu  gewinnen, 
wäre  also  in  ihr  eine  Art  Vorläufer  der  späteren  heiligen  Kriege  zu  erkennen  ').  Ob 
aber  der  thebanische  oder  der  argivische  Herakles  für  die  Dreifußraubsage  in  Betracht 
kommt,  möchte  schwer  zu  entscheiden  sein.  Daß  Herakles  auf  thebanischen  Münzen 
mit  dem  Dreifuß  erscheint  ^),  wie  schon  auf  archaischen  Gemmen,  beweist  nichts. 
Auf  diesen  Münzen  kommen  auch  noch  eine  ganze  Anzahl  Taten  des  Stammesheros  3) 
vor  und  der  Dreifußraub  ist  nur  eine  von  ihnen.  Die  Verbindung  des  Dreifuß- 
raubes mit  Pheneos  und  Gythion  könnte  allerdings  nach  dem  Peloponnes  weisen. 
Die  Gytheaten  behaupteten  nach  Paus.  HI,  21,  8,  daß  Herakles  und  Apollon  ge- 
meinsam die  Stadt  gegründet  hätten,  als  sie  nach  dem  Kampf  um  den  Dreifuß  wieder 
versöhnt  waren.  Als  primär  darf  man  hier  wohl  annehmen,  daß  die  beiden  als  Stadt- 
gründer galten,  was  seinen  Grund  wiederum  darin  haben  kann,  daß  die  ältesten 
Heiligtümer  der  Stadt  ihnen  geweiht  waren.  Der  Dreifußraub  aber  war  die  einzige 
bekannte  Begebenheit,  welche  beide  eng  zusammenbrachte,  und  so  lag  es  nahe,  ihn 
zum  Anlaß  für  die  Stadtgründung  zu  nehmen. 

Die  Sage  von  Pheneos,  Herakles  habe  den  geraubten  Dreifuß  nach  dieser  Stadt 
getragen,  erklärt  sich  zunächst  historisch.  Die  Mehrzahl  der  Kulte  des  Apollon 
Pythaeus  werden  ausdrücklich  als  abhängig  von  dem  altberühmten  Kult  dieses 
Gottes  in  Argos  bezeichnet  4),  und  so  liegt  es  nahe  für  Pheneos  dasselbe  anzunehmen. 
Da  wäre  dann  Herakles  der  Argiver,  der  dem  ersten  Gotte  seines  Landes  in  der  Fremde 
einen  Kult  gründet.  Der  Dreifuß  würde  Symbol  des  Kultes  sein,  wie  er  das  des  Gottes 
ist,  und  aufzufassen  wie  in  der  Sage  von  Tripodiskos.  Die  Sage  wäre  dann  bedeutend 
jünger  als  die  Dreifußraubsage  und  in  dem  Bericht  des  Plutarch  mit  dieser  konta- 
miniert   (rpiicoSa  -zhv  [j.avxixdv!) 

Ähnlich  wie  die  Sage  von  Pheneos  ist  die  Gründungslegende  von  Tripodiskos, 
einem  Dorfe  Megaras  5)  zu  beurteilen.  Paus.  I,  43,  7  erzählt:  lau  6s  Ms^apsuai  xal 
Kopoißou  Tottpo?.  T«  6s  i?  auTOv  sitY)  xoivoc  SjAous  ovTa  Tois  'Ap^sioi?  Ivxaüöa  6y]X(u3u).  kn\ 
KpoT(uirou  Xsfouaiv  Iv  "Ap^ei  ßaat)vSuovTo?  ^ajxa&Tjv  ttjv  KpoTtuTrou  xsxsiv  irat5'  ii  'AiroXltuvoj, 
iyofisvyjv  5k  iaynjpi^  tou  Ttatpo?  6st[i.aTi  xqv  itaiöa  Ixösivai.     xal   xäv  jisv  SiacpOstpoutJiv    ir.i- 

')  Auf  nationale  Gegensätze  wurde  die  Sage  schon  Schon  bei  Homer  nehmen  die  Götter  am  Kampf 

zu  Beginn  des  V.  Jahrh.  gedeutet,  wie  das  Weih-  ihrer  Völker  teil. 

geschenk  der  Phoker  nach  Besiegung  der  Thes-  ')  Brit.  Mus.  Cat.  Central  Greece  Taf.  XII,  6. 

saler  zu  Delphi  bezeugt,  Herod.  VIII,  27.    Paus.  »)  Head,  Historia  num.  »  349  £E.   Wenn  Münzen  von 

X,  13,  6:  Statuengruppe,  den  Dreifußraub  dar-  Philippi    vom    Kopf   des   Herakles,    ^  Dreifuß 

stellend,  Leto  Artemis  Apoll  auf  der  einen,  Hera-  zeigen,  so  erklärt  sich  das  aus  der  Tatsache,  daß 

kies  und  Athena  auf  der  andern  Seite  (Sauer,  An-  der  D.  ein  gewöhnliches  Wappen  auf  den  Münzen 

fange  der  statuar.  Gruppe  27  vgl.  17).   Mit  Recht  der  makedonischen  Könige  ist.   Head  a.  a.  0.  217. 

vermutet  Weniger,  Archiv  f.  Rel.-Wiss.  IX,  226,  4)  Immerwahr,  Arkadische  Kulte  136. 

A.  2,  daß  Herakles  hier  als  Thessaler,  Apoll  als  5)  Lentz,    Herod.  rell.  I,   153,  23   TpiTroStSKOj    xal 

Phoker  empfunden  wurde.     Den  Gott  als  Ver-  TpraoSfaxoi    xiujiT]    x^?   MEYapfSo«.     Xifeiai    xal 

treter  seines  Landes  aufzufassen,  ist  allgemeine  TpntoSi'sxT]. 


griechische  Sitte.      Curtius,  Ges.  Abh.   II,  361. 
Jahrbuch  des  archäologischen  Instituts  XXXVf. 


l66  Karl  Schwendemann,  Der  DreifuB. 


T0y(<5vTe?  ix  TTj?  itot[ivii)?  XUV8C  xrfi  KpoTiuitou,  'ATtoXXoov  8k  Totf  'Apfsfot?  ii  t*)V  icoXiv  itlfiicei 
rioivijv.  xauTJjv  To'u?  iraiSa?  <x7ro  tüiv  [xijtspwv  <paaiv  apTto'Cetv,  4j  8  Kopotßo?  i?  X*?'" 
ApTfsttuv  (povsuei  ttjv  IIoivtjv.  cpovsuaas  8s,  oö  föp  dvtei  dcpäf  8eoTepc(  liriirsooüoa  voao? 
Xoi[x(u8r(?,  Kopoißoj  Ixwv  }^)S&v  ii  AsX(pous  utp^CoJV  St'xa;  T(j)  8e(j5  tou  <p6vou  tt,?  noivr^f. 
ii  [Asv  8tj  xö  'Ap^oc  äva(iTpE9Stv  oux  st«  Kopoißov  yj  IluÖia  xpiKoSa  8e  dpojASVov  «pepstv  ixs- 
Xeusv  Ix  ToiJ  tspou  xal  ev&a  äv  Ixirsaig  ot  cpspovit  6  xpinouf,  Ivxauöa  'AiroXXcuvo?  ofxoSo- 
[i^uai  vaov  xal  aöxöv  ofx^crai.  xal  6  xptTtouj  xatd  xb  opo?  xyjv  FEpaviav  ditoXioöwv  eXa&ev 
auxti  IxTTSdfuv.  xal  TpiitoSiaxou;  x(u[j.tjv  ivxauöa  ofxiaai.  Kopoißtp  6e  iazi  xa'cpoj  iv  rj 
Ms^apscuv  dfop^.  •(i'^paicxai  hl  IXsfsTa  xä  ii  'Fajxä&Tjv  xal  xa  ii  auxöv  l^ovxa  Kopoißov') 
xal  St)  xol  ijriörj|a.d  iuxi  xu)  xa'ipq)  Kdpoißoj  cpoveucuv  xi)v  FlotvTJv.  Eine  andere  Version 
steht  bei  Photios  Bibl.  133  b  26  ff.  Der  Sohn  der  Psamathe  heißt  hier  Linos. 
Apoll  straft  für  seinen  Tod  Argos  mit  der  Pest.  Die  Argiver  feiern  ein  Fest  mit  einem 
9pr,vo?  für  Linos.  Aber  die  Pest  läßt  nicht  nach,  ftoj  Kpoxtuitoj  xaxA  }(pir)3[j.8v  iKiize  x6 
"Ap^o?  xal  xxi'aa;  uoXiv  Iv  x^  Ms^apiSi  xal  Tpiico8taxiov  lirtxaXsaa?  xaxtuxirjasv.  Die  Version 
des  Pausanias  ist  die  bessere.  Die  Poine  ist  ein  wirkliches  Ungeheuer,  wie  es  in  Sagen 
oft  vorkommt.  Koroibos  ist  ursprünglich  von  dem  Olympioniken*)  nicht  verschieden. 
»Solche  Helden  der  panhellenischen  Kampf  spiele  sind  Lieblingsgestalten  der  Volkssage, 
sowohl  im  Leben  als  auch  im  Geisterdasein  als  Heroen«  3).  Koroibos  ist  also  ein  Held 
des  Märchens.  Unsere  Sage  hat  ursprünglich  mit  Tripodiskos  keinen  Zusammenhang. 
Denn  wie  konnte  Koroibos  in  Megara  begraben  liegen,  wenn  er  in  Tripodiskos  einen 
Tempel  begründet  hatte,  bei  dem  er  nach  dem  Spruch  des  Gottes  wohnen  sollte.? 
Dann  mußte  er  doch  dort  als  T^pmc  xxiaxTj?  auch  begraben  sein!  Daß  er  aber  gerade 
an  dieser  wenig  hervorragenden  Stelle  den  Tempel  gründete,  wird  motiviert  durch 
den  Auftrag  des  Gottes,  seinen  Tempel  zu  errichten  da,  wo  dem  Träger  der  Dreifuß  zu- 
fällig entgleite.  Durch  dieses  Motiv  ist  erst  Tripodiskos  mit  der  Koroibossage  in  Zu- 
sammenhang gebracht.  Die  Fuge  ist  deutlich.  Öfters  kann  man  in  Sagen  beobachten, 
daß  die  Wirksamkeit  des  Zufalls  benützt  ist,  um  die  Kontamination  zweier  ursprüng- 
lich unabhängiger  Glieder  herzustellen,  etwa  wie  der  tragische  Dichter  den  deus  ex 
machina  benützt,  um  divergente  Entwicklungen  zu  verbinden  und  auszugleichen. 
Das  Motiv  des  Dreifußtragens  selbst  ist  nur  herausgesponnen  aus  dem  Namen  Tri- 
podiskos. Die  Version  bei  Photios  ist  eine  spätere  unlebendige  Analogiebildung  zu 
der  des  Pausanias,  die  in  Koroibos  und  Poine  echte  Sagengestalten  in  sich  birgt. 
Soweit  die  historische  Erklärung  der  Sage. 

Ihr  Sinn  wird  verständlich  durch  den  griechischen  Brauch  der  dipiSpodt?. 
Diese  bezeichnet  die  Nachahmung  eines  Kultbildes  4),  wovon  Strabo  VHI  p.  385  ein 
Beispiel  gibt:  xou?  -y^P  ^*  "f^?  'EXi'xtj?  Ixwsadvxa? 'Icuvas  akeiv  usjuj/ovxa?  irapa  x&v 'EXixsottV 
[xäXiaxa  fiev  xb  ßpsxa;  xou  floasiBcövo?,  si  8k  (it)  xo5  lepoS  xy)v  dtpiSpudiv,  und  derselbe  XII 
P-  537-  65(si  8k  xal  Ispbv  xb  xoS  Kaxdovof  'AitoXXwvo?  xa&'  oXiijv  xifitofjtsvov  xtjv  KairuaSoxi'av 
Ttoiifjaafisvtuv  d9i8p6[i.axa  dir'  aöxoü.    Umgekehrt  konnte  auch  das  alte  Kultbild  verpflanzt 

')  Das  Epigramm  noch  erhalten  Anth.  Pal.  VII  154,        ')  Paus.  V,  8,  6,  VIII,  26,  3.    Crusius  bei  Röscher, 
ein    Produkt   der  hellenistischen  Zeit.     Crusius  Lex.  II,  1,  11 54. 

bei  Röscher,   Lex.  II,  i,  1154.  3)  Rohde,  Psyche  I,  192. 

■t)  Stengel  bei  Pauly-Wiss.  I,  2720, 


Karl  Schwendemann,  Der  Dreifuß.  I67 

und  durch  eine  Kopie  ersetzt  werden.  So  kam  das  alte  Schnitzbild  des  Dionysos 
von  Eleutherai  nach  Athen  und  das  dortige  l{  [iifiTjuiv  Ixstvou  TtsiroiijToi').  Also  wie 
bei  der  Gründung  von  Filialen  eines  Kultes  Kopien  des  alten  f6oc  in  diese  über- 
tragen werden,  so  wird  in  Tripodiskoi  ein  Pythion  gegründet  durch  Übertragung 
eines  Dreifußes  von  Delphi  dorthin.  Denn  in  Delphi  ist  nicht  das  Bild  des  Apoll, 
sondern  sein  mantischer  Dreifuß  das  heiligste  und  das  Zentrum  des  Kultes. 

Eine  von  Delphi  unabhängige  Tripodophorie  ist  bei  Strabon  S.  402  erwähnt  ^), 
Es  wird  nach  Ephoros  erzählt,  daß  die  Thraker  und  Böoter  im  Kriege  einst  einen 
Waffenstillstand  geschlossen  hätten.  Die  Thraker  griffen  aber  bei  Nacht  an  und 
behaupteten  nachher,  sich  nur  für  den  Tag  zur  Waffenruhe  verpflichtet  zu  haben. 
Beide  Parteien  beschickten  das  Orakel  von  Dodona.  Als  die  Böoter  keinen  günstigen 
Bescheid  erhielten,  wollten  sie  die  Prophetin  ins  Feuer  werfen,  ix  bk  toutojv  BottuToi? 
(iovois  av8pa?  TrpoösaKi'Ceiv  Iv  AtoStuvio.  xa;  [xevToi  Tcpo^7jTi6a?  IStj^ouiisvou?  xö  [lavxstov 
sfixsiv,  oxi  Ttpouxa'xTot  6  öso?  xoTs  BotwxoT?  xou;  Tiap'  auxoT?  xpmoSa;  auXXsYovxa;  ef?  AwScu- 
VTjv  TCEjiTTsiv  xftx'  Exo? '  xal  Si]  xai  uoisTv  xouxo*  dsl  fotp  xiva  x5>v  dvaxsijxsveuv  xptTcoScuv 
vuxxwp  xaöaipouvx«?  zai  xaxaxaXuwxovxa?  ifxaxtoi?  u>?  äv  Xa&pa  xpiTtoSrjtpopsiv  sf?  AtuSaJvirjv. 
Hier  ist  der  Dreifuß  Buße  wie  noch  im  Recht  von  Gortyn.  Nachts  wird  er  fortgeführt 
und  verhüllt,  weil  er  gleichsam  aus  Böotien  geraubt  ist;  denn  er  ist  einer  xüiv  dva- 

X£t[i.lvu)V. 

Zum  Verständnis  der  Tripodophorie  kann  man  noch  an  das  irüp  litaYssftai 
aus  Heiligtümern  erinnern,  etwa  an  die  vau?  Ttupcpopoüda,  die  alljährlich,  nachdem  alle 
Feuer  auf  Lemnos  gelöscht  waren,  aus  Delos  neues  Feuer  holte  3).  Und  wirklich 
findet  sich  Pyrphorie  und  Tripodophorie  miteinander  genannt  auf  einer  Inschrift 
vom  Athenerschatzhaus  zu  Delphi  4);  d^aSiii  xu}(Y)t  x?y?  ßouXTj?  xal  xoü  8tj[aou  xöiv 
'Aöifjvaiiuv.  Iitl  Msvxopoc  apxovxo?  iv  AsXtpoTs  Iv  8k  'Aöv^vai?  'ApYstoü  sXaßev  -zhv  kpbv  xpi- 
ito8a  Ix  AsXcpüiv  xal  dTtexofitaev  xal  xyjv  irupcpopov  TjYaYSv  'AfxcpixpdxYjs  'Eitisxpdxou  'A&rjvaios. 
.  Die  Inschrift  gehört  ins  Jahr  97/96  v.  Chr.  Amphikrates  hatte  also  wohl  einen  Dreifuß 
aus  einem  attischen  Heiligtum  nach  Delphi  gebracht  zur  Lustration  und  wieder 
zurückgeleitet.  Zugleich  muß  ein  ähnlicher  Akt  wie  der  von  Philostrat  bezeugte 
stattgefunden  haben,  indem  von  Delphi  reines  Feuer  geholt  wurde,  ähnlich  wie  die 
Griechen  aller  durch  den  Persereinfall  berührter  Gegenden  nach  der  Schlacht  bei 
Plataiai  auf  Delphis  Geheiß  das  Feuer  löschten  und  neues  von  Delphi  holten  5).  Die 
uüpcpopoj  der  Inschrift  ist  die  geleitende  Priesterin'). 

')  Paus.  I,  38,  8.    Wenn  der  Zeus  auf  den  Münzen  Graeci  III,  450,   S.  19.    TpiJtoäTjtpopixrfv    laxi    xö 

von  Messene  der  des  Ageladas  ist,  wie  man  an-  a8(?(xsvov   ItA   TtpoTiojAiiTj   xpdroSoj,   ov   lnEfiTiov   0 

nimmt,  dann  wurde  sein  Bild  bei  der  Gründung  9T)ßaioi   li  Ixou?  xiS  At(  xtp  A(o8u)va(u)  ei;    Aui- 

der  Stadt  369  von  Naupaktos  dorthin  gebracht.  8(i)vr)v.     PoUux   IV,    55    erwähnt    ■zpnzoi-qtfopixi 

Denn  es  war  ursprünglich  für  die  in  Naupaktos  (seil.  fJiiXrj). 

angesiedelten  Messenier  gefertigt.    Paus.  IV,  33.  3)  Schömann-Lipsius,     Griech.    Alt.     II,     S.     229. 

»)  Ebenso  bei  Photios,  Bibl.  p.  322  =  Höfer,  Konon  Philostratos,  Heroica  XIX  14. 

Nr.   19.     Bei  der  Übertragung  wurde  ein  Lied  4)  Couve,  B.  C.  H.  XVIII,  89,  Nr.  9.    Dittenberger, 

gesungen,     xptitooT]tpopix(Jv     \t.{lo(.     Vgl.    Schol.  Sylloge »  665.    Fouilles  de  Delphes  III,  2,  Nr.  32. 

in  Dion.  Thracis  art.  grapim.  ed  Hilgard,  Gram.  5)  Schömann-Lipsius  a.a.O.  S.  229. 

^)  Couve  a.  a.  0    S.  89. 


l68  KutI  Schwendemann,  Der  Dreifuß. 


Eine  andere  Inschrift  gleicher  Herkunft  lautet'):  toy^oLv  d-(abdv.  iitei 'AXxi5a|io« 
EÖSOV0U4  'A&Jivaio?  iroXiToc,  euaeßü)?  x«i  odt'oji  SiaxEijASvo;  itoxi  xe  tov  Osiv  xal  itotI  täv 
:t6Xtv  d)X(üv,  d^aiftuv  oe  xal  xov  xpiTtoSa  I9'  apixatoj  dSto)?  to5  tb  öeoü  xal  tou  üfietepoo 
8ot(iot)  ...  Er  wird  mit  Proedrie,  Promantie  usw.  belohnt.  Die  Inschrift  fällt 
zwischen  135— 120  v.Chr. *).  Alkidamos  hat  also  dasselbe  getan  wie  Amphikrates.  Die 
Tripodophorie  ging  also  wohl  regelmäßig,  vielleicht  in  Intervallen  von  vier  oder  acht 
Jahren  3),  nach  Delphi  und  bezog  sich  jedenfalls  auf  das  Pythion  am  Ilissos,  den 
Mittelpunkt  des  Thargelienfestes  4). 

Die  Bedeutung  des  Dreifußes  in  der  Sage  von  Pheneos,  in  der  Gründungslegende 
von  Tripodiskos  und  in  unseren  beiden  Inschriften  führt  zu  einer  weiteren  Vermutung. 
Wurde  vielleicht  bei  Gründung  einer  delphischen  Filiale  ein  Dreifuß  als  »dcpiSpuixa« 
des  heiligen  mantischen  Gerätes  im  delphischen  Adyton  mitgegeben,  um  in  dem 
neuen  Kultzentrum  aufgestellt  zu  werden,  nicht  etwa  zu  mantischen  Zwecken,  sondern 
als  Symbol  des  Kultes  des  Apollo,  dem  der  Dreifuß  als  Wahrzeichen  und  Instrument 
seiner  Willensäußerung  dient.?  So  würde  sich  die  regelmäßig  wiederholte  Sendung 
eines  Dreifußes,  der  in  der  ersten  Inschrift  ausdrücklich  tepo?  genannt  wird,  von 
Athen  nach  Delphi  und  wieder  zurück  am  besten  erklären.  Es  wäre  der  im  Pythion 
als  »d'^tSpufia«  aufgestellte  Dreifuß.  Diese  Vermutung  läßt  sich  vielleicht  stützen  durch 
die   Inschrift  B.  C.  H.  1879,    S.  70  aus  Athen,    IV.   Jahrh. 

xatÄ  T7)v  '\Tt6X>.a)vt 

pfiatoc  TäS[e  l]7r[e](j&at  tä[i]  xav[o)r] 

tpiiroBa  iTttToJt'Sa? 

(jTE[ifxa  irpo-covtov 
taxov  a90tp[av] 

Trotz  der  Verstümmelung  ist  klar,  daß  in  einer  zu  Ehren  des  Apollon  veran- 
stalteten Prozession  Gegenstände,  darunter  ein  Dreifuß  herumgetragen  werden  sollen 
und  man  hätte  an  den  als  dcpiöpüjio  aufgestellten  Dreifuß  im  Pythion  zu  denken. 
Die  von  Vollgraff,  Bull.  Corr.  Hell.  1904,  S.  270  fif.  veröffentlichte  Inschrift  beweist, 
daß  man  im  Heiligtum  des  Apollon  Pythaios  in  Argos  einen  Omphalos  aufstellte. 
Die  fjidvTies  und  ■repocpTJTai  dveöev  'AitoXXwvi  .  .  .  xai  iropsaxeuadsav  xal  isaavzo  xov  Ix 
(lavTiijac  Fä?  ÄjxcpaXov  xal  tctv  TrepiOTaatv,  eine  schlagende  Analogie  zur  »d<pi5pu<Jis«  von 
Dreifüßen  in  Apolloheiligtümern.  Daß  es  in  vielen  Apolloheiligtümern  äjicpoiXot  gab, 
hat  Röscher  (Omphalos  und  Neue  Omphalosstudien)  dargetan,  freilich  die  spätere 
Übertragung  des  Omphalos  zu  wenig  beachtet.  Die  Erdmittelpunktsidee  scheint 
außer   in   Delphi  höchstens  noch  in  Milet  alt  und  ursprünglich. 

Bedeutung  des  Dreifußes  im  delphischen  Orakel-Betrieb. 

Nach  der  Analyse  der  Sagen,  die  eine  sekundäre  oder  ursprüngliche  Beziehung 
zum  mantischen  Dreifuß  haben,  wird  es  Zeit,  daß  wir  uns  der  Frage  zuwenden,  welche 

')  Couve  a.  a.  O.  S.  91,  Nr.  10.    Dittenberger,  Syl-        »)  Pomtow,  Philologus  LIV,  593. 
löge'  7:8.    Collitz-Bechtel,  Griech.Dialektinschr.        3)  Pomtow  a.  a.  0. 
II  2728.     Fouilles  de  Delphes  III  2,  Nr.  33.  4)  E.  Curtius,  Arch.  Anz.  1895,  I09- 


Karl  Schwendemann,  Der  Dreifuß.  j^q 


Bedeutung  dem  Dreifuß  im  delphischen  Tempel  zukommt,  welche  ursprüngHche 
Funktion  er  hat,  und  wie  sich  die  verschiedenen  Vorstellungen  erklären,  die  sich  mit 
ihm   verbinden. 

Unsere  literarische  Überlieferung  über  das  delphische  Orakel  beginnt  erst  deut- 
licher zu  werden,  als  dieses  schon  lange  in  Blüte  stand.  Die  Ausgrabungen  haben 
gezeigt,  daß  Delphi  schon  in  mykenischer  Zeit  besiedelt  war ').  Vor  der  Ostfront 
des  Apollotempels  lagerte  direkt  auf  dem  Felsen  eine  dicke  schwarze  Erdschicht, 
gebildet  aus  Asche  und  Knochenresten,  in  der  weibliche  Tonidole  der  bekannten 
mykenischen  Art  gefunden  wurden.  Man  wird  sie  nicht  mit  Perdrizet  a.  a.  0.  S.  14 
auf  den  Kult  der  Ge  beziehen  dürfen,  da  sie  allenthalben  an  Stätten  mykenischer 
Kultur  zu  Tage  gekommen  sind.  Jedenfalls  war  aber  ein  Kult  in  Delphi.  Die  nächste 
archäologische  Tatsache  für  diesen  ist  außer  den  Resten  von  Weihgaben  der  Apollo- 
tempel. Sollten  sich  wirklich,  wie  Homolle  2)  versichert,  keine  Reste  eines  voralk- 
mäonidischen  Baues  nachweisen  lassen,  so  müssen  wir  doch  einen  solchen  voraus- 
setzen. Das  verlangt  die  Analogie  anderer  Kultstätten  und  die  hterarische  Über- 
lieferung, die  deutlich  von  mehreren  Vorgängern  des  Alkmäonidentempels  spricht, 
wenn  auch  in  märchenhafter  Form.  Er  wäre  ähnlich  wie  das  olympische  Heraion, 
das  alte  Ismenion  in  Theben,  die  Tempel  in  Thermos  oder  der  Vorgänger  des  alten 
Gorgotempels  auf  Kerkyra  zu  denken. 

Schon  im  VIII.  Jahrhundert  war  das  delphische  Orakel  über  die  Grenzen  der 
hellenischen  Welt  hinaus  angesehen  und  bekannt.  Midas  hat  als  erster  der  Barbaren 
dem  delphischen  Gotte  kostbare  Geschenke  gestiftet  und  er  lebte  im  letzten  Drittel 
des  VIII.   Jahrhunderts  3). 

Unsere  literarische  Überlieferung  sagt  uns  für  diese  ganze  Frühzeit  nichts  über 
den  Betrieb  des  Orakels.  Homer  und  Hesiod  schweigen  darüber,  und  der  homerische 
Hymnus  auf  den  delphischen  Apoll  gibt  auch  nichts  genaues.  Wohl  heißt  es  V.  265 
von  Apollo  I?  aSuTov  xaTsSuas  8ia  xpnioSwv  IpixifAmv.  Diese  Dreifüße  haben  aber 
nichts  mit  Mantik  zu  tun,  sondern  der  Gott  schreitet  durch  ihre  Reihen  hindurch, 
an  ihnen  vorbei  in  sein  Adyton,  wo  er  ein  großes  Feuer  entzündet.  Der  Dichter  stellt 
sich  ein  Heiligtum  seiner  Zeit  vor,  in  dem  eine  Menge  Weihdreifüße  stehen,  wie  dies 
ja  auch  tatsächlich  in  jener  Zeit  in  vielen  Heiligtümern  der  Fall  war.  Ein  Schluß 
ex  silentio,  nämlich,  daß  der  Dichter  des  Apollohymnus  nichts  von  einem  mantischen 
Dreifuß  wußte,  ein  solcher  in  jener  Zeit  also  nicht  vorhanden  war,  erscheint 
gewagt  bei  der  Unsicherheit,  die  über  Abfassungszeit,  Entstehung  und  Aufbau  des 
Hymnus  herrscht.  Sehr  wohl  kann  in  einem  uns  nicht  erhaltenen  Hymnenteil  noch 
mehr  gestanden  haben,  beziehungsweise  lag  es  nicht  in  der  Absicht  des  Dichters, 
gerade  über  den  Orakelbetrieb  etwas  zu  sagen.  Schweigt  er  doch  auch  über  die  Pythia, 
deren  Tätigkeit  in  Delphi  vielleicht  durch  den  früheren  Kult  der  Ge  erklärt  werden 
darf,  die  also  zur  Zeit  des  Dichters  bereits  in  Delphi  gewesen  sein  müßte.  So  spricht 
die  älteste  Überlieferung  wenigstens  nicht  gegen  die  Existenz  eines  mantischen  Drei- 
fußes in  jenen  frühen  Jahrhunderten,  wenn  wir  auch  über  ihn  nichts  erfahren. 

';  Fouilles  de  Delphes  V,  S.  6  fi.  »)  Bull.  Corr.  Hell.  1896,  643. 

3)  G.  u.  A.  Körte,  Gordion  21. 


170 


Karl  Schwendemann,  Der  DreifuS. 


Die  erste  Quelle,  in  der  das  dann  der  Fall  ist,  ist  die  von  Malten  erschlossene 
Umarbeitung  des  Kyrenesagenkomplexes  durch  einen  in  delphischem  Sinne  gestal- 
tenden hesiodischen  Dichter  um  die  Wende  des  VII.  zum  VI.  Jahrhundert  ').  Dieser 
hat,  wie  wir  oben  sahen,  die  ursprünglich  mit  Delphi  nicht  in  Beziehung  stehende 
Sage  gerade  durch  das  Element  des  Dreifußes  mit  Delphi  verbunden.  Für  ihn  war 
der  Dreifuß  demnach  schon  apollinisches  Gerät.  Damit  haben  wir  eine  literarische 
Quelle  über  den  mantischen  Dreifuß,  die  dem  Hymnus  an  den  pythischen  Apoll 
zeitlich  nahekommt  und  also  eine  Bestätigung  dafür,  daß  der  Schluß  ex  silentio 
oben  mit  Recht  nicht  gezogen  wurde. 

Welche  Bedeutung  hat  nun  der  Dreifuß  in  dieser  unserer  ältesten  literarischen 
Überlieferung.?  Hören  wir  sie  selbst,  wie  sie  bei  Herodot  IV  179  steht:  Kai  oJ  diro- 
psovTt  TYjv  IJaYtoY'/jv  X6-(0i  lati  cpavrjvat  TptT<uva,  xoti  xeXsueiv  tov  'Ir^ctova  äu)UT(p  Souvai  töv 
TpiTCoSa,  ^ajisvov  atpt  xal  xhv  itdpov  5sSeiv  xal  dui^jxovac  dTcoUTsXssiv.  FleiOonsvou  8k  Toi> 
'li^cjovof  ouTU)  Sy)  tov  xe  SiexnXoov  twv  ^payimv  Sstxvuvai  tov  Tpirwvd  391  xal  tov  Tpiiro5a 
Oeivai  Iv  Tij)  loaoTou  ?p(p  iTTiOeaitiaavTa'  xe  tiö  Tpt'rcoSi  xal  TOiai  auv 
lijoovt  arjfjii^vavTa  tov  itdvTa  Xo^ov. 

Hier  ist  der  Dreifuß  ohne  Zweifel  als  Sitz  der  mantischen  Kraft  gedacht.  Denn 
Triton  setzt  sich  auf  ihn,  um  zu  weissagen,  empfängt  also  die  mantische  Kraft  durch 
das  Sitzen  auf  ihm.  So  ist  es  noch  in  der  späteren  Überlieferung.  Das  Orakel  wird 
erteilt,  indem  der  Orakelgeber  auf  dem  Dreifuß  sitzt  ^).  Es  werden  verschiedene 
Inspirationsmittel  der  Pythia  genannt,  das  Kauen  des  Lorbeers  und  der  Trunk  aus 
der  Quelle  3),  später  auch  die  angeblich  aus  dem  x«''|J'«  aufsteigenden  Dünste,  aber 
das  Sitzen  auf  dem  Dreifuß  bleibt  konstant. 

Wenn  es  richtig  ist,  wie  wir  oben  geschlossen  haben,  daß  der  Dreifußraub  einen 
Kampf  um  das  delphische  Orakel  bedeutet,  so  liegt  ihm  ebenfalls  die  Vorstellung  zu- 
grunde, daß  die  mantische  Kraft  am  Dreifuß  sitzt. 

Herakles  bemächtigt  sich  des  Orakels  indem  er  den  Dreifuß  wegschleppt,  genau 
so  wie  in  jener  von  Pomtow  erschlossenen  alten  Überlieferung  über  den  ersten  heiligen 
Krieg  die  Phoker  sich  die  Orakelstätte  des  Apollo  zu  eigen  machen,  indem  sie  den 
Dreifuß  aus  dem  Adyton  rauben.    Die  Darstellungen  des  Dreifußraubes  reichen  aber 


^»)  Malten,  Kyrene  212. 
")  Die  Stellen  Pauly-Wiss.  V,  1679. 
3)  Lorbeer:  Rohde,  Psyche  II  58,  i.  »In  dem  heili- 
gen Gewächs  steckt  die  divina  vis;  man  schlingt 
sie  durch  Kauen  hinunter.«  Crusius,  Philologus, 
N.  F.  VII.  Beiheft  S.  11.  »Wie  der  Rauschtrank 
die  poetische  Begeisterung  nährt,  so  weckt  und 
steigert  das  Aroma  der  Lorbeerblätter  die  poeti- 
sche Ekstase«  Qjell-  oder  Rauschtrank:  Luk. 
Jupp.  tragoedus  30.  Bis  accus,  i :  ij  TtpojJiavTis 
JtioOoa  Toü  lepoü  va(JiaTO{  vgl.  Hermot.  12. 
Clem.  Alex.  Protr.  Cap.  II.  (jEat'yrjTat  yoüv  ij 
KatSToXlr^i  iTTjYr)  xai  KoXocpüivo?  aXXrj  titjyt)  xal 
TÖ  äXXa  bfiolmi  T^övrjxe  vafiaxa  [xavxixä.  Im 
Branchidenheiligtum  von  Didyma  (Belege  Pauly- 


Wiss.  III,  I,  803),  in  Hysiai  (Paus.  IX,  2,  i),  in 
Kyaneai  in  Lykien  (Schömann-Lepsius,  Griech. 
Alt.  331,  335;  vgl.  344),  in  Klaros  (Tac.  Ann. 
II,  54.  Plin.,  N.  H.  103,  332)  war  ebenfalls  ein 
Quelltrank  das  Begeisterungsmittel.  Melesagoras 
von  Eleusis,  vielleicht  eine  wirkliche  Person  aus 
der  Prophetenzeit  (Rohde,  Psyche  II  64,  Anm.  i), 
weissagte  nach  Max.  Tyr.  38, 3  Ix  vujjitpüiv 
xaTO)(0{.  Es  scheint  demnach,  als  ob  die  manti- 
sche Wirkung  des  Trankes  aus  gewissen  Quellen 
allgemeinere  Bedeutung  gehabt  hätte.  Der  Glaube 
daran  kann  sehr  wohl  ursprünglich  sein.  Die 
Frage  nach  Herkunft,  Geltung  usw.  der  manti. 
sehen  Mittel  verdient  eine  eigene  Untersuchung. 


Karl  Schwendemann,  Der  Dreifufi. 


171 


bis  hoch  ins  sechste  Jahrhundert  hinauf,  und  die  von  Pomtow  klargelegte  Tradition 
der  koischen  Asklepiaden  hängt  direkt  an  den  Ereignissen  des  ersten  heiligen  Krieges, 
geht  also  in  den  Anfang  des  sechsten  Jahrhunderts  hinauf.  So  haben  wir  eine  ganze 
Reihe  von  Zeugnissen,  die  uns  bis  ans  Ende  des  VII.  Jahrhunderts  führen  und  die, 
als  früheste  Belege  für  die  Geltung  des  Dreifußes  im  Kult  des  Apollo,  uns  einstimmig 
sagen,  daß  der  Dreifuß  der  Sitz  der  mantischen  Kraft  ist,  die  auf  denjenigen  über- 
geht (Triton),   der  sich  darauf  setzt. 

Wie  es  nun  zu  erklären  ist,  daß  der  Dreifuß  Sitz  der  mantischen  Kraft  ist,  darüber 
kann  man  schwerlich  mehr  als  Vermutungen  äußern.  Leop.  v.  Schröder  i),  der  Apoll 
als  Feuergott  betrachtet,  sieht  im  Dreifuß  den  Feuertopf.  Man  hätte  sich  den  Gott  im 
Feuer,  im  Feuertopf  sitzend  gedacht  und  die  Pythia  wäre  nur  seine  spätere  Hypo- 
stase. Über  die  Richtigkeit  der  Gleichung  Apoll  =  Feuergott  will  ich  nicht  urteilen, 
jedenfalls  ist  von  der  von  Schröder  angenommenen  ursprünglichen  Bedeutung  des  Drei- 
fußes als  Feuertopf  nirgends  mehr  etwas  zu  spüren.  Außerdem  stimmen  einige  von 
Schröders  Argumenten  nicht  gerade  vertrauensvoll^).  Ich  möchte  mich  damit 
bescheiden  zu  konstatieren,  daß  die  älteste  durch  literarische  und  monumentale 
Überlieferung  faßbare  Bedeutung  des  Dreifußes  die  des  Sitzes  der  mantischen 
Kraft  ist. 

Diese  Konstatierung  bringt  uns  sofort  in  Konflikt  mit  einigen  sehr  landläufigen 
Vorstellungen  über  den  delphischen  Orakelbetrieb  und  zwingt  uns  außerdem  einige 
Fragen   auf. 

Um  mit  den  letzteren  zu  beginnen:  Der  apollinische  Dreifuß  hat,  wie  wir  oben 
sahen,  als  Kesseldreifuß  zu  gelten,  wenn  unsere  monumentalen  Zeugnisse  überhaupt 
etwas  über  ihn  aussagen.  Ein  solches  Gerät,  ein  Kochtopf  auf  3  hohen  Beinen  mit 
tiefem  bauchigem  Kessel  ist  aber  eine  merkwürdige  Sitzgelegenheit,  besser  gesagt, 
es  ist  überhaupt  keine,  ursprünglich  jedenfalls  nicht.  Zudem  ist  nicht  recht  einzu- 
sehen, wie  dieses  Gerät  zum  Sitz  der  mantischen  Kraft  werden  könnte.  Des  weiteren 
besteht  zwischen  der  Tatsache,  daß  die  Mantik  der  Pythia  offensichtlich  eine  In- 
spirationsmantik  war,  ein  Verkünden  im  Enthusiasmos,  und  der  alten  Anschauung, 
daß  der  Dreifuß  der  Sitz  der  mantischen  Kraft  sei,  eine  deutliche  Diskrepanz.  Beides 
widerspricht  sich  völlig.  Wenn  der  Dreifuß  Sitz  der  mantischen  Kraft  ist,  die  durch 
körperliche  Berührung  in  die  Person  übergeht,  die  auf  ihm  Platz  nimmt,  ähnlich  wie 
man  durch  Incubation  göttlichen  Wissens  teilhaftig  wird,  so  hat  das  mit  Enthu- 
siasmos nichts  zu  tun,  ebensowenig  wie  es  nötig  ist,  auf  einem  Dreifuß  Platz  zu 
nehmen,  um  göttliche  Inspiration  zu  gewinnen.  Noch  mehr  Fragen  stellen  sich  von 
selbst.     In  allen  Handbüchern   ist  zu  lesen,    daß  der  Dreifuß  über  dem  xa3|j.a  7^? 


')  Arische  Religion  II,  497  ä. 

^)  Die  jährliche  Pyrphorie  von  Delos  nach  Lemnos 
ist  jedenfalls  (Ath.  Mitt.  1906,  75;  Malten,  Jahrb. 
d.  Inst.  1912,  249)  nicht  ursprünglich,  sondern 
das  Feuer  wurde  am  Erdfeuer  des  Mosychlos  auf 
Lemnos  entzündet.  Außerdem  haben  ja  die 
delphischen  Erddämpfe  nie  existiert.  Damit 
fallen   zwei   Stützen  von    Schröders   Hypothese. 


Allerdings  gab  es  in  Delphi  icupxdot,  mit  einem 
Eponymos  Pyrkon,  der  in  poseidonischera  Orakel- 
wesen eine  Rolle  spielte  (Paus.  X  5,  3,  Röscher 
Lex.  d.  Myth.  III,  2,  S.  3349),  woraus  schon 
Schömann-Lipsius  (Griech.  Alt.  II,  339)  auf  Em- 
pyromantie  »im  Dienste  und  unter  der  Autorität 
des  Poseidon«  geschlossen  haben.  Beweisen  läßt 
sich  da  kaum  etwas. 


172 


Karl  Schwendemann,  Der  Dreifuß. 


stand,  dessen  Dünste  die  Pythia  begeisterten.  Wenn  aber,  wie  die  alten  Quellen  aus- 
weisen, der  Dreifuß  der  Sitz  der  mantischen  Kraft  ist,  die  mit  ihm  translozierbar  ist, 
was  haben  dann  erregende  Dämpfe  für  eine  Rolle  zu  spielen? 

Die  letzte  Frage  löst  sich  einfach:  Das  Chasma  hat  nie  existiert.  Obwohl  die 
Franzosen  den  delphischen  Apollotempel  schon  vor  mehr  als  20  Jahren  freigelegt 
haben  '),  hat  noch  niemand  den  alten  Erdspalt  entdeckt,  zum  mindesten  etwas 
darüber  verlauten  lassen,  was  bei  dem  Interesse  der  Angelegenheit  doch  sicher  vor- 
auszusetzen wäre,  wenn  jemand  den  Erdspalt  gesehen  hätte.  Man  kann  einwenden, 
er  sei  verschüttet  oder  könne  sich  durch  ein  Erdbeben  geschlossen  haben.  Aber  der 
Stereobat  des  Tempels  ist  vollständig  in  situ  »zwar  an  den  Längsseiten  etwas  kur- 
viert  und  deformiert,  aber  nirgends  auseinandergerissen  oder  doch  gespalten,  was 
bei  einem  Schub  oder  starken  Zusammentreten  des  unter  ihm  Anstehenden  not- 
wendig hätte  eintreten  müssen«  (Pomtow,  Philologus  1912,  S.  70).  Nachdem  Opp6 
(J.  H.  St.  1904)  nachgewiesen  hat,  daß  das  Chasma  nie  existiert  hat,  aus  geologischen 
Gründen  —  Delphi  liegt  auf  einer  Schieferterrasse,  die  als  solche  Höhlenbildung  aus- 
schließt —  nie  existieren  konnte,  wird  hoffentlich  die  »schlechte  rationalistische 
Fabel« ^)  vom  delphischen  Erdspalt  keine  Gläubigen  mehr  finden.  Mit  ihr  fällt  alles, 
was  in. alter  und  neuer  Zeit  auf  ihr  aulgebaut  wurde  3).  Wie  der  Glaube  an  das  Chasma 
entstanden  ist  und  wie  es  sich  erklärt,  daß  er  in  Geltung  kam,  ist  eine  Frage  für  sich  4). 
Jedenfalls  aber  ist  sicher,  daß  der  Dreifuß  in  Delphi  nie  über  einem  Erdspalt  stand 
und   die   Pythia  durch   Erdausdünstungen   nie   begeistert  wurde  5). 


')  Bull.  Corr.  Hell.  1896,  730.  »On  ne  voit  dans 
l'int^rieur  que  les  traces  de  la  destruction,  en 
particulier  du  cot^  oül  se  trouvait  la  caveme 
propb^tique:  La  place  meme  n'en  est  plus  recon- 
naissable,  bien  que  nous  soyons  descendus  jusqu'ä 
la  nappe  d'eau  souterraine  signalee  par  Pau- 
sanias. « 

=)  Wilamowitz,  Hermes  XXXVIII,  579.  Vgl.  Gruppe, 
Bursians  Jahresber.     Suppl.  137,  S.  243. 

3)  Auch  die  Vorstellung  von  der  ouvousfa  des  Apoll 
mit  der  Pythia.  (Dieterich,  Mithraslithurgie  92  ff., 
121  ff.;  Fehrle,   Kultische  Keuschheit,  R.  V.  u. 

'  V.  A.  VI,  7  ff.,  79  ff.,  bes.  89.)  Die  Vorstellung 
vom  Chasma  und  die  von  der  ouvouafa  können 
nicht  getrennt  werden.  Das  eine  ist  die  Voraus- 
setzung des  andern.  Lebendigem  griechischem 
Glauben  kann  man  nicht  zumuten,  sich  vorzu- 
stellen, daß  Apollo,  der  doch  vor  allem  in  Delphi 
nichts  weniger  als  chthonisch  ist,  durch  Dämpfe, 
die  aus  einem  Erdschlund  aufsteigen,  sich  mit 
der  Priesterin  vereinige!  Die  Zeugnisse  für  die 
owouaia  der  Pythia  mit  Apoll  beginnen  wohl 
nicht  zufällig  erst  nach  dem  ersten  über  das 
Chasma  (Strabo  IX,  419). 

4)  Das  Wasser  der  Kassotis  hat  seinen  natürlichen 
Lauf  unter  dem  Tempel  durch.     Pausanias  be- 


richtet, daß  das  Wasser  der  Kassotis  unter  dem 
Adyton  durchfließe,  was  die  Ausgrabungen  be- 
stätigt haben.  Natürlich  mußten  dafür  in  den 
Fundamenten  entsprechende  Vorkehrungen  ge- 
troffen sein,  ob  aus  dem  Adyton  ein  Zugang  zu 
diesem  unterirdischen  Wasserdurchlaß  führte  und 
dann  zur  Entstehung  der  Fabel  über  das  Chasma 
beitrug? 

Vgl.  auch  Karo,  Arch.  Anz.  1913,  103.  »Schon 
jetzt  darf  man  sagen,  daß  das  j^cistia  y^S  "'6 
wirklich  existiert  hat,  die  Höhle  der  Pythia  war 
ein  künstlicher  Keller«,  ein  auf  die  Grabungs- 
ergebnisse sich  stützendes  Urteil,  das  auch  er- 
klären könnte,  wie  die  Legende  vom  Chasma 
Glauben  finden  konnte.  Ihre  Verbreitung  kann 
außerdem  durch  Stellen  wie  dieEurip.  Phoen.232 
Cäöeä  t'  ävTpa  EpöxovTos  (des  Python)  (vgl. 
Klearch  bei  Athen.  701  C;  F.  H.  Gr.  II,  318, 
OüSrnvos  (JTt^Xalov)  gefördert  worden  sein,  oder 
durch  die  Tatsache,  daß  man  die  Höhlen  der 
chthonischen  Götter  (jiiyapa  oder  5(ä(3(iaTa  nannte 
(Rohde,  Psyche  13,  117,  Anm.  i  u.  120;  vgl. 
Kl.  Sehr.  II,  356).  Wenn  chthonisch-mantische 
Götter  in  Höhlen  wohnen,  der  Drache,  der  vor 
Apoll  in  Delphi  war,  auch  eine  Höhle  besaß  und 
als  früherer  Besitzer  des  Orakels  galt,  war  das 


Karl  Schwendemann,  Der  Dreifuß. 


173 


Nun  aber  die  Diskrepanz  zwischen  Inspirationsmantik  und  der  alten  Vorstellung  vom 
Dreifuß  als  Sitz  der  mantischen  Kraft.  Sie  läßt  sich  nur  beseitigen  durch  die  Annahme, 
daß  das  Sitzen  auf  dem  Dreifuß  und  der  Enthusiasmos  ursprünglich  nichts  miteinander 
zu  tun  haben,  sondern  zwei  völlig  verschiedene  einmal  kombinierte  Methoden  der 
Zukunftserforschung  sind.  Das  würde  zu  der  seit  Rohde  gültigen  Auffassung  vom 
Enthusiasmos  und  seiner  Herkunft  vom  dionysischen  Orgiasmos  passen  (Psyche  Il3, 
S.  5  ff.)  ').  Wir  hätten  uns  also  vorzustellen,  daß  in  der  ältesten  Zeit  in  Delphi  eine 
Dreifußmantik  geübt  wurde,  die  von  der  späteren  Art  der  Orakelgewinnung  ver- 
schieden war.  Wie  sie  gewesen  ist,  können  wir  nur  vermuten.  Die  einzige  alte  kultische 
Beziehung  des  Kesseldreifußes  neben  seiner  Bedeutung  als  Weihgeschenk  ist  die 
rein  praktische  beim  Kochen  von  Opferfleisch.  Ob  man  dabei  ursprünglich  gewisse 
Zeichen  beobachtete?  Sicher  darf  man  aber  keine  Mantik  aus  dem  Erzklang  sich 
vorstellen.  Wenn  spätere  antike  Schriftsteller  den  Dreifuß  als  tönend  bezeichnen,  so  be- 
weist das  nichts  für  seine  ursprüngliche  Bedeutung.  Alle  diese  Äußerungen  sind 
spät    und    ursprünglich    dichterisch  *).       Auch    das   AmSoaveTov  j^aXxetov    diente,    wie 


Vorhandensein  eines  Chasmas  in  Delphi  nicht 
sehr  unglaublich.  Auch  hier  wäre  eine  Sammlung 
und  Bearbeitung  allen  Materials  über  Höhlen- 
kulte, Chasmata  u.  a.  vonnöten.  Vgl.  auch 
L.  Weber,  Philologus  LXIX,  200  ff. 
')  Abgesehen  davon,  daß  die  Fundamente  von 
Rohdes  Psyche  in  den  über  den  Orgiasmos  han- 
delnden Teilen  problematisch  sind  (O.  Crusius, 
E.  Rohde,  Ein  biographischer  Versuch  202),  läßt 
sich  gegen  Rohdes  These  mancherlei  einwenden. 
Sie  erscheint  wie  ein  letzter  Ausklang  des  Klassi- 
zismus, der  vom  griechischen  Volke  —  seinem 
Idealvolke  —  die  Möglichkeit  jeder  ausschweifen- 
den und  über  die  Grenzen  der  Selbstbeherrschung 
hinausgehenden  Gefühlskraft  hinwegnehmen 
wollte.  Aber  die  dämonische  Leidenschaftlichkeit 
des  politischen  Lebens  der  Griechen  allein  ver- 
bietet solche  Anschauungen.  Wie  sollte  einem 
südlichen  Volke  mit  so  tiefem  Erkenntnisdrang 
der  Orgiasmos  fremd  gewesen  sein?  Hat  doch 
selbst  Piaton  das  Schauen  des  Ideenreiches  nur 
im  Enthusiasmos  für  möglich  gehalten.  Die 
Aufnahme  des  Orgiasmos  allenthalben  in  Grie- 
chenland spricht  ebenfalls  gegen  Rohde.  Sie 
wäre  ohne  verwandte  Regungen  in  der  Seele  des 
griechischen  Volkes  doch  undenkbar.  Rohdes 
Grundthese  ist  gleicherweise  aus  seiner  Persön- 
lichkeit wie  aus  der  Art  des  Problems  zu  ver- 
stehen. Rohdes  Geist  war  in  der  Jugend  vor- 
wiegend philosophisch  gerichtet.  Seine  spekula- 
tive Veranlagung  mußte  dem  Problem  des  Orgias- 
mos gegenüber  wieder  stärker  hervortreten,  denn 
der  Orgiasmos  liegt  seiner  historischen  Stellung 


bei  den  Griechen  und  seinem  Wesen  nach  an  den 
Grenzen  der  historischen  Wissenschaft  und  ist 
mehr  ein  völkerpsychologisches  als  historisches 
Problem.  Sieht  man  in  der  Möglichkeit  religiösen 
Überschwanges  etwas  für  alle  Menschen  ihrem 
Wesen  nach  Gegebenes,  so  ist  kein  Grund,  die 
Griechen  von  dieser  Möglichkeit  prinzipiell  aus- 
zuschließen und  den  Orgiasmos  als  etwas  ihnen 
ursprünglich  Fremdes  aufzufassen,  weil  er  sich 
mit  »dem  in  feste  Schranken  gefügten  Gleich- 
maß in  Stimmung  und  Haltung«  nicht  vertrage 
(Psyche  II J,  5).  Dieses  Gleichmaß  bei  einem 
ganzen  Volke,  auch  dem  griechischen,  vorauszu- 
setzen, ist  unhistorisch. 
")  Die  früheste  ist  meines  Wissens  Vergil,  Aen. 
III,  92,  et  mugire  adytis  cortina  reclusis,  Ovid, 
Met.  XV,  635.  Cortinaque  reddidit  suo  hanc 
adyte  vocem.  Sie  könnten  veranlaßt  sein  durch 
umschreibende  Ausdrücke,  wie  sie  die  Tragiker 
anzuwenden  liebten,  etwa  Eur.  Iph.  Taur.  976: 
^vteOSev  aiSrjv  Tp(iro8o{  Ix  ypujoü  Xaxiuv  <I>otßo{ 
(x'  ETiEfi'ie  äsijpo.  Daß  Euripides  hier  an  kein 
Tönen  des  D.  gedacht  hat,  zeigen  andere  Stellen, 
wo  er  deutlich  vom  Sitzen  auf  dem  D.  redet.  Die 
Dichterstellen  vom  Tönen  des  D.  sind  zu  beur- 
teilen wie  jene,  die  von  mehreren  D.  reden.  Die 
griechischen  Prosaiker  und  Dichter  übernehmen 
da^  Tönen  des  D.  dann  ;  so  Himerios,  Dial.  XXII,  8 : 
TpfTtoSs?  As^ifoi«  :^;(0'i(3iv.  Lukian  Phalaris  II,  12: 
6  Tp(T:ou{  tp9lyYETai.  Nonnos  Dionys.  IV,  291 
nennt  den  D.  xüxXov  a6Toß(JrjTOV.  Wie  viel 
darauf  zu  geben  ist,  zeigt  I,  432,  wo  der 
Donnerkeil  des  Zeus   dpyavov   aÜToßdrjTOv  heißt. 


174 


Karl  Schwendemann,  Der  Dreifuß. 


Cook')  einwandfrei  nachgewiesen  hat,  nicht  zur  Erteilung  von  Orakeln  sondern 
apotropäischen  und  prophylaktischen  Zwecken.  Ob  wir  vermuten  dürfen,  daß  der 
mantische  Dreifuß  in  Delphi  nur  einer  von' vielen  war,  der  aber  »durch  die  besondere 
Gunst,  welche  der  Gott  dem  Orte  erwies,  allen  andern  als  Orakel  verwendeten 
Dreifüßen  den  Rang  ablief«  *),  muß  ganz  dahingestellt  bleiben.  Von  mantischen 
Dreifüßen  außerhalb  Delphis  und  unabhängig  von  ihm  wissen  wir  nichts  3). 

Rekapitulieren  wir:  Die  erste  für  uns  durch  Überlieferung  faßbare  Bedeutung 
des  delphischen  Dreifußes  ist  die  des  Trägers  der  mantischen  Kraft,  die  durch  körper- 
liche Berührung  (Sitzen)  übertragen  wird.  Schon  diese  älteste  faßbare  Form  der 
delphischen  Mantik  ist  innerlich  uneinheitlich,  insofern  der  Dreifußkochtopf  keines- 
wegs ursprünglich  als  Sitz  gebraucht  werden  konnte.  Das  Sitzen  auf  ihm  ist  also 
später  hinzugekommen.  Seine  ursprüngliche  mantische  Beziehung  —  daß  sie  ursprüng- 
lich ist,  beweißt  die  Tatsache  des  Dreifußes  als  Träger  der  mantischen  Kraft  und  seine 
konstante  Geltung  im  delphischen  Orakelbetrieb,   auch  als  die  Inspirationsmantik 


Eustath.  Mach.  X,  13  (p.  271,  14  Hercher) 
6  Tpteouc  i^X''-  ^^^  Tönen  des  D.  erklären  sich 
die  einen  dann  mit  der  Vorstellung,  daß  Apollo 
oder  Pythia  den  D.  schlägt  oder  erschüttert 
(Statins,  Thebais  VIII,  275,  quaeruntque  gemen- 
tes,  quis  tripodas  successor  agat;  Lukan,  Phars. 
V,  121,  inunotos  tripodas;  Lukian,  bis  acc.  äv  tÖv 
Tp.  Siaieilajjiivr)  xsXe'JS^  Tiapcivni  (Pythia  den 
Apollo),  vgl.  Seneca  Medea  785  f.;  Himerios  Orat. 
XI,  3:  Ivfttv  (liv  ix  BpaY)rt5<üv,  Jx^pioSev  hl  ix 
Ko>.o<p(üvo{  TtXi^TTei  Toü{  Tp(7ioSa{  (seil.  Apollo)) 
oder  aber,  daß  der  aus  dem  x^'F""  aufsteigende 
Luftstrom  den  D.  erschüttert.  (Claudian,  in 
Ruf.  I  praef.  12:  tripodas  plenior  aura  rotat. 
Dracontius,  Orestes  271  ff.  (Mon.  Germ,  auctor. 
antiqu.  XIV,  S.  205):  si  centum  flatibus  acta 
Delphica  fatidicos  quateret  cortina  recessus.) 
Aber  all  diese  Stellen  sind  spät  und  haben  aus 
guter  griechischer  Zeit  keine  Parallelen.  Sie 
zeigen  zur  Evidenz,  wie  wenig  die  ganzen  Dichter- 
zeugnisse über  delphischen  Kultgebrauch  histo- 
risch verwertbar  sind.  Delphi  führte  eben  neben 
seinem  tatsächlichen  ein  Scheinleben  in  der 
Literatur,  das  von  dem  ersteren  völlig  ver- 
schiedene Züge  zeigt.  Während  wir  aus  der  Litera- 
tur den  Eindruck  einer  vorwiegenden  Bedeutung 
des  delphischen  Orakelwesens  haben,  »tritt  schon 
mit  dem  Ende  des  peloponnesischen  Krieges  der 
Orakeldienst,  die  Aussprüche  der  Pythia,  die 
Befragung  des  Gottes  weit  zurück  hinter  dem 
gewaltig  pulsierenden  Gemeinschaftsleben  einer- 
seits, den  Amphyktyonenversammlungen  mit  dem 
Fremdenzustrom  an  den  halbjährlichen  Pyläen 
und    ihren    iravTjYÜpEit ,    der   Teilnahme   an   den 


Pythien  andererseits  . . .  der  Orakeldienst  hatte 
mehr  exoterischen  Charakter,  diente  dem  Nimbus 
nach  außen,  seine  esoterische  Bedeutung  ist 
gering,  am  Orte  selbst  kaum  zu  bemerken  und 
hat  hier  so  wenig  Spuren  hinterlassen,  daß  wir 
aus  den  überreichen  epigraphischen  und  archäo- 
logischen Resten  nimmer  vermuten  würden,  daß 
sie  aus  dem  Zentrum  des  griechischen  Orakel- 
wesens stammen.«    Pomtow,  Klio  XV,  1918,  45. 

•)  J.  H.  St.  XXII,  20 S.  Vgl.  auch  Harrison,  Themis 
23  ff.  Latte,  De  saltationibus  Graecorum  capita 
quinque.  R.  V.  u.  V.  A:  XIII,  3.  Weissagen  aus 
dem  Erzklang  könnte  durch  die  Pythagoreer  auf- 
gekommen sein;  vgl.  Eustath.  z.  Ilias  1067,  69: 
ol  Il'jftaYopixof  <pa3t  töv  x"^*öv  jiavtl  auvrjxsiv 
öecotipip  i:ve'i(i.aTf  8iö  xal  Tcp  'AicdXXiovi  Tpteou« 
TOioÜTOs  dvaxeiiat. 

»)  Reisch  bei  Pauly-Wiss.  V,  2,  1681. 

3)  Frickenhaus,  Ath.  Mitt.  1910,  270  vermutet,  der 
Delphinios  habe  den  D.  mit  nach  Delphi 
gebracht.  Das  einzige  uns  näher  bekannte  Del- 
phinion, das  von  Milet,  werde  aber  durch  einen 
großen  D.  bezeichnet.  Das  stellte  sich  später 
als  unrichtig  heraus,  Milet  Heft  11,  1908,  90  ff. 
Auch  wenn  damit  der  Meinung  von  Frickenhaus 
nicht  der  Boden  entzogen  wäre,  könnte  das  Vor- 
handensein von  D.  in  dem  hellenistischen  Del- 
phinion von  Milet  nichts  beweisen.  Denn  damals 
wurde  die  »Annäherung  der  verschiedenen 
Apollon typen  an  den  pythischen  Gott  ganz  all- 
gemein« (a.a.O.  S.  125),  so  daß  der  Delphinios 
die  Schlange,  den  D.  und  sogar  den  Omphalos 
hat.  Vgl.  auch  Röscher,  Omphalos  u.  Neue  Om- 
phalosstudien,  passim. 


Karl  Scljwendeinann,   Der  Dreifuß. 


175 


ihn  überflüssig  machte  —  ist  nicht  mehr  festzustellen.  Das  kann  nicht  wundernehmen, 
da  unsere  ältesten  Quellen  über  den  delphischen  Orakelbetrieb  nur  bis  ans  Ende  des 
VII.  Jahrh.  hinaufführen,  während  Delphi  schon  im  letzten  Drittel  des  VIII.  Jahr- 
hunderts eine  von  den  Barbaren  anerkannte  Geltung  besaß  (Midas),  der  eine  lange 
rein  hellenische  und  erst  recht  lokalmittelgriechische  Bedeutung  vorausgegangen 
sein  muß. 

Seine  schon  in  den  ältesten  Quellen  deutliche  Wichtigkeit  im  delphischen  Kult 
hat  der  Dreifuß  stets  behalten.  Wenn  Herakles  den  Dreifuß  wegträgt  und  die  Phoker 
den  Dreifuß  rauben,  als  sie  sich  des  Orakels  bemächtigen,  so  setzt  das  schon  die 
Gleichung  Dreifuß  =  Orakel  voraus.  Diese  Gleichung  hat  durchs  ganze  Altertum  ihre 
Gültigkeit  behalten  und  ist  stets  weiter  verallgemeinert  worden,  insofern  der  Dreifuß 
in  den  verschiedensten  Beziehungen  zu  Apollo,  zu  Delphi  und  zur  Mantik  erscheint. 

Der  Dreifuß  als  Weihgeschenk   und  Attribut  Apolls. 

Der  Dreifuß,  ursprünglich  mit  dem  Xsßrjf  das  Weihgeschenk  xax'  iioyrii'  für  alle 
Götter  ist  später  das  beliebteste  Anathem  für  Apollo.  Wie  stark  man  das  z.  B.  im 
fünften  Jahrhundert  empfand,  beweist  die  Tatsache,  daß  die  Griechen  nach  der 
endgültigen  Abwehr  der  Persergefahr  als  Weihgeschenk  und  Dank  der  Nation  einen 
riesigen  Dreifuß  nach  Delphi  stifteten,  dessen  »Schlangcnsäule«  uns  ja  noch  erhalten  ist. 
Weitere  Zeugen  sind  die  zahlreichen  Weihungen  von  Privatpersonen,  Beamten, 
Dynasten  und  Gemeinden,  bis  in  die  Kaiserzeit  hinab.  Auch  solche  an  andere  Götter 
kommen  zwar  später  noch  vor  aber  stets  xaxiJ  ji-avtstav  'AttoXXjuvo?  ').  Sogar  von 
mythischen  Personen  wollte  man  welche  besitzen,  so  in  Delphi  einen  von  Diomedes, 
den  dieser  bei  den  Leichenspielen  für  Patroklos  gewonnen  haben  sollte.  Athenaios 
232  c  teilt  das  Weihepigramm   mit^). 

Der  Dreifuß  ist  dann  das  Symbol  des  Apollo;  sein  Attribut,  das  er  auf  den 
Monumenten  bei  sich  hat,  ob  es  paßt  oder  nicht.  Der  Dreifuß  erscheint  als  Wappen 
und  Beizeichen  auf  zahllosen  Münzen  der  Städte,  die  einen  Apollokultus  pflegten, 


')  Belege  bei  Reisch,    Pauly-Wiss.  V  2,   1687  ff. 

*)  Ähnlich  wollte  man  das  Fest  der  Daphnephorie 
in  Theben  bis  in  die  Heroenzeit  hinaufreichen 
lassen  durch  einen  D.,  den  Amphitryon  für 
Herakles  weihte,  als  er  8atpvT)tp(5po«  war  (Paus. 
IX,  10,  4;  Jahn,  Bilderchroniken  S.  43,  T.  V. 
Die  albanische  Tafel  mit  dem  Epigramm  IG. 
XIV,  1239).  Schon  Herodot  will  V  59  xaSjxrjia 
Ypo([i|j.aTa  auf  Dreifüi3en  im  Ismenion  zu  Theben 
gesehen  haben  und  teilt  die  Epigramme  mit. 
Da  wird  dann  allerdings  auch  der  D.,  den  Hesiod 
in  Chalkis  gewonnen  und  den  Musen  am  Helikon 
geweiht  haben  sollte,  und  den  Paus.  IX,  31,3  als 
ältesten  sah,  damit  auch  die  Stelle  Hesiod,  Erga 
650  £F.,  verdächtig.  Man  wollte  die  Museia  auf 
dem  Helikon,  die  bis  in  die  Kaiserzeit  gefeiert 


wurden  (Hitzig-Blümner,  Paus.  III  i,  S.  486) 
schon  im  grauen  Altertum  bezeugt  haben.  Der 
Verfasser  des  Certamen  Hes.  et  Hom.  p.  41 
(Westermann)  versäumte  nicht  diesen  D.  in  sein 
»Gedicht«  aufzunehmen,  und  naiv  führt  Gellius 
N.  A.  III,  II,  I  das  Epigramm  dieses  D.  als  voll- 
gültigen Beweis  für  die  Gleichzeitigkeit  von 
Homer  und  Hesiod  an.  Ein  solcher  D.  aus  mythi- 
scher Zeit  wurde  auch  in  Euesperides,  der  west- 
lichsten Stadt  der  Kyrenaike,  aufbewahrt,  näm- 
lich der,  den  die  Argonauten  einst  dem  Triton 
gegeben  hatten;  Diodor  IV,  56,  6;  s.  o.  S.  160 
Die  Eucsperiden  hatten  also  den  D.  gefunden, 
den  Triton  vor  Eindringlingen  in  sein  Land  ver- 
borgen hatte;  natürlich,  denn  seine  Weissagung 
war  bei  ihnen  ja  nicht  in  Erfüllung  gegangen. 


176 


Karl  Schwendemann,  Der  Dreifuß. 


in  Delphi  schon  seit  dem  VI.  Jahrhundert ").  Apollo  benützt  den  Dreifuß  als  Sitz 
oder  als  Stütze  ^).    Nicht  selten  steht  er  neben  dem  Gotte  3). 

In  Delphi  gilt  der  Dreifuß  nicht  nur  auf  den  Münzen  4),  sondern  auch  sonst  als 
Wappen.  Er  war  an  den  Grenzen  des  heiligen  Gebietes  in  Stein  gehauen  um  das 
Eigentum  des  Gottes  von  dem  profanen  zu  trennen  5).  Er  dient  hier  als  Ziegel- 
stempel*), als  Siegel  für  Apollopriester  7).  Wappen  ist  der  Dreifuß  ja  schon  sehr  häufig 
in  archaischer  Zeit,  als  Schildzeichen.  Wenn  öfter  auf  Münzen  von  Städten,  die  keinen 
Apollokult  haben,  der  Dreifuß  als  Kontermarke  erscheint,  so  ist  er  als  Wappen  des 
ersten  Beamten  aufzufassen*). 

Sehr  oft  ist  der  Dreifuß  zur  Bezeichnung  des  delphischen  Lokals  verwandt  9). 


')  Head  H.  N.  »,  S.  340.  Wenn  Apollo  mit  Helios 
identifiziert  bzw^  als  Lichtgott  gedacht  wird 
(Röscher,  Lex.  I,  2,  1996),  kann  es  nicht  wunder- 
nehmen, diese  Beziehung  auf  Münzen  ausge- 
drückt zu  finden  :  1.  Br.  M.  Cat.  Mysia  S.  37, 
Nr.  136,  Kopf  der  Köre  Soteira.  ^.  KTI|, 
Dreifuß,  über  ihm  Diskos  mit  Strahlen,  darunter 
Thunfisch,  das  gewöhnliche  Wappen  der  Kyzi- 
kener;  vgl.  Imhoof-Blumer,  Kleinas.  Münzen 
S.  22,  3,  Taf.  I,  19.  2.  Münze  v.  Pantikapaion, 
Br.  M.  Cat.  Thrace  S.  6,  Nr.  13,  Apollokopf.  Ifi 
Legende,  Dreifuß,  darüber  Diskos.  3.  Münze  v. 
Mytilene  IL— L  Jahrh.  v.  Chr.,  Br.  M.  Cat. 
Troas  S.  197,  Nr.  153;  Büste  des  Helios  mit 
Strahlenkranz,  I^:  Legende,  Dreifuß  mit  Lorbeer- 
zweigen. Vgl.  Furtwängler,  Gemmen  Taf.  XXIX, 
44.  In  der  Literatur:  Eustath.  z.  Odyssee  XVII, 
209;  1816,  29.  xuxXoxepEij  ci  xal  ol  xa9aY'Cö|JiEvot 
Tp(jto5sj,  ?/ovTe;  aÜToi  xal  ämipai  oü;  ipooi,  xal 
^xäXouv  asXriva;.  Athen.  XI,  489  c.  Toü{  xoT? 
8eoi{  xa^oqif^niiho^i  (TpfitoSaj)  xuxXoxspeis  xai 
aST^pa?  lyotTai  xol  cieX^voic.  Über  die  orphischen 
Spekulationen  bezüglich  des  Dreifußes  Lobeck, 
Aglaoph.  S.  386  ff. 

2)  Z.    B.    Overbeck,    Kunstmyth.    IV,     S.    230  ff. 
.    Gusman,  L'art  d^c.  T.  93.    Robert,  Sarkophagrel. 

III   S.  66.     Helbig-Reisch,   Führer  I,  860,   1247. 

3)  1.  Cat.  Jatta  1093.  Reinach,  Rep.vas.  1, 175.  Vgl. 

II,  186.  2.  Brunn-Bruckm.  Taf.  595.  Der  Apoll 
V.  Aktium,  der  auf  d.  Münzen  v.  Nicopolis  in 
Epirus,  der  Gründung  d.  Augustus  zur  Erinne- 
rung an  Aktium  oft  vorkommt.  Br.  M.  Cat. 
Thessaly  102.  Head,  H.  N. ',  321.  3.  Furt- 
wängler, Gemmen  I,  Taf.  XXXV,  45;  vgl.  XL,  2, 
XXXVIIL  23.  4.  Heibig,  Wandgemälde  212,  183, 
231  c.  5.  Niccolini,  Pompei  I.  Casa  dei  Cap.  co). 
T.   III.     Heibig  219.     6.  Robert,  Sarkophagrel. 

III,  T.  VII,  26.  Vgl.  III,  277,  Jahrb.  d.  Inst. 
1908, 198.  7.  Reinach,  Rcp.  rel.  II,  541 ;  III,  338,  4. 


4)  Svoronos,  B.  C.  H.  1896,  Taf.  25 — 30.  Head 
S.  340  ff. 

5)  Wescher,  Monument  bilingue  S.  36,  Z.  15,  ?po;, 
£v  if  Tpteouc  Ivxexo'XaitTot.  S.  55,  Z.  30,  n^xpa 
ij  inävui  Tä{  65oü  ou  TptTtous  ivxexdXanTat  vgl. 
B.  C.  H.  1903,  108,  Z.  30;  109,  Z.  3;  140  ff.  Ein 
Epigramm  bei  Kaibel,  Epigr.  graeca  923,  Mitte  des 
V.  Jahrhunderts,  scheint  einen  als  Siegespreis 
geweihten  D.  ebenfalls  als  opo?  zu  nennen,  doch 
ist  wegen  der  Verstümmelung  der  Sinn  leider 
nicht  ganz  klar. 

')  Fouilles  de  Delphes  V,  197,  Fig.  890,  890  a. 
Ziegelplattenfragmente  von  einer  Wasserleitung 
vgl.  Fig.  871. 

7)  Arch.  Ztg.  1883,  257,  mit  Abb.  Vierseitiger  Kar- 
neol aus  klassischer  Zeit:  auf  zwei  Seiten  eine 
ApoUonstatue,  auf  den  beiden  anderen  D.  Die 
Vermutung,  das  Stück  habe  Priestern  eines 
Apolloheiligtums  als  Siegel  gedient,  trifft  gewiß 
das  Richtige.  Ein  anderes  Stück  bei  Furt- 
wängler, Berl.  geschn.  Steine  Nr.  305.  Vgl.  auch 
Cat.  of  Engraved  Gems  in  the  Brit.  Mus.  No.  21 18. 

8)  Z.  B.  Brit.  Mus.  Cat.  Central  Greece  S.  65,  No.  52. 
54.  Tanagra.  Ebda.  lonia  S.  125,  Nr.  70.  Ery- 
thrai.  Ebda.  Carla  S.  246,  Nr.  175.  Rhodos. 
Besonders  interessant  eine  Münze  von  Abdera, 
B.  M.  C.  Thrace  S.  69,  Nr.  32.  IV.  Jahrb.,  liegen- 
der Greif  ABAHPI  ^  Dreifuß  IIYBÜN.  Der 
Greif  ist  das  Wappen  von  Theos,  der  Mutter- 
stadt von  Abdera  (Die  antiken  Münzen  von  Nord- 
griechenland II,  I,  I,  S.  6).  Der  D.  aber  ist 
redendes  Wappen  des  Beamten  Python,  ebenso 
auf  einer  analogen  Münze,  Fried länder-Sallet, 
Berl.  Münzkab.  I,  S.  107,  Nr.  69.  Vgl.  Joum. 
intern,  num.  Bd.  V.  W.  Tietze,  Redende  Ab- 
zeichen S.  13  u.  S.  25. 

9)  Z.  B.  I.  Arch.  Ztg.  1853,  T.  59.  D.  2.  CoUignon, 
Vas.  d.  Ath.  1342.  3.  Heydemann,  Vasens.  Nea- 
pel 3249.      Röscher,  Omphalos  Taf.   III  2;  vgl. 


Karl  Schwendemann,  Der  Dreifuß.  177 


In  anderen  Fällen  ist  allgemein  ein  dem  Apollo  geweihter  Platz  durch  den  Dreifuß 
angedeutet').  Ebenso  wie  die  aufgezählten  Monumente  das  Bestreben  zeigen,  den 
Dreifuß  als  Attribut  in  stets  allgemeinerem  Sinn  anzuwenden,  sehen  wir,  daß  er 
allmählich  als  Orakelgerät  xax'  e;oxV  empfunden  wurde,  das  nirgends  wo  es  sich  um 
Weissagung  handelte,  fehlen  zu  dürfen  schien, 

Der  Dreifuß   als   mantisches   Gerät    im    allgemeinen   und  als    Symbol 

der  Mantik. 

So  wird  der  Dreifuß  in  der  Literatur  auch  anderen  Orakeln  zugeteilt.  Nikandros, 
der  Verfasser  der  Alexipharmaka,  der  Priester  des  Apoll  zu  Klaros  war,  sagt  von  sich 
in  seinem  Gedicht  (V.  Ii):  ICofievoi  xpiuöSeaai  irapi  KXapi'oi?  'Exa'toio.  »Der  Aus- 
druck ist  figürlich  gemeint«  2).  Er  kehrt  wieder  auf  einer  Inschrift  des  Priesters 
Gorgos3):  xhv  KXotpiVju  Tpiw63cov  ATjTotBsu)  ÖEpctira.  Himerios  Oratio  XI  3  sagt  von 
Apollo:  Evösv  [xsv  Ix  Epa-^yi^Siv,  i-csptuösv  6s  Ix  Ko^-cocptüvo?  wX^-cTet  touj  Tpi'iroBa?. 
irXrjTTEi  Touf  TpiTtoSac  ist  nicht  etwa  wörtlich  zu  verstehen,  sondern  =  j^pr^dficuBsT, 
wozu  natürlich  kein  Dreifuß  nötig  ist.  Es  geht  daher  nicht  an,  mit  Immisch4) 
den  Dreifuß  auch  als  Orakelgerät  in  den  Orakelbetrieb  von  Kolophon  einzuführen. 
Ebenso  ist  zu  beurteilen  die  Stelle  bei  Vergil  III 90  ff.,  wo  von  dem  Orakel  zu  Delos  die 
Rede  ist:  Vix  ea  fatus  eram:  tremere  omnia  visa  repente/liminaque  laurusquedei,  totus- 
que  moveri  mons  circum  et  mugire  adytis  cortina  reclusis.  Hier  ist  Delos  mit  Delphi 
verwechselt,  natürlich  mit  Absicht;  denn  der  Dichter  konnte  Aeneas  auf  seiner  Fahrt 
nicht  nach  Delphi  gelangen  lassen.    Diese  Konfusion  wird  bei  den  späteren  Lateinern 

Taf.  III,  1.     4.  Annali  1868,  Tav.  E,  S.  255  ff.  wendet.     Z.  B.  Helbig-Reisch,  Führer  3  II,  785. 

Röscher,  Omph.  Taf.  II  3     5.  C.  R.  St.  P^tersb.  Zoega,  Bassiril.  II,  98;  B.  C.  H.  V,  1891,  659. 

1861,  Taf.  4,  S.  53  ff.    Overbeck,  ApoUon,  Atlas  Furtwängler,  Berl.  geschn.  Steine  2524.    Heibig, 

Taf.  20,  25.     6.   Stephani,    Vasens.   Petersburg  Wandgem.  193.    Br.  Mus.  Cat.  Marbl.  V,  T.  54,  i. 

Nr.  1807.    Arch.  Ztg.  1866,  Taf.  211.    7.  Nicole,  Nicht  selten  kommt  der  D.  auf  römischen  Grab- 

Vas.  d'Ath.   1123.     B.  C.  H.   1908,  217,  Fig.  7.  altären  vor,  zusammen  mit  anderen  Attributen 

8.  Reinach,  Rep.  rel.  II,  4.  9.   Nicole  in  Festgabe  Apolls,  was  wohl  in  der  Gleichsetzung  des  Gottes 

f.  H.  Blümner  481.  mit  dem  Todesgott  Vejovis  seine  Erklärung  findet. 

')  Z.  B.:  I.  Jahn,  Münchner  Vasens.  65.    Mon.  d.  Vgl.  Altmann,  Rom.  Grabaltäre  113,  275. 

Inst.  I,  34.   2.  Gerhard,  A.  V.  Taf.  225.   Hartwig,        =)  Buresch,  Klaros  34.    Vielleicht  ist  das  von  Rho- 

Meisterschalen  Taf.  58.    Vgl.  Luckenbach,  Jahrb.  maios  in  Thermos  gefundene  Epigramm  Mvarjid- 

f.  kl.  Phil.,  XI.  Suppl.-Bd.  1880,  610.     3.  Mon.  guvov  8ä  Tiat^jp  [Jioptfä;  oiSev  thaxo  rdvSt  ^äXxov, 

d.  Line.  IX,  Taf.  XV.    Engelmann,  Arch.  Stud.  'ATtdXXouvos   itdp   xpiTtoSeadt  .  .  .    (Koscher,    Neue 

zu  d.  Tragikern  20,  Fig.  70.    4.  Pellegrini,  Vas.  Omphalosstudien,  Abh.  d.  Sachs.  Ges.  d.  Wiss. 

Bologna  Nr.  269.     Mon.  d.   Inst.  X,  T.  54,   i.  XXXI,   50)  ähnlich   zu  verstehen,    ist  also  der 

5.  Pellegrini  303  B.    Mon.  d.  Inst.,  Suppl.,  T.  23.  Ausdruck  jräp  Tpird^ESSt  etwa  mit  »beim  Tempel 

6.  Zoega,  Bassir.  II,  70.  Jahn,  Bilderchroa.  S.  8,  des  Apoll«  zu  übersetzen  und  nicht  mit  Röscher 
Taf.  5.  7.  Rom.  Mitt.  1911,  16,  Taf.  la;  vgl.  a.a.O.  an  eine  Aufstellung  der  Statue  in  der 
IIa  und  S.  43  und  Abb.  18.   8.  Rom.  Mitt.  1908,  Nähe  von  Weihdreifüßen  zu  denken. 

35,  Taf.  V,  I.     9.  Schreiber,  Hell.  Reliefbilder  3)  B.  C.  H.  X  514.    A.  M.  XI,  428.   Vgl.  die  Münzen 

Taf.   34 — 36;  vgl.   Studniczka,   Jahrb.   d.   Inst.  von  Kolophon  Br.  M.  C.   lonia   S.  38.     Head, 

XXI,  86,  XXII  6.    öfter  ist  der  D.  dekorativ,  H.  N. »  570. 

aber   mit  deutlicher   Beziehung   auf  Apoll  ver-  4)  Klaros  137  und  0.  Müller,  Kl,  Sehr.  II,  577. 


178 


Karl  Schwendemann,  Der  DreifuQ. 


dann  ganz  gewöhnlich  ').  Ganz  entsprechend  ist  es,  wenn  seit  der  hellenistischen 
Zeit  »die  Angleichung  der  verschiedenen  Apollontypen  an  den  pythischen  Gott  ganz 
allgemein  wird«,  so^)  daß  auch  der  Delphinios  von  Milet  die  Schlange,  den  Omphalos 
und  den  Dreifuß  erhält.  Auch  in  Daphne  bei  Antiochia  6  Tpiicoo«  t^x^'^)-  ^^  ist  es 
dann  ganz  folgerichtig,  wenn  auf  den  Münzen  von  Mopsuestia  Mopsos  der  Sohn  der 
Manto  und  nach  Späteren  des  Apoll,  wie  Apoll  auf  den  Dreifuß  gelehnt  erscheint  4)  oder 
wenn  der  Seher  Amphilochos,  der  in  Mallos  ein  berühmtes  Orakel  hatte  5)  und  zusam- 
men mit  Mopsos  als  Gründer  der  Stadt  galt^),  auf  den  Münzen  von  Mallos  erscheint 
in  Chlamys,  mit  Lorbeerzweigen  in  der  Hand,  neben  einem  Dreifuß  auf  Basis,  um 
den  sich  sogar  die   Schlange  windet  7). 

Aber  wer  wollte  daraus  schließen,  daß  bei  diesen  Orakeln  der  Dreifuß  als  mantisches 
Gerät  benützt  wurde?  Der  Dreifuß  ist  hier  Symbol  derMantik^).  Dafür  gibt  es  schon 
aus  dem  V.  Jahrhundert  ein  Beispiel.  Eine  weißgrundige  Schale  strengen  Stils, 
vielleicht  des  Sotades9),  zeigt  innen  folgende  Darstellung:  »PXaSxo«  (Beischrift)  hockt 
mit  scharf  an  die  Brust  gezogenen  Knien,  eng  in  sein  Gewand  gehüllt,  am  Boden, 
während  IloXueiSo;  (Beischrift)  in  knieender  Stellung  in  der  erhobenen  Rechten 
einen  Stab  hält,  im  Begriff  ihn  nach  dem  Boden  zu  stoßen.  Unterhalb  der  beiden 
Gestalten  ringeln  sich  zwei  Schlangen«  "»).  Die  Szene  geht  in  einem  Kuppelgrab  vor 
sich,  auf  dem  oben  ein  Dreifuß  mit  Basis  steht.  Das  Bild  bezieht  sich  auf  die  Sage  von 
dem  Sohne  des  Minos,  Glaukos,  der  in  ein  Faß  gefallen,  von  dem  Seher  Polyeidos 
wiedergefunden  und  zum  Leben  erweckt  wurde.  Der  Dreifuß  kann  sich  nur  auf  den 
Seher  Polyeidos  beziehen,  also  die  Mantik  symbolisieren.  Die  Schale  ist  das  älteste 
Zeugnis  für  diese  Auffassung. 

Von  hier  aus  ist  es  nur  noch  ein  Schritt  zu  einem  Ausdruck  wie  zhv  x^j  d^&eia? 
xpinoSa  (Plut.  de  E  ap.  Delph.  6)  vgl.  de  def.  orac.  dirsXauveiv  Iv&svSs  toü  xPI'^^P'O" 
xoi  Tou  TpiTtoSoj  und  de  Pyth.  orac.  24  ISstcsos  xt|S  dXTfj&sia?  xat  toS  xptitoSo?.  Schon 
Plato  gebraucht  dieses  Bild  Ges.  IV,  719  c  TCOirjtTjc,  6it6tav  iv  t((5  xpt'iroSt  x^?  Mouujj? 
xaÖiCr^xai,  xoxe  6ux  ejjicppajv  Idxi'v.  'Ev  x(j)  xpiuoSi  ttj?  Moua»)?  klingt  schon  ganz  sprich- 
wortartig.    Die  Wendung  ix  xpiiroSos  Xl^eiv  hat  tatsächlich  sprichwörtliche  Geltung 


j)  Pomtow,  PUi.  Mus.  LI,  368. 

'«)  Milet  Heft  III,  125,  Abb.  loi. 

J)  Eustath.  Macr.  X,  12. 

■<)  Br.  M.  C.  Cilicia  S.  103,  Nr.  8,  Zeit  des  Kaisers 
Claudius.  Vgl.  den  D.  auf  d.  fp.  a.a.O.  Nr.  i, 
Taf.  XVIII,  I ;  Babelon,  Inventaire  Waddington 
4373  ff-  Ebenso  auf  den  Münzen  von  ScXsüxeta 
irpöt  Ttj;  nupcijjLU)  Inv.  Wadd.  4484,  wie  Anti- 
ochos  IV.  von  Syrien  die  Stadt  umnannte;  Head, 
H.  N. »  724. 

5)  (jiovteTov  diisuiiaxaxo-)  täv  lir'  d(ioü  nennt  es  Paus. 
1,  3),  2-   ' 

«)  Strabo  XIV,  p.  675.    Cic.  de  Div.  I,  40,  88. 


7)  Br.  M.  C.  Cilicia  S.  102,  Nr.  35,  Taf.  XVII,  13  = 
Annuaire  num.  franj.  1883,  pl.  VI,  43,  wozu  Im- 
hoof-Blumer  (Münze  des  Valerian  I.). 

")  Das  hat  schon  P.  P.  Rubens  gesehen,  der  mit  dem 
französischen  Humanisten  Nicolaus  Claude  Fabri 
de  Peiresc  einen  Briefwechsel  über  die  Dreifüße 
hatte  und  einmal  schreibt:  »Man  darf  glauben, 
daß  das  Wort  D.  alle  Arten  von  Orakeln  und 
heiligen  Mysterien  bezeichnete,  wie  man  das  noch 
bei  römischen  Autoren  sieht.«  Goeler  von  Ra- 
vensburg, Rubens  und  die  Antike  S.  27.  Rooses, 
Correspondance  de  Rubens  V.,  Brief  v.  24. 

9)  Murray,  White  Athenian  Vases  Taf.  XVI. 


><•)  Röscher,  Lex.  III,  2,  2647. 


Karl  Schwendemann,  Der  Dreifufi.  17Q 

gehabt ').  Plut,  Demosth.  cap.  29  sagt  vülv  Xs^si?  tot  Ix  to5  MaxeSovixoü  Tpt'icoSo;. 
Aristoph.  Wolken  254  parodiert:  xa&i'Cs  tot'vuv  km.  xöv  kpöv  axt'niroSa  »So  setz  Dich 
nieder'  auf  das   heilige    Denksofa«. 

Als  man  in  römischer  Zeit  den  apollinischen  Dreifuß  als  mensa  auffaßte,  verband 
sich  ganz  folgerichtig  die  Vorstellung  des  mantischen  Dreifußes  des  Apollo  mit  der  von  der 
TpotTOC«,  die  längst  als  Tempeltisch  und  Altar,  schon  bei  den  Assyrern,  heiliges  Gerät 
war  und  bei  Losorakeln  verwendet  wurde  2).  Die  Mantik  der  Spätzeit  aus  den  ver- 
schiedensten Elementen  synkretistisch  zusammengesetzt,  indem  über  dieses  dunkle 
von  Zufall  und  Willkür  beherrschte  Gebiet  die  eigensinnige  und  furchtsame  Speku- 
lation des  Verstandes  kam  und  den  Unsinn  in  Systeme  brachte,  hat  komplizierte 
Methoden  der  Zukunftserforschung  geübt.  Eine  Stelle,  bei  Ammianus  Marcellinus 
XXIX  I  28  ff.  gibt  davon  ein  deutliches  Bild.  Im  Jahre  371  waren  verschiedene  vor- 
nehme Männer  angeklagt,  sie  hätten  durch  verbotenen  Zauber  den  Namen  des  zu- 
künftigen Kaisers  zu  erfahren  gesucht.  Die  Methode  bestand  im  wesentlichen  darin, 
daß  über  einem  Tisch  auf  dem  allerlei  Zeichen  und  Wörter  standen  ein  darüber  schwe- 
bender Ring  in  Schwingungen  versetzt  wurde  und  aus  der  Art  wie  er  über  die  auf 
der  Platte  stehenden  Zeichen  hinwegging,  Schlüsse  gezogen  wurden  3).  Den  Zu- 
sammenhang mit  apollinischer  Weis^gung  zeigen  die  Worte  Ammians,  Cap.  29.  »Con- 
struximus  —  gesteht  der  Angeklagte  —  magnifici  iudices,  ad  cortinae  similitudinem 
delphicae  diris  auspiciis  de  laureis  virgulis  infaustam  hanc  mensulam,  quam  videtis«  .  .  . 
Cap.  31.  Der  Ring  durch  seine  Schwingungen  über  der  Platte  »heroos  efficit  versus 
interrogationibus  consonos,  ad  numeros  et  modos  plene  conclusos,  quales  leguntur 
Pythici,  vel  ex  oraculis  editi  Branchidarum«.  Eines  der  Wandgemälde  von  Via  Gra- 
ziosa  4)  zeigt  uns  einen  solchen  Zauberapparat,  nur  ist  er  noch  etwas  komplizierter. 
Dargestellt  ist  die  Szene,  wie  Odysseus  Kirke  bedroht.  Wir  blicken  in  das  Haus  der 
Zauberin;  es  fällt  besonders  ein  magisches  Hausheiligtum  auf,  das  in  einer  halbrunden 
Apsis  liegt.  In  ihr  stehen  ein  Dreifußtisch  mit  einem  kandelaberartigen  Baluster 
darauf,  rechts  und  links  je  ein  großer  Kelch.  Über  dem  Dreifuß  anderes  magisches  Gerät 
aufgehängt,  ein  Reif,  darüber  ein  Dreieck,  von  welchem  je  eine  Doppelstange  nach 
rechts  und  links  herabhängt.  Die  Vorrichtung  diente  vielleicht  dazu  Reif  und  Dreieck 
erklingen  zu  lassen.    Das  ganze  ist  eine  wenn  auch  nicht  bis  in  alle  Einzelheiten  über- 


')  Athen.  II,  37,  F.:   xal    fip    Ix    tpteoäos    X^ysiv  »)  Paus.  VII,  25,  6  sagt  bei  Beschreibung  des  Buch- 

tpofijv    T0U4    <5).T)8suovTas.      Vgl.    Corp.    Paroem.  stabenorakels    zu    Bura    in    Achaia:     xlsaapat 

graec.  Mac.  Cent.  VII,  97:   xoi   Ix  rpfitoSoj-    Inl  ((ädTpaYÖXou?)     Itpftjaiv    iiA     x^c    xpaitlCl«;     vgl. 

Tiöv  (äXnjSüis   XE^ofilviuv ;   Th.  Gaisford,   Paroem.  Schol.  Pindar.  Pyth.  IV,  337:  {(ItIov  Sxi  xXi^pon 

Graeci  B.  863:  td  iitö  TptnoSos.    'Eitl  tiüv  iiXi)8(ü{  xoitplv  IfxavTeüovto   xat  ^5av  iiü   tiüv  Up<üv  tpa- 

Xe^ofilviov,    ^TOi    ditÄ    TOÜ    AeXipixoü    xpfnoäos    fj  ireCüiv  d(jTpayaXo(,  ou;  ^(TtTovxec  Ipiavxeuovxo ;  vgl. 

itzo  xoü  IluSaYopixoü,   welch   letztere  Beziehung  auch  Heinevetter,  Würfel- und  Buchstabenorakel, 

offenbar    auf    das    aOtA;    Itpa    der  Pythagoreer  3)  Vgl.   Jahrb.   d.    Inst.,  Ergänzungsheft  VI.      R. 

weist;    vgl.    Zenob.    VI,    3:    Tä    änö    xp(iro8o{.  Wünsch,  Zaubergerät  aus  Pergamon. 

napstfifa    iizX   xäv    «äXijöüit    Xe^Ofilviuv  .  .  .    Vgl,  4)  Nogara,    Le  nozze  Aldobrandine,   1907,  Taf.  11, 

Diogenian,   Proverb.    VIII,   21   xi    i%    tpfcoJo«.  21,  22,  Text  S.  44.     Vgl.  Rom.  Mitt.  1911,  29. 
'Et:!  Ttüv  dXrjSüi«  Xeyojjilvcov. 


l80  Karl  Schwendemann,  Der  Dreifuß. 


einstimmende  Illustration  zu  Ammian.    Der  Künstler  dachte  sich  den  Zauberapparat 
der  Kirke  nach  denen,  die  zu  seiner  Zeit  in  Gebrauch  waren. 

Wir  kehren  zu  der  oben  begonnenen  Darlegung  über  die  Bedeutungdes  Dreifußes 
als  Symbol  der  Mantik  zurück.  Sie  läßt  sich  besonders  in  der  Literatur  verfolgen  '). 
Dem  entspricht,  daß  die  Quindecimviri  sacris  faciundis,  denen  die  Aufbewahrung 
und  Deutung  der  sibyllinischen  Bücher  oblag,  als  Symbol  den  Dreifuß  führten  2). 
Metonymisch  wird  dann  der  Dreifuß  dem  delphischen  Orakel  3),  ja  sogar  Apoll  selbst 
gleichgesetzt  4),  so  daß,  Wer  bei  Apollo  schwört,  sagen  kann  per  tripodas  iuro  5). 

Es  wurden  eben  einige  Stellen  angezogen,  in  denen  von  mehreren  Dreifüßen 
des  Apollo  die  Rede  ist.  Darauf  ist  noch  kurz  einzugehen.  Die  früheste  derartige  Stelle 
ist  meines  Wissens  Aristophanes  Ritter  1015.    'AiroUujv  la^sv  ü  äSuxoio  8tä  TpiTcoStuv 
ipiTi[i(uv,  in  einem  der  köstlichen  Orakelsprüche,    die  den  epischen  Ton  nachahmen. 
Unsere  Stelle  ist  gebildet  nach  dem  homerischen  Apollohymnus  v.  265.  Dann  Theokrit 
VII  100  laöXo?   dvTjp   fis^'   apiaxoc,    ov   ouSs   xsv  aöioj  detSctv   (toißos   ahv    cpopjitfYi  irapa 
TpiTtoSeudiv  (Asyatpot.     Nikander  Alexiph.  1 1 .     e^opievoi  rpiiroSsaai  irotpA  KXaptot;  'Exotioto. 
Vgl.  Hymnus  des  Aristonoos  von  Korinth  auf  Apollon   vom  Athenerschatzhaus  zu 
Delphi,  Fouilles  de  Delphes  III,  2  Nr.  191.    V.  9.    sv&'  ditb  TpiiroScov  Ö8oxtii]to>v  Sdcpvav 
aeiwv.  Ebda.  Nr.  192.   Hymnus  auf  Hestia  von  demselben  Ort  V.  6.  T£pTto(ASva  tpiitoSojv 
öeaTTiafiaai.     Die    von   Schuchhardt    (B.  C.  H.  X.   514)   gefundene   Grabschrift   des 
klarischen  Pristers  Gorgos  (fehlt  bei  Pauly-Wiss.  VII 2,  1660)  nennt  diesen 
TÖv  aocpiVjV  azipiavza  voq)  xs»aX6cppovi  FopYov, 
Tov  KXaptoo  TptitoScov  AyjtoiSeo)  ÖSpaTT«, 
vgl.  Aelian,  Var.  bist.  III 43 

ßatv'  dir'  eixäv  TptuoScov,  ?ti  toi  (povo?  dp-^l  ^(Epsaai 
TcouXbs  ditocjirdCtuv  dito  Xcttvou  oSSoü  ipuxsi. 
Das  sind  Dichter,  die  von  ihrer  Freiheit  Gebrauch  machen.    Nach  ihnen  übernehmen 
die  Prosaiker  den  Ausdruck:  Himerios,  Oratio  XXII,  8  Tpiico5s;  8s  AeX^poi«  ^j^oijaiv  ; 

')  Statins,  Achilleis  I,  493  increpitans  magno  vatem  Vgl.  Riv.  Ital.  num.  IV  1891,  75,   Taf.  II,  IV. 

Calchanta   tumultu   Protesilaus  ait  —  namque  Serv.  zu  Verg.  Aen.  III,  332. 

huic    bellare    cupido   praecipua   et   primae  iam  3)  Ovid  Met.   III,  855:  mittitur  ad  tripodas;  vgl. 

tunc  data  gloria  mortis  —  »o  nimium  Phoebi  tri-  Ars  amatoria  III,  789.    Valerius  Flaccus  Argon, 

podumque  oblite  tuorum«;  hier  ist  also  Calchas  I,  544.   Statius  Thebais  I,  509,  VIII,  175,  X,  339. 

''  der  D.  zugeteilt,    etwa   wie  Amphilochos    oder  Vergil  Aeneis  VI,  347:  neque  te  Phoebi  cortina 

M  psos  auf  den  Münzen.     Silius  Italiens  Punica  fefellit.    Lucan  Phars.  V,  81,  152,  158:  sensit  tri- 

XIII,   400:    Sic   ac   Cymaeam,    quae    tum   sub  podas  cessare,  hier  tripoda  =  Orakelspruch, 

nomine  Phoebi  Autanoe  tripodas  sacros  antrura-  4)  Statius   Silvae  I,  2,  247:  nunc   opus,  Aonidum 

que  tenebat  fert  gressus  iuvenis  (Scipio  Africanus  comites  tripodumque   ministri,   diversis   certare 

nach   dem   Falle   Capuas   bei   der    Sibylle   von  modis.      »Statius  fordert  alle  Dichter  auf,  die 

Cumae).   Vgl.  Properz  IV,  l,  49.    Valer.  Flaccus  Hochzeit  des   Kollegen   mit  Versen   zu   feiern.« 

I,  5.     Sogar  bei  Lebermantik  konnte  einem  der  Vollmer  zur  Stelle.   Die  Dichter  sind  die  Diener 

man  tische  Dreifuß  einfallen;  Philostr.  vita  Apoll.  Apolls.   Damit  ist  etwa  zu  vergleichen,  wenn  eine 

VIII,  7,  p.  350:     ^TCap,  äv  v>  tpasi  tov  ttj?  aitülv  Ehreninschrift    für   einen    Einwohner   von    Kos 

fxavTix^C  eTvai  TfifTtoSa.    Weniger,  Archiv  f.  Rei.-  besagt    (CoUitz-Bechtel,    Griech.    Dialektinschr. 

Wiss.  XV 111,  93.  III,  I,  3599):  (»7)3lv  8?  aiTtüuavTa  tä;  Upit  xpa- 

')  Wissowa,  Religion  und  Kultus  der  Römer  *,  S.  500.    ,        rijac  ...  da  stellen  die  Tische  für  den  Gott. 

5)  Statius  Thebais  X,  200. 


Karl  Schwenderaann,  Der  Dreifuß. 


i8i 


an  derselben  Stelle  sind  dann  natürlich  auch  mehrere  wTjYat  in  Branchidai,  während 
es  Ekloge  XIII  6  heißt  AsXipot  . .  irspij^opsuouai  (iata  Traiavcuv  xöv  Tpi'itoSa,  dagegen 
ist  Ekloge  V  39  wieder  von  mehreren  Dreifüßen  die  Rede.  Bei  Nonnos,  Dionysiaca  IV 
gibt  es  dann  gar  (iavTtuoi  aSutoi.  Die  Rhetorik  wird  eben  immer  wilder.  Von  den 
Griechen  übernehmen  die  Lateiner  die  Mehrzahl.  Seit  Ovid  steht  der  Plural.  Ovid 
met.  III  855,  ars  amatoria  II 789,  Valerius  Flaccus  Argon.  I  544,  Statius  Thebais  I  509, 
III  585  und  öfter,  aber  IV409  singularisch.  Lukan  Phars.  Vi  12,  158  ff.,  172.  Valerius 
Max.  VIII,  XV,  3.  Aus  solchen  Stellen  abzuleiten,  daß  es  mehrere  mantische  Dreifüße 
im  delphischen  Adyton  gegeben  habe,  wie  bisweilen  geschehen  ist,  wäre  unrichtig 
und  hieße  den  Geist,  aus  dem  solche  Ausdrucksweise  geflossen,  mißverstehen. 


Der   Dreifuß    in   seinen    Beziehungen  zu   anderen    Göttern   als    Apoll. 

Wie  der  Dreifuß  auch  anderen  Orakeln  zugeteilt  wird,  so  geht  er  von  Apollo  auf 
andere  Personen  über,  die  zu  ihm  in  besonders  naher  Beziehung  stehen.  So  führt  auf 
Münzen  Artemis  öfter  den  Dreifu  3').  Wenn  Antinous,  der  Liebling  Hadrians,  als 
veoj  riu&toc  verehrt  wird,  so  hat  er  natürlich  auch  den  Dreifuß  2).  Die  Seleukiden  be- 
nützen als  Nachkommen  Apolls 3)  dessen  Symbol  4).  Die  Lieblinge  Apolls  werden  wie 
der  Gott  selbst  mit  dem  Dreifuß  ausgezeichnet,   so  Kyparissos  5)   und  Branchos^). 


')  Z.  B.  V.  Amisos,  Br.  iL  C  Pontus  S.  i6.  Head, 
H.  N. »  496.  Sinope,  Br.  M.  C.  Pontus  S.  lOO, 
Nr.  49,  T.  XXIII,  5.  Centuripa,  Br.  M.  C.  Sicily 
S.  56,  Nr.  9.  Knidos,  Br.  M.  C.  Caria  S.  91  ff. 
Head,  H.  N.  >  S.  615  ff.;  hier  ist  der  D.  der  des 
triopischen  Apoll.  Der  Tausch  der  Attribute 
mehrerer  Götter  derselben  Stadt  auf  den  Münzen 
ist  ja  eine  sehr  gewöhnliche  Erscheinung,  so 
tauschen  auf  den  Münzen  von  Kroton,  Br.  M.  C. 
Italy  S.  354,  Apoll,  Hera  und  Herakles  die  Attri- 
bute.    Das  mahnt  zur  Vorsicht. 

')  Br.  M.  C.  Cilicia  S.  189,  Nr.  157:  ANTINOOC 
HPQC  Kopf  des  Antinous,  ^.  ÄAPIANHC 
TAPCOY  MHTPOnOA  D.  von  Schlange  um- 
ringelt. Es  gibt  Münzen  von  Tarsos  mit  der  Auf- 
schrift NEQ  nr  eiß.  Head,  H.  N. »  733. 
Journ.  intern,  numism.  XVI,  S.  53,  Nr.  9, 
Taf.  IV,  12.  Kopf  d.  Antinoos  ANTINOOC  HPßC 
jp.  Dreifuß,  mit  Schlange.  ÄAPIANHC  "TAPCOV 
MHTPOnOAE  QC  NCSKOPOV    NEQ  nYOlß. 

3)  Justin  XVI,  5. 

4)  Br.  M.  C,  Seleucid  kings  of  Syria,  passim.  Vgl. 
Babelon,  Les  rois  de  Syrie.  Antiochos  Epiphanes 
läßt  sich  auf  seinen  Münzen  auch  als  Epipbanie 
Apollons  (Br.  M.  C.  Seleucid  kings  S.  34,  Nr.  10) 
und   des  Zeus  (ebda.  Nr.   4  und   5)  darstellen. 

5)  Kjrparissos:  Herrmann-Bruckmann,  Denkmäler 
der  Malerei  des  Altertums  Taf.  45,  Text  S.  57 
aus  der  Casa  deiVettii:  K5T)arissos  auf  einem 
Jahrbuch  des  archäologrischen  Instituts  XXXVl. 


Steinwürfel  sitzend,  vor  ihm  die  verendende 
Hirschkuh,  hinten  auf  hohem  Sockel  D,  mit 
Omphalos  dahinter. 
')  Römisches  Relief  Robert,  Sarkophagrel.  11, 
Taf.  78,  Nr.  176  a.  Jüngling  auf  einem  Felsen 
sitzend,  in  Chlamys  und  phrygischer  Mütze,  hält 
die  patera  umbilicata  in  der  vorgestreckten 
Linken,  die  Rechte  stützt  er  auf  seinen  Sitz; 
rechts  D.,  um  dessen  Mittelstütze  sich  eine 
Schlange  windet,  die  ihren  Kopf  nach  der  Schale 
ausstreckt,  hinten  Ölbaum,  links  Vase  auf  Säule. 
Nach  Roberts  Vermutung  ist  hier  Brancbos  dar- 
gestellt. Zum  Inhalt  vgl.  Furtwängler,  Gemmen 
Taf.  XXXV  44,  späthellenistisch:  »Ein  Mädchen 
tränkt  eine  Schlange,  die  sich  um  einen  D. 
windet,  der  auf  bekränzter,  runder  Basis  steht.« 
Das  Diptychon  Rom.  Mitt.  1913,  Taf.  IV,  S.  225 
(Graeven),  das  ins  Ende  des  III.  oder  ins  IV.  Jahr- 
hundert gehört,  und  eine  Frau  neben  einem  D. 
auf  Basis  zeigt,  um  den  sich  eine  Schlange  ringelt, 
während  unten  links  ein  Knäbchen  mit  Bogen 
sichtbar  ist,  wird  von  Graeven  auf  Hygieia  mit 
Amor  gedeutet.  Hauser,  österr.  Jahresh.  XVI, 
i9T3i  70.  glaubt  den  kleinen  Apoll  in  dem  Knäb- 
chen, in  der  Frau  Themis,  in  der  Schlange  Python 
erkennen  zu  dürfen.  Die  Absicht  des  Schnitzers 
wird  sich  ohne  weiteres  Material  schwer  fest- 
stellen lassen. 


13 


lg2  ^^''^  Sehwendemann,  Der  Dreifufi. 

Anders  ist  es  zu  erklären,  wenn  Eros  auf  römischen  Denkmälern  öfter  den  Dreifuß 
führt ').  Seit  der  hellenistischen  Zeit  tritt  Eros  mit  den  Attributen  und  in  den 
Handlungen  vieler  Götter  auf,  wie  umgekehrt  auf  römischen  Monumenten  Götter 
und  Heroen  öfter  in  Gestalt  von  Eroten  *).  Das  entspricht  so  ganz  der  Lebens- 
stimmung der  Zeit,  wie  sie  aus  der  hellenistischen  und  römischen  Dichtung  oder  von 
den  Wänden   Pompeis  zu  uns  spricht. 

Am  häufigsten  hat  neben  Apollo  Dionysos  den  Dreifuß .  Schon  die  Alten  versuchten 
sich  das  zu  erklären.  Man  meinte  Dionysos  habe  ihn  vor  Apoll  besessen  3).  Aber 
es  ist  nicht  einzusehen  was  die  Dreifußmantik,  wie  wir  sie  in  ihrem  ersten  faßbaren 
Stadium  kennen  gelernt  haben,  mit  dionysischem  Wesen  zu  tun  haben  könnte.  Das 
Findarscholion  wirft  sogar  zwei  Vorstellungen  durcheinander:  IIu&cüvo?  8s  tote  xupieu- 
aavTO?  ToG  TrpocpyjTixou  tpiTOSo?  Iv  (p  Tzpübxoi  Aiovoooj  idejAiareuSj  wozu  zu  vergleichen 
der  delphische  Hymnos:  ak  xeXaSijuojxsv,  xpiicoSa  [lavTsiov,  «)S  etXe  Ix^P^^i  ^^  i^ppoupei 
Bpa'xtuv  4).  Natürlich  mußte  Python  den  Dreifuß  besitzen,  wenn  dieser  schon  vor  Apoll 
in  Delphi  war.  Auch  Themis  hatte  ihn  dann  ursprünglich,  so  bei  Euripides  Orest 
161  ff.  Elektra  sagt:  cpsü  \t.6ybmv  |  aStxoc  aStxa  tot'  5p'  iXaxev,  E>.oxev  dito  |  (povov, 
Sx'  ii:\  xptiroSi  ösfiiSo?  ap'  IBixaae  |  90VOV  6  AoSt'a?  i|x5?  (laTspo? ;  mit  invektiver  Neben- 
bedeutung von  0£ji,ij.  Als  Illustration  kommt  dazu  die  Berliner  Themisschale  5). 
Es  ist  natürlich  Ffj  0s|xic,  die  aus  der  Erde  strömende  Kraft  des  guten  Rates 
und  der  Weissagung  6).  Mit  demselben  Recht  wie  auf  dem  Dreifuß  sitzt  Themis 
dann  auch  auf  dem  Omphalos.  (Röscher,  Neue  Omphalosstudien,  Abh.  d.  Sachs. 
Akad.  d.  Wissensch.  Bd.  XXXI,  Phil.  bist.  Klasse.    Taf.  VI,  5,  6,   S.  57  f.). 

Wenn  auch  Dionysos  der  Dreifuß  heilig  ist,  so  erklärt  sich  das  aus  seinem  engen 
Verhältnis  zu  Apoll.  Konnte  doch  Plutarch  (de  E  apud  Delphos  9)  sagen,  daß  Diony- 
sos nicht  minderen  Anteil  an  Delphi  habe  als  Apoll.  So  wird  sich  auch  der  Dreifuß  als 
dionysischer  Siegespreis  erklären?).    Wie  diese  Siegesdreifüße  öfter  auf  den  Monu- 

■)  I.  t'urtwängler,  Gemmen  Taf.  XLIII,  39,  helle-  von  Kroton  zeigen  zuweilen  Apoll,  wie  er  hinter 

nistisch-römisch.     »Eros  steht  wie  Apoll  da,  die  dem  D.  hervor,  auf  den  Drachen  zielt,      Head, 

Linke  auf  die  Leier  gelehnt,  in  der  Rechten  das  H.  N.  »  96,  Abb.  54. 

Plektron;   die  Leier  steht  auf  dem  D.  auf,   links  *)  Pauly-Wiss.  VI,  i,  511  ff.    Roseber,  Lex.  I,  1367. 

der  Greif.«  2.  Masner,  Vasen  u.  Terrak.  im  K.  K.  3)  Schol.  Pindar,  Pyth.  Hypothesis  p.  297,  BSckh. 

österr.  Mus.,  746,  Lampe.    »Eros  in  Vordersicht,  Ebenso  0.  Müller,   Über  die  Tripoden  60. 

den  Kopf  nach  links,  in  der  gesenkten  Rechten  ^)  Crusius,  Philologus,  N.  F.   VII,   Beiheft  S.  33. 

Blitzbündel,  stützt  mit  der  Linken  eine  L,eier  auf  Auch  die  Münzen  v.  Kroton  (Head,  H.  N.  »  96, 

einen  D.      3.  Reinach,    R^p.  d.  Rel.  III,   522.  Abb.  54),  welche  Apoll,  hinter  dem  D.  vor,  den 

Relief  in  Stockholm:  Links  auf  eckigem  Altar  D.,  Python  erlegend  zeigen,  setzen  diese  Vorstellung 

um  den  sich  die  Schlange  windet,  links  davon,  voraus. 

aber  noch  auf  dem  Altar,  eine  brennende  Fackel;  ')  Gerhard,  A.  V.  IV,  327.     Furtwängler-Reichhold 

rechts  unten  auf  dem  Boden  geflügelter  Knabe  Taf.  140.  Ebenfalls  Themis  auf  d.  Dreif.  auf  einer 

mit  phrygischer  Mütze  und  Hosen,  mit  Bogen  rf.  Vase  in  Neapel  (Baumeister,    Denkmäler  II, 

nach    der    Schlange    hinaufzielend.      Also  wohl  iiio,  Fig.  1307.    Röscher,  Omphalos  Taf.  II,  l.) 

Eros  in  orientalischem  Kostüm  in  der  Handlung  *)  Hirzel,  Themis  18. 

des  Apollon  Pythoktonos.   Schon  Pythagoras  von  7)  Über  die  Preisdreifüße  der  attischen  Phylenchöre 
Rhcgion  hatte  nach  Plinius  N.  H.  34,  59  in  einer  handelt   ausführlich   Reisch,   Griechische   Weih- 
statuarischen Gruppe  Apollon  Pythoktonos  dar-  geschenke  S.  63  S.    Pauly-Wiss.  V,  2,  S.  1694. 
gestellti  Overbeck,  ApoUon  S.  83.    Die  Münzen 


Karl  Schwendemann,  Der  Dreifufl. 


183 


menten  erscheinen '),  so  bezeichnet  der  Dreifuß  einen  dem  Dionysos  geweihten  Ort, 
oder  ist  sein  Attribut  ^).  Die  Münzen  von  Andros,  das  dem  Dionysos  geweiht  war 
und  ein  berühmtes  Heihgtum  des  Gottes  besaß  3),  tragen  seit  dem  IV.  Jahrh.  meist 
den  Kopf  des  Dionysos  und  auf  dem  Ifi.  eines  seiner  Symbole,  öfter  den  Dreifuß  4). 
Die  Münzen  von  Tenedos  haben  auf  dem  ^.  neben  einem  irsXsxu?,  der  hier  Symbol 
des  Dionysos  ist  —  in  Pherae  in  Thessalien  ward  ein  Aiovuao?  itsXsxuj  verehrt  5)  — 
öfter  einen  Dreifuß.^). 

Läßt  sich  die  Tatsache,  daß  auch  Dionysos  den  Dreifuß  führt,  leicht  erklären,  so 
fällt  dagegen  eine  eindeutige  Erklärung  schwer  für  die  Beobachtung,  daß  auch  bei 
Zeus  der  Dreifuß  erscheint.  Das  älteste  Denkmal  dieser  Artistdie  IliupersisdesBrygos?) 
und  eine  Vase  in  Florenz  mit  derselben  Szene  *).  Priamos  wird  auf  dem  Altar  von 
Neoptolemos  erschlagen.  Neben  dem  Altar  Dreifuß.  Da  auf  einer  fragmentierten  Schale 
des  Euphronios  mit   Iliupersis  der  Altar  inschriftlich  als  Aio?  Upöv  gekennzeichnet 


')  Gesammelt  von  Reisch  a.a.O. 

')  Z.  B.  I.  Attischer  Volutenkrater,  letztes  Drittel 
des  V.  Jahrh.  Furtwängler-Reichhold  S.  329, 
Abb.  107.  Heitere  Szene;  Dionysos  hat  sich  in 
Begleitung  von  Satyrn  und  Mänaden  in  einem 
Weinberg  niedergelassen;  darin  an  mehreren 
Stellen  D.  auf  Säulen.  2.  Attische  Kani?e,  Ende 
des  V.  Jahrh.  Furtwängler,  Sammlung  Somz^e 
Taf.  38.  »Auf  einer  Säule  steht  ein  vergoldeter 
D.  Großer  Knabe  mit  einer  bekränzten  Kanne 
des  Choenfestes  in  der  Rechten  trägt  einen 
kleineren,  der  einen  Zweig  hält,  auf  den  Schultern 
davon.  Ein  Knabe  im  festlich  geschmückten 
Mantel  reicht  ihm  einen  Kranz  hin.  Es  ist  ein 
anziehendes  Bild  nach  dem  Leben.  Der  D. 
drückt  die  Beziehung  des  Festes  zu  Dionysos  aus.« 
3.  Attischer  Krater,  IV.  Jahrh.  Nicole,  Vas, 
d'Atb.  II 14.  Papposilen  aus  einer  Amphora  in 
einen  Krater  schöpfend,  im  Hintergrunde  D.  auf 
Säule.  Rechts  Dionysos,  bärtig,  hinter  ihm 
Apoll,  Mänaden  und  Satyrn.  (Abgeb.  Jahrb.  d. 
Inst.  1917,  50,  Abb.  21.)  4.  Medeavase.  Furt- 
wängler-Reichhold Taf.  90,  S.  164.  Der  D.  er- 
innert hier  an  das  Theater.  5.  Neapeler  Satyr- 
spielvase. Mon.  d.  Inst.  III,  31.  Wien.  Vorl.  E, 
T.  7,  8.  F.  R.  Taf.  1 43/44-  6.  Vase  des  IV.  Jahrh- 
Stephani,  Vasens.  der  Ermitage  525.  Götter- 
versammlung Demeter  Eubuleus,  Athena,  Artemis, 
Aphrodite,  Dionysos,  Triptolemos,  neben  Diony- 
sos D.  auf  Säule.  C.  R.  St.  P^tersb.  1862,  Taf.  III. 
7.  Untritalisches  Gefäß  in  Neapel.  Heydemann, 
Raccolta  Cumana  Nr.  43.  Dionysos  in  Chlamys, 
mit  Thyrsos,  steht  vor  einer  Frau  (Bacchantin, 
Arieadne),  die  ihm  eine  Schale  mit  Kuchen  hinhält, 
beiderseits  ein  Panther  undD.  auf  jonischer  Säule. 


8.  Terrakottarelief  aus  dem  Ende  der  Republik, 
österr.  Jahresh.  1905,  Taf.  5  und  Abb.  48,  S.  208. 
Rohden  -  Winnefeld,  Die  antiken  Terrakotten 
IV,  2,  Taf.  54.  '  Von  einer  Grabädikula, 
zeigt  ein  Proszenium  mit  Schauspielern,  auf 
zwei  Säulen  der  Proszeniumswand,  rechts  und 
links,  je  ein  D.  9.  Unteritalisches  Relief- 
gefäß. Gerhard,  Ges.  akad-  Abh-  Taf.  58, 
S.  448.  Zwischen  Demeter  und  Triptolemos  steht 
Dionysos,  hinter  ihm  D.  10.  Relief  in  den  Uf- 
fizien  zu  Florenz.  Dütschke,  Antike  Bildwerke 
inOberitalienIII,5i6.  Welcker,  A.D.  II,  T.  V,9, 
S.  III.  »An  einer  Platane  Mänade,  vor  ihr 
Panther,  an  den  Baum  gelehnt  Dionysos,  auf 
eine  zweite  Mänade  blickend,  die  auf  einem 
Felsen  sitzt,  hinter  dieser  auf  Säule  D.,  rechts 
eine  dritte  Mänade  und  ein  Mann,  archaistisch.« 
II.  Fries  vom  Theater  zu  Delos.  Fritsch,  Delos 
S.  43,  Abb.  13.  12.  Metope,  jedenfalls  von  einem 
Altar  des  Dionysos  aus  Andros,  Sonderschr. 
des  österr.  arch.  Inst.  VIII,  23,  Fig.  27.  Die 
beiden  letzten  Monumente  zeigen  den  D.  dekora- 
tiv verwendet,  aber  noch  mit  Beziehung  auf 
Dionysos. 

3)  Paus.  VI,  26.    Plinius,  N.  H.  II,  103,  11;  XXXI, 

2,   13- 

4)  Br.  M.  C.  Crete  and  Aegean  Islands  88,  Taf.  XX, 

18. 

Journ.,  Internat,  d'arch^ol.  numism.  I,  299, 
Taf.   I  r.  ' 

5)  Head,  H.  N.  ^  308. 

«)  Br.  M.  C.    Troas  S.  93,  18.     Head,  H.  N.  >  550. 
Babelon,  Trait^  II,  i,  366. 

7)  Furtwängler-Reichhold  Taf.  25. 

8)  Studi  e  Materiali  III,  163,  Fig.  2  a. 


lg4  Karl  Schwendemann,  Der  DreifuB. 

ist  (Arch.  Ztg.  1 882,  Taf.  III),  haben  die  Maler  offenbar  eine  Beziehung  auf  Zeus  Spxstoj 
im  Auge  gehabt.  Bei  Homer  aber  steht  am  Herd  der  Dreifuß.  Daran  erinnerten  sich 
wohl  die  Maler.    Der  Dreifuß  hätte  hier  dann  keine  kultische  Beziehung  zu  Zeus. 

Anders  einige  Münzen,  von  denen  die  ältesten  ins  IV.  Jahrhundert  gehören, 
nämlich  von  Messene,  der  durch  Epameinondas  nach  der  Schlacht  bei  Leuktra  369 
gegründeten  Hauptstadt  von  Messenien  ').  Sie  tragen  auf  dem  R  regelmäßig  die 
nackte  Gestalt  des  Zeus  Ithomatas  und  neben  ihm  einen  Dreifuß .  Dem  Zeus  wurden 
jährlich  bei  seinem  Tempel  auf  dem  Ithome  die'l8(u|iaia  gefeiert^).  Vielleicht  deutet 
der  Dreifuß  der  Münzen  darauf  hin,  daß  dabei  Dreifüße  die  Siegespreise  bildeten.  Das 
wäre  ein  bewußtes  Archaisieren  gewesen,  aber  verständlich  bei  einer  neu  gegründeten 
Stadt,  die  auf  den  Zusammenhang  mit  den  Traditionen  der  Vergangenheit  Wert 
legen  mußte.  Wir  können  uns  erinnern,  daß  im  ersten  messenischen  Kriege  auf  Delphis 
Geheiß  dem  Ithomatas  loo  Dreifüße  geweiht  wurden  3). 

Zeitlich  zunächst  kommen  dann  Münzen  von  Epirus  aus  dem  III.  und  II.  Jahr- 
hundert 4)  mit  Zeus  oder  Dione;  J^  Dreifuß.  Hier  ist  man  berechtigt  den  Dreifuß  auf 
das  Orakel  von  Dodona  zu  beziehen,  auf  das  der  Zeus  und  Dione  5)  und  besonders 
der  Eichenkranz  deutlich  hinweisen.  Diese  Münzen  reihen  sich  so  den  Denkmälern 
an,  welche  den  Dreifuß  als  Symbol  der  Mantik  zeigen. 

Es  bleiben  noch  Münzen  einiger  asiatischer  Städte  von  Laodikeia  ad  Marc  *) 
und  Amastris  in  Paphlagonien  7).  Da  auf  den  Münzen  dieser  Städte  nie  Apoll  oder 
Dionysos  erscheint^),  so  muß  der  Dreifuß  auf  Zeus  bezogen  und  kann  nicht  durch  Wechsel 
der  Symbole  wie  so  oft  erklärt  werden.  Der  Dreifuß  ist  also  hier  wirklich  Attribut  des  Zeus. 
Da  ist  daran  zu  erinnern,  daß  Apollo  eigentlich  nur  als  Verkünder  von  Zeus'  Wissen 
und  Willen  gilt.  Schon  der  homerische  Hymnus  auf  Hermes  533—38  verkündet 
dieses  Dogma.  Apoll  kennt  ZTjvot  itoxtvo^pova  ßouXTjv  und  das  delphische  Orakel  hat 
das  immer  festgehalten  9).  Da  lag  es  nahe  auch  Zeus  den  Dreifuß  zu  geben,  wie  Apoll 
gelegentlich  die  Aigis  führt.  Auf  der  Münze  von  Amastris  ist  diese  Beziehung  be- 
sonders deutlich.   Die  Schlange,  ursprünglich  der  Python,  windet  sich  um  den  Dreifuß. 

Wenn  aber  Zeus  den  Dreifuß  hat,  kommt  er  auch  Hera  zu,  so  gutwie  Dione  auf  den 
Münzen  von  Epirus.  Eine  Münze  von  Orchomenos  in  Böotien  aus  dem  II.  Jahrh. 
V.  Chr.  zeigt  es  wirklich  so  ■").    Auch  hier  lehlt  Apoll  oder  Dionysos. 

')  Br.  M.  C.  Peloponnesos  S.  109.  Head,  H.  N.  »  431.  5)  Beide  erscheinen  auch  als  Doppelkopf  Br.  M.  C. 
')  Paus.  IV,  33.  Thessaly  S.  89,  Nr.  8 — 13.    Zeus  war  mit  Dione 

3)  Paus.  IV,  12,  7.    Auch  auf  den  Münzen  von  Kos  oivvao«.     Strabo  VII,  p.  329. 

erscheint    ja    der  D.   der  bei   den    Spielen   am  *)  Br.  M.  C.   Galatia  S.  248,  Nr.  lo  ff.     Zeuskopf. 

Heiligtum  des  triopischen  Apoll,  dem  religiösen  Ip.     Legende.    D.      Taf.   XXIX,    5.      Zeit    des 

Zentrum   der   dorischen   Pentapolis,    Siegespreis  Augustus. 

war.     Herodot  I,  144.  7)  Br.  M.  C.    Pontus.    S.  85,    Nr.  12.      Büste    des 

4)  Br.  M.  C.    Thessaly  S.  76,  Nr.  157.     Kopf  des  ZEVC  CTPATHrOC     Jfi.  Legende.    D.,  um  den 
dodonäischen    Zeus.       Jp.    AYP   D.    in   Eichen-  sich  eine  Schlange  windet. 

kränz.    Münze  von  Dyrrhachium.    Ebda.  S.  91,        ')  Head  781,  bzw.  505. 

Nr.  52  ff.    Kopf  der  Dione  mit  Lorbeerkranz  und        9)  Bouch^-Leclercq,  Art.  Divinatio  bei  Daremberg- 
Schleier.    ^.  D.  in  Lorbeerkranz  T.  XVII,  12.  Saglio  II,  l,  293. 

■■>)  Br.  M.  C.  Central  Greece,  Taf.  VIII,  17. 


Karl  Schwendemann,  Der  Dreifuß. 


185 


Mit  der  Iliupersis  des  Brygos  haben  wir  eine  Reihe  von  Denkmälern  berührt, 
bei  denen  der  Dreifuß  zur  Bezeichnung  eines  heihgen  Ortes  verwendet ')  ist. 

Diese  Denkmäler  leiten  über  zu  jenen  *),  welche  den  Dreifuß  rein  dekorativ 
gebrauchen.  Sie  beginnen  nicht  etwa  erstin  später  Zeit  sondern  schon  in  der  geome- 
trischen Kunst.  Hier  sind  sie  nicht  durch  Verflachung  einstiger  tieferer  Beziehungen 
zu  erklären,  sondern  durch  die  Tatsache,  daß  der  Dreifuß  damals  ein  Hauptstück 
der  häuslichen  und  sakralen  Einrichtung  war  und  als  etwas  täglich  Gesehenes  den 
Malern,  wenn  sie  nach  einem  Füllmotiv  suchten,  leicht  sich  darbot. 


Brüssel. 


Karl  Schwendemann. 


■)  I.  Jahn,  Münch.  Vas.  S.  588.  Gerhard,  A.  V.  IV, 
257.  i;  vielleicht  heiliger  Hain,  DreifüiJe  als 
Milieuangabef  2.  Gerhard,  A.  V.  IV,  241;  Jahrb. 
d.  Inst.  1918,  185,  Abb.  48.  Grabmal?  3.  Furt- 
wängler,  Berl.  Vas.  2634.  Röscher,  Lex.  II,  i, 
S.  838,  Fig.  2.  4.  C.  R.  St  P^tersb.  1876,  Taf .  V,  i, 
Furtw.-Reichh.  HI,  S.  53,  Abb.  24.  5.  Pellegrini, 
Vas.  Bologna  303  A;  Jacobsthal,  Theseus  auf  d. 
Meeresgrunde  Taf.  IV,  7.  6.  Kekul^,  Leda  und 
Nemesis  13  f.  7.  Reinach,  Rep.  d.  v.  I,  160. 
Löwy,  Eranos  Vindobonensis  S.  269.  8.  Furt- 
wängler,  Berl.  Vas.  4122.  9.  Heydemann,  Neap. 
Vas.  1760.  Müller-Wieseler,  Denkm.  I,  Taf.  II,  11. 
10.  Furtwängler,  Berl.  Vas.  3164.  11.  Sogliano, 
Pitt.  mur.  580.  Giorn.  d.  Scavi  Pomp.  II, 
P-  377.  Taf.  X.  12.  Sogliano  a.a.O.  11,  560. 
13.  Rom.  Mitt.  1911,  83,  Abb.  49;  41,  Abb.  18; 
149.  Hier  gehört  der  D.  zur  Staffage  in  der 
sakralen  Landschaft. 

Hierher  gehört  wohl  das  Relief  Mon.  d.  Inst. 
IV,  4.  Reinach,  R^p.  d.  rel.  III,  147,  3;  Helbig- 
Reisch  3  821.  Antoninus,  einer  Getreideverteilung 
beiwohnend,  hinter  ihm  Roma  und  Abundantia. 
Dreifuß,  der  offenbar  einen  durch  Anwesenheit 
göttlicher  Personen  geheiligten  Ort  bezeichnet. 
Auf  der  Phlyakenvase,  Annaü  1871,  104,  Jahrb. 
d.  Inst.  1886,  275,  Reinach,  Rep.  d.  vases  I,  326, 
Logeion  mit  zwei  Schauspielern,  zwischen  ihnen 
D.,  spielte  offenbar  der  D.  in  dem  dargestellten 
Stück  eine  Rolle. 

')  I.  Montelius,  Vorklass.  Chrono).  Ital.  160,  Fig. 
375.    Bronzeplatte  einer  geom.  Fiebel.     Im  Feld 


links  hoher  D.,  daneben  rechts  Pferd,  das  Feld 
weiter  durch  Vögel  gefällt.  2.  Öfteransf.  Vasen  auf 
oder  unter  den  Henkeln.  Jacobsthal,  Göttinger 
Vasen.  Abh.  Gott.  Ges.  d.  Wiss.,  Phil.-hist.  Kl. 
N.  F.  XIV,  Nr.  I,  S.  13,  VI,  18;  Robinson,  Mus. 
of  Fine  Arts,  Boston,  Nr  198,315.  Pottier,  Vas. 
d.  Louvre  F  106,  F  114;  Arch.-Epigr.  Mitt.  aus 
österr.  11,  31,  Nr.  39.  3.  Furtwängler,  Berl.  Vas. 
2869;  Stephani,  Vas.  Petersburg  1821.  C.  R. 
St.  Petersb.  1874,  Taf.  II,  4,  7.  4.  Altert,  v. 
Pergamon  VII,  351,  Nr.  445;  VII,  2,  305,  Nr.  393, 
Fig.  393  b.  5.  Gerhard,  Etr.  Spiegel  I,  Taf.  XIV. 
6.  Not.  sc.  1880,  132,  Taf.  V,  4.  7.  Dütschke, 
Ant.  Bildw.  Oberit.  II,  366;  V.  269,  2S3.  8.  Ro- 
bert, Sarkophagrel.  II,  Taf.  56,  158.  9.  Rohden- 
Winnefeld,  Ant.  Terrak.  IV,  82  ff.  Rossini,  Archi 
Trionf.  Taf.  39,  43.  Michaelis,  Anc.  Marbl.  S.  638, 
Nr.  66.  10.  Milani,  Mus.  Arch.  Firenze  I,  S.  226, 
II,  Taf.  79.  (Geschmückte  Dreifüße  auch  sonst 
häufig,  z.  B.  Furtwängler,  Berl.  Vas.  2288.  Pelle- 
grini, Vasi  Bologna  I,  Fig.  35,  36.  Br.  Mus.  Cat. 
Italy  S.  353,  Nr.  66,  76,  85.  Vgl.  B.  C.  H. 
XXV,  155  und  Br.  Mus.  Cat.  Vas.  E  626.) 
1 1.  Chase,  Loeb.Collection,  Arretine  Pottery  Nr.  53 , 
Taf.  III.  Vgl.  Dechelette,  Vases  ceramiques  omes 
de  la  Gaule  Rom.  II,  Nr.  1067  ff.  Walters,  Cat. 
Rom.  Pott.  Brit.  Mus.  M.  1202,  2,  1203,  2  und 
sonst.  12.  Niccolini,  Pomp.  I.  Casa  di  M.  Lucr. 
Taf.  IX.  Herrmann-Bruckm.  Taf.  59  f.  Farben- 
druck 4,  und  sonst  öfter  bei  Zahn,  Pomp.  u. 
Hercul.  II,  Taf.  43;  III,  47  usw. 


l86       .  R-  Delbrueck,  Bemerkung. 


BEMERKUNG. 

M,  Gütschow  sucht  im  laufenden  Jahrgange  dieser  Zeitschrift  (60  f.,  66  und 
ebd.  Anmerkung  2)  nachzuweisen,  daß  ich  bei  meinem  Versuch  einer  Orientierung 
über  die  Typen  korinthischer  Kapitelle  hellenistischer  Zeit  (Hellenistische  Bauten  II 
161  f.)  das  Kapitell  vom  Olympieion  mit  dem  350  Jahre  jüngeren  von  der  Hadrians- 
stoa  verwechselt  hätte.  Diese  Auffassung  trifft  nicht  zu.  Mein  Zitat  für  das  Kapitell 
vom  Olympieion  (a.  a.  0.  162,  Anm.  3)  lautet:  »Penrose,  principles  Tafel  39,  danach 
Altmann,  Rundbauten  26  f. «.  Bei  Penrose  ist  das  Kapitell  vom  Olympieion  a  ge- 
bildet; Altmann  zitiert  Penrose  nicht  (wie  ich  versehentlich  annahm,  s.  u.),  ich  kann 
also  mein  Zitat  nicht  von  Altmann  abgeschrieben  haben.  Insofern  ist  es  allerdings 
wie  gesagt,  fehlerhaft,  als  Altmann  Penrose  nicht  erwähnt  und  außerdem  seine  Ab- 
bildung tatsächlich  nicht  das  Kapitell  vom  Olympieion  wiede  gibt,  sondern  das  der 
Hadriansstoa.  Dies  Versehen  habe  ich  nicht  bemerkt,  weil  ich  Altmanns  Buch  kaum 
benutzte  und  andererseits  persönlich  wußte,  daß  die  Ausführungen  bei  Altmann 
tatsächlich  auf  dem  richtige  Kapitell  beruhen,  wenn  Altmann  auch  eine  falsche 
Abbildung  gegeben  hat.  Übrigens  habe  ich  nicht  etwa  diese  falsche  Abbildung 
wiederholt,  wie  nach  der  Ausdrucksweise  M.  Gütschows  S.  61  und  33  zu  vermuten 
wäre;  sonst  hätte  ich  doch  vielleicht  den  Irrtum  bemerkt.  Endlich  möchte  ich  noch 
hinzufügen,  daß  meine  Untersuchungen  auch  nicht  eigentlich  auf  der  Tafel  bei  Pen- 
rose beruhen,  sondern  auf  dem  Original  und  eigenen  Photographien. 

Berlin.  R.  Delbrueck. 


NACHTRAG  ZU  SEITE  8  ff. 
»DER  SÜD-OST-BAU  AM  FORUM  ROMANUM.« 

Wie  in  der  Anmerkung  zu  S.  8  gesagt  wurde,  ist  meine  Veröffentlichung  des 
Südostbaues  nicht  abschließend,  da  die  Bearbeitung  durch  den  Krieg  unterbrochen 
wurde.  Neuerdings  habe  ich  den  Bau  wiedergesehen  dabei  ergaben  sich  folgende 
ergänzende  Bemerkungen: 

.S.  12,  B  i:  Die  Verkleidung  der  Wandflächen  im  Treppenhaus  ist  teilweise 
schlechter  als  anderswo;  sie  enthält  stark  zerbrochene  Bessales  und  Trümmer  von 
anderen  Ziegeln.  Ich  möchte  aus  diesem  Qualitätsunterschied  nicht  unbedingt 
historische  Schlüsse  ziehen;  immerhin  wird  man  erwägen  müssen,  ob  nicht  der  Ober- 
bau des  Treppenhauses  erst  nachträglich  vollendet  sein  könnte.  Die  Entscheidung 
kann  nur  auf  Grund  einer  erneuten  eingehenden  Untersuchung  und  eines  umfas- 
senden Vergleichs  mit  anderen  Ziegelbauten  erfolgen. 

S.  13,  2b:  Eine  Analogie  für  das  Atrium  bietet  ein  Wasserhof,  der  neuerdings 
auf  dem  Palatin  zwischen  dem  Hauptpalast  und  dem  kleinen  Palast  ausgegraben 
wurde.     Er  enthält  ein  Pfeiler-Rechteck,  dessen  Joche  durch  niedrige  Mauern  ge- 


R.  Delbrueck,  Nachtrag  zu  S.  8  ff.  igv 


schlössen  sind;  im  Innern  liegt  ein  Wasserbecken.    Auch  der  hadrianische  Zustand 
des  Atriums  wird  so  zu  ergänzen  sein. 

S.  15,  Abs.  I,  Z.  15  (vgl.  S.  26,5,  Abs.  4):  Wahrscheinlich  war  in  der  Mitte 
der  Westwand  des  großen  Saales  doch  eine  Tür,  da  an  dieser  Stelle  zwischen  den 
hadrianischen  Quermauern,  die  außen  an  die  Westwand  stoßen,  Marmorpflaster 
liegt  (nicht  im  Plan). 

S.  18,  4  Abs.  2  (vgl.  S.  20  Abs.  3  und  S.  26,  unten):  Die  Pilaster  sind  wohl 
hadrianisch;  die  Technik  ist  schlechter  als  mir  in  Erinnerung  geblieben  war. 

S.  20,  5  Zeile  5  f. :  Die  beiden  vortretenden  Ziegelschichten  möchte  ich  nicht 
mehr  mit  Bestimmtheit  als  Anschluß  für  Plattenpflaster  betrachten,  es  kann  auch 
der  Kern  für  ein  Gesims  sein. 

S.  25,  3a  I :  Außer  Q.  Oppius  Natalis  ercheint  auch  ein  unleserlicher  flavischer 
Stempel. 

Nach  dem  Gesagten  ist  Wesentliches  an  der  Darstellung  nicht  zu  ändern;  ich 
hatte  aber  den  Eindruck,  daß  sich  durch  Vergleich  mit  den  erhaltenen  domitianischen 
Palastbauten  noch  weiter  kommen  ließe,  und  daß  die  hadrianischen  Bauperioden 
noch  genauer  herausgearbeitet  und  geschieden  werden  könnten.  Diese  Aufgabe 
muß  ich  anderen  überlassen. 

Berlin.  R.  Delbrueck. 


Archäologischer  Anzeiger 


B  EIBLATT 

ZUM  Jahrbuch  des  Archäologischen  Instituts 
1921.  in/iv. 


PERSISCHE  TEMPEL. 

Das  Problem  des  persischen  Tempels 
ist  neuerdings  entschieden  zu  skeptisch  be- 
urteilt worden.  Herzfeld  erklärte  es  für 
die  sasanidische  Zeit  als  mindestens  sehr 
dunkel,  und  für  die  ältere  Zeit,  die 
achämenidische,  als  völlig  unlösbar,  und 
V.  Bissing  hat  noch  ganz  kürzlich  betont, 
daß  es  persische  Tempel  überhaupt  nicht 
gegeben  zu  haben  scheine'). 

.Dem  ist  zunächst  entgegenzuhalten,  daß 
es  in  Persien  Behausungen  für  das  heilige 
Feuer,  also  Feuertempel,  gegeben  haben 
muß.  Bei  dem  dortigen  Klima  kann  ein 
Feueraltar  nicht  zu  jeder  Jahreszeit  unter 
freiem  Himmel  brennen,  sondern  nur  im 
geschlossenen  Räume.  Damit  steht  Hero- 
dots  Bemerkung,  die  Perser  hätten  keine 
vifjou?  gehabt,  gar  nicht  im  Widerspruch, 
denn  ein  Feuertempel  ist  kein  Tempel  im 
griechischen  Sinne,  keine  Behausung  des 
Götterbildes  2). 

Man  muß  also  unter  dem  erhaltenen 
Denkmälerbestande  suchen,  und  in  der  Tat 
sind  auch  schon  verschiedene  Ruinen,  die 
keinem  der  beiden  bisher  bekannten  Ge- 
bäudetypen (Palast  und  Torhaus)  ange- 
hören, als  solche  Feuertempel  in  Anspruch 


')  Sarre  und  Herzfeld,  Iranische  Felsreliefs,  1910, 
239 f.  V.  Bissing  bei  Springer- Michaelis,  Hand- 
buch'", 1915,  S.  91. 

^)  Herodot  I  131  ;  vgl.  F.  Spiegel,  Eranische 
Altertumskunde  III,  1878,  568;  G.  Bell,  Palace  and 
mosque  at  Ukhaidir,  1914,  92;  C.  Giemen,  Die 
griechischen  und  lateinischen  Nachrichten  über  die 
persische  Religion,  1920,  99  f. 

Archaolosfischer  Anzvigrer  1931. 


genommen  worden.  Sie  lassen  sich  nach 
ihrer  Grundrißbildung  in  zwei  Gruppen 
scheiden. 

Die  eine  Gruppe  wird  zunächst  durch 
eine  bei  Firusabad  gelegene  Ruine  ver- 
treten, die  wahrscheinlich  noch  achämeni- 
disch  ist  (Abb.  i).  Es  ist  ein  quadrati- 
scher Bau  von   26  m  Seitenlänge  auf  etwa 


r   1 


r 
■////////////,. 


\ 


,//////////////////,. 


<^ 


Abb.   1.     Ruine  in  Firusabad,  Grundriß. 
Maßstab   i  :  looo. 


275 


Persische  Tempel. 


276 


10  m  hohem  Sockel,  jede  der  vier  Seiten 
von  einer  Tür  durchbrochen,  zu  der  eine 
Freitreppe  emporführte.  Flandin  hat,  wohl 
mit  Recht,  auf  diesen  Bau  ein  in  nächster 
Nähe  gefundenes  Säulenstück  bezogen,  das 
wegen  seiner  Kannelierung  als  achämeni- 
disch  anzusprechen  ist.  Es  wird  am  ehe- 
sten von  einer  der  vier  Deckenstützen  her- 


des  Tschehär  Kapu  genannten  Ruinen- 
komplexes von  Kasr  i  Schirin  (Abb.  2). 
Hier  ist  nunmehr  die  flache  Holz-Lehm- 
decke mit  ihrer  Säulenunterstützung  durch 
die  sasanidische  Trompenkuppel  ersetzt. 
Daß  Bauten  dieser  Art  Feuertempel  ge- 
wesen sind,  hält  auch  Herzfeld  für  sehr 
wohl  möglich 2). 


Jf^t. 


Abb.   2.     Tschehär  Kapu,  Grundriß.     Maßstab    i  :  1000. 


rühren,  die  man  bei  der  beträchtlichen 
Spannweite  der  Decke  (16  m)  annehmen 
maß ').  Den  gleichen  Typus,  von  genau 
denselben  Abmessungen  im  Innern,  aber  aus 
sasanidischer   Zeit,    vertritt    der    Mittelbau 


■)  Coste  et  Flandin,  Voyage  en  Perse,  Perse 
ancienne  S.  340  Taf.  37.  Perrot  et  Chipiez,  Histoire 
de  l'art  V,  645  ff.  In  der  Rekonstruktion  Abb.  406 
ordnet  Flandin  ein  Säulenpaar  in  der  Türöffnung 
an,  was  mir  unnötig  erscheint.  Fast  genau  so 
sahen  die  beiden  Tetrapyla  auf  der  Königsburg 
von  Persepolis  aus,  von  denen  das  kleinere  dem 
Bau  von  Firuzabad  auch  in  den  Maßen  etwa  gleich- 
kommt. Zu  bemerken  ist  noch,  daß  ähnliche  vier- 
türige Quadratbauten  mit  oder  ohne  Innenstützen 
auch  im  indischen  Tempelbau  nicht  selten  begegnen, 
vgl.  J.  Fergusson  and  J.  Burgess,  The  Cave  Temples 


Verwandt,  aber  im  einzelnen  doch  recht 
verschieden  ist  ein  Bautypus,  der  bisher 
nur  durch  ein  Beispiel  achämenidischer 
Zeit  aus  der  Unterstadt  von  Susa  bekannt 
ist  (Abb.  3  a)  3).     Es   ist  eine  quadratische 

of  India,  1880,  Taf.  68,  73,  79,  85,  87,  sowie  auch 
J.  Fergusson,  History  of  Indian  and  Eastern  Archi- 
tecture'  II  1910,  99  Abb.  314  und  144  Abb.  343, 
wo  es  sich  indessen  nicht  um  selbständige  Aedi- 
culae  wie  in  den  Felsentempeln  handelt,  sondern 
um  Tempelvorhallen  (Mandapam). 

')  J.  de  Morgan,  Miss,  scientif.  en  Perse  IV, 
1896/67,  Taf.  46;  Saladin,  Manuel  d'art  musulraan, 
1907,28  Abb.  12;  G.  Bell  a.  a.  O.  5 1  u.  94  Taf.  64 ; 
Strzygowski,  Jahrb.  preuß.  Kunsts.  XXV  1904,  245 
Abb.  26;   Herzfeld,  Islam  I    1910,   105  ff. 

3)  M.  Dieulafoy,  L'acropole  de  Suse,  1893,  413 
Abb.  264;    Choisy,  Hist.  de   l'archit.  I    1899,   139; 


277 


Persische  Tempel. 


278 


Cella  von  10  X  10  m  lichter  Weite,  mit 
vier  glockenförmigen  Säulenbasen  im  Innern, 
von  einem  geschlossenen  Umgang  rings 
umgeben.  Der  Ostseite  ist  eine  zweisäulige 
Prostas  vorgelagert,  die  sich  mit  einer  Frei- 
treppe auf  einem  quadratischen  Vorhof  von 
18  m  Seitenlänge  öffnet.  Für  den  Aufbau 
ist  wichtig,  aber  bisher  nicht  beachtet,  daß 
die  vier  inneren  Säulenbasen,  die  mit  einer, 
auf  dem  sogenannten  Donjon  der  Burg  ge- 


so  wie  die  großen  Säulensäle  der  Apadanas 
über  die  vorn  und  seitlich  vorgelagerten 
Säulenhallen. 

Dieulafoy,  der  den  merkwürdigen  Bau 
zuerst  bekannt  machte,  deutete  ihn  als 
Tempel,  als  »ayadana«,  und  zog  zum  Ver- 
gleich ein  an  die  Rückseite  des  Palastes 
in  Hatra  angelehntes  Gebäude  heran,  das 
gleichfalls  aus  einer  quadratischen  Cella  mit 
geschlossenem   Umgang   besteht   (oben    im 


Abb.  3.     Tempel  in  Susa  {a),  Saljr  {b),  Seeia-Si  (i^)  und  Sür  {ä).     Maßstab   i  :  1000. 


fundenen  und  den  Namen  des  Artaxerxes 
tragenden  Säulenbasis  genau  übereinstim- 
men, größer  sind  als  die  beiden  Basen  der 
Prostas.  Die  inneren  Säulen  sind  also 
höher  gewesen  als  die  äußeren,  und  die 
Cella  wird  über  den  niedrigeren  Umgang 
basilikal  hinausgeführt  gewesen  sein,  genau 


Sarre  und  Herzfeld,  Iranische  Felsreliefs  1910,  240; 
Strzygowski,  Die  Baukunst  der  Armenier,  1918,  6^9 
Abb.  637.  Die  von  Strzygowski  gegebene  Deutung 
als  Anahitatempel  aus  dem  Anfang  des  IV.  Jahr- 
hunderts ist  nicht  unmöglich,  entbehrt  aber  der 
Begründung.  Veranlaßt  ist  sie  wohl  durch  die 
Nachricht  des  Berosos  (überliefert  im  Protreptikos 
des  Clemens  von  Alexandria  V  65,  3,  Ausg.  Stählin  I, 
1905,  S.  50),  daß  Artaxerxes  II  rpiöxo?  xrii  'Acppo- 
8iTT)5  'AvaiTi5o{  t6  ötyaXfAa  dvasxriaa;  h  BaßuXüivi 
xai  Zo'iaoi;  xal  'Exßaxctvoi«  Fi^psaij  xal  Ba'xTpoi«  xal 
AajjicEaxu)  xal  2cep8e3iv  !)7t^8eiSE  o^ßetv. 


Jahrb.S.88  Abb.  7)').  Auch  den  Aufbau  wird 
man  sich  wie  in  Susa  denken  müssen,  d.  h. 
mit  über  den  Umgang  emporgeführter  Cella. 
Die  Rekonstruktion  W.Andraes,  der  über  dem 
Umgang  noch  ein  Obergeschoß  und  infolge- 
dessen ein  gleichmäßig  flaches  Dach  für 
das  ganze  Gebäude  annimmt,  scheint  mir 
durch  den  Bestand  des  Erhaltenen  keines- 
wegs geboten  und  auch  deshalb  unwahr- 
scheinlich, weil  die  Cella  dann  vollständig 
dunkel  ist.  Läßt  man  sie  dagegen  über 
den  Umgang  hinausragen,  so  kann  sie  durch 
Schlitzfenster  unter  dem  Gewölbescheitel 
(wie   in   den  Räumen  3,   5,  8  und   10  des 


■)  W.  Andrae,  Hatra  1  1908,  17  ff.  und  II  1912, 
1 26  Taf.  7,9,11;  G.  Bell  a.  a.  O.  90 ;  Herzfeld, 
Zts.  deutsch,  morgenl.  Ges.  LXVIII   1914,  671. 


279 


Persische  Tempel. 


280 


Hauptpalastes)  leicht  beleuchtet  werden. 
Auch  die  beiden  großen  I.iwane  des 
Palastes  haben  ja  wohl  sicher  die  seit- 
lichen Räume  überragt.  Dieser  Quadrat- 
bau in  Hatra  hat  nun  wegen  des  Helios- 
kopfes über  der  Cellatür  immer  als  der 
Baalstempel  aus  dem  zweiten  Jahrhundert 
gegolten,  der  bei  Cassius  Dion  erwähnt  ist, 
und  auch  Herzfeld  hat  dieser  Meinung  zu- 
gestimmt. Aber  W.  Andrae,  der  das  Bau- 
werk zuletzt  herausgab,  hat  das  wieder  be- 
stritten. »Auch  die  schöne  Türverdachung 
des  quadraten  Raumes  im  Westanbau  mit 
dem  zierlichen  Apollo-Heliosrelief  beweist 
noch  nicht,  daß  dieser  Raum  ein  Heilig- 
tum sein  muß«,  und  »für  den  quadraten 
Raum  könnte  weder  ein  okzidentaler  noch 
ein  orientaler  Tempel  als  Analogie  heran- 
gezogen werden«   (a.  a.  O.  II  S.  143). 

Beide  Einwände  werden  indessen  ent- 
kräftet durch  die  neue  Veröffentlichung 
des  bis  dahin  aus  M.  de  Vogües  Syrie 
centrale  nur  unvollkommen  bekannten 
Tempels  von  Seeia-Si  am  Westrande  der 
Hauranberge  (Abb.  3  c)»).  Dieser  Bau  ist 
laut  Inschrift  als  Tempel  des  Baal  Schamin 
i-  J-  33/3^  V-  Chr.,  in  der  Spätzeit  des  naba- 
täischen  Königreichs,  errichtet  worden.  Hier 
findet  sich  nun  derselbe  Helioskopf  wie  in 
Hatra  sowohl  über  der  Cellatür  wie  über 
der  Tür  zum  Vorhof  (Gsaxpov)»),  und  der 
Grundriß  zeigt  die  weitgehendste  Überein- 
stimmung mit  dem  des  fraglichen  Tempels 
in  Susa.  Auch  hier  eine  quadratische  Cella 
(8,3  X  8,3  m)  mit  vier  Säulen  als  Decken- 
stützen im  Innern  und  geschlossenem  Um- 
gang an  drei  Seiten.  Der  Eingangsseite 
ist  wie  in  Susa  ein  schmaler  Vorraum  und 
*'  diesem  wieder  eine  zweisäulige  Prostas  vor- 
gelagert, die  hier  von  zwei  kleinen  ge- 
schlossenen Räumen  flankiert  ist.  Von  den 
drei  Türen    der   vorderen   Cellawand,    die 

')  M.  de  Vogüe,  La  Syrie  centrale,  Architecture, 
'865/77,  31  fF.  Taf.  2 — 4;  H.  C.  Butler,  Ancient 
Architecture  in  Syria  A,    1907  ff.,   365  ff. 

»)  Hatra:  Andrae,  Hatra  1,  20  Abb.  32  und 
Taf.  11;  II,  151  Abb.  254  (die  ganze  Tür).  — 
Seeia:  de  Vogüe,  Syrie  centrale  Taf.  3  (Cellatür), 
Butler  a.  a.  O.  384  Abb.  331  u.  332  (VorhoftUr).  — 
Erst  nach  Abschluß  dieser  Arbeit  wird  mir  der 
Aufsatz  von  Herzfeld,  Jahrb.  pr.  Kunsts.  XLII  1921, 
107  bekannt,  wo  gleichfalls  auf  diese  Überein- 
stimmung hingewiesen  ist. 


der  ergänzte  Grundriß  zeigt,  ist  nur 
die  rechte  Seitentür  wirklich  festgestellt 
worden,  so  daß  die  Mitteltür  wie  in  Susa 
sehr  wohl  gefehlt  haben  kann.  Was  den 
Aufbau  angeht,  so  nimmt  Butler  zwischen 
den  vier  Innensäulen  ein  Impluvium  an, 
was  indessen  bei  einem  von  jeglichem 
italischen  Einfluß  völlig  unberührten  Bau 
des  östlichen  Hellenismus  ganz  undenkbar 
und  sicher  falsch  ist.  Die  Cella  wird  viel- 
mehr wie  in  Susa  den  Umgang  überragt 
haben.  Über  die  Maße  der  einzigen  in 
situ  gefundenen  Innensäule  und  ihr  Ver- 
hältnis zu  den  Prostassäulen,  die  Butler 
nicht  mehr  gesehen  zu  haben  scheint  und 
deshalb  nach  de  Vogües  Aufnahme  wieder- 
gibt, finden  sich  bei  Butler  leider  keine 
Angaben.  Eine  Verbesserung  gegenüber 
de  Vogüe  bedeutet  dagegen  Butlers  Rekon- 
struktion der  Fassade,  indem  er  das  Ober- 
geschoß über  der  Vorhalle  beseitigt  und 
durch  einen  Giebel  ersetzt,  so  daß  nun- 
mehr eine  typische  Hilanifassade  mit  Säulen- 
halle zwischen  Eck  türmen  entsteht  (Abb.  4)'). 
Diese  Hilanifassade  scheint  indessen  erst 
eine  Bereicherung  des  einfachen  Typus  des 
quadratischen  Tempels  mit  geschlossenem 
Umgang  zu  sein,  wie  er  in  dem  kleineren 
Tempel  des  Duschara  dicht  daneben  noch 
unverfälscht  vorliegt^).  Stilistische  Ver- 
schiedenheiten in  der  Gewändedekoration 
der  äußeren  und  inneren  Türen  lassen  sogar 
mit  der  Möglichkeit  rechnen,  daß  die  Front 
des  Baaltempels  ihre  jetzige  Gestalt  erst 
durch  einen  Umbau  erhalten  hat.  Der  vor- 
gelagerte Peristylhof  schließlich,  der  von 
einer  zweistufigen,  von  den  umlaufenden 
Portiken  überdeckten  Estrade  umsäumt  und 
inschriftlich  als  Ssaxpov  bezeichnet  ist,  voll- 
endet die  Ähnlichkeit  mit  dem  Gebäude 
in  Susa.  Als  Inhaber  des  Tempels  ist 
allerdings  der  semitische  Baal-Schamin  aus- 
drücklich bezeugt,  doch  macht  auch  das 
keine  Schwierigkeiten.  Denn  damals  war 
der  alte  Donnergott  der  Semiten  längst  zu 

')  Doch  ist  der  Umstand  unberücksichtigt  ge- 
blieben, daß  die  Cella  die  Vorhalle  überragt  haben 
muß,  so  daß  auch  diese  Herstellung  nicht  als  end- 
gültig angesehen  werden  kann. 

')  H.  C.  Butler,  Florilegium  didii  a  M.  de  Vogüe, 
1909,  79  ff.  und  Ancient  Architecture  in  Syria  A, 
385  ff. 


28l 


Persische  Tempel. 


282 


einem    Äquivalent    des    persischen    Ahura- 
mazda  geworden'). 

War  der  Tempel  von  Seeia  bisher  durch- 
aus eine  Einzelerscheinung,  so  zeigen  zwei 
ganz  neuerdings  hinzugetretene  Tempel  der 
benachbarten  Ledscha,  dafi  das  Grundriß- 
schema typisch  war  für  den  nabatäischen 
Tempelbau.  Der  Tempel  von  Sahr  (Abb.  3  b) 
steht  dem  susischen  Bau  noch  etwas  näher 
als  der  von  Seeia ^).  Die  Hilanifassade  ist 
offenbar  gleich  von  vornherein  mit  ge- 
plant gewesen  und  nicht  erst  nachträglich 
/wischen    Vorhof    und    Cella    eingezwängt 


zeichnet  Butler  selbst  als  möglich,  man  wird 
daher  auch  hier  mit  einem  geschlossenen 
Umgang  an  den  drei  anderen  Seiten  rechnen 
dürfen.  Überall  wiederholt  sich  das  von 
Stufen  eingefaßte  Ssatpov,  in  dem  der 
Brandopferaltar  stand,  wie  das  Beispiel  von 
Sahr  zeigt.  Ähnlich  war  in  Susa  der  Hot 
von  einem  schmalen  Ziegelplattenbelag  um- 
säumt, und  nur  an  Stelle  der  offenen  Por- 
tiken ist  ein  geschlossener  Korridor  ge- 
treten, wie  es  der  Bauweise  der  unteren 
Euphrat-  und  Tigrislandschaft  entspricht'). 
Die  Übereinstimmung    in  Grundriß    und 


Abb.  4.     Baalstempel  in  Seeia,  Herstellungsvorschlag  von  Butler.     Maßstab   i  :  200. 


worden,  wie  es  in  Seeia  den  Anschein  hat. 
Die  Innensäulen  sind  zwar  nicht  in  situ, 
aber  immerhin  in  der  Cella  gefunden.  Zeit 
der  Erbauung  ist  nach  Butler  wohl  das 
erste  Jahrhundert  n.  Chr.  Der  Tempel  von 
Sür  (Abb.  ^d),  nach  seiner  Ornamentik 
dem  von  Seeia  etwa  gleichzeitig,  ist  leider 
so  tief  verschüttet,  daß  einstweilen  nur  die 
viersäulige  Cella  gesichert  ist 3).  Die  An- 
nahme   einer   Porticus   vor   der   Front   be- 


')  F.  Cumont,  Textes  et  monum.  figures  relatifs 
aux  mysteres  de  Mithra  I,  1899,  S.  86  f.  —  Cumont- 
Gehrich,  Die  Orient.  Religionen  im  röm.  Heidentum' 
1914,   147  u.   170. 

»)  Butler,  Anc.  Arch.  A,   441  ff.  Abb.  387. 

3)  Butler  a.  a.  O.  428  ff,   .■Vbb.  371. 


Aufbau  zwischen  dem  Gebäude  von  Susa 
und  den  nabatäischen  Bauten  geht  so  weit, 
daß  ein  geschichtlicher  Zusammenhang  trotz 
der  zeitlichen  und  örtlichen  Entfernung 
kaum  geleugnet  werden  kann,  und  da  der 
Bau  von  Seeia  sicher  ein  Tempel  war,  so 
wird  auch  die  Deutung  des  susischen  Baus 
als  Tempel  mehr  als  wahrscheinlich. 

Dazu  kommt  noch  ein  anderes.  Die 
Ähnlichkeit  des  Tempels  von  Seeia  mit 
dem  von  Susa    liegt   nicht  nur  im  Grund- 


')  Die  Abneigung  gegen  offene  Säulenhallen  ist 
hier  ja  uralt  und  wirkt  selbst  noch  in  frühislamischer 
Zeit  nach,  vgl.  beispielsweise  den  großen  Mittelhof 
im  Palast  von  Uchaidir,  wo  die  umlaufenden  Portiken 
zu  Kryptoportiken  umgewandelt  sind  (O.  Reuther, 
Ochejdir  191 2,  Taf.  3). 


283 


Persische  Tempel. 


284 


riß,  sondern  erstreckt  sich  auch  auf  die 
formale  Ausgestaltung  der  Bauglieder.  Die 
Basen  der  Prostassäulen  in  Seeia  (Abb.  5  d) 
haben  die  persische  Glockenform,  nur  hat  das 
Blattwerk  jetzt  unter  hellenistischem  Ein- 
fluß Akanthuscharakter  erhalten.  Die  Stier- 
protomen in  tektonischer  Verwendung  (bei 
de  Vogüd  Taf.  3)  sind  ebenfalls  der  achä- 
menidischen  Baukunst  geläufig,  und  die 
Blätter  an  dem  ionischen  Pilasterkapitell 
ebendort  (Abb.  5  b),  deren  Ränder  und 
Rippen  wie  bei  persischen  Goldschmiede- 
arbeiten   mit   Zellenschmelz    als   Stege    ge- 


altindischen  Kapitell  aus  Sankisa  (Abb.  5  a) '), 
also  in  einem  Kunstkreis,  der  wieder 
von  der  achämenidischen  Kunst  aufs  stärkste 
beeinflußt  ist.  Diese  zahlreichen  Beziehungen 
auch  im  Formalen  zwischen  Seeia  und  der 
altpersischen  Baukunst  machen  wohl  die 
Tatsache  eines  geschichtlichen  Zusammen- 
hangs zur  Gewißheit. 

Wie  indessen  dieser  Zusammenhang  zu 
erklären  sei,  ist  bei  der  Dürftigkeit  unseres 
vorderasiatischen  Denkmälerbestandes,  der 
die  Zwischenglieder  aufweisen  müßte,  schwer 
zu    sagen,    und    die   Frage   ist   wohl    einst- 


Abb.  5.     Kapitelle  und  Basen  von  Sankisa  (a),  Seeia  (6,  ä,  g,  h),  Suweda  (f),  Arak  el  Emir  («), 
Gerasa  (/),  Mylasa  (/).     Maßstab  für  a  etwa   1  ;  50,  für  b — i  i  :  40. 


bildet  sind,  finden  sich  genau  so  an  einem      weilen    überhaupt  nicht   mit  Sicherheit  zu 

')  AI.  Cunningham,  Reports  of  the  Archaeological 
Sarvey  of  India  1  1871,  274  Taf.  46;  J.  Sohrmann, 
Die  altindische  Säule  1906,  17  Abb.  10;  J.  Fer- 
gusson,  History  of  Indian  Architecture  P  1910,  58 
Abb.  6.  Das  ganze  Monument  ist  voll  vorderasiati- 
scher Elemente.  So  ist  die  schuppenartige  Gelände- 
andeutung unter  dem  bekrönenden  Elefanten  schon 
altbabylonisch  (vgl.  Kunstgesch.  in  Bild.'  42,  5  u. 
50,  8)  und  dann  gemeinvorderasiatisch  (hetitisch : 
E.  Meyer,  Reich  u.  Kultur  der  Chetiter  87  Abb.  67, 
Jasilikaja ;  phönikisch :  Poulsen,  Der  Orient  und 
die  frühgriech.  Kunst  24  f.  Abb.  14  u.  15;  assyrisch: 
Paterson,  Palace  of  Sinacherib  Taf.  74/76,  77,  78 
und  sonst;  kretisch:  Kunstgesch.  in  Bild.'  93,  i). 
Sie  findet  sich  in  ganz  gleicher  Stilisierung  auf  den 
Wandreliefs  von  Angkor-Vat  (Kambodscha,  XI.  bis 
XII.  Jahrb.,    vgl.    J.   Comaille,    Guide    auz    ruines 


d'Angkor  1912,  59  Abb.  17),  die  mit  den  assyri- 
schen Reliefbildern  zweifellos  in  geschichtlichem 
Zusammenhang  stehen  und  den  östlichsten  Aus- 
läufer altvorderasiatischer  (und  letzten  Endes  ägypti- 
scher?) Wandmalerei  großen  Stils  (Schlachten-,  Jagd- 
bilder u.  dgl.)  darstellen.  Ein  zeitliches  wie  ört- 
liches Zwischenglied  ist  in  den  Jagdreliefs  des  Tak 
i  Bostan  erhalten,  vgl.  Coste  et  Flandin  a.  a.  O. 
Taf.  10  und  E.  Herzfeld,  Am  Tor  von  Asien 
Taf.  45  ff.  —  Dagegen  ist  die  Technik  der  steg- 
umrandeten Stein-  bzw.  Schmelzeinlage,  wie  wir  sie 
an  den  Kapitellen  von  Seeia  und  Sankisa  nach- 
geahmt glaubten,  ursprünglich  in  Ägypten  zu  Hause 
und  von  da  über  Syrien  (vgl.  die  phönikischen 
Elfenbeine  von  Nimrud,  Poulsen  a.a.O.  49  Abb.  39) 
nach  Persien  und  Indien  gewandert. 


285 


Persische  Tempel. 


286 


beantworten.  Man  wird  sich  also  mit  mehr 
oder  weniger  wahrscheinlichen  Vermutungen 
begnügen  müssen.  Am  nächsten  läge  es 
ja,  ein  einfaches  Abhängigkeitsverhältnis 
zwischen  den  nabatäischen  und  persischen 
Tempeln  vom  Typus  Susa  anzunehmen. 
Dann  müßten  die  Zwischenglieder  in  der 
älteren  parthischen  Baukunst  gesucht  werden, 
die  aus  den  Bauten  von  Libanae-Assur  und 
Hatra  erst  unvollkommen  zu  erschließen 
ist.  Es  gibt  aber  auch  noch  die  andere 
Möglichkeit,  daß  nämlich  die  nabatäischen 
wie  der  achämenidische  Tempel  von  Susa 
aus  einer  gemeinsamen  Quelle  geflossen 
sind,  die  dann  nur  die  altsyrische  Baukunst 
gewesen  sein  kann.  Die  altpersische  Kunst 
hat  ihre  zahlreichen  ägyptisierenden  Ele- 
mente ja  sicher  erst  durch  syrische  Ver- 
mittlung erhalten.  Auch  die  glockenförmige 
Säulenbasis,  die  nichts  als  ein  umgekehrtes 
Papyruskapitell  ist'),  könnte  sehr  wohl 
schon  von  der  altsyrischen  Architektur  ver- 
wendet worden  sein,  wenn  auch  ein  Beleg 
einstweilen  nicht  beizubringen  ist*).     Und 

')  Schon  in  der  Baukunst  des  neuen  Reiches 
wird  dies  Papyruskapitell  ganz  unorganisch  auf  den 
Kopf  gestellt,  vgl.  Lepsius,  Denkmäler  I  Taf.  81 
und  Borchardt,  Die  ägyptische  Pflanzensäule  1897, 
57.  Typisch  ist  diese  Verwendung  des  Kapitells 
dann  in  der  altindischen  Baukunst.  E.  B.  Havell 
geht  in  seinem  Bestreben,  die  altindische  Kunst  als 
möglichst  selbständig  zu  erweisen,  wohl  zu  weit, 
wenn  er  auch  das  Glockenkapitell  als  ein  rein  indi- 
sches Gewächs  erklärt  (The  Ancient  and  Mediaeval 
Architecture  of  India  19 15,  58  fr.). 

')  Dafür  spricht  auch  das  Vorkommen  ähnlicher 
Glockenbasen  an  dem  Peripteros  im  benachbarten 
Suweda,  der  dem  Tempel  von  Seeia  stilistisch  eng 
verwandt  ist,  aber  im  Grundriß  keinerlei  Beziehungen 
zu  Persicn  aufweist  (de  Vogüe  a.  a.  O.  Taf.  4; 
Butler,  Architecture  and  other  Arts  1904,  327  AT. ; 
Brünnow  u.  Domaszewski,  Provincia  Arabia  III  1909, 
94  flf.).  Und  wenn  dasselbe  Motiv  sich  in  noch 
freierer  Weise  an  einer  anderen,  kleineren  Basis  in 
Seeia  verwendet  findet,  wo  zwei  solche  Glocken- 
kelche im  Gegensinne  aufeinandergesetzt  sind 
(Butler,  Ancient  Archit.  A,  391  Abb.  339  V,  dazu 
S.  393),  so  läßt  auch  das  auf  eine  alte  Vertraut- 
heit der  syrischen  Baukunst  mit  der  Glockenbasis 
schließen.  Sie  wird  also  wohl  mit  zu  den  ägypti- 
sierenden Elementen  gehören,  die  erst  von  Syrien 
aus  nach  Persien  gelangt  sind.  —  Nicht  damit  zu 
verwechseln  sind  die  akanthisierenden  Blattkelche, 
aus  denen  in  Seeia  und  Arak  el  Emir  bisweilen 
die  Säulen  herauswachsen  (de  VogUe  a.  a.  O.  Taf.  4 
Abb.  5 ;  Butler,  Anc.  Arch.  A,  9  Abb.  8  u.  Taf.  i ; 
ebenso  in  Gerasa,  vgl.  Durm,  Bauk.  d.  Römer», 
1905.    S.  390  Abb.  425,    und    an    dem  längst  ver- 


wie  das  Fassadenmotiv  der  persischen  Pa- 
läste vom  syrischen  Hilani  abgeleitet  ist, 
so  mag  auch  das  Grundrißschema  des  susi- 
schen Tempels  bereits  im  vorhellenistischen 
Syrien  geschaffen  sein'). 

Daß  gerade  das  alte  Syrien  in  den  ersten 
Jahrhunderten  des  ersten  Jahrtausends  als 
Ausstrahlungsherd  kultureller  Güter  an 
erster  Stelle  steht,  zeigt  am  deutlichsten 
die  Geschichte  des  Alphabets.  Und  es  ist 
m.  W.  bisher  nicht  genügend  betont  worden, 
daß  die  Strömungen  auf  künstlerischem  Ge- 
biet im  großen  und  ganzen  immer  dieselben 
Wege  gegangen  sind  wie  die  Ausbreitung 
der  Schrift.   Wie  die  Phöniker  den  Griechen 


schwundenen  Augustus-  und  Romatempel  in  Mylasa, 
der  wohl  syrisch  beeinflußt  ist,  vgl.  Choiseul-Gouffier, 
Voyage  pittor.  de  la  Grece  I  1782,  141  ff.  Taf.  83). 
Dieses  Motiv  möchte  man  zunächst  wohl  für  grie- 
chisch halten,  denn  es  kommt  schon  an  den  Akan- 
thussäulen  von  Delphi  usw.  vor  (vgl.  zuletzt  Pomtow, 
Jahrb.  d.  Inst.  XXXV  1920,  113  u.  120  Anm.  3), 
aber  hier  liegt  die  Sache  insofern  anders,  als  die 
ganze  Säule  wie  ein  naturalistisches  Pflanzengebilde 
aufgefaßt  ist.  Daß  die  hellenistisch-syrischen  Blatt- 
kelche davon  abhängig  sind,  scheint  mir  nicht  ohne 
weiteres  sicher.  Die  Akanthusstilisierung  freilich 
ist  zweifellos  auf  griechischen  Einfluß  zurückzu- 
führen, aber  die  Idee,  den  Säulenschaft  aus  einem 
Blattkelch  herauswachsen  zu  lassen,  finden  wir 
wieder  schon  in  Ägypten  (vgl.  Borchardt,  Die  ägypt. 
Pflanzensäule  19  fr.  Abb.  34,  37,  52  ff.),  und  es  wird 
sehr  zu  überlegen  sein,  ob  nicht  auch  dieses  Motiv 
ebenso  wie  das  der  Glockenbasis  unmittelbar  aus 
der  ägyptischen  in  die  altsyrische  Baukunst  über- 
gegangen sein  kann  und  ob  wir  es  bei  den  Blatt- 
kelchen von  Arak  el  Emir  und  Seeia  nicht  mit  alt- 
syrischem Gut,  nur  in  griechischer  Stilisierung  zu 
tun  haben.  (Vgl.  Abb.  5,  c,  e — i.)  Eine  wesentliche 
Stütze  für  diese  Auffassung  scheint  mir  eine  punische 
Stele  aus  Hadrumetum  zu  bieten,  vgl.  Ph.  Berger, 
Gazette  archeol.  IX,  1884,  5iff.  Taf.  7.  Zu  der 
oben  erwähnten  Basis  aus  Seeia  (Butler,  Anc.  Arch. 
A,  391  Abb.  339  Y)  sind  übrigens  Säulenbasen  aus 
dem  nordsyrischen  Schamal  insofern  zu  vergleichen, 
als  sie  ebenfalls  aus  zwei  im  Gegensinne  aufeinander 
gesetzten  Blattkelchen  bestehen  (Ausgr.  in  Sendschirli 
S.  197  Abb.  88,  S.  293  Abb.  201,  Taf.  33  u.  53). 
Die  zugrunde  liegende  Idee  ist  jedenfalls  hier  wie 
dort  dieselbe. 

')  Herzfeld  macht  in  seinem  oben  erwähnten 
Aufsatz  Qb.  preuß.  Kunsts.  XLII,  107  f.)  darauf  auf- 
merksam, daß  den  aramäischen  bzw.  aramäisierten 
Kleinstaaten  hellenistisch -römischer  Zeit  (Petra, 
Emesa,  Palmyra  mit  Zenobia,  Edessa,  Hatra)  neben 
dem  Felsgrab  auch  der  Grabturm  gemeinsam  sei. 
Dasselbe  ist  wieder  im  achämenidischen  Kunstkreise 
der  Fall.  Das  Problem  liegt  also  auch  in  diesem 
Punkte  genau  so  wie  beim  Tempel. 


28; 


Aus  der  Heidelberger  Sammlung  II. 


288 


die  Buchstabenschrift  und  gleichzeitig  den 
orientalisierenden  Stil  gebracht  haben,  so 
hat  sich  die  altsyrische  Schrift  das  ganze 
Perserreich  erobert,  ist  die  Mutter  der  süd- 
arabischen und  abessinischen  Schrift  einer- 
seits und  der  indischen  anderseits  geworden, 
und  zahlreiche  Elemente  der  Bau-  und 
bildenden  Kunst  haben  sie  auf  ihrem  Wege 
hierhin  wie  dorthin  begleitet').  Dasselbe 
Schauspiel  wiederholt  sich  dann  in  Europa. 
Die  Etrusker  haben  ihre  Schrift  von  den 
Kolonialgriechen  übernommen  oder  mög- 
licherweise schon  aus  Lydien,  also  aus  der 
allernächsten  Nachbarschaft  der  lonier,  mit- 
gebracht^), und  dementsprechend  steht  ihre 
Kunst  der  griechischen  und  im  besonderen 
der  ionischen  so  nahe,  daß  sie  in  der 
Hauptsache  als  eine  griechische  Pro- 
vinzialkunst  gelten  kann,  wenn  sie  da- 
neben auch,  vor  allem  in  der  Architektur, 
eine  Reihe  von  vorderasiatischen  Elementen  1 
enthält,  die  nicht  erst  durch  Griechen  ver-  | 
mittel t  sein  werden.  Wie  dann  später  die 
lateinische    Schrift   mit   der   römischen  Er- 


oberung sich  über  ganz  Westeuropa  ver- 
breitet, so  ist  auch  die  gallorömische  Kunst 
italischer  und  nicht  etwa  griechischer  Her- 
kunft (Massilia!),  wie  man  wohl  gemeint 
hat').  Wie  weiter  in  der  gotischen  Runen- 
schrift die  griechischen  Buchstaben  bei 
weitem  überwiegen,  so  zeigt  auch  die  goti- 
sche Kleinkunst  in  der  Hauptsache  provin- 
ziell-spätgriechischen Charakter  2).  Und  daß 
schließlich  die  altrussische  Kunst  ebenso 
byzantinischer  Herkunft  ist  wie  die  russi- 
sche Schrift,  ist  genugsam  bekannt. 


")  Zum  Eindringen  der  phönikischen  und  später 
der  aramäischen  Schrift  in  Indien  vgl.  Ed.  Meyer,- 
Gesch.  d.  Altertums  III  §  59  sowie  ganz  neuer- 
dings R.  Stube,  Der  Ursprung  des  Alphabets  und  ! 
seine  Entwicklung  (1922)  S.  17  ff.  Die  älteste  aramäi- 
sche Inschrift  in  Indien  (aus  Takschasila)  jetzt  bei 
Bamett  u.  Cowley,  Journal  of  the  Royal  Asiatic 
Society  1915,  34off.  —  Wenn  daher  Tempel  von 
gleichem  oder  ähnlichem  Typus  (d.  h.  quadtat.  oder 
oblonge  Cella  mit  geschlossenem  Umgang)  auch  im 
Bereich  der  indischen  Kunst  nicht  selten  begegnen,  so 
wird  auch  da  eine  Abhängigkeit  von  vorderasiatischen 
Mustern  wenigstens  zu  erwägen  sein.  Vgl.  Fergusson,  [ 
Hlstory  of  Indian  Archit.  I'  322  Abb.  182;  353 
Abb.  204;  356  Abb.  208;  358  Abb.  209;  381 
Abb.  224;  L.  de  Beylie,  L'architecture  hindoue  en 
extreme  Orient  1907,  305  Abb.  276  ff. ;  Grttnwedel, 
Bericht  über  archäo!.  Arbeiten  in  Idikutschari  und 
Umgebung  (Abh.  bayr.  Akad.,  philos.-philol.  Kl., 
XXIV  I,  1906)  42  Abb.  37;  132  Abb.  128;  143 
Abb.  139;  M.A.Stein,  Ancient  Khotan,  1917,  Taf. 
25,  26,  36.  Bezeichnenderweise  taucht  der  gleiche 
Bautypus  auch  am  andern  Ende  der  altsyrischen 
Einflußsphäre  wieder  auf,  in  Abessinien.  Die  christ- 
lichen Kirchen  dieser  Art,  die  hier  noch  heute  üb- 
lich sind,  sind  zwar  alle  ganz  jung,  aber  aus  euro- 
päischem Einfluß  keinesfalls  zu  erklären  und  daher 
wohl  am  ehesten  als  Sprößlinge  einer  alten  sUd- 
arabischen  Tradition  aufzufassen.  Vgl.  Th.  v.  LUpke, 
Deutsche  Aksumexpedition  III,  65  Abb.  184;  66 
Abb.  190;  68  Abb.  194;   69  Abb.  198. 

')  Vgl.  E.  Littmann,  Lydian  inscriptions  (Sardis 
vol.  VI  part  I),   1916,  S.  21   u.  77  ff. 


Bonn. 


F.  Oelmann. 


AUS  DER  HEIDELBERGER 
SAMMLUNG.     U. 

Aus  den  amerikanischen  Grabungen  am 
argivischen  Heraion  ist  ein  Durchschnitt 
der  Terrakottafunde  in  der  Heidelberger 
Sammlung,  welche  durch  ihre  Typen  wie 
auch  durch  die  Abfolge  der  technischen  Her- 
stellung in  erfreulicher  Weise  von  neuem  für 
die  nahe  Verwandtschaft  zwischen  den  ti- 
rynther  und  argivischen  Stücken  Zeugnis 
ablegen,  auf  die  Frickenhaus  in  seinem 
Tirynswerke  so  nachdrücklich  hingewiesen 
hat.  Die  Funde  reichen  von  der  mykeni- 
schen  Zeit  bis  in  das  5.  Jahrhundert; 
zu  bemerken  ist,  daß  auch  hier  die  geometri- 
sche Ware  so  gut  wie  gar  nicht  vertreten 
ist.  Sicher  geometrisch  ist  wohl  nur  das 
Fragmenteines  Reiters  (Abb.  i).  Der  Reiter 
selber  ist  weggebrochen  (am  ehesten  zu  vgl. 
Winter, Typen  I  15,  3;  ausCypem).  Die  von 
Frickenhaus  im  Tirynswerke  IS.  116  Anm.  i 
als  geometrisch  erwähnten  Stücke  (früher 
X  13  und  X  5,  jetzt  X  26  und  X  27),  Abb. 
2  und  3  halte  ich  für  archaisch,  sie  scheinen 


■)  Daher  vermag  ich  auch  Drexel  nicht  zuzu- 
stimmen, wenn  er  neuerdings  wieder  das  geschweifte 
Dach  des  Secundiniergrabmals  in  Igel  auf  ost- 
griechische Einflüsse  zurückführt  (Rom.  Mitt.  XXXV 
1920,  47ff.).  Gerade  die  doppelte  Schweifung  des 
Daches  ist  durch  ein  pompeianisches  Grabdenkmal 
(Mau,  Pomp.  ^  439)  für  Italien  sicher  bezeugt,  und 
ihr  Vorkommen  auf  einem  Mosaikbilde  aus  VVed 
Atmenia  (Tunis)  spricht  gleichfalls  für  italische 
Herkunft  dieser  barocken  Form  (vgl.  Ch.  Tissot, 
Geogr.  de  la  prov.  rom.  d'Afrique  I   1884,  Taf.  l). 

»)  Vgl.  M.  Ebert,  Südrußland  im  Altertum  1921, 
367  u.  369  f. 


289 


Aus  der  Heidelberger  Sammlung  II, 


290 


mir  dem  7.  oder  8.  Jahrhundert  an- 
zugehören. Hellbrauner  Firnis  für  Haar 
und  Tupfen.  Gürtel  und  Halsband  schwarz- 
braun; die  auf  Abb.  3  vom  Gürtel  her- 
abhängenden Schleifen  rötlich  violett;  bei 
Abb.  2  ist  die  Rückseite  flach  und  schwarz 
gefirnißt,  bei  Abb.  3  ist  auch  sie  modelliert 
und  bemalt. 

Aus  der  Reihe  der  handgemachten 
Sitzbilder  wäre  hervorzuheben  das  Köpf- 
chen X  28  (Abb.  4),  dessen  Stil,  besonders 
die   Behandlung  der  gedrehten  Locken  in 


ringförmigen  Wulstes,  der  wohl  Haar  und 
Bart  andeuten  soll.  Es  wäre  dann  also  in 
dieser  Gruppe  durch  das  Heidelberger 
Stück  auch  der  männliche  Typus  vertreten. 
(Abb.  5.)  Unter  den  formgemachten 
stehenden  Frauenbildern  besitzt  die 
Sammlung  3  Adoranten  (die  beiden  Unter- 
arme sind  betend  erhoben  (Abb.  6);  vgl. 
Waldstein,  Heraeum,  H  Nr.  153,  154 
Fig.  64  pl.  XLVI  Fig.  I  und  Tiryns  Nr.  50 
Taf.  VI  9,  dazu  S.  68);  bei  einem  Exemplar 
ist  der  Kopf  erhalten,  der  mit  einer  Stephane 


Abb.   I  — 11;   18,   19  (der  Maßstab  bezieht  sich  nur  auf  die  zwei  letzten). 


gleicher  Weise  an  Metallarbeit  erinnert,  wie 
das  Stück  bei  Waldstein  The  Arg.  Heraeum 
n  54  pl.  XLIV  9;  im  übrigen  ist  diese  Klasse 
genau  n  derselben  Technik  hergestellt, 
wie  sie  Frickenhaus  für  die  tirynther  Stücke 
eingehend  beschreibt  (a.  a.  O.  S.  60,  61). 
Die  gleiche  Identität  der  Entwicklung  und 
Herstellung  besteht  bei  den  formgemach- 
ten Sitzbildern  und  geht  überhaupt  durch 
alle  Gattungen  unserer  Serie. 

Von  den  früharchaischen  stehenden 
Figuren  ist  vielleicht  bemerkenswert  X  3 
wegen  des  eigenartigen,  vom  Hinterkopfe 
nach  vorne  und  nach  hinten  niedergehenden 


geschmückt  ist.  X  34  ist  erwähnenswert 
wegen  der  Opferkuchen  in  den  Händen  und 
der  eigentümlichen  Form  der  Fibeln  (vgl. 
Tiryns  58,  Taf.  VII  3;  eine  Analogie  bietet 
auch  die  merkwürdige  Fibelform  einer  Ter- 
rakottafigur des  4.  Jhdts.  aus  Lokri  (Not. 
scav.  1917,  56,  Fig.  30)  (Abb.  7).  —  Das 
kleine  fein  gearbeitete  Fragment  X  45  zeigt 
in  der  vor  die  Brust  gehaltenen  R.  eine  Lo- 
tosblüte, eine  seltene  Weihung  für  Argos 
und  Tiryns,  wo  ja  bekanntlich  die  der  Göttin 
geheiligte  Sternblume  überwiegt;  mir  ist 
nur  bekannt  Tiryns  a.  a.  O.  Nr.  167,  Taf. 
VIII  4,  ein  Stück  des  korinthischen  Typus. 


291 


Aus  der  Heidelberger  Sammlung  II. 


292 


Von  der  Gattung  der  Hohlterrakotten 
sind  9  Stücke  vorhanden,  immerhin  be- 
merkenswert, da  Frickenhaus  a.  a.  0.  S.  76 
darauf  hinweist,  daß  diese  Klasse  im  He- 
raion so  gut  wie  ganz  fehle,  und  daß  die 
amerikanische  Publikation  nur  8  Fragmente, 
lauter  kleine  Stücke  erwähnt.  Die  Heidel- 
berger Gruppe  setzt  sich  folgendermaßen 
zusammen:  3  sitzende  Göttinen  des  6.  und  5. 
Jhdts.,  darunter  ein  Importstück;  der  Polos 
ist  bei  diesem  höher  als  bei  den  sicher  ar- 
givischen  und  tirynthischen  Exemplaren,  der 
Ton  rötlich,  enthält  kleine  Glimmer- 
blättchen.  Die  Form  stimmt  genau  mit 
Winter  I  43,  5,  einem  rhodischen  Typus, 
überein  (desgl.  auch  mit  der  rhod.  Terra- 
kotte Cat.  Br.  Mus.  B  172  pl.  IX).  3  stehende 
Frauen,  darunter  ein  Stück,  das  am  oberen 
Abschluß  des  dorischen  Peplos  mit  einem 
feinen  gepreßten  Palmettenstreifen  geziert 
ist  und  ein  Fragment  von  anderem  Ton  in 
jonischem  Chiton;  Import;  nächste  Parallele 
auch  von  Rhodos:  Cat.  Br.  Mus.  B  207,  pl. 
XVII;  —  I  Tierkopf,  2  Dickbauchdämonen, 
davon  einer  aus  anderem  Ton,  der  wieder 
Glimmerblättchen  enthält,  auch  Import.  — 
(Abb.  8),  Genrefigur  aus  der  Mitte  des 
5.  Jahrhunderts.  Ein  sitzender  Knabe  stützt 
sich  auf  den  1.  Arm  und  hat  das  1.  Bein  unter- 
geschlagen. Der  r.  Arm,  das  r.  Bein 
fehlen.  In  die  Augen  fallend  ist  die  Ver- 
wandtschaft mit  dem  kauernden  Knaben 
aus  dem  Ostgiebel  von  Olympia,  und  noch 
merkwürdiger  ist  die  Übereinstimmung  mit 
gewissen  Tammuz-Adonisfigürchen  des 
4.  Jhdts.,  wie  sie  neuerdings  vielfach  in  Grä- 
bern von  Rosarno  Medma  gefunden  wurden 
(vgl.  Not.  sc.  1917,  46).  Auffallend  ist  bei 
dieser  kleinen  Gruppe  der  hohe  Prozentsatz 
der  Importware,  während  die  übrigen 
Stücke  fast  durchgängig  der  heimischen 
Fabrik  zu  entstammen  scheinen. 

Unter  den  handgemachten  Tieren 
sind  abgesehen  von  den  mykenischen  Frag- 
menten zu  verzeichnen:  3  Hunde,  l  Widder, 
Kopf  eines  Rehbockes  (.?),  Rehes  (?),  3  Tau- 
ben. 

Reiter:  4  recht  rohe  Exemplare  und 
einer  mit  Schild  wie  Tiryns  Nr.  141,  Abb.  20. 

Lasttiere:  ein  Rind  (?).  Beine  größten- 
teils weggebrochen,  auf  dem  Rücken  ein 
breiter,  bequemer  Sattel,  der  an  den  Seiten 


eingerollt  scheint.  Der  z.  T.  weggebrochene 
Schwanz  auf  den  Sattel  eingeschlagen.  Spu- 
ren von  weißem  Überzuge,  von  roter  und 
bräunlicher  Farbe  auf  dem  Sattel  (Abb.  9). 
—  Fragment  eines  Lasttieres,  das  mit  einem 
auf  vier  Füßen  stehenden  Behälter  be,  ackt 
ist  (Abb.  10).    Vgl.  Tiryns  Nr.  145,  Abb.  24. 

Bruchstück  eines  rechteckigen  Tischchens 
auf  rundem  Fuße;  darauf  ein  Becher  und 
ein  Teller  mit  Früchten  (o.  Kuchen.'');  be- 
sonders zierhche  Arbeit  (Abb.  11). 

Formgemachte  Darstellungen  von 
Tieren  und  Verwandtem:  Sirenen  in 
ganz  flachem  Relief,  die  Rückseite  glatt; 
halbmondförmig  gebogene  Flügel.  —  Rund- 
plastische Vögel  mit  Ausguß  für  Aromata; 
der  Kopf  fehlt  durchgängig;  zu  vgl.  sind  am 
ehesten  die  Tauben  im  Äginawerke  Taf. 
III,  S.  380,  Nr.  72;  an  zwei  Stücken  wäre 
auch  die  Ergänzung  mit  einem  menschlichen 
Kopfe  nicht  ausgeschlossen.  (Vgl.  Wald- 
stein, Heraeum  II  pl.  XLVIII  14,  Nr.  257.) 

Das  Fragment  eines  Fayencefigürchens 
ist  vielleicht  als  Importstück  erwähnenswert. 

In  der  Heidelberger  Sammlung  befindet 
sich  auch  eine  Reihe  der  jetzt  so  bekannten 
Lokrireliefs,  deren  Erwerbung  die  An- 
regung zu  den  Grabungen  in  Lokroi  durch 
Orsi  gab;  vgl.  hierüber  BoU.  d'Arte  III,  406. 
Die  Literatur  über  die  Lokrireliefs  ist  zu- 
sammengestellt im  Cat.  Br.  Mus.  zu  Nr.  B  48 1 ; 
außerdem  füge  ich  hinzu:  Hubo,  Original- 
werke des  Archäol.-Numism.  Inst.  d.  Univ. 
Göttingen  Nr.499;Quagliati,AusoniaIIIi909, 
I36;0rsi,  BoU. d'Arte  III 1909, 406 ff.;  ders., 
Not.  scavi  Suppl.  1914,  59  Abb.  67,  68.  Die 
Heidelberger  Fragmente  haben  deshalb  be- 
sonderes Interesse,  weil  sie  durch  einen  Ver- 
gleich mit  den  bisher  veröffentlichten  Stücken 
einen  Einblick  in  den  Betrieb  der  fabrik- 
mäßigen Herstellung  gewähren,  welcher 
übrigens  durch  eine  eingehende  Betrachtung 
dieser  Publikationen  teilweise  auch  schonge- 
wonnenwerden  konnte.  Offenbar  sind  die  ur- 
sprünglichen Formen  sehr  rasch  abgenutzt 
und  dann  immer  wieder  mit  kleineren  und 
größeren  Freiheiten  erneuert  worden.  Von 
den  85  Fragmenten,  die  sich  in  der  Heidel- 
berger Sammlung  befinden,  könnte  man 
höchstens  von  etwa  26  Stücken  sagen,  daß 
sie  mit  einem  der  veröffentlichten  Stücke 
identisch  sind,  also  aus  derselben  Form  ge- 


293 


Aus  der  Heidelberger  Sammlung  II. 


294 


prägt  sein  können,  und  unter  der  genannten 
Zahl  befinden  sich  nicht  wenige  Fragmente, 
deren  Zeugnis  wegen  ilirer  Kleinheit  eben 
nicht  schwer  wiegt.  Die  übrigen  unterschei- 
den sich  meistens  durch  einige  Ungenauig- 
keiten  oder  absichtliche  Abweichungen  in 
der  Zeichnung  von  den  bekannten  Mustern; 
bisweilen  wird  dieselbe  Darstellung  in  etwas 
jüngerem  Stil  wiederholt,  ist  vielleicht  dem- 
selben Arbeiter  im  Laufe  einer  längeren 
Tätigkeit  zuzuschreiben.  So  z.  B.  verhält 
sich  das  Stück  L.O.  12  (Abb.  12)  zu  Bell.  413, 


hält  die  Geraubte  aber  einen  Kalathos  in  der 
R.  vor  sich. 

Im  allgemeinen  sind  die  einmal  gefun- 
denen Typen  immer  wieder  auf  mannigfache 
Weise  in  dem  nämlichen  Gedankenkreise 
verwandt,  wobei  gern  derselbe  Augenblick 
der  Handlung  erfaßt  wird.  Fragment  L.  0. 
56  (Aljb.  14)  bietet  die  Flügelpferde  vom 
Gespann  des  Hades;  unter  den  Flügeln  ist 
der  Kalathos  im  Herabfallen  dargestellt; 
also  eine  neue  Variante  zu  der  Darstellung 
des  Koraraubes. 


Oben  Abb.  21,   13,   17,  20;  unten  12,   16,   15,   14. 


Fig.  5  wie  Ausonia  154,  Fig.  18  zu  Br.  Mus. 
B  481  pl.  XXI,  d.  h.  es  ist  jünger.  Öfters 
ist  ein  Attribut  verändert  oder  fortgelassen; 
so  stimmt  z.  B.  L.  0.  48  bis  auf  die  kleinste 
Einzelheit  mit  Ausonia  222,  Fig.  70  überein; 
nur  daß  der  Baum  fortblieb.  L.  0.  38  (Abb. 
13)  scheint  einem  Typus  angehört  zu  haben, 
der  sehr  ähnhch  war  dem  des  Bruchstückes 
Boll.  417,  Fig.  11;  statt  des  thronenden 
Gottes  wird  aber  eine  Amphora  vor  dem 
Widder  sichtbar.  Von  der  Darstellung  eines 
Koraraubes  ähnlich  wie  das  eben  genannte 
Stück  im  Br.  Mus.  stammt  wohl  das  kleine 
Fragment  L.O.  66;  an  Stelle  des  Hahnes 


Beachtenswert  sind  übrigens  auf  dem 
Fragment  L.  0.  47  (Abb.  15),  dem  Unter- 
körper eines  nach  1.  schreitenden  Dionysos  (?) 
die  stark  aufgebogenen  spitzen  Schuhe,  wie 
sie  ähnlich,  aber  nicht  in  solcher  Deutlich- 
keit noch  auf  einigen  andern  Fragmenten 
der  Sammlung  begegnen. 

Die  Heidelberger  Sammlung  besitzt  auch 
einige  Bruchstücke,  die  von  den  bisher  ver- 
öffentlichten Mustern  ganz  abweichen.  Ich 
bilde  sie  beistehend  ab. 

Das  Fragment  L.  O.  37  (Abb.  16)  Ober- 
und  Unterschenkel  einer  sitzenden  Frau, 
stammt   augenscheinlich   von   einem   noch 


295 


Aus  der  Heidelberger  Sammlung  II. 


296 


nicht  bekannten  Koratypus,  h.  0,075   cm, 
br.  0,075   cm. 

Die  sehr  zierliche  Prägung  des  Fragmentes 
L.  O.  51   (Abb.  17)  gibt  Kopf,  Oberkörper 


Das  Bruchstück  L.  0.  85  (Abb.  19)  zeigt 
neben  einer  vertikalen  Leiste  einen  in  sehr 
hohem  Relief  und  hohl  gearbeiteten  Rinder- 
kopf.     Die  1.    Bruchkante  gibt  nicht  den 


Abb.  22 — 24. 


und  Teile  von  Armen  und  Flügel. eines  nach 
1.  fliegenden  Eros  wieder,  h.  0,055  cm,  br. 
0,06  cm. 

Ein  nach  1.  kämpfender  bärtiger  Krieger 
ist  dargestellt  auf  dem  Fragment  L.  0.  78 
(Abb.  18).  Die  R.  hielt  die  jetzt  entschwun- 
dene Waffe,  die  L.  faßt  den  Schild.  Der 
Kopf  ist  mit  dem  korinthischen  Helm  be- 
deckt. Von  der  Rüstung  sind  in  einem  Wulst 
in  der  Körpermitte  nur  geringe  Spuren  er- 
halten. Das  Stück  gehört  zu  den  ältesten 
und  stammt  wohl  aus  dem  Anfang  des 
5.    Jahrhunderts,    h.    0,14,    br.    0,135    ori- 


Abb.   25. 


einstigen  Abschluß  des  Reliefs,  h.  0,08, 
br.  0,065  cm. 

Ganz  eigenartig  ist  die  Technik  des  Frag- 
mentes L.  0.  87  (Abb.  20).  Erhalten  ist 
der  untere  Teil  einer  Frau,  welche  auf 
einem  langgestreckten  iTiere  sitzt  oder 
hinaufgehoben  wird.  Der  1.  kenntliche  seit- 
liche Reliefrand  folgt  den  äußeren  Umrissen 
der  Gestalten ;  die  Hinterseite  ist  ausgehöhlt 
und  uneben,  h.  0,07  cm,  br.  0,125  cm. 

Zu  erwähnen  wäre  noch  das  fein  und 
scharf  geprägte  Fragment  L.  O.  27  (Abb.  21), 
das  eine  nach  1.  Thronende  darstellt,  die 
einen  Hahn  auf  dem  Schoß  hält;  es  bildet 
eine  hübsche  Ergänzung  zu  Ausonia  230, 
Fig.  82  1.  oben. 

Einer  Töpferei  auf  dem  Stadtboden  Athens 
verdankt  die  Sammlung  die  Bruchstücke 
von  drei  sehr  schönen  Hohlterrakotten, 
auf  denen  nie  ein  Kopf  gesessen  hatte  und 
die  in  der  Werkstatt  offenbar  als  Muster 
gedient  haben  zur  Erneuerung,  wenn  etwa 
die  Form  stumpf  geworden  war. 

1.  (Abb.  22.)  Oberkörper  einer  in  einen 
Mantel  gehüllten  Frau  im  Typus,  wie  er  seit 
der  zweiten  Hälfte  des  4.  Jahrhunderts 
immer  beliebter  wurde.  Zahlreiche  Paral- 
lelen bei  Winter  H  36,  37,  größtenteils  aus 
Tanagra,    h.  0,075  cm,  br.  0,065  cm. 

2.  (Abb.  23.)  Oberkörper  und  Teil  des 
Unterkörpers    einer    stehenden    Frau;    der 


297 


Museum  fttr  bildende  Kunst  in  Budapest. 


298 


Mantel  ist  über  die  r.  Brust  herabgeglitten, 
der  1.  Arm  in  die  Hüfte  gestützt.  Parallelen 
bei  Winter  II  19,  7  aus  Unteritalien,  18,  7  aus 
Syrakus  oder  Akrai,  h.  0,11  cm,  br.  0,08  cm. 

3.  (Abb.  24.)  Torso  einer  Frau,  die  den 
Oberkörper  nach  1.  aufwärts  gewendet  hat, 
wodurch  sich  die  r.  Hüfte  ausbog;  von  den 
Armen,  die  vorgestreckt  zu  denken  sind, 
war  nur  der  Ansatz  gebildet,  h.  0,165  cm, 
br.  0,07  cm. 

Farbspuren  finden  sich  auf  keinem  der  drei 
Stücke.  Die  Modellierung  ist  besonders  bei 
dem  ersten  von  außerordentlicher  Feinheit. 

Aus  Tarent  stammt  die  Form  eines 
schönen  weiblichen  Kopfes,  der  wohl  dem 
Anfang  des  3.  Jahrhunderts  angehört.  Ich 
bilde  den  Ausguß  beistehend  ab  (Abb.  25), 
h.  0,13  cm,  br.  0,09  cm.  Das  feine  Oval  des 
Antlitzes,  die  sanfte  Schwingung  des  Augen- 
knochenbogens,  die  sich  spitz  nach  oben 
verjüngende  Stirn  sind  Züge,  welche  praxi- 
telischem  Gute  entlehnt  sind;  doch  zeugt 
der  schmerzlich  pathetische  Ausdruck,  der 
in  dem  aufwärts  gerichteten  Blicke,  den 
leicht  geöffneten  Lippen  liegt,  das  stark 
reliefierte  und  bewegte  Haar,  das  die  Stime 
nach  den  Seiten  zu  verbreitert,  schon  von 
der  Formensprache  einer  neuen  Zeit.  Das 
Köpfchen  steht  auf  einer  Linie,  welche  von 
praxitelischen  Typen  wie  die  knidische 
Aphrodite  zu  der  Stilrichtung  führt,  die  die 
pergamenische  Schule  einschlug,  und  welche 
ihr  Frauenideal  in  einem  Kunstwerk  ver- 
körperte, dessen  Reste  jetzt  ein  Kleinod  der 
Berliner  Sammlungen  bilden. 


Heidelberg. 


Gertrud  Baumgart. 


reicherte  Sammlung  thasischer  Skulpturen 
wurde  aus  Wien  nach  Budapest  überführt 
und  als  Leihgabe  des  Besitzers  in  einem 
Parterreraume  des  Museums  für  bildende 
Kunst  ausgestellt.  Von  dem  auch  den 
Antikenbestand  des  Museums  umfassenden 
Katalog  sind  in  kurzer  Zeit  3  Auflagen 
vergriffen  worden,  die  4.  illustrierte  ist 
jetzt  im  Gebrauch:  Hekler,  Az  antik  plaszti- 
kai    gyüjtem^ny,  Budapest    1920.      Da    der 


MUSEUM  FÜR  BILDENDE  KUNST  IN 
BUDAPEST. 

Ausstellung  thasischer  Funde. 

Noch  während  des  Krieges  im  Jahre  1918 
konnte  die  antike  Skulpturensammlung  des 
Museums  durch  das  Entgegenkommen  des 
gewesenen  österr.-ungarischen  Konsuls  in 
Kavalla  Herrn  Adolf  von  Zsolnay  eine, 
wenn  auch  nur  vorübergehende,  doch 
immerhin  sehr  erfreuliche  Bereicherung  er- 
fahren. Seine  seit  Sittes  Publikation:  Österr. 
Jahreshefte  XI   1908,   14a ff.  wesentlich  be- 


Abb.  I.     Griechischer  männlicher  Kopf  von 
einem  Grabmal. 

Text  des  ungarischen  Kataloges  den  wenig- 
sten Fachgenossen  zugänglich  sein  dürfte, 
so  sollen  hier  die  von  Sitte  noch  nicht 
angeführten,  neu  erworbenen  Stücke  der 
Sammlung  durch  einige  knappe  Notizen 
und  zum  Teil  auch  bildlich  weiteren  Kreisen 
bekannt  gemacht  werden. 

1.  (Abb.  i).  Griechischer  männ- 
licher Kopf  von  einem  Grabmal  aus 
der  Zeit  um  400  v.  Chr.  Stilistisch  wäre 
etwa  der  links  stehende  Mann  des  Grab- 
mals der  Sammlung  Tyskiewicz:  Studniczka, 
Griechische  Kunst  an  Kriegergräbern  T.  XV 
zu  vergleichen.  —  H.  0,16  m. 

2.  Griechisches  Mädchenköpfchen 
mit  Melonenfrisur  von  einer  Grabstatue 
des  4.  Jahrhunderts.  Vgl.  die  beiden  gut 
erhaltenen    Exemplare    1.    München    Phot. 


299 


Museum  für  bildende  Kunst  in  Budapest. 


300 


Einzelaufnahmen  1992;  2.  Wien,  Phot.  Ein- 
zelaufnahmen 66.  Besonders  reizvoll  ist 
der  anmutig  lächelnde  Ausdruck.  —  H.  o,  1 6  m. 
3.  (Abb.  2).  Weiblicher  Kopf  von 
einem  griechischen  Grabmal.  Der 
schwermütig  pathetische  Blick  und  die 
Großheit  der  Auffassung  kontrastieren 
seltsam  mit  der  besonders  in  den  Haaren 
stark  zu  empfindenden  kleinlichen,  trockenen 


Abi), 


Griechischer  weiblicher  Kopf  von 
einem  Grabmal. 


Aus/ührung.  Diese  widerspruchsvollen  Mo- 
mente sind  Anzeichen  einer  späteren  Ent- 
stehung, etwa  im  i.  Jahrhundert  v.  Chr., 
wo  die  Inselkunst  in  Stil  und  Form  häufig 
auf  die  großen  Grabmalstypen  der  klassischen 
Zeit  zurückgreift.  —  H.  0,33  m. 

4.  (Abb.  3).  Griechischer  Athena- 
kopf,  flüchtige,  aber  wirkungsvolle  Original- 
arbeit des  4.  Jahrhunderts.  Als  nächst- 
verwandt vgl.  die  Athena  Soteira  des  Ke- 
phisodotos.  Heibig,  Führers  Nr.  io6g.  — 
H.  0,36  m. 

5.  (Abb.  4).  Griechischer  Athleten- 
kopf von    einer   bewegten    Statue.     Früh- 


hellenistische Arbeit,  in  der  sich  skopasische 
und  lysippische  Traditionen  kreuzen.     Für 


Abb.  3.     Griechischer  Athenakopf. 

den  Stil  vgl.  den  Jünglingskopt  des  Museo 
Nazionale  zu  Rom  Heibig  Führer  ^  Nr  1382; 
Jahrb.  d.  Inst.  XXV  19 10  Taf.  7.  — 
H.  0,27  m. 

6.  (Abb.  5).    Griechische  weibliche 
Gewandstatuette.       Der     rechte     Arm 


Abb.  4.     Griechischer  Athletenkopf. 

war  ursprünglich  aufgestützt.  Die  schlanken 
Proportionen,  die  hohe  Gürtung,  der  be- 
wegte Rhythmus,  sowie  die  effektvollen  Kon- 


301 


Museum  für  bildende  Kunst  in  Budapest. 


302 


traste  in  der  Gewandbehandlung  weisen 
auf  hellenistischen  Ursprung.  Verwandte 
Konzeptionen  sind  in  unserem  Denkmäler- 
vorrat zahlreich  erhalten:  i.  Vente  Hart- 
mann Nr.  4z 2  Reinach,  Rep.IV,  41 5, 9;  2.  Ex- 
hibition  of  Ancient  Greek  Art.  Burlington 
Fine  Arts  Club  pl.  XXX.  Nr.  42;  3.  Rei- 
nach, Rep.  II,  307,  i;  4.  Altertümer  von 
Pergamon  VII,  2  S.  199;  5.  Neapel,  Museo 
Nazionale,  Pasetti,  Briefe  über  antike  Kunst 
S.   81   Abb.   51.  —  H.  0,55  m. 


Abb.  5.     Griecliische  weibliche  Gewand- 
statuette. 

7.  (Abb.  6).  Griechische  Aphro- 
ditestatuette, hellenistische  Original- 
variante eines  oft  wiederholten  Typus  des 
4.  Jahrhunderts.  Vgl.  Museum  of  Fine  Arts 
Bulletin,  Boston  1909  Nr.  39  p.  3i;Phot. 
Einzelaufnahmen  Nr.  1542;  2081  —  2083; 
2596;  und  das  mit  einstiger  Polychromie 
erhaltene  Exemplar  in  Neapel:  Ruesch, 
Guida  p.  313  Nr.  1325;  Kunst  und 
Künstler,  Jahrgang  XIII,  Heft  12,  554 
Abb.    19.  —  H.  0,47  m. 


8.  (Abb.  7).  Griechisches  Weih^- 
r  e  1  i  e  f.  Fragment  aus  der  Gegend  von 
Amphipolis.  Neben  dem  bärtigen  Gott 
rechts  die  Reste  der  eingegrabenen  In- 
schrift . .  YS  =  Zeus  und  über  dem  ersten 
Reiter:  KASSANDROS.  Der  Gebrauch 
der  gebrochenen  Querhasta  sowie  Stil- 
charakter machen  späthellenistische  Ent- 
stehung wahrscheinlich.  Vgl.  Ath.  Mitt. 
XXXIII  1908,  43  Nr.  2  —  H.  0,47,  Br.  46  m. 

9.  Griechisches  Weihrelief  sog. 
Totenmahl.  Der  herkömmliche  Typus 
erscheint  hier  im  Sinne  der  hellenistischen 


Abb.   6.      Griechische  Aphroditestatuette. 

Zeit  durch  Andeutung  der  landschaftlichen 
Umgebung  bereichert.  Vgl.  Bull.  corr.  hell. 
XXVI  1902,  476  Fig  4;  Reinach,  Rep. 
IV,   179,   3   —  H.  0,47,  Br.  0,51.  m. 

10.  Römischer  inännlicher  Por- 
trätkopf. Die  Haartracht  weist  auf  die 
Zeit   des   jüngeren   Drusus    —    H.   0,23  m. 

1 1.  (Abb.  8).  R ö  m i  s  c  h  e  r  w  e i  b  1  i  c h  e  r 
Porträtkopf,  ein  charakteristischer,  vor- 
züglicher Vertreter  der  augusteischen  Bild- 
kunst. Die  Profilansicht  hat  noch  den 
ganzen    Zauber     der     vornehmen    Jugend- 


303 


Museum  für  bildende  Kunst  in  Budapest. 


304 


Schönheit  bewahrt,   in  der  durchgeistigten, 
von  nervöser  Müdigkeit  umflorten  Vorder- 


Lorbeerzweig  geschmückte  kapuzenförmige 
Haube  der  Frau  (Priesterin?)  mit  den  beider- 


Abb.  7.     Griechisches  Weihrelief. 


ansieht  dagegen  sind  schon  die  markanteren 
Züge  des  reiferen  Alters  kenntlich.  — 
H.  0,23  m. 

12.  (Abb. 9).  Schildförmiges  Doppel - 
porträt  eines  römischen  Ehepaares. 


seits  neben  den  Ohren  herabhängenden  Bom- 
meln sind  lokale  Trachteigentümlichkeiten, 
zu  denen  mir  keine  genauen  Parallelen  be- 
kannt sind.  Das  einst  wohl  sepulkral  verwandte 
Medaillon    ist    ein    sehr    charakteristisches 


Die    hoch    aufgetürmte,     mit    eingeritztem      Erzeugnis  der  einheimisch-römischen  Kunst- 


Abb.   8,     Römischer  weiblicher  Porträtkopf. 


305 


Museum  für  bildende  Kunst  in  Budapest. 


306 


Übung  in  den  östlichen  Provinzen.  Stil 
und  Bärttracht  des  Mannes  sind  Anzeichen 
trajanisch-hadrianischer  Entstehung.  — 
H.  0,33,' Br.  0,57  m. 

Seit  Sittes  Publikation  ist  aber  die  Samm- 
jung Zsoliiay  durch  freiwilliges  Opfer  um 
ein  Stück  auch  ärmer  geworden.  Der  Be- 
sitzer hat  in  edler  Begeisterung  für  »das 
verlorene  Schöne«  des  Altertums  und  seine 
Liebe  den  höheren  wissenschaftlichen  Inter- 
essen unterordnend  den  schönen  Mädchen- 
kopf Ostern  Jahresh.  XI  1908  Taf.  III— IV 
auf  meine  Anregung  hin  —  im  Tausche 
gegen      fünf     archaische      architektonische 


Ende  des  i.  vorchristlichen  Jahrhunderts. 
(Man  vgl.  außer  den  Statuen  aus  Magnesia 
Hekler,  Römische  weibliche  Gewandstatuen 
123  ff.,  die  P.  Maximina  aus  Trentham: 
The  Burlington  Magazine  XII  1908  p. 
331 — 333  und  meine  ergänzende  Notiz 
daselbst  XIII  p.  156,  Rom.  weibl.  Gewand- 
statuen 247;  und  eine  Porträtstatue  im 
Museum  zu  Chalkis  Nr.  48g.  'Hcpr^jj..  6.^-/. 
1907  pl.  3).  Nicht  viel  anders  möchte 
ich  auch  die  andere  Thasierin:  Mendel, 
Cat.  I.  p.  347  Nr.  137;  Österr.  Jahresh. 
XI  1903,  158;  Collignon,  Statues  funeraires 
166    Fig.  97;  Jahrb.   d.   Inst.  XXVII   191 2, 


Abb.  9.     Schildförmiges  römisches  Doppelporträt. 


Terrakottareliefs  aus  Ak-Alan  (Pontus,  erste 
Hälfte  des  VI.  Jhs. ;  vgl.  Macridy-Bey,  Une 
citadelle  archaique  du  Pont,  Mitt.  d.  Vorder- 
asiat. Ges.  Jg.  12,  1907  Heft  4;  Rom. 
Mitt.  XXX  191 5,  i6fif.)  —  dem  Ottomanischen 
Museum  in  Konstantinopel  überlassen,  wo 
inzwischen  der  Kopf  mit  dem  von  Sitte 
schon  vorher  als  zugehörig  erwiesenen  Körper 
vereint  werden  konnte  (Mendel,  Cat.  I.  p. 
344  Nr.  135).  Das  Ergebnis  der  Zu- 
sammenfügung soll  die  in  Abb.  10  wieder- 
holte Photographie  veranschaulichen,  die 
ich  der  nie  versagenden  Güte  seiner 
Exzellenz  Direktor  Halil  Bey  verdanke. 
Die  so  wiedergewonnene,  von  sanfter 
Wehmut  durchbebte,  schöne  Thasierin  fügt 
sich  in  Stil  und  Auffassung  natürlich  in 
die    Reihe    der    idealen    Ehrenstatuen    vom 

Archäologischer  Anzeig^er  1921. 


12  datieren.  Die  in  der  Nähe  des  Cara- 
callabogens  gefundene  Basis  mit  der  Ehren- 
inschrift für  Fl.  Vibia  Sabina  ist  keines- 
falls die  ursprüngliche  und  kann  nur  von 
einer  zweiten  Verwendung  der  Statue  her- 
rühren. Der  von  Mendel  vorgeschlagenen 
Datierung  in  die  Regierungszeit  des  Cara- 
calla  widerspricht  der  Stilcharakter  aufs 
entschiedenste.  Wie  man  am  Anfange  des 
3.  nachchristlichen  Jahrhunderts  in  den 
östlichen  Bildhauerwerkstätten  gearbeitet 
hat,  darüber  kann  uns  die  ebenfalls  in  Kon- 
stantinopel befindliche,  aus  Yalovatch 
stammende  Porträtsstatue  einer  KORNF^LIA: 
Mendel,  Cat.  III  p.  588  Nr.  1377  belehren. 
(L'ber  die  Ausgrabungen  in  Yalovatch  vgl. 
Athenaeum  igi  2,  II  p.  45,  149,  226,  252  :  W. 
M.  Calder,  Preliminary  Report  of  the  Wilson 


307 


ArcUoIoKisches  aut  Griechenland. 


308 


Trustees  for  the  year  1 9 1 1 ;  Journ.  Rom.  Stud. 
1912,  79  ff;  Journ.  Hell.  Stud.  1912,  1 1 1  ff.) 
Die  Trockenheit  und  Härte  des  Stiles,  die 
an  geistlose  Manier  grenzende  technische 
Gewandtheit  und  die  durch  affektierte  Haltung 


Abb    10.      Ideale  Ehrenstatue   einer  Thasicrin. 

erzwungene  pretentiöse  Vornehmheit  der 
Erscheinung  verraten  hier  im  Einklang  mit 
der  Haartracht  deutlich  die  späte  Entstehung. 
Von  all  dem  ist  an  den  beiden  Thasierinnen 
nichts  zu  spüren.  Hier  lebt  noch  echt 
griechische  Innerlichkeit  und  in  der  Aus- 
führung  macht   sich    die  für  die  späthelle- 


nistiscbe  Zeit  so  charakteristische  Erschöp- 
fung, ein  Mangel  an  Frische  und  Erfindung 
merkbar. 

Auch  unsere  Antikensammlung  ist  durch 
den  Herrn  Konsul  A.  von  Zsolnay  mit 
einem  wertvollen  Geschenk  bedacht  worden. 
Seiner  Opferbereitschaft  verdanken  wir  das 
in  Rom  gefundene  in  den  Not.  d.  Scavi 
1908,  349  Fig.  2  und  3  bereits  veröffent- 
lichte doppelseitige  dionysische  Relief  mit 
der  Darstellung  von  a)  tanzenden  Satyrn 
(in  flachem  Relief)  und  b)  dionysischen 
Masken  (in  stark  erhöhtem  Relief).  Das 
Relief  gehört  zu  den  besten  bekannten 
Vertretern  der  sog.  neuattischen  Gattung 
und  muß  auf  Grund  seines  Stiles  in  die 
erste  Hälfte  des  2.  nachchristlichen  Jahr- 
hunderts angesetzt  werden.  Über  die  ur- 
sprüngliche Aufstellungsart  auf  schlankem 
Marmorpfeiler  vgl.  Not.  d.  Scavi  191 7,  5 68  ff; 
Arndt,    La   Glypt.    Ny-Carlsberg    p.   104/5. 

Budapest,  September    1921. 

A.  Hekler. 


ARCHÄOLOGISCHES  AUS 
GRIECHENLAND. 

Diese  ursprünglich  für  Vorträge')  nieder- 
geschriebenen Zeilen  beanspruchen  nicht 
etwa  die  vorzüglichen  Jahresberichte,  mit 
denen  uns  hier  bis  1916  G.  Karo  verwöhnt 
hat,  fortzusetzen,  in  einer  auf  Vollständig- 
keit abzielenden  Übersicht  der  archäologi- 
schen Arbeiten  in  Hellas,  seit  es  durch  die 
Ereignisse  des  Weltkrieges  und  was  daraus 
folgte  aus  unserem  Gesichtskreise  gerückt 
worden  war.  Dafür  sind  wir  vorerst  auf  die 
Fachpresse  glücklicherer  Staaten  angewie- 
sen, soweit  sie  uns  schon  wieder  zugänglich 
ist  ^).  Nur  eine  Auswahl  aus  dem  soll  gegeben 


•)  Auf  Wunsch  der  Veranstalter  sprach  ich  Ober 
denselben  Gegenstand,  natürlich  erheblich  verschie- 
den, vor  der  53.  Philologenvcrsammlung  in  Jena 
(Verhandlungen  7  f.  Hellas,  Organ  d.  deutschgr.  Ge- 
sellsch.  I  1921  Nr.  6/7)  und  auf  dem  Winckelmanns- 
fest  der  Archäolog.  Gesellschaft  in  Berlin,  1921. 
(Vgl,  unten  Sp.  357.) 

")  An  erster  Stelle  steht  das  neue  'Ap/aioX.  heMo\ 
des  griechischen  Ministeriums  1915 — 1918  und  die 
emsige  Berichterstattung  des  Americ.  journ.  of  ar- 
chaeol.  Eben  noch  hinweisen  kann  ich  auf  den  treff- 
lichen, knapp  zusammenfassenden  Bericht  von  Wace 


309 


Archäologisches  aus  Griechenland. 


310 


werden,  was  der  Verfasser  selbst  erlebt  und 
wahrgenommen  hat,  als  er  im  Winterhalbjahr 
1920/21  (vom  22.  Oktober  bis  zum  21.  April) 
die  Ehre  und  das  Glück  hatte,  das  Archäo- 
logische Institut  des  Deutschen  Reiches  in 
Athen  wieder  in  Gang  setzen  und  leiten  zu 
dürfen. 

Es  ist  bekannt,  welche  fruchtbare  und 
ruhmreiche  Tätigkeit  in  Forschung  und 
Lehre  dieses  Institut  entfaltet  hat,  seit  es 
im  Jahre  1875  der  um  46  Jahre  älteren 
Anstalt  in  Rom  zur  Seite  trat.  Seine  wissen- 
schaftliche Arbeit,  besonders  Grabungen  in 
Olympia,  am  Dipylon  und  in  Tiryns,  setzten 
die  beiden  letzten  Leiter,  Prof.  Karo  und 
Baurat  Knackfuß,  auch  während  des  Krieges 
fort,  bis  sie  im  November  1916  von  den  feind- 
lichen Mächten  kurzerhand  aus  dem  damals 
noch  neutralen  Königreiche  verwiesen  wur- 
den (Arch.  Anz.  1916,  242).  Scheidend  über- 
trugen sie  die  Obhut  über  das  Institut  der 
archäologischen  Abteilung  im  griechischen 
Unterrichtsministerium,  und  diese  von  K. 
Kuruniotis  geleitete  Behörde  hat  das  in  sie 
gesetzte  Vertrauen  durchaus  gerechtfertigt. 
Auch  als  das  Land  auf  die  Seite  unserer 
Feinde  gedrängt  worden  war,  blieb  das  In- 
stitut unangetastet,  und  sobald  sich  der 
Friedenszustand  einigermaßen  befestigt  hatte, 
ließ  noch  die  veniselistische  Regierung  unsere 
Berliner  Zentraldirektion  wissen,  daß  sie  der 
hochverdienten  Anstalt  gegenüber  auf  alle 
aus  dem  Vertrag  von  Versailles  hervorgehen- 
den Siegerrechte  verzichte  und  ihr  deren 
Wiedereröffnung    willkommen    sein    werde. 

Vor  der  Einsetzung  neuer,  dauernder 
Leiter  beschloß  die  Zentraldirektion,  vorerst 
iür  den  Winter  1920/21  eins  ihrer  älteren 
Mitglieder  hinzusenden,  damit  es  die  Be- 
ziehungen wieder  anknüpfe  und  die  Lage 
prüfe.  Als  der  Erneuerung  meiner  An- 
schauung von  Griechenland  besonders  be- 
dürftig, wurde  ich  mit  der  Aufgabe  betraut, 
zunächst  ganz  allein.  Daß  mir  wenigstens 
seit  Neujahr  eine  Hilfskraft  zur  Seite  stand 
und  auch  den  späteren  Leitern  der  Anstalt, 
Prof.  Noack  und  Buschor  zur  Seite  blieb, 
verdankt  das  Institut  einem  meiner  Leipziger 
Schüler,   Dr.   Gabriel  Welter.     Von  seinem 


über  1919^-1921,   Journ.  heil,  stu'l.  1921,  260  ff.  — 
Vgl.  jetzt  auch  die  Übersicht  von  Noack  oben  S.  239  ff. 


wissenschaftlichen  Können  und  seinem  Ge- 
schick, selbst  in  diesen  Zeiten  eine  wohlfeile 
und  gute  Publikation  herzustellen,  zeugt  bis- 
her das  I.  Heft  der  Bausteine  zur  Archäo- 
logie, die  Karlsruher  Vasen,  zugleich  eine 
Probe  seiner  Leistungsfähigkeit  als  Photo- 
graph. Diese  soll  er  noch  weiter  in  Athen 
üben,  um  den  reichen  Schatz  unserer  dortigen 
Negative  wieder  zu  erschwinglichen  Preisen 
zugänglich  zu  machen  und  möglichst  zu 
vermehren. 

Gleich  mit  mir  reiste  nach  Athen  Professor 
Freiherr  Hiller  von  Gärtringen,  der  seit 
seiner  großzügigen  Erforschung  von  Thera 
mit  an  der  Spitze  der  griechischen  Epi- 
graphiker  steht,  von  der  preußischen  Aka- 
demie beauftragt,  die  längst  notwendige  Neu- 
bearbeitung der  voreuklidischen  Inschriften 
ins  Werk  zu  setzen.  Es  ist  eine  Freude,  zu 
berichten,  daß. dem  Mangel  an  zureichenden 
Akademiemitteln  für  dieses  Unternehmen 
auf  die  Fürsprache  einiger  Mitglieder  der 
Zentraldirektion  opferfreudige  Gönner  in 
München,  Rheinland,  Berlin  und  Leipzig 
abgeholfen  haben.  Auch  wissenschaftlich 
der  epigraphischen  Arbeit  Prof.  von  Hillers 
■  jede  gewünschte  Hilfe  zu  leisten,  war  eine 
selbstverständliche  Pflicht  des  Instituts,  die 
sich  sogar  rein  archäologisch  lohnte.  —  An 
sonstigen  deutschen  Gelehrten  waren  im 
Winter  willkommene  Gäste  des  Hauses  in  der 
Phidiasstraße  vor  Weihnachten  Prof.  Jacobs- 
thal aus  Marburg,  der  sich  die  Reise  durch 
wahrhaft  spartanische  Anspruchslosigkeit  er- 
möglichte, und  im  Frühjahr  ein  hochver- 
ehrtes altes  Haupt  der  Anstalt,  Prof.  Dörp- 
feld.  Mehr  deutsche  Jugend,  als  Dr.  Welter, 
kam  leider  erst  nach  meiner  Abreise,  gleich 
ihm  zumeist  auf  eigene  Rechnung  und 
Gefahr.  Denn  Reisestipendiaten  des  In- 
stituts konnten  vorerst  noch  nicht  wieder 
auch  nach  Griechenland  reisen.  Doch  stiftete 
ein  deutscher  Großindustrieller  in  Athen 
einen  Betrag  in  griechischem  Gelde,  mit  dem 
jetzt  [Winter  1921/22]  ein  anderer  Leipziger 
Doktor,  Ernst  Langlotz,  Verfasser  der  Dis- 
sertation »Zur  Zeitbestimmung  der  strengrot- 
figurigen  Vasenmalerei  und  der  gleichzeitigen 
Plastik«  (E.  A.  Seemann,  1920),  das  Lebens- 
werk des  leider  auch  durch  den  Krieg  hinweg- 
gerafften Botho  Graf,  die  Ausgabe  der  Akro- 
polisvasen,    fortsetzt.      An    außerdeutschen 


3«i 


Archäologisches  aus  Griechenland. 


312 


Gelehrten  waren  besonders  zwei  holländische 
Fachgenossen,  Fräulein  Dr.  Joh.  Brants  aus 
Leiden  und  Professor  G.  van  Hoorn  aus  Ut- 
recht, je  einige  Wochen  lang  willkommene 
Mitbewohner  des  Instituts. 

Meine  erste  Obliegenheit  war  es,  das  In- 
stitutsgebäude, das  in  den  letzten  Jahren 
manchem  außerordentlichen  Zwecke  gedient 
hatte,  möglichst  wieder  in  seinen  alten  Zu- 
stand zurückzuführen  —  keine  leichte  Auf- 
gabe auch  im  Hinblick  auf  die  Kosten,  die 
Valuta  und  Teuerung  zusammen  schon 
damals  ins  Maßlose  steigerten.  Dieselben  ge- 
wichtigen Gründe  erschwerten  die  so  not- 
wendige Vervollständigung .  der  Bücherei. 
Die  dafür  bewilligte  Summe  verschlang  zum 
größten  Teil  schon  die  Buchbinderarbeit  an 
den  inzwischen  eingelaufenen  Fortsetzungen 
und  Neuerscheinungen.  So  war  es  doppelt 
erfreulich,  daß  sich  mit  vielen  außerdeut- 
schen Anstalten  verwandten  Zweckes,  in 
Athen  und  sonst,  alsbald  das  alte  Tausch- 
verhältnis wieder  herstellte,  ohne  daß 
dabei  nach  dem  Unterschiede  der  Geldwerte 
gefragt  worden  wäre.  Dies  ist  um  so  dank- 
barer anzuerkennen,  als  unsere  Zeitschriften, 
besonders  die  Mitteilungen,  zuletzt  noch 
mehr  abgemagert  sind  als  die  der  Sieger- 
staaten. 

Solches  Entgegenkommen  gehört  zu  den 
Zeichen  der  freundlichen  Aufnahme,  welche 
die  Wiedereröffnung  des  Instituts  fast  von 
allen  Seiten  fand.  Zwar  die  allernächste,  die 
österreichische  Schwesteranstalt,  mußten  wir 
noch  entbehren,  was  mir  als  altem  Öster- 
reicher besonders  schmerzlich  war.  Aber  die 
Griechen  selbst  gingen  mit  wahrhaft  brüder- 
licher Hilfsbereitschaft  voran,  amtlich  und 
außeramtlich.  Es  muß  dankbar  betont 
werden,  daß  sich  hierin  die  kurze  Anfangs- 
zeit des  Winterhalbjahrs,  während  der  noch 
Veniselos  regierte,  von  der  auf  seinen  Abgang 
und  die  Rückkehr  König  Konstantins  folgen- 
den nicht  merklich  unterschied.  Überall 
zeigte  sich  der  seit  bald  einem  halben  Jahr- 
hundert aufgespeicherte  Schatz  an  ver- 
trauensvoller Achtung  für  deutsche  Arbeit 
und  Gesinnung.  Namen  wie  Dörpfeld  und 
Wolters,  Karo  und  Knackfuß  bewährten  sich 
als  Zauberworte,  welche  die  Augen  leuchten 
machten,  die  Hände  und  Füße  in  hilfreiche 
Bewegung  setzten.    Ich  glaube  nicht  zu  über- 


treiben, wenn  ich  annehme,  daß  keine  andere 
fremde  Anstalt  in  Griechenland  über  ein 
größeres  Kapital  an  Freundschaft  und  Ver- 
trauen verfügt.  Daß  es  unseren  furchtbaren 
Sturz  so  überdauert,  gereicht  beiden  Völkern 
zur  Ehre.  Diese  in  der  Not  erwiesene  Treue 
nach  Kräften  zu  erwidern,  muß  uns  jedem 
Griechen  gegenüber  eine  heilige  Pflicht  sein. 
Entsprechend  dieser  Stimmung  des  gast- 
lichen Landes  beeilten  sich  auch  verwandte 
Anstalten  unserer  Gegner  im  Weltkriege, 
dem  wieder  auflebenden  Institut  jenes 
achtungsvolle  Entgegenkommen  zu  zeigen, 
das  der  Deutsche  jetzt  überall  erhobenen 
Hauptes  abzuwarten  hat,  bevor  er  alte  Be- 
ziehungen dieser  Art  wieder  aufnimmt. 
Voran  ging  die  amerikanische  und  die  briti- 
sche Schule,  denen  sich  bald  auch  die  fran- 
zösische und  neuerdings  die  italienische 
anschloß.  Unter  den  zahlreichen  Beziehun- 
gen gegenseitiger  Hilfe,  die  sich  so  heraus- 
bildeten, seien  gleich  hier  hervorgehoben  die 
zu  dem  jungen  Kunsthistoriker  Prof.  Cla- 
rence  Kennedy  aus  Northampton,  Massach., 
der  dem  Institut  wertvolle  Dienste  als  ge- 
schmackvoller Photograph  erwies,  und  zu 
J.  P.  Harland,  der  mir  in  Ägina  ein  kundiger 
Führer  war.  Abgesehen  von  diesem  sehr 
regen,  persönlich-wissenschaftlichen  Verkehr 
blieb  der  äußere  Betrieb  unserer  Anstalt 
freilich  noch  weit  hinter  dem  einstigen 
zurück.  Am  schwersten  entbehrte  ich  alter 
Lehrer  die  geregelte  Wiederaufnahme  der 
einst  so  gut  besuchten  Führungen  in  Ruinen 
und  Museen.  Aber  dafür  fehlte  es  im  Winter 
1920/21  noch  an  einem  genügenden  Grund- 
stock deutscher  oder  wenigstens  unserer 
Sprache  hinreichend  mächtiger  Zuhörer.  Ich 
selbst  und  Dr.  Welter  konnten  öfter  an  den 
vorzüglichen  baugeschichtlichen  Führungen 
oder  Übungen  des  Direktors  der  amerikani- 
schen Schule  B.  H.  Hill  teilnehmen,  und  für 
die  Vervollständigung  meiner  Kenntnis  der 
vorgeschichtlichen  Schätze  im  National- 
museum hielten  mir  die  auf  diesem  Gebiete 
führenden  Männer,  der  Direktor  der  briti- 
schen Schule  Wace  und  der  zweite  Direktor 
der  amerikanischen  Biegen  lange  Zeit 
wöchentlich  einmal  ein  sehr  dankenswertes 
Privatissimum,  an  dem  nicht  selten  auch 
der  Museumsdirektor  Stais  förderlichen  Anteil 
nahm. 


313 


Archäologisches  aus  Griechenland. 


314 


Auf  diesem  Gebiet  ist  ja  die  Forschung 
immer  noch  besonders  rege.  Ein  umfassendes 
Handbuch  dafür,  FlpotaTopixi)  'Ap3(aioXo'j'ta, 
gab  schon  vor  dem  Kriegsausbruch  unser 
alter  griechischer  Freund  Prof.  Kavvadias, 
noch  als  Siebziger  unermüdlich  tätig,  heraus. 
Es  enthält  auch  neuen  Stoff,  besonders  eine 
ausführliche  Darstellung  seiner  eigenen  Funde 
in  Kephallonia  (vgl.  ripaxTixa  191 2).  Eine 
weit  knappere,  aber  mit  vollster  Beherr- 
schung gestaltete  Zusammenfassung  besitzen 
wir  jetzt  in  der  Neubearbeitung  der  vorzüg- 
lichen und  vielbenutzten  Doktorschrift  unse- 
res Diedrich  Fimmen.  Auch  als  Krieger 
nach  Möglichkeit  daran  weiterarbeitend, 
hinterließ  der  Tapfere  bei  seinem  am  Heiligen 
Abend  1916  erfolgten  Heldentode  »Die 
kretisch-mykenische  Kultur«  beinahe  voll- 
endet, und  was  noch  fehlte,  hat  kein  Ge- . 
ringerer  als  Karo  hinzugefügt.  Auch  B.  G. 
Teubners  Verlag  tat  mehr,  als  heute  für 
möglich  zu  gelten  pflegt,  um  das  Buch  zu 
einer  vorzüglichen  Grundlage  für  Forschung 
und  Unterricht  auszugestalten.  Die  weitere 
Forschung  steht  zwar  in  Kreta  nicht  still, 
wo  die  beiden  bewährten  Ephoren  Chatzi- 
dakis  und  Xanthudidis  beachtenswertes 
Neues  zutage  gebracht  haben  und  Evans  den 
I.  Band  Knosos  demnächst  herausgeben  wird 
[inzwischen  geschehen].  Aber  mit  besonde- 
rem Nachdruck  wendet  sie  sich,  unter  der 
Führung  von  Wace  und  Biegen,  der  Unter- 
scheidung des  »Helladischen«  von  der  kreti- 
schen Einfuhr  zu.  In  einem  zusammen- 
fassenden Aufsatz  des  Annual  XXII  175  ff. 
gliedern  die  Genannten  die  »helladische« 
Topfware  in  ein  dem  »Minoischen«  ent- 
sprechendes Fachwerk.  Bezeichnend  für  den 
schließlichen  Sieg  des  kretischen  Einflusses 
ist  auch  die  letzte  Stufe  jener  bekannten, 
einfarbigen  Topfware,  die  seit  Schliemanns 
Funden  in  Orchomenos  zumeist  »minysch« 
heißt:  hellgelbe  Becher,  immer  noch  aus 
dem  eigentümlich  seifigen  Ton,  aber  mit  ein- 
fachen kretischen  Blumen  bemalt.  Diese 
Gattung  wird  als  »ephyräisch«  bezeichnet, 
weil  sie  sich  bisher  nur  in  und  um  Korinth 
gefunden  hat  ').  Dort  machen  die  Ameri- 
kaner, Biegen,  Miss  Walker  u.  a.,  Schritt  für 

')  Eben  kann  ich  noch  hinweisen  auf  Carl  Biegen, 
Korakou,  a  prehist.  settlement  near  Korinth,  Bo- 
ston and  New  York,  1921,  4". 


Schritt  ganze  Arbeit,  bis  hinauf  ins  Neo- 
lithische,  dessen  Zeitbestimmung  zwischen 
den  für  Thessalien  von  Tsundas  und  Wace- 
Thompson  gegebenen  zu  frühen  und  zu 
späten  Ansätzen  sich  allmählich  zurecht- 
rückt. Die  Engländer  unter  Wace  führen 
ebenso  gründlich  das  von  Schliemann, 
Tsundas  und  andern  Geleistete  in  Mykene 
fort,  sowohl  bei  den  Schachtgräbern  als  auch 
im  Palast  und  in  den  Kuppelgräbern,  überall 
mit  wichtigen  neuen  Funden  und  Beob- 
achtungen, welche  die  geschichtliche  Abfolge 
genauer  festlegen  und  immer  deutlicher  aus 
der  Prähistorie  wirkliche  Geschichte  machen 
helfen.  (Für  alles  Einzelne  sei  auf  den  ein- 
gangs Anm.  2  erwähnten  letzten  Bericht  von 
Wace  hingewiesen).  Trotz  diesen  Fort- 
schritten wird  auch  das  Ergebnis  der  lang- 
jährigen Arbeit  Karos  an  den  Schachtgräber- 
funden Schliemanns,  ein  umfassender  Auf- 
satz der  Athen.  Mitt.  XL  191 5,  Heft  3/4, 
seine  ehrenvolle  Stelle  behaupten,  wenn  er 
endlich  erscheinen  kann.  Einen  geringfügi-  . 
gen  Beitrag  zu  diesem  großen  Gegenstande 
konnte  ich  mit  der  Beobachtung  liefern,  daß 
der  vermeintliche  hölzerne  Rundschild  aus 
dem  5.  Schachtgrabe  (Schuchhardt  -  Abb. 
290)  vielmehr  der  Rest  einer  dreibeinigen 
Schüssel  ist.  Die  gleichfalls  langjährige, 
fruchtbare  Institutsarbeit  inTiryns  abzu- 
schließen, weilt  seit  dem  Frühling  1921  Kurt 
Müller  in  Griechenland.  Selbstverständlich 
wirken  noch  andere,  namentlich  griechische 
Fachgenossen  auf  dem  weiten  Gebiete  der 
helladischen  Urgeschichte  erfolgreich  mit. 
Als  Beispiel  genannt  sei  die  neue  Erforschung 
der  Schichten  unter  dem  archaischen  Tempel 
von  Therm  OS  durch  Romäos,  deXitov 
1915,  und  die  einschlägigen  Abschnitte  des 
umfassenden  Beitrages  zur  Stadtgeschichte 
Thebens  von  Keramopullos,  der  den  Band 
191 7  desselben  füllt. 

Wichtig  für  die  reife  attische  Keramik 
wurde  mir  die  Bekanntschaft  mit  dem  ameri- 
kanischen Maler  Jay  Hambidge  und  seinem 
neuen  Buche  »Dynamic  Symmetry;  thegreek 
vase«.  Schon  vor  dem  Kriege  drang  die 
Kunde  herüber,  daß  in  den  auserlesenen 
Vasensammlungen  der  Vereinigten  Staaten 
mit  größtem  Eifer  an  der  Feststellung  eines 
neuen  Proportionssystems  gearbeitet 
werde.  Hambidge  nennt  es  etwas  willkürlich, 


315 


Archäologisches  aus  Griechenland. 


316 


im  Gegensatz  zur  »statischen  Symmetrie« 
Vitruvs  und  anderer,  die  auf  einfachen 
Zahlenverhältnisscn  beruht,  »dynamische 
Symmetrie«  und  sieht  ihr  Wesen  darin,  daß 
den  ebenen  Werkzeichnungen  die  Wurzel- 
rechtecke zugrunde  Hegen,  deren  Seiten  sich 
zueinander  verhalten-  wie  i  zur  Quadrat- 
wurzel aus  2,  aus  3  usf.  In  Zahlen  ausge- 
drückt klingt  das  ganz  unglaublich,  aber 
geometrisch  lassen  sich  alle  diese  Verhält- 
nisse mit  einfachem  Zirkelschlag  leicht  kon- 
struieren; auch  der  goldene  Schnitt  findet  in 
dieser  Reihe  seine  Stelle.  Manches  von  den 
Beispielen,  die  Hambidge  in  seinem  Buche 
(das  auch  an  guten  neuen  Photographien 
reich  ist)  vorführt,  sieht  künstlich  genug  aus. 
Aber  andere  wirken  überzeugend,  gleich  dem, 
das  mir  einer  seiner  archäologischen  Mit- 
arbeiter, Kurator  L.  D.  Caskey  aus  Boston, 
im  Athener  Nationalmuseum  freundlich  vor- 
maß. Heimgekehrt  glaube  ich  auch  schon 
unter  den  besseren  Vasen  des  Archäologi- 
schen Instituts  in  Leipzig  Belege  dieser  Art 
gefunden  zu  haben.  Inzwischen  hat  freilich 
ein  mathematischer  Rezensent  des  Buches, 
Rhys  Carpenter,  im  Amer.  Journ.  of  archaeol. 
1921,  18 — 36,  darzulegen  versucht,  daß  sich 
die  Tatsachen  auch  aus  bloßer  »statischer 
Symmetrie«  erklären  lassen.  Doch  bleibt 
das  einschlägige  Buch  von  Caskey  abzu- 
warten. [Es  ist  inzwischen  erschienen].  Es 
sollte  mich  wundern,  wenn  bei  diesen  ernsten 
Untersuchungen,  die  unsere  großen  Vasen- 
sammlungen nicht  unbeachtet  lassen  werden, 
kein  brauchbares  Ergebnis  herauskäme. 
Hambidge  selbst,  der  seine  Gedanken  in 
einer  eigenen  Zeitschrift  »The  Diagonal« 
auch  auf  andere  Kunstgebiete  anwendet  und 
anwenden  läßt,  vermaß  danach  den  Par- 
thenon und  glaubte  die  besonders  in  seinem 
Innern  gefundenen  Verhältnisse  am  Apollon- 
tempel  zu  Bassai  wiederzufinden,  dessen  von 
PausaniaS  überlieferte  Zuschreibung  an  Ik- 
tinos  mir  freilich  kunstgeschichtlich  immer 
noch  höchst  unglaublich  vorkommt. 

Auch  die  sonstige  Erforschung  der  Akro- 
polisbauten  liegt  ja  seit  geraumer.  Zeit 
vornehmlich  in  bewährten  amerikanischen 
Händen.  Sie  arbeiten  da  in  fruchtbarer 
Wechselwirkung  mit  der  wissenschaftlichen 
Konservierungstätigkeit  der  archäologischen 
Baudirektion  im  Unterrichtsministerium,  an 


deren  Spitze  N.  Balanos  steht.  Neuerdings 
dringt  er,  wie  es  scheint  mit  Erfolg,  auf 
die  dvaOTuXcuai;  der  vorhandenen  Bauteile 
von  der  Nordseite  des  Parthenon.  Mag  auch 
manches  Herz  an  der  malerischen  Schönheit 
der  Ruinen,  wie  sie  früher  waren,  hängen, 
und  manche  Einzelheit  der  Ausführung  recht 
schwierige  Fragen  ergeben:  grundsätzlich 
dürfte  der  Archäologe  eher  geneigt  sein,  der 
Absicht  von  Balanos  zuzustimmen  ').  Bisher 
hat  er  bekanntlich  das  Erechtheion  und  die 
Propyläen  so  wiederhergestellt.  Von  beiden 
Denkmälern  stehen  aufs  genaueste  vorbe- 
reitete Ausgaben  bevor.  An  der  des  Erech- 
thei  ons  arbeitet  Hill  mit  Stevens,  Holland 
u.  a.  Manches  von  ihren  Ergebnissen  ist  ja 
längst  bekannt,  so  die  Stevens  verdankte 
Wiederherstellung  der  Ostseite  mit  der  Tür 
zwischen  zwei  Fenstern  (Amer.  Journ.  1906, 
Taf.  9).  Bei  den  letzten  Untersuchungen 
zeigte  es  sich,  wie  mich  Hill  und  Holland 
lehrten,  immer  deutlicher,  daß  der  Marmor- 
bau aus  der  Zeit  des  Nikiasfriedens  zum  Teil 
uralte  Reste  geschont  hat.  Man  erhält  den 
Eindruck,  es  handle  sich  um  Spuren  eines 
schon  gleich  gerichteten  Baues;  das  wird 
von  denen  begrüßt  werden,  die  hier  den  älte- 
sten Athenatempel  suchen. 

Die  Ausgabe  der  Propyläen  von  Dins- 
moor  und  Genossen  scheint  dem  Abschluß 
noch  näher.  Sie  wird  außer  den  früher  (im 
Amer.  Journ.  1910,  143;  1912,  371)  bekannt- 
gemachten Ergebnissen  seiner  Untersuchun- 
gen auch  neue  bringen.  Z.  B.  fanden  sich 
Reste  der  Sitzbänke  aus  schwarzem  eleusini- 
schen  Kalkstein,  deren  Spuren  an  den  Lang- 
mauern der  großen  Mittelhalle  bekannt 
waren.  Auch  von  dem  vorperikleischen 
Torbau  wurden  neue  Reste  an  verschiedenen 
Stellen  in  der  Tiefe  ausgegraben.  Von  Bala- 
nos' Wiederaufbau  wirken  besonders  er- 
freulich die  in  der  Nordostecke  der  west- 
lichen Haupthalle  wieder  an  Ort  und  Stelle 
gelegte  Kassettendecke  und  eine  von  den 
herrlichen  ionischen  Säulen  am  mittleren 
Durchgang  *). 

')  V"'-  jedoch  die  bewegte  Aussprache  der  atheni- 
schen Sachverständigen  in  den  Nachmittagsausgaben 
der  Zeitung  llswTeüouoa  vom  5. — 12.  Februar  1922, 
die  mir  durch  die  Gefälligkeit  von  Prof.  Dr.  Lanier 
in  Leipzig  vorliegt. 

')  ^'gl-  jedoch  jetzt  die  Bemerkung  von  0.  Walter 
(iber  die  Zusammenstöckung  des  Kapitells  in   der 


317 


Archäologisches  aus  Griechenland. 


3'8 


Das  vor  dem  Nordwestflügel  aufragende 
Postament,  das  laut  der  Inschrift  seiner 
Westseite  den  M.  Agrippa  trug,  gewiß  als 
Lenker  des  ehernen  Viergespanns,  dessen 
Standspuren  oben  unverkennbar  sind,  erklärt 
Dinsmoor,  vorerst  in  dem  Bericht  über  einen 
Vortrag  Americ.  Journ.  1920,  83,  wohl  mit 
Recht  für  pergamenisch.  Denn  solche  turm- 
ähnliche Sockel  waren  gerade  in  hellenisti- 
scher Zeit  üblich,  und  der  bereits  altionische 
Wechsel  flacher  und  hoher  Quaderschichten 
kehrt  an  den  Bauten  der  Könige  von  Per- 
gamon,  z.  B.  der  Attaloshalle  in  Athen, 
wieder.  Das  Viergespann  selbst  aber 
wird,  wie  ich  schon  vor  Jahren  vollständiger 
als  Lolling  und  Kirchhoff  dargelegt  habe  '), 
noch  älter  gewesen  sein,  nämlich  nichts  ande- 
res als  die  perikleische  Erneuerung  des  von 
den  Persern  beseitigten  Denkmals  für  den 
kleisthenischen  Sieg  über  Böoter  und  Chal- 
kidier.  Herodot  sah  es  ja  links  gleich  beim 
Eintreten  in  die  Propyläen,  und  aus  Pau- 
sanias  liest  man  ohne  Not  seine  Aufstellung 
im  Innenraum  der  Burg  heraus.  Die  nahe- 
liegende Frage,  ob  das  alte  Erzwerk  mitsamt 
seinen  perikleischen  Standplatten  auf  den 
hellenistischen  Sockelbau  gehoben  wurde, 
hat  mir  eine  durch  Baldnos  zuvorkommend 
ermöglichte  Untersuchung  allerdings  ver- 
neint. Zwar  aus  blaugrauem  Hymettos- 
marmor  sind  schon  die  Plinthen  der  dem 
perikleischen  Viergespann  gleichzeitigenzwei 
Reiter  des  Lykios,  deren  eine  wenigstens 
sicher  ihre  ursprüngliche  Inschrift  trägt 
(Lolling,  Wolters,  Kaia'X.  Nr.  63;  irre  ich 
nicht,  hält  auch  Wilhelm  die  ältere  Inschrift 
für  perikleisch).  Aber  die  Arbeit  der  Stand- 
platten oben  auf  dem  Agrippasockel  ist 
diesem  durchaus  gleichzeitig.  Das  ist  jedoch 
kein  Hindernis  der  hier  nochmals  empfohle- 
nen Gleichsetzung  dieses  Viergespanns  mit 
dem  alten. 

Über  den  Tempel  der  Athena  Nike  gibt 
Orlandos,  der  beste  griechische  Schüler 
Dörpfelds  als  Architekturarchäologe,  in  dem 
kürzlich  erschienenen  Hefte  der  Athen.  Mitt. 

ripMTeOousa  vom  10.  Februar  1922  Nachmittag.    S. 
vorige  Anm. 

>)  Kaiamis  60  «f.  (Abh.  sächs.  Ges.  d.  W.  XXV  4)- 
Unbeachtet  blieb  diese  Darlegung  auch  in  der  letzten 
ausführlichen  Untersuchung  der  Frage  von  Leo 
Weber  im  Philologus  LXXVII  77  ff- 


für  191 5,  1/2,  eine  Untersuchung  mit  neuen 
wichtigen  Ergänzungen  und  Berichtigungen 
des  Wiederaufbaus  durch  Roß,  Schaubert 
und  Hansen,  wodurch  auch  die  Anordnung 
der  Friesreliefe  berührt  wird.  Derselbe  Or- 
landos hat  die  Tempel  von  Sunion,  den  noch 
zum  Teil  aufrechtstehenden  des  Poseidon  und 
die  kleineren,  zerstörten  der  Athena,  sehr 
genau  aufgenommen  und  soweit  als  möglich 
wiederhergestellt  ('Apx-  'h]<pr,\i..  1917,  213). 
Auch  an  anderen  Orten  hat  er  ähnliche  Ar- 
beit geleistet  z.  B.  an.  Ptoion. 

In  diese  rege  Architekturforschung  einzu- 
greifen vermochte  unser  Institut,  dank  Kuru- 
niotis  und  Balänos,  während  des  für  Aus- 
grabungen nicht  durchaus  günstigen  Winters 
trotz  der  Dürftigkeit  seiner  Mittel  wenig- 
stens an  einem  kleinen,  aber  bedeutsamen 
Bauwerk:  dem  choregischen  Denkmal  des 
Lysikrates,  zunächst  nur  für  eine  unter- 
geordnete Einzelheit  des  Aufbaus.  Dem 
schlichten  Sockel  aus  Piräuskalk,  der  den 
zierlichen  marmornen  Pseudoperipteros  trägt, 
geben  alle  veröffentlichten  Aufnahmen  seit 
der  von  Stuart  und  Revett  an  seinem  ver- 
schütteten Unterteil  eine  Krepis  von  Schein- 
stufen mit  ganz  schmalem  Auftritt,  wie  sie 
sich  an  Statuenbasen  schon  in  der  archai- 
schen Zeit  findet.  Ringsumlaufend  zeichnete 
sie  noch  die  elegante  Rekonstruktion  von 
Loviot,  die  sich  auf  die  französischen  Aus- 
grabungen der  sechziger  und  siebziger  Jahre 
zu  gründen  schien.  Aber  einem  kurzen  Be- 
richte Lützows  über  diese  Grabungen  vom 
J.  1868  entnahm  mein  einstiger  Schüler  Neu- 
gebauer  in  einem  Februar  1920  gehaltenen 
Berhner  Vortrag  (Anz.  1920, 19 ff.)  mit  Recht, 
daß  die  der  Akropolis  zugewandte  Rückseite 
des  Denkmals  an  ihrem  Fußende  keine  solche 
Gliederung  besaß.  Er  folgerte  daraus,  daß 
sie  ringsum  fehlt  und  in  der  Baukunst  über- 
haupt erst  später  auftritt.  Ich  aber  meinte 
eine  solche  Krepis  spätestens  vom  Maus- 
sollosgrabmal zu  kennen  und  wollte,  selbst 
davon  abgesehen,  nicht  glauben,  daß  so 
befähigte  und  gewissenhafte  Beobachter  wie 
Stuart  und  Revett  so  etwas  einfach  erfunden 
haben  sollten.  Deshalb  wurde  in  wenigen 
Tagen  nach  Neujahr  dieser  unter  dem  mo- 
dernen Pflaster  begrabene  Teil  des  Bauwerks 
innerhalb  seines  Gitters  bis  auf  den  gewachse- 
nen Mergelgrund  freigelegt  (Abb.  I — ^4).  Dabei 


3'9 


Archäologisches  aus  Griechenland. 


320 


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Abb.    I.     Südseite 


vom  Sockel  des  Lysikratesdenkmals. 


Abb.   2.     Ostseite 


ergab  sich,  daß  die  Ostseite,  die  eigentliche 
Stirn,  der  der  Rundbau  seine  choregi sehe  In- 
schrift und  die  Mitte  seines  Frieses  zukehrt,  die 
von  den  alten  Engländern  wesentlich  richtig 
gezeichnete  (nur  nicht  aus  Monolithen  gefügte) 
Krepis  besaß.  Sie  ist  an  der  rechten  Ecke 
besser  erhalten  als  links,  wo  die  zweitoberste 
Stufe  schräg  abgespalten  ist.  Rechts  setzen 
sich  deutlicher  die  drei  Stufen  voneinander 
ab,  mit  schwachem  Werkzoll  und  schmalem 
Saum  unten  (ganz  wie  die  oberen  Quadern, 
soweit  sie  nicht  neu  ergänzt  sind),  darunter 
etwas  gröber  ausgeführt  noch  eine  vierte 
Stufe,  die  Euthynteria,  sie  noch  aus  Piräus- 
kalk,  während  die  unterste  Schicht  aus  grob 
behauenen  Quadern  von  Breccia,  dem  Stein 
von  Agryle,  besteht.  Daß  die  drei  Stufen 
doch  wohl  noch  im  späten  Altertum  sichtbar 
über  die  Straße  aufragten,  verrät  das  in  die 
rechte  Ecke  der  mittleren  schräg  eingehauene 
Loch  zum  Anseilen  von  Tieren.  Aber  diese 
Formung  beschränkte  sich  auf  die  Ostseite, 
gleich  hinter  der  Ecke  hörte  sie  auf,  rechts 
sicherer  als  links  mit  dem  Anschluß  für  eine 
niedrige  Mauer,  die  Futtermauer  für  die, 
gleich  dem  gewachsenen  Mergelboden,  nach 
hinten,    gegen    die    Burg   ansteigende    Auf- 


schüttung. An  den  beiden  nördlich  und 
südlich  anschließenden  Seiten  des  Sockels 
ist  nicht  einmal  die  Oberstufe  ganz  ausge- 
arbeitet, an  der  Nordseite  weiter  als  an  der 
gegenüberliegenden.  Unter  ihr  fanden  sich 
gleich  die  grob  zugehauenen  Brecciasteine, 
und  solche  schwellen  auf  der  westlichen 
Rückseite  auch  inmitten  der  Oberstufe  und 
der  Quaderschicht  darüber  hervor.  Das  alles 
muß  im  Altertum  eine  Anschüttung  den 
Blicken  entzogen  haben.  Dies  und  anderes 
wird  hoffentlich  bald  Weiter  noch  genauer 
beschreiben.  Er  trug  auch  zur  Kenntnis  des 
Oberbaues  bei,  namentlich  des  Daches,  indem 
er  es  mit  einer  Telegraphenleiter  zu  photo- 
graphieren  den  guten  Gedanken  hatte.  Mir 
hatte  sich  bei  dem  langen  Verweilen  an  dem 
Denkmal  die  überraschende  Wahrnehmung 
aufgedrängt,  daß  nicht  nur  der  blumen- 
förmige  Dreifußträger  auf  dem  First,  auch 
der  streng  symmetrisch  angeordnete  Relief- 
fries mit  seiner  stark  betonten  Mitte  gegen 
die  sechs  Halbsäuienjoche  beträchtlich  nach 
rechts  verdreht  ist,  doch  wohl  kaum  durch 
den  Erbauer,  sondern  erst  bei  den  weitgehen- 
den französischen  Herstellungsarbeiten.  Auch 
das  muß  noch  genauer  untersucht  werden. 


321 


Archäologisches  aus  Griechenland. 


322 


Abb.   3.     Nordseite 


vom  Sockel  des  Lysikratesdenkmals. 


Abb.  4.     Westseite 


Das  Institut  mußte  sich  mit  der  kleinen 
Nachgrabung  begnügen.  Aber  die  griechische 
Archäologische  Gesellschaft  setzte  durch  den 
Ephoros  Philadelpheus  unter  meiner  und 
dann  unter  Welters  Mitwirkung  die  Arbeit 
beim  Lysikratesdenkmal  freundwillig  fort. 
Sie  ergab  keine  bedeutenden  Einzelfunde, 
wohl  aber  ein  viel  klareres  Bild,  wie  sich,  in 
gemessenen  Abständen,  zwei  zerstörte  cho- 
regische  Denkmäler  beiderseits  an  das  er- 
haltene anreihten,  und  Spuren  der  Tripoden- 
straße  selbst  (nicht  gepflastert,  sondern  nur 
geschottert),  die  Welter  bis  zum  Dionysos- 
bezirk am  Theater  verfolgen  zu  können 
glaubt.  Er  beaufsichtigte  dann  im  Sommer 
auch  die  weitere  Ausgrabung  des  östlich  ans 
Theater  anstoßenden  Peri  kies -Odeions 
im  Auftrage  seines  verdienten  Entdeckers 
Kastriotis  (Anz.  191 6,  138)  und  hatte  das 
Glück,  die  ersten  Spuren  der  Innensäulen 
zu  finden.  {Ein  Plänchen  davon  gibt  Picard 
in  Rev.  de  l'art  XXVI,  1922,  225.]  Sie 
waren  grundsätzlich  ebenso  angeordnet  wie 
seit  dem  6.  Jahrh.  im  Telesterion  von  Eleusis. 
Dem  vielleicht  auf  solche  griechische  Säulen- 
säle zurückgehenden  persischen  Apadana- 
typus habe  ich  das   Königszelt  Alexanders 


angeschlossen  (Sympos.  Ptolem.  II.  27  ff.) 
und  füge  jetzt  getrost  auch  das  des  Xerxes 
hinzu,  dessen  Holzdach  dem  des  Odeions  zu- 
grunde lag.  Seine  von  Plutarch  Per.  16  be- 
zeugte spitze  Form  braucht  durchaus  nicht 
kegelförmig,  kann  vielmehr  sehr  wohl,  dem 
festgestellten  Grundriß  entsprechend,  pyra- 
midenförmig gedacht  werden.  Um  so  lächer- 
licher wird  das  dort  aus  Kratinos  angeführte 
Bild  des  zwiebelköpfigen  Zeus,  derdasOdeion  - 
dach  auf  dem  Kopfe  trägt,  natürlich  mit 
einer  Ecke  nach  vorn,  welche  an  die  vor- 
springende Spitze  des  korinthischen  Stra- 
tegenhelmes erinnert. 

Das  ehrwürdige  Mysterienheiligtum  in 
Eleusis  begannen  wir  zu  untersuchen,  um 
Noack  bei  seiner  dem  Abschluß  nahen  Aus- 
gabe zu  helfen  (vgl.  Anz.  1919,  130).  Doch 
erwies  es  sich  als  das  einzig  Richtige,  daß  er 
diese  Arbeit  selbst  nochmals  an  Ort  und 
Stelle  durchsehe,  und  mit  deshalb  hat  ihn 
die  Zentraldirektion  des  Instituts  für  das 
Sommerhalbjahr  I92I  als  Leiter  der  Anstalt 
nach  Athen  gesendet.  Er  wird  hoffentlich 
bald  selbst  von  seinen  wertvollen  neuen  Be- 
obachtungen berichten.  Meinen  winzigen 
Beitrag  zur  Lösung  der  großen  Aufgabe,  die 


523 


Archäologisches  aus  Griechenland. 


324 


Deutung  des  Bauwerks  auf  den  TKeater- 
marken  mit  dem  Namen  des  Eleusiniers 
Aischylos  als  Außenansicht  des  Telesterions 
der  Nährmutter  seines  Geistes,  Demeter,  hat 
Noack  hier  schon  gebilligt  (vgl.  Bieber, 
Denkm.  zum  Theaterwesen  S.  85). 

Im  Museum  zu  Chalkis  ergaben  sich  an 
den  Amazonenbruchstücken,  die  aus  dem- 
selben Giebel  von  Eretria  wie  die  herrliche 
Theseusgruppe  (Ant.  Denkm.  III,  27/28) 
herrühren,  ein  paar  neue  Zusammensetzun- 
gen. Die  Plinthe  einer  überlebensgroßen 
Kampfgruppe  gleichen  Fundorts,  deren  Fuß- 
reste in  die  Entwickelungsreihe  Eichlers 
(Jahreshefte  1913,  86  ff.)  einzureihen  sind, 
erwies  sich  als  zu  einem  Eckakroter  gehörig, 
da  sie  denselben  stumpfen  Winkel  zeigt  wie 
die  Dachecke  des  selinuntischen  Tempels  C 
bei  Koldewey  und  Puchstein  (Abb.  78). 

In  Delphi,  dessen  erhabene  Landschaft 
wiedergesehen  zu  haben  ich  als  besonderes 
Glück  preise,  haben  die  Franzosen  mit  Hilfe 
einer  Stiftung  der  heutigen  Chier  den  von 
ihren  Vorfahren  geweihten  Hauptaltar  am 
Ostrande  der  Tempelterrasse  aus  den  alten 
Werkstücken  von  schwarzem  Marmor  mit 
weißen  Gesimsen  wirkungsvoll  wieder  aufzu- 
bauen begonnen.  Gegraben  haben  sie  be- 
sonders in  Marmaria,  mit  mannigfaltigem 
Erfolge.  Dafür  und  für  die  zahlreichen  ander- 
weitigen Untersuchungen  der  mit  großen 
Mitteln  arbeitenden  ficole  kann  ich,  da  uns 
in  Leipzig  bisher  die  französischen  Zeit- 
schriften nur  teilweise  zur  Verfügung 
stehen,  nur  auf  die  unvollständige  Übersicht 
von  Wace  im  Journ.  hell.  stud.  1921,  266 
verweisen.  Ein  schwedisches  Mitglied  der 
französischen  Schule,  Dr.  A.  Perssoo,  hat 
soeben  im  Bull.  corr.  hell.  1921,  3l6ff.  die 
bisher  nur  in  Proben  herausgegebenen  Mar- 
morreliefe von  Marmaria  vollständiger  be- 
kannt gemacht  und  die  Fragen  ihrer  Her- 
kunft erwogen.  Zu  den  schönen  Stücken 
des  4.  Jahrh.  auch  den  Amazonentorso 
Fig.  2,  S.  318  f.  zu  ziehen,  ist  aber  ein 
Mißgriff:  sein  Stil  ist,  trotz  S.  329,  3,  der 
noch  mehr  als  halb  archaische,  etwa  von  der 
Entwicklungsstufe  des  Ludovisischen  und  des 
Bostoner  Relief  Werkes.  Demnach  ist  auch 
die  Zugehörigkeit  des  von  Persson  aufge- 
setzten Kopfes  nicht  etwa  »incertaine«, 
sondern  ganz  ausgeschlossen,  wie  ich,  dank 


dem  Leiter  der  französischen  Arbeiten  in 
Delphi  (der  Name  ist  mir  leider  entfallen) 
genauer  feststellen  konnte,  als  es  Persson 
selbst  darlegt.  —  Als  ich  dem  Wagenlenker 
in  seine  mild  leuchtenden  braunen  Stein- 
augen sah,  die  so  rein  und  so  stolz  zugleich 
blicken,  da  fiel  mir  wieder  einmal  auf  die 
Seele,  welch  unerlaubter  Unwissenheit  über 
einen  grundlegenden  Tatbestand  sich  O. 
Spengler  schuldig  macht,  wenn  er  zu  seiner 
maßlos  karikierten  Beschreibung  der  helle- 
nischen Sinnesart  auch  noch  das  »bhnd 
gehaltene  Auge«  der  Statuen  heranzieht 
(Unterg.  d.  Abendlandes  '  I  371). 

In  unserem  Olympia,  wo  ich  nur  zwei 
herrliche  Frühlingstage  zubringen  konnte, 
beschäftigte  mich,  neben  den  Ovalhäusern 
Dörpfelds,  die  bald  sein  Buch  näher  bekannt 
machen  wird,  und  den  Ergebnissen  der 
Knackfußschen  Aufräumungsarbeiten  (An- 
zeiger 1916,  161)  besonders  ein  Marmorkopf 
aus  dem  Westgiebel  des  Zeustempels,  den 
unlängst  der  wilde  Kladeos  zutage  ge- 
schwemmt hatte  und  der  damalige  Ephoros 
des  Heiligtums  Kyparissis  herausgeben  wird. 
Nach  genauer  Prüfung  zweifle  ich  nicht,  daß 
er  zu  den  spärlichen  Resten  des  schwert- 
schwingenden Vorkämpfers,  nach  Pausanias 
Kaineus,  gehört.  Zwar  trägt  der  Kopf  eine 
Art  Haube,  diese  kehrt  jedoch  bei  dem 
jüngeren  Seher  des  Ostgiebels,  den  Treu 
irrig  für  Myrtilos  hielt,  und  in  etwas  andern 
Formen  bei  Zechern  auf  attischen  Ton- 
gefäßen wieder,  und  Gesichtszüge  wie  Aus- 
druck des  Marmors  sprechen  für  männliches 
Geschlecht.  Jene  Zuteilung  bestätigte  sich, 
als  ich  unter  den  von  früher  her  vorhandenen 
Bruchstücken  nach  dem  von  der  Rückseite 
abgespaltenen  Teile  des  Schädels  suchen 
durfte.  Er  fand  sich  rasch,  genau  anpassend, 
auch  mit  der  zweiten  Hälfte  des  Stiftloches 
nahe  dem  Scheitel,  in  dem  der  überm  Haupte 
geschwungene  Schwertarm  befestigt  war; 
denn  Metallzinken  zur  Abwehr  der  Vögel 
haben  die  Giebelköpfe  nicht  getragen.  Das- 
selbe Bruchstück  nun  wußte  schon  Treu 
nirgends  sonst  unterzubringen  als  unter  den 
wenigen  Resten  des  Peirithoos  (Olympia  III, 
S.  74  f.).  Dies  schöne  Zeugnis  für  die  Ge- 
nauigkeit seiner  großen  Arbeit  war  dem  hoch- 
betagten Freund  auf  seinem  letzten  Kranken- 
lager eine  Genugtuung.  —  Das  Glück,  den 


325 


Archäologisches  aus  Griechenland, 


326 


Hermes  wiederzusehen,  hätte  mir  die  Er- 
neuerung des  Bewußtseins  getrübt,  wie  un- 
genügend er  sich  fern  vom  Urbild  durch  die 
bisher  vorhandenen  Photographien  veran- 
schaulichen läßt.  Aber  kurz  vorher  hatte 
der  erwähnte  Prof.  Kennedy  (Sp.  312)  bei 
allen  mögUchen  Beleuchtungen  eine  lange 
Reihe  sehr  verschiedener  Aufnahmen  ge- 
macht, die,  hoffentlich  recht  bald,  in  Welters 
»Bausteinen«  erscheinen  soll. 

Unsere   Hauptarbeit   spielte   sich   in   den 
Museen  von  Athen  ab.    Den  Vortritt  vor  der  ; 
eigenen  wissenschaftlichen  Neugier  hatte  die 
der    zu    Hause    gebliebenen    Fachgenossen. 
Auf  ihre  Fragen  gab  es  viel  zu  untersuchen,   { 
zu     skizzieren,     zu     photographieren,     am   I 
meisten   in   dem   immer  noch   gewaltig  an- 
wachsenden  Nationalmuseum.      So   konnte 
ich  diesmal  meiner  Jugendliebe,  der  archai- 
schen Kunst  im  Akropoli  smuseum  ,   nur 
wenig  Zeit  widmen,  nicht  einmal  das  große, 
schöne  Werk  von  Heberdey  über  die  Poros- 
skulptur,  das  eben  erschienen  war,  vor  den 
Denkmälern   ganz   durchlesen.     Nicht  uner- 
wähnt lassen  möchte  ich  zu  Nutz  und  From- 
men dieses  einzigen  Schatzhauses  von  Resten   j 
der    Bemalung    frühgriechischer    Bildhauer- 
arbeit,   wie    schmerzlich    mich,    nach    lang-   : 
jähriger  Abwesenheit  von  Athen,   der  Ein- 
druck ihres  Schwindens  überraschte.     Docli 
milderte  sich  der  Schrecken  immerhin,  als 
mir,   aus  eigener  Erfahrung  mit  dem  Aut- 
stellen treuer  Nachbildungen  einiger  von  den- 
selben Stücken,  klar  wurde,  wie  ungünstig 
die  Wirkung  der  Farbrestc  von  den  satten 
und  lebhaften,  grünen  und  roten  Tönen  der  , 
Museumswände  beeinflußt  wird,     fmmerhin   , 
wäre  auch  für  den  Schutz  dieser  kostbaren   t 
Spuren  wohl  noch  einiges  vorzukehren.   Vom 
Katalog     des     Akropoli  smuseums,      dessen 
I.  Band  der  leider  auch  im  Kriege  gefallene 
Engländer    G.    Dickins    so    gründlich    und 
brauchbar  gestaltet  hatte,  war  der  IL,  ein 
Werk  des  jungen  Cambridgers  S.  Casson,  im   j 
Druck;  er  ist  inzwischen  erschienen,  mir  aber  | 
noch  nicht  bekannt  geworden.    Vgl.  die  An-   : 
zeige  Journ.  hell.  stud.   1921,  297.  | 

Wohl  das  größte  Fragenbündel  fürs  Natio- 
nalmuseum, das  nur  mit  werktätiger  Hilfe  j 
der    Direktoren     erledigt    werden     konnte,   | 
sandte  Alfred  Brückner,  der  auch  bei   den   ' 
Griechen  im  besten  Andenken  stehende  Er- 


forscher des  Dipylonfriedhofs,  für  die  von 
ihm  voi bereiteten  Ergänzungen  zu  den  unter 
seiner  Mitwirkung  geschaffenen  Grabreli  ef  s 
von  A.  Conze.  Zunächst  handelte  es  sich  um 
die  minder  erfreulichen  Denkmäler  der 
Kaiserzeit.  Aber  auch  aus  der  Blüteperiode 
des  5-  und  4.  Jahrh.  war  wichtiger  Zuwachs 
aufzunehmen.  Künstlerisch  das  bedeutend- 
ste und  zugleich  das  seltenste  Stück  rührt 
wohl  von  dem  Sockel  des  Grabnaiskos 
eines  Jägers  her,  etwa  wie  ihn  das  allbe- 
kannte, seelenvolle  Relief  vom  Ilissos  dar- 
stellt. Es  zeigt  zwei  von  den  übliclien 
schlanken  und  doch  stämmigen  Jagdhunden 
auf  der  Fährte,  prächtig  bewegt  und  meister- 
lich durchmodelHert,  mit  siclier  hingehaue- 
nen Andeutungen  längerer  Haarpartien  des 
kurzen  Fells. 

Noch  ganz  anders  ans  Herz  greift  die 
schöne  Stele  von  Sunion,  die  unser 
Freund  Sta'is  ausgrub  und  in  der'Ap)(.  'E(p7)fi.. 
1917,  204  sowie  in  der  kurzen  Gesamtdar- 
stellung Tq  Souviov  (1920)  Abb.  11  vor- 
läufig herausgab.  Von  den  neuen  Auf- 
nahmen, die  er  uns  für  seine  endgültige  Ver- 
öffentlichung in  den  Denkmälern  des  In- 
stituts machen  ließ,  dürfen  hier  bescheidene 
Verkleinerungen  stehen,  ihrer  zwei,  weil  nur 
so  die  zarte  Modellierung  ganz  sichtbar  wird 
(Abb.  5,  6).  Es  ist  auch  in  seiner  UnvoUstän- 
digkei  t  ein  köstliches  Werk  derselben  rasch  zur 
Höhe  empordringenden  Übergangszeit  wie  die 
Bildhauerarbeiten  vom  olympischen  Zeus- 
tempel, aber  von  deren  Grundcharakter  ver- 
schieden in  seiner  zarten  und  herben,  doch 
wohl  rein  attischen  Anmut.  Unter  dem  einst 
gemalten  Akroter,  dessen  erhaltene  Ecke  mit 
dem  Umriß  einer  Halbpalmette  die  —  von 
der  früher  versuchten  abweichende  —  Er- 
gänzung einer  höheren  Mittelpalmette  for- 
dert, ist  der  Reliefgrund,  ähnlich  wie  an 
einzelnen  Metopen  des  Athenerschatzhauses, 
ungemein  stark  gerauht  und  hat  noch  be- 
trächtliche Reste  hellblauer  Farbe  bewahrt. 
Davor  erhebt  sich  etwa  halb  lebensgroß  in 
kräftigem,  aber  doch  flachem  Relief  der 
Oberteil  eines  zum  Jüngling  heranreifenden 
Knaben,  dessen  beinahe  polierter  Leib  nur 
leicht  die  Hauptgliederungen  andeutet,  und 
doch  mit  seinen  feinen  Hautfältchen  natur- 
frisch wirkt,  besonders  auch  in  der  Freihei  t  der 
ausgreifenden  Bewegung  seines  rechten  Ar- 


327 


Archäologisches  aus  Griechenland. 


328 


Abb.  5.  Abb.  6. 

Siegerstele  aus   Sunion   nacli  Aufnahmen   von   G.   Weller. 


mes.  Wie  es  Stais  gegen  andere  Vorschläge 
(z.  B.  den  hier  1916,  143  ausgesprochenen) 
mit  Recht  festhält,  setzte  die  Hand  nur  mit 
Daumen  und  Zeigefinger  auf  das  gesenkte 
Haupt,  in  das  halblang  übers  Ohr  herab- 
hängende Haar,  das  gleich  dem  des  berühm- 
ten Ephebenkopfes  im  Burgmuseum  einst 
mit  gelber  Farbe  genauer  ausgeführt  war, 
schräg  über  seine  Umschnürung  einen  Kranz, 
vermutlich  aus  Edelmetall:  sonst  wäre  er 
nicht  in  so  dicht  gefügten  Stiftlöchern  mit 
Blei  vergossen  gewesen.  Es  ist  also  ein  Sieger 
dargestellt,  und  zwar,  trotz  der  jugendlichen 
Zartheit  der  Gestalt  und  dem  länglichen 
Haaf,  ein  Turner.  Zu  beidem  vergleichen 
meine  jungen  Leipziger  Vasenkenner  A. 
Rumpf  und  E.  Langlotz  den  herrlichen 
Burschen  mit  Sprunggewichten  auf  dem 
nicht  sehr  viel  früher  entstandenen  schlan- 
ken Vasenfuß  mit  'Aviicptüv  xaXo;,  Berlin 
Fw.  2325,  und  das  Aufsetzen  einer  kranz- 
ähnlichen Binde  weisen  sie  mir  auf  dem  weiß- 
grundigen  Alabastron  daselbst  Fw.  2258 
nach.  Dort  fehlt  aber  noch  das  feine  Ethos, 
die  bescheidene  awaposuvr)  unseres  iraTj 
itap&sviov  ßXsTTwv.  Doch  auch  diese  Gestaltung 
wurde  bald  in  Schwung  und  Ausdruck  über- 
troffen    durch    die    Bronzefigur    Polyklets, , 


deren  beste,  Londoner,  Wiederholung,  unter 
Treu  entsprechend  ergänzt,  in  jedem  Sinne 
so  genau  auf  die  Kyniskosbasis  in  Olympia 
paßt  —  s.  die  Abb.  367  bei  Baumgarten, 
Poland,  Wagner,  Hellenische  Kultur  3  - — , 
daß  diese  Gleichsetzung  nur  weit  stärkeren 
Gründen  weichen  darf,  als  sie  bisher  dagegen 
angeführt  wurden. 

Kann  aber  die  Siegerstele  von  Sunion 
wirklich  ein  Grabdenkmal  sein,  wie  der  Ent- 
decker glaubt.''  Wie  kam  sie  dann  in  das 
Athenaheiligtum  ?  Stais,  xb  Souvwv  53,  ant- 
wortet :  von  Raubausgräbern  aus  einer  nahen 
Gräberstätte  verschleppt  und  nur  oberfläch- 
lich verscharrt.  Aber  warum  sollen  sie  zu 
diesem  Zweck  ihren  kostbaren  Fund  bergauf 
auf  die  Ostkuppe  des  Vorgebirges  ins 
Athenaheiligtum  und  damit  in  den  Bereich 
der  amtlichen  Grabung  geschafft  haben  .^ 
Viel  einfacher  ist  die  Annahme,  daß 
die  Stele  von  jenen  Raubausgräbern  im 
Heiligtum  selbst  gefunden  wurde,  also  kein 
Grabmal,  sondern  ein  der  Landesgöttin  ge- 
weihtes Ehrendenkmal  war.  So  gut  nämlich, 
wie  auf  oder  an  Gräbern  anstatt  der  üblichen 
Stelen  nicht  allzuselten  Statuen  errichtet 
wurden  —  z.  B.  manche  von  den  sog.  archai- 
schen  Apollogestalten   — ,   gab   es  auch   in 


329 


Archäologisches  aus  Griechenland. 


330 


Tempelbezirken  und  auf  öffentlichen  Plätzen, 
neben  den  kostspieligeren  Ehrenstandbitdern, 
Reliefstelen  gleichen   Zweckes.    Nicht  weni- 


Reliefplatten,  die  nur  das  Vorurteil  •  ver- 
kennen konnte,  leider  auch  in  Blümners 
Kommentar.     Stele  bedeutet  eben  bei  Pau- 


Abb.   7 — 10.      Lapithenkopf  aus  der.  VI.    Südmetope   vom    Parthenon    nach  Aufnahmen  von   C.   Kennedy. 

Druckstöcke   dargeliehen   von   B.   G.   Teubner, 


ger  als  vier  solche  Stelen  des  Polybios  sah 
Pausanias  in  arkadischen  Städten,  und  eine 
fünfte  erkannte  bekanntlich  Milchhöfer  in 
Kleitor  (Berichte  sächs.  Ges.  d.  W.  191 1,  i). 
Aber  auch  zwischen  den  Siegerstatuen  in 
Olympia  erwähnt  der  Perieget  sieher  einige 


sanias  dasselbe  wie  in  der  neuen  Archäo- 
logensprache und  nicht  irgendeine  Art  von 
Statuensockeln.  Eine  vollkommene  Ana- 
logie ist  es,  wenn  6,  14,  10  der  Flötenspieler 
Pythokritos  ixTexuirojfjievo?  im.  (Jir^Xir)  heißt, 
und  zwar  auch  er  in  kleinem  Maßstab.    Und 


331 


Aichäolo^sches  aus  Griechenland. 


332 


wenn  auf  ein  und  derselben  Stele  der  Ringer 
Kalliteles  in  voller  Größe,  sein  Sohn  Poly- 
peithes  aber  auf  einem  kleinen  Viergespann 
erschien  (6,  16,  6),  dann  waren  das  natürlich 
nicht  auf  gemeinsamem  Sockel  errichtete 
Rundwerke  von  grundverschiedenem  Maß- 
stab, sondern,  wie  im  wesentlichen  schon 
Hyde  sah  (s.  Blümner),  eine  Reliefstele  nach 
Art  der  bekannten  altattischen,  wo  unter 
den  Füßen  des  lebensgroßen  Mannes  noch 
ein  ganz  kleiner  zu  Pferd  angebracht  ist. 


hunderten  von  Köpfen  angefüllten  Magazin 
des  Nationalmuseums  auf  dieses  Stück  fiel. 
Sonst  hätte  ich  kaum  anzunehmen  gewagt, 
daß  es  einer  Parthenonmetope  zugehören 
könne,  obgleich  es,  an  seiner  rechten  Seite 
nur  angelegt,  sichtlich  von  einem  Hochrelief 
herrührte  und  der  Museumsbildhauer  Pana- 
giotakis  mir  pentelischen  Marmor  zuver- 
sichthch  bestätigte.  Die  Abgüsse  der  Eigin- 
schen  Südmetopen  im  Burgmuseum  erlaub- 
ten gleich  festzustellen,  daß  der  Kopf  scharf 


AI>1>.    II.     Abguß   mit  dem   neuen   Kopf. 


Abb.    12.     Zeichnung  von   1674  der   VI.    Siiil- 
metope   vom  Parthenon. 
Druckstöcke  dargeliehen   von  B.   G.    Tcubner. 


Einen  kleinen  Fund  zur  Vervollständigung 
der  ersten  großen  Arbeit  der  perikleischen 
Blütezeit,  der  Parthenonmetopen, 
konnte  ich  gleich  anfangs  als  Festblatt  zur 
WinCkelmannsfeier  1920  heim  nach  Leipzig 
senden.  Im  Jahre  1913  kam  in  der  Unter- 
stadt Athen,  dicht  beim  Varväkion,  dort,  wo 
vorvielenjahren  die  garstige  meterhohe  Kopie 
der  Athena  Parthenos  entdeckt  worden  war,  in 
eine  spätestens  frühbyzantinischeMauer  ver- 
baut ein  etwas  unterlebensgroßer  Kopf  zu- 
tage(Abb.  7 — 10),  den  schon  dererste  Heraus- 
geber Kuruniotis  ('Apy.  'Ftl^r/fi.  1913,  200,  7), 
trotz  dem  erregten  Gesichtsausdruck,  in  die 
Nähe  des  myroni sehen  Diskoswerfers  setzte. 
Zum  Glück  waren  mir  diese  Fundumständc 
nicht  bewußt,    als  mein   Auge  in   dem  mit 


auf  den  Halsbruch  des  Lapithen  in  der  VI. 
paßt  (Abb.  11),  und  nun  sitzt  er  auch  schon 
im  Gips  auf  dem  Marmor  in  London.  Erst 
im  Zusammenhang  des  Kampfes  mit  dem 
Unhold  erklärt  sich  der  weinerlich-grimmige 
Gesichtsausdruck.  Die  Zeichnung  von  1674 
(Abb.  12)  lehrt,  daß  der  Jüngling  mit  dem 
rechten  Arm  kräftig  zuschlug.  Sie  bestä- 
tigt, daß  sein  Kopf  schon  damals  fehlte, 
während  der  Kentaur  den  seinigen  noch 
besaß. 

Ein  Seitenstück  zu  diesem  Funde  gelang 
dem  jungen  Oxforder  Archäologen  Ashmole: 
er  setzte  dem  Torso  des  langbekleideten 
Dionysos  (»Sardanapal«,  vgl.  Anz.  1915, 
279),  der  aus  dem  Theater  in  die  Magazine 
des  Nationalmuseums  gekommen  war,    den 


333 


Archäologisches  aus  Griechenland. 


334 


ebendaher  ins  Akropolismuseum  geratenen 
Kopf  auf.  .  Die  so  vervollständigte  Replik 
ist  die  schlichteste  und  vielleicht,  wie  Ashmole 
vortrug,  die  treueste. 

Mir  ergab  einen  Beitrag  zur  attischen 
Plastik  des  4.  Jahrh.  eine  genaue  Betrachtung 
der  Giebelbruchstücke  vom  Epidaurischen 
Asklepiostempel,  die  ja  leider  zur  Hälfte 
in  Athen,  zur  Hälfte  im  Museum  des  Fund- 
ortes (einer  bedeutenden  Schöpfung  von 
Kavvadias)  aufbewahrt  werden.  Der  West- 
giebel stellte  bekanntlich  einen  Amazonen- 
kampf dar.  Im  Ostgiebel  vermutete  der 
Entdecker  den  Kentaurenkampf,  und  es  ist 
ihm  zumeist  geglaubt  worden,  obgleich  sich 
die  Grundlage  dafür  leicht  als  unhaltbar  er- 
weist und  vielmehr  unverkennbare  Reste  einer 
Iliupersis  hervortreten.  Ich  traf  in  diesen 
Feststellungen  großenteils  mit  einer  mir  un- 
bekannt gebliebenen  oder  wieder  ganz  ent- 
fallenen Anzeige  von  Brunn  und  Arndts 
Denkmälern  (Nr.  607)  von  Amelung  zu- 
sammen (Woch.  f.  kl.  Phil.  191 1,  619),  auf 
die  ich  mich  hinzuweisen  begnüge,  bis  ich  das 
alles  mit  guten  Abbildungen  genau  darzu- 
legen vermag.  Nur  daran  sei  gleich  erinnert, 
daß  jetzt  nach  Eichlers  Untersuchungen, 
Jahreshefte  XIX-XX  95,  eine  ganz  stilver- 
wandte Darstellung  desselben  altehrwürdigen 
Gegenstandes  im  Ostgiebel  des  argivischen 
Heratempels  feststeht  und  daß  dessen  An- 
bringung am  Tempel  des  Asklepios  noch 
begreiflicher  ist,  weil  von  seinen  Söhnen 
wenigstens  Podaleirios,  mitunter  auch  Ma- 
chaon,  unter  den  Teilnehmern  an  der  Ein- 
nahme von  Troja  genannt  wird.  Der  Ama- 
zonenkampf des  epidaurischen  Westgiebels 
wird  nun  auch  als  der  troische  zu  gelten 
haben. 

Manche  Stunde  widmete  ich  den  von  der 
See  und  ihrem  Getier  arg  zerfressenen  Mar- 
morsachen aus  der  Schiffsladung  von  An- 
tikythera,  die  nach  dem  bündigen  Nach- 
weis von  Stais,  xa  I?  'AvTtx.  eupr^fiaT«  (1905), 
nicht  lange  vor  dem  Ende  der  römischen  Re- 
publik •  zugrunde  gegangen  ist.  Zu  dieser 
trefflichen  Untersuchung,  die  u.  A.  auf  S.  43 
eine  große  Wiederholung  der  knidischen 
Aphrodite  nachweist,  sowie  zu  dem  phan- 
tastischen, aber  darum  doch  nicht  ganz 
wertlosen  Kommentar  von  Svoronos,  das 
Athener  Nationalmuseum  i  ff.,  wäre  in  Ab- 


lehnung und  Ergänzung  noch  manches  zu 
sagen.  Unter  anderem  fügt  sich  der  nackte 
Oberkörper  eines  Mädchens  Svoronos  Taf. 
18,  8  (Rückansicht)  mit  schräger  Schnitt- 
fläche und  großem  Dübelloch  ganz  sicher  auf 
das  bekleidete  Unterteil  Taf.  17,  5,  zu  einem 
mir  neuen  Typus.  Taf.  13,  i,  ein  Jüngling 
mit  Wehrgehenke,  paßt  schon  wegen  seiner 
Alexandermähne  nicht  zum  Diomedes,  der 
Bärtige  (Taf.  13,  2)  nicht  zum  Odysseus, 
weil  er  statt  des  Pilos  einen  korinthischen 
Helm  trägt  oder  trug.  Das  genaue  Seiten- 
stück dieses  bärtigen  Helden  in  Größe,  Typus, 
Tracht  und  Bewegung  ist  die  Gestalt  Taf. 
14,  4,  die  sich  mit  jenem  Behelmten  aller- 
dings zu  einer  ganz  älmlichen  Gruppe  ver- 
einen läßt  wie  die  des  Palladionraubes  von 
einem  Sarkophag  desselben  Museums,  Svoro- 
nos Textbild  58.  Letzterer  Mann  könnte 
vielleicht  Odysseus  sein,  der  erstere  aber, 
mit  dem  längeren  Barte,  schwerlich  Dio- 
medes. 

Zu  einer  bestimmten  Deutung  gelangte 
ich  nur  für  den  besterhaltenen  Marmor  (Nr. 
2774)  von  Antikythera,  wie  es  soeben  das 
Leipziger  Winckelmannsblatt  für  1921  be- 
schränkterÖffentlichkeit  dargelegt  hat  (Abb. 
13 — 15).  Unter  den  zahlreichen  Erklärungen, 
welche  die  merkwürdig  bewegte  Gestalt  fand, 
droht  eine  irrige  den  Platz  zu  behaupten.  Stais, 
der  sich  a.  a.  O.  44  noch  der  im  Fundberichte 
der  Athen.  Mitteil.  1900,  458  näher  ausge- 
führten Deutung  auf  einen  Pankratiasten 
oder  Faustkämpfer  anschloß,  erkennt  in  der 
2.  Ausgabe  seines  Guide  illustre,  marbres  et 
bronzes  S.  72  (1910),  vielmehr  einen  barbari- 
schen Krieger,  der  die  Gnade  seines  Uber- 
winders  anfleht.  Diese  Deutung,  nur  auf 
einen  griechischen  Kriegshelden  bezogen, 
suchte  Svoronos,  Nationalmus.  S.  66,  zu 
begründen.  Er  setzte  auf  Taf  12,  i  an  die 
völlig  zerfressene  Ansatzstelle  des  linken 
Armes,  aus  der,  wie  ich  mit  dem  Restaurator 
des  Museums  Klavdianös  feststellen  konnte, 
das  ganze  Eisen  des  Dübels  in  Gestalt  einer 
schwammigen  Blase  hervorgequollen  ist, 
einen  ebenso  formlosen  Armstumpf,  an  dem 
er  eine  Schildhandhabe  zu  erkennen  glaubte. 
Beides  ist  jedoch  zuna  mindesten  ganz  un- 
sicher. Die  viel  eher  zugehörige  Armruine, 
mit  ähnlicher  Eisenblase  an  der  Ansatzstelle 
der   Hand,    von    ihrem    Dübelloch   aus   der 


335 


Archftologisches  aus  Griechenland. 


336 


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Abb.  13.     Statue   von  Antikythcra  Abb.    14.     Krater  im   Wiener    Staatsiniiseuni 

nach  Ansichtskarte  der  Engl.  Photo-Comp.  nach  Aufnahme   P.  Jacobsthals. 

Druckstöcke  dargeliehen   von  B.   G.  Teubncr. 


Länge  nach  an  der  Innenseite  abgespalten, 
zeigt  keine  Spur  einer  Waffe,  so  wenig  als 
die    Statue    selbst.       Sie    trägt    auch    keine 
Wunde,  und  eine  solche  an  dem  fehlenden 
Teil  des  linken  Beines  anzunehmen,  verbietet 
dessen  unverkennbarer  Dienst  als  Standbein. 
Der  von  Svoronos  Taf.  12,  2  mitabgebildete 
vermeintliche   Besieger  des   Geduckten,     ein 
weit  ausfallender  Mann,   ist  dafür  zu  klein 
und  wendet,   trotz  aller   Entstellung  durch 
das  Seegetier,  den  Kopf  deutlich  links  herum, 
also  fort  von  dem  vermuteten  Gegner.   Unser 
Bursche  aber  ist  weit  vorgebeugt  und  hebt 
den  Kopf  entschieden  aufblickend  allerdings 
zu  einem  Gegner,  nach  dem  der  einst  vorge- 
streckte   linke    Arm    gegriffen    haben    wird 
Der  rechte  hängt  lose,  gar  nicht  angespannt 
herab,  die  halbgeöffnete  Hand  (mit  dünner 
Stütze  zwischen  Daumen-  und  Zeigefinger 
spitze)  zu  weiterem  Zugreifen  bereithaltend 
Letzteres  scheint  mir  für  einen  Ballspieler, 
an   den   Curtius  dachte    (Berl.   phil.   Woch 
1910,  529),  ganz  unglaublich:  seine  Rechte 
würde    dem  Ball  geöffnet    entgegenstreben 
Eher  könnte  die  ganze  Bewegung  zu  der  er 


wähnten  Deutung  auf  einen  Ringer  passen, 
obgleich  ich  auf  einschlägigen  Darstellungen 
namentlich  den  locker  herabhängenden  Arm 
nicht  gefunden  habe  (vgl.  z.  B.  die  Reußsche 
Reliefvase  Archäol.-epigr.  Mitt.  1880  IV 
Taf.  8,  S.  Reinach,  Repert.  d.  rel.  II  84,  2). 
Vollends  widerspricht  jeder  ernsteren  Kampf- 
handlung das,  wovon  bisher  viel  zu  wenig 
die  Rede  war:  das  Gesicht  und  sein  Aus- 
druck (Abb.  15).  Das  derb  gutmütige,  paus- 
backige Antlitz  mit  dem  breiten  Munde  ist 
zu  einem  unverkennbaren  Lächeln  verzogen; 
nur  die  Stirn  umwölkt  die  hinauf  und  quer 
zusammengezogene  Haut,  die  im  Verein  mit 
den  aufmerksam  emporblickenden  Augen 
etwa  einen  leichten  Schmerz  oder  die  Sorge 
davor  verrät.  Das  weist  auf  einen  nicht 
allzu  gefährlichen  Gegner  hin,  der  zuver- 
sichtlich im  Bereiche  der  minder  edlen  Weib- 
lichkeit zu  suchen  sein  wird.  Wesentlich 
dieselben  Bewegungsmotive  zeigt  nämlich 
schon  die  ältere  rotfigurige  Vasenmalerei  in 
Gruppen  von  Satyrn  und  Mänaden,  am  ähn- 
lichsten, wenn  auch  steifer,  auf  dem  Wiener 
Krater   (Abb.  14)  etwa  von  470 — 60  v.  Ch. 


337 


Archäologisches  aus  Griechenland. 


338 


Abb.   15.     Kopf  der   Statue   Abb.    13,    nach   Auf- 
nahme von  G.  Welter. 
Stock  dargeliehen  von  B.  G.  Teubner. 

(S.  Reinach,  R6pert.  de  vas.  II  193):  die  fast 
knienden  Beine,  den  vorgebeugten  Rücken, 
den  zurückgelegt  aufblickenden  Kopf,  der 
dem  Griff  des  linken  Armes  folgt,  während  der 
rechte  niederhängt,  um  im  Notfall  auch  zu- 
zugreifen. In  so  frühe  Zeit  reichen  auch 
andere  hellenistische  Motive  zurück,  z.  B. 
das  des  lysippischen  Ares  Ludovisi.  In 
Liebeskämpfen,  wie  dem  hier  vorausgesetz- 
ten, gibt  auch  der  Hellenismus  noch  am 
liebsten  die  Satyrn,  die  nur  jetzt  bartlos  sind 
(W.  Klein,  Ant.  Rokoko  56  ff.).  Aber  ejatu- 
pt'axs  nenntin  [Theokrits]  schalkhafter SapiOTUj 
das  Mädchen  den  Rinderhirten  Daphnis, 
gegen  dessen  zudringliches  Werben  sie  sich 
erst  heftig  sträubt,  um  ihm  dann,  nach  er- 
folgtem Eheversprechen,  doch  gründlich 
nachzugeben.  Einen  solchen  Vorgang,  nur 
noch  etwas  derber  und  wilder,  stellte  die 
Gruppe  dar,  von  der  dies  ein  beträchtlicher 
Rest  ist.  Den  Stand  des  Burschen  kenn- 
zeichnete wohl  das  in  Abb.  13  am  Kopfumriß 
kenntliche,  etwas  längere  Scheitelhaar,  viel- 
leicht nur  ein  Zeichen  ländlich  ungenauer 
Schur,  ganz  verschieden  von  dem  abge- 
schnürten Cirrus  der  Pankratiasten  der 
Kaiserzeit,  an  den  Athen.  Mitt.  a.  O.  erinnert 
wurde.  Entstanden  denken  möchte  ich  mir 
das  Werk  im  früheren  Hellenismus:  der 
Kopftypus  ist  noch  nicht  so  sehr  verschieden 

Archäologischer  Anzeiger  1931. 


von  dem  des  sitzenden  Bronzehermes  aus 
Herkulaneum  oder  dem  des  liebenswürdigen 
Epheben  in  der  Chlamys  aus  Tralles  (Monum. 
Piot  X  1903,  Taf.  4).  Gegen  Stais,  Curtius 
und  andere  halte  ich  unsern  Burschen  für 
das  Urbild.  Unentbehrliche  Stützen  hat  auch 
die  originale  Marmorkunst  nicht  gescheut, 
z.  B.  an  der  Iphigeniengruppe  der  Ny  Carls- 
berg-Glyptothek. Die  Anstückungen  (der 
Schädelkappe,  des  halben  rechten  Unter- 
armes und  des  ganzen  linken  Armes)  sind 
eher  nicht  Kopistenbrauch.  Die  flotte 
Stichelarbeit  des  Haares  kennzeichnet  gut 
seine  ungepflegte  Art  und  machte  mir  nicht 
den  Eindruck,  einem  Erzwerk  nachgebildet 
zu  sein. 

Jetzt  noch  das  Wichtigste  von  dem  Zu- 
wachs an  antiken   Bildnissen.     Zunächst 
der  1912  von  dem  leider  im  Krieg  gebliebe- 
nen Avezou  auf  Delos  ausgegrabene,  aber 
zureichend  erst  unlängst,  mir  zugänglich  bei 
Fr.  Poulsen,  Ikonogr.  Miscellen  Taf.  17 — 19, 
abgebildete  Bronzekopf,  wohl  des  3.  Jahrh., 
vermutlich  ein  Prinz,  Feldherr  oder  Minister. 
Wie  an  den  meisten  Porträten  hoher  Herren 
dieser  Zeit  glaubt  man  hier  den  Widerstreit 
zwischen  Wirklichkeitssinn  und  Neigung  zum 
veredelnden    Steigern   zu   spüren.      Höchst 
ausdrucksvoll  sind  wieder  die  bunt  einge- 
legten Augen,  die  Sterne  diesmal  aus  dunkel- 
grauem Stein,  der  nur  seinen  Glanz  verloren 
hat,  die  Bronzewimpern  leider  abgebrochen. 
Eine  mir  sonst  an  Bronzen  nicht  bekannte 
Einzelheit  ist  die  naturwahre  rosige  Tönung 
der  Tränenkarunkeln  in  den  inneren  Augen- 
winkeln.   Sie  kehrt  in  dem  Mosaik  von  Du- 
razzo     wieder,     das     Praschniker    bekannt 
gemacht      hat:      Jahreshefte     XXI-XXII, 
Beibl.  207.    Die  Amerikaner  fanden  bei  der 
Fortsetzung  ihrer  Ausgrabung  von  Römer- 
bauten   in     Korinth    glatte     Statuen    des 
Augustus  und  zweier  ihm  ähnlicher  Jüng- 
linge, in  denen  E.  H.  Swift  deshalb  C.  und 
L.  Caesar  erkennt  (Amer.  Joum.  I92I,XXV). 
Ist  das  richtig,  dann  sind  es  sehr  freie  Bild- 
nisse,   weil   unvereinbar   mit   den    schönen 
Gaiusporträten,  die  zuerst  hier  1910,  533  auf 
Grund  der  Ähnlichkeit  mit  Agrippa  nachge-, 
wiesen   sind.     Den  von   Swift  für  Tiberius 
erklärten    Kopf    mit    Trauerbart    möchte 
ich  fragweise  eher  zu  den  Bildnissen  stellen 
für  die  ich  den  Namen  Drusus  III.  vorge- 


339 


Zu  der  ältesten  attischen  Inschrift. 


340 


schlagen  habe  (Anz.  1910,  534,  vgl.  Hekler 
181,  185  a,  Poulsen  a.  O.  60).  Diese  Un- 
sicherheit in  der  Benennung  der  korinthi- 
schen Bildnisse  bestätigt  wieder  einmal,  wie 
weit  die  damalige  Porträtkunst  Griechen- 
lands hinter  der  stadtrömischen  zurückzu- 
bleiben pflegte. 

An  gleichem  Orte  kam  beim  Einsturz  der 
Eisenbahnbrücke  eine  Inschriftherme  des 
Herodes  Attikos  zum  Vorschein,  wobei 
der  Kopf  abbrach  und  fortgeschleudert 
wurde.  Als  er  nahe  daran  war,  ins  Meer  zu 
gleiten,  kam  der  Ephoros  Philadelpheus  des 
Weges  und  setzte  ihn  zurecht.-  Er  erkannte 
dann  auch,  daß  der  schlecht  erhaltene  Kopf 
sicher  derselbe  ist,  der  längst  vermutungs- 
weise auf  den  reichen  Rhetor  gedeutet 
worden  war,  weil  sich  die  in  den  Louvre 
gekommene  Büste  nahe  der  Heimat  des  He- 
rodes, Marathon,  mit  Büsten  seiner  kaiser- 
lichen Schüler  Marcus  und  Verus  gefunden 
hatte  (Bull.  corr.  hell.  1920,  170  ff.).  Kein 
Zweifel,  daß  diese  Züge  trefflich  zu  dem 
Manne  passen,  der  vornehm  und  auf  seine 
Art  geistvoll  war,  aber  durchwühlt  von  un- 
beherrschter, nervöser  Leidenschaftlichkeit, 
die  ihm  sein  Lebensglück  zerstörte.  Es  ist 
eines  der  erlösungsbedürftigen  Gesichter, 
wie  sie  in  dieser  Spätzeit  immer  häufiger 
werden.  In  der  nächsten  Nähe  des  Herodes 
erhielt  seinen  geschichtlichen  Platz  eins  der 
schönsten  Marmorbildnisse  der  Berliner  Mu- 
seen, der  im  60.  Winckelmannsprogramm 
von  Hans  Schrader  herausgegebene  Neger 
oder  Halbneger  von  Lukü  in  Thyrea.  Da 
dort  der  reiche  Athener  eine  Besitzung  hatte, 
erkannte  Graindor  in  dem  seltenen  Äthiopen- 
bildnis  antoninischen  Stiles  überzeugend  den 
Memnon,  einen  der  jungen  Freunde  und 
Jagdgenossen  des  Rhetors  (Bull.  corr.  hell. 
1915,  402).  Demselben  belgischen  Gelehr- 
ten und  derselben  Zeitschrift  (1915,241)  wird 
es  verdankt,  daß  endlich  die  größte,  zu- 
sammenhängende Reihe  attischer  Bildnis- 
hermen dieser  Spätzeit,  die  32  Kosmeten 
eines  Gymnasions  in  Athen,  vollständig 
herausgegeben  und  in  sorgsamer  Unter- 
suchung auch  kunstgeschichtlich  gewürdigt 
ist,  eine  grundlegende  Arbeit,  auch  wenn 
man  in  manchem  Punkte  verschiedener 
Meinung  sein  muß  oder  kann.  Sie  nachzu- 
prüfen wird  die  italienische   Schule  Anlaß 


haben,  wenn  sie  ihren  sehr  glücklichen  Plan 
einer  Gesamtbehandlung  von  »Atene  Ro- 
mana« ebenso  glücklich  durchführt. 

Dies  war  es,  was  ich  von  meinen  Erleb- 
nissen und  Wahrnehmungen  in  Griechenland 
hier  mitteilen  wollte.  Es  ist  mir  bewußt,  daß 
ich  aus  dem  mit  Geschäften  schwer  genug 
belasteten  Halbjahr  meiner  dortigen  Amts- 
führung an  eigenen  wissenschaftlichen  Lei- 
stungen nicht  mehr  mitgebracht  habe  als  eine 
Handvoll  archäologischer  Miszellen.  Aber 
ich  habe  noch  etwas  anderes  mitgebracht, 
was  ich  auf  alle,  die  es  angeht,  übertragen 
möchte:  ein  festes,  erhebendes  Vertrauen  in 
die  Zukunft.  Auch  nach  dem  Zusammen- 
bruch der  Macht  und  Wohlfahrt  des  Reiches 
wird  sein  Archäologisches  Institut  im  gast- 
lichen Lande  der  Hellenen  ein  wirksames 
Glied  in  der  Organisation  deutscher  Geistes- 
arbeit wie  im  Wettbewerbe  der  Völker  um 
die  Erforschung  des  kostbaren  Erbes  der 
Alten  bleiben.  Dort  werden  unsere  Archäo- 
logen, dank  der  unübertroffenen  Schulung, 
die  sich  an  unseren  Universitäten,  Museen 
und  Auslandsanstalten  seit  den  Tagen  von 
Eduard  Gerhard,  Otto  Jahn  und  Heinrich 
Brunn  stetig  und  vielseitig  weiterentwickelt 
hat,  auch  jetzt  jedem  sachlich  Denkenden 
willkommene,  unentbehrliche  Mitarbeiter,  ja 
vielleicht  dereinst  auch  wieder  anerkannte 
Führer  sein.  Sie  werden  so  in  aller  Stille 
kräftig  mitwirken  am  Wiederaufbau  des 
deutschen  Ansehens  in  der  weiten  Welt.  In 
diesem  Sinne  rufe  ich  dem  Institut  und 
seinem  neuen,  'endgültigen  Leiter  Ernst 
Buschor,  der  seine  glückliche  Wirksamkeit 
in  dem  schönen  Freiburg  aufgegeben  hat, 
um  den  verantwortungsvollen  Posten  in  der 
Phidiasstraße  zu  beziehen,  ein  herzliches 
Glückauf  zu.  Möge  die  Göttin  mit  ihm  und 
seinen  Genossen  sein,  der  einst  Ludwig  Roß 
ihren  schlanken  Marmortempel  wieder  auf- 
baute: 'AOr^vaia  Nt'xr). 

Leipzig.  Franz  Studniczka. 


ZU  DER  ÄLTESTEN  ATTISCHEN 
INSCHRIFT, 

und  zwar  zu  ihrem  kurzen  Schlußvers, 
den  ich  nicht  anders  als  töxo  Ssxäv  [jliv  zu 
lesen   vermochte,   hat  die  Klio  XVII   1921 


341 


Zu  der  ältesten  attischen  Inschrift. 


342 


zwei  neue  Vorschläge  gebracht.  S.  262  flf. 
versucht  Brandenstein  dem,  wie  er  sah, 
einwandfrei  festgestellten  Tatbestand  eine 
nur  in  einem  Buchstaben  abweichende  Deu- 
tung zu  geben.  S.  267  f.  dagegen  benutzt 
Kaiinka  sein  wohlbegründetes  Ansehn  als 
Epigraphiker,  um  an  diesem  Tatbestande 
ohne  jeden  Grund  irre  zu  machen.  Als  ich 
mich  in  den  Ath.  Mitt.  XVIII  1893  Taf.  10 
unterfing,  die  von  St.  Kumanudis  und  von 
Lolling  gegebenen,  voneinander  etwas 
abweichenden  Zeichnungen  durch  eine  dritte 
zu  ersetzen,  da  mußte  und  durfte  ich  mich 
»für  ihre  Genauigkeit  in  allem  irgend  Wesent- 
lichen« verbürgen  (S.  226).  War  sie  doch 
auf  der  mechanischen  Grundlage  von  Durch- 
reibung und  Photographie,  vor  allem  aber 
nach  wiederholter,  »zu  verschiedenen  Zeiten 
von  mir  und  neuerdings  von  Wolters  vorge- 
nommener Untersuchung  des  Gefäßes  selbst«, 
ohne  Eile  und  vorgefaßte  Meinung,  unter 
den  günstigen  Bedingungen,  die  Athens 
Museen  darbieten,  hergestellt  worden.  Für 
ein  Mißlingen  wären  also  nur  die  Fähig- 
keiten der  beiden  Zeugen  verantwortlich 
zu  machen,  und  diese  waren  zwar  »nur« 
Archäologen,  aber  als  solche  pflichtgemäß 
von  Jugend  auf  auch  im  Lesen  und  Wieder- 
geben von  Inschriften,  namentlich  auch  auf 
Tongefäßen,  erfahren  i),  zudem  auf  der  Höhe 
ihrer  Sinnenschärfe.  So  dürfen  sie  wohl 
beanspruchen,  daß  einer  so  sorgfältig  vor- 
bereiteten, gemeinsamen  Arbeit  von  ihnen, 
wie  es  das  in  Rede  stehende  Faksimile  ist, 
der  Glaube  nicht  ohne  frische  Nachprüfung 
des  Originals  versagt  werde.  Eine  solche 
hat  aber  Kaiinka  offenbar  nicht  vorgenom- 
men oder  vornehmen  lassen,  obgleich  seit 
dem  Herbste  1920  auch  wieder  deutsche 
Gelehrte,  zunächst  O.  Walter,  Hiller  von 
Gärtringen  und  ich,  dazu  in  der  Lage  ge- 
wesen wären.  Da  ich  von  den  neuen  Le- 
sungen während  meines  athenischen  Winters 
nichts  erfuhr,  bat  ich  jetzt,  im  Frühjahr  1922, 
den  endgültigen  Leiter  unseres  dortigen 
Archäologischen  Instituts,  Ernst  Buschor, 
der  ganz  besonders  als  Vasenforscher  be- 
währt ist,   und   den  wenigstens  durch   eine 


')  Um  nur  die  sachlich  nächststehenden  Publi- 
kationen anzuführen,  vgl.  Jahrbuch  d.  arch.  Instit. 

11  1886,    143 — 145;    161 — 164.     'EcpT)(i..  (ipy.    1887, 

12  ff.,  135;  139!  141. 


gute  Doktorschrift  auf  demselben  Gebiete 
(Zur  Zeitbestimmung  der  strengrotf.  Vasen, 
Leipzig  1920)  bekannt  gewordenen  Ernst 
Langlotz  sich  alle  strittigen  Zeichen  noch- 
mals genau  anzusehen.  Sie  entsprachen  als- 
bald diesem  Wunsche  im  Vereine  mit  dem 
stellvertretenden  Direktor  des  National- 
museums, dem  vielseitig  erfahrener.  Ephoros 
G.  Oikonomos,  und  fanden  einstimmig  mein 
Faksimile     durchaus     richtig. 

Der  vorletzte  Buchstabe  gleicht  auch 
nach  diesem  Berichte  den  beiden  ?  (drei- 
strichigen  Iota)  in  Ttai'Cst,  nur  daß  er  einen 
Strich  mehr  hat,  also  einem  vierstrichigen 
Sigma  gleichkommt.  Dieselbe  Schwankung 
in  der  Schreibung  des  Iota,  wobei  die  vier- 
strichige  Form  die  seltenere  ist,  zeigt  z.  B. 
die  alte  Felsinschrift  des  Krimon  in  Thera 
IG  XII  3,  540  und  die  Weihinschrift  der 
Naxierin  Nikandre  auf  der  allbekannten  deli- 
schen  Statue,  IGA  407.  Auf  dem  Dipylon- 
kruge  setzt  sich  die  zweite  von  den  »regel- 
mäßigen, breiteren  Ritzlinien«  des  ^  fort 
»in  dem  auf  der  Abbildung  sichtbaren  dünnen 
langen  Fahrer,  der  ganz  nach  Ausgleiten  des 
Griffels  aussieht«,  wie  schon  ich  es  gedeutet 
hatte.  Wenn  Kaiinka  an  diesem  »Fahrer« 
ein  von  dem  Schreiber  nachträglich  herge- 
stelltes —  E  erkennt,  dann  dürfte  man  das 
ohne  Beleg  selbst  ihm  nicht  glauben. 

An  viertletzter  Stelle  braucht  Kaiinka 
ein  N  Ypsilon  statt  meines  M  Ny.  Aber 
Buschor  und  Genossen  sehen,  wie  seinerzeit 
Wolters  und  ich,  »nur  die  lange  senkrechte 
Haste,  deren  oberes  Ende  etwas  nach  links 
umbiegt.  Von  der  im  spitzen  Winkel  an- 
schließenden Haste  ist  infolge  der  Ab- 
splitterung der  Oberfläche  kein  sicherer  Rest 
einer  Ritzlinie  erhalten,  aber  die  Form  dieser 
AbspHtterung  macht  es  sehr  wahrscheinlich, 
daß  eine  solche  Haste  vorhanden  war.  Von 
dem  aufgehenden  Ast  eines  ^  ist  keine  Spur 
zu  sehen.  Sie  müßte  aber  zu  sehen  sein, 
wenn  dieses  angebliche  ^  dem  am  Anfang 
der  Inschrift  [8?  vuv]  geglichen  hätte«. 

Endlich  der  achtletzte  Buchstabe,  von 
mir  als  ^  gelesen,  entspricht  auch  nach  der 
neuen  Prüfung  genau  meiner  Wiedergabe. 
Dagegen  muß  Kaiinka,  zugunsten  des  hier 
von  Kumanudis  gelesenen  M ,  den  unteren 
Querstrich  in  Abrede  stellen.  Aber  er  ist  nur 
auf  Kalinkas  Photographie  nicht  ganz  deut- 


343 


Ein  Mithrasrelief  aus  Bulgarien. 


344 


lieh,  weil  er  auf  einem  hellen  Fimisbtreifen 
steht.  Vor  dem  Original  dagegen  besteht  an 
der  kräftig  eingerissenen  Rille  gar  kein 
Zweifel.  Auch  nicht  für  Buschor  und  Ge- 
nossen, die  nur,  auch  dieses  in  Überein- 
stimmung mit  dem  Faksimile,  hervorheben, 
daß  der  Querstrich  »bis  zum  Bruche,  nicht 
darüber  hinaus  geht«.  Letzteres  fordert 
Brandenstein  S.  264,  wenn  meine  Auf- 
fassung des  Zeichens  als  Delta  gelten  soll. 
Dabei  übersieht  er  jedoch,  worauf  ich  seiner- 
zeit ausdrücklich  hinzuweisen  versäumte, 
daß  bei  der  allein  in  Frage  kommenden  alten 
Form  dieses  Buchstabens:  mit  einem  an- 
nähernd rechten  Winkel  an  der  schmalen 
Basis,  die  Hypotenuse  nicht  selten  heraus- 
gewölbt ist,  damit  der  obere  Winkel  nicht 
gar  zu  spitz  werde.  Am  ähnlichsten  kenneich 
das  Delta  abermals  in  der  erwähnten  Ni- 
*»  kandreinschrift  und  im  alten  Thera,  IG 
XII  3,  361,  536,  552,  771,  800  u.  s.  Im  Juni 
1887  merkte  ich  zu  meiner  Abschrift  der 
Kruginschrift  an:  der  ausgebauchte  Strich 
des  Delta  sei  im  Bruche  deutlich.  Leider 
bemerkte  ich  dies  erst,  nachdem  ich  Buschor 
meine  Fragen  geschrieben  hatte').  So  be- 
stätigte er  nur,  was  ich  Brandenstein  gern 
zugebe:  daß  der  andere,  quer  durch  die 
Mitte  des  Zeichens  gehende  Bruch  einen 
wagerechten  Stricli  verschlungen  haben 
könnte.  Unter  dieser  Voraussetzung  liest  er 
ein  Heta  (ganz  verschieden  von  dem,  womit 
die  Inschrift  beginnt),  dessen  oberer  Winkel 
etwa  45  Grad  beträgt,  im  Gegensatze  zu  dem 
rechten  unteren.  Ganz  so  schief  geraten  ist 
nicht  einmal  die  am  nächsten  kommende 
von  Brandensteins  spärhchen  Analogien,  in 
einer  von  den  kürzeren  Söldnerinschriften 
za  Abusimbel,  IGA  482  c.  So  kann  ich 
paläographisch  die  Möghchkeit  dieser  neuen 
Lesung  nur  notdürftig  begründet  finden, 
jedenfalls  viel  schlechter  als  die  des  Delta. 
Ob   sprachlich  Brandensteins    nur   aus  dem 


■)  In  der  Korrektur  kann  ich  noch  nachtragen, 
daß  mir  Buschor  von  Oikonomos  gütig  besorgte 
Gipsabgüsse  dieses  Buchstabens  zusandte,  die  dessen 
Auffassung  als  A  der  oben  beschriebenen  Form 
sicherstellen.  Die  nur  ausgebauchte  Hypotenuse 
ist  ganz  deutlich,  der  für  Brandensteins  .schiefes 
Heta  erforderliche  stumpfe  Winkel  nicht  vorhanden. 
—  Unbegründete  Zweifel  an  meinem  Faksimile  des 
Inschriftendes  schon,  wie  mir  nachgewiesen  wird, 
bei  Geffken,  Gr.  Epigramme  (1916)  Nr.   i. 


mythischen  Eigennamen  Hekale  geschöpftes 
Zeitwort  Ixdw  annehmbarer  ist  als  mein 
Ssxofu)  (im  Sinne  von  8£}(o[xa[),  das  ein 
Kenner  wie  J.  Wackernagel,  in  meinem  ein- 
gangs erwähnten  Aufsatz,  vertreten  zu 
können  glaubte,  diese  Frage  muß  ich  Sprach- 
kundigeren überlassen.  Ich  wollte  nur  ihre 
weiteren  Bemühungen  von  den  Irrwegen 
bewahren,  auf  die  sie  Kalinkas  grundlose 
Verdächtigung  meiner  Ausgabe  der  Inschrift 
verlocken  könnte. 

Leipzig,  Mai  1922. 

Franz  Studniczka. 


EIN     MITHRASRELIEF     AUS     BUL- 
GARIEN. 

Folgendes    Denkmal,    das    einen    neuen 
Beleg  für  die  weite  Verbreitung  des  Mithras- 


Mithrasrelief  aus  Jambol. 

kultus   in   der  Balkanhalbinsel  bietet'),  ist 
neulich    beim    heutigen    »Tauschan-tepe«, 


")  Über  diese  Denkmäler  vgl.  Cumont,  Textes  et 
monum.  II  271,  488;  Dobrusky,  Sbornik  des  Minist. 
fUrVolksaufklärung. XVI— XVII 36,  XVIII  752  (bulg.) ; 
CIL  III  1441 1  f.;  G.Kazarow,  Bull.  soc.  arch.  Bulgare 
II  46;  Cumont,  Les  mystires  de  Mithra  III  ed.  242. 
Ein  Relief  aus  Makedonien:  Arch.  Religionswiss. 
XX  236. 


345 


Zur  Archäologie  Thrakiens, 


346 


nördlich  von  Jambol  (Thrakien),  gefunden 
worden,  wo  die  Ruinen  der  antiken  Stadt 
Kabylei)  liegen. 

Viereckige,  oben  abgerundete  Marmor- 
platte,hoch20,5  cm,  breit  unten  17,5  cm,  oben 
20  cm,  dick  ca.  3,5  cm.  Das  ziemlich  ver- 
flachte Relief  stellt  den  stiertötenden  Mi- 
thras  in  gewöhnlicher  Kleidung  und  phry- 
gischer  Mütze  dar.  Links  und  rechts 
von  ihm  stehen  die  Dadophoren;  vor  dem 


ZUR  ARCHÄOLOGIE  THRAKIENS. 

(Ein  Nachtrag.) 

In  meinem  Reisebericht  (Arch.  Anz.  19 18, 
3)  habe  ich  erwähnt,  daß  nicht  wenige 
von  den  in  der  Nekropole  bei  Schapl^-dere 
gefundenen  Gegenständen  verschleppt  worden 
sind.  Einige  Stücke  von  diesem  Fundort, 
nämlich  zwei  rotfigurige  Aryballoi  und 
eine   Lekythos,    sind    neulich   dem    Lokal- 


Abb.   I.     Pelike  aus  Schapl^-dere. 


linken  Dadophoros  sieht  man  einen  un- 
deutlichen Gegenstand,  wahrscheinlich  einen 
Löwenkopf*);  über  dem  Kopf  desselben 
steht  der  Rabe.  Oben  rechts  Mithras  aus 
dem  Felsen  emporwachsend  mit  erhobenen 
Händen,  in  der  Rechten  ein  Messer  haltend; 
links  von  ihm  eine  undeutliche  Büste  (Luna); 
hinter  dem  Kopf  des  Mithras  eine  andere 
Büste  (Sol);  weiter  der  Stier  in  einem 
Nachen  stehend,  linkshin  gewendet;  vor 
ihm  ein  kauerndes  Tier  (?). 

Sofia.  Gawril  I.  Kazarow. 


>)  Oberhummer,  Pauly-Wissowa-KroU,  Realenc. 
X  1455;  G.  Seure,  Archeologie  thrace  II  i,  109 
(Paris   1920). 

')  Vgl-  z-  ß-  d^s  Relief  von  Cumont,  a.  a.  O. 
II  289  fig.   143;  304  fig.   161. 


museum  in  Stara-Zagora  geschenkt  worden ; 
ich  habe  dieselben  in  Bull,  de  la  soc.  arch. 
Bulg.  VII  140  veröffentlicht.  Hier  möchte 
ich  noch  zwei  Stücke  nachtragen,  die  sich 
jetzt  im  Privatbesitz  in  Sofia  befinden. 

Rotfigurige  Pelike,  H.  32,5  cm, 
Durchm.  der  Mündung  16,5  cm;  Firnis 
glänzend  schwarz,  auf  der  Schulter  über 
den  Bildern  Eierstabornament;  die  um- 
rahmten Bilder  sind:  auf  der  einen  Seite, 
wo  ein  Stück  ausgebrochen  ist,  zwei  lang- 
bekleidete Epheben  im  Gespräch,  der  links 
stehende  auf  seinen  Stab  gestützt  (Abb.  i  a) ; 
auf  der  anderen  Seite;  dasselbe  Bild,  nur 
hält  der  rechts  stehende  Jüngling  eine  sieben- 
saitige  Lyra  in  der  rechten  Hand  (Abb.  i  b). 

Nach  Mitteilung  eines  bei  der  Ausgrabung 
anwesenden  Offiziers  soll  die  Pelike  ver- 
brannte  Skelettreste   enthalten   haben   und 


347 


Zu  den  Cardelli-Reliefs  in  Rom. 


348 


Abb.  2.     Bronzeschale  aus  Scliapl^-dere. 

mit  einer  Bronzeschale  zugedeckt  ge- 
wesen sein.  Tatsächlich  habe  ich  auf  dem 
Mündungsrand  der  Pelike  Reste  grünen 
Oxyds  gesehen,  so  daß  diese  Mitteilung  als 
sicher  gelten  darf.  Diese  Schale  hat  einen 
Durchm.  von  17  cm,  Tiefe  4  cm  und  ist 
mit  einer  eingetriebenen  Rosette  verziert 
(Abb.  2);  auf  dem  Rand  sieht  man  ein 
kleines  Loch   (Abb.  2   bei  d). 

Sofia.  Gawril  I.  Kazarow. 


ZU  DEN  CARDELLI-RELIEFS  IN  ROM. 

Als  Ergänzung  zu  meiner  Untersuchung 
in  den  Sitzungsber.  d.  bayr.  Akad.  d.  Wiss. 
1920  Abh.  n.  S.  2 off.  möchte  ich  folgende 
mir  freundlichst  von  W.  Amelung  aus  Rom 
zugesandte  Mitteilung  vom  22.  10.  21.  be- 
kanntgeben: »Gestern  war  ich  mit  Roden- 
waldt  im  Palazzo  Cardelli.  Wir  haben  die 
Reliefs  gewaschen,  beleuchtet  und  genau 
untersucht  und  sind  beide  zu  dem  gleichen 
Resultat  gekommen,  daß  Sie  in  allem 
Wesentlichen  gegen  Robert  recht  behalten. 
Die  Reliefs  sind  zweifellos  antik  und  nicht 
zusammengeflickt.  Zu  den  Ergänzungsan- 
gaben bei  Matz-Duhn  ist  folgendes  zu  be- 
merken. An  dem  Dionysos  sind  die  Füße 
und  das  1.  Bein  alt,  die  Nase  ist  ergänzt. 
An  dem  stützenden  Satyr  ist  die  r.  Schulter 
ergänzt.  An  dem  Silen  sind  Nase 
und  Oberlippe  neu.  An  der  Ikaria  ist  die 
Turmkrone  ursprünglich,  der  r.  Arm  ist 
mit  der  Hand  ergänzt,  außerdem  Nase 
und    Teile    des    linken   Oberschenkels   mit 


Knie.  An  dem  kleinen  Ssityr  sind  nicht 
beide  Unterschenkel  neu,  sondern  nur  der 
rechte.  Von  dem  Knaben  ist  ein  Teil  des 
Kopfes  am  Grunde  alt;  ergänzt  r.  Arm 
mit  Hand,  Stück  am  r.  Bein  (?).  Von  dem 
Weinstock  ist,  wie  Sie  schon  angegeben 
haben,  ein  Stück  über  dem  Scheitel  des 
Knaben  antik,  dann  ein  Stück  über  dem 
Deckel  der  Cista,  die  selbst  auch  antik  ist. 
An  dem  Ikarios  ist  das  linke  Knie  ergänzt, 
dann  nicht  der  ganze  Unterarm,  sondern 
nur  die  Finger  im  Zusammenhang  mit  dem 
Kopfe.  An  dem  Mann  rechts  von  ihm 
ist  ein  Teil  des  Lagobolon  und  des  linken 
Oberschenkels  neu;  die  Cista  unten  ist  antik. 
Was  Sie  links  von  dem  großen  Weinstock, 
für  das  r.  Bein  der  Knienden  hielten 
schien  uns  eher  Fels  zu  sein,  aber  es  ist 
zu  wenig,  um  es  klar  zu  erkennen ;  die 
Falten  zwischen  1.  Oberschenkel  und  Hand 
scheinen  mir  eher  erklärlich,  wenn  die  Ge- 
stalt mit  beiden  Beinen  kniet;  ob  der 
1.  Arm  alt  sei,  war  nicht  klar  zu  erkennen, 
jedenfalls  aber  wäre  er  richtig  ergänzt. 
An  dem  Pan  ist  nicht  das  ganze  r.  Bein 
neu,  sondern  nur  der  untere  dünne  Teil. 
An  dem  Satyr  sind  nicht  beide  Beine  neu, 
sondern  nur  das  r.  bis  auf  den  Fuß.  An 
dem  Knaben  ist  nicht  der  r.,  sondern  der 
1.  Unterarm  neu  bis  auf  die  Hand.  Senk- 
rechte Fugen  sind  nicht  vorhanden. 

Die  Komposition  beider  Platten  ist  ganz 
symmetrisch.  Möglich  wäre  danach,  daß 
in  der  Mitte  etwas  ausgefallen  ist.  Aber 
mit  ihrer  Deutung  werden  Sie  doch  auch 
wohl  recht  behalten.  Nur  daß  die  Cista 
rechts  antik  ist,  macht  mich  bei  der 
Deutung  des  »Lümmels«  bedenklich.  Zu 
der  sich  oben  verzweigende  Rebe  wäre  am 
Ende  noch  der  seltsame  Sarkophag  im 
Vatikan  —  Heibig,  Führers  I  n.  132  — 
zu  vergleichen.  Mit  der  Datierung  ins 
4.  Jahrh.  sind  Sie  wohl  allzu  weit  hinunter- 
gegangen. Von  einem  Sarkophag  werden 
die  Reliefs  schwerlich  stammen.  Sie  sind 
ganz  besonders  unerfreulich.« 

München.  J.  Sieveking. 


349 


Zur  Sima  von  Palaikastro. 


350 


ZUR  SIMA  VON  PALAIKASTRO. 

Vor  einigen  Jahren  konnte  ich  zu  meiner 
Überraschung  feststellen,  daß  sich  im 
Münchener  Museum  antiker  Kleinkunst 
das  0,127  hohe  Fragment  einer  Wiederholung 
der  Ton-Sima  von  Palaikastro ')  im  Museum 
von  Kandia  befindet  (Abb.  i).  Ein  Ver- 
gleich mit  den  Maßen  der  letzteren  im 
Münchener  Gipsmuseum  überzeugte  mich, 
daß  beiden  die  gleiche  Form  zugrunde 
liegt.  An  dem  Münchener  Exemplar  sind 
nur  die  Einzelheiten  etwas  schärfer  erhalten 
geblieben.      Sein    Ton    ist    grob,     von    rot- 


Abb.   I.     München,  Museum  antiker  Kleinkunst. 

brauner  Farbe  und  mit  Glimmerstücken 
durchsetzt.  Von  einem  Überzug  sind  keine 
Spuren  vorhanden. 

Als  ich  meine  Beobachtung  kürzlich 
P.  Jacobsthal  mitteilte,  konnte  er  mir  seiner- 
seits mit  der  von  ihm  erkannten  Wieder- 
holung eines  andern  Teiles  der  Sima  im 
Louvre  aufwarten  (Abb.  2)  und  stellte 
mir  freundlichst  die  von  ihm  gemachte 
photographische  Aufnahme  und  seine  Notizen 
zur  Verfügung,  da  wir  beide  der  Ansicht 
waren,  daß  eine  Bekanntmachung  der  beiden 
Fragmente  nützlich  sei:  Das  Pariser  Stück 
(Louvre  C.  A.  595)  »Don  de  M.  Pringault« 
stammt    aus  Melos    und    ist    22    cm    hoch, 


')  Savignoni,  Rom.  Mitt.  XXI  1906  Taf.  II;  Koch, 
Rom.  Mitt.  XXX  1915,  40.  Erwähnt  bei  E.  Douglas 
van  Buren,  Figurative  Terracotta  Revetments  in 
Etruria  and  Latium  S.  57.  Karo,  Pauly-Wissowa 
Art.  Kreta  Abs.  38. 


16  cm  breit  und  3,9  cm  dick.  Der  Ton 
ist  ziegelrot,  ziemlich  grob,  glimmerig, 
auf  der  Vorderfläche  mehr  ledergelb,  weil 
mit  feinerem  Ton  überzogen.  Als  einzige 
Farbspur  findet  sich  in  der  Ritze  zwischen 
Schildrand  und  Helm  starkes  Grün.  Das 
Stück  ist  erwähnt  von  Mendel,  Cat.  d. 
sculpt.  d.  Mus.  imp.  Ottomans  I  S.  281. 
Die  Maße  stimmen  wieder  genau  mit 
denen  der  Sima  von  Palaikastro  überein, 
so  daß  die  gleiche  Form  für  beide  ange- 
nommen    werden     muß.      Rechts     ist    ein 


\\ 


Abb.  2.     Paris,  Louvre. 

Teil  der  Abschlußkante  erhalten;  wichtig 
ist  das  Fragment  wegen  der  guten  Er- 
haltung des  Kriegerkopfes,  der  auf  dem 
Kretenser  Exemplar  stark  zerstört  ist.  Links 
ist  noch  eine  Umrißspur  des  Rundschildes 
erkennbar,  den  der  zweite  Krieger  trägt. 
Der  Fundort  Melos  erscheint  bei  der  Nähe 
Kretas  nicht  besonders  verwunderlich,  merk- 
würdiger ist,  daß  das  Münchner  Fragment 
aus  der  von  König  Ludwig  I.  erworbenen 
Sammlung  der  Gräfin  Lipona,  der  ehemaligen 
Königin  von  Neapel,  stammt,  die  nur 
Stücke  süditalischer  Herkunft  enthält.  Ein 
solch  kleiner  Brocken  kann  aber  dorthin 
natürlich  leicht  auch  erst  in  neuerer  Zeit 
von  auswärts  gekommen  sein,  so  daß  man 


351 


Eine  Darstellung  des  Seneca. 


352 


nicht    an    antiken    Import    aus   Kreta   zu 
denken  braucht. 

München.  J.  Sieveking. 


EINE  DARSTELLUNG  DES  SENECA? 

Im  Münchner  Privatbesitz,  bei  Herrn  Dr. 
Paul  Drey,  befindet  sich  das  hier  Abb.  i  mit 
freundlicher  Erlaubnis  des  Besitzers  nach 
einem  Abguß  wiedergegebene  kleine  Relief- 
fragment, dessen  Kenntnis  ich  Arndt  verdanke. 


Abb.   I.'   München,  Privatbesitz. 

Das  Material  ist  giallo  antico,  die  Höhe 
beträgt  0,06,  Herkunft  Italien.  Die  glatte 
Begrenzungsfläche  des  Reliefgrundes  ist 
auf  der  rechten  Seite  vollständig,  oben 
und  unten  zum  Teil  erhalten,  die  Rück- 
Seite  ist  ebenfalls  geglättet.  Links  ist  ein 
Stück  des  Steines  fortgebrochen,  nicht  viel, 
wie  man  nach  der  Höhenausdehnung  des 
Reliefs  annehmen  darf,  wohl  nur  etwas 
Hintergrund  und  die  Unterschenkel  des 
Mannes,  auf  den  sich  also  die  Darstellung 
in  der  Hauptsache  beschränkt  haben  wird. 
Er  sitzt  nach  rechts  gewendet  auf  einem 
Steinblock,  Spuren  neben  dem  rechten 
Arm  scheinen  darauf  hinzudeuten,  daß 
auch  der  Hintergrund  felsig  gedacht  war. 
Die  Gewandung  besteht  in  einem  Mantel, 
der   den  Unterkörper  einhüllt  und  auf  der 


linken  Schulter  aufliegend  Brust  und  Arme 
freiläßt.  Ein  Stück  der  Brust  und  der 
linke  Oberarm  sind  ausgebrochen.  Der 
rechte  Arm  stützt  einen  Knotenstock  auf, 
den  auch  die  linke  im  Schoß  liegende 
Hand  anfaßt.  Der  Kopf  lehnt  sich  mit 
der  rechten  Wange  gegen  die  rechte  Hand 
an.  Es  ist  ein  alter  Mann,  wie  die  welke 
Brust,  das  schlaffe  Gesicht  und  der  faltige 
Hals  zeigen.  Das  ausdrucksvolle  Ge- 
sicht mit  der  gebogenen  Nase  ist  bart- 
los, der  Oberkopf  kahl.  Stock  und  Mantel- 
tracht zusammen  charakterisieren  unzwei- 
deutig den  Philosophen,  zu  dem  aber  das 
Fehlen  des  Bartes  wenig  passen  will.  Nun 
scheint  mir  der  Kopf  einen  ausgesprochen 
römischen  Typus  zu  verraten  und  außer- 
dem eine  große  Ähnlichkeit  mit  dem 
Seneca  der  Berliner  Doppelherme ')  auf- 
zuweisen, nur  daß  in  dem  Relief  das 
Greisenhafte  noch  stärker  betont  ist  2).  Mit 
dieser  Identifizierung  der  Person  löst  sich, 
glaube  ich,  auch  der  eben  angedeutete 
Widerspruch.  Seneca  war  trotz  seiner 
philosophischen  Schriftstellerei  kein  Philo- 
soph im  eigentlichen  antiken  Sinne,  diese 
Benennung  unterscheidet  ihn  nur  bequem 
von  seinem  Vater,  dem  Rhetor.  Ich  halte 
es  für  ganz  ausgeschlossen,  daß  ein  Staats- 
mann der  claudischen  Zeit,  der  auch  das 
Konsulat  bekleidete,  einen  Philosophenbart 
getragen  hat,  wie  Roßbach  3)  aus  der 
Frage  in  den  Epistulae  48,  7  in  hoc  barbam 
demisimus?  schließen  möchte.  Der  ganze 
Brief  ist  eine  Betrachtung  über  die  wahren 
Aufgaben  der  Philosophie,  und  die  Fragen 
am  Anfang  desselben  legt  Seneca  den 
Philosophen  in  ihrer  Gesamtheit  in  den 
Mund.  Aber  wie  man  ihn  in  der 
Doppelherme  mit  dem  Sokrates  verbunden 
hat,  so  konnte  man  ihn  auf  Grund  seiner 
Schriften  auch  ebenso  passend  in  der 
Philosophentracht  mit  Mantel  und  Stab 
verewigen.  Man  hat  allerdings  auch  gemeint, 
die    Namensaufschrift    der    Herme    beruhe 


')  Arch  Ztg.  i88oTaf.  5;  Beraoulli,  Rom.  Ikonogr. 
I  S.  278 ;  Kurze  Beschreibung  der  antiken  Skulp- 
turen im  Alten  Museum   1920  Nr.  391. 

^)  Die  Ähnlichkeit  kommt  der  Verkürzung  des 
Kopfes  wegen  in  der  Photographie  nicht  so  zur 
Geltung  wie  in  Original  und  Abguß. 

3)  Pauly-Wissowa  I.  2244. 


353 


Archäologische  Gesellschaft  zu  Berlin.     Juli-Sitzung  1921. 


354 


auf  einer  Verwechslung  in  antiker  Zeit, 
da  sich  die  den  Kopf  auszeichnende  Fülle 
nicht  mit  der  Überlieferung  über  Senecas 
Äußeres  in  Einklang  bringen  ließe').  Ich 
habe  alle  hierfür  angeführten  Stellen  nach- 
geprüft und  kann  aus  ihnen  nichts  ent- 
nehmen, was  dazu  nötigen  würde,  in  der 
Hermenbüste  eine  andere  Person  zu  er- 
kennen als  die  Inschrift  angibt.  Er  wurde 
viel  von  Krankheiten  heimgesucht,  haupt- 
sächlich katarrhalischen  Affektionen  (destil- 
lationes)  und  Asthma  (suspirium).  Erstere 
waren  besonders  in  der  Jugend  so  heftig, 
daß  er  stark  abmagerte  (Ep,  78,  i)  und 
unter  Caligula  für  einen  Phthisiker  gehalten 
wurde.  Bernoullis  Behauptung,  daß  er  in  den 
letzten  Jahren  ganz  abgemagert  war  (vgl. 
auch  Baumeister,  Denkmäler  III 1 64  7),  ist  aber 
willkürlich.  Tacitus  (Annal.  15,  63)  sagt 
bei  der  Schilderung  des  Selbstmordes  nur, 
daß  der  greisenhafte  Körper  durch  karge 
Lebensweise,  zu  der  ihn  begreiflicherweise 
seine  Gicht  zwang,  so  geschwächt  gewesen 
sei,  daß  das  Blut  nur  langsam  aus  den 
geöffneten  Adern  entwichen  sei.  In  dem 
Hermenkopf  ist  das  Greisenhafte  angedeutet, 
wer  will,  mag  auch  den  Asthmatiker  er- 
kennen. Es  ist  keine  Arbeit  des  ersten 
Jahrhunderts  nach  Chr.,  wie  in  der  letzten 
Behandlung  im  Berliner  Museumsführer 
behauptet  wird,  sondern  des  dritten,  die 
Haararbeit  weist  etwa  in  die  Zeit  des 
Maximinus  Thrax  und  der  Gordiane.  Unser 
Relief,  eine  flotte  nicht  ins  Detail  gehende 
Arbeit,  dürfte  früher  entstanden  sein,  doch 
wage  ich  nicht  zu  entscheiden  ob  es  dem 
ersten  oder  zweiten  Jahrhundert  angehört, 
für  letzteren  Zeitansatz  würde  die  Angabe 
des  Augensternes  sprechen,  die  ich  am 
Original  zu  erkennen  glaube.  Eigentümlich 
ist,  wie  der  Rücken  des  Mannes  und  der  Sitz 
über  den  Grund  seitwärts  hinausgreifen,  da- 
durch mutet  das  Stück  fast  wie  die  Nach- 
ahmung eines   Cameo  an. 


München. 


J.  Sieveking. 


')  Rofibach  a.  a.  O,    M.  Schanz,  Rom.  Literatur- 
gesch.  ä  II,  2  S.  287, 


ARCHÄOLOGISCHE  GESELLSCHAFT 
ZU  BERLIN. 

Sitzung  vom  5.  Juli   1921. 

Herr  Sund  wall  sprach  über  die  kre- 
tische Schrift.  Auf  Grund  von  Auf- 
zeichnungen kretischer  linearer  Schrift- 
täfelchen, die  der  Vortragende  in  den  Jah- 
ren 19 13  und  19 14  in  Kreta  hatte  machen 
können,  gab  er  die  Resultate  seiner  Unter- 
suchungen über  diese  Schriftsysteme,  von 
denen  das  sogenannte  A-System  das  ältere 
ist  und  für  das  ganze  minoische  Kreta 
belegt,  während  sich  daraus  durch  eine 
Reform  in  dem  umgebauten  Palast  in  Knos- 
sos  das  B-System  entwickelt  hat.  Die 
zahlreichen  Übereinstimmungen  zwischen 
Zeichen  des  A-Systems  und  dem  cyprischen 
Syllabar-Alphabet  weisen  auf  eine  Über- 
tragung gerade  des  älteren  linearen  Systems 
nach  Cypern.  Dagegen  können  keine  Beweise 
für  die  Coexistenz  einer  der  minoischen 
verwandten  Schrift  in  Kleinasien  aufgebracht 
werden,  aus  welcher  die  sog.  epichorischen 
Alphabete  der  Karer,  Lykier,  Lyder  ihre 
Komplementärzeichen  bezogen  hätten. 
Nicht  einmal  für  das  griechische  Festland 
ist  die  Ausübung  einer  eigenen  prähistorischen 
Schrift  bezeugt,  denn  die  dort  gemachten 
Schriftfunde  haben  durchaus  kretischen 
Charakter.  Die  Entstehung  der  kretischen 
Schrift  findet  durch  die  mannigfachen 
Übereinstimmungen  mit  ägyptischen  Hiero- 
glyphenzeichen ihre  Erklärung.  Wenn  die 
großen  älteren  Paläste  in  Mittelkreta  am  An- 
fang der  mittelminoischen  Epoche  entstehen, 
scheint  sich  hier  aus  den  nach  ägyptischen 
Mustern  üblichen  Siegelbildern  eine  Art 
ideographischer  Schrift  zu  entwickeln,  die 
hieroglyphische,  die  dann  zum  Zwecke 
der  Rechnungsführung  und  Inventarisierung 
sich  zur  picto  graphischen  entwickelt. 
Durch  eine  Reform  entsteht  auf  dieser  Grund- 
lage in  den  neuen  Palästen  um  1600  die 
Linearschrift.  Diese  Reform  zeigt  einen 
gesteigerten  Einfluß  von  seiten  der  ägyp- 
tischen Hieroglyphen  her,  nicht  nur  betreffs 
der  Zeichen,  sondern  in  dem  ganzen  System, 
wie  bei  der  Gestaltung  der  Zahlzeichen, 
Verwendung  von  Determinativen,  Ideo- 
grammen   abwechselnd    mit    Zeichen    von 


355 


Archäologische  Gesellschaft  zu  Berlin.     November-Sitzung  1921. 


356 


Lautgruppenwert.  Daneben  sind  aber  auch 
einheimische  Neuschöpfungen  zu  beobachten. 
Der  gesteigerte  ägyptische  Einfluß  in  der 
Schrift  fällt  gerade  mit  den  regeren  Be- 
ziehungen zwischen  Kreta  und  Ägypten  in 
der  Hyksoszeit  zusammen.  Der  Inhalt 
vieler  Täfelchen  ergibt  sich  aus  der  Zu- 
sammenstellung der  ideographisch  gegebenen 
Gegenstandszeichen  mit  ihren  Zahlen ;  es  sind 
hier  Inventarverzeichnisse,  in  denen  gewisse 
Zeichengruppen  als  Besitzer  oder  Lieferanten 
deraufgeführten  Gegenstände  anzusehen  sind, 
während  andere  Zeichen  Besitzworte,  andere 
wieder  Summierungsphrase,  andere  den  Auf- 
bewahrungsort bedeuten  mögen.  Einige 
knossische  Täfelchen  geben  ganze  Listen 
von  Männer-  und  Frauennamen.  Die  Haupt- 
bedingung für  eine  Enträtselung  der  kretischen 
Schriftdenkmäler  bleibt  natürlich  ihre  voll- 
ständige Publizierung,  die  nach  20  Jahren 
noch  nicht  erfolgt  ist. 

Hierauf  hielt  Herr  Schede  seinen  Vor- 
trag: Zu  Philiskos,  Archelaos  und 
den  Musen,  dessen  Erscheinen  in  den 
Römischen  Mitteil.  XXXV  1920  bevorsteht 

In  einer  außerordentlichen  Sitzung 
am  12.  Juli  192 1  sprach  Herr  Bosch- 
Gimpera  über  Probleme  der  iberi- 
schen Archäologie. 

Sitzung  vom   i.  November   1921. 

Herr  Strzygowski  (als Gast)  sprach  über 
»Die  Bedeutung  der  armenischen 
Kunst  für  die  europäischeKultur«.  Der 
Vortragende  gab  der  Freude  Ausdruck,  in- 
mitten alter  Arbeitsgenossen  sprechen  zu 
dürfen,  und  dankte  der  armenischen  Gesandt- 
schaft, insbesondere  dem  Geschäftsträger  Dr. 
(Greenfield  für  die  Ermöglichung  dieser  Ver- 
anstaltung. Er  führte  dann  an  der  Hand 
zahlreicher  Lichtbilder  die  Typen  des 
armenischen  Kuppelbaues  über  dem  Qua- 
drat mit  Konchenverstrebung  und  seiner 
Ausstattung  vor.  Dieser  denkmalkundlichen 
Einführung  folgte  eine  kurze  Betrachtung 
des  Wesens  der  armenischen  Kunst.  Dann 
trat  der  Vortragende  in  seine  eigentliche  Auf- 
gabe ein,  die  aus  den  Entwicklungsfragen  im 
besonderen  die  der  Ausbreitung  nach  Europa 
hin  ins  Auge  faßte.  Die  Wirkung  des 
neuen    selbständigen    Stammes    christlicher 


Kunst  läßt  sich  zunächst  in  dem  Auftreten 
vereinzelter  Kuppelbauten  über  dem  Qua- 
drate oder  von  um  das  Sechs-  oder  Acht- 
eck gruppierter  Konchen  im  Bereiche 
Italiens,  des  Frankenreiches  und  auf  dem 
Balkan  beobachten.  Es  sind  alle  jene  be- 
kannten Bauten,  deren  Erscheinen  rätsel- 
haft war  und  die  sich  nur  schwer  aus 
der  hellenistisch-römischen  Überlieferung 
erklären  ließen;  beginnend  mit  der  Minerva 
medica,  dem  Grabmale  des  Theoderich 
und  S.  Lorenzo  in  Mailand  bis  zu  Germigny- 
des-Prds  von  806.  Der  Vortragende  zeigte 
dann,  wie  die  Ausstattung  dieser  Bauten, 
ferner  der  northumbrischen  Hochkreuze  und 
der  ältesten  germanischen  wie  einzelner 
karolingischer  Handschriften  ihre  ausge- 
sprochenen Parallelen  in  den  armenischen 
Denkmälern  hat.  Er  wies  weiter  auf 
Einzelheiten  der  romanischen  Ausstattung, 
wie  des  Bogenfrieses  und  Würfelkapitells, 
hin,  die  mit  zum  ältesten  Typenschatze 
Armeniens  gehören,  und  hatte  gleich  am 
Anfange  auf  die  Vorbildung  des  Gotischen 
in  den  Bauten  des  Hofarchitekten  Trdat 
aufmerksam  gemacht,  deren  Inschriften  be- 
zweifelt wurden,  weil  man  nicht  an  das 
Auftreten  solcher  Formen  um  das  Jahr 
1000  glauben  wollte.  Endlich  stellte  er 
den  Grundriß  der  Peterskirche  in  Parallele 
mit  dem  Rhipsime-  und  dem  Typus  der 
Apostelkirche  in  Ani  und  knüpfte  daran 
den  Hinweis  auf  die  seit  langem  um- 
strittene Anwesenheit  Leonardos  in  Armenien. 
Zum  Schluß  berührte  der  Vortragende  noch 
mit  ein  paar  Worten  die  Frage  des  Ur- 
sprunges der  armenischen  Kirchenkunst  und 
der  Kuppel  mit  Trichternischen  über  dem 
Quadrat,  zog  das  volkstümliche  Haus  Irans 
heran  und  endete  mit  dem  Hinweis  auf 
die  Möglichkeit,  daß  wir  auf  dem  Wege 
solcher  Ursachenforschung  bis  in  die  arische 
Urzeit  zurückgelangen  könnten.  Bezüg- 
lich des  letzteren  Punktes  entspann  sich 
eine  Debatte,  in  der  Herr  Schuchhardt 
im  Wege  der  Umbildung  für  den  südeuro- 
päischen Ursprung  des  quadratischen  Haus- 
typus eintrat,  während  Strzygowski,  unter- 
stützt von  Herrn  Dragendorff,  diese  Bau- 
form als  im  Norden  belegbar  dartat  und 
ihre  selbstständige  Entstehung  für  nicht  un- 
wahrscheinlich ansah. 


-- J 


357 


H.  N.  Ulrich's  Nachlaß.  —  Zographos-Stiflung.  —  Eduard  Gerhard-Stiftung. 


■358 


Sitzung  vom    10.  Dezember  1921. 

Den  Festvortrag  am  81.  Winckelmanns- 
fest  hielt  Herr  Studniczka  aus  Leipzig 
(als  Gast)  über  Archäologisches  aus 
Griechenland.  Der  Vortrag  ist  oben 
Sp.  308  fif.  abgedruckt. 


H.  N.  ULRICHS'  NACHLASS. 

Der  handschriftliche  Nachlaß  von  Hein- 
rich Nicolaus  Ulrichs,  über  den  Rhein.  Mus. 
LXXIII  1920,  273  ff.  berichtet  wurde,  ist 
als  Geschenk  seines  Enkels  Geheimrat  Adolf 
Passow  in  den  Besitz  der  Bibliothek  der 
staatlichen  Museen  übergegangen. 

Berlin.  Erich  Preuner. 


ZOGRAPHOS-  STIFTUNG. 

Der  Einlieferungstermin  für  die  Bear- 
beitungen der  ausgeschriebenen  Preisaufgabe: 
»Das    Unterrichtswesen    im    byzantinischen 


Reiche  vom  Zeitalter  Justinians  bis  zum 
15.  Jahrhundert«  ist  auf  den  31.  Dezember 
1922   verlegt  worden. 

Bayerische  Akademie  der  Wissenschaften 


EDUARD  GERHARD -STIFTUNG. 

Das  Stipendium  der  Eduard  Gerhard- 
Stiftung  ist  Herrn  G.  v.  Lücken  für  seine 
Arbeiten  auf  dem  Gebiete  der  frührotfigu- 
rigen  attischen  Vasenmalerei  verliehen 
worden. 


INSTITUTSNACHRICHTEN. 

Vom  Jahrgang  XXXVII  1922  ab  kommt 
bei  dem  Jahrbuch  des  Instituts  und  dem 
Archäologischen  Anzeiger  das  Honorar  für 
Beiträge  in  Fortfall.  Auf  besonderen  Wunsch 
können  den  Herren  Mitarbeitern  über  die 
übliche  Zahl  von  25  Sonderabdrücken 
hinaus  weitere  10  Exemplare  unberechnet 
geliefert  werden. 


REGISTER. 


I.  SACHREGISTER. 

Die  Spaltenzahlen  des  Archäologischen  Anzeigers  sind  kursiv  gedruckt. 

Abkürzungen:    Br(n)  =  Bronze(n).    G(n)  *=  Gemme(n).     Gr  =  Gruppe.    L  =»  Lampe.    M  =»  Marmor.    Mos(en)  «  Mo8aik(en). 

Mze(n)  —  Münie(n).       Rel(s)  =  Relief(s).      Sk(e)  —  Sarkophag(e).      Sp  —  Spiegel.      Sta(n)  —  Statuc(n).      Stte(n)  =  Statuette(n). 

T(n)  =  Terrakotten.    V(n)  =  Vase(n).     Vb  •=  Vasenbild.    Wgm  —  Wandgemälde. 


Abruzzen,  Grabreis  aus  den  —  125 

Achills  Zug  nach  Leuke  (?),  MRel2J7;  Kampf  um 

die  Leiche  des  — ,    etr.  Urne  82;  — u.  Penthesi- 

leia  (?),  MGr  216. 
Adernö  I73ff.,  197  f. 
Ägypter,    mit  griech.   Kopftypus,   Stützfigur   (?), 

Br  in  Dresden  2 34  ff. 
Ägyptische    Steinschalen   134;   —   Reis   als  Vor- 
bilder der  Wiener  Busirisvase  12  ff. ;  gräzisierende 

Reis  des  Petosiris-Grabes  263 ;  ägyptisierendes  Rel. 

aus  Aricia  217  f. 
Akant hosformen  an  Kapitellen  71  m.  A.  2;  akanthi- 

sierende     Blattkelche     an     hellenistisch-syrischen 

Säulenbasen  in  Seeia  285' 
Akrai,    »Santoni«  J72;  Fimde  igs 
Akroter  vom  Artemistempel  in  Magnesia  a.  M.  71^; 

—  (?),  Nike,  Tyndaris  198 
Albaner    See,   Villenanlagen  am  —  121 
Alexander  d.  Gr.,  Sta  aus  Kyrene  2^;  Weihung 

eines  Sarapisheiligtums  durch  —  4  f. 
AlSxandrinische  Nilszenen  264 
Alkamenes  213  f. 
Alphabet  von  Magre  43 
Altar,  RomrOJ;  SulcisSrS;  mit  Krateutai,  Syrakus 

iy8,  180;  Fels —  auf  oscilla  40 f.;  tönerne  — e  aus 

Alexandria  iii';  römische  Tisch — e  (foculi)  113  f.; 

Altärchen    (arulae),   T,    westgriechische  153,  15J, 

164, 166  f.,  168,  i6g,  171, 172,  203 
Ammonkopf,    als  Griff  einer  BrLampe  130;   auf 

oscillum  40  0 
Amphitheater     von    Arezzo  92,     Libama   36, 

zweites   —  in  Pozzuoli  126 
Amulette  37,  30,  34,  58,  61,  224 
Ancona,  Funde  62.    Vgl.  Museen 


Ancus  Martius,  Bruchstück  eines  Elogium  auf — , 
aus  Ostia  226 

Annageln  (TrpoSTtossaXe'JEiv),  als  Strafe  247 

Antefix:  Gr  eines  sitzenden  u.  eines  stehenden 
Jünglings,  T,  aus  Arezzo  go;  figürliche  — e  vom 
Tempel  des  Antoninus  u.  der  Faustina  lOI 

Antenumrahmung  von  Weih-  u.  Urkundenreis  2' 

Antikythera,   Fund  von  — 333 ff. 

Antinous  als  v^o;  Il'iöto«,  mit  Dreifuß  181 

ä<p(5pusi{  166  f.,  von  Dreifüßen  168 

Aphrodite,  knidische,  Wiederholungen  in  den 
Magazinen  des  Vatikan  262 ;  — torso  von  Kyrene, 
Rom  244;  MStte  aus  Thasos 301  /.;  —  (?)  Bruch- 
stück eines  Torso,  T,  aus  Arezzo  86;  praxitelischer 
— köpf,  Vatikan  262;  —  ( ?)  u.  Eros,  auf  oscillum 
405= 

Apollon,  TSta  aus  Veji  73,  74  5.;  — köpf  aus  Sezze, 
M.  2l6;  —  (?)  auf  oscillum  405>;  —  u.  Demeter  (?) 
neben  Altar,  Rel  aus  Akrai  195;  —  u.  Marsyas, 
auf  oscillum  4054;  — ,  auf  Dreifuß  149';  Beziehun- 
gen des  Dreifußes  zu  • —  158  S.;  Dreifuß  als  Weih- 
gesch.  u.  Attribut  des  —  I75  ff.;  —  als  Gott  der 
Kolonisation  161^;  auvousfa  — s  mit  der  Pythia 
172»?  »Apollines«  TStten  u.  Reis,  Medma  160 

Apostel,  zwölf,  (?)  Wgm  JJ2;  — gräber  unter  S.  Se- 
bastiano,  Rom  115  f. 

Apulien  u.  Calabria,  Funde  141  f. 

Aquileia,  Grabungen  44;  oscilla  aus  35 

Ära  Pacis  67 

Archaistische  Figuren  auf  oscilla  43 

Archäologische   Doktordissertationen  264ff. 

Architektur,  hadrianiscbe  233;  Tonnengewölbe  u. 
Kreuzgewölbe  in  der  römischen  —  32  f, 

Arezzo  83 ff.,  92 


36i 


Register. 


362 


Argos,  Ostgiebelgr.  des  Heraions  333;  BrDreifüße 
aus  dem  Heraion  124;  Tn  aus  dem  Heialon  288  ff. 

Aticia,  Göttin  von,  MSta  215  f-,  261 

Aristionstele  8  Anm. 

Armamentarium  der  Schutzmannschaft  von  Pom- 
peji 131  f. 

Armenische  Kunst  355  f- 

Artemis,  archaisches  Rel  aus  Selinus  lyi;  mit  Drei- 
fuß, auf  Mzn  181 

Arvaltafeln  226 

Asarhaddon,  Stele  des  —  in  Sendschirli  87 

Asklepios   »Giustini«,  MSta  aus  Rom  100  f. 

Assyrien,  dreifüßige  Altartische  114 

Astragale  150,  165,  169,  197 

Athen,  Akropolis  31 5 ff. \  Agrippapostament  3iy; 
Lysikratesdenkmal  318 ff.;  vorgeschichtl.  Mauern 
260;  Odeion  des  Perikles  321;  Olympieion  65,  77; 
Tripodenstraße  321;  BrDreifüße  von  der  Akro- 
polis 125  f.;  Dreifuß  im  Pythion  am  llissos  168. 
Vgl.  Kapitell.  Parthenon 

Athena  ohne  Ägis,  MSta,  aus  Antium  216;  Stücke 
einer  elfenbeinernen  — sta,  Vatik.  Bibliothek  224; 
BrStte  aus  Kamarina  IQJ;  TStn,  Medma  160; 
■ —  auf  oscillum  405' ;  Kopf  der  myronischen  ■ — , 
Vatikan  262 ;  TKopf  aus  Arezzo  86 ;  Kopf  aus  Ky- 
rene  244;  Kopf,  M,  aus  Thasos  2gg 

Athenageburt,  rf.  Vb  154 

Athlet,  Sta  aus  Kyrene  244;  — en,  TStten,  Medma 
160;  Kopf  aus  Perinth,  Wiederholung  mit  Satyr- 
ohren, Vatikan  262 

Attika  mit  Pilasterarchitektur,  Pantheon  u.  Petra 

255  t- 
Augenbildung  an  archaischen   Skulpturen  232  f. 
Augustus,  MSta  aus  Korinth  338 

Bakchische  Darstellungen  auf  oscilla  40  ff. 
Barrekub,  Orthostateninschrift  des  —  in  Sendschirli 

87,  94  f. 
Basis,  korinthische,  aus  dem  Apollotempel  von  Phi- 

galia  58,  59;  glockenförmige  persische  285  m.  A.  2; 

des  Ambo  aus  Saloniki  245 
Bauopfer  in  der  »Basilika«  bei  Porta  Maggiore  in 

Rom  JOJ;  in  Croccia-Cognato  J.^0 ;  — (?),  SO.-Bau 

am  Forum  Romanum  12 
Befestigungen   von   Kaulonia  16 5,    von  Nuceria 

170;  des  Dionysius,   Syrakus  181  ff. 
Beine,  menschliche,  als  Gerätfüße  io63 
Beinschienen  mit  Herakles'  Löwenkampf  in  Rel57 
Beleuchtung,  nächtliche  Straßen — in  Pompeji  JJJ 
Belmonte   Piceno,  Grabfunde  56ff. 
Bemalung  an  den  Stan  der  Terrakottagruppe  von 

Veji  y5;  an  Votivrel  in  Eleusis  4  f. 


Bergkristall,  Kinderkopf  aus  115 

Bernstein,  Ancona  58,  Belmonte  Piceno  58,  Cupra 
61,  Lukanien  140  f. ;  Temi  50 

Betender  kniender  Knabe,  BrStte,  Lokri  149 

Blei :  Barren  aus  Magre 45;  Defixionen,  Selinus  20J; 
Geldbörse  230;  bemalter  Greifenkopf  aus  —  53; 
Sarg,  Catania  J92 

Bogen  s.  Triumphbogen 

Boghazköi  94" 

Bologna,  Funde  46 

Boscorcale,  Silberschatz  100 

Branchos,  mit  Dreifuß  i8i' 

Bronzen,  1914 — 20  in  Italien  gefundene  Klein — 
218  ff.;  Barren,  Sardinien  212;  Geräte  u. 
Gefäße:  aus  Belmonte  Piceno 59 /.,  aus  Lokri  J.^^^, 
aus  Olbia  (Sardinien)  224,  aus  Pompeji  258  f.; 
Hände,  mit  Unterarm,  Lokri  14g  f. ;  pferdeführen- 
der Krieger,  aus  Belmonte  Piceno,  u.  im  Mus.  v. 
Pesaro  5g  f. ;  Kandelaber  aus  Lokri  153 ;  Kopf  aus 
Delos,  Porträt  d.  3.  Jh.  338;  Lampe,  Pompeji  JTJO; 
BrSchale  aus  SchapL-j-dere  347;  ■ — n  aus  Medma 
163;  Scheibe,  durchbrochene:  halbkniender  kampf- 
bereiter Mann,  Lokri  J49;  Schaufel  von  Padua, 
mit  »euganeischer«  Inschrift  43;  Statuetten:  ar- 
chaische, mit  ägyptischem  Schurz,  Dresden  23.^^., 
Ephebe,  aus  Adernö  174  f-,  Frau,  mit  Alabastron 
u.  Taube,  aus  Medma  163,  Herakles,  von  Kande- 
laber- oder  Kottabosbekrönung  81,  aus  Alife  221, 
»Kuros«,  in  Stockholm  sjj;?.,  Sikuler,  aus  Adernö 
173;   Widder  in  Palermo  171 

Brunnen  :  Lauf —  mit  Rel  eines  Stierkopfes, 
Pompeji  JJJ;  — figur,  Satyr  mit  Schlauch,  M  216 

Büste,  im  Giebelfeld  eines  Grabsteins  46;  männl. 
flavische,  Rel  von  einem  Grabe  217;  bronzene  — n 
von  Klappdreifüßen  108 

Caere,  Funde  65  ff. 

C.  u.  L.  Caesar  (?),  Porträtstan  aus  Korinth  338 

Cagli,  Bronzefund  von  —  220  f. 

Calabria,  Apulien  und  — ,  Funde  141  f. 

Caletra  s.  Marsigliana 

Caligula,   Palast  des  — ,  Rom  29 

Callipolis  (?)  in  Lukanien  140 

Campanareliefs  36,  41'' 

Campanien,  Funde  I25ff. 

Canopus,  bemalter,  aus  Chiusi  78 

Cardelli-Rels  in  Rom  347 

Carrara,  Werkzeuge  für  Marmorbearbeitung  g2 

Castellina    di    Chianti,    Grab  auf  dem  Monte- 

calvario  6g 
Castra  Albana  122 
Catania,  Grabimgen  191  f. 


363 


Register. 


364 


Charinos,  Rhytonfragment  des  gs 

Chariten,  Gruppen  der  drei  — ,  aus  Kyrene  244 

Chi  OS,  als  Fabrikationsort  sog.  naukratitischer 
Ware  248 

Chiusi,  Gräber  mit  Gemälden  77  f. 

Christus- Stte  im  Thermenmuseum  261 

Chryselephantine  Technik  an  einem  Stab  aus 
Lokri  151 

Cicade,  elfenb.,  als  Fibelbügel  144 

Cippen  aus  Corneto  yg;  Este  42;  Grenz —  aus  Ostia 
226;  aus  Rom  gg 

eiste:  Rippen — n  J99 

Columbarien  vor  Porta  Salara,  Rom  J14,  IIS\ 
unter  S.  Sebastiano  116 

Commodus  u.  Crispina  als  Mars  u.  Venus,  Kolossal- 
gruppe, M,  aus  Ostia  217 

Corchiano,  Höhlen  bei  pj,  Funde  96 

Corneto,  bemalte  Gräber  7g 

cortina  145 

Crispina  s.  Commodus 

Cupra  60  f. 

Dach :  Ziegel-,  erhaltenes,  in  Pompeji  131 

Dea  Cupra,  angebl.  Stte  der  — -59;  Heiligtum  der 

—  60  f. 

Defixionstafeln,  Este  42  f.,  Messina  igj,  Pom- 
peji 136 

Delphi,  Grabungen  323;  Orakel  161  ß.,  i68ff.; 
Nichtexistenz  des  Chasma  172;  Giebel  des  Knidier- 
schatzhauses  164;  kor.  Kapitelle  von  der  großen 
Tholos  (?)  55  f.;  Tänzerinnensäule  130;  Bronze- 
dreifüfle  aus  —  124 

delphica,  mensa  delphica  1 48  f. 

Delphin,  elfenb.,  als  Fibelbügel  144 

Delta  (Buchstabe),  alte  Form  des  —  343 

Demeter  u.   Isis,  auf  Sarapisrel  in  Hildesheim  J; 

■ —  (?)  u.  Apollon,  Rel  aus  Akrai  J95 

Diadumenos,  Replik  des,  BrStte  221 

Dijidii  u.  Macolnii  226 

Diogtnes-Stte,  Fragm.  im  Vatikan  262;  Karyatiden 
des  —  im  Pantheon  250,  2^1,  253 

Diomedes,  auf  oscillum  405' 

Dione,   mit  Dreifuß,  auf  Mzen  184 

Dionysos  (»Sardanapal«)  332  f.;  —  vor  Felsaltar,  i 
auf  oscillum  41;  — Therme  auf  oscillum  34,  41,  44;  i 

—  mit  Dreifuß  182  f.;  Kopf  aus  Kyrene  243  f. 
Dipinti,  griechische,  in  Pompeji  136 
Diskophoros,  Stele  des  —  8  Anm.  ' 
Diskos,  eiserner  184 

Domitian,   Bautätigkeit  22;  domitianischer  Emp- 
fangspalast am  Forum  Romanum  9  fi.  j 
Domus    de    Gianas,   in  Sardinien  210,  214 


Dreifuß:  Formengeschichte  98  fi.,  Terminologie 
141  fi.,  religionsgeschichtliche  Beziehungen  151  ff. ; 
als  Weihgeschenk  und  Attribut  Apollons  1758.; 
Beziehungen  zu  anderen  Göttern  als  Apoll  181  ff.; 
als  Sitz  der  mantischen  Kraft  162,  170  3.;  als 
mantisches  Gerät  im  allgemeinen  und  als  Symbol 
der  Mantik  1778.;  Bedeutung  im  delphischen 
Orakelbetrieb  168  ff.;  Dreifuß  =  delphisches 
Orakel  164;  mythische  — e  175,  175*;  —  im  Sagen- 
komplex der  sieben  Weisen  158  ff.,  Kyrenesage 
160  f.;  als  Hausgerät,  Wertgegenstand  usw.  152; 
als  Siegespreis  152  fi.,  als  Weihgeschenk  155  f., 
als  Siegessymbol  1560.,  als  Wappen,  auf  Ziegel- 
stempel u.  Siegel  176;  auf  röm.  Grabaltären  177'; 
dekorativ  verwendet  185;  Tönen  des  —  173';  « — 
von  Kamarina«  138;  » —  aus  dem  Isistempel«, 
Neapel  1178.;  »Loebsche  — e«  107';  — raittel- 
stützen  129;  — pyxi=,  Formentwicklimg  ioi5; 
— raub.  Sagen  vom  —  161  ff.;  — Statuen  1390.; 
» — vase  von  Tanagra«  102 

Drusus  III.  (?),  Porträtkopf  aus  Korinth  35S 

EberzöÄne,  als  Amulette  J7,  61  \  — knocken  als  Opfer- 
residuen lOI 

Echelos  und  Basile,  Rel  2' 

^YTfuih^xTj  141 

Ehepaar,  auf  röm.  Grabstein  46;  schildförmiges 
Doppelporträt,  röm.  303  ff. 

Elektra  am  Grabe,  Spiegelgrifi,  Lokri  147  f. 

Eleusis,  Mysterienheiligtum  von  322  f. 

Elfenbein:  Stücke  einer  Athenasta,  Vatikan.  Biblio- 
thek 224 ;  —gegenstände,  in  Belmonte  Piceno  5^  /• ; 
Amulette,  Terni  50;  figürliche — bügel  an  Fibeln 
144;  Griff  einer  Stoßwaffe:  Minervakopf  J52 ;  Hörn 
mit  Goldblechbeschlag  224;  Stab  mit  ion.  Frauen- 
figürchen,  vergoldet,  Lokri  151;  Verschlußflügel 
eines  Kästchens,  aus  Medma  162 

Elogium,  Bruchstück  eines — ;  auf  Ancus  Martins, 
vom  Augustusforum  (?),  aus  Ostia  226 

Ephebe,  BrStte  aus  Adernb  174  f. 

Ephesos,  Rundbau,  Akanthosform  71';  Kopf  vom 
Artemision,  Brit.   Mus.  232  f. 

Epidauros,  Giebelbruchstücke  vom  Asklepios- 
tempel  333 

Eretria,  Giebel  von  —  in  Chalkis  323 

Eros,    auf  osciUa    409,  40*°;    —  mit    Dreifuß  182 

Este,  Grabungen  40 ff.;  Mos  m.  Inschrift  227 

Etrurien,  Funde  62  ff. 

Euganeengebiet  39  f.;  Sprache  u.  Alphabet  der 
»Euganeer«  43  f. 

Europa  auf  dem  Stier,  Spiegelgriff,  Lokri  14S  f. 

exverriator  246 


365 


Register. 


366 


Fabelwesen   auf  oscilla  42*° 

Fackel,  auf  Rel  in  Eleusis  2,  3  f.,  5;  — n,  auf  oscilla 
u.  rechteckigen  dekorativen  MRels  42 

Faliskerland,  Funde  im  93fi. 

Farbreste  an  Votivrel  in  Eleusis  4f. ;  an  den  Met- 
open  von  Selinus  201 

Feldzeichen  (?),  bronz.  Vogelleib  37 

Fenster  im  SO.-Bau  am  Forum  Romanum  13,  15, 
17,  26;  in  Sendschirli  93  f. 

Fiano  Romano,  Sarg  mit  Fieberverfiuchungen  für 
Grabfrevler  92 

Fibel,  goldene,  aus  der  Marsigliana  68  f.,  desgl., 
Terni  50;  Kaulonia  168,  Lokri  und  Medma  144, 
164;  Eisen — n,  Belmonte  Piceno  57i  58 

Firusabad,  Ruine  2^4 

Fischer,  heilenist.  MSta,  Rom  216 

Flußgo«,  liegender,  Rel  I2y;  — küs,  als  Unterlage 
in  Gräbern  60 

Flöte,  Lokri  J52 

foculi  113  f. 

Form,  T,  kämpfender  Krieger  221  f.;  T,  weibl. 
Kopf  297 

Forma  Urbis,  Fragment  mit  SO.-Bau  am  Forum 
Romanum  31 

Francavilla,  messapische  Gräber  bei  —  141 

Frau  :  stehende,  früharchaische  TStten  2go\  früh- 
hellenistische MSta  aus  Sezze  2l6\  auf  Kline  schla- 
fend, MGrabsta,  Rom  «7;  BrStte  aus  Este  279 /.; 
Bus  e,  M,  röm.,  aus  Albano 2J7 ;  Kopf,  archaischer 
(E-V  752/53)  777,  mit  phryg.  Mütze,  T,  ArezzoiS9, 
röm.,  aus  Poggio  Sommavilla  2iy 

Funde   u.   Forschungen:  Italien  1914 — 20:  34 ff. 

Gallia  cispadana,  Funde  44ff-;  —  transpadana, 
Funde  36  ff. 

Geldbörse  aus  Blei  230 

Gemmen,  und  oscilla  43*'' 

Gerber,   Stele  eines  — s  92 

Eduard    Gerhard-Stiftung  338 

Gewandstatuen,  weibliche,  aus  Rom  J02;  griech. 
weibl.  Stte  aus  Thasos  300  f. 

Giebelfiguren,    T,  aus  Velletri  124 

»Gigant«,  ithyphallischer,  von  einem  Gegner  rück- 
lings gepackt,  TStte,  Medma  j6l 

Gipsabgüsse,  Sammlung  der  —  in  der  Univ. 
Berlin  15  ff. 

Gitiadas  u.  Kallon,  Dreifüße  in  Amyklai  129,  139  f. 

Gitterverschluß   eines   Saales,  Pompeji  132 

Gladiatoren,  Rel  123;  Mos  707;  » — tesseren«, 
Syrakus  i8q 

Glasgefäße  54,  83,  126,  214,  224 

Golaseccakultur  J5,  36 


Gold:  Fibel  Corsini  68  f.;  — schmuck,  Pompeji 
J29,   Syrakus  185 

Gorgo,   archaisch,  TPlatte  aus  Syrakus  180 

Gorgoneion,   auf  oscilla  40;  Elfenbein  58 

Göttin  von  Aricia,  MSta,  Rom,  Thermenmuseum 
213  /._,  261 ;  Oberkörper  einer  kretisierenden  — , 
Syrakus  181;  BrBüjte,  vom  Schmuck  eines  Bug- 
spriet,  aus   Centumcellae  22l' 

Grab  :  des  Petosiris,  bei  Derwe  262  f.;  bemaltes,  von 
Niausta  24y,  Verbrecher —  im  Phaleron  246  f.  \ 
Gräber:  Belmonte  Piceno  56 ff.;  Schacht —  v. 
Mykenae  314 ;  Pompeji  133  ff. ;  Rom  log  ff. ;  — ,  dar- 
gestellt auf  dem  Sk  v.  Torre  S.  Severe  80; 
griechisches  • — ^wesen  243  ff. 

Grabaedicula,  Unterbau  einer  frühhellenistischen 
dorischen,  Catania  J92 

Grabaufsätze,    Caere  68;  Lokri  Epizephyrii  143 

Grabmal  der  Julier  in  Saint-Remy  6;  Kapitell 
vom  —  der  Tibicines  68  ff. 

Grabmalereien:  Chiusi  77  !■'  Cometo  79'>  Via 
Ostiensis,  Rom  HO 

Grabrelief,  attisches,  New  York  247;  — s  aus  den 
Abruzzen  J25 

Grabstein  des  T.  Faesellius  Onager  .^6 

Grabstele,  gemalte  punische,  aus  Lilybaion,  in 
Palermo  J73,  204;  — n,  in  Büstenform,  Bologna 
und   Pompeji  133  f. 

Grabtürme,  aramäische  286^ 

Grammichele,  Funde  J96/.;  — ,  archaische  Rip- 
penciste  aus  —  igg 

Greifenkopf,  bemalter,  aus  BleiJJ;  — e  auf  Fibel, 
Terni  30 

Griechenland,  Archäologischer  Bericht  aus  — 
308  ff.;  Literatur  über  topographische  Unter- 
suchungen  u.   Ausgrabungen  239  ff. 

Grotta   airOnda  (bei  Casoli)  62  f. 

Gruppe,  archaische  T. —  aus  Veji  7J  ff.,  237;  sitzen- 
der Jüngling  (Antefix),  T,  aus  Arezzo  go;  Achill 
u.  Penthesileia  (?),  M  Kolossal — ,  Rom2j6;  Com- 
modus  u.  Crispina  als  Mars  u.  Venus,  M  Kolossal — 
217;  — n  der  drei  Chariten,  aus  Kyrene  244 

Gythion  und  die  Dreifußraubsage   165 

Hades  u.  Persephone,  auf  ctrusk.  Sk  80 
Hafen,  Motye  203;  —  von  Este,  Rel.  41 
Haller   von   Hallerstein  45,  47,  48,  52  f.,  Skizzen 

des  Phigalia-Kapitells   53  ff. 
Hände    mit   Unterarm,   Br.,   Lokri  149  f.;    Hand- 
haltung (gestreckt  oder  zur  Faust  geballt),  in  ar- 
chaischer Plastik  231^ 
Harpyie,  an  Spiegelgrifi,  Lokri  146 
Hatra,  Palast  97,  Tempel  27* 


367 


Regfister. 


368 


Häuser  in  Ostia  I18 

Hebe  (?),  Stadt  bei  Magliano  6g 

Hegias  2J5,  261 

Helm  aus  Todi  52 

Hera  Farnese  215,  261;  — ,  mit  Dreifuß,  auf  Mze 
184 

Herakles  über  gefesselter  Hindin,  T.Sta  aus  Veji 
73;  Br.Stte  81,  desgl.  aus  Alife  221;  —  Alexikakos, 
Rel.  in  Boston  2';  auf  oscilla  4033;  mit  Acheloos 
kämpfend,  Rel.  auf  T  Arula,  Lokri  J5J;  Löwen- 
kampf, auf  Beinschienen  aus  Belmonte  Piceno  S7\ 
über  Flammen  sitzend  (etr.  Sp.)53;  Kerberosraub, 
auf  arretin.  Becher  l8g\  —  u.  Alkestis,  Wgm,  Rom 
IIO\  —  und  die  Dreifußraubsage  161  ff. 

Herculaneum:  Dreifuß  im  Brit.  Mus.  117,  118  f.; 
»Landschaftsbild«  43 

Herme  des  Dionysos,  auf  oscillum  34,  41,  44;  des 
Herodes  Attikos  33g ;  — n,  als  Schmuck  von  Drei- 
füßen   iii5,    112;    — ^nbüste    des    Seneca,    Berlin 

352  f- 
Hermes,   T.Sta  aus  Veji  74 
Herodes    Attikos,    Inschriftherme  33g 
Hilani  89  f.,  97 

Hildesheimer    Silberfund,   Dreifuß   iii/. 
Hindin,  Streit  des  Apollon  u.  Herakles  um  eine  - — 

Tongr.  aus  Veji  74 
Hirte,  guter,  Wgm  II2 
Höhle  von  Latrönico    137  f.;    '^°^    Pertosa    138; 

neolithische  — n  in  den  Apuaner  Alpen  62  f. ;  paläo- 

lithische,    bei    Corchiano  pj;    in    Istrien  44;  — n 

chthonischer  Götter  172? 
oXjAOC  1 50  f. 
Holz,  als  Einfassung  eines  oscillums  39;  — Stelen, 

italische  135  f. 
Homer,  Kesseldreifüße  bei  144;  homerische  Szenen, 

Malereien  in  Pompeji  I2g 
Honig,  auf  den  Scheiterhaufen  gestellt  227 
Hörn  zum  Blasen,  Populonia  6^;  elfenb.,  mit  Gold- 

bl^hbeschlag  224 
Hund,  Rel  auf  oscillum  34;  — ebestattung,  Pompeji 

134 

Hydrophoroi,  TStten,  Medma  160 

Hygieia  »Giustini«,  MSta  aus  Rom  JOO/.;    Kopie 

der  —  Hope  216 
Hypaithron,   am  Tempel  in  Syrakus  1^8 

ÜÄOXpTjTTjpßlOV     142 

ÜTtdSTTjfia  142. 

Idolino,   Kopf  in  Basalt,  Vatikan  262 
Igeler  Säule  288' 

Ikonographie   der  sizilischen  Tyrannen  lyi 
Iktinos  57,  58,  315  i 


Iliupersis,  Giebelgruppen  von  Epidauros  u.  Arges 

333 
Indische  Baukunst  27S^,  284,  285' 
Industria,   Stadtanlage  43,  BrDreifuß  109  f. 
Inkrustation,     spätantike,    SO.-Bau    am    Forum 

Romanum  27;  im  Irmeren  des  Pantheon  236 
Institut,     Deutsches    Archäologisches    in    Athen 

30g  ff. 
Institutsnachrichten  2^2,  358 
Isis   u.  Demeter   auf  Sarapisrel    in  Hildesheim  3; 

— typus    mit  dem   »Isisknoten«  264 
Istrien,  Funde  44 

Italien,  Fundbericht  1914 — 20:  34ff.  vgl.  241 
»Italiker«,  leichenverbrennende  35,  3g,  45,  48,  4g, 

57^  63,  65,  67,  70,  71 
Italische  Blechdreifüße  106;  Kesseldreifüße  133  ff. 
Itys,  zwischen  Prokne  u.  Philomela,  etrusk.  Sp.  81 

Jagdhunde,  Rel  vom  Sockel  eines  att.  Grabnalskos 
326 

Jahresbericht  des  Deutschen  Archäologischen  In- 
stituts für  1920:  / 

Jota,  vierstrichig  342 

Julis,  Gesetz  von  246 

Jüngling,  archaische  BrStte  in  Stockholm  231  ff.; 
— skopf,  T,  aus  Arezzo  8g 

Juno    Palosticaria  22§ 

Kaiserkult,  mit  Silvanus  verknüpft  226 
Kalamu,  Sohn  des  Haja(nu),   Inschr.  in  Sendschirli 

95 
Kanal,    SO-Bau    am  Forum  Romanum  25,  Vicus 

Tuscus  31,  in  einem  Grabe  82 
Kandelaber,  Br  37,  53,  224;  Br  u.  Eisen  153 
Kapitelle,  klassische  und  italische  71  ff.;  korinthi- 
sche republikanischer  Zeit  60  ff. ;  kor.  Normal — 
61,  Volutenbildung  633;  mittelaugusteische,  Blatt- 
werk 67,  Träger  der  Abakusblüte  68;  vorkaiser- 
zeitliche  Normal— e  68  ff. ;  Maßverhältnisse  an 
Normal — en  75  ff.;  verschiedenartig  ausgeführte, 
an   einem   Gebäude  713 

Kapitell,  hellenistisches  kor.  in  Alexandrien  72 ; 
aus  Aquileia  74;  korinthisches,  beim  Theseion  ge- 
funden, Athen,  Nat.-Mus.  6i3,  61*,  72  f.;  der  Ha- 
driansstoa  in  Athen  60  f.,  62  ff.,  des  Olympieion 
60  ff.,  78,  82  f.,  186;  hellenistisches  in  Baalbek  72; 
spätröm.  Pfeiler —  in  Barcelona  71';  korinth.,  vom 
Kastortempel  in  Cori  633,  68ff. ;  Greifen —  vom 
Propylon  in  Eleusis  73;  kor.  aus  Ephesos  (Markt- 
tor, Bibliothek)  79';  der  Tholos  von  Epidauros  56, 
64'.  73.  78;  — e  in  Korone  (Peloponnes)  71';  des 
Hekate-Tempels   von   Lagina   79';   kor.   — e   aus 


369 


Register. 


370 


Milet  (Markttor,  Delphinion)  79';  vom  Propylon 
des  Buleuterion  in  Milet  71';  Anten —  vom  Di- 
dymaion  72;  kor.,  im  Museo  Nazionale  in  Neapel 
633;  — e  am  Caesarentempel  in  Ntmes  71?;  — e 
aus  Noto  74;  von  der  Exedra  des  Herodes  Atticus 
in  Olympia  6i*;  — e  des  Theaters  von  Orange  71; 
korinthisches  von  Phigalia  44  ff. :  Fund  u.  Schick- 
sale 45  ff.,  Zeichnungen  u.  Rekonstruktionen  46  ff., 
vorhandene  Bruchstücke  57,  Standort  der  kor. 
Säule  im  Tempel  58  ff.;  der  Basilica  von  Pompei  74; 
des  Fortuna-Augusta-Tempels  in  Pompei  63',  67, 
7i3;  des  Jupitertempels  von  Pompei  68  ff.,  70'; 
republikan.  Normalkapitell  im  Museum  von  Pom- 
pei 68;  Pfeiler—  aus  Pompei  (?)  74';  — e  Praeneste 
68,  72,  74;  des  Dioskurentempels  auf  dem  Forum 
Romanum  67,  68,  78,  80;  spätantike,  SO-Bau  am 
Forum  Romanum  27;  Faustinatempel,  Rom  81; 
OrabmalderTibicines68ff. ;  Nervaforum  81 ;  Stadion 
des  Palatin  633;  Pantheon  80,  8i4;  Porticus  Oc- 
taviae  714,  79  f.,  81;  Rundtempel  am  Tiber  62  ff., 
66  ff.,  78;  kor.,  im  Thermenmuseum  633;  der 
Jupitersäule  von  der  Saalburg  79';  Julier-Grabmal 
von  St.  Remy,  Untergeschoß  76';  korinthisch- 
römische, 'aus  Palermo,  Monreale,  Syrakus  17 5  t 
vom  Rundbau  der  Arsinoe  auf  Samothrake  72; 
altindisches,  aus  Sankisa  284  m.  A.  i ;  Seeia  283  /. ; 
Jakobsbrunnen  in  Sichem  79' ;  — e  aus  Solunt  74 ; 
kor.  — e  aus  Spanien  79';  — e  am  Augustusbogen 
von  Susa  71',  79';  kor.  — e  aus  Syrien  79';  vom 
Rundtempel  in  Tivoli  72,  74,  79;  aus  dem  Lager 
von  Vetera  79';  aus  Vienne,  in  Lyon  74;  Figural — 
im  Mus.  von  Vienne  79' 
Karikatur  eines  Kahlkopfes,  T  Syrakus  iSg 
Karnak,  Rel  Sethos  L  am  Ammontempel  13 
Kasr  i  Schirin,  Tschehär  Kapu  276 
Kassettendecke,    gemalte,  in   einem   Grabe   von 

Corneto  yg 
Kastelle,  spätrömische,  mit  Kasernen  an  der  Mauer 

87 
Katakomben:   Rom  115,  116,  Syrakus  190/. 
Kaulonia  (Capo  Stilo),  Grabungen  u.  Funde  150, 

165  fl. 
Kehrreigen  bei  der  Prothesis  246 
Kenturipe,  bemalte  u.  reliefierte  Vn  iy3 
Kerberos  s.  Löwenkerberos 
Kesseldreifüße    120  ff.,    italische    133  ff. ;    — wagen, 

kyprische  104 
Khorsabad,  Rel  aus  lOo 
Kind,  Arme  zur  Mutter  emporbreitend,  Taus  Med 

ma  158 
Kirke  u.  Odysseus,  auf  ctrusk.  Sk  80 
Klappstühle,  als  Grabbeigaben  54 
Archäologischer  Anzei|^r  1931. 


Kloaken,    SO-Bau  am  Forum  Romanum  14,  20  f., 

25.  29,  30  i- 
Knabe,    sitzender,     T    2gi;     kniender    betender, 

BrStte,  Lokri  I49 
Knochen:    Verkleidungsstücke   eines   Kastens   (?) 

aus  — ,  Perugia  224 
Knotenstock,    mit  Schleife  am  oberen  Ende  34 
Kontürierung  mit  roter  Farbe,  auf  Reis  5  f. 
Kopf  vom  Artemision  in  Ephesos,  Brit.  Mus.  232  f.; 

hellenistisch-etruskischer,    Nenfro,    Vatikan   262  \ 
»grüne«  ägyptische  — e  des  Berliner  Museums  263; 

alexandrinische   — e   mit   in    Stuck   ausgeführten 

Hinterköpfen,  Vatikan  262;  — e,  M.,  aus  Thasos 

298  ff. 
Kopfschmuck,   Br,  Lokri  JJJ 
Köre,  mit  Fackeln,  Rel  in  Eleusis  3 
Korinth,  Forschungen  in  • —  313  f- 
Koroibos,  Heros  166 
Kreta,  Dreifußkessel  aus  120;  kretische  Chronologie 

248,  Schrift  354  f. 
Kreuzgewölbe  in  der  röm.  Architektur  32  f. 
Krieger,   auf  oscilla  4o5';  geflügelte,  auf  Verklei- 

dungsstücken    aus    Knochen,    aus    Perugia   224; 

— s  Abschied  u.  Heimkehr  in  der  griech.  Kunst 

264  ff. 
Kriophoros,  Kolossalsta  aus  Thasos  244;  TStten, 

Medma  l6of. 
Kuppelbau,    armenischer  und  seine  Ausbreitung 

nach  Europa  355  /• 
Kyniskos  des  Polyklet  328 
Kyparissos,   mit  Dreifuß  i8i5 
Kypros,  Dreifüße  aus  —  104  f. 
Kyrene,  Ausgrabungen  2.^3 /. ;  Dreifuß  in  der — sage 

160  f. 

Labyrinth,  Mos  198 

La   Garenne,  Dreifuß  aus  105,  138' 

Lampe,  mit  Ammonkopf  als  Griff,  Br  Jjo;  - — n, 
Medma  164,  Syrakus  191;  — Untersätze,  drei- 
beinige, Br  119  f.,  1494 

Landmann,  mit  Körben  am  Tragholz,  auf  oscillum 

34.  41 

Landschaft,    »hellenistische«  J13 

Langobardische   Gräber,  Nocera   Umbra  54 f- 

Lasttiere,  Tn  291  f. 

Latium  (außer  Rom),  Funde  117 ff- 

Latrine,  SO-Bau  am  Forum  Romanum  23;  öffent- 
liche, Rom  100 

hi^rii,  Terminologie  144  f. 

Leichen,  in  Pompeji  129,  131;  — Verbrennung 
bei  den  »Italikern«  35,  3g,  45,  48,  49,  in  Lokri 
143  f;  in  Motye  201  f. 

13 


37« 


Register. 


372 


Leonardo  da  Vinci  J 5^ 

/.EV/Tofici3Ei;  141  = 

Libationstafeln  (tahles  of  offering),  krclisch- 
mykenische  135  f. 

Ligurien,  Funde  35 1- 

Literatur,  ausländische  archäologische  der  Kriegs- 
zeit 238  ff. 

Liwanhaus   in  Sendschirli  95  f.,  97  f. 

Lokri    Epizephyrii.  Funde  I42ff.;  TRels  aus  — 

'    in  Heidelberg  2g2  ff. 

Losorakel  179 

Löwe,  elfenb.  144;  Bernstein  jS;  — nkopf,  an 
Wandpfeiler  69 

Löwenkerbcros  7/. 

Lucanien,  Funde  137  ff. 

Lucera,  Dreifuß  von  in6 

Malborghetto,   Bogen  von  123  f. 

Malerei,  auf  der  Rückseite  eines  oscillums  38; 
oscilla  in  —  dargestellt  36*7;  ■ — cn  in:  Ostia  225, 
Pompei  12g,  Rom  108  f.,  I16,  224.  225 

Mantik  der  Spätzeit  179 

Marsigliana  (Caletra?),   Funde  6S  f. 

Masken,  aufgehängt  37;  auf  rechteckigen  dekora- 
tiven Reis  37,  40;  auf  oscilla  36'',  40;  punische, 
aus  Tharros  222  f. 

Maßstäbe  aus  Knochen,  Syrakus  igo 

Mauern,  Arezzo  84  f.;  Syrakus  181  ff.;  Tiryns  260. 
Vgl.   Befestigungen 

Medma  (Rosarno),  Funde  I54ff. 

Meerwesen,  auf  oscilla  40*,  40''' 

Memnon,  Freund  des  Herodes  Attikos,  Negerkopf 
in  Berlin  339 

Memphis,  Gruppen  des  Serapeums  <S 

Mcroe,   Haus  in  90 

Messina,  Grabungen  192  f. 

Metapont,  Dreifuß  von  106 

Metope,  archaische  Ton — aus  Rhegion  (Not.  1886, 
243)  lyo;  — n  von  .Selinus  jyi,  iy2,  201  \ 

Milet,  Steindreifüße  aus  dem  Buleuterion  131; 
Delphinion  1743 

Minerva,  sich  die  Ägis  umlegend,  auf  Reliefkrug  J30  1 

Mithrasgrotte  bei  Angera  38;  — relief  aus  Jambol 
(Bulgarien)  344 f.;  Mithräum  unter  S.  demente,   ! 
Rom  lOJ 

Monte  Amiata,  Minengänge  für  Zinnobergewin- 
nung im  Gebiete  des  —  63 

Mosaiken:  Este  227,  Giardini  79*^  Rom  J07,  Ba- 
silika von  Salemi  204 

Motye,   Grabungen  u.  Funde  201  ff. 

Münzen:  mit  Dreifuß  127',  154»,  159%  176',  ijffi,   \ 
178,    i8i4,    183,    184;   mit   Sarapisgruppe   9,  10.   , 


—  aus:  Alexandria  Troas  114,  Grotte  bei  Angera 
38  f.,  Libarna  36;  Mtssenc  184;  Messina  193,  Mo- 
tye 202,  Pompei  134,  136;  aurei  des  Justinian, 
für   Halsketten   verwendet  S4 

Münzfunde  in  Italien  1914 — 20:  228 ff. 

-Muscheln   als  .Amulette  54,  61 

Muse,    komische,  auf  oscillum  40*' 

Museen:  Ancona,  Museo  NazionaleJ5/7.;  Athen, 
.\kropolismuseum  325;  Berlin,  Universität, 
Sammlung  der  Gipsabgüsse  I5ff.;  Budapest, 
Museum  für  bildende  Kunst,  thasische  Funde 
297/7-;  Heidelberg.  Iniversität  288ff.;  Man- 
duria,  Sammlung  Carlo  Arno  141  f.;  Rom,  Vati- 
kan,  Magazine  261  f. ;   Villa  Giulia  49,  220,  223 

Mütze,   spitze,  mit  Schlinge  zum  Aufhängen  34 

Mykenae,  Atreusgrab  260;  Forschungen  in  — 314; 
mykcn.  Einfluß  in  Sardinien  206;  Nuragen  als 
Vorstufen   zu   Mykenischem  2^9  f. 

Nägel,  apotropäisch,  in  Gräbern  150  f.;  als  Grab- 
beigaben JrpJ;  als  Unterschicht  für  Wandputz  27 

Negerkopf,  M  in  Berlin,  Memnon  339;  Br  aus 
Ostia  221;  als  Ohrring  53 

»Neuattische«   Reis,  und  oscilla  4Ä 

Neumagen,   Reis  von  5  f. 

Niausta,  bemaltes  Grab  247 

Nike  des  Paionios,  Wiederholung  des  Hertzschen 
Kopfes,  auf  Hermenbüste,  Vatikan  262;  Sta  aus 
Kyrene2^;  Torso  einer  Akroter — ,  aus  Tyndaris 
198;  auf  oscilla  4o5' 

Nocera    Umbra   51  f.,   langobardische   Nekropole 

54  f;  245 
a\iTiigen2o6fl.,259f. 

Obelisken  im  Serapeum  4 

Obsidian,  geschnitzte  Bruchstücke  plast.  Figuren 
aus  —  224 

Odeion  des  Perikles  321;  in  Catania  191 

Odysseus,  auf  rf.  Vb  9$;  auf  oscillum  4055.  Vgl. 
Kirke 

Ohrringe  53,  8j,  82,  163,  230 

Olympia,  Kopf  des  Peirithoos  aus  dem  Westgiebei 
324;  Kesseldreifüfle  121  £f. ;  Nympheion  des  Hero- 
des Atticus  256;  Zeusthron  :4i' 

i\x<f^hj\  in  ApoUoheiligtümem  168;  Omphalos  auf 
Rel  J95 

Opiersuven  auf  oscilla  40  f.;  — tische  147 

Orakel,  delphisches  161  ff.,  168  ff.,  53 

Ordenskreuz,   als  Ornament  124' 

Orgiasmus,  dionysischer  173' 

Orphische  Liturgie  (?),  Wgm  in  Villa  Item, 
Pompei  137 


373 


Rejfistcr. 


374 


Oscillum  in  Barcelona  33  ff.,  in  Budapest  308; 
Oscilla:  Verbreitung  35,  Datierung  35,  Verwen- 
dung 36,  Darstellungen  von  —  auf  Reis  und  in 
Malerei  36,  Bestimmung  36,  Material  36,  Herkunfl 
36  ff.,  verschiedene  Bildung  des  Randes  39,  Dar- 
stellungen auf  —  39  IT.,  Beziehungen  zu  »neuatti- 
schen« Reis  42  f.,  zu  Gemmen  43,  Verhältnis  der 
Darstellungen    auf    beiden   Seiten  zueinander  44 

Ostia,    Funde  117 ff-,  225,  226;  oscilla  aus  —  35 

'J;uH'J;ii'.a  bei  den  Hekatäen  246 

Palaikastro,    Sima  von  • —  349ff- 

Palsftt,  oberer,  in  Sendschirli  89,  in  Saktschc  Gozü 

89,  93,  in  Hatra  97 
Pamphaios,   Krater  u.   Schale,  aus  Todi  52 
Fan,  vor  Felsaltar,  auf  oscilla  41 
Panzerscheiben,  bronzene,   mit   Kampfszenen  in 

Rel,  aus  Rapagnano  60 
Paris,     TKopf  des,   aus   Arezzo  86;   — urteil   auf 

etrusk.   Sp  5J 
Parthenon:    Fragment   des  Nordfrieses,   in   Wien 

272;   Kopf  aus  den  Metopen,   Vatikan  262;  La- 

pithenkopf  aus  der  VI.   Südmetope  JJJ  /. 
Patroklos,  auf  rf.  Vb  94 
Pelops  u.  Oinomaos,  Wettkampf,  Wgm  108  /. 
Pelten  in  M,  u.  auf  Campanareis  dargestellt  36  f.,  41 
Pergamon,    Reste   von   Steindreifüßen    131 
Persepolis,  Königsburg  27s' 
Persische  Tempel  273ff. 
»persona«  (Maske)  222 
Perugia,   Funde  Soff.,  224 
Petosiris,    Grab   des,   bei   Derwe  262  f. 
Petra,  Felsbauten  256 
Petrus  (?),  Wgm  JJJ 
Pfahlbauten,  in  Italien  37,  J9,  41 
Pheneos,   und  die  Dreifußraubsage  165 
Pherekydes-Aristogeilon,  Kopf  im  Vatikan  262 
Phersumasken  222 
Phigalia,  korinth.  Kapitell  von  44  ff.,  Apollotempel 

57  ff.,  315 
Phintias,  Dreifüße  auf  Vn  des  —  1264 
Phrynichos,  Vers  aus  dem  Ephialtes  des  — ,  auf  V 

197 
Picenum,  Funde  55ß. 
Platäisches   Weihgesclienk  1275,   130,   145> 
Polychromie  des  antiken  Reis  5,  6  f.;  im  Inneren 

des  Pantheons  2^6  f. 
Polyklet,   Kyniskos  des  —  328 
Polyxena,    Schlachtung  der — ,  auf  etrusk.  Sk^o 
Pompei,      Funde  127  ff-;     BrGeräte  258  f.;     quer 
über  das  Forum  laufende  Brinschrift  226;    Drei- 
füße, Br  HO,  117  ff. ;  gemalte  Dreifüße,  aus  Casa 


dei  Dioscuri  130;  dreibeinige  br.  Lanipenuntersätze 
119  f.;  rechteckige  dekorative  Reis,  auf  Pfeilern 
aufgestellt  3734;  Wgm.  in  Villa  Item  137;  iiaclit- 
liclie   Straßenbeleuchtung  in     -    /.,'.,' 

l'opulonia,   Funde  64  f. 

Porträts,  in  Griechenland  gefundene  338  f.;  römi- 
sche, aus  Thasos  302  ff.;  desgl.  im  Vatikan  262; 
— köpf,  römischer,  aus  Rom  loo;  desgl.,  Syrakus 
187  t. 

Prähistorische   Forschung  in  Griechenland  313  f. 

I'ratneste,  KcsseldreifUUe  aus  dem  Barberinl- 
iind   Hernardinigrab    1^4  f. 

Prästrigiatoren    u.   Tänzer,     Stuckrel,    Rom  10=) 

I'rcisdreif  üße  152  ff.;  —  der  attischen  Phylenchörc 
182- 

Priap,  auf  oscillum  41 

Priesterin,   Haube  einer  — ?,  auf  Rel  304 

Prothesis,  im  Hof  24s 

Punische  gemalte  Grabstele  aus  Lilybaion,  in  Pa- 
lermo 173;  —  Götter,  auf  Altar  aus  Sulcis  218; 
—  Masken  aus  Tharros  222  f. 

Puteal,  Madrider  42') 

Pygmäen  auf  der  Hasenjagd,  sf.   Vb  154 

Pyrphorie  167,   17P 

Pythagoras  von  Rhegion  15g 

Pythia,   delphische  162',  170,  171  f. 

(^ueWaediculen,  Rom  lul  f.;  — kult  in  der  Latrönico- 
höhle  137  /.,  in  Sardinien  208,  20g,  25g 

Rafael,  Skizze  vom  Inneren  des  Pantheons,  dem  — 
zugeschrieben  257^ 

Ramses  II.,  Porphyrpyxis  mit  dem  Namen  des  — , 
aus  Syrakus  17g 

Rasiermesser,  Typologie  130 

L.  Rasinius    Pisanus,  Vn  des  —  gl 

Ravenna  47  /• 

Reiter,  Tn  288,  2gi 

Relief:  Polychromie  des  antiken  — s  5,  öf.;  Um- 
risse durch  Vertiefung  des  Relicfgrundes  hervor- 
gehoben 34;  doppelseitiges  —  (oscillum)  in  Barce- 
lona 33  ff.;  —  von  Narbonne,  mit  Darstellung  eines 
aufgehängten  oscillum  36 -V;  verschiedene  . — crhe- 
bung  auf  doppelseitigen  Reis  38;  in  Italien  1914 
bis  1920  gefundene  M.Reis  217  f.;  — s  von  Mar- 
mariä  323,  von  Neumagen  5  f.,  ägyptische,  in 
Berlin  263,    rechteckige  dekorative  M — s  37,  40, 

41,  42 
Rhegion,   Grabungen  u.  Funde  170  j. 
Rhodos,    Beziehungen  der  sizilischen  Kunst  zu  — 

172 
Rimini,  Funde  -/6 /. 


375 


Regfister. 


376 


Rom  u.  Umgebung,  Funde  96 ff.;  Atrium  Minervae 
31;  Basilica  bei  Porta  Maggiore  102 ff.;  Biblio- 
thek des  Templum  Divi  Augusti  31 ;  Forum  Roma- 
num,  SO-Bau  8  ff.,  186  f.;  Horrea  Germaniciana 
17,  28;  kapitolinischer  Tempel  65  m.  A.  3,  71  f.; 
Oratorium  der  40  Märtyrer  (Forum  Romanum) 
9,  29  f.;  Palatin,  Wasserhof  186;  Pantheon  24g  ff.; 
Templum  Divi  Augusti  31  f.;  Templum  Minervae 
(Reg.  VIII)  (?)  20,  30 

Rosarno-Medma,  Funde  I54ß. 

Rot  für  Konturen  verwendet,  an  Rcl  5;  frühe  Ver- 
wendung von  —  63      * 

Sahr,  Tempel  281 

Saint-Remy,   Juliergrabmal  6 

Saktsche  Gözü,  Palast  89,  93 

Saloniki,  S.  Georgskirche  244  f. 

Sangall 0,  Giuliano  da  123,  12 4 

S.  Anastasia,    »Nuragen-Tempel«  20g,  2^g  f. 

Sappho's  Sprung  (?),  Wgm  104 

Sarapisrelief  in  Hildesheim  Iff. 

Sardinien,   Funde  u.  Forschung  203 ff. 

Sarkophag  in  Budapest,  mit  roter  Konturierung  6; 
Blei — ,  Catania  192;  Endymion —  2l8;  —  aus 
Messina:  Kentaurenpaare;  Gorgonenbild,  Panther, 
Harpyien  218;  —  m.  Leuchter  zwischen  Pflanzen 
117;  Musen — ,  Palermo  IJ3;  Riefel —  mit  Löwen- 
köpfen, gemalt  116;  polychromer,  etrusk.,  von 
Torre  San  Severo  80;  — e  bei  S.  Ciriaco  an  der 
Via  Osticnsis  gef.  120 

Satyr,  mit  zwei  Reibern  in  einer  Reibschale  reibend, 
Stützfigur  eines  Kandelabers  aus  Todi  53;  mit 
Schlauch,  Brunnenfigur,  M.  216 ;  mit  Weinschlauch 
vor  Krater  u.  Herme,  Rel  auf  oscillum  34,  41,  43  f.; 
— ^n  vor  Felsaltar,  auf  oscilla  41 

Säule,  tuskanische,  Vignanello  94;  spätantike  — ^n, 
SO-Bau  am  Forum  Romanum  27;  stuckierte, 
Positano  J27;  — nplinthe,  trajanische,  aus  Rom  99 

Sch^kaleschi  20g 

Schalen,  dreifüßige  ico  f. 

Schapl?-dere,  Funde  aus    346  f. 

Schardana  2og,  2ig 

Schatten  des  Patroklos  u.  Achill,  auf  etrusk. 
SkÄO 

Scheren  zur  Pferdeschur  54 

Schiff  aus  Bernstein,  Padula  141;  Sarapisgruppe, 
auf  —  stehend  (?)  10;  — e  als  Basen  von  Gruppen 
10;  — szubehör  vom  Emporium  in  Rom  224 

Schilde,  und  oscilla  36  f. 

Schildzeichen  39  f. 

Schleier  hinten  auf  dem  Kopf  aufliegend,  bei  sitzen- 
den Figuren  3 


Schmied,  als  Satyr  charakterisiert,  auf  oscillum  42 
Schmuck  der  Frauenleichen  in  Belmonte  Piceno 57, 
in  Cupra  61 ;    — sachen ,   Nocera  Umbra  54,  Sar- 
dinien 214 
Schnabelschuhe,  auf  Lokrirel  294 
Schränke,  Abdrücke  von  — n,  Pompei  J5^ 
Schrift,  kretische  354 f.;  Ausbreitung  von  —  und 

Kunst  286  f. 
Schuh,  Abdruck,  Pompei  JJO 
Schulmeister  mit  zwei  Knaben,  Stuckrel,  RomJOJ 
Schurz,   ägyptischer  235 
Schwerter  38,  43,  S7, 170;  Schwertgriffe,  sardische 

2J2 

Seeia-St,  Tempel  279 /. 

Selinus,  Gorgoneia,  von  den  Giebeln  des  Tempels  C 

(?)  180  f.;  Grabungen  200  f.     Vgl.  Metopen 
Sendschirli,     Baugeschichte    853.;    Säulenbasen 

28p 
Seneca  (?),    auf    RelFragment  aus  giallo  antico, 

München,  Privatbesitz  351  ff. 
Serapeen  in  Alexandria  4 ff. 
Sethos  I,  Rel  am  Ammontempel  zu  Kamak  12 
Signaturen  auf  tarentiner  Tn  271 
Sikuler,  BrStte  aus  Adernö  173 
Silbergerät  aus  Chiusi,  Boston  78;    aus  Pompei 

12g;   — schätz   von    Hildesheim,   kleiner   Dreifuß 

119' 
Silene,    vor   Felsaltar,   auf   oscilla   41;    Silenkopf, 

Attache  eines  BrEimers  Ig8 
Silvanus,   Weihung  an  gg;  — ,  u.  Kaiserkult  226 
Sima  der  Tholos  von  Epidauros  67';  —  T,  Ferento 

222,  T,  Kaulonia  167;  —  von  Palaikastro  349 ff • 
Sinope,   Sarapis  in  4 
Sitzbilder,   Tn  aus  dem  Heraion  von  Argos  289; 

Darstellung  von  Sitzenden  in  der  antiken  Kunst 

266  f. 
Sizilien,  Forschungen  und  Funde  171  ff.;  sizilische 

Plastik  157,  159 
Skarabäen  170 
Skopasischer  Kopf  (heilenist.  Herrscher?),  T,  aus 

Arezzo  88 
Skulpturen:      Statuarische     Marmorwerke,     1914 

bis  1920  in  Italien  gefunden  21 5  ff.;    ausländische 

Mitteilungen  über  neue  — funde  241  ff. 
Sky  IIa -Gruppe,   neue  Fragmente,  Vatikan  262 
snenath    (etruskisch  =  Dienerin)  53 
Speisebeigaben,    in    Särgen,    Nocera    Umbra    54; 

— tische  145  ff. 
Spenden,     Vertiefungen    für    —    in     sardinischen 

Gräbern  2J0;  Spenderöhren,  T,  an  Gräbern  115, 

J35;  spendender  Knabe,  Spiegelgriff,  Lokri  147 
Sphinxorthostat   von  Sendschirli  92 


377 


Register. 


378 


Spiegel,  etrusk.  81  (Itys),  53  (Parisurteil);  Hohl- 
stand—  aus  Todi,  von  Jüngling  getragen  55;  — -mit 
bi  jour  gearbeiteter  RelFigur  an  Stelle  der  Griff- 
platte 147  f-;  Weihung  eines  — s  (EvjjrTpov),  auf 
Inschrift  195;  — ,  Br,  aus  Lokri  144 ff.;  — stütze: 
Mädchen  im  Peplos,  Br  218  f. 

Sprache  der  »Euganeer«  43 

Springbrunnen  (?),  SO-Bau  am  Forum  Roma- 
num  25;  —  in  Triklinien,  Poropei  131 

Stadtanlage:  Mens  Falernus  56/.;  Motye  203 

Statuen,  freistehende,  als  Kesselträger  139;  —  des 
Juppiter  u.  der  Juno,  auf  Fercula  getragen,  RelJ25 

Steatittalel  aus  Tharros  mit  Amonra,  Mut  u. 
Chonsu  in  Rel  218 

Steindreifüße  132;  archaische  135  ff. 

Steinmetzzeichen,  Kaulonia  l6y 

Stele  des  Aristion  8  Anm.;  Bruchstück  einer  atti- 
schen — ,  mit  Mädchenkopf,  Berlin  73;  —  des 
Diskophoros  8  Anm.;  archaische  attische  in  New 
York  7  £.3;  —  von  Sunion  326  ff.;  punische,  aus 
Hadrumetum  28p;  —  eines  Gerbers  92;  —  des 
Massalioten  Xenokrates,  Syrakus  185;  phalloide 
— n,  auf  Männergräbem  in  Caere  68;  — n  in  Sar- 
dinien 211;  — n  als  Ehrendenkmäler  328  ff.  Vgl. 
Grabstele 

Stempel,  aus  Lilybaion  204;  spindelförmige,  Syra- 
kus 186  f.;   »Annus  longus«  22y 

Stipes    votivae   mit  T  in  Medma  ISjff. 

Stockbekrönung,  tönerne,  mit  umbrischen  Köpfen 
50  f. 

Streitwagen  s.  Wagen 

Stuckreliefs  am  Grabe  des  Ceius  Labeo  in  Pom- 
pei  132 ;  in  der  »Basilika  «  bei  Porta  Maggiore  lo^j. 

Stützfigur  in  Cambridge,  mit  ägypt.  Schurz  235; 
weibliche  — -en  an  Dreifüßen  136  ff. 

Sulla,  65,  71;  Belagerung  von  Arezzo  durch  — 8^ 

Sunion,  Stele  J26 /?.;  Tempel  JJ* 

Sür,  Tempel  281 

Susa,  Tempel  2^6  ff. 

Symposion,  etrusk.  Grabgemälde  in  Chiusi  yy 

Syrakus,  Funde  u.  Forschung  lySff.,  245 

Syrien:  altsyrische  Baukunst  285 

Tammuz-Adonis,   TStten,  Medma  164 

Tanz  im  etruskischen  Totenkult  y^;  — probe  eines 

Mädchens   vor  einem  Jüngling,    italiot.    Vb  154 
Tänzerin,  Marmorkopie  der  herkulanensischen  — , 

Rom,  Amerik.  Akad.  216;  Torso  aus  Kyrene  244; 

BrStte,  Lokri  14^ 
Tarentiner  Tn  26yff. 
Täuben,  auf  Gefäßrand  sitzend,  auf  messapischem 

Becher  141 


Tegulae   hamatae  29 

Telesterion  von  Elcusis,  auf  Theatermarke  dar- 
gestellt 323 

Tempel,  Kaulonia  l6y  f.;  Kyrene  243;  Megara 
Hyblaea  194;  Ostia  JJÄ;  Positano  I2y;  —  (?), 
röm.,  bei  Ravenna  46;  des  Antoninus  u.  der 
Faustina,  Rom  lOl;  des  kapitolinischen  Juppiter 
y6;  Syrakus  iy8;  Velletri  124;  persische  —  2y3ff. 
— modeile,   T  aus  Medma  138 

Templum   Divi  Augusti  s.  Rom 

Terni,  Funde  4gff. 

Terrakotten.  Funde  in  Italien  1914 — 20:  221  ff. 
Figürliche  — :  archaische  Gruppe  aus  Veji  yiff., 
23y;  aus  Lokri  132  f.,  Medma  ISyff.,  160,  164, 
Syrakus  l8y,  im  Mus.  v.  Syrakus  u.  Palermo  iy2  f. ; 
kleinasiatische  Stte  eines  fettleibigen  Mannes,  in 
Berlin  236  f. ; —  aus  dem  argivischen  Heraion,  in 
Heidelberg  288 ff.;  kopflose  — ,  als  Muster,  aus 
einer  athen.  Töpferei  2g6  f.  AUärcken  (arulae)  s.  d. 
Architektonische  — :  Medma  15S,  Syrakus  J75,  180, 
Velletri  124.  Geometrische  Dreifüße  105;  Köpfe 
(von  einem  Parisurteil?),  aus  Arezzo  85  ff.;  Kopf 
einer  Göttin,  Syrakus  iy2;  Karikatur  eines  Kahl- 
kopfes, ebda.  l8g.  HiniatUTtebeies,  Tiryns  1523; 
Metope,  archaische,  aus  Rhegion  Not.  sc.  1886, 
243)  lyo;  — n,  Este  42;  Puteale,  römische,  aus 
Vetulonia  pr;  —reliefs:  aus  Ak-Alan,  Budapest 
303;  archaische,  Velletri  124;  Platte  mit  Reiter, 
aus  Vignanello  93  f. ;  Votive  in  einer  Höhle  bei 
Corchiano  95;  desgl.,  weibl.  Gottheiten,  Selinus 200 

Tharros,   punische  Masken  aus  222  f. 

Thasos,  kolossaler  Kriophoros  aus  244;  thasische 
Funde,  im  Budapester  Museum  2<)yff. 

Theater,  Libama  56,  Syrakus  l8g;  — maschinist 
(auf  Inschrift)  228 

Themis,  mit  Dreifuß  182 

Thermen  bei  Civitavecchia  <)I\  an  der  Via  Portuen- 
sis,  Rom  icyy;  bei  Talamone  pr 

Thermopoliura,   Pompei  133 

Tiere,    TVotive,  Medma  JÖJ/.;  — auf  oscilla  42*" 

Tierkämpfe,   Mos  203 

Tiryns,  Rundbau  in  der  Burg  260 

Tisch6«W,  figürliche  hellcnist.-römische  115  ff;- 
— dreifüße  114  ff.,  145  f. 

Tivoli,  Hadriansvilla  233 

Todi,  Funde  32  f. 

Tombe  dei  Giganti,  in  Sardinien  210 

Tonnengewölbte  Räume,  Entwicklung  in  der  röm. 
Architektur  32 

Töpferwerkstatt,  Motye  20.7 

torcular  (Weinpresse)  92 

Torques,  silberner  JA 


379 


Register. 


380 


Torre    San    Severo,  polychromer  Sarkophag  aus 

—  80 
Totenkult,  etruskischer  Jg 
Totenmahlreliefs  3,  4,  io6',  115,  302 
Tränenkarunkel,  rosig  getönt,  an  Bronzekopf  JjS 
Tripodiskos,   Gründungssage  von  —  165  f. 
Tpt7;o5(3xo;   141;    Tpteo'j;     142  ff.;    Tpfco;,    TpindoTj; 

145;  TpiT:d5tov  146;  TpfcoÄE?  orupot  u.  ^(jiTrjpififjTai 

143  f.;  ivL   Tpf-oo«   Xiyeiv  178  f.;    Tpfcou;  oeX-^ixi^; 

148;  tripus,  tripoda  145 
Tripodophorie  167  £. 
Triumphbogen  von  Malborghetto  123 f.;  Pola  u. 

Triest  44 
Troermord  an  Patroklos'  l/cichenfeier,  auf  elrusk. 

SkSo 
Trophäen,  Wgm,  Pompei  J32,  133 
Tuffperiode,  Toreutik  der  2^9 
»Tumuli«,  rechteckige,  stuckiert  und  rot  bemalt, 

Messina  193 
Tür  des  Nurago  von  öta  Anastasia  260 
Turscha  2jo 
Tympana,  aufgehängt  42 
Tyro,  Rel  einer  arula  J57 

Ulrichs,  H.  N.,  Nachlaß  357 
Umbrien,  Funde  4S ff. 
Untersätze,  niedrige  dreibeinige  ggf. 
Unterweltsdarstellung,   auf  etrusk.   Sk  80 
Uräen,  an  Dreifüßen  und  Altären  in 
Urbulanenses,  pagus  der,  außerhalb  Pompejis  128 
Urkundenreliefs  3,  4;  Umrahmung  bei  —  2' 
Urne,  etrusk.:  Kampf  um  Achilles' Leiche  &;  Iphi- 
genienopferung  & ;  Troilosabenteuer  <Sj;  mit  mehr 
Namen  als   Figuren  ^2;^ — n,   Holztruhen  nachah- 
mend 83 

Vasen  :  in  Italien  1914 — 20  gefunden  223;  ausländ. 
Literatur  über  antike  Keramik  247  f. ;  »dynamische 
Symmetrie«  in  der  attischen  Keramik  314 f.; 
Listen  verschollener  Vasen  248;  rf.  — ,  als  Aschen- 
gefäße verwendet  l94t-\  Berlin,  Fw.  2258,  2325: 
327 

Fundorte:  Arezzo  (schwarzgefimißte)  Ä5;  Bel- 
nionle  Piceno  (Buccheri,  Att.,  Korinth.,  Protokor., 
Apul.-Messapisches)  6o\  Bologna  (neolith.)  46; 
Catania  191;  Croccia-Cognato  (Lukanien)  I39\ 
Corchiano  96;  Este  41;  Francavilla  141 ;  Gram- 
michele  J96;  Industiia  (Lezoux- Keramik)  ^5; 
Kaulonia  (kor.,  protokor.)  j6Ä,  169;  KenturipeJ7J; 
Lanuvium  (altlatinisch)  121;  Latrönicdhöhle  (ae- 
neolith.)  138;  Leontinoi  (spätsikulische)  173; 
Lokri  Epizephyrii  JJJ /. ;  ManduriaJ^;  Medma- 


Rosarno  162,  164 f.;  Megara  Hyblaea  194;  Motye 
202;  Nuceria  (hellenist.-röm.)  J70;  Perugia  80, 
82  f. ;  Poggio  rosso  bei  Paternö  iy6  f. ;  Rhcgion 
(rhodisch)  Ijo;  Santa  Scolastica  (Campanicn) 
(prähist.)  123  /.;  Selinus  200;  Sesto  Cremonese  38', 
Syrakus  181,  184,  188;  i'alamonc  (»südgallische«) 
91;  Tifernum  Tiberinum  (arretiner)  ^4;  Todi  32 ; 
Trefontane  bei  Paternö  J76  /. ;  Vellctri  J2^;  Vigna- 
nello  94  f. 

Gattungen  und  Formen :  Arretiner  5^,  188  f. ; 
»Calenische«  270  f.;  Dipylon-Kratere  in  New  York 
245  f-\  Dreifußvasen  loi  ff. ;  »ephyräische«  JJJ; 
etruskische  Buccherokelche,  mit  Stützfiguren  137; 
faliskische  9^;  Fisch teller,  apulischej65;  Gnalhia 
141;  italiotische  I54\  Kothone  102  f.;  messapische 
141;  panathenäische  Amphora,  Lokri  153;  picen- 
tisch  einheimische  60;  vormykenische  des  Fest- 
landes, Perioden  247  f. 

Darstellungen:  rf.  Stamnos,  Abschiedsspende  des 
Achill  für  Patroklos  94  f. \  rf.  Kolonettekrater, 
Amazonenkampf  J95;  rf.  Kraterfragmente, 
j\thenageburt  1^4 ;  Caeretaner  Busirishydria,  Wien 
II  ff. ;  rf .  Pelike  aus  Schapl^-dere,  Epheben  346 ; 
weißgrundige  Glaukosschale  178;  rf.  Scherbe, 
Jüngling,  Opferschale  über  einen  Altar  haltend  95; 
rf.  Kylix,  dem  Kachrylion  verwandt,  Kampf- 
szenen 94;  rf.  Scherbe,  Maim  mit  Blume  96; 
rf.  Krater,  Satyr  u.  Maenade,  Wien  336  f. ;  rf .  »fa- 
lisldsche«  Schale,  Silen,  Satyr  u.  Maenade  80  f.; 
dreibeinige  Untersätze  auf  Vbn  100;  ff.  brettisch- 
griech.   (?)  Krug,  Viergespann  154. 

Figürliche  Vasen :  Frauenkopf,  attisch,  aus  Med- 
ira  162 ;  Sau,  mit  sf.  Pygmäen  auf  der  Hasenjagd 
154;  Silen-  u.  Frauenkopf,  Kantharos  aus  Todi5J; 
Reliejvasen:  Krug:  Minerva,  sich  die  Ägis  um- 
legend, zwischen  zwei  tanzenden  Hierodulen,  Pom- 
pei 130;  »megarischer  Becher«,  Lokri  JJJ.  Vgl. 
die  einzelnen  Vasenmaler  und  -fabrikanten. 

Veji,  Funde  70  ff.;  TGruppe  7J;?'.,  2J7 

Velletri,  Funde  124 

Veneto  u.   Veneter  J9/.,  41 

Venus,  aus  vergoldetem  Pseudo-Alabaster,  Pom- 
pei  JJJ 

Verbrechergrab  im  Phaleron  246  f. 

Verfluchungen:  Fieber —  für  Grabfrevler,  auf 
Sarg  aus  Fiano  Romano  92 

Vetulonia:  Topographie  des  römischen  —  9^ 

Victorien  mit  Waffen,  Wgm,  Pompei  JJ2 

Viergespann  für  den  Sieg  über  Böoter  u.  Chal- 
kidier,  Athen  JJ7;  — ,  von  Tritonen  geleitet,  Rel. 
114 f.;  sf.  Vsb  154 

Villa    der  Domitii  bei  Asciano  9J;   imter   S.   Se- 


381 


Register. 


382 


bastiano,  Rom  zj6;  t—  des  Gordian«  an  der  Via 
Prenestina  122  f. ;  des  PoUius  Felix  (?),  Villazzano 
(Sorrento)  126;  Villen  am  Albaner  See  121 

Villanovaurnen  aus  Fermo  in  Piceno  62 

Vließ,  Raub  des  goldenen  — es,  Stuckrel,  Rom  J05 

Vogelleib,   Br.  (Feldzeichen?)  37 

Votiv pinakes,  T  aus  Medn  a  161;  — reliejs:  Arndt- 
Amelung  Nr.  1241 :  4;  an  die  Dioskuren,  Verona ./J; 
Fragment  mit  Farbspuren,  Eleusis  i  ff.;  — s  und 
rechteckige  dekorative  Marmorreis  37 

Vulca  von  Veji  y6 

Vulci,  Dreifüße  aus  106 


Wagen,  ägyptischer  13;  in  Gräbern  von  Belmonte 
Piceno  57;  in  Gräbern  von  Cupra  61  \  mit  figür- 
lichen Bronzenbeschlägen,  Populonia  6^;  — lenker 
von  Delphi  J59;  — züge  bei  der  Prothesis  245 

Wandmalerei:  »Landschaftsbild«  aus  Hercula- 
neura  43;  Reiter  gegen  einen  Barbaren  anspren- 
gend. Grab  v.  Niausta  247;  Ostia  118  f.;  Pompei 
130,13^,137;  SO- Bau  am  Forum  Romanum  25; 
Grabanlage  am  Viale  Manzoni,  Rom  112  ff. ;  »Ba- 
silika« bei  Porta  Maggiore,   Rom  104 

Wasserkult  95 

Wasserspende  auf  den  Gräbern,  in  Lokri  148 

Webstuhl,  Wgm  113 


Wegweiscrinschrift,   oskische,  Pompei  128 
Weihgeschenkträger,   Kaulonia  168 
Weihrelief,  griech.,  aus  Thasos  J02 
Weihwasserbecken,  archaische  steinerne  137 
Weinbau  in  Lukanien  139  f.;  — presse  (torcular)  92 
Weisen,   Dreifuß  im  Sagenkomplex  der  sieben  — 

158  ff. 
Weißdorn  (^»'(jlvo;)  bei  der  Bestattung  246 
Wickelkinder,   T  93 
Widder,   Br,  Palermo  lyi 
Wölbung  der  Decke  in  Sendsehirli  (?)  96 
Wollene   Gewänder  in  Gräbern  von  Belmonte  Pi- 
ceno 5y 

Yalovatch,  Porträtstatue  der  KORNELIA  306 

Zauberapparate    179  f. 

Zelt  bei'  der  Prothesis  245  f. 

7^eus,  mit  Dreifuß  183  f. 

Ziegel,  faliskische  Loculiverschlüsse  9^;  lydische 
84;  — Stempel,  Este  42,  Messina  227,  Rom  10, 
18,  20  f.,  23,  24,  25,  29,  187,  107;  oskischer 
— Stempel  JJ^ 

Zikade,   Glasfläschchen  in  Form  einer  224 

Zographos-Stiftung  357 

Zukunftserratung,   in  Lokri  1^0 

Zweige  bei  der  Prothesis  246 


II.  INSCHRIFTENREGISTER. 

Die  Spaltenzahlen  des  .archäologischen  Anzeigers  sind  kursiv  gfcdruckt. 


Arvaltafeln  226;  Bauinschrift  von  Castcl  di  Sangro 
226  f.;  Bustrophedon- Inschrift,  Syrakus  179; 
»euganeische«.  Magre  43  j-\  hieroglyphische 
Weihung  aus  Tharros  218;  metrische  227;  Inschrift 
in  Reliefbuchstaben,  auf  Plinthc  einer  Frauen- 
figur, Medna  163;  Ergänzungsstück  zu  CIL  XIV, 
2983:  225  f.;  Ziegelstempel:  CIL  XV  78:  23,  24; 
259:  10;  319:  23,  24;  500:  23;  635:  10;  638:  10, 
21;  999:  10,  29;  1000,  1006:  10;  1094,  1095:  10, 
21;  1096:  10;  1097:  10,  21;  1290:  10;  1346:  10, 
18,  21,  25;  1362;  10,  21;  1449,  1907:  10.  —  Not.  sc. 


1918,  1383.:  125.  T914 — 20  in  Italien  gefundene 
Inschriften  225  ff. 

Griechische  Inschriften  aus:  Akrai  J95,  At' en 
(BCH.  1879,  S.  70)  168,  älteste  attische  (Dipylon- 
krug)  ebendaher  340  ff.,  Medma  163  f.,  Pompei 
136  (Dipinti),  Thasos  302,  Vignanello  g6  (Vase). 

Lateinische  Inschriften  aus:  Como  38,  Este  42  f., 
Montalcone  44,  Ostia  218,  224,  Rom  gg,  lOI,  108  f., 
Syrakus  188,  189,    Thasos  306,    Via    Clodia  217 

Oskische  Inschriften  aus  Pompei  128  (Wegweiser- 
inschr.),  134  (Ziegelstempel) 


a)  Griechische    Inschriften, 


'A8r|Voi  225 

rXaüxo«  (Vase)  96 

MYSAflffi  (epa<JutiK8T(?])  163  f. 


Ka'saavipo;   (Weihrel)  .302 

oi(päv,  oitpstv  136 

.  .  YS  (Zeus)  (Weihrel)  302 


383 


Register. 


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l>)    I-atcinisclie,    etriiskische,    oskische    Inschriften. 


Cn.  Accius  Claudjanus  lOl 

Achle  (etr.  Urne)  82 

Aidilis  lustralis  22y 

akiu  36 

Annus  longus  (Stempel)  227 

Apolausti  niaioris  condiscipulus,  Apolausti  junioris 

doctor  92 
Apollinis  parasitus  g2 
Atticus  Naevi  (auf  arretin.  Becher)  188 
Calisna  (etr.  Urnen)  82 

canibus  tricipiti  et  bicipitibus  (Defixionstafel)  42  j. 
Civitates  Barbariae  228 
Ti.  Claudius  Aug.  1.  Pardalas  9^ 
concinnator  a  scaena  228 
F.  Cubuld  (osk.  Ziegelstempel)  134 
Curatores  op.  publ.  et  aed.  sacranim  gg 
EGO  (Gladiatorentesseren)  l8g 
eksuk  amvianud  128 

Eufrosynus  posuit  donum  deo  aram  et  deum   228 
Euryalus   (Wgm)  108  f. 
T.  Faesellius  Onager  46 
A.  Flavius  Longinus  gg 
Flavius  Optatus  22y 
fonti  d.  d.  102 

pro  incolumitate  Augustorum  gg 
Ippodamia  (Wgm)  lOg 
Ippodamus  (Wgm)  lOg 
Juno  Palosticaria  225 
Laribus  vicinis  sacrum  218 
magistri  quinquennales  102 
Mefira  128 
Myrtilus  (Wgm)  108 
0.  Oppius  Natalis  (Ziegelstempcl)   10,    18,    20,   21, 

Neieas   (?)   (Wgm)  log 
Nutrix  (Wgm)  loi^ 


Oenomaus  (?)  (Wgm)  log 

Onager  46 

C.  Orcevius  22^ 

Orcus  pater  (Defixionstafel)  42 

tr.  Papiria  99 

parasitus  g2 

Paris  (etr.  Urne)  82 

patci  =  pater  sacrorum  lOI 

Pelops  (?)  (Wgm)  log 

L.  Petronius  L.  f.  Pal.  patronus  faber  argentarius  21J 

P.  Plinius  Patemus  L.  f.  Ouf.  Pusillienus  38 

Pluto  (Defixionstafel)  42 

posuit  lOl 

Proserpina  (Defixionstafel)  42 

L.  Pupid.  128 

Mr.  Puril.  Mr.  128 

Sabinus  gg 

Salvis  amicis  felix  hie  locus  (Mos.)  22J 

C.  Saufeius  Sabinus  22^ 

M.  Servilius  Paratus  concinnator  a  scaena  228 

Sic  tibi  contingat  seraper  fforere,  Sabina,  Contingat 

forma(e),  sisque  puella  diu  22y 
snenaolurn  (auf  etr.  Spiegel)  53 
Solomon   (br.  Amulettscheibe)  224 
Techri  (etr.  Spiegel)  53 
Terentius  Junior  99 
tiurri  Mefira  128 
tosillaria  22y 
Illvir  Augustalis  22y 
Urblanenses,  Urbulanenses  128 
Urubla  128 
Utzte  (etr.  Urne)  82 
veru  Urubla  128 

Fl.  Vibia  Sabina   (Statuenbasis)  306 
viu  Mefira  128 
Zenodorus,  corrector  Lucaniae  et  Bruttiorum  22J. 


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