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4.
(
In unserem Verlage ist erschienen:
Ueber Eis und Schnee
Bie höchsten Gipfel der Schweiz
und
die Geschichte ihrer Besteigung.
Von
Gr. Stixd-er^
alt Begierungsstatthalter, Ehrenmitglied des schweizerischen, englischen
und italienischen Alpenclnbs.
IV. Band.
Preis : broschirt Fr. 6. — , gebunden Fr. 7. 50,
Beim Erscheinen dieses Bandes haben wir die 3 ersten
Bände desselbe)i Werkes:
Bd. I. Berner Alpen. Bd. IL Walliser Alpen,
Bd. IIL Bernina,
im Preise herabgesetzt und offeriren dieselben, so lange der
geringe Vorrath des I. Bandes noch ausreicht, zusammen-
genommen ;
broschirt statt Fr. 10. 60 zu Fr. 6. —
gebunden » > 12. 25 » » 7. 60
Einzelne Bände behalten ihren alten Preis von k Fr. 3. 50.
Studer's Werk, bekanntlich größtentheils aus eigener Anschauung
geschrieben, ist für den Alpenclubisten, der sich über oben genannte
Gebiete orientiren will, unentbehrlich.
Bern. SGiMill, Tm&lü & Co. (voriD. I. DalD'scbe BQCHltaiimiis).
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\
^
Jahrbuch
des
Schweizer Alpenclub.
1885-1886,
inderte AuSn^s.
Bern.
Verlag der Expedition des Jahrbuches des S. Ä. C.
Schirid. Fruick« « Co. (loin. J. Dulpich* Buchlundlang).
» • •
Stämpfli^sche Buchdruckerei in Bern.
Inhaltsverzeichniss.
Seite
Vorwort vii
L Clubgebiet.
1. Dr. Emil Burckhardt Erinnerungen aus dem Club-
gebiet 3
2. S. Simon, Ein photographischer Streifzug im Club-
gebiet 62
3. F. V. Almen, Der neueste Jungfrauweg . . 89
4. G. Kamiah. Aus den Gomserbergen ... 99
5. C. Anders. Das Bietschhorn über den Westgrat . 121
6. Dr. H. Bubi. Doldenhom und Fründenjoch . 135
IL Freie Fahrten.
1. Louis Kurz. Col de Planereuse et Darrei . . 151
2. Dr. Ktnil Burckhardt. Der Lyskamm . . .164
3. -R. Wäber. Aus dem Rhätikon . . . .189
4. Dr. Th. Curtius. Aus der Gruppe des Bacone . 218
5. Prof. Dr. K Schulz. Die Aiguilles d'Arve und die
Aiguille de Goleon 245
6. Th, Boret. Aus der Adamellogruppe und denBrenta-
Dolomiten 280
7. A, Trautweiler. Eine Bergfahrt im Peloponnes . 303
32G965
IV
III. Abhandlungen.
Seite
1. Dr. H, DübL Die Römerstrassen in den Alpen . 323
2. Prof. Dr. Albert Heim. Notizen über Wirkungen
des Blitzschlages auf Gesteire .... 342
3. Prof. Dr. F.-Ä. Forel. Les variations periodiques
des glaciers des Alpes 358
4. J. Goaz. Bericht über die Vermessungsarbeiten am
Rhonegletscher im Jahre 1885 .... 389
5. Eigene Bambert Villars-Chesieres et les Alpes
Vaudoises 398
IV. Kleinere Mittheilungen.
1. Bedaction. Neue Bergfahrten in den Schweizer-
alpen 1885 433
2. M. SchuppU. Eine Alpfahrt im ünterwallis . 437
3. B, Lindt Lauterbrunner Breithom . . . 449
4. Ed. Wartmann. Blümiisalphorn mit Abstieg auf
der Südwestseite gegen die Fründen 452
5. — Die Oberaarjochhütte . . . 452
6. Ed. Gerwer. Nebelbild am Urbachsattel . . 453
7. C. Seelig. Notizen aus den Glarner- und Ümer-
bergen 455
8. H. Lavater- Wegmann. Crispalt .... 459
9. J. Schiesser. Tödi mit Abstieg durch die Gliems-
pforte ; . . 462
10. J. Studer. lieber elektrische Erscheinungen auf
dem Säntis 469
11. 0. B. Muretto- und Dordonapass . . . 474
\2. S. Simon. Gletscherpickel 482
13. F. Becker. . Randegger's Alpenland . . . 484
14. Dr. H. Bubi. Dr. Emil Zsigmondy: Die Gefahren
der Alpen 486
Seite
15. Bedaction. Souvenirs d'uii alpiniste par E. Javelle 488
16. — Bergfahrten von Th. Harpprecht . 491
17. — J. Meurer : Führer durch die Dolomiten
und Illustrirter Fuhrer durch West-
tirol und Vorarlberg . . . 492
18. — L'Echo des Alpes 1885 ... 495
19. — Zeitschrift und Mittheilungen des D.
und Oe. Alpenvereins . . . 496
20. — Oesterrcichische Alpenzeitung . . 499
21. — „ Touristenzeitung . 502
22. — Societä degli Alpinisti Tridentini. An-
nuario XI 502
23. — Alpine Journal 504
24. — Annuaire du Club Alpin Fran^ais 1884 505
25. A. Francke, Die alpine Literatur des Jahres 1885 507
V. Chronik des S. A. C. für das Jahr 1885.
I. Jahresversammlung in Villars-sur-Ollon . . 533
Protokoll der 22. Delegirtenversammlung des S. A.C. 533
„ der 21. Generalversammlung des S. A. C. 541
Zweiundzwanzigster Jahresbericht des Central-
comit6 des S. A. C 542
II. Sectionen 558
III. Dreiundzwanzigste Jahresrechnung des Schweizer
Alpenclub 1885 603
Index 607
VI
Artistische Beilagen.
a. Iii der Mappe.
1. Excursionskarte des S. A. C. für 1885 — 87 in zwei Blättern.
1 : 50000. Blätter Grindelwald, Lauterbrunnen, Jungfrau,
Obergestelen, Aletschgletscher, Binnenthal des Siegfried-
Atlas. Stich von R. Leuzinger. Schattirungston von Prof.
A. Heim.
2. S. Simon: Rundsicht vom Südgipfel des Trugbergs. Farben-
druck.
3. W, Benteli (nach einer Phot. von L. Kurz): Le versant
suisse de la chaine du Montblanc, Vue prise de la Tete
de Vari. Phototypie.
4. J". Schneiter : Aussicht von Chiliomodi gegen Westen (Pe-
loponnes). Farbendruck.
5. A. Heim: Gebirgsansicht von Villars-sur-Ollon. Farben-
druck.
b. Im Buche«
Seite-
1. R. Ritz: Hintergrund des Eginenthals. Phototypie.
Titelbild.
2. Schreckhorn und Nässihom nach einer Photographie
von J. Beck. Phototypie 48
3. R, Ritz : Hintergrund des Gerenthals. Phototypie. 1 12
4. Fisistöcke und Doldenhörner nach einer Photo-
graphie von Mögle. Farbendruck . . .144
5. Der Lyskamm vom Plateau des Lysjochs aus nach
einer Photographie von V. Sella. Phototypie . 176
6. R. Wäber: Die Kurzen Gang. Zinkogr. . . 205
7. — Kleine Furka. „ . . 207
8. — Terrasse der „Platten" von der Grossen
Furka aus. Zinkogr. . . . 208
9. Caviezel : Die Baconegruppe : Abstürze nach der
Malojastrasse. Zinkogr 219
VII
Seite
10. Dr. Th. Curtius : Baconekette vom P. Mortara bis
zur F. Casnile. (Kartenskizze.) Lithogr. . .221
11. Klttcker: Cima del Largo von der Südostspitze
aus gesehen. Zinkogr. 226
12. H. Heubner: Die Aiguilles d'Arve nach Skizzen
von K, Schulz und L. Darmstätter, Zinkogr.
I. Aig. centrale und Aig. septentrionale von
Osten 256
II. „ „ von Süden.
IIl. „ meridionale von Süden.
13. JE, T. Compton: Die Brentagruppe von der Cima
dei Lasteri aus gesehen. Phototypie . . . 288
14. M. Stocker: Der Malevo. „ ... 301
15. Römerstrasse am Septimer (aus Bavier: Strassen
der Schweiz). Zinkogr 331
16. Römerstrasse b. Promontogno (aus Bavier: Strassen
der Schweiz). Zinkogr 332
17. Quermauer bei Punkt B (aus Bavier: Strassen der
Schweiz). Zinkogr 332
18. Profil der Römers trasse bei Promontogno (aus
Bavier: Strassen der Schweiz). Zinkogr. . . 333
19. A. Heim: Blitzstern vom Hauserstock. Zinkogr. 355
20. 0. B.: Pizzo dei Rossi. Farbendnick . . 480
Extrabeilage.
O. y. Bülouj, Repertoriiim und Ortsregister fllr die
Jahrbücher I— XX des Schweizer Alpen-
club (mit einer Uebersichtskarte der
Seh weizer- Alpen) .
Vorwort.
Im letzten Jahrbuche, pag. VII, hatte die unter-
zeichnete Kedaction zwei Wünsche ausgesprochen : den
Wunsch nach einer Ergänzung des Jahrbuches durch
eine neben und unabhängig von demselben erscheinende
Monatsschrift, und den andern, dem 21. Bande des^
Jahrbuchs ein Sachregister über die 20 ersten Bände
unseres Cluborgans beigeben zu können.
Dieser letztere Wunsch ist nun Dank dem Eifer und'
dem uneigennützigen Fleiß eines Clubgenossen erfüllt
worden. Als Extrabeilage ist diesem Jahrbuche ein
Repertorium und Ortsregister für die Jahrbücher I — XX
von Herrn 0. v. Bülow (Section Bern) beigegeben, das,
praktischer eingerichtet und weit vollständiger als das
Inhaltsverzeichniß zu den 10 ersten Bänden, das reiche,,
in unseren Jahrbüchern aufgespeicherte touristische,,
wissenschaftliche und artistische Material für die Be-
nutzung leicht zugänglich macht.
Während das alte Inhaltsverzeichniß ganz voa
sachlicher oder geographischer Eintheilung des Stoffes
absah und die Arbeiten einfach nach den Namen der
Autoren in alphabetischer Ordnung aufzählte, hat sich
Hr. 0. V. BUlow die große Mühe und Arbeit nicht
verdrießen lassen, den weitschichtigen Stoff vom wissen-
schaftlichen und geographischen Gesichtspunkte aus
einzutheilen und zur Erleichterung der Orientirung ein
alphabetisch geordnetes Ortsregister hinzuzufügen. Er
hat mit dieser Arbeit dem Schweizer Alpenclub ein
höchst werthvolles und willkommenes Geschenk ge-
macht und die Redaction spricht gewiß im Sinne
sämmtlicher Clubgenossen, wenn sie ihm hiemit Namens
des S. A. C. seine sehr verdienstliche Arbeit wärmstens
verdankt.
Nicht so gut erging es dem ersten Wunsche. Der
S. A. C. ersieht aus dem Decembercircular des Cen-
tralcomit6 und dem Jahresbericht des Herrn Central-
prilsidenteu , pag. 553 dieses Jahrbuches , daß der
Anregung zur Publication eines neuen officiellen Organs
neben dem Jährbuche aus Opportunitätsgründen keine
Folge gegeben wurde. Ohne das Gewicht dieser
<Tründe zu verkennen, glaubt doch die Redaction, das
ßedUrfniß nach einer Ergänzung des Jahrbuchs durch
periodisch erscheinende Mittheilungen zur Vermittlung
des Verkehrs zwischen den Sectionen und zur prompten
Besprechung clubistischer Zeit- und Streitfragen u. s w.
werde sich in der Folge immer mehr geltend machen,
«nd sie erachtet deshalb die Frage nicht als durch
■den negativen Entscheid des Centralcomitö aus Ab-
schied und Traktanden gefallen, sondern nur. als zeit-
Tv eilig verschoben.
XI
Auch dieses Jahr muß die Redaction den Club-
genoßsen einen dringenden Wunsch äußern oder viel-
mehr wiederholen : den Wunsch nach rechtzeitiger Ein-
sendung der Manuscripte. Bei verspäteter Zusendung,
wie sie bei diesem Jahrbuche öfters vorkam, häuft
sich zeitweise die Arbeit für den Redactor tibermäßig
an und seine Aufgabe wird ihm dadurch unnützer und
fdr das Jahrbuch durchaus unersprießlicher Weise er-
schwert. Rechtzeitige Zusendung leserlicher Manuscripte
in druckfertigem Zustande liegt ebenso sehr im Interesse
des Jahrbuches und der Autoren, wie der Redaction.
Für den 22. Band sind die Termine die folgenden:
1. Januar 1887 für Alles, was das Clubgebiet und
die artistische Ausstattung betrifft. 1. Februar für die
Freien Fahrten und Abhandlungen. 1. März für die
Kleineren Mittheilungen.
Zum Schlüsse erübrigt der Redaction noch die an-
genehme Pflicht, allen Mitarbeitern am 21. Jahrbuche
bestens zu danken und ihnen, sowie dem ganzen Club,
das Jahrbuch auch für die Zukunft zu empfehlen. Zu
nicht geringerem Danke ist sie auch dem eidg. topo-
graphischen Bureau verpflichtet, dessen Entgegen-
kommen es ermöglicht hat, die Excursionskarte durch
Hinzuftigung eines Schattirungstones auch für den
Novizen im Kartenlesen leicht verständlich zu machen.
Dieser Schattirungston, von unserem Centralvicepräsi-
denten Prof. A. Heim mit kundiger Hand ausgeführt,
verbindet sich mit der von Freund R. Leuzinger mit
gewohnter Meisterschaft gestochenen Terraindarstellung
mittels Kurven zu einem relief artigen, zugleich genauen
und malerischen Bilde der Bodengestaltung unseres
xn
Clubgebiets. Möge diese schöne Karte nun auch
fleißig im Terrain benutzt werden und dem nächsten
Jahrbuche eine recht reiche Ausbeute von Berichte»
aus dem Clubgebiet zubringen!
Bern, im Juni 1886.
A. Wäber.
I
i
i
I
Clubgebiet.
Erinnerungen aus dem Clubgebiet
Von
Dr. Emil Burckhardt (Section Basel).
Wohl wenig Theile unserer Schweizeralpen sind
in den Jahrbüchern so einläßlich und vielseitig be-
handelt worden, wie das letzte and das diesjährige
Excursionsgebiet des 8. A. C. : die Lötschthalergebirge
und das Centralmassiv der Bemer Alpen. l]nd doch
weist unser einziges officielles Organ, das Jahrbuch,
auch für diese Gebiete noch mehrfache Lücken auf.
Dieselben auszufüllen kann eines Einzelnen Aufgabe
nicht sein. Immerhin aber scheint eine Ergänzung
unserer Jahrbücher im Sinne möglichster Vollständig-
keit der Originalberichte schweizerischer Bergsteiger
Über das jeweilige Clubgebiet wünschenswerth.
Meine Notizen aus dem letzten und dem jetzigen
Clubgebiete, in dem ich schon 1862 meine Anfänger-
touren machte, gehen zum Theil weit zurück, vom
Jahre 1885 bis in das Jahr 1867, bei der rasch-
lebigen Entwicklung der modernen Bergsteigerei
(„ Alpinismus ^ oder gar „ Hochalpinismus ^ in der
8portsprache der jüngeren und jüngsten Schule) eine
4 Emil Burckhardt.
längst vergangene Zeit. Ich glanbte aber, auch ältere
Aufzeichnungen hervorsuchen zu dürfen, nicht sowohl,
um mit „Mountaineering in the old style" zu cokettiren —
dazu wären meine Mittheilungen schon ihrem Inhalte,
wie ihrer Form nach wenig geeignet — , sondern -viel-
mehr, um sie im Vereine mit Notizen aus neuerer und
neuester Zeit meinen CoUegen zur Verfügung zu stellen,
als einen Beitrag zur Ausfüllung einiger Lücken und
zur Ergänzung schon vorhandener Berichte in unseren
Jahrbüchern über das letzte und das diesjährige Club-
gebiet.
I. Das Orosshom (37G5 m.) von Ried im Lotschthale aus.
1885.
Als zweite Spitze, von Westen an gearechnet, ent-
r^gt der mächtigen Lauterbrunner-Lötßchener-Grenz-
kettie, welche Bern uad Wallis scheidet, das Groß-
hora, in jähem F^lsabsturze gegen Norden und in
steiler, 8«ehön entwickelter Firnbildung gegen Buden,
zu 3765 ^ ^) Höhe sich aufschwiaigend.
Wie sein Nachbar, das Lauterbrunaer Breithom,
fand das Großhom in den Sechzigerjahren seine üeber-
wiader. Am 9. S>eptember 1868 standen zwei Bdaweizer
Clubistea, die Hen'en Heinrich Dübi und Emil Ober,
damals Studenten in Bern, mit den Führern Johann
Bisehoff aus Lauterbrunaen und Josef Siegen aus ^ed,
als die ersten Besteiger, auf der jungfräulichen Spitze.
^) Die Höhenangaben sind den Excursionskarten des
S. A. C. für 1884 und für 1885/86 entnommen. Sie weichen
von den H^henzablen in den früheren Karten, im Itinerar
1882/83 und in Stnder, ^Ueber Eis und Schnee**, etwas ab.
Erinnerungen aus dem Glubgebiet 5
Ceber diese von Ried a«& unternommene Bergfahrt
hielt Herr Ober im Winter 1868 '69 einen Vortrag in
der Section Bern, 8^ A. C. , der aber leider niemals
im Jahrbuche zum Abdrucke kam. Das Einzige, was
veröffentlicht wurde, war eine von dritter Seite her-
röhrende kurze Notiz im „ Anzeiger von Interlaken" 1868,
Nr. 75, wonach die Besteigung eine höchst anstrengende
und mitunter gefährliche Expedition von 22' Stunden
gewesen sein soll. ^)
Sieben Jahre ging es, bis-dasGrPoßhorn, l'8'75j seinen
zweiten Besuch erhielt, diesmal von Norden, vom
Lauterbrunnenthale, bezw. Trachsellauenen, und' zwar
über das Schmadrijoch, durch Herrn WyßJ-Wyß (8. A.C.,
Bern) mit Fuchs und Gertsch von Lauterbrunnen. ^)
Seither wurde, soweit ich fest&tellen konnte, das Groß-
hom nicht mehr gemacht, bis am 12. August 1885 Herr
Otto Schifferdecker (S. A. C.) von Worms a./Rh. und
ich es bestiegen. Unsere Expedition war eine dbrch-
aus- improvisirte.
Am 11. August VSSb war ich auf dem Wege vom
Bemer Oberlande nach Zermatt über den Petersgrat
nach Ried' gekommen, wo ich zufällig meinen Sections-
genossen Schiflferdecker antraf: Wir einigten uns,
zusammen über die Lötschenlflcke einen Abstecher
nach dem Eggischhom zu unternehmen. A'm folgenden
Morgen, den 12: August 1885, früh 3 Uhr 30; gingen
wir von Ried das obere Lötschthal hinauf dem Langen-
gletscher entgegen. Unseres ziemlich schweren Gepäckes
1) Briefiiche Mittheilairg von Dr. Dtibi an- den Verfasser
rom ld.Decemberl8e6. Studer, „üeberEis und Sohne©** 1, 254:
*) Jahrb. S. A. C. XI, 1876/76, 278.
6 Emil Burckhardt
wegen hatten wir, zu unseren Führern Josef Rubin
von Ried und Peter Schlegel von Grindelwald, noch
einen Träger Schlunegger von Lauterbrunnen, somit
Ueberfluß an Mannschaft. Das anfangs zweifelbafte
Wetter wurde nach Sonnenaufgang sehr schön , so
schön, daß es uns als eine Thorheit erschien, einen
so prachtvollen Tag an einen Paß zu wenden. Ich
hatte auf Eggischhom nichts zu suchen, zudem die
Lötschenlticke schon wiederholt gemacht, und mein
Clubgenosse war gerne bereit, dieselbe für diesmal zu
opfern. So entschlossen wir uns denn zum einzig
Richtigen: zu einer Spitze, und zwar zum Großhorn,
dessen feine Fimschneide hellleuchtend zu uns her-
niederblickte, als wir oberhalb Gletscherstaffel den
Guggiboden (zwischen Guggisee und Punkt 2182) er-
reichten. Unsern Leuten war der Weg so unbekannt,
wie uns, desto größer also der Reiz der improvisirten
Bergfahrt.
Unser Gepäck ließen wir im Guggiboden zurück
und behielten den nun entbehrlich gewordenen Schlun-
egger auf seine Bitte hin bei uns. Bei Punkt 2182
bogen wir links vom Wege ab und wandten uns über
„Heimischeggen '^ dem Jägigletscher zu, den wir um
6V2 Uhr in seiner untern Hälfte tiberschritten. Dieser
Gletscher, den ich 1872 von Trachsellauenen über
das Schmadrijoch ^) kommend begangen hatte, ist in
^) Es war dies wohl die zweite oder dritte Ueberschreitung
des Schmadrijoches überhaupt und die erste durch einen
Schweizer Bergsteiger. Als Führer hatte ich Peter Kaufmann,
als Träger Eud. Kaufmann von Grindelwald, die beide den
Paß nicht kannten. Wir hielten uns zu nahe an das Groß-
iJrinnerwngen aus dem Clubgebiet 7
diesen 13 Jahren sehr stark zurückgewichen. In
directester Linie ging es üher schlechtes Geröll, Schutt-
halden und steile, gefrorene Rasenköpfe und dann über
Oletscher am oberen Fuße des Jägiknubels empor.
Derselbe gehört zum Jägifu*n, dessen südöstlichen Theü
er bildet. Etwas vor 8 ühr war die sehr ausgeprägte
Einsattelung zwischen dem Südfuße des Großhomes
und dem Jägiknubel (3143) erreicht. Sie ist auch vom
Ahnengletscher (Exk. Anenfirn), also von der Ostseite,
leicht zugänglich. Als Verbindung zwischen den ver-
gletscherten Hochthälem des Jägi- und des Ahneniirnes
würde sie passend „Jägilücke" genannt. Dieser Name
wäre meines Erachtens dem mir von Rubin mitgetheilten
^Jägieck" vorzuziehen. Fesselnd ist der Blick von
-der Lücke auf die furchtbar wilde Ostwand des
Lauterbrunner Breithornes und nach dem zerrissenen
Jägifim, während auf der andern Seite Mittaghorn und
Ahnengrat weniger zur Geltung kommen. lieber das
Sattelhom neben der Lötschenlücke ragt mächtig das
Aletschhom hervor. Es sah jetzt in warmem Hoch-
sommerglanze anders aus als an jenem Herbsttage
vor 10 Jahren, wo es, in starrem Schnee und Reif,
mir auf seiner Spitze einen frostigen Willkomm bot.
Unsere Rast war keine lange, denn über dem
Schmadrijoch stieg eine dunkle Wolkenwand auf und
«m die Schneehaube des Breithornes begannen röth-
lichgraue Nebel ihr Spiel zu treiben. Um 8 Uhr 10
iorn und verloren dort viel Zeit. Ich führte diese Ueber-
schreituDg den 20. August 1872 aus. Das Itinerar erwähnt
ihrer nicht, wohl aber derjenigen von Dr. Dübi und Wyß-Wyß,
1875, welche die vierte oder fünfte war.
9 J^ml Burckhßr.dt^
bracl?^ü wir auf. P.^r Aufstieg liegt kls« vpi; A.i^^ci r
sjtet^ in n<Vr41iobei: RiQh;MAng^ die F^ri^äuge iMia^ri^ na^lk
(jleju. Gipfelgrat^ und auf dj^ßsooi mx- $$nU^. yo^ece
Leute mßfiji^i^^ ^\ b^ laug^sit Sibul^giajDhJl^gen g^üa^ßt ;
doch ka^ e^ bjessidi:-, als^ ^\x uui? irg^adwiß bp^O'
duri^n^ ^^ai; gab ea a,p, d(9u tie%Qn f']irBpai:ti^^ wo
uij;t^r wäÄserig^m ^tai^. Efcj zu TagQ. tcittj fljßtofeioW
PaQkarbieit, a;björ nie fiUi: längte» &iir^pk,^B» Weiter
oben, Ug i(eichlich^ sel^r TRwh^er Stete?©©. 1><^ w<>> der
Bei;gl$::aÄin^ sj<^b zju ^ijpem bfeiteu RüQfc^ii; \|r^itet, ver-
ursachi^, <}j^ sjt^rb;^. Ze];i;ia3.en}ieit des^ t{QOhj[irQ^S. omigei^
4ufentbalt. Sp^t^i; wii-d (Jer i^ijpken äßhmäleF upd
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^uyor g^falliBQe I^^uacbn^e Mi^urdi^, }^. hö^^r wir kiaman,.
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Wir hjii^ljbeQ, i^uß z^j^i^st an ^e I^ai^i^höhe> s^^lbsj)) daw>.
al3. si^ zu scl^^a,! i^d yiQj;4^btig bewäphtiet wnirdiQ, ti;4-
verjSirt^n \|!;ir unfeer di^rjSßlbi^P, a^f ^x WQats.^ite, übeir
dem Jägi%n, Der' Scl^Ujee \^ar>. so gi^ daß Qi^f; selten
durjQh. d<Qn§elJben hii|duEQh biS; inl^^ Wa^kQ 5w g^^ftpkt
wer.4en mußt^, D^ fetter l)att(e. siQh, nachgerade
zij^iplfßlj, ungüpst^g. geatalt^tf, Wf\^. wir lyapen, öftera
in dichtßii Ni^b^l eingehüllt,, der, hi|^ imd da vom
Windig z^rr^filfteUi, die Sonn^ 4i'irchlHj^hei^, li§ß,. ^^a
lag, ein. eigener ßei^. in. diea^m G^pge, gleichsam
in|8 ÜBgewi^e h}p§i^ ,. in: ^M« w<:^g©öden, Dun^, in
dem man nichts sah, als die feine Linie des Schnee-
grates, wie in's ünendiiche sich verlierend. Auf Augen-
blicke glänzten dann unter uns. die Firnfelder des
Jägigletschers mit ihren wqit oflfjenen Spaltei), um
Erinnerungm am dem Clubgebtet, 9
gleich darauf wieder hinter dem grauen Sehleier zu
rerschwinden.
Der Anstieg dauert sehen über 3^4 Stunden von
der Jägiliieke aus. Es war IIV2 Uhr^ als wir d;le
Depression am Fuße des letzten 6ipfelkammes ge*
Wonnen hatten und eine kurze Rast von 10 Miunten
luelten. Ein friseher Wind tri^b den Nebel auseln^udier
und zeigte uus den Girat, in schneidiger Schärfe sieh
scheinbar noch weit und hoch hinaufziehend^ bis zu-
oberst abgedeckt.
Nichts ist tittgerischer , auch für den erfahrene»
Bergsteiger, als die Schätzung der Länge und Höh»
solcher Schneegräte. ,,Noch zwei Stunde»", meiatea
die Einen von uns, noch „drei" die Anderen. Ich
wußte, daß, wenn der Schnee gut blieb, wir viel früher
oben sein würden; mein AneroXd wi^s schon über
3600". 11. 40 nahmen wir das letzte Stück Weges ia
Angriff. Es war doch etwas länger, alB ich glaubte^
denn es kostete uns füu die noch circa 150»' Steigung
1 Stunde 20 M. Auch da traversi-rten wir fast bis-
zuoberst, hart unter der Grathöhe, an der Westwand»
Einige Paj^ien derselben sind sehr steil und erfordern
große Vorsicht. Ganz zuletzt vertrauten wir uns für
eiijige Schritte der Gratgwächte an, welche festhielt^
dann kanten uns ein paar Felsen, die von der ziem-
lich aperen Ostseite hinauf den Grat durchbrachen,
zu Statten. Um % Uhr ebnete Rubin die zierliche
Schneenadel — ein Weißhom en miniature -r-. in welche
die drei Kanten des Berges zusammenlaufen, mit dem
Pickel, um Raum für den Fuß zu gewinnen, und wir
betraten wechselweise die Spitze.
10 Emil Burckhardt.
Der Nebel hatte sich wieder über das Schmadri-
joch verzogen und der größte Theil des Horizontes
war frei. Zu unsern Pttßen lagen das tiefe Thal von
Luiterbnnnien und die grttnen Weiden von Murren,
hinter uns die Riesen des Lötschthales , zm* Seite
•die Firnfelder des Ahnengletschers und der Lötschen-
Ittcke, des Eingangsthores zum größten Eisgebiet der
europäischen Alpen. Der Ausspruch eines englischen
Bergsteigers: „Wenn wir in den Bergen auch nichts
gelernt haben, als die Aussicht von einem Hochgipfel
nicht mit Worten beschreiben zu wollen, so haben
wir doch schon ziemlich viel gelernt^, hat nicht so
ganz Unrecht. Es gibt Lieder ohne Worte, aber keine
Bilder ohne Stift und Farbe.
Anderthalb Manneslängen unter dem Gipfel, auf
der Walliserseite , in den höchsten aperen Felsen
des Ostabhanges, lagerten wir uns neben einigen, wie
von Menschenhand zusammengelegten Steinen, wohl
•den Resten eines Steinmannli der ersten Besteiger vor
17 Jahren. Ihr Wahrzeichen fand sich vor, nicht aber
^as ihres Nachfolgers von 1875. Einem halbver-
blichenen, durchfeuchteten Papierstreifen entzifferten
Avir die Notiz:
„Den 9. September 1868. Heinrich Dtibi, stud.
phiL, Emil Ober, stud. med., mit den Führern Johann
Bischoff aus Lauterbrunnen und Josef Siegen von Ried.
Abgang von Ried um 3. 20. Ankunft hier um 2. 30.
JErste Besteigung."
Ich nahm den Zettel, der sonst wohl ganz zu
Grunde gegangen wäre, nach Ersetzung durch eine
Abschrift, an mich, um ihn Dr. Dübi, nunmehrigem
Erinnenmgen aus dem Clubgebiet 11
Präsidenten der Section Bern S. A. C, dem einzigen
üeberlebenden der vier ersten Besteiger von 1868, als
Andenken an seine Gefährten , zuzustellen. ^) Rubin
und ich, wir blickten famtiber zum Bietschhom, das
in starrem Ernste uns noch um mehr ah ein halb^
Tansend Fuß tiberragte. Am 18. September 1878
standen Dr. Moseley vom A. C. und ich mit unseren
Leuten auf der wilden Spitze, die wir bei frischem
Schnee und in starkem Sturme recht eigentlich er-
zwungen hatten. Moseley hatte Rubi und Roth aus
Grindelwald, ich Egger von dort und Rubin aus Ried
als Führer und Träger. Von diesen sechs Mann
waren Rubin und ich allein noch am Leben, die andern
vier hatten seither den Tod im Hochgebirge gefunden.^)
Vk Uhr traten wir den Rückweg an. Ich wäre
am liebsten durch ein Felscouloir auf der Ostseite
nach dem oberen Ahnenfirne abgestiegen, wie dies
auch Ober und Dübi gethan haben. Der in Folge des
heißen Sommers 1885 sehr zerrissene Zustand dieses
Gletschers ließ uns davon absehen. Wir stiegen darum
in unseren alten Stufen wieder den Gipfelgrat, bezw.
dessen Westwand ab. Der Schnee war weich, doch
machte sich die Sache wider Erwarten rasch und gut
and schon 3. 20 Nachmittags waren wir wieder in der
Jägilttcke. Von hier aus hatte somit die Spitze hin
0 Siegen verunglückte 1870 in einer Spalte des Langen-
gletsehers, Bischoff fand mit Lehrer von AUmen seinen Tod
1872 im Roththalcouloir und Herr Ober starb 1873 in der
Blüthe seiner Jugendkraft fern von der Heimat in Italien.
*) Dr. Moseley stürzte 1879 vom Matterhorn, Rubi und
Roth verschwanden 1880 mit Dr. Haller spurlos am Lauter-
aaijoch, Egger ging 1881 am Mönchjoch zu Grunde.
12 Mnil Burckhardt
und zurück 7 St. 10 M. Zeit, einschließlich zwei
Halte von zusammen 40 M., erfordert. Eine Gesell •
Schaft von nur zwei oder drei Mann wird, wenn sie
guten Schnee trifft, die Besteigung in noch erheblich
kürzerer Zeit, als wir, ausführen können. Ungünstigeir
Schnee oder blankes Eis werden dagegen einen Mehr^
aufwand von mehreren Stunden bedingen. Das Ti^aver-
siren an der Westwand, besonders in den steilen letzten
Partien des Gipfelgrates, das uns so gut gelang*^
dürfte nur bei vorzüglichem Schneezustande ausftihr-
bar sein, andernfalls läge die Gefahr des Abrutschen &
nahe.
Nach 20 M. Aufenthalt in der Lücke stiegen wir
3 Uhr 40 M. leicht und kurz über Felsen auf der Ost-
seite zum untern Ahnenfim herab, ein Weg, dier unserenoi
steilen Aufstieg von der Westseite, vom Jägigletscher
her, weit vorzuziehen ist. Wir mußtaen uns, um dem
Gletscherbruche zwischen Punkt 3000 und 2650 aus-
zuweichen, hart an den Fuß des Jägiknubels halten ;
auch hier war wider Erwarten der Gletscher stark
zerrissen. Der unter dem Drucke der brennenden
Mittagshitze etwas schläfrig vorausgehende Führer,
dem sein Hintermann mit nachgeschlepptem Seile, die
Pfeife im Munde, dicht und sorglos auf dem Fuße-
folgte, stürzte hier ganz unnöthiger Weise in eine
Spalte. Das Herauslootsen des 12 — 15 Fuß tief ge-
fallenen, schweren Mannes aus dem gewölbten Schrunde
verursachte Mühe und Aufenthalt, eine gerechte Strafe
für unsere Bummelei.
Etwas nach 4^2 Uhr betraten wir die Moräne bei
Krumm-Rück ; über die steilen Halden „in der Aöen'^
Erinnertmgen aus dem Clubgebiet. 13
vsd den Bchafweg beim Jftgibach herab wurde der
Guggibodesi erreicbt, von dem aus wir 11 Standen
znvior zum Angriff auf das Großhom angesetzt hatten.
Abends 7. 20 waren wir in Ri^, das ich am folgen-
den Morgen in aller Frtthe verließ, um auf dem
TUwegte Abends Zermatt 2U erreichen.
Das Oroßhom ;kann ich als schöne, überaus loh-
Desde Bergfahrt warm empfehlen. Obschon an Höhe
mtd «B Schwierigkeit nur zweiten Ranges, bietet es
dennoch selbst dem Bergsteiger, der nicht mehr leicht
tn befriedigen ist, in seinem Gipfelgrate eine sehr
anziehende, reizvolle Partie. Wem der Beig vom
Lötschthale aus hin und zurück nicht genügt, der mag
ihn von Ried nach Trachsellauenen traversiren : lieber
den Ahnengletscher, die JKgilücke und den SÜdgrat
ZOT Spitze, sodann den Westgrat und das Schmadri-
joch hinunter nach Trachsellauenen; jedenfalls ein
g«nz anständiger Tag. Für den Durchschnittsgänger
mittleren Schlages ist die Besteigung von Ried aus
ond zurück gerade genug; es sind immerhin 2265°^
directe Steigung und der Thalweg bis zum Fuße des
Berges zieht sich ziemlich weit hin. Schwächere
Gänger mögen in Gletschorstaffel übernachten, wo
man ganz gut aufgehoben ist.
Unsere Zeiten waren:
Ab Ried (1500") 3. 30 Mgs. Jägigl. 6. 30. Jägilücke
7. 50— 8. 10. Großhorn (3765") 1.— 1. 30 Nachm. (außer-
clem am Gipfelkamme 10 M. Halt). Jägilücke 3. 20—3. 40.
Abnengl., Moräne 4. 30. In Ried 7. 20. Abds. (unterwegs
15 M. Halt). Total : 15 Std. 50 M., wovon Marsch 14 Std.
15 M., Rast 1 Std. 35 M.
14 Emil Burckhardt
Herr Dr. Dtibi hatte die Güte, mir über die erste
Besteigung des Berges folgende Mittheilung zu machen z
„Wir brachen von Ried (9. September 1868) 3 Uhur
„20 Min. auf und waren circa um 8 Uhr am Fiiß
„des Berges. Wir sind nicht, wie Sie gegangen sind^
„über den Jägigletscher hinaufgestiegen, sondern über
„die Moräne am Krumm-Rücken hinter dem Jägiknubel
„auf den Ahnengletscher. Zwischen Jägiknubel und
„Großhorn legten wir das Gepäck ab imd begannen
„gegen 9 Uhr den Angriff. Wir hofften, Mittags wieder
„beim Gepäck zurück zu sein, und nahmen nur eine
„Flasche Wein mit. Aber erst um 2 Uhr 20 Min.
„Nachmittags kamen wir auf den Gipfel. Wir stiegen
„zuerst nördlich gegen den Gipfelgrat hinauf; aber
„je höher wir kamen, desto schlimmer wurde die
„Schneide, und schließlich mußten wir in die östliche
„Wand, die wir traversirten , bis zur Schneide, die
„vom Mittagjoch hinaufzieht. Auf dieser ansteigend,
„erreichten wir den Gipfel. Beim Abstieg traversirten
„wir die Wand nicht wieder, sondern gingen durch
„ein Couloir hinunter auf den Ahnengletscher und
„über denselben zurück zu unserem Gepäck, das wir
„um 7 Uhr Abends fast verhungert erreichten. Nachts
„um 1 Uhr rückten wir wieder in Ried ein." ^)
Da die Herren Ober und Dübi 1868 jugendlich
rasche Gänger waren, dennoch aber 21 Std. 40 M.
für die Besteigung gebrauchten, so müssen sie aiif
ihrem Wege Schwierigkeiten angetroffen haben, die
bei unserer Besteigung nicht vorhanden waren.
^) Brief von Dr. Dübi an den Verfasser vom 13. Dec. 1885.
Erinnerungen aus dem Clubgehiet 15»
IL Das Lanterbranuer Breithora (3779 m«) yom Ried aas«
1880.
Vom westlichen Nachbar des Großhornes, dem.
zwar nur um ein Weniges höheren, aber doch viel
selbstständiger und mächtiger entwickelten Breithom^
schreibt unser Altmeister Studer anfangs 1883 : ^)
„Dieser Gipfel scheint nach seiner ersten Besteigung
„im Juli 1865 nur einmal von einem Engländer be-
„stiegen worden zu sein.'*
Es ist dies ein Irrthum. Am 29. Juli 1880 bestieg
ich den Berg von Ried im Lötschthale aus. Diese
Tour mag hier Erwähnung finden, einmal, weil mein
Weg vom Bergfuße an nicht identisch ist mit dem^
meines Vorgängers, Herrn E. v. Fellenjyerg, und seiner
englischen Collegen, der Herren Phffpott und Hörnby
vom A. C. , und meiner Nachfolger , HeiTn R. Lindt
mit Sohn und Tochter, sodann, um zukünftigen Breit-
bomfahrem, besonders jüngeren Clubgenossen, Anlei-
tung zu geben, wie sie es nicht anfangen müssen^
wenn sie den Berg machen wollen.^)
Die anderen Besteigungen gingen vom Lauter-
bninnenthale aus und zwar die erste von Trachsellauenem
mit Bivouak am Lauterbrunner Wetterhorn („Kanzel'*)
und die zweite direct von Obersteinbergalp; beide^
fährten über die Wetterlücke und hatten dieselbe
sowohl zum Ausgangs-, als zum Endpunkt des letztem
An- und Abstieges. Die eine wie die andere benutzte^
zum Hinaufwege die Südwand, v. Fellenberg mehr
westlich, Lindt mehr östlich. Der Erstere stieg auf
1) Studer (öupplement) 1883, 86. *; Jahrb. S. A. C. III^
1866, 293 flf., und XX, 103 ff.
16 Emil Burckhardt,
^em gleichen Wege ab, wähi^end der Letztere direct
über den Westgrat zurückkehrte. Mein Aufstieg ging
^behfalifl rott delr Wetterltlcke aus, die ich vom Lötsch-
thale erreichte, und zwar zuerst über den Weßtgrat^
<lann Über die ganze Südwand in ein^t großen Traverse
bis zum Südgrat (genauer S S. W.-Grat), der im rechten
Winkel an das Hauptmassiv des Gipfels absetzt, und
endlich von der Gabel in dessen oberstem Theile
über die Südseite der Firnhaube zur Spitze. Mein Ab-
;8tieg führte wieder zur Gabel und von dort durch das
große Couloir direct hinunter auf den Innerthalgletseher.
Schon im Juli 1867 hatten einige Mitglieder der
Bection Basel S. A. C. , unter denen ich mich be-
fand, die Absicht, das Lauterbrunner Breithom in
Terbitidüng mit einem üebergange über die Wetter-
lücke von Trachsellauenen nach dem Lötschthale zu
besteigen. Zu unseren Führern zählte Joh. Bisohoff,
det 1865 bei V. Fellenberg gewesen war. Das Glück
war uns aber nicht günstig. Bei sehr schiechtem
Wetter mußten wir froh sein, nur durch die S^racs
der Wetterlücke durchzukommen und den üebergang
nach dem Lötschthale zu finden. Dort wurden wir
■eingeregnet, und anstatt die erste Besteigung des
Schienhoms zu versuchen, die auch auf dem Pro-
gramme stand, mußten wir einen ruhmlosen Rückzug
über die Lötschenlticke nach dem Eggischhom an-
treten. *) Als ich später in den Sifebzigerjahren wieder-
^) Das Schienhorn (3852 ">), die höchste Spitze des öst-
lichen Lötschthalkammes, wurde zum ersten Male 1869 von
Dr. Häberlin aus Prankfurt (S. A. C. und D. u. Oe'. A. V.) be-
stiegen. Jahrb. S. A. C. VI, 1869/70, 98.
Erinnerimgen aus dem Clubgebiet 17
holt im LötBchthale war, meist bei nngtlnstiger Wit-
terung, nahmen mich andere Aufgaben in Ansprach,
Tor denen das Lanterbronner Breithom zurücktrat.
Doch war mir dasselbe von meinen mehrfachen Gängen
über den Petersgrat her in lebendiger Erinnerung
geblieben und ich hatte mir vorgenommen, seine Be-
steigung gelegentlich nachzuholen. Es wurde 1880,
bis es dazu kam.
Den 28. Juli jenes Jahres langte ich, auf dem Rück-
wege aus der Simplongruppe, in Begleitung des Herrn
Felix Burckhardt (S. A. C), in Ried an. Als Führer
batte ich Christen Jossi aus Grindelwald. Mein Freund
war aogenblieklich tührer- und gepäcklos ; Gletscher-
piekel und Feldstecher waren die ganze Ausrüstung,
^e er noch sein eigen nannte. Sein Mann, ein ge-
wisser Marti von Gattannen, hatte es nämlich fertig
gebracht, den ihm anvertrauten Tornister seines Herrn
zwischen Brieg und Gampel z^a verlieren und dann
auf der Buche darnach selbst verloren zu gehen. Die
Sache war etwas räthselhaft, stand aber wohl mit dem
treffliehen Muscateller Bri^'s in etwelchem Zusammen-
hange. Da auf Marti's Eintreffen am gleichen Tage
mdit mehr zu rechnen war, so engagirten wir für die
auf den folgenden Tag festgesetzte Breithonifahrt
Josef Rubin aus Ried, d^i bekannten Bietschhom-
fÜhrer.
Am 29. Juli früh war aber wider Erwarten der
verlorene Mann nebst Sack wieder vorhanden, so daß
uns nun , anstatt zwei , drei Leute zur Verfügung
standen. Erst 3 Uhr 20 Min. Morgens, fast anderthalb
Stunden später , als wir wollten , konnten wir auf-
2
18 JEmü Burckhardt,
brechen. ^) Das Wetter war schön, doch viel zu warm ^
die Sterne flimmerten verdächtig und deuteten auf Föhn^
Der Weg führt das Lötschthal hinauf bis Pfafflernalp-
(Exck. ^Fafleralp, Faflerthal" etc.) und biegt dort Unks-
in das einsame und wilde Innerpfafflerthal ab, das von
der Lonza sich nordwärts zu den vergletscherten Ab-
hängen der Wetterlticke und des Breithomes herauf-
zieht. Nach dreistündigem scharfem Marsche, zuletzt:
pfadlos über Schafweide und Geröll , war das erste
Schneefeld in der obersten Thalstufe und 20 Minuten'
später , 6 Uhr 40 , der Innerthalgletscher erreicht. ^)
Schon 8 Uhr 25 standen wir auf der Paßhöhe der
Wetterlücke (3159"). Von Ried bis hieher hatten wir
5 Std. 5 M. Zeit, bezw. 4 Std. 35 M. guten, gleich«
mäßigen Ganges gebraucht. Um die Mittagsstunde
spätestens hofften wir auf der Spitze und, bequem
gehend, 6 oder 7 Uhr Abends wieder in Ried zurück
zu sein. Wir entschlossen uns zum nächstliegenden
Wege, dem Westkamm, dessen Felsen wir sofort in«
Angriff nahmen. Rubin führte. Der Kamm war so-
leicht, daß wir das Seil ablegten, um rascher und
freier voranzukommen. Theils über die Kante selbst^
theils auf Gesimsen oder durch kleine Couloirs die-
selbe flankirend, hatten wir nach ^/4 stündigem Anstiege
^) V. Fellenberg, der 1865 für das Breithom nnterhallv
der Wetterlücke an der ^»Kanzel" in der Höhe von circa-
2900" bivouakirte, bezeichnet seinen Aufbruch aus dem.
1400" höher als Ried gelegenen Bivouak um 6 Uhr Mgs. als
„viel zu spät". Jahrb. S. A. C. III, 1866, 306.
*) 1867 reichte der Innerthalgletscher viel weiter her-
unter und die Schneefelder zogen sich bis zu den mittlerea
Thalstufen herab.
Erinnerungen aus dem Clubgebiet, 19
von der Wetterlttcke aus schon eine ansehnliche
Höhe ^) erreicht. Da lenkten wir auf Veranlassung von
Rubin und mir, die vorausgingen, durchaus zwecklos
in äie steile Südwand ein. Nun kam ganz andere
Arbeit und das Seil trat in seine Rechte. Erst hori-
zontal, dann abwärts, viel an der gewonnenen Höhe
verlierend, dann wieder aufwärts, ward in östlicher
Richtung traversirt. Der Fels war schlecht und wurde
es immer mehr, je weiter wir vorrückten ; in den Ritzen
lag viel Eis und dazu kam ein starker Rest von einige
Tage zuvor gefallenem Schnee. Bald begann auch die
Sonne und der warme Föhn zu wirken, und das ganze
Terrain wurde äußerst unsicher. Mein Freund und
die beiden Bemer erhoben Einsprache und wollten
wieder auf den Westgrat zurück ; Rubin und ich wider-
sprachen. Wir sahen zwar unseren Fehler ein; noch
wäre es Zeit gewesen, ihn gut zu machen, aber ein
gewisser Eigensinn, der sonst nationale Eigenschaft
unserer CoUegen von jenseits des Canales ist, hielt
uns ab, das zu thun, was wir doch als das allein
Richtige erkannten. Die Andern fügten sich, obschon
etwas wie „Unsinn'* und „colossale Dummheit'' sich
hören ließ. So blieb man denn in der Wand. Unser
nächstes Ziel war ein scharfer Einschnitt, eine Lücke,
V Leider hatte ich mein Aneroid nicht bei mir und mein
Klinometer war einige Tage znvor in den Felsen des Fletsch-
homes zerdrückt worden ; so war ich den ganzen Tag au^er
Stande, die Messung der Höhe und der Steigungswinkel vor-
zanehmen. Ich mache aus diesem Grunde keine Gradangaben,
da dieselben, wenn nur auf Schätzung beruhend, durchaus
imzuverläßig sind.
20 JEmil BurckhardL
ähnlich der „Gabel" am Gipfelfuße des Zinal-Roth-
horns, die drüben, wo der große Stidgrat am Haupt-
masslye des Berges ansetzt, hervortrat. Die letzte
Strecke bis dorthin war nicht gut. Die thauende Schnee-
und Eiskruste machte ein ordentliches Klettern fast
unmöglich und doch war sie nicht stark genug , um
regelrechte Stufen zu ertragen.
Es war 11 Uhr 20 Min., als wir die „GabeF
gewonnen hatten. Rechts (östlich) erblickten wir tief
unter uns den zerrissenen Jägifirn, hinter uns, hart zu
unseren Füßen, lag das große Couloir, in einer jähen
Flucht zum Innerthalgletscher abfallend. Eine kleine
Felswand trennte uns noch von der Firnhaube, die
hier ihre steile, südliche Seite weist.
Nach kurzer Rast stiegen wir über die Felsen
zum Firn , in der Hoffnung , derselbe werde uns
rasch emporhelfen; doch ward unsere Erwartung ge-
täuscht. Der Schnee erwies sich als ganz schlecht,
wässerig und vom heißen Föhne zersetzt; es fehlte
ihm jede rechte Verbindung mit der alten, vereisten
Firnunterlage. So erforderte er tiefe und gute Stufen
im unteren, festen Eise. Wir hielten uns zuerst gegen
die .Ostkante des Firndaches, dann traversirten wir
schräg links aufwärts. Es wai* 11 Uhr 35 Min., als
das Stufenschlagen begann, und fast zwei Stunden
später, ^k 2 Uhr, als es auf der Spitze endete.
Der ganze Gipfel wai* stark bewachtet und keine
apere Stelle vorhanden, wie sie 15 Jahre zuvor die
ersten Besteiger getroffen hatten. Von der zum größten
Theil verhüllten Aussicht sahen wir nur wenig, so
den Niederblick nach Trachsellauenen und Murren;
^Erinnerungen au8 dem Clubgebiet, 21
dieses Wenige aber war packend und einzig in seiner
Art. Unser Aufenthalt dauerte nur 10 Minuten ; dunkle
Gewitterwolken, die von allen Seiten heranzogen,
mahnten zur Eile. Der Versuch, von der Spitze direct
über den Westgrat nach der Wetterlücke abzusteigen,
wie ihn vier Jahre später Lindt mit Erfolg ge-
macht hat, wurde zwar vorgeschlagen, unterblieb aber,
da man vorzog, in den schon gehauenen Stufen wieder
zur Gabel zurückzukehren.
1 Uhr 40 Min. begannen wir den Abstieg. Er
erforderte fast Fttnfviertelstunden , da vielfach frisch
gehackt werden mußte. Der Schnee war in denkbar
schlechter Verfassung und die Gefahr des Abrutschens
lag nahe. Ganze Schichten lösten sich ab und fuhren
zischend und tosend in die Felsen unter dem Firn-
dache. 2 ühr 50 Min. war die Gabel wieder erreicht.
In einer Stunde hoffiten wir wieder zum Westgrat
traversiren zu können, der uns leicht und rasch zur
Wetterlücke hinunterführen mußte. Als wir uns aber
anschickten, wieder in die Südwand zu gehen, sahen
wir, daß die gesammte Strecke, welche unter der Firn-
haube hindurchführt, dem Schneeabfall und den Steinen
aasgesetzt war. Die ganze Wand unter dem Fimdache
schien in Bewegung zu sein. So war uns denn dieser
Weg abgeschnitten und als Rückzugslinie blieb uns
nur das große Couloir auf den Innerthalgletscher
hinunter.« Dasselbe ist mäßig breit, sehr steil und
lang. Wir betraten es erst 3 ühr 05, nachdem wir uns
überzeugt, daß die Schneestürze, welche durch das-
selbe abgingen, genau ihrem natürlichen Abflußkanal
in seiner Mitte folgten, und zwar schlugen wir uns
22 Emil Burckhardt
auf seine linke (östliche) Seite , indem wir uns mög-
lichst nahe an den Fels hielten. Zuerst kam hartes
Eis, dann vereister Schnee. Obschon Rubin ein starker
Mann und ein sehr tüchtiger Stufenhauer ist, war doch
unser Fortschritt , da steil abwärts gehackt werden
mußte, ein langsamer. So ging es über drei Stunden,
bis nach 6 Uhr, immer auf der linken Seite, während
wenige Schritte von uns ein Schneesturz nach dem
andern die Rinne fegte und drüben in den Felsen
die Steinschläge krachten. Diese Felsen wären wahr-
scheinlich gangbar gewesen, so aber blieben sie uns
verschlossen. Erst nach 6 Uhr Abds. wurde es im
Couloir ruhiger, und um 6V2 konnten wir es wagen,
über den Lawinenkanal auf die rechte Seite tiberzu-
gehen , wo der Schnee viel besser und das ganze
Terrain überhaupt praktikabler war. Kurz nach
7 Uhr waren wir am Bergschrunde, der noch einigen
Aufenthalt bereitete, und 7. 20, 4 Std. 15 M. nach
Betreten des Couloirs, auf dem flachen Gletscher. Die
700 — 750™ von der Spitze bis hierher hatten uns
somit 5 Std. 40 M., einschließlich eines kaum viertel-
stündigen Aufenthaltes in der Gabel, gekostet. Damit
war unsere Arbeit am Breithom, die 11 Stunden zuvor
auf der Wetterlücke begonnen hatte, zu Ende.
Erst jetzt kam das Gewitter, das den ganzen
Nachmittag über gedroht hatte, zum Ausbruche, und
zwar mit acht alpiner Wuth. Es peitschte »uns noch
auf dem Gletscher tüchtig durch und gab uns das
Geleite bis weit in's Thal hinunter. Der Abstieg durch
das Innerpfafflerthal in stockfinsterer Nacht, bei strö-
mendem Regen, der unsere Flaschenlateme außer Ge-
Erinnertmgen mis dein Clubgebiet 23
brauch setzte^ brachte unsero Gesellschaft ganz aus-
einander. Erst auf der Pfaffiemalp fand sich die
zersprengte Colonne wieder zusammen. 11^4 Uhr
Nachts waren wir in Ried.
Der 30. Juli war ein rechter Landregentag. Am
Tage darauf begleitete ich meinen Freund nach Lauter-
bnmnen hinOber. Mit einiger Befriedigung blickte ich,
wie wir dem Petersgrate zustiegen, nach dem Breit-
hom. Unser Berg glänzte wieder in frischem Schnee-
kleide, als wollte er uns einladen, das Spiel von
Neuem zn beginnen, das wir mit ihm gespielt und
fast verloren hatten.
So verlief eine Bergfahrt, welche mehrfache Fehler
in der Auswahl des Weges und schlechter Schnee-
^ustand zu einer unverhältnißmäßig schwierigen und
langen gemacht hatten. Diese Fehler fielen unserem
Lötschthaler Führer Rubin und mir, als den Leitern
der Partie, zur Last. Rubin soll damit kein Tadel
treffen , denn er , wie auch Jossi , benahmen sich
während der ganzen Tour geradezu musterhaft. Auch
Marti, der eigentlich nur Trägerdienste leistete, hat,
so viel an ihm lag, seine Pflicht gethan.
Man wird vielleicht sagen, ich habe, um aus der
an sich unbedeutenden Besteigung einer mittleren
Spitze etwas zu machen, der Phantasie zu freien
Spielraum gelassen. Dieser Vorwurf wäre unbegründet.
Das Breithom wurde von mir geschildert, wie wir es
am 29. Juli 1880 auf unserem Wege und bei damaliger
Bergbeschaffenheit getroffen haben, d. h. im Allge-
meinen schwierig und stellenweise recht heikel. Ich
weiß zwar, daß es heutzutage nicht als „fair^ gilt,
24 Emil Burckhardt.
in den Bergen überhaupt etwa« schwierig zu finden.
Es gehört mit zum Schneid der neueren hochalpiaen
Schule, das als leicht darzufstellen, was in That und
Wahrheit oft recht schwer geworden ist. Ein ge-
wöhnlicher, nicht mehr ganz junger Durchschnittsberg-
steiger, welcher dieser Schule nicht angehört, djirf
sich aber schon das Geständniß erlauben, ein Berg:
sei ihm unerwartet schwierig vorgekommen
Man wird auch die Ton uns aulgewandte Zeit^
19 Std. 55 M., wovon nur 1 Std. 50 M» Rast, als
sehr lang bezeichnen. Sie ist es auch in der That.
Das Breithorn hat mich mehr Zeit und Mühe ^-
kostet, als das bedeutend höhere, an und für sieb
weit schwierigere Biefcsctihom. Diesee letztere, der
Löwe des Lötschthales, eine Besteigung ersten Banges,,
erforderte für mich am 16. September 1878 bei un-
günstigem Wetter und bei sehr schlechtem Oipfelgrate
von Ried aus und zurück 16 Marschstunden, also*
2 Stunden weniger als das Breithorn.^) Ich kann
nicht sag^i, daß 1880 am Breithorn Herr Felix Burck-
hardt und ich schlechter gegangen wären, als Dr. Mo-
sele^p und ich zwei Jahre zuvor am Bietsehhom, denn
wir waren .Beide trainirt und gut disponirt.
Doch sind solche Vergleiche schwiferig und bieten
keinen sichren Maßstab. Immerhin darf man nicirt
vergessen, daß nichts wechselnder ist, ala ein und
derselbe Berg zu verschiedener Zeit und auf ver-
schiedenem Wege. Das zeigt auch Herrn Lindt's
*) Schon 1872 und 1876 war diese Besteigung mir änta^
schlechtes Wetter vereitelt worden.
Erinnerungen €M8 dem Clubgebtet 26
Breithornbesteigaiig , 1884, im Vergleich eu der defi^
Hcrra V. Felleaberg, 1865.^)
Der kürzeste und beste Weg auf das Breithorn
ist nobedingt -der yoü Herrn Lindt bei seiuem Abstiege
g;emachte über die Westkante von der Wetterltlcke
aus. Wer von Ried aus den Berg besteigen will^
könnte ihn, durch Oombinirai^ meines Weges mit deo^
des Herrn Lindt, auf sehr lohnende Weise traversiren :
Aafstieg durch das große Couloir^ welches zu früher
Stande und bei gutem Schnee durchaus gefahrlos
sein muß, und über die Südseite der Firnhaube, Ab-
stieg über die Westkante zur Wetterlticke. Wer daa
Imge Stufen»ehlagen im Couloir scheut, der verssdie
die Felsen auf seiner Westseite. Unter normalen
Verhältnissen und auf dem richtigen Wege wird ein
g^ter Gänger ungefähr zwei Drittel der von uns be-
Böthigten Zeit, also 13—14 Stunden, einschließlich
1 — 2 Stunden Rast, gebrauchen.
Das Breithom ist nicht Modeberg und wird es nie
werden. Dazu fehlen ihm noch einige hundert Meter
0 Jalirb. XX , 1884/85 , 126. In t. Pellenberg's Zeit-
ugjt^n Bchelnt mir eja Irrtfaum obzuwalten, der wohl in
^nexa Druck/ehler seinen Grund hat. v. Fellenfoerg brauchte
von der Wetterlücke auf- den Gipfel bei sehr raschem Gange
3*^2 Stunden. 10 Uhr 40 war er oben. Nach Jb. III, 1866^
310, Teriieß er die Spitze um 2. 45 (?) Nehm., hielt sich unter-
wegs ntt Ssmneln von Gesteinsproben und mit einigen
feologisehen Amftiahmen auf vnd gelangte d<>ch schon nm
3 Uhr 25, also in niir 40 Minuten, wieder auf die Wetterlücke.
Diese Zeitangaben sind in das Itinerar 1882/83, 120, über-
gegangen. Anstatt 2. 45 sollte es vielleicht 12. 45 heißen?
E« ist kaum anzunehmen, daß r. Fellenberg Ton 10. 40 bis
). 46, also 4 Std. 5 M., auf der Spitze geblieben ist.
.26 Emil Burckhardt
an Höbe und ein schöner Name. Die great attraction
des Lötschthales ist das Bietschhorn, das seit Er-
Ibaunng der Clubhtitte, Anfangs der Achtzigerjahre,
öfters gemacht wird. Es ist unbedingt einer der
interessantesten Berge der Schweiz und seine Be-
steigung gewährt einen mächtigen Reiz. Doch man
'kann das Eine thun und das Andere nicht lassen.
Auch das bescheidene Breithom, diese „Spitze zweiten
Ranges", hat seine Anziehungspunkte und ist eines
Besuches in hohem Grade werth.
Unsere Zeiten waren:
Ab Ried (1500™) 3. 20 Mgs. Innerthalgl. 6. 40 — 7. 10.
Wetterlücke 8. 26. Gabel 11. 20 — 11. 35. Breithorn (3779»)
1. 30 — 1. 40 Nehm. Gabel 2. 50 — 3. 05. Fuß d. großen
Couloirs 7. 20 Abds. InnerthalgL-Ende 8 — 8. 15. Pfafflern-
alp 9. 50 — 10. 10 Nachts. In Ried 11. 15. Total: 19 Std.
55 M. Zeit, wovon 18 Std. 10 M. Marsch und 1 Std. 45 M.
Halt.
III« Vom Gross-Nesthom (8820 m«) über das Gredetsch-
joeh (8525 m.) nach Brieg. 1876.
Das Groß-Nesthom , der dritthöchste Gipfel der
Lötschthaler Alpen, wird in neuerer Zeit von Beialp
aus häufig bestiegen, und mit Recht. Der Berg ist
überaus lohnend und weder lang, noch schwierig.
Auffallender Weise ist ihm bis vor wenigen Jahren von
schweizerischen Clubisten nur geringe Aufmerksamkeit
geschenkt worden. Während schon 1865 durch eng-
lische Bergsteiger die erste Besteigung stattfand und
das Alpine Journal von 1865 — 1874 über drei ver-
Bchiedene Auf- bezw. Abstiege am Nesthom durch
Mitglieder des A. C. zu berichten weiß, enthalten
Erinnerimgen aiM dem Clubgebiet. 27
nosere Jahrbücher bis zu ihrem 18. Jahrgange, 1882/83,
keine Beschreibung des Groß-Nesthomes. ^) Es war
^as Verdienst des Herrn Prof. Schieß (S. A. C, Basel),
der im Jahre 1882 mit seinem Sectionscollegen, Herrn
Lttscher, den Berg bestieg, diese Lücke endlich aus-
gefällt zu haben.*)
Als erste Schweizer Touristen waren wohl Herr
M. Rosenmund (S. A. C, Zürich) und Herr Prof. C. Morf
(S.A.C, Lausanne) 1875 auf demGroß-Nesthorn.^) Ich
folgte ihnen 1876 nach. Sie, wie die Herren Schieß und
Liischer, stiegen vom Beichfirnj also von der Nordseite
über den Breithorngletscher auf und ab. Es ist dies
auch der allgemein übliche Weg. Der Berg ist aller-
dings auch schon von Südosten, vom namenlosen Gletscher
zwischen Groß-Nesthom und ünterbächhorn, bestiegen
worden. Ebenso wurde ein Abstieg nach dem Gredetsch-
thale ausgeführt und dabei das Gredetschjocli zum
ersten Male überschritten. Es geschah dies am 1. Juli
1872 durch die Herren Moore und Walker vom A. C.
mit Melchior und Jakob Anderegg.*) Als ich am
29. August 1876 diesen Weg ebenfalls machte, war mir
die Tour von Moore und Walker, von der ich aller-
dings hätte wissen können und sollen, noch unbekannt.
Dieser Weg bietet schon an und für sich einen
ganz interessanten Gletscherpaß über den Kamm
zwischen Groß - Nesthorn und Lötschthaler Breit-
horn (3795™) und bildet so einen Hochweg vom
J) A. J. II, 1865/66, pag. 211; VI, 1872/74, pag. 93; VII,
1874/76, pag. 326. — Itinerar 1882/83, pag. 157. *) Jahrb.
S.A. C. XVIII, 1882/83, pag. 57 flf. »; N. A. P., III, 301
*) A. J. VI, 1872/74, pag. 93.
28 EnUl Burekhardt
Beiehfirn nach dem Gredetschtfaale. Das Gv^deiscii-
jdch (3525"") ist nicht zu verwechseln mit der mehr
als 500°» niedrigeren Gredßfec/iWcke ^) (3003»), einer
Scharte nördlich vom Grubhorn (It. 3180»°, £xck.
3206^), die einen Uebergang von Baltschieder nach
Gredetsch ermöglicht.^)
Den 27. August Abends war ich, in Be^^tang
von Peter Egger und Ohr. Jossi von Grindelwald, aii&
dem Lötschthale, wo ich fünf Tage lang vergeblicli bei
schlechtem Wetter vor dem Bietschhom gelegen, nach
Beialp gekommen, in der Absicht, das Groß-Nestfaorn
zu besteigen, das, als minderer „Tossei" nach Egger's
Ausdruck, auch bei ungünstigen Schneeverhältnisaen
und unsicherer Witterung zugänglich sein mußte.
Am 28. August früh schneite es wie im Winter.
Als am Nachmittage das Wetter sich aufheilte, ging^
ich mit Egger bis zum Beichfirn, recognoscirte unseren
Berg und gewann die Ueberzeugung, daß der massen-
hafte Neuschnee zwar sehr beschwerlich, aber bei der
herrschenden Kälte gefahrlos sein werde.
Am folgenden Morgen, 29. August 1876, verzögerte
schlechtes Wetter unseren auf 2 Uhr früh festgesetzten
Abmarsch um mehr als 3 Stunden. Erst um 5 Uhr
10 M. früh konnten wir nach eingetretener Auf-
hellung aufbrechen. Der Schnee lag bis in die Nähe
des Hotels ; Moräne und Gletscher waren knietief ver-
schneit. 1 Uhr 15 Nehm, standen wir nach —
weniger für mich, als für meine beiden Leute — höchst
*) Prof. Schieß, 1. c. , pag. 64, nennt das Oredetsoh-
joch irrthümlich GredetscWwcA-e. ») Itinerar 1882/83, pag. 146
und 179, und Jahrbuch S. A. C. VIII, 1872/73, pag. 216 ff.
Erinnerungen aus dem Clubgehiet. 29
ansireogeiider Arb^t auf dem Gipfel des Groß-Nest-
hornes (3820«°).*)
Zorn Anfsfieg batten wir, und zwar mit Recht,
d» östliclMste von den vier Couloirs gewählt, welche
▼om flachen Betchfime den Breithom-Gletschcrbnich
«mpor zum Hochfim führen, van dem es links (öst-
lich) aufs Groß-Nesthom und rechts (westlich) aufs
Brmthom gebt. Ein eisiger Nordwind ließ es uns
auf dem Gipfel zwar nur eine Viertelstunde aus-
balt^, versehafite uns aber dafttr den Genuß einer
fast wolkenlosen Aussicht, eine der schönsten, die
\fh kenne.*) Ich muß den ersten Nesthornbesteigem
BMB Erfahrung beistimmen, wenn sie dieselbe als noch
«ehöner als die vom Aletschhom und vom Dom nennen,
▼as viel heißen will
Viel zu früh, IV2 Uhr, mußten wir den Gipfel
▼erlassen, entschlossen, wenn irgend möglich, anstatt
wieder nach dem Beichfim , nach dem Gredetsch-
thale zurfickzukehren. Auf dem Grate zwischen
Oroß-Nesthom und Breithom suchten und fanden wir
«inen ganz directen Abstieg nach dem oberen Gredetsch-
gMscher: eine zum Tlieil mit Schnee gefüllte Kehle,
die uns unschwierig und rasch in nur 20 Minuten von
^or Gratb5be aus auf den Gletscher fthrte.
*) Ueber das Kähere der Best^ung des Nefithomei,
das nicht in den Bahmea dieses Berichtes gebeert, vgl.
^. A.P. m, paR. 301 flf., und Jb. S. A. C. XVHI, 1. c. *) S. auch
Rosenmund, 1. c. — Schieß und Ltischer sahen nichts. Sie
waren im Nebel oben und „trösteten sich mit der moralischen
ITeberzeagrnn? , auf dem GroS-Nesthom gewesen zu sein.*^
(SflUeß, L c^ 67.) Das ist immerhin Etwas.
30 Emil Burckhardt.
Die Excursionskarte 1884 scheint mir diesen lieber-
gang (Gredetschjoch , 3525™) zu viel nach Westen^
gegen das ^Gredetschhömli^ (3663"^ s% asu TerlegGi;
meines Erachtens liegt er mehr östlich, näher beim,
kleineren Nesthorngipfel (3720"*), also höher als der
auf der Karte mit 3525™ eingezeichnete Paß, und
zwar etwa 3600^ hoch.
Es war 3 Uhr, als wir den Gredetschgletscher
gewonnen hatten. Seine oberen Partien waren steil
und der massenhafte, frische Schnee hielt uns be-
deutend auf. Erst um 4 Uhr 20 war das untere Ende
des Gletschers erreicht, und zwar in dessen östlichem
Theile. Von hier sollte man möglichst direet der
Thalsohle zuhalten. Anstatt dessen gingen wir za
viel links, in die östliche Thalwand, deren steile
Felsköpfe und schmale Rasenbänder uns noch eine
mühsame und durchaus unnütze Kletterei von fast
^/4 Stunden bereiteten. 5 Uhr wurde der Thalbode&
betreten, den bis weit hinaus noch mächtige Felder
von Lawinenschnee deckten.
Der Gang das Gredetschthal hinaus ist lang, aber
keineswegs, wie man wohl meinen sollte, einförmig,
und ohne Interesse. Der einsame, wilde Charakter
des durch Lawinen, Felsstürze und Hochwasser trost-
los verwüsteten Thaies ist einzig in seiner Art; er
stimmt ernst, läßt aber nicht gleichgültig.
Prof. Schieß, der vom Breithomhochfime nach*
Gredetsch herunterblickte, sagt: „Wir sahen unter
uns, gerade südlich streichend, die ungemein ein-
tönigen Wände des Gredetschthales. Wie eine halb-
cylindrische Furche , von einem Ungeheuern Hohl-
Erinnerimgen aus dem Cluhgehiet. 31
meißel ansgehobelt, liegt es in gräulicher Monotonie
^OT ans, und wir können Fellenberg in seinem Itinerar
nur beistimmen, wenn er es als das längste, mono-
tonste, traurigste und wildeste unter allen südlichen
Seitenthälem des Bietschhornmassives bezeichnet."*)
Hätte unser College das Thal selbst begangen,,
so würde es trotz alledem seine Aufmerksamkeit erweckt
haben, zumal an einem Tage, wie an dem unsrigen,,
wo von jenseits der Rhone, über grüne Waldberge,,
das Fletschhorn mit seinem leuchtenden Gletscher-
mantel in den warmen Strahlen der Abendsonne her-
überglänzte, die ganze Thalöffiiung des Gredetsch von^
einer Bergwand zur anderen, wie ein duftiges Zauber-
^bilde, abschließend.
üeber die ärmlichen, arg verwüsteten Alpen im>
innem und im äußern „Gredetschläger" geht es,.
immer auf der rechten Seite des Gredetschwassers.
(auch „Mund'* oder „Munt"bach), dem Thalaus-
gange zu. Kurz vor demselben überschritten wir
die Mund, um, links uns wendend, der Hochterrasse
von Bürgisch entlang, die rechte Thalwand des Rhone-
thales zu gewinnen. Die Nacht war eingebrochen, als.
wir über Naters Abends 8 Uhr 15 Min, Brieg er-
reichten. Sofort nach unserem Eintreffen meldete ich,
Qiu etwaigen Beftlrchtungen vorzubeugen, telegraphisck
den Grund unseres Ausbleibens nach Beialp. ^)
*) Schieß , 1. c. Vgl. auch über Gredetschthal Itinerar
1882/83, 147/148 und 66. *) Das Telegramm langte in Folge
Stornng der Leitung nicht an; wir wurden darum vermißt
nsd durch eine Expedition von 5 Mann , die 20 Stunden,
unterwegs war, aufgesucht.
3Q Emil Btirckhardt.
Daß &raß-Nesthorn, mit Aufstieg von Beialp und
Abstieg nach Gredetsch nnd Brieg, verdient, viel öfters
gemaeht zn werden, als dies tfcatsächlieh geschieht.
Anstatt des Nesthornes kann gana wohl das L5tsch-
thaler Breithom mit diesem Uehergange verbanden
werden. Aber anch ohne den einen oder den anderen
dieser Berge mitzunehmen , ist die IJeberschreitung
des Gredetschjoches von Beialp nach Brieg oder Visp
«ein überaus lohnender Hochpaß.
Der Abstieg vom Nesthome bezw. vom Gredetsch-
joch in*s Rhonethal zieht sich allerdings etwas weit
hin, denn Entfernung und Höhendifferenz sind be-
deutend. Die letztere beträgt vom Nesthorn nach der
Rhone (bei Brieg oder Visp) ai45% resp. 3163".
So starke Abstiege von der Bergspitze bis in's Nacht-
quartier finden sich in unseren Schweizer Alpen im
Bemer Oberlande nur vereinzelt und im Engadin mit
seiner hohen Thalsohle und seinen veriiSTtnißmS^g
niedrigen Spitzen gar nicht. Wer das Wallis be-
wandert, trifft sie oft und gewöhnt sich bald daran.
Dessen ungeachtet ist das Groß-Nesthorn und das
•Gredetschjoch von Beialp nach dem Rhonethal keine
besonders lange und hauptsächlich keine schwierige
Partie , so daß diese Bergfahrt auch für den mittel-
mäßigen Gänger sehr wohl ausführbar ist. Wer ran
5 Uhr früh aufbricht und guten Schnee hat , wird
bei reichlichem Rasten bequem Abends 6 — 7 Uhr
in Brieg oder in Visp sein.
Meine Zeiten waren:
Ab Beiaip (2137") 5. 10 früh. Fuß des Breithom-
^letschers (Kehle) 8. 30 — 9. — . Höhe der Kehle (Hoohflni)
Erinnerungen aus dem Clubgebiet 33
11.20. Gr.-Ne8thorn(3820'») 1. 15 — 1. 30 Nehm. Gredetsch-
joch (3525, 3600?™) 2. 10 — 2.40. Ober-Gredetschgletacher
3. — . Gletscherende 4. 20. Gredetschthal 5. — . Gredetsch-
läger 6. 20 — 6. 35. Brieg (675 ») 8. 15.
Total: 15 Std. 5 M. , wovon 13 Std. 35 M. Marsch und
1 St4. 30 M. Rast.
IT. Notiz über die erste Bestei^nug des Trngbergr (8988m.)
and aber einen Yersnch anf das Finsteraarhorn
Tom Finsteraaijoche aas. 18 71.
Inmitten des größten Eisgebietes der europäischen
Alpen, zwischen Jungfraufirn und Ewigschneefeld,
schwingt sich über eisbepanzerten Wänden der Trug-
berg zur schmalen Gratzinne auf. Erst in neuerer
Zeit wurde diese Spitze vom menschlichen Fuße be-
treten. Noch 1869 konnte Studer schreiben: „Der
Trugberg ist einer jener wenigen Hochgipfel der
Bemer Alpen, die noch nicht bestiegen worden sind."^)
Es war am 13. Juli 1871. als mir die erste Be-
Steigung des Berges mit Peter Egger und Schlegel
von Grindelwald gelang, nachdem das Jahr zuvor
zwei Versuche von Dr. Häberlin aus Frankfurt (S. A. C,
Basel) gescheitert waren. Schlechtes Wetter und un^
günstige Schneeverhältnisse bei schon vorgerückter
Jahreszeit hatten die mit schneidiger Energie aus-
gefölirten Angriffe dieses bewährten Bergsteigers ab-
geschlagen. ^) Eine zweite Besteigung des Gipfels fand
erst 1877 statt durch Herrn v. Fellenberg; mit Recht
sagt dwselbe : dieser schöne, die Quellfirne des Aletsch
tind die Südseite der Berner Alpen dominirende Berg
0 Studer, Ueber Eis und Schnee, 1, 223. *) Jahrb. S. A. C.
Vn, 1871/72, 214 flf.
3
34 Emil Burckhardt
sei noch viel zu wenig bekannt und gewürdigt, und
Häberlin, der zuerst dem Trugberg nähere Aufmerk-
samkeit schenkte, urtheilt treffend über ihn: „Bei
„seiner selbstständigen Stellung mitten im Quellgebiete
„des Groß-Aletschgletschers ist er zugleich einer der
„centralsten Eisberge unserer Alpen." ^)
Unsere Jahrbücher enthalten zwei treffliche Schil-
derungen des Trugberg, die eine von Häberlin, in
Band VII , 1871/72 , die andere von Fellenberg^
Band XIV, 1878/79.2) Beide bieten erschöpfendes
topographisches und touristisches Material; das histo-
rische findet sich summarisch bei Studer I, 223. Die
nachfolgenden Mittheilungen, ein gedrängter Auszng^
aus einem Vortrage, den ich im Winter 1871/72 der
Section Basel hielt, sollen das Thatsächliche der ersten
Besteigung feststellen. Da diese letztere im Anschlüsse
an einen Versuch auf das Finsteraarhorn von der
Berner Seite (vom Finsteraarjoche aus) stattfand, so
mögen einige Bemerkungen auch über diese Bergfahrt
hier ihren Platz finden.
Im Sommer 1871 hatte ich, nachdem mir 1870
die Berge, wie manchem Andern, gänzlich verschlossen
gewesen waren, überhaupt nur 8 Tage für dieselben
verfügbar, imd diese 8 Tage fielen noch dazu in die
sehr schlechte erste Hälfte Juli , in der bis auf die
Alpweiden herab Schnee lag, so daß alle Hochtouren
unmöglich schienen. Dennoch versuchte ich die Aus-
führung meines Planes: Finsteraarhorn vom Finster-
0 Häberlio, 1. c, 215. *) Häberlin, 1. c, ^zwei Versuche
zur Besteigung des Trugberges**, und v. Fellenberg, 1. c,
«der Trugberg".
Erinnerungen aus dem Clubgebiet 35
aarjoch aus, Hinter- Viescherhorn und Trugberg, drei
überhaupt noch nicht gemachte Touren, allerdings
ohne viel Hoffnung auf Erfolg.
Den 7. Juli langte ich in Grindelwald an, wo mich
Peter Egger erwartete, ging mit ihm allein am fol-
genden Tage nach dem Finsteraar j och und recognoscirte
die Nordostwand des Finsteraarhomes, besonders die
große Kehle gegen den Hugisattel, durch die uns ein
Aufstieg möglich schien. ^) Das Resultat unserer Prü-
fung war kein günstiges und wir kehrten, im Zweifel
über das, was zu thun sei, nach Grindel wald zurück.
Als aber am 9. Juli das Wetter sehr schön wurde,
entschloß ich mich doch zu einem Versuche und über-
nachtete mit Egger und mit Peter Schlegel im Easten-
stein, der noch tief im Schnee steckte. Am 10. Juli
überschritten wir, bei wieder zweifelhafter Witterung,
in den ersten Tagesstunden das Finsteraarjoch und
waren schon früh am Fuße der Hugikehle, die wir
aber wegen fortwährender Schnee- und Steinstürze
nicht zu betreten wagten. So wandten wir uns denn
zurück zum Agassizjoch, um über dasselbe und direct
über den Nordwestgrat das Finsteraarhorn zu besteigen,
ein Weg, der 1868 zweimal, einmal abwärts und ein-
mal aufwärts, gemacht worden war. 2)
*) Stnder, I, 91, sagt von dieser Kehle: „Dieser Weg
dürfte freilich große Schwierigkeiten darbieten und nur dann
zn versuchen sein, wenn noch eine gehörige Masse von Schnee
jene Kehle ansföllt." — Dr. Häberlin hatte 1870 diesen Weg
machen wollen ; schlechtes Wetter ließ ihn nicht einmal bis
zum Finsteraarfim gelangen. Jahrb. 8. A. C. XIV, 215.
*) Aufwärts, zum ersten Male durch G. E. Fester vom
A. C. mit Hans Baumann und Peter Bernet, 28. Juli
36 Emil Burckhardt
Der Schnee im großen Agassizcouloir war in bo
schlechter Verfassung , daß wir in die nicht viel
besseren und tief verschneiten Felsen gedrängt wurden. ^)
Hier entgingen wir, ungefähr in der Mitte der Wand,
mit knapper Noth einer Lawine. ^) Auf der Hohe des
Agassizjoches (3850"*), um die Mittagsstunde, über-
raschte uns ein sehr starkes Gewitter, welchem Nebel
und Schneegestöber folgten. ^) Das Finsteraarhorn war
für uns verloren, und nicht einmal das noch unbe-
stiegene Agassizhorn (3956"), das in einer kleinen
halben Stunde vem Joche aus leicht zu erreichen ge-
1868 , A, J. IV , 1868/70 , 155 , abwärts aber schon eine
Woche früher y am 20. Jnli 1868, durch F. Bischoff und
E. Nötzlin, S. A. C, mit Christen Michel and Peter Egger.
Es war dies die erste Traversirung des Finsteraarhornes
vom Viescherfirn nach dem Finsteraarflrn überhaupt. Da
leider nichts darüber veröffentlicht wurde, blieb sie weiteren
Kreisen unbekannt.
^) Die Felsen des Agassizjoches sind überhaupt schlecht.
Foster nennt sie „much desintegrated and unpleasant climbing'*.
*) D6chy, welchem 1872 der zweite Aufstieg vom Finster-
aaijoch auf das Finsteraarhorn via Agassizjoch gelang, war
im Couloir in Lawinengefahr. (Jahrbuch S. A. C. , 1873/74,
166.) — Auffallend ist, daß D6chy in seinem Aufsatze,
1. c, „Das Finsteraarhorn von Grindelwald aus", der Tour
von Bischoff und Nötzlin nicht erwähnt, obschon ihm die-
selbe bekannt sein mußte. Er hatte 1872 für seinen Auf-
stieg als ersten Führer denselben Christen Michel engagirt,
der 1868 mit den genannten Herren den Abstieg gemacht
hatte.
") Es mag dies die vierte Ueberschreitnng des Agassiz-
joches gewesen sein. Die erste machten 1866 Hornby,
Philpott und Morshead vom A. C.
Erinnerungen atis dem Clubgehiet. 37
wesen wäre , konnte mitgenommen werden. ^) Erst
mit einbrechender Nacht erreichten wir den Faulberg,
nachdem wir im Nebel auf dem Walliaer Viescherfime
vier Standen lang in der Irre herumgegangen waren
und das Unwohlsein eines meiner Führer bedeutenden
Aufenthalt verursacht hatte. Schlechtes Wetter trieb
uns am 11. Juli nach dem Eggischhom, wo der Schnee
bis zum Hotel lag. Mein Plan war gewesen, diesen
Tag im Faulberg zu bleiben und , während ein
Führer auf Eggischhom Proviant und Holz holte,
mit dem andern Hinter- Viescherhom und Trugberg zu
recognosciren, am 12. und 13. diese Berge zu ver-
suchen und dann an letzterem Tage noch nach Grindel-
wald zurückzukehren.
Regen und Schnee hielten nuch 1 ^/a Tage, bis am
12. Abends, auf Eggischhom fest^), somit war einer
0 Das Agassizhorn wurde 1872 znm ersten Male von
6. Coolidge (A. C.) vom Joche aus in 20 Minuten bestiegen.
Der Aufstieg vom Agassizjoch über den Grat zum Finster-
aarhom kostete 1868 Foster 2 Std. 50 M., D6chy 1872 3 Std.
25 M. Für das Agassizjoch selbst brauchte Foster vom
Fiosteraarfin aus 37«, D6chy 3, ich 37» Std. D6chy deutet
meinen mißlungenen Finsteraarhornversuch in seinem citirten
Aofsatze, pag. 160 und 162, an. Was den directen Aufstieg
vom Finsteraarfirn durch die Hugikehle betrifft, so wurde
ich 1875, als ich ihn wiederum versuchen wollte, schon am
Fuße der Kehle durch ein Gewitter zurückgeschlagen. Als
ich 1876 das Finsteraarhom auf gewöhnlichem Wege („von
der Knabenseite", wie derselbe neuerdings genannt wurde)
bestieg, schien mir die Nordostwand, auch die Partie unter
dem Hugisattel, überhaupt nicht gangbar. Herr Carfroe vom
A. C, der mit mir war, theilte meine Ansicht.
*) Vgl. Häberlin, 1. c. , Jenes denkwürdige Unwetter,
38 Emil Burckhardt
der beiden Berge für mich verloren, da ich am 14.
in Basel sein mußte. Vom 12. zum 13. Juli übernachtete
ich wieder im Faulberg, entschlossen, wenigstens den
Trugberg, den ich für den „besseren" von den beiden
Gipfeln hielt, zu machen.
Am 13. Juli, 3 Uhr früh, gingen wir gegen den
Berg vor. Unser Weg war im Allgemeinen derselbe,
den sechs Jahre später Herr v. Fellenberg genommen
hat. Um 6 Uhr 30 begannen wir den eigent-
lichen Aufstieg, der des vielen Schnee's wegen sehr
mühsam und langwierig war, aber bei Weitem nicht
die Schwierigkeiten bot, wie sie das Jahr zuvor den
beiden Versuchen von Dr. Häberlin sich entgegen-
gestellt hatten. Von 7 Uhr an wurde das Wetter sehr
schlecht und stürmisch. In starkem Schneefall traver-
sirtea wir an der Firnwand über dem Ewigschneefeld
aufwärts und gewannen nach ziemlich langem Stufen-
schlagen an steilem Gehänge (Messung von Fellen-
berg: 52<>) gute Felsen. Von da kamen wir unschwierig
auf den Grat, wo uns der tobende Sturm sehr zusetzte.
Um 9^/2 Uhr hatten wir eine Felszacke erreicht, die
möglicherweise der Gipfel sein konnte, doch griffen
wir, als aus dem Nebel die Umrisse einer zweiten,
scheinbar höheren Spitze hervortraten, auch noch diese
an, wobei wir eine tiefe Kluft umgingen, und waren
9 Uhr 50 oben. Diese letzte Strecke war nicht
leicht. In der Annahme, auf dem höchsten Gipfel zu
das für zwei Tage alle noch so kühnen Bergfahrer in der
Schweiz, wie in Savoyen, von den Zielen ihrer Wünsclie
zurückwies."*
Erinnerungen aus dem Clubgebiet. 39
sein, erbauten wir einen Steinmann. Die Aussicht^)
war eine sehr beschränkte : Dichter Nebel, viel Schnee-
flocken und einige Meter Felsgrat. Sofort nach Be-
endigung des Steinmannes, 10 Uhr 10, begannen
wir den Abstieg, und zwar nicht auf unserem alten
Wege, sondern nordöstlich, nach dem oberen Ewig-
schneefeld zu. Er war steil und erforderte bei dem
damaligen Schneestande große Vorsicht, bot aber
keinerlei Schwierigkeit. 11^/4 Uhr waren wir auf
dem flachen Firne, wo eine normale Temperatur und
völlige Windstille wieder Leben und Wärme in unsere
halb erstarrten Glieder brachte.
Als wir uns dem Mönchjoche näherten, hellte sich
das Wetter zusehends auf und die ersten Sonnenblicke,
die um den Gipfelgrat des Trugberg spielten, ließen
uns erkennen, daß wir unseren Steinmann da gebaut,
wo er von Rechtswegen hingehörte: auf die Spitze
eines der letzten jungfräulichen Zwölftausender der
Bemer Alpen.
Die Berglihtitte war tief verschneit und der Zu-
gang zur Thtire mußte mtlhsam ausgeschaufelt werden. ^)
Unser Rückweg nach Grindelwald sollte einen
höchst gelungenen Abschluß finden. Als wir die unteren
Sehneefelder des Viescherfirnes gegen das Kalli hinab-
gingen, sahen wir links über uns drei Männer die
Felsen gegen die Eigerhöhle aufsteigen. Es war ein
Herr mit zwei Führern. Nun gegenseitiger Zuruf und
Frage über „woher" und „wohin" ; „Trugberg heut' früh
0 Vgl. über dieselbe v. Fellenberg, 1. c, 274, und das
diesem Jahrbuch beigegebene Panorama von S. Simon.
*; Vgl. auch Häberlin, 1. e., 152.
'1
40 Emil Burckhardt
10 Uhr", schallte es hinauf. Der Herr grüßte und stieg^
still mit seinen Leuten weiter. Es war Niemand anders
als Dr. Häberlin, der zwei Tage zuvor bei seinem
dritten Versuche gegen den Trugberg durch schlechte»
Wetter schon am Mönchjoch zurückgeschlagen worden
war ^) und nun zum vierten Male zum Angriff vor-
ging. Mein College änderte jetzt, wie ich später er-
fuhr, seinen Plan, ließ den Trugberg bei Seite und
machte dafür am folgenden Tage unter sehr ungünstigen
Verhältnissen die erste Besteigung des Hinter-Vieseher-
hornes (4020 "*), ^) das hinwiederum mir entgangen war»
So wurden binnen zwei Tagen zwei von den letzten
noch jungfräulichen Hochgipfeln des Oberlandes für
den S. A. C. gewonnen.
Meine Zeiten waren:
Ab Faulberg (2847'») 3 Uhr früh. Trugbergfoß 6 — 6. 80.
Trugberg (3983°) 9. 55 — 10. 10. Mönc^Joch 12. 40 Nehm.
Berglihütte (alte) 1. 20 — 2. 40. Bäregg 5. 40 — 6. Griodel-
wald (989™) 7 Uhr Abds. Total: 16 Std. Zeit, wovon 13 Std.
30 M. Marsch und 2 Std. 30 M. Rast.
y« Notizen über den K^tteaberg-SeJireeklMiriikaiiiiii*
Gwäohteiyoch (Mettenbergjoch), 3159™, 1872.
Der mächtige Kamm, der nach Nordwesten vom
Groß-Schrßckhom gegen das Grindelwaldthal sich ab-
senkt , läßt sieh in zwei Theile zerlegen , in den
oberen, mit den beträchtlichen Erhebungen des Näael-
hörn (3749°») und Klein -Schreckhorn (3497«»), und
*) Vgl. Häberlin, 1. c, 153. *) d. h. der einen, niedrigeren
Spitze. Die etwas höhere wurde erst 1885 von den bekannten
führerlosen Wiener Bergsteigern Dr. Lammer und A. Lorria
bestiegen.
\
Erinnerungen aus dem Cltibgebiet, 41
in den unteren, mit den weniger hohen, aber auf
wuchtigem Massive fügenden Gipfelbildungen der
Gwäehten (3169«) und des Mettenberg (3107"). Die
Hanptdepression und zugleich die nattlrliche Theilstelle
des Gesammtkammes findet sich da, wo sein oberer
Theil nach Ausstoßung des Klein-Schreckhornes zur selb-
ständig entwickelten Spitze, in einer Flucht von mehr
als 300™ jäh auf den unteren Grattheil absetzt.
Diese Stelle scheint zu einem Hochpasse von den»
Grindelwald - Eismeer nach dem Ober - Grindelwald-^
gletscher wie geschaffen , doch wird sie sehr selten
dazu benützt. Das Interesse der Bergsteiger richtet
sieh mehr auf die Spitzen des Mettenberges und
des Klein-Scbreckhomes. Diese beiden Berge habea
den Vortheil , daß sie sehr wohl in einem Tage vom
Thal aus gemacht werden können, der erstere leicht,
und kurz, der letztere etwas schwieriger und länger.
Die erste Kammtlberschreitung fand 1857 statte
indem der Engländer Anderson ^) das noch jung-
fräuliche Klein-Schreckhorn vom Jjauteraarsattel aus^
erstieg und durch das Grindelwald - Eismeer seinen
Abweg nahm. Bis Anfangs der siebziger Jahre scheint
kein üebergang ttber den Grat mehr erfolgt zu sein^
bis 1872 eine englische Partie denselben zwischen
Mettenberg und Klein-Schreckhorn vom Gleckstein
aus nach dem Grindelwald - Eismeer tiberschritten
haben soll.
Unseren Jahrbüchera ist dieser üebergang noch
fremd und es mögen darum einige Mittheilungen über
^) Peaks, Passes and Glaciers, I, 1859, 234.
42 Emil Burckhardt,
«ine Passirung des Grates vom Grindelwald-Eismeer
nach dem Ober-Grindelwaldgletscher, die ich 1872
^ausführte, hier ihren Platz finden.
Mit Peter und Rudolf Kaufmann verließ ich Grindel-
ivald den 2. September 1872, 3. 15 früh, war
^egen Tagesanbruch auf dem Eismeer und stieg
«oberhalb der Stieregg (1795™) über steile Schafweide,
Guferhalden und durch ein in seinen oberen Th eilen
mit Schnee ausgelegtes Geröllcouloir in nordöstlicher
Eichtung gegen den Grat hinan, welcher den Metten -
«berg mit dem Klein-Schreckhorn verbindet. Gegen
10 Uhr wurde zwischen 3094 und 3169 die Kamm-
höhe und auf derselben, etwas links, die „Gwächtön"
'(Schneegipfel) 3169 erreicht. Von dieser Spitze ver-
buchten wir einen directen Abstieg über den oberen
Wechselgletscher. Der Versuch mißlang , weil am
unrichtigen Orte gemacht. Wir hätten uns mehr links,
nordwestlich, halten sollen. *) — Wir kehrten darum
auf den Grat zurück und gingen theils derselben ent-
lang , theils unter derselben , auf der Eismeerseite,
nach rechts, östlich, gegen das Klein-Schreckhorn zu.
Schließlich wurden wir ein gutes Stück abwärts ge-
drängt und verloren auf diese Weise bedeutend an
der gewonnenen Höhe.
1) Hr. Felix O. Schuster (A. C, S.A. C. und D. u. De. A. V.),
der im Jahr 1880 direct nach dem Ober- Grindelwaldgletscher
abstieg, bestätigt dies. Er schreibt: »l^er directe Abstieg
Tom Punkte zwischen dem Mettenberg und der Gwächten,
über den steil abfallenden Gletscher nach dem Ober-Grindel-
waldgletscher war sehr schwierig und, so viel mir bekannt,
weder vor- noch nachher gemacht. '^ (Privatmittheilg. v. F.
O. Schuster.)
Erinnerungen aus dem Clvhgehiet, 48
Es war schon 1. 10 Nachmittags, als wir auf
der richtigen Paßhöhe, unmittelbar am Westfuße des
Klein-Schreckhornes, bei 3159 der Exck. 1885/1886,
standen.
Den unbenannten Gletscher auf der Nordwestseite
des Klein-Schreckhornes absteigend, umgingen wir
den Nordgrat des letzteren bei 2815 und gewannen
so den Hochfirn des Ober-Grindelwaldgletschers. Die
Zerrissenheit desselben zwang uns zu einem weiten
Bogen gegen den Lauteraarsattel hin. Mehr als drei
Standen von der Paßhöhe an waren wir auf dem
Gletscher , bis endlich um Va 5 Abends derselbe
hinter uns lag. 5 ühr war die (alte) Wetterhomhtitte
und nach einer allzulangen Rast in derselben auf
dem alten Wetterhornwege über die „Enge" 8. 35
Grindelwald erreicht.
Meine Führer nannten den Paß „Mettenbergjoch";
mir scheint, da er mit dem eigentlichen Mettenberge
nichts zu thun hat , der Name „ Gwächtenjoch "
richtiger. ^)
Dieser üebergang über den Mettenberg-Schreck-
homkamm wird Jedem , der neben dem Großen
auch das Kleinere zu würdigen weiß, volle Befriedi-
gung bieten. Für die Einzel kenntniß des Grindelwald-
gebirges ist er von entschiedenem Werthe. Wenn
die von uns erst nach anfänglichem Fehlgehen ge-
fundene richtige Paßhöhe direct erreicht wird , so
werden 2V2 bis 3 Stunden erspart. Die Tour kann ganz
wohl, auch für mittlere Gänger, von Grindel wald hin
*) Schuster's Paß wäre das richtige „Mettenbergjoch'
44 Emil Burckhardt,
und znrück gemacht werden, ohne ein Uebemachten
auf der Bäregg mit zwei kleinen Stunden Zeitgewinn
zu erfordern.
Meine Zeiten waren:
Ab Grindelwald v989»), 3 15 früh. Halt in der Gwächten-
kehle, 7.30—8.10. „Gwächten" (3169"), 10-10. 20. Gwäch-
tenjoch (3159*°), 1. 10 — 1.40. Glecksteinhütte , 5—5.40.
Grindelwald, 8. 35. Total: 17 Std. 20 M. Zeit, wovon 15 Std.
10 M. Marsch und 2 Std. 10 M. Halt.
Das Nässihoru (3749 in.).
Erste Besteigung, 1885.
Während das Klein-Schreckhorn in neuerer Zeit
öfters bestiegen wurde, fand sein höherer Nachbar-
gipfel, das Nässihorn (3749"*), die bedeutendste Er-
hebung des Mettenberg-Schreckhomkammes, keine Be-
achtung. Es mag die allzu unmittelbare Nähe dea
Groß-Schreckhornes, welche das Nässihorn nicht recht
zur Geltung kommen läßt, daran Schuld sein.
Ich hatte schon vor mehrern Jahren eine Er-
steigung des Nässihornes vom Lauteraarsattel au»
beabsichtigt, mit Abstieg nach dem Grindelwald-
Eismeer, also eine Traversirung des Berges; schlechtea
Wetter hatte mich zwei Mal, zuerst 1876 und dann
1881, von der WetterhornhUtte zurückgetrieben, ohne
mich nur zum Angriffe kommen zu lassen. — Erat
1885 gelang es mir, diesen Gipfel nachzuholen, leider
nicht von seiner schönen Seite, dem Lauteraarsattel^
und auch nicht als Traversirung, sondern als einfache
Besteigung von der Eismeerseite aus.
Es war Anfangs August 1885; auf die pracht-
vollen Juliwochen folgten im Oberlande acht Tage
Erinnertmgen aus dem Clu^gebiet 45
schlechten Wetters, das manche Bergfahrt scheitern
ließ. Am Vormittage des 1. August befand ich mich
mit meinen Führern Chr. Jossi und P. 8chlegel auf
dem Rückzüge von einem Unternehmen im Finsteraar-
febiete, zu dessen Durchführung gute Witterung und
tadelloser Schnee in allererster Linie nöthig sind.
Beides hatte gefehlt und um ein^ Niederlage reicher
traf ich um die Mittagsstunde in der Olubhütte an
der Schwarzenegg ein. Wir waren nicht die einzigen
Oeschlagenen. Die Herren Dr. Guido Lammer und
Dr. August Lorria, die berühmten führerlosen Wiener
Bergsteiger, mit denen ich schon eine Woche früher
anläßlich einer Groß-Viescherhom-Besteigung in der
Mönchhütte am ^Bergli^ zusammengetroffen, gingen
«oeben nach Grindelwald hinab; ihr erster Angriff
auf den Nordwestgrat des Schreckhornes war Tags
zuvor an der Ungunst der Witterung gescheitert.
Dann kam ein junger Engländer mit zwei Führern
gehörig abgewettert von einem Versuche auf das
Schreckhom (gewöhnliche Seite) zurück.
Nachmittags hellte sich das Wetter etwas auf, und
während der englische Bergsteiger zu Thal zog, um
bessere Witterung abzuwarten, nachdem er uns in
liebenswürdigster Weise den Rest seines Proviante»
zur Verfügung gestellt hatte, blieb ich mit meinen
Leuten in der Hütte, mit dem Entschlüsse, das Nässi-
homwenn möglich zu traversiren, jedenfalls aber zu
besteigen. Die Nacht durch regnete es, gegen Tages-
anbruch aber trat eine Besserung ein und wir konnten
4 Uhr 5 früh gegen das Nässihom aufbrechen, das
Lammer und Lorria — wie sie scherzweise sagten —
46 Emil Burckhardt
mir als älterem Collegen großmttthig „gelassen" hatten^
trotzdem sie es bei ihrem Schreckhomversuche leicht
hätten mitnehmen können.
Unser Weg war Anfangs, fast zwei Standen lang^
derselbe, wie auf das Schreckhom, das große Couloir
hinauf. Dasselbe war unten in leidlichem Zustande,,
erforderte aber weiter oben Stufenschlagen. Doch
fielen trotz der frühen Morgenstunde mehrfach Steine,
während ich 13 Jahre zuvor bei einer Schreckhomtour
um dieselbe Tageszeit das Couloir ohne einen einzigen
Steinfall passirt hatte. Dort, wo der übliche Schreck-
homweg rechts in die Felsen ablenkt, blieben wir
noch eine gute Strecke gradaus in der Kehle, bis uns-
Steingefahr zwang , nach links , in die Felsen der
Nord Westseite, zu gehen. Bis zu denselben war eine
gute Anzahl Stufen quer über das hier sehr steile
Couloir erforderlich. Während wir die losen , aber
unschwierigen , Felsen hinaufkletterten , begann es-
dermaßen zu schneien und zu stürmen, daß wir um
V2 7 Uhr an einer etwas gedeckten Stelle Schutz
suchten. Ein sehr kräftiges Fiühstück war die na-
türliche Folge dieses gezwungenen und verfrtihten
Haltes. Als nach 20 Minuten das Schneegestöber
nachließ und einem sanften Schneefall ohne merkliche
Kälte Platz machte, stiegen wir in einer Stimmung,
die des schönsten Sonnenscheines würdig gewesen
wäre, weiter, unseren Weg hie und da durch auf-
einandergelegte Steine markirend. Wie wir auf der
Höhe der Wand (Exck. 3316), zuletzt über einen
Schneekamm, den obern Kastensteinfim erreichten,
lichtete sich der Nebel und erlaubte uns eine genaue
Erinnerungen aus deni Cluhgebiet 47
Orientirung. Rechts hatten wir die riesenhafte West-
wand des Schreckhornes , links , tief unter uns , den
zerrissenen (unteren) Kastensteinfirn und vor uns ragte
aus grauen Schneewolken der Kamm des Nässihomes*.
Wir überschritten nun den Firn direct gegen das^
Xässihom. Der Bergschrund war schlecht und ver-
ursachte Aufenthalt an dem Steinfall ausgesetzter
Stelle. Auch weiter oben fielen Steine; um ihnen aus-
zuweichen, gingen wir links und stiegen anhaltenct
an einer Felsrippe empor, die uns weit hinauf in die
Wand des Nässigrates führte. Es war wieder Nebet
eingefallen, so daß nicht immer die besten Stellenr
aufgefunden wurden. Zuletzt kam eine zwar kurze,,
aber recht steile Eispartie, welche sorgfältige Arbeit
verlangte. Genau drei Stunden nach unserem Halt oben-
am Schreckhomcouloir — 9 Uhr 50 — • steckte mein
Vordermann seinen Pickel in die Gwächte der Kamm«
höhe und sandte seinen Jodler durch das winterliche
Schneetreiben nach dem Lauteraar hinab. An einen
Abstieg nach demselben war bei diesem Wetter aller-
dings nicht zu denken. Doch hatten wir unverhofftes
Glück. Der Wind trieb auf Augenblicke den Nebel
auseinander und zeigte unsere Spitze links vor uns in
nächster Nähe. Dem Kamme entlang erreichten wir sie^
theils über Schnee, theils über Fels, mäßig ansteigend^
leicht in 20 Minuten — um 10 Uhr 10. Es ist ein
Felsgipfel mit verschiedenen Absätzen. Spuren früherer
Besteigungen fanden sich nicht vor. Wir erbauten
zwei Steinmannli, eines gegen die Lauteraar-, das
andere gegen die Eismeer- Seite. Aussicht hatten wir
keine, dafür aber durch momentane Nebelrisse ein-
48 Emil Burckhardt
seine Ausblicke von um so größerem Eindracke«
10 Uhr 40 traten wir den Rückweg an, auf dem
wir noch eine kleine Schneespitze, die sich mehr öst^
lieh, gegen den Lauteraaraattei zu, etwas höher ala
-die Felsepitze erhebt, betraten (10 Uhr 50).
V2 1 Uhr waren die Felsen am Schreckhom-
-couloir wieder erreicht. In starkem Regen stiegen will
-das Couloir ab, das jetzt in denkbar schlechter Ver-i
fassung wai* , und langten Vs 3 Uhr in der Hütte
an, wo wir einen längeren Aufenthalt machten. Der
Rückweg nacli Grindelwald verschaffte uns auf dem
Ober-Eismeere die Freude einer nochmaligen Be-
gegnung mit Dr. Lammer und Dr. Lorria, die, ftti
mehrere Tage mit Proviant versehen , trotz un-
günstigen Wetters wieder nach der Schwarzenegg
gingen, um ihre erbitterte führerlose Fehde mit dem
^chreckhom zu Ende zu fechten. ^) 7 Uhr 15 Abendf»
waren wir in strömendem Regen in Grindelwald.
Wenn, wie es allen Anschein hat, das Nässihon
früher nicht bestiegen worden ist, so kann auf sein<
-erste Ersteigung Dent's Ausspruch angewandt werden
^We could not but feel, that if we were to aehievi
„the honour of a first ascent, such honour would b<
^) Lammer und Lorria wurden am 5. August wied
durch schlechtes Wetter zurückgeschlagen. Am lO./H. Augu
gelang ihnen der dritte Versuch, indem sie das Schreckho
mit (erstem) Abstieg über den Nordwestgrat („Anderso
grat**) forcirten. Es ist dies, noch dazu ohne Führer, ein
bewundernswerthe Leistung dieser schneidigen Bergsteige
welche sich ihrer führerlosen Besteigung der Dent Blanch
im Schneesturme vom 22. August 1885 (Mitth. d. D. u. Oe. A. V
1886, Nr. 1) würdig an die Seite stellt.
Erinnerungen aus dem Cluhgehiet. 49
^principally due to the fact, that we had subdivided
^tbe secondary peaks of the chain more minutely,
^than other voyagers."
Als neue und lohnende Tour bleibt nun noch mein
ursprünglicher Plan : die Traversirung (neugermanisch :
7,Querung'^) des Nässihornes vom Lauteraarsattel zum
Ober-Eismeer. Nachdem 1857 das Klein-Schreckhorn
und 1872 das Groß-Schreckhorn in dieser Richtung
traversirt worden sind, wird eine üeberschreitung des
Kammes zwischen diesen beiden Spitzen wohl nicht
mehr lange auf sich warten lassen.
Meine Zeiten waren:
Ab Schwarzenegg (2500°*), 4. 05 früh. Felsen nord-
westlich vom Couloir, 6. 30 — 6. 50. Nässikamm, 9. 50. Nässi-
lioni (Felsspitze 3749"), 10. 10—10.40. Schneespitze (3760^?
3784"?), 10.50. Felsen nordwestlich vom Couloir, 12.30.
Schwarzenegg, 2.30— 3.30. Grindelwald (989 "), 7.15. (Unter-
wegs 15 M. Halt.) Total: 15 Std. 10 M. Zeit, wovon 13 Std.
Marsch und 2 Std. 10 M. Halt.
IVB. Im letzten Drittel unseres Aufstieges ver-
ursachte der Nebel und Schneefall bedeutenden Zeit-
Terlust. Auch, glaube ich, würde man sich besser
mehr rechts, näher an das Groß-Schreckhorn, halten,
wie dies Stafford Anderson am 7. August 1883 bei
seiner Bezwingung des Schreckhomes über den Nord-
westgrat gethan hat ^), und dann links dem Kamm
entlang gehen. Der letzte Theil unseres Anstieges
gegen den Kamm war nicht gut gewählt. Steinfall
Wffd zwar bei gutem Wetter kaum drohen, aber es
«ind sonst einige schlechte Stellen vorhanden. Im
Schreckhomcouloir dagegen ist stets bis zu einem
0 A. J. XI, 1882/1884, 438 flf.
50 Bmü BurcJchardt
gewissen Grade Gefahr von Steinen; dieselbe kann
nun einmal dort nicht ganz vermieden werden *)►
Lammer und Lorria sind am 11. August 1885 nach
ihrer Traversirung des Schreckhomes bis weit unten
in den Nordwestfelsen des Couloirs geblieben und
haben so dessen größten Theil vermieden. ^)
YI« Notiz Ober das Orosts-Laateraarhoni (4048 m.u ISS^
8eit 1869, der zweiten Besteigung des 1842 zum
ersten Male erstiegenen Groß-Lauteraarhornes durch
einen Schweizer, Hm. Ed. Burckhardt-Zahn (S. A. C.),.
ist dieser Berg mehrmals gemacht worden, aber, so
viel ich habe erfahren und auf der Spitze selbst er-
sehen können, ausschließlich durch ausländische Berg-
steiger.
Es mag zugegeben werden, daß das Groß-Lauter>
aarhorn ungünstig liegt, etwas zu sehr abseits von
den jetzt beliebten Ausgangspunkten für die Ober-
länder Hochtouren. Doch sollte dies kein Grund sein,,
einen Gipfel ersten Ranges dergestalt zu vemach-
lässigen. Einige Notizen über eine von mir 188S
ausgeführte Besteigung des Berges mögen denjenigen
meiner Clubgenossen zur Aufmunterung und Weg-
leitung dienen, bei denen vielleicht das Jahrbuch
Nr. VII ^) in Vergessenheit gerathen ist.
Ich verließ den Pavillon Dollfus den 9. August
1) Vgl. ABcterson, 1. c. Dieser Bergsteiger meint: ^of all the
„abominably long conloirs in the Alps this mnst, I tbink, be
„the longest aod the most tiresome." ') Mitth. des D. a. Oe.
A. V., 1885, Nr. 19. «) Jahrb. S. A. C, VII, 1871/1872^
270 flf.
Erinnerungen aus dem Clubgebtet. 51
1885, 2. 30 früh, mit Chr. Jossi und Peter Schlegel,
bei zweifelhaftem Wetter, das aber nach Tages-
anbruch, bis auf einen eisigen Nordwind, sehr schön
wurde. Um 6 Uhr waren wir am Fuße des Lauter-
aarhomes, oben im Strahleckfirn, ungefähr bei Cui've
3090 der Exck. 6. 30 begannen wir den Anstieg über
Lawinenschnee. Leichte Felsen und guter Schnee er-
laubten ein rasches Vorankommen, bis weiter oben
eine yoUständig vereiste Fimpartie anderthalbstiin-
diges Stufenschlagen erforderte. Der Stidkante des
Berges entlang, deren Felsen zwar lose, aber un-
sehwierig sind, gewannen wir die Kammhöhe, bei
3955, 11 Uhr 05, und dem Kamm entlang, theils
auf dessen Schneide, theils auf der Lauteraarseite,
die höchste Spitze (4043»») 12 Uhr 05. Dieser letzte
Theil der Besteigung, der im JB, S. A. C. VII als
sehr schwierig geschildert wird, bot, da hier der
Fels ganz fest ist, keine ernstlichen Schwierigkeiteiv,
wie denn der Berg überhaupt trotz der vorangegan-
genen Schneefälle in recht gutem Zustande war.
Von 4043 kletterte» wir in 10 Minuten Über ekie
sehr lautere Kammscharte auf eine etwas niedrigere,
mehr nördlich gelegene Spitze,, 12 Uhr 15 (zwischen
4043 und 4030). Es ist dies der Glanzpunkt der
ganzen Besteigung, ein wahres „Lauter" aarhom. Wie
die Führer behaupteten, soll diese kleinere Spitze
vor uns erst ein Mal, am 8. Juli 1885, von Mr. Wil-
liam-Williams (A. C), aus Nordamerika, bestiegen
worden sein. ^) Ich fand dieses Herrn Karte und
*) Diese Spitze ist bei der Be^eigung des Lamteraar-
kornes von Westen durch Oakley Maond, wahrscheinlich
schon 1881 betreten worden. (A. J. XI, 1882/1884, 31.)
52 £fiii7 Burckhardt
fugte die meinige bei. 12^ a Uhr waren wir auf der
Haapt8pitze zurück , anf deren windstiller sonniger
Südseite *4 Stunden bei prachtvollster Aussicht ge-
nußvoll gerastet wurde. Verschiedene englische Karten
waren da; leider aber konnte ich die Wahrzeichen
der ersten und zweiten Besteigung nicht mehr auf-
finden. 1 ' 4 Uhr stiegen wir ab und waren schon
nach 2^2 Stunden, obwohl uns die unteren Fim-
halden keine einzige Rutschpartie gestatteten, wieder
auf dem Strahleckgletscher (3. 45). Nach einem halb-
stündigen Halte traten wir 4. 15 den Rückweg über die
Strahleck an und trafen Nachts 10 Uhr 50 in Grindel-
wald ein.
Ich kann das Lauteraarhom jedem ordentlichen
Bergsteiger warm empfehlen. Sehr mit unrecht steht
es, angeblich wegen SteinföUen und fauler Felsen, bei
gewissen Führern in Verruf. Dem Bietschhom gegen-
über z. B. ist es ein Muster von Festigkeit, und doch
läßt sich durch die schlechten Felsen Niemand ab-
halten, auf dieses an und für sich schon ungleich
schwierigere Bietschhom, nach Oakley Maund „the
rottenest of mountains^, zu gehen. Wer also in der
Wahl seiner Berge eigenen Willen und Selbständig-
keit besitzt, mag das Groß - LauteraarhoYn machen,
obschon es nicht Mode ist und nicht als fashionabler
Berg gilt. Er wird reichlichen Genuß davon haben.
Meine Zeiten waren:
Ab PaviUon DoUfus (2380"), 2. 30 früh. Fuß des
Lauteraarhomes, 6. — 6 30. Felsen der Südkante, 9. 15—9. 25.
Kammhöhe, 11 05. Spitze I (4043 "), 12.05. Spitze II (4035«?),
12. 15—12. 20 Mittags. Spitze 1 , 12. 30—1. 15. Fuß des
Erinnerungen aus dem Clubgebiet. 53
Lauteraarhornes, 3.45—4.15. Grindelwald (989™), 10.50
Abds. (Unterwegs 1 Std. Halt.) Total 20 Std. 10 M. Zeit,
wovon 17 Std. 10 M. Marsch und 3 Std. Rast.
NB. Anstatt vom Pavillon Dollfus aus kann das
Lauteraarhorn auch von der Schwarzenegghlltte be-
stiegen werden, wobei dann über die Strahleck ent-
weder unser Anstiegspunkt erreicht, oder direct vom
Strahleckpasse der Südwestgrat versucht werden kann.
Eine Besteigung direct von Schwarzenegg aus, über
den Schreckfim und die Westseite, wie sie Oakley
Mannd 1881 gemacht hat, mag Bergsteigern ge-
wöhnlichen Schlages kaum anzurathen sein.
YII. Der Berglistock (8657 ni.). 1867.
lieber den selten bestiegenen Berglistock enthalten
unsere Jahrbücher bis jetzt nichts; die einzige Be-
schreibung in deutscher Sprache ist meines Wissens
die lebensvolle Schilderung der ersten Besteigung des
Berges, vom 26. September 1864, durch Prof. Aeby,
in dem trefflichen Werke „das Hochgebirge von Grindel-
wald.** 1)
1867 führten Herr Ed. Nötzlin (S. A. C.) und
ich die zweite Besteigung aus, 1868 Mr. Pollock
vom A. C. die dritte. ^) Ob seither der Berg wieder
bestiegen wurde, ist mir unbekannt; jedenfalls, wenn
es der Fall gewesen ist, nicht oft. Studer sagt von
dem vom Thale aus scheinbar unbedeutenden, weil
weit zurückliegenden und seine breite Front bietenden
0 „Das Hochgebirge von Grindelwald", von Aeby,
Fellenberg und Gerwer, 1865, 101 flf. ^) A. J. IV, 1868/70,
156.
54 Emil Burckhardt
Gipfel treffend: „Wer aber die Hochfirne des oberen
„Grindel Waldgletschers überschreitet, der blickt, wenn
„er sich dem Fuße des Berglistocks nähert, mit Staunen
„zu den nackten Gneißwänden empor, welche der
„blendend weißen Hochfirnebene himmelhoch entwachsen
„und die breite Gipfelfront desselben zieren." ^) lieber
unsere Besteigung ist nichts veröffentlicht worden;
die nachfolgenden Mittheilungen sind zum größten
Theile einem Berichte an die Section Basel, S. A. C.,
vom Jahre 1867, entnommen.
Die Anregung zu unserer Tour verdanke ich Herrn
Prof. Aeby persönlich, der mich aufforderte, wenn
ich einmal über den Lauteraarsattel gehe, doch un-
fehlbar den Berglistock mitzunehmen. Freilich, meinte
er, sei dies ein sehr langer Tag, und weiter, als vom
Gleckstein bis zum Pavillon Dollfus, würden wir nicht
kommen. Am 31. Juli 1867 waren mein Freund Nötzlin
und ich, durch schlechtes Wetter vom Groß-Viescher-
horn zurückgetrieben, in Nebel und Schneefall über
das Mönchjoch, wo damals noch keine Clubhütte das
Abwarten gestattete, nach Grindelwald gekommen, in
der Absicht, den Berglistock und den Lauteraarsattel
zu machen.
Unsere älteren Freunde riethen uns von dem er-
steren, der damals als sehr schwierig galt ^), ab. Be-
*; Stnder I, 250. •) Vgl. Aeby, 1. c. Er bezeichnet
den Berg als in mancher Beziehung schwieriger, als das
Schreckhorn, und nennt ihn „eine heillose Kletterei". Pollock,
1. c, ist allerdings mit diesem Urtheile keineswegs einver-
standen. Er schreibt: „The rocks are mach brocken, but
afford good hold everywhere and present no serious difficülty."
Erinnerungen aus dem Clubgebiet, 55
sonders Herr Bohren zam Adler und der berühmte
Führer Peter Michel, die 1864 den ersten mißlungenen
Versuch von Prof. Aeby mitgemacht und die Partie
dann als hoffnungslos aufgegeben hatten, wollten uns
•den Berg ausreden. ^) Sie erreichten aber nur so viel,
daß wir zu unseren Führern Peter Rubi und Peter
Kaufmann („Grabenpeter") noch Peter Inäbnit („Spiß-
peter") nahmen, der mit Aeby die erste Ersteigung
gemacht hatte.
Nach l^stägigem Hegen klärte sich am Nach-
mittage des 2. August das Wetter soweit auf, daß wir
nach dem Gleckstein gehen konnten. In dem zwar
engen, aber für damalige Ansprüche recht ordentlichen
Höhlenlager, das meinem Freunde und mir von unserer
Wetterhorntour von 1866 her schon bekannt war,
verbrachten wir eine ganz behagliche Nacht. Bei
prachtvollem Wetter, dem ersten schönen Tage seit
iVa Wochen, d. h. seit Beginn unserer Bergreise,
brachen wir am 3. August 1867, Morgens 3^2 Uhr,
gegen den Berglistock auf. Der früher übliche Lauter-
aarsattelweg, links über den Obergrindelwaldfirn,
wurde eingeschlagen. Der Gletscher, den wir in drei
Viertelstunden erreichten, war in seinen unteren Partien
gUshart gefroren und verursachte fast einstündiges
Btufenhauen. Weiter oben dagegen war er in ausge-
zeichnetem Zustande und der Gang auf dem hart-
gefrorenen Firne, in den Strahlen der Morgensonne,
kam uns trotz des weiten Bogens gegen die Rosenegg
hin, zu dem Schrunde uns zwangen, wie ein wahres
^) Aeby, 1. c, 108.
56 Emil Burckhardt.
Lustwandeln vor. Wie das Wetter und der Schnee^
so waren auch wir, Herren und Führer, in trefflicher
Verfassung und zu Allem aufgelegt. Das Gelingen
unseres Planes: Berglistock und Lauteraarsattel in
einem Tage bis zur Grimsel, wurde schon jetzt al»
unfehlbar angesehen. Nur der bedächtige Spißpeter
warnte vor zu großer Zuversicht. Er hatte mit sehr
guten Gängern, Pfarrer Gerwer und Professor Aeby,.
einige Jahre zuvor für den Lauteraarsattel allein von»
Gleckstein zum Pavillon DoUfus einen Tag gebraucht. ^)
Ebenso viel hatte die erste Ersteigung des Bergli-
Stockes, 1864, vom Gleckstein aus und zurück er-
fordert.
In 5^/2 Std., 9 Uhr früh, waren wir an unserem
Angriffspunkte, dicht an der Westfront des Berges,
am Fuße eines mächtigen Lawinenkegels. Spißpeter
zeigte uns Aeby's Weg: Ein steiles Couloir, das fast
bis auf die Grathöhe führte, dann einige Felssätze
und auf dem Grate links, nördlich, zur Spitze. ^>
Die Steigung betrug von hier noch ungefähr 300""»
Dieser Weg sieht , wie mancher andere, von unten
häßlich aus ; bei näherem Zusehen gewinnt er bedeu-
tend und ist durchaus nicht schlimm.
Gleich zum Beginn begingen wir eine große Thor-
heit. Obschon wir sahen, daß der Lawinenschnee und
der Firn weiter unten mit Steinen besäet war , die
nirgends anders als das Couloir herunter gekommen
sein konnten, lagerten wir uns gerade da zum Früh-
0 „Hochgeb. v. Grindelwald", 30. ^) Das Couloir ist auf
der Exck. nicht sichtbar. Es beginnt unterhalb der Zahl &
von „3657".
Erinnerungen aus dem CluhgebieL 57
sttickshalte, in der Voraussicht, daß so früh Morgen»
überhaupt kein Steinfall eintreten werde. Unserem
beschaulichen Stillleben bereiteten aber einige Blöcke^
die mit Donnergepolter das Couloir hinabjagten, ein
jähes Ende. Die frohe Tafelininde stob rechts und
links auseinander und das so rücksichtslos gestörte Mal
fand hinter gehöriger Deckung seinen Abschluß. Diese
Warnung war sehr am Platze, denn sie ließ uns dem
Couloir nicht zu sehr trauen.
9 Uhr 35 begannen wir den Aufstieg. Wir
hielten uns so lange wie möglich in den Felsen, und
erst als dieselben anfingen, mit einer unangenehmen
Eiskruste bedeckt zu sein — eine Folge der Regen-
güsse und Schneefälle der vorangegangenen Tage —
gingen wir nothgedrungen in das Couloir selbst^
Dasselbe war steil und mit jenem dunkeln und gla-
sigen Eise ausgelegt, von dem man, wie ein englischer
Bergsteiger ganz richtig bemerkt, so oft liest, das-
man aber so selten trifft. Anderthalb Stunden wurden
von Rubi, der sich die Ehre der Führung erbeten ^
Stufen geschlagen. Während dieser ganzen Zeit fiel
kein einziger Stein. Als weiter oben das Couloir sich
verflachte und das Eis zu dünn wurde, stiegen wir
wieder über die Felsen empor, die hier zwar lose,
aber trotzdem nicht schwierig waren. Es war fast
12 Uhr, als wir von der Grathöhe in das leuchtende
Pimmeer des Gauli hinunterblicken konnten. Link»
(nördlich) über den Grat und einen kleinen schneeigen
Vorgipfel erreichten wir in 10 Minuten, 12 Uhr 5^
die höchste Spitze (B657i°).
Es war eine apere Felsspitze mit einer mächtigen
^8 Emil Burckhardt
<jrwächte gegen Süden. Aeby^s Flagge fand sich in
einer Eisschicht am Fuß des Steinmannes, von Steinen
halb bedeckt, vor und wurde neu aufgezogen. Klein,
wie unser verwettertes, zerfetztes Banner war, wurde
€8 doch von Wetterhornbesteigern bemerkt und trug
«0 die Kunde von unserem Erfolge noch an demselben
Tage nach Grindelwald.
Die Luft war mild und klar, die Aussicht über
alle Maßen schön und unsere Freude groß. Es waren
glückliche Augenblicke, die wir auf dieser Spitze ver-
lebten, nur zu kurz, wie alles Glück. Nach einer
halben Stunde schon mußten wir die Rückkehr an-
treten; bis zur Grimsel lag noch ein weiter Weg
vor uns. 12 Uhr 35 wurde der Abstieg begonnen,
und einige Minuten vor drei Uhr waren wir unten bei
unserem Gepäck.
Die nassen Felsen und das thauende Eis in der
Kehle hatten diesen im Vergleiche zum Aufstiege
unverhältnißmäßigen Zeitaufwand verursacht. Dies-
mal fielen im Couloir einige, aber unschädliche,
Steine.
Noch blieb uns der Lauteraarsattel zu überschreiten.
Damals ging man anders, als jetzt, nicht an der tiefsten
Einsenkung in der Mitte des Sattels, bei 3156, durch
4ie Schneelücke, sondern höher, mehr nördlich, nahe
am Berglistock. Aeby und Gerwer hatten vor einigen
Jahren den Fehler begangen, zu weit südlich den
üebergang zu versuchen, und waren drei Stunden in
der Wand des Sattels gewesen.^) Rubi, obschon ihm
i) Hochgob. V. Grindelwald. 36/37.
JErinnerungen aus dem Glvhgebiet 59
der Paß neu war, fand dicht am Berglistock einen
prächtigen Abstieg über die Felswand, der unschwierig
zum Lauteraarfirne herunterführt, und am Fuße der-
selben eine gute Brücke über den weit klaffenden Berg-
schmnd.
13 Jahre später sollte der Mann, der uns so sicher
und ruhig führte, unfern von dieser Stelle mit zwei
Gefährten sein Ende finden, und wiederum in den
ersten Augusttagen — 1880 — war es, als ich den
Lauteraarsattel überschritt, um nach den Verun-
glückten zu suchen. Dent hat Recht: „The glaciers
are melting away, the rock peaks crumble ; the band
of change and death is everywhere." ^)
Gegen 4 ühr waren wir auf dem Lauteraarfirne
und in lebhaftem Gange Abends 8 Uhr 40 auf der
GrimseL Wir hatten den einzigen schönen Tag gut
angewandt. Schon in der Nacht trat wieder schlechtes
Wetter ein, das uns einen Tag, 4. August, auf der
Grimsel festhielt und am 5. über das Finsteraar-
joeh (3340°») nach Grindel wald zurücktrieb. Dieser
damals sehr selten begangene Paß^) war den Füh-
0 A. J. X. 1880/82, 231, „in memoriam E. P. Jackson.«
*) Daa Finsteraarjoch, einer der schönsten Pässe der
Bemeralpen, wird auch in neuerer Zeit noch viel zu wenig
beachtet. Wie unter den Grindelwald -Eggischhornpässen
(Jungfrau-, Eiger- und Mönchjoch) das Jungfraiyoch , so
lümmt unter den Grindelwald-Grimselpässen (Finsteraarjoeh,
Strahleck und Lauteraarsattel) das Finsteraarjoeh meiner
Ansicht nach die erste Stelle ein. Langjährige praktische
Kenntniß dieser Hochpässe — ich überschritt das Jungfrau-
und Eigerjoch je ein Mal, Mönchjoch elf, Finsteraarjoeh vier,
Strahleck fünf, Lauteraarsattel drei Mal — liegt diesem
meinem Urtheile zu Grunde.
60 Emil BurcJchardt
rem so unbekannt wie uns, und wir hatten im Nebel
und Regen Mühe, uns richtig durchzufinden. Es muß
eine der ersten Ueberschreitungen durch Schweizer
Bergsteiger gewesen sein. Den Berglistock und den
€ alten » Lauteraarsattel, wie ich ihn zum Unter-
schiede vom jetzigen, dem < neuen -^^ nennen möchte,
behalte ich in guter und schöner Erinnerung.
Unsere Zeiten waren:
Ab Gleckstein (2300"^) 3. 30 früh. Berglistock - Fnß
9.-9. 35. Berglistock (3657«) 12. 05—12. 35 Mittags. Bergli-
stock-Fuß 2. 55 — 3. 05. Lauteraarfim 3. 55. Unteraargl.
5. 50—6. 10. Grimsel (1875») 8. 40 Abds. Total: 17 Std.
10 M. Zeit, wovon 15 Std. 35 M. Marsch und 1 Stde. 35 M. Rast.
Meine Notizen, denn etwas Anderes sollen sie nicht
sein, sind für meine Collegen vom S. A. C. bestimmt^
als ein schweizerischer Originalbeitrag aus dem Club-
gebiete. Anforderungen, wie sie der englische Climber^
oder der Hochalpinist der neudeutschen Schule stellt^
wollen und können sie nicht gerecht werden. Unreifer^
verflachender Dilettantismus und bis zur handwerks-
mäßigen Vervollkommnung getriebener Klettersport
sind in unseren Tagen der Bergsteigerei, wie sie uns
die Grtinder unseres Vereines gelehrt haben, gleich
gefährlich geworden. Möge es uns Schweizer Clubisten
gelingen, im Sinne der Veteranen des S. A. C, das
Eichtige zu finden und uns so möglichst unabhängig
zu stellen von ausländischen, für uns keineswegs pas-
senden Einflüssen der Tagesmode, die auch im Berg-
steigen ihre allgewaltige Herrschaft übt. Mögen
wir bedenken, daß technische Kunstfertigkeit, so sehr
Erinnerungen aus dem Clubgehiet 61
^r dieselbe auch bewundern und vielleicht beneiden,
an und für sich noch nicht den Bergsteiger macht.
Die Liebe zu den Bergen, die tiefinnere Befriedigung,
welche sie uns mit ihren unerschöpflichen, immer neuen
Eeizen gewähren, ist das Entscheidende. Nur wenn
dieses ethische Moment, wie Zsigmondy so schön sagt,
uns beseelt, werden wir Bergsteiger im Geiste Derer
sein, welche vor bald einem Vierteljahrhundert unsere
alpine Körperschaft in's Leben riefen.
Ein photographischer Streifzug Im Ciubgebiet
(Topographenleben im Hochgebirge. *)
Von
S. Simon (Section Uto).
Wer kennt sie nicht, die majestätische Jungfrau^
deren schimmerndes Eisgewand so wundersam in's
herrliche Interlakener Bödeli hinausleuchtet, daß e&
jeden Clubisten von achtem Schrot und Korn nur so
juckt, den Fuß auf ihr stolzes Haupt zu setzen!
In wilden Hängen stürzt sie nordwärts zu Thal,,
so vielfach beschrieben und besungen, daß der Leser
gerne die Details missen wird.
Nicht so schroff, aber in anderem Sinne ebenso
imposant, dacht sie sich nach Süden ab, entsendet sie
doch auf dieser Seite ihre Pirnlager in die Mulde des
großen Aletschgletschers , des weitaus größten der
Alpen, von dessen gewaltigen Eismassen der Leser
eine annähernde Vorstellung erhält, wenn er be-
denkt, daß dieser einzige Gletscher, in Blöcke von
der Größe des Hotels Jungfraublick in Interlaken zer-
^) Hiezu die Beilage: Das Panorama vom Trugberg.
Ein photographischer Streif zug im Clubgebiet 63^
legt; genügen würde, um den Aeqnator mit einem*
continnirlichen Eisgürtel zu umspannen. Infolge dessen
tritt anch der Gletscherbach, die Massa, als gehöriger
Fluß zu Tage, und schlägt sich wildschäumend durch
tausend Felsengebilde in enggesägter Erosionsschlucht,,
umrahmt von prächtigen, tannbewehrten Gletscher-
schliffen, bis hinaus zur jungen Rhone, mit dieser
zum Thalstieg sich einend.
Doch wozu der vielen Worte — sagt doch ein
einziger Blick auf die Karte tausend Mal mehr! Nehmen
wir diese, die Excursionskarte dieses Jahrbuches, zur
Hand und steigen wir im Geiste hinauf in die Eis-
gefilde des großen Aletschgletschers, bis zur Ooncordia-
hötte, dem Ausgangspunkte für alle größeren Excur-
sionen in diesem Gebiete.
Es ist der 14. Juli 1885 und kein glanzvoller Tag*
Lautlose Stille herrscht ringsumher, nur dann und
wann fegt frostkalt ein Windstoß über die endlosen
Eisflächen mit jenem eigenthümlichen, stimmungsvollen
Rauschen, das nur der kennt, der selbst im Hoch-
gebirge gewandert.
Lustig wirbelt der Schnee umher, doch ist das
Schneegestöber nicht so dicht, daß es die Aussicht
gänzlich hemmte ; nein, wir ahnen noch die eisumlagerten
Formen der Jungfrau, des Dreieckhorns, der ebenen
Fluh und wie sie alle heißem, durch den wechselnd
dichten Schleier des Schneegestöbers.
Da! Horch! War das nicht ein femer „Juchz" ?
Ihr haltet schützend die Hand vor die Augen und spähet
ftcbarf in der Richtung des Märjelensee's hinaus, da
seht Ihr langsam, ameisenartig drei Punkte sich ^t^evt
^4 S. Simon,
Euch bewegen. Es sind drei Männer, die der Clubhtitte
zustreben. Näher und näher kommen sie, schon seht Ihr
«ie hurtigen Laufes die klaffenden Spalten überspringen.
Kastlos streben sie weiter, schon schlagen sie sich
mit zischender Eisaxt durch das Spaltenwirrwarr unter
der Hütte, schon haben sie die Schrunde hinter sich
^nd steigen wetteifernd die steile Halde vor der Club-
hütte hinan.
Ei der Kukuk ! Da der Eine ist Euch ja vielleicht
«chon vorgestellt worden als Säger, Müller, Schreiner,
Meßgehülfe, Portier, Führer, Vater von 11 Kindern etc.,
ja, ja, er ist's, es ist Tischhauser ! ^) Gestattet nach
herzlicher Begrüßung dem wackeren Mann, Euch auch
4ie Anderen vorzustellen. Und Tischhauser beginnt
ohne Umschweife:
„Der Andere hier ist auch ein vielseitiger Mensch,
«in Basler, dabei ein hübscher, junger Bursche, wie
ihr seht. Er arbeitet an den topographischen Vor-
arbeiten zu einem Präzisionsrelief des Berner Ober-
landes, ist jedoch sonst seines Zeichens — Hafner!
Dies hindert ihn aber nicht, auf den Basler Brettern,
die die Welt bedeuten, als Volksverführer, und in mehr
oder weniger stummen SpezialroUen, die ein hübsches
Aeußeres erfordern, entscheidend in den Lauf der
^Zeiten einzugreifen. Und damit der Basler ganz vollendet
«ei, heißt der junge Mann zum Ueberfluß noch Merian,
Emil Merian.
In seinem ganzen Leben war Merian noch nie in den
^) Johannes Tischhauser aus Sevelen, ein trefflicher
Piihrer aus dem St. Galler Oberlande, der beste Zögling der
von mir seiner Zeit geleiteten Führerschule. . S, Simon,
Ein photographischer Streifzug im Cluhgebiet. 65
Bergen und verdankt diese erstmalige Gelegenheit
dort dem trotz Schneegestöber hemdärmeligen, nackt-
wadigen, verwahrlosten Subjecte, das im Dienste des
^idg. topographischen Btireau's hier oben für mehrere
Wochen sein Unwesen treiben wird, dem Schreiber
dieser Zeilen."
Aber was ist das! Dort hinten kommt ja noch
-eine ganze Colonne den Gletscher empor: Zwei, vier,
sechs! Richtig! Es sind unsere Träger, sechs Mann,
die uns Holz, Proviant, Decken und das Plattenmaterial
vom Hotel Jungfrau am Eggishorn heraufbringen. Sie
haben gut geladen, die aimen Bursche, jeder bedeu-
tend über einen halben Zentner. Wir selbst kommen
heute mit unseren auch nicht allzu leichten Tornistern
von Viesch herauf. Langsam, doch stetig, kommt die
Trägerkaravane zur Clubhtitte emporgestiegen. Er-
schöpft stellen die Leute ihre Last ab. Die ClubhUtten-
thtire wird geschlossen, es dunkelt bereits, unstet
pfeift stoßweise der Wind um die Hütte. Die Eis-
iaainen donnern vom Dreieckhorn krachend heniieder,
da sitzen wir Alle ganz urgemüthlich hinter dampfen-
dem Mokka und freuen uns des Daseins und plaudern
und lachen, bis mälig Alle das Lager beziehen.
Gar bald verräth das ruhige rhythmische Athmen,
daß Alle Gott Morpheus umfangen, und Jeder opfert
ihm : Der mit kaum hörbaren Hauche, Jener mit Kraft
und Feuer und Nachdruck gleich Sägemtihlengerassel.
Es ist noch dunkle Nacht, da erhebt sich's in der
Führerabtheilung der Hütte: sie spähen nach dem
Wetter aus.
„Wie gsehfs dri?" ertönVs schläfrig von der
Pritsche der Chibistenseite ! „Schlecht, es regnet!"
66 S. Simon.
j,So! do schlofe mer witer!'^
Im Halbschlummer vernehmen wir noch vielstimmig'
die Worte: „Adie, mer danke denn!" und munkeln
schlaftrunken selbst etwas Aehnliches, da hören wir
die äußere Thtire aufgehen, es sind unsere secha
Träger, die nach dem Hotel Jungfrau heimziehen.
Es beginnt zu tagen. Mißmuthig schleichen trübe
Nebel den Gehängen entlang, indeß wir unsern photo-
graphischen Apparat in Kriegsbereitschaft setzen, die
Chassis laden und die Clubhtitte in Stand setzen.
Um allen Eventualitäten gerecht zu werden, treffen
wir zugleich Vorbereitungen für den kommenden Tag;
doch ohne große Hoffnungen sehen wir ihm entgegen»
Wider Erwarten hellt es aber gegen Abfend so
entschieden auf, daß ich meine beiden Gehülfen avisire,
sich für morgen auf eine allfällige Besteigung der
Jungfrau gefaßt zu machen und die entsprechenden
Dispositionen zu treffen.
Es ist etwas nach Mitternacht, da erhebe ich mich^
schlage Lärm und beharre darauf, sofort die Vor-
bereitungen zum Abmärsche zu treffen. Nach etwelchem
passiven Widerstände und dem Ausstoßen einiger un-
qualifizirbarer aber vielsagender Laute, die noch nicht
bleibend in den deutschen Sprachschatz übergegangen
sind, erheben sich nach und nach auch meine beiden
Genossen, und um 1 Uhr 30 Min. treten wir zum
Abmarsch aus der Hütte.
Kein Wölklein am tiefblauen Himmel ! Verheißungs-
voll blinken die Sterne funkelnd hernieder. Ein lang-
gedehnter Juchz dringt grüßend zur Jungfrau hinüber!
Das Laternchen wird entzündet. Wir binden uns
Ein photographischer Streif zii^ im Clubgebiet. 67
an's Seil, und Freund Tischhauser mit seinen Katzen-
augen tibernimmt die Führung über die Felsen hinunter
auf den ebenen Firn. Ihm folgt Merian, ich bilde den
Schluß. Jeder trägt seinen währschaften Tornister.
Eüstig geht es hinüber zur Grüneckmoräne und über
diese hinaus auf den Jungfraufirn.
Gleich einem Irrlicht strebt Tischhauser mit dem
unsichere, huschende Streiflichter werfenden Laternchen
jungfrauwärts, direct dem Ostausläufer des Roththal-
homes zu. Der Firn zeigt keine Spalten, und aus der
ganzen Configuration der Mulde schließen wir, daß
noch auf geraume Zeit keine solchen sich finden werden.
Hei! ist das ein prächtiges Wandern über den
knarrenden Schnee in belebender Morgenfrische. Und
immer näher rückt die Jungfrau heran, und höher und
höher wächst sie dämonisch empor, und Kranzberg
und Trugberg bleiben mälig zurück.
Prophetisch erscheinen die Vorboten des nahen
Tages. Im Osten dämmert es mehr und mehr, immer
lichter und lichter wird's. Es waltet jenes ahnungs-
volle Wehen und Weben, jenes Ringen nach Licht,
nach Klarheit, das uns stets mächtig die Seele erfaßt.
Doch siehe da ! es wächst die Steilheit des Firns,
riesige, weiche Firnspalten klaffen weitspannend uns
an, da übernehme ich selbst die Führung.
Keiner von uns hat je die Jungfrau von dieser
Seite gesehen. Tischhauser möchte über das Roththal-
hom die Besteigung versuchen. Merian hat noch gar
kein Urtheil; er war überhaupt noch nie in den Bergen,
als im Theater, und kennt die Alpen bis dato blos
von dort und vom Hörensagen.
68 Ä Simon,
Ich selbst ziehe vor, das Roththalhorn zu umgehen
und dem Roththalsattel zuzustreben, von dort führt
ohne große Wahl eine Eiskante direet zum Gipfel.
Die Steigeisen werden angeschnallt, und schneidig
geht es, durch riesige Spalten lavirend, um*s Roth-
thalhorn herum und den grandiosen Circus hinan, der
von den Eishängen der Jungfrau und des Roththal-
homs umschlossen wird. Wildgethtlrmte, phantastische
Eisgebilde hängen sturzdrohend an den jähen Flanken,
dem Fels nur in den Wänden der Jungfrau Durch-
blick gewährend. Ueber riesige, eisharte Lauinen-
trtimmer geht es stetig empor, da wird die Böschung
so steil, daß das Eisbeil von Nöthen.
Mit Macht zieht der junge Tag heran. Schon
ahnen wir die Sonne an der duftigen Glorie, die sich
drüben hinter dem Mönchjoche verheißungsvoll über
das Firmament ergießt. Da zuckt es jählings auf
am Gipfel der Jungfrau, weißglühend, lichtfluthend ;
die Sonne schlägt an.
Und tiefer und tiefer steigt das Lichtmeer her-
nieder, schon werden auch wir von ihm umfluthet.
Die ganze, wunderbare Pracht der frostglitzemden
Hoch weit entfaltet sich in überwältigender Majestät.
Kein Lüftlein haucht, kein Laut der Lebewelt
dringt zu uns empor. Nur unsere Eisaxt zischt rhyth-
misch im stiebenden Eise; sonst herrscht jene hoch-
weltliche Stille, die zu bewundernder Andacht hinreißt.
In dieser Stimmung dringen wir stetig empor;
schon naht der gewaltige Bergschrund des Roththal-
sattels, schon stehen wir unter ihm und bestaunen
stumm die jenseitige, sturzdrohende, von tausend fun-
Ein photographischer Streif zu>g im Clu>bgebiet, 69
kelnden phantastischen Eiszapfen umfranste Eis wand.
Schon traversire ich, eidechsenartig kriechend, sorg-
sam die luftige Schneebrtlcke, die über den Schrund
direct auf den Sattel führt, indeß Tischhauser und
Merian diesseits Posto fassen, um zu halten, falls die
Brücke unter mir brechen sollte.
Sie hält ! Meine Gefährten folgen nach, und über-
wältigt schauen wir vom Sattel in die grandiosen
Scenerien des schwindelnd tiefen Roththals hernieder.
Ein langgezogener Juchz dringt lebensfreudig in dieses
hinaus, mälig verklingend.
Nicht weit über dem Sattel ragt Fels aus dem
Firn der Jungfrau hervor ; stufenhauend steigen wir zu
diesem empor, bis sich ein geeigneter Rastplatz bietet.
Es ist ein herrlicher Punkt, ein Plätzlein zum Gesunden,
und mancher in sich selbst zerfallenen, brachliegenden
Existenz, könnte sie sich einmal zu frischfröhlichem
Wagen entflammen, würde an solcher Stelle neue
Kraft, neue Lebenslust, neue Schaffensfreude erblühen.
Die Aussicht ist überwältigend grandios. Die Karte,
etwas Vertrautheit mit dem Hochgebirge und etwas
disciplinirte Phantasie gewähren uns eine bessere Vor-
stellung als die weitläufigste Beschreibung. Klar liegt
der Anstieg vor uns, und um mich nicht allzu sehr zu
ermüden, übergebe ich Tischhauser die Führung, habe
ich doch bis hieher gegen tausend Stufen gehauen.
Flott haut nun Tischhauser seinerseits die Stufen, die
Merian und ich für den Niederstieg erweitem.
Nach langer Hackerei stehen wir auf den höchsten
Felsen. Ein schwindelnder Eisgrat zieht sieh zur letzten
Schneide empor, die sich schlank und luftig in den
70 S. Simon.
blauen Aether emporschwingt. Links schießt die Eis-
wand kirchdachjäh zur Silberhornmulde , rechts zum
Jungfraufirn des Aletschgletschers hernieder.
^Dört cha me nit photographiere!'' schallt's ein-
stimmig aus dem Munde meiner Begleiter. „Aber do
seht me jo nit!" ist meine Antwort, und ohne lange
Redensarten trete ich an die Spitze unserer Colonne
und haue direct auf schwindelnder Eiskante balancirend
rüstig Stufen in diese.
Für Tischhauser und mich kann ich garantiren,
daß wir nicht ausgleiten oder schwindlig werden, und
sollte Merian auf die eine Seite ausgleiten, so hätte
Tischhauser sogleich zur Balance auf die andere Seite
zu plumpsen ; das sind unsere knappen Dispositionen.
Merian hat sich bis dato sehr brav gehalten, ist
es doch nicht gerade Jedermann's Sache, als erste
Bergtour die Jungfrau niit einem Tornister von der
Schwere eines Militärtornisters zu bewältigen. Tisch-
hauser und ich haben analoge Rtickenwärmer , denn
unser Instrument fällt in's Gewicht.
Das Seil zwischen mir und Merian, 15™, ist ge-
spannt, und Sache Merian's ist es nun, sein alpines
Meisterstück zu liefern und mir von den Felsen auf
die Firnkante zu folgen. Nicht ohne einiges Bangen
schaut er in die beidseitigen Tiefen; es zieht ihm
die Beine zusammen, als ob er Krämpfe bekomme
und auf die Schneide absitzen wolle.
Ich habe mich umgedreht, um auf Alles scharf
aufpassen zu können: „Nur ufrecht, nit absitze, s'goht
viel besser!" ist mein Trost. „Nur d'Füeß guet igsetzt
und immer in d'Stuefe gluegt!"
I
Ein photographischer Streif zug im Clubgebiet. 71
Die Beine Merian's strecken sich wieder, und auf-
recht folgt er mir nach. Es geht ganz ordentlich.
^Brav e so!" ist Tischhauser's Bemerkung, und dieser
vertrauend haue ich, ohne mich weiter umzusehen, rüstig
die Stufen bis zum Gipfel. Merian und Tischhauser
folgen ruhig und sicher nach.
Der höchste Punkt liegt unter mir, doch hier ist
keines Bleibens, kaum gewährt er mir Raum zum
Aufrechtstehen ! Aber wollen wir hier photographiren,
80 bleibt keine Wahl, als den Gipfel um so viel ab-
zunehmen, bis die Schnittfläche genügt, um das In-
strument aufzustellen.
Wir hauen für Merian und jeden Tornister eine
große Stufe in's Eis, dann beginnen Tischhauser und
ich die Enthauptung der Jungfrau.
Volle anderthalb Stunden haben wir aus Leibes-
kräften drauflosgehauen. Die Jungfrau ist etwa l ^'2 ^
TÜedriger geworden — da scheint der Raum zu ge-
nügen. Das Instrument wird aufgestellt, die Füße
werden in das großblasige, brüchige Firneis gestemmt,
dann geht es an's Photographiren. Tischhauser und
ich operiren mit dem Instrumente, indeß Merian von
seinem Platze aus die Chassis übermittelt und wieder
deponirt. Jeder hat vollauf zu thun und nicht ohne
«eiltänzerische Evolutionen wird glücklich in einer
weiteren halben Stunde die Hochgebirgsrundsicht in
6 Platten aufgenommen. An's Trianguliren ist des
knappen Raumes und hauptsächlich des schon seit
einigen Stunden sich immer kräftiger entwickelnden
Windes wegen nicht zu denken, und so treten wir,
nachdem uns der eisige Luftstrom durch und durch
ausgekühlt, um 1 Uhr 10 Min. den Rückweg an.
72 S, Simon,
Vorsichtig geht es in den Stufen hinunter zum
Roththalsattel, und ohne Halt weiter über hüftentief
erweichte Schneebrücken und bodenlose Firnfeldw
nach dem Jungfraufirn. Erdrückend heiß, fast unaus-
stehlich umbrütet uns die allseitig reflectirte Sonnen-
gluth. Die Gesichtshaut ist total geröstet, trotzdem
werden noch 2 Platten exponirt.
Nun folgt der spaltenlose Gletscher. Das Seil
wird aufgerollt, dann traben wir etwas abgespannt
der Hütte zu, die wir etwa um 8 Uhr erreichen.
Das Nachtessen, Kaffee mit condensirter Milch
und „Tatsch", schmeckte vortrefflich und nicht minder
auch die Nachtruhe.
Etwas abgespannt vom gestrigen Tagewerke, treten
wir am 17. erst 9^^2 Uhr Morgens an. Die nassen
Kleider und Effecten werden getrocknet, und schließ-
lich wird von der Hütte aus triangulirt.
Während der Arbeit sehen wir eine Karavane von
6 Mann der Hütte zustreben, und zu meiner Freude
entpuppt sich diese , meine Ahnung bestätigend , ala
die photographische Expedition Sella^s. Gar bald
haben wir gute Bekanntschaft geschlossen und ent-
schließen uns dazu, in Zukunft so viel als möglich
gemeinsam zu handeln. Es wird denn auch für den
folgenden Tag gemeinsame Fahrt auf das Finster-
aarhorn in Aussicht genommen. Nach einem urgemüth-
lichen Abend wird das Lager bezogen und Alle schlafen
herrlich und in Freuden.
Gegen Mitternacht erhebt sich Freund Tischhansery
um nach dem Wetter „auszulugen'*. Es sieht nicht
vielverheißend drein! Wild wogt der Nebelschleier
Ein photographischer Streifzug im Cluhgebiet, 7$
um die Jungfrau uud dröhnend gehen die Eislauinen
vom Dreieckhorn zu Thal. Kleinlaut kriecht unser
Späher nach kurzem Berichte wieder auf seine
Matraze. Nun erhebt sich Vittorio Sella, füllt seine
Chassis; auch ich erhebe mich, um mir ein eigenes
Crtheil über die Witterung zu bilden. Wie freue ich
mich, das gethan zu haben!
Fem drunten in Italien tobt ein grandioses Ge-
witter. Hiesige Haufenwolken ballen sich um die
Walliser Alpen, glühende Blitze blendend entsendend,,
daß sieh die Berge gleich schwarzen Dämonen vom
Goldgrund der aufleuchtenden Wetterwolke abheben.
Alles umrahmt vom Becken des Aletschgletschers^
über das hinaus wir wie auf einer Bühne den Riesen-
kampf der entfesselten Naturkräfte sich abspiele»
sehen. Wohl eine Stunde lang schauen wir dem herr-
lichen Schauspiel zu, und da wir sehen, daß die
Gewitterzone stationär bleibt, so entschließen wir
nns, in Anbetracht der vorgerückten Zeit, zu etwaa
Kleinerem — zum Faulberg.
2 Uhr 40 Min. erfolgt der Abmarsch, und da es
hloß eine Stunde bis zum Faulberggipfel ist, so nimmt
unsere Expedition keinen Proviant mit, um so mehr^
als wir schon Vormittags zurückzukehren gedenken^
um Nachmittags dem Ausläufer des Dreieckhorns einen
B«8uch abzustatten.
Ich lasse Sella mit seiner Expedition den Vortritt,
UDd es führt mit meinem Laternchen Moritz Salzmann,
ein sympathischer Mann und wackerer Führer, die
erste Partie, indeß ich selbst die Führung unserer
Expedition übernehme.
74 5. Simon.
Haarscharf, wie ich den Weg ZHm Trugberg dem
«IneD Träger Sella'a als wahrscheinlich beschrieb,
flthrte uns Moritz trngbergwärts. Schon nach den
«rsten Schritten erkannte ich, daß es nicht dem Faul-
berg, sondern dem Trugberg gelte — sagte das auch
sofort Vittorio Sella, mit dem Bemerken, daß wir ohne
jeden Proviant seien, jedoch nichtsdestoweniger die
Partie ausfechten würden.
Lnstig geht es anfwärts. Erst durch den sehr
interessanten Gletscherbruch des Ewigschneefirns über
kuhngebaute Eisthtlrme hinüber zur Moräne des Trug-
bergfirnes, dann dieser entlang zu einem auffallenden
Schneeflecke und über diesen empor zu steilgethürmten
Felsen, die eine allerliebste, gefahrlose Kletterei ver-
ursachen. Bald stehen wir oben auf dem Schnee-
plateau des Trugbergea und eilen stetigen Sehrittes,
mächtige Spalten anf luftigen Brllcken traversirend,
n Gipfel zu. Lustig schlägt Moritz diesen empor die
ifen, und schon 6 Uhr 35 Min. haben wir den SUdglpfel
ter den Füßen. Da Alles einig ist, es sei dies der
ite Punkt, bleiben beide Parteien hier: Sella ex-
nirt 6 Platten, indeß ich mit 8 Platten die Rand-
ht aufnehme und hernach triangulire.
Bis 9 Uhr 30 Min. bleiben wir oben und steigen
nn ohne jede Gefahr hinunter zu den Gletscher-
üchen, wo Sella und ich je 2 Platten exponiren.
n li'ii Uhr erfolgt der Abmarsch nach der Con-
rdiahütte und 1 Uhr 20 Min. treifen wir hier wohl-
halten ein, nachdem uns das zurückgelassene La-
nchen zu einigem Suchen veranlaßt, das durch
ennd Tischhauser's scharfes Auge beendigt wurde.
Ein photographischer Streif z}Ag im Cluhgebiet 75
Wir legen uns zeitig zu Bette, nachdem wir noch
erfindlich abgekocht und die Cassetten frisch geladen,
denn morgen soll es dem Finsteraarhorn gelten.
So, das sind einige Tage unserer Campagne ! Und
wochenlang geht es so im gleichen Style fort. Eine
Menge Hochgipfel, Vorder-Rinderturren , nördliches
Walliser- Viescherhom , Mittaghorn , werden mit dem
Apparat besucht, auch das stolze Finsteraarhorn mit
«einem Vorposten, dem Finsteraar-Rothhorn, nicht ver-
schont. Da die Besteigung des letzteren in unseren
Jahrbüchern noch nicht geschildert worden ist, mögen
einige Angaben über dieselbe hier als Tagebuchauszug
folgen :
27. Julif Rothhornsattel und Finsteraar-Rothhorn,
„Ein wolkenloser Morgen und kein Wind!" Das
unser Jubelruf, als wir 2 Uhr Morgens vor die HUtte
treten. Ein originelles Frühstück, bestehend aus einer
guten Dosis Käse und einer Flasche Champagner, mit
der uns Papa Cathrein (vom Hotel Jungfrau) überraschte,
bildete die heutige Operationsbasis.
Erst 3 Uhr 15 Min. wurde abmarschirt. Zum
fünften und letzten Male traversirten wir die Grün-
homlticke (4 Uhr 45 Min.), dann den spaltenreichen
Walliser- Viescherfim, und machen am Fuße des Roth-
homs eine kurze Rast. Um 6 Uhr steigen wir gegen
den Rothhornsattel (Gemslücke) und deponiren hier
angekommen unser Gepäck. 7 Uhr 20 Min. beginnen
vir mit dem Anstieg gegen das Rothhorn, blos den
Phototheodolit mitfUhrend, und langen nach flotter
Kletterei (unmittelbar dem Grate entlang, der die Fort-
76 S, Simon.
Setzung des Finsteraarhorns bildet, also direct von
Nord nach Süd ansteigend) Punkt 8 Uhr auf dem
Gipfel an. Die Kletterei ist vielleicht ein Bischen
schwieriger als jene vom Hugisattel zum Finsteraar-
horn, immerhin nicht schwer.
Den Gipfel bildet ein genau von West nach Ost
laufender, fast horizontaler Schneegrat, auf dessen
Ostecke wir operirten. Die Aussicht ist wunderschön^
gewissermaßen mit dem Trugberg verwandt, denn man
steht mitten in einer Gletschei'wildniß drinnen, kaum
ahnend, daß weiter draußen noch cultivirtes Land
seine Früchte reife. Ein Steinmannli als Wahrzeichen
früherer Besteigungen fanden wir nicht. Auch jetzt
noch ziert den Gipfel keines, denn wir hatten keine
Zeit, uns mit der Errichtung eines solchen abzuplagen.
Aber eine sehr gut geglückte photographische Rund-
sicht vom Gipfel aus kann wohl einem Steinmannli
als ebenbürtig zur Seite gestellt werden.
Nachdem 8 Platten exponirt und triangulirt worden,
wird der Rückweg angetreten. Das deponirte Gepäck
wird aufgenommen (Niederstieg 11 Uhr 15 bis 12 Uhr),
dann geht es im Eilmarsche in tief erweichtem Firn-
schnee hinüber zur Oberaarhütte, einem trefflichen
HUttchen, das der Section Biel alle Ehre macht."
. Gar gemüthlich hatte sich das Clubhüttenleben in
Concordia- und Oberaarhütte entwickelt, als wir endlich
unsere Standorte erschöpft sahen und hinaus ziehen
mußten in's Land, wo Englisch und Muscat fließt,
nach dem Hotel Jungfrau am Eggishorn. Offen ge-
standen : mir graute vor dem Hotelleben ; wie herrlich
war es doch in der ungebundenen, wenn auch ent-
Ein photographischer Streifzug im Cluhgehiet 77
behrungsvoUen und strapazenreichen Clubhütte! Aber
item, es muß sein, denn es wäre unsinnig, den untern
Theil des Aletscligletschers, von der ClubhUtte aus-
gehend, zu studiren. Mit ungleich andern Gefühlen
ziehen aber meine Gehülfen hotelwärts. Sie schwimmen
in Wonne und Seligkeit ob des zukünftigen Hotel-
lebens, das ihnen nach den Strapazen der Clubhütte
in phantasieverklärter Glorie wie ein Land der Ver-
beißung entgegenwinkt. Schwer bepackt, schweiß-
triefend kommen wir nach mancherlei photographischen
Abenteuern von der Oberaarhütte über den Viescher-
gletscher und dem Märjelensee entlang zum Hotel
Jungfrau.
Papa Cathrein, der klassische Wirth, empfängt
uns als vollendeter gentleman und sorgt des Umsich-
tigsten für unsere Bedürfnisse. Bald sehen wir uns
gleich sehr getäuscht, meine Gehülfen und ich, denn
es gefallt mir im Hotel vorzüglich. Ich knüpfe eine
Reihe der angenehmsten Bekanntschaften mit eng-
lischen Familien an, bin ich doch gewöhnlich des
Abends zur table d'höte im Hotel zurück, und meine
Oehülfen, die auf Erlahmen der Energie in den Be-
quemlichkeiten des Hotellebens als selbstverständlich
gerechnet, sehen sich nicht minder getäuscht, denn
wenn es das Wetter nur irgendwie erlaubt, sieht man
bei stockdunkler Nacht oder bei Mondenschein drei
Männer zu schwerem Tagewerke dem Hotel enthuschen
lud eilenden Schrittes der Hochwelt zustreben.
Wir bestiegen u. A. in der Kette des Eggishoms
außer diesem selbst das Fiescherhom (2900™) und das
Bettmerhom (2865 ™), ferner das Sattelhom oder Geiß-
hom (3746°») und das Setzenhorn (3065°»).
78 S, Simon,
Bald ist auch dieses Gebiet erschöpft, und nuir
geht es hinüber über die Riederfurka zur Beiaip. Auch
hier sind wir vorzüglich aufgehoben und leisten so-
ziemlich das Schneidigste unseres Arbeitsprogrammes*
Das Wetter ist aber auch klassisch schön, kaum
einen Tag kommen wir zum Rasten, und meine Ge-
hülfen, die schmerzen früh Morgens beim Abmärsche
schon alle möglichen Glieder und Körpertheile.
Ja ja, es ist eine strenge Zeit, und wenn ich in
meinem Eifer vielleicht einmal zu weit ging und zu
große Anforderungen an die Leistungsfähigkeit und
den guten Willen meiner Begleiter stellte, so mögen?
sie mir dies nicht allzu herb anrechnen, schonte ich
doch auch meine Person ganz ebenso wenig.
Die Rtickerinnerung, die stets das Schöne bewahrt
und die Strapazen vertuscht, wird meinen beiden
Gefährten einen idealen Ersatz bieten für diese männ-
lich durchkämpfte Sturm- und Drangperiode, in welche
einige Tagebuchblätter einen directen Einblick ge-
währen mögen:
(Copie des Tagebuches vom 15. bis 18. August.)
15, August /Samstagjf Ausläufer des WeijShorns,
Es ist eine wunderschöne Nacht, als wir una
2 Uhr Morgens nach dem Wetter umsehen. Es wird
daher das Schienhorn in's Auge gefaßt, und 3 Uhr
Morgens frischfröhlich bei Latemenschein diesem zu-
gestrebt. Es geht Alles vorzüglich!
Schon haben wir den Oberaletschgletscher seiner
ganzen Länge nach bewältigt, schon liegt die ganz»
Anstiegsrichtung zum Schienhorn vor uns klar und
Ein photographischer Streif zug im Clubgebiet. 79
offen, da gewahren wir zu unserer unangenehmen
üeberraschung , daß blankes Eis fast ausschließlich
die oberste Anstiegspartie bildet. Bei der heillosen
Steilheit der Hänge hätten wir bis Abends 4 Uhr
Stufen hauen können, und dann wäre es wohl zum
Photographiren zu spät geworden. Wir abstrahiren
daher vom Schienhorn und wenden uns dem Weiß-
horn zu. Doch auch dieses scheint nicht verführerisch.
Wir wollen den Stier bei den Hörnern packen
nnd direct den Anstieg forciren. Doch gerathen wir
bald in ein so heilloses Spaltenwirrwarr, daß an ein
weiteres Vordringen kaum mehr zu denken. Eine
zeitraubende Umgehung hätte uns vielleicht an eine-
ttbereiste Felswand von circa 60 bis 65 ** Neigung
gebracht, aus der sturzdrohende Felsblöcke dämonisch
hemiederstarren. Unter großer Lebensgefahr hätte
sieh dort vielleicht mit heillosem Zeitaufwand der
Anstieg erzwingen lassen. Die Klugheit gebot aber
Halt. Ich erklärte uns für heute vom Weißhom ge-
schlagen, aber morgen soll der Angriff erneuert
werden.
Wir treten daher den Rückweg an und steigen
am Stidausläufer des Weißhoms neuerdings empor,,
gleichzeitig einen einigermaßen praktikabeln Zugang
zum Weißhorn erspähend.
Nach vielem Hij- und Herklettern wird endlich
ein guter Standpunkt für photographische Aufnahme^
gefunden, und es werden von dort unter gleichzeitigem
Trianguliren 5 Platten exponirt. Schließlich wird der
Rückweg angetreten, und oberhalb der Aletschhütten
kommen weitere 3 Platten zur Belichtung und zum
r-
>
^0 S. Simon.
Eintrianguliren. Gegen Dunkelwerden treffen wir im
Hotel wieder ein, ganz zufrieden mit unserem Tage-
werke.
10. August (Sonntaqjy Weißhoim.
Wieder um 2 Uhr Tagwache! Um 3 Uhr wird
^em Weißhorn zugesteuert, fest entschlossen, dies
Mal den Anstieg zu erzwingen. Ist es doch im Becken
^ies Oberaletschgletschers so central gelegen, daß kein
Punkt für meine Zwecke so geeignet ist. Schneidig
geht es denn auch bergan. Bald sind wir am Südost-
ausläufer des Weißhorns, wo wir gestern photo-
graphirten, angelangt, und traversiren über das Schutt-
band zwischen Moränenpunkt (2807™) und Gipfel
(3131 "») des topographischen Atlas hinüber auf den
vom Weißhorn in wilden Brüchen sich ergießenden
Oletscher. In flottem Aufstieg wird dieser zum Theil
auf riesigen Schneebrücken bewältigt.
Den obersten Gipfel bildet ein wild ausgesägter
Felszahn. Wir lösen uns vom Seil los, lassen dieses,
da es nur hinderlich scheint, am Fuße der Felsen
zurück und klettern lustig empor. Ich hielt den Berg
für jungfräulich, aber wenige Meter unter dem thurm-
artigen Gipfel finden wir eine Flasche mit dem Namen
Mr. Coolidge's, des unerschrockenen Bezwingers des
Schreckhorns zur Winterszeit. Aber die allerhöchste
Spitze, obgleich nur wenige Meter über uns empor-
ragend, sieht nicht gerade verführerisch aus.
Wie drohende Finger starren zwei Felsnadeln
«Chief überhängend in die Luft hinaus. Kaum be-
greift man, daß sie nicht in Folge der eigenen Schwere
Ein photographischer Streif zug im ClubgebieU 81
niederdonnern über die heillosen Felshänge, die fast
«enkrecht zum Beichfim und Aletschfirn niederstürzen.
Unmöglieh scheinen sie noch zu vermögen, einen
Ifenschen zu tragen, und doch müssen wir da droben
operiren, denn sie verdecken uns den besten Theil
4er Aussicht.
Wir bereuen nun sehr , das Seil zurückgelassen
zvL haben, doch es« ist zu spät, um es zurückzuholen,
denn die Zeit drängt, werden doch die Eisbrücken
-drunten je länger desto weicher. Vorsichtig klettere
ich daher den letzten Felsthurm hinan, unmittelbar
gefolgt von Freund Tischhauser. Der oberste Block
ist total geborsten und hängt bedenklich über!
Ehe ich ihn zu erklimmen versuche, rüttle ich
noch aus Leibeskräften daran, vielleicht purzelt er
hinunter, aber nein, er hält leider fest. Es bleibt
daher keine Wahl, als hinaufzukriechen.
Der höchste Block liegt unter mir. Es sieht nicht
gemüthlich aus und von Photographiren hier oben
ist keine Rede, da das Instrument unmöglich Platz
£nden würde.
Doch sieh da, unmittelbar über den heillosen Ab-
gründen entragt ihm nur wenig tiefer ein Gesimse,
-ob er wohl noch hält, wenn man auf dieses tritt?
Der Versuch muß gemacht werden!
Ich überkrieche den Block, indeß Tischhauser der
Länge nach diesseits auf der Felsfläche ausgestreckt
als Gegengewicht dient und mich zugleich am Kragen
-erfaßt, um mich zu halten, falls das faule Gesimschen
ausbrechen sollte.
Doch es geht gut, und so beschließe ich von hier
ß
82 Ä Simon,
aus zu exponiren. Wie der Apparat aufgestellt wtird«^
zn welchen Stellungen ich mich zusammenlassen mußt«;,
das läßt sidi nicht heschreiben, da ist das Photo-
graphiren auf dem EiögiÄtchien der JFtfogfrati eine
pure Spielerei dagegen.
Nur das sei erwähnt, daß während ^er ganzen*
Operation Tischhauser als Gegengewicht diente. Zu-
gleich hielt seine ^e Hand «ine Schnur, die um den
Stativkopf gebunden war, um in halten, wenn das-
Instrument sammt dem Gesimse und mir herunter-
purzeln wollte. Mit der andern hielt et mich höchst
liebreich kräftig am Kragen, nm auich mSch Bclbst vor
dem Sturze zu sicJiem, wenn ich in Folge meiner
Bewegungen, die in vortÄcMSgster Kniefeeuge und Ma-
nipulationen mit den Annen bestanden, meinen Stand-
punkt zum Ausbrechen bringen sofßte.
Unmöglich konnten die Kassetten mit den Platten
noch irgendwo auf detn PdErthurme Platt finden. Wir
deponirten dahefr die OaBsetten am Fuße desseTben,.
und Sache Merlans war es nun, *(lr jedcfs Chassis je
ein Mal zu uns herauf und wieder zum Ohassiska^en
zurück zu klettern. MänniglicSi löste j^eine Aitfg&be zu
voller Zufriedenheft. Aber es *wat doch 'ein tenffisch«r
Standpunkt, wie ich ihn ti^ nicht g'eräde jeden Tag"
wünschte.
Die Aussicht ist wunderbafr s<ton, d:€fr Anblick
der Breithorn-Nesthom-Eette geradezu überwallend.
Zehn Plätten wurden hier ö*ponirt, aum Theil
von einem andern Standpunkt, und Ifierauf wurde
von einem dritten Standpunkte aus ti^gttlirt, denn
die beiden photographischen Standpunkte hätten aus-
Ein photographischer Streifzitg im Clubgebiet. 88
naheliegenden Gründen ein Trianguliren nicht ge-
stattet. Sciiließlieb wurden die drei Standpunkte unter
sich coordinirt.
Schon 8 ühr 40 Min. war der Gipfel erreicht
gewesen, doch erst 12 ühr 30 Min. war unsere Ar-
beit Yollendet.
Nicht ohne einige Besorgniß über den Zustand
der Schneebrttcken traten wir den Rückweg an und
fthrten ihn zwar mit Aufwand aller Varsieht, aber
doch so rasch durch, daß wir schon 4 Uhr Nach-
mittags wieder im Hotel eintrafen. Sofort wurden die
Chassis lungeladen und der Tagesbefehl fUr morgen
edassen. Es gilt dem Fußhomvorsprung.
il. August (Montag), Fußhomvorsprung.
Ein kalter, bissige ^ordoät bläst Jb Uhr Morgens
Tagwache.
6 Uhr 15 Min. marschiren wir dem Oberaletfwh-
gletseher zu und steigen diesem entlang bis jsum
nördlichsten Ausläufer d^ Fußhoniketta. Erst über
eine impertinente Moräne, dann steiie Pelsschliffe
hinan geht es flott kleüiemd ^u einem guten Stand-
punkt bietenden Sücken des Fußhomgrates.
9 Uhr Möllns ist ein solober gefunden. In 10
Phitten wird von zwei Punkten aus die Bundsicht
aufgenommen, dann triangulirt bis 1 Uhr 45 Min.
Ohne Weiteres wird nun der Rückweg angetreten,
und schon 3 Uhr 45 Min. sind wir im Hotel zurück.
Unterwegs wurden noch Farbstudien über die
Moränen und die Uf^'gesteine des Oberaletseh-
gletschers an Hand einer Skizze ausgeführt und ent-
84 S. Simon.
sprechende Gesteinsproben gesammelt. Wohl selten
finden sich solch' frappante Farbencontraste.
i8. AuguFt /Dienstag/. Breithorn.
Schon 1 Uhr 30 Min. ist Tagwache, und 2 Uhr
15 Min. wird der Abmarsch angetreten. Es gilt dem
Lötschenthaler Breithorn. Bei Laternenschein wird
munter dem Oberaletschgletscher zugestrebt. Flott
geht es den Gletscher empor, und bald stehen wir
unter dem Gletscherbruch, der dicht neben dem Nest-
horn hemiederkommt und als Anstiegsrichtung zum
Nesthorn dient. Diesen benutzen wir zum Aufstiege.
Gestern hat ein Amerikaner das große Nesthorn
bestiegen, und von seiner Expedition sind noch famose
Stufen vorhanden, die uns spielend empor gelangen
lassen. Der Anstieg ist wunderschön und hat viele
Aehnlichkeit mit dem Labyrinth der Berninapartie.
Beidseitig thttrmen sich hohe Eisgebilde empor, manche
sturzdrohend, schief aufragend. Da ist Eile vonnöthen,
deßhaib wird wacker ausgeschritten
In auffallend kurzer Zeit sind wir oberhalb dieser
grandiosen Eisbrüche und sehen uns auf einem ver-
hältnißmäßig ebenen, von riesigen weichen Fim-
schrtlnden durchzogenen Plateau, zwischen dessen
Spalten wir ziemlich direct dem Lötschenthaler Breit-
horn zuhalten können.
Ein orkanartiger Wind, der während des ganzen
Aufstiegs gewüthet hatte, begleitet uns mit wahrhaft
infernalen Weisen bis zum Bergschrunde, der sieb
gleich einer Cravatte rings um den Gipfel legt. Das
letzte Köpfchen ist sehr steil, doch wird es trotz des
IJifi photographischer Streif zug im Clubgebiet 85
famosen Bergschrundes ohne Schwierigkeit überwunden,
und sturmgepeitscht stehen wir auf dem nördlichen
(Fel8-)Gipfel.
Das Steinmannli wird sofort gelyncht, da es uns
am Aufstelleu des Instrumentes hindert. Und nun
wird aufgestellt und photographirt — aber wie!
Fast unmöglich ist es, bei dem eisigen Winde auf
dem Gipfel auszuhalten, der einem so intensiv durch
die dünnen Kleider saust, daß es uns scheint, er
blase direct auf die bloße Haut. Bald werden mir
die Finger so starr, daß eine Bewegung derselben
zur Unmöglichkeit wird. Ich steige daher in den
Windschutz hinunter und lasse den einen Gehttlfen
das Instrument festhalten, damit es nicht herabge-
schleudert würde, indeß ich mich durch rasche Kraft-
anstrengungen insoweit erwärme, daß es mir wieder
möglich wird, die Schieber- zu ziehen und den Ob-
jectivdeckel zu lüften. Leider thürmt der Wind Nebel
empor, die uns zudem noch veranlassen, lichte Mo-
mente abzuwarten, und kaum habe ich die Rundsicht
exponirt, so hüllt sich der Gipfel schneeumwirbelt in
dicke Nebelballen ein. Es beginnt regelrecht zu
schneien, und an's Trianguliren ist nicht mehr zu denken.
8 Uhr 40 Min. hatten wir den Gipfel erreicht,
10 Uhr 10 Min. treten wir den Rückweg an, kaum
einer Bewegung fähig vor Frosterstarrung. Mit stets
zunehmender Heftigkeit umtobt uns der Wind, so daß
wir uns beeilen, baldmöglichst den Gletscherbruch
zu erreichen. Zum Glück ist dieser etwas im Wind-
schutze, sonst wäre wohl der eine oder andere Eis-
thurm umgestürzt worden und herniedergewettert, ein
86 S» Simon,
Ereigniß, das uns in unserm schmalen Eisconloir eine
bedenkliche üeberraschung bereitet haben würde.
Ruhig, kaltblütig wird aber niedergestiegen, denn
bei dem heillos steilen Gehänge heißt es sicher in
die Stufen des spiegelblanken Eises treten. Ein Fehl-
tritt des Einen würde Alle die Bekanntschaft des
nächsten der vielen Schrunde machen lassen, die weit
klafend unser Couloir durchziehen und auf schmalen,
luftigen Eisbrücken bewältigt sein wollen.
Schon um 11 Uhr 30 Min. sind wir am Fuße der
Eisbrüche, und erleichtert athmen wir auf, sind wir
nun doch außer Oefahr,
Gewiß kam es von Herzen, als ich hier, den
ganzen Weg nochmals überschauend, einem kirch-
thurmhohen Eiskoloß zurief: „So, jetz ghei nummen
abe, genier di nit!^ — hätte doch der Bursche beim
Zusammenbrechen das Couloir so total ausgefegt, daß
a& ein Entrinnen schwerlich zu denken gewesen wäre.
Nach kurzer Rast geht es weiter. Um 1 ühr
7 Min. sind wir am Ende der Moränen, auf gebahntem
Wege, und 2 Uhr 5 Mm. schon wieder frisch und
munter in Beialp zurück, nur bedauernd, daß uns das
Wetter nicht gestattete, gleichzeitig auch das Nest-
horn zu besteigen, von dem aus ich sehr gerne einige
Platten exponirt hätte. "^
(Ende der Tagebuchcopie.)
Und so geht es fort, Tag für Tag. Wir über-
siedeln bald in's Lötschenthal und stürmen theils von
Ried, theils von der Bietschhomhütte aus mehrere
Punkte der Bietschhorn- und derLötschenkette: Bietsch-
horngrat, Grindelspitzen, Spahlrhorn.
Ein phaU)gra^^hi8Qher Streif zusf m Cltibgübiet. 87
Im Ganzen führten wir in 48 sich folgenden
Tagen 30 Besteigungen und 15 Paßühergänge aus.
Der Witterungsumachlag und die DiYiaion6man<5ver
«rheisehen unsere Rückkehr,
£» ist der 26, August, ein trostloser Tag. Trübe,
melancholisch, bewegungslos hängt das Gewölke um
die Bergeshäupter. Einzelne Tropfen fallen hernieder,
die unzähligen Heuschrecken leiden entschieden an
Husten und Zipperlein. Den Vöglein ist das Pfeifen
vergangen. Kalt durchfeuchtet der Regen die Kleider ;
68 könnte nicht trostloser sein.
Da eilen drei Bursche der Lonza entlang thalaus,
Oampel zu, jauchzend und johlend wie die Wilden.
Und freudig plaudern sie zusammen und finden das
Thal so wunderschön: die Wälder, die Flußscenerie,
die Wasserfälle, die malerischen Dörfchen, daß alle
Schönheiten des Hochgebirges nur eitel Dunst da-
gegen. Sie können sich an der regnerischen Land-
schaft nicht satt sehen.
Ihr habt die Drei schon erkannt und seid erstaunt
Sber die Macht des Stimmungsumschlags:
Lange ausschließlich bewohnt, übt eben doch die
Hochwelt auf uns den Eindruck des wüsten, des öden
Gebirges aus. Nur im Contraste wirkt sie bestrickend,
und auch der Eindruck des üeberwältigenden schwindet
mehr und mehr, wenn wir uns wochenlang ausschließ-
lieh darin bewegen.
Es bedarf dann einer aufrichtigen Liebe zur Sache,
soll im täglichen Ringen, Entbehren und Wagen die
Energie und die Geistesfrische nicht erlahmen
Aber dennoch sind es schöne Zeiten, an die wir
88 S, Simon, Ein photographischer Streifzug im Clubgehiet,
trotz ihrer Entbehrungen nnd Strapazen stets mit
warmem Herzen zurückdenken.
Und hiemit; lieber Leser, auf Wiedersehn ! Und
sollte etwa das Eine oder das Andere zum Selber-
schauen angeregt haben, dann: „von Herzen glückliche
Reise!"
Der neueste Jungfrauweg.
Von
V', von Almen, Lauterbmnnen.
Wenn man bedenkt, welch' enormen Aufwand von
Zeit und Mühe es erfordert, um den Jungfraugipfel von
Grindelwald aus, vom Eggishorn her oder über die
Kleine Scheidegg zu erreichen , so kann man sich
nicht wundern, daß man immer und immer wieder
zum Roththal zurückkehrte, als dem am nächsten ge-
legenen, also natürlichsten Ausgangspunkt zur Be-
steigung der Jungfrau.
Nachdem schon 1828 die englischen Bergsteiger
Yeats Brown und Fred. Slade einen vergeblichen Ver-
such gemacht, die Jungfrau vom Roththal aus zu be-
steigen '), gelang es am 9. August 1864 den Herren
Leslie Stephen, Macdonald und Craufurd Grove, durch
das steile und gefahrliche Couloir, das sich direct
gegen den Roththalsattel zieht, diesen und drei Viertel-
stunden später den Gipfel zu erreichen. Damit war
0 Siehe Studer: Ueber Eis und Schnee. Supplementbandy
pag. 10.
"90 F. V. Almen.
der Zugang zur Jungfrau vom Roththal aus gefunden ;
direct war er, aber weder kurz noch gut. Es dauerte
auch volle sieben Jahre, bis die Besteigung auf diesem
Wege wiederholt wurde, und zwar am 21. Aug. 1871
von den deutschen Alpinisten Herren Voigt und Liebes-
kind und am 22. August desselben Jahres von den
Schweizerclubisten Prof. Aeby und Emil Ober, die
jedoch an diesem Tage nur den Roththalsattel, den
Oipfel aber erst zwei Tage später auf dem gewöhn-
lichen Wege vom Eggishorn aus erreichten. *) Die
Möglichkeit, von dieser Seite auf die Jungfrau zu
gelangen, war also sattsam erwiesen; aber der Weg
war ein langer, beschwerlicher und gefährlicher. Immer-
bin hatten diese Besteigungen zur Folge, daß 1872 im
Roththal eine Clubhtitte erstellt wurde. Das Couloir
kam aber total in Verruf, als sich am 24. Juli 1872 das
gräßliche Unglück ereignete, dem die Führer Bischoff
und V. Almen zum Opfer fielen ^) , und an dem
schlechten Rufe des Roththalweges wurde auch da-
durch nicht viel gebessert, daß 1873 Dr. Dtibi von
Bern ^) und 1874 F. Bischoff von Basel die Jungfrau
vom Roththal zur Kleinen Scheidegg traversirten und
daß es seither auch Anderen gelungen ist, die Jung-
frau von dieser Seite zu bezwingen.
üm's Jahr 1879 oder 1880 herum ventilirte die
.'Section Oberland — angeregt durch den verstor-
l)enen Oberförster Kern — die Frage aufs Neue,
0 Siehe Jahrbuch VII, pag. 495 u. ff.
*) Siehe Studer: Ueber Eis und Schnee. Supplement-
band pag. 12 u. ff.
3; Siehe Jahrbuch IX, pag. 123 u. ff.
Der neiieste Jtmgfrauweg, 91
irie auf einem gefahrloseren Wege aus dem Roththal
anf die Jnngfrau zu kommen wäre, und erhielt von
^en Führern Fuchs und Lauener auf Befragen die
Antwort, es wäre vielleicht möglich, von der Roth-
tlialhütte aus tfber das „Rothe Brett" verhält-
nißffläßig gefahrlos auf die Jungfrau zu gelangen.
Dabei verblieb es, bis sich im Sommer 1881 Herr
Dr. DSbi von Neuem daran machte, einen sicheren
Weg vom Roththal aus zu suchen. Der tfickische
Zufall verhinderte Dr. Dtlbi, die Frucht seiner Arbeit
^auz und voll zu genießen; zwar erreichte er den
Gipfel, aber sein Weg über den westlichen oder
lußem Grat erwies sich als eine schwierige Kletter-
partie und kaum leichter practicabel als der bertlch-
tigte Weg durch das Couloir. ^)
Die Aufgabe, vom Roththal aus einen neuen,
l>es8em Weg nach der Jungfrau zu finden, war also
noch nicht gelöst. Den ganzen letzten Sommer nun
redete man in Führerkreisen davon, im Herbst einen
neuen Versuch zu machen. Schließlich thaten sich
die Fahrer H. v. Almen, Sohn, ü. Brunner, F. Graf,
Sohn, K. Schlunegger, alle vier von Wengen, und
J. Stäger von Lauterbrunnen zusammen, um das
Wagestück zu versuchen, und nicht ohne Bedenken
schloß ich mich ihnen an, denn wenn auch ein Sohn
der Berge, gehöre ich doch keineswegs zu den wag-
halsigen Berggängem, und meine clubistischen Lei-
stungen beschränkten sich bisher auf Schilthom, Tschin-
gelgletscher und Petersgrat.
0 8. Jahrbuch XVII, pag. 273.
92 F. V. Ahnen.
E8 war ein prächtiger Herbstsonntag (20. Sept.),
als wir Mittags den Foargon des Hotels Staubbach
bestiegen und, begleitet von den Glückwünschen der
ünsrigen, thaleinwärts fuhren. Noch lange sah ich
ein weißes Tuch winken, und es wurde mir etwas
bange beim Gedanken, wie meine Frau nun während
zwei Tagen um mich bangen und kümmern würde.
Im Stechelberg angekommen, wendeten wir uns links
der Stufensteinalp zu. Meine Brust, die sonst nichts
weniger als mustergültig genannt werden kann, athmete
kaum die reine Alpenluft der hohem Lagen, so fing
sie prächtig an zu arbeiten. Die Bärenfluh machte
mir gar keine Schwierigkeiten, und beim Vernachten
langten wir glücklich in der Roththalhütte an.
Der Comfort daselbst beschränkte sich auf das
denkbar kleinste Maß; denn ein perfider Luftzug
machte sich durch die Trockenmauern hindurch sehr
unangenehm bemerkbar. Stroh und Lische waren ver-
dächtig feucht, um nicht zu sagen naß, und einzelne
Eisreste deuteten auf das Vorhandengewesensein eines
sogenannten „Gletschers" hin. Die Roththalhütte be-
findet sich in einem so traurigen Zustand, weil dem
Felsen nach, an den sie sich lehnt. Regen- und Schnee-
wasser hinuntersickert, welchem Gonstructionsfehler
einzig durch Versetzung der Hütte abgeholfen werden
könnte.
Item: wir richteten uns so gut als möglich ein
für die Nacht, brauten uns einen währschaften Kaffee
und legten uns endlich zur wohlverdienten Ruhe
nieder — mit welchen Gefühlen, das läßt sich leicht
denken. Furcht des Mißlingens und Hoffnung des
Der neueste Jungfrauweg, 93
Gelingens hielten sich die Wage. Jedenfalls waren
wir weit entfernt von dem Ausspruch Ducrot's: „Je
ne reviendrai que mort ou vainqueur!
Von eigentlichem Schlafe konnte keine Rede sein ;
deßhalb erhoben wir uns schon um 4 Uhr von unserm
Lager, und da das Wetter, soviel man bei der herr-
schenden Dunkelheit erkennen konnte, sich nicht
«chlecht anließ, so wurde das Frühstück bereitet und
Alles zum Aufbruch fertig gemacht.
Beim ersten Schein der Morgendämmerung —
«irca um 4^/* Uhr — brachen wir auf. Hier oben
hatten wir schönes Wetter; aber unten im Thale, da
wogten und drängten die Herbstnebel drohend heran.
Doch, wie von guten Berggeistern gelenkt, wichen
sie zurück, ohne uns erreicht zu haben. — Von der
Hütte aus gingen wir ein wenig links, um auf den
Orat zu gelangen und auf demselben unser Heil zu
versuchen, da wir wußten, daß in den Strählplatten
und auf dem Rothen Brett für uns absolut nichts zu
suchen war. Nach einiger Anstrengung hatten wir den
inneren Grat ^) erreicht und auf demselben ging es
nun durch Gneißfelsen ziemlich steil empor, ungefähr
wie auf einer Dachfirst. Das Gestein war gut und so
kletterten wir eine gute Stunde lang leicht und schnell
in die Höhe. Wir waren Alle in bester Stimmung,
Tiur Stäger schienen die „Roththalgeister", von denen
H. V. Almen letzte Nacht geträumt, manchmal das
Steigen sauer machen zu wollen.
Nun erreichten wir das Gebiet des Kalkfelsens.
^) Vgl. Dr. Dübi's topographische Angaben. Jahrbuch XVH,
P. 280 und 281. A. d. Bed,
94 J^. «. Almen.
Da bis hieher Alles so gnt gegangen war, so gönstemr
wir uns, trotz der in Aussicht stehenden Alkohol-
vorläge, einen stärkenden Schluck, banden una, je drei
zusammeu, vorsichtig an's Seil, und aufwärts ging's
in den warmen Strahlen der Septembersonne über
zertrümmerte Kalkfelseu, wohl drei Stunden lang.
Rechts ging's in steilem Abstürze zum Roththal
hinunter, und die ganze Zeit unseres Aufatiegs don-
nerten und polterten die Eisschläge durch das be-
rüchtigte Couloir hinunter, so daß man nur mit Schau-
dern an die verrufene Passage denken konnte. Wir
dagegen auf unserm Grat waren sicher vor Lawinen^
Eis- und Steinschlägen und rückten rasch vorwärta,,
bis der Knotenpunkt sichtbar wurde, wo unser Grat
sich mit dem westlichen vereinigt. Hier kam 4ie erste
ernstliche Schwierigkeit in der Form eines Felskopfs;,
der sich vor uns anfthtirmte. Der Bursehe war nicht
zu umgehen, wollten wir nicht riskireu, in's Boden-
lose zu fallen, und zur linken Seite machte glänzendes
Eis eine allfUllige Passage noch schwieriger (wenig-
stens hatte es den Anschela). Der Stier mußte daher
bei den Hörnern gepackt werden^ Der Felskopf hatte
eine Höhe von circa 3 Meter. Graf mußte als Bahn-
brecher voraus. Eine kleine Spalte gewährte Händen
und Füßen einigen Hatt. Dazu halfen wir mit Hän-
den und Pickeln xiach, bis er oben war; nun wurde
Einer um den Andern am Seil .hinau%ehißt.
Hier begann das Reich des Granits; wir kletterten
dann wohl eine gute Stunde ;in den Granitblöcken
empor, was uns sehr förderte. Die Aussicht erwei-
terte sich; die Silberlücke schimmerte links unter
Der neueste Jungfrauweg, 95-
Qn8, und von da an galt es bei uns als ausgemachte
Sache, das Wagestück werde uns gelingen. Plötzlich
seigte »ich der Grat eine kleine Strecke weit Ter-
^letscfa^ und rechts und links fiel er ziemlich steil
ab. Es wurden daher Stufen gehackt und die Stelle
möglichst vorsichtig passirt. Nun ging's noch eine
kleine Stunde vorwärts, bis wir auf ein großes Firn-
feld kamen, welches ^auf Blatt I der Excursionskarte
den Namen ^Hochfirn^ trägt.
Die Uhr zeigte nahezu auf 11, und so lagerten
wir uns denn, um eine Pause zu machen, das Mit-
tagsmahl zu verzehren und die herrliche Aussicht zu
gießen, die sich vor uns aufthat. Links über das
äilberhom hinaus schweiften unsere Blicke in weite
Femen, und die Gasthöfe des Bödeli schimmerten
herauf, wie Kinderspielzeug. Hoch oben winkte uns
die Jungfrau in eisiger Schöne, und mn 11^/2 Uhr
brachen wir zu ihrer endlichen Bezwingung auf.
Zuerst mußte eine sanft geneigte Gletscherwand
durch Stufenha(dcen tiberwunden werden^ dann folgte
eine längere Gletsdierpartie, die wir uns mit einem
GUse Wem verkürzten und versüßten, bis wir etwa
10 Minuten unter dejn Jungfraugipfel den Grat be-
traten, der sich vom Boththalsattel heraufzieht. Noch
eine Stelle mußte durch Stufenhacken bewältigt wer-
den, und circa um halb 1 Uhr setzten wir unsern
Fuß auf den viel begehrten Jungfraugipfel.
Die Aussicht von dieser hehren Warte aus brauche
ich nicht zu schildern, haben sie doch schon so viele
Olnbisten genossen; auch wäre meine Feder zu
schwach, würdig zu schildern, was das entzückte
"96 -F. V. Almen,
Auge da Herrliches erschaute. Das aber wird man
uns gewiß gerne glauben, daß wir, und besonders ich,
in Wonne schwelgten, war uns doch gelungen, auszu-
führen, wonach man Jahre lang getrachtet hatte : die
Besteigung der Jungfrau vom Roththal aus auf kurzem,
«icherem Wege.
Der Aufenthalt auf dem Jungfraugipfel war einzig
schön ; allein schließlich mußte doch Abschied ge-
nommen werden, galt es doch, nun so schnell als
möglich das Hotel auf dem Eggishom zu erreichen,
um von dort aus unsere Lieben zu benachrichtigen,
ivir seien heute Abend nicht im Stechelberg abzu-
holen, und sie so aus Kummer und Angst zu erlösen.
So stiegen wir denn endlich mit Umgehung des Roth-
thalsattel-Schrundes auf den Jungfraufirn nieder und
wanderten der Concordiahütte zu. Die Schatten wurden
länger, der Tag begann sich zu neigen. Drei Mann
ruhten hier ein wenig aus, während der Kaffee kochte,
^ie andern aber forcirten den Aletschgletscher, und
am Märjelensee ließ Brunner, der Nimmermüde, seine
Kameraden im Stich, stürmte eilenden Laufes zum Hotel
Jungfrau hinüber und spedirte Schlag halb 8 Dhr
das ersehnte Telegramm nach Lauterbrunnen, welches
-dort, besonders in Führerkreisen, gewaltige Auf-
regung hervorrief.
Später rückte auch ich mit der Nachhut unter
das gastliche Dach des Gasthofs ein, wo wir von
Herrn Cathrein aufs Herzlichste aufgenommen und
bewirthet wurden. Den folgenden Morgen stiegen
wir nach Viesch hinunter; ein Wagen brachte uns
nach Obergestelen, Abends nächtigten wir bei Freund
Der neusste Jungfrauweg, 97
Nägeli auf der Grimsel, und Mittwoch kehi-ten wir
nach Hanse zurück.
Auf der Excur8ionskai*te des S. A. C. läßt sich
unser Weg prächtig verfolgen. Wir gingen von der
Clubhtitte über Punkt 2764 aus links auf den Grat,
der sich in nordöstlicher Richtung gegen den „Hoch-
fiiTi" hinzieht und sich, bevor er denselben erreicht,
mit zwei andern Gräten von West und Süd vereinigt;
liier befindet sich die einzige schwierige Stelle. Von
hier ans geht der Weg über Firn gegen die Zahl 4
der Quote 4166, dann rechts auf den Grat und zum
Oipfel empor.
Ziehen wir das Facit aus den Ergebnissen unserer
Jimgfraubesteigung, so ergibt sich:
Von der Roththalhtttte aus haben wir in circa
7^'2 Stunden auf einem für schwindelfreie Gänger leicht
zu begehenden Weg, der sicher ist vor jeder La-
winen-, Eis- und Steinschlaggefahr, den Jungfraugipfel
erreicht. Da nun der Weg nicht mehr gesucht zu werden
braucht, so kann der Anstieg wohl in 5 — 6 Stunden
bequem gemacht werden.
Von der Berglihütte am Mönchjoch und der Con-
cordiahtttte braucht man gewöhnlich ungefähr ebenso
viel Zeit, von der Guggihütte mindestens fünf Stunden
mehr; rechnet man dazu, daß die RoththalhUtte von
Lauterbninnen aus leicht in 5 Stunden erreicht wird,
während der Zugang zu den andern Hütten vom Thale
aus weit längere Zeit erfordert, so spricht die Zeit-
differenz entschieden zu Gunsten unseres neuesten Jung-
franweges. Im Sommer ist derselbe bei stellenweisem
Schnee noch viel leichter zu begehen, als im Herbst,
7
98 F, V, Almen. Der netteste Jungfrauweg,
weil bei unserer Fahrt die Kalkfelsen am Morgen be-
reift und daher sehr glatt waren, weßhalb mit großer
Vorsicht vorgegangen werden mußte.
Die Führer, welche den neuen Jungfrauweg er-
öffnet haben, werden im Frühling ihr Möglichstes
thnn, denselben noch practicabler zu machen. So soll
nicht nur die schVierige Stelle durch Sprengung des
bewußten Felskopfes und, wenn dann noch nöthig,
Einrammen voq Eisenstangen oder Seilen leicht pas-
sirbar gemacht, sondern auch die Bärenfluh stellen-
weise corrigirt werden, damit auch weniger geübte
Berggänger in die großartige Gebirgswelt des Roth-
thals gelangen können. Allerdings müßte, wenn das
Roththal wieder stärker besucht werden soll, dann
auch die Clubhütte umgebaut und bei dieser Ge-
legenheit an einen günstigem Ort versetzt werden.
Wir geben uns der Hoffnung hin, der S. A. C.
werde diese Sache zu der seinigen machen und nächsten
Sommer dieses Werk ausführen, wenn sich unsere
Angaben über den neuesten Jungfrauweg bewahrheitet
haben werden. Zu diesem Zwecke sind die oben ge-
nannten Führer bereit, die nächste Saison den neuen
Weg zu begehen mit Jedem, der es wünscht. ')
*) Die Section Bern S. A. C. , unter deren Obbnt die
Roththalhtitte steht, hat in dieser Angelegenheit beschlossen^
die Hütte soweit thunlieh für nächsten Sommer (1886) re-
pariren zu lassen, die Frage einer Vergrößerung und Ver-
legung derselben aber zu verschieben, bis durch genaue In-
spection der Hütte und des neuesten Jungfranweges erwiesen
ist, daß der Herr Berichterstatter jene nicht in allzu düsterem,
diesen in allzu rosigem Lichte gesehen hat. A. d. B.
Aus den Gomserbergen.^)
Von
G. Kamiah (Section Monte Rosa).
I« Allerlei aas dem Oomserthal.
Auch im Sommer 1885 zog es mich in das grüne
Goms und seine großartige Gebirgswelt. Letztere
bietet auch dem, der sie mehrfach besucht, immer
des Neuen genug. Zudem gewährten die Alpenland-
schaften im eigentlichen Quellthal der Rhone das letzte
Jahr Bilder, die wesentlich verschieden waren von
denen, die man anno 1883 wahrnahm. Damals waren
noch im August die obersten Staffel der Schatten-
berge mit Schnee bedeckt, an manchen Orten schienen
sich die gewaltigen fimharten Schneelager zu Gletschern
umbilden zu wollen; erst spät entwickelte sich die
Flora: am Aernengalen unweit der Alp Ettria blühten
noch Mitte September einzelne Alpenrosen. Im Spät-
sommer dieses Jahres dagegen waren jene halb ver-
gletscherten Schneemassen unter den heißen Strahlen
der Wallisersonne dahin geschwunden, sogar Berge
^) Siehe Jahrbuch S. A. C. XX, pag. 161. Ä. d B.
100 G, KamJah.
wie das Rissenhorn frichtiger Bisihom nach Aogabe
der Bellwalder, auf deren Gebiet es liegt) legten ihre
weißschimmenide Kappe ab. Die zahlreichen Seelein,
welche so manche einförmige Kumme oder fast ebenen
Galen der Gomser Alpen zieren, waren zu unschönen
Lachen zusammengeschrumpft. Einige von ihnen, wie
der kleine Blaue See zuoberst der Bodmer Kumme
und seine Nachbarn auf der Südseite zwischen Kummen-
und Rappenhorn, hatten sich in häßliche, wasserlose
Mulden verwandelt. Der herrliche Blumenflor, welcher
die Sonnenseite des vom Kummenhom Östlich zum
Blindenthai zulaufenden Grates schmückt (Aretia
Vitaliana L., Lychnis Alpina L., Campanula CenisiaAU.
kommen in Menge vor), war Anfang August vollständig
verbrannt. Größere Bergfahrten wurden nicht nur durch
den Mangel an widerwärtige Trtimmerhalden deckendem
Schnee erschwert, sondern vor Allem durch die furcht-
bare Zerklüftung und Wildheit der Gletscher fast
unmöglich gemacht. Auch die größeren Eisfelder
unseres Gebietes wie Gries, Hohsand, Turben, Thäli
und Bächigletscher zeigten eine überraschende Menge
von Schrunden und Eisbrüchen. Dasselbe galt von
den sie nährenden Firnfeldern. Der Walligletscher
war durch eine steile Trümmerhalde in zwei schutt-
bedeckte Lappen getheilt worden.
Der von mir im letzt erschienenen Jahrbuch an-
gegebene Weg zum Rissen- oder Risihorn ist bei un-
günstigen Verhältnissen, wie sie 1885 vorlagen, zu
mühsam. Namentlich die Strecke von den rothen
Sewji — zwei melancholischen, von röthlichbraunem
Gestein umrahmten Seelein — war heillos, das Auf-
Aus den Gomserbergen, 101
und Absteigen über die glatten Platten sehr an-
ßti-eogend, der Gletscher selbst in seinem südlichen Theil
außerordentlich zerrissen. Etwa 50 ™ von der höchsten
Spitze abwärts gerechnet, war das Hom, wie schon
erwähnt, schneefrei. Der Aufstieg nahm 6^/2 Stunden
in Anspruch, während sonst von Blitzingen aus fünf
genügten. Auch dieses Mal hatte ich auf dem präch-
tigen Berge klares und waiTnes Wetter, so daß ich
die großartige Aussicht mit Muße genießen konnte.
Interessant war es für mich, unmittelbar unter dem
Gipfel selbst einige Exemplare von Enzianen und
Saxifragen vorzufinden. Es waren winzige Pflänzlein,
die bereits verblüht waren, wahrscheinlich G. Bavarica
und S. oppositifolia. Bei meinen Besteigungen im
Jahre 1883 hatte ich nicht die geringste Spur davon
wahrgenommen. Zum Rückweg beschloß ich, den Theil
des Gletschers zu nehmen, der sich am meisten nach
Südostsüd hin erstreckt und in einer Mulde endet,
welche ziemlich breit und nicht übeimäßig steil zum
Wallibach herabftihrt. Dem letzteren führt sie den
hauptsächlichsten Abfluß des Gletschers zu. Schnell
kommt man in der übrigens recht gut gangbaren
Wasserrinne herab. Unterhalb des Punktes, wo ein von
Westen herabkommendes Bächlein einmündet, ist es
angezeigt, sich rechts zu halten und über steilen Rasen
nnd Grasplanken in's Thal zu steigen, dessen Sohle
man etwa eine Viertelstunde oberhalb des obersten
Staffeis der Selkinger Alpe erreicht.
Nicht gar weit von der höchst primitiven Hütte
war der Weg durch eine vor Kurzem herabgerollte
Flnh gesperrt. Um den längeren Weg über Selkingen
102 G, Kamiah.
und die etwa 20 Minuten lange Strecke auf der Land-
straße zu vermeiden , ging ich vom folgenden Alp-
staffel auf einem Viehwege zur Alp Igschenen und
von dort steil hinab, dem Hilpersbach entlang am
Kastenbiel vorbei, nach Blitzingen. Reichlich um eine
Stunde ist der eben angegebene Weg von Blitzingen
zum Risihorn kürzer als der allerdings aussichts-
reichere und interessantere über die Blitzinger Alpen
und den Thälistock.
Auch das Blindenhom bot 1885 mehr Schwierig-
keiten als man erwarten konnte. Zwei Tage nach
der im Vorstehenden geschilderten Fahrt überschritt
ich um 5 Uhr Morgens die Rhonebrticke bei Reckingen
und zog eiligen Schritts in's Blindenthai. Bei der
Kapelle zum Heiligen Kreuz erfreut man sich eines
schönen Einblicks in den wilden Hintergrund des
Thaies. Von Jahr zu Jahr wird dieses unwirthlicher
und rauher. Auf der Ostseite wie auf der Westseite
sind zahlreiche Lauinenzüge. Den Hohstellibach, der
sich immer mehr tobelartig in das Schiefergestein
einfrißt, decken heute keine Lauinen, welche den Auf-
stieg vor zwei Jahren so sehr erleichterten. Auf dem
linken Ufer des Bächleins steigt man empor, zwar
steil geht's hinauf, aber so lange man auf der kräuter-
reichen Schafalp bleibt, ist kein Grund zu klagen.
Ein breites, von Südosten kommendes wasserloses
Rinnsal wird überschritten; auch dieses hat sich be-
deutend vertieft. Eine halbe Stunde von der Ein-
mündung des letzteren aufwärts wird das Traversiren
auf der aus Geröll bestehenden Böschung des Hoh-
stellibachs zu ermüdend; ich suche zu letzterem
Aus den Gameerbergen, 103
hinuDterzusteigen. Wenig Wasser ist am Morgen in
demselben, aber die hervorragenden Steine sind mit
einer Eiskruste überzogen, so daß ich mich freute,
als ich den Fuß auf den Hohstelli- oder Sulzgletscher
setzte.
Der untere und mittlere Theil desselben sind
wenig geneigt; sie nehmen fast den ganzen Raum
zwischen dem westlichen Ausläufer des Merzenbach-
ßchiens und dem Nordfuß des Blindenhoms ein. Vom
Griesfim trennt den Wanderer noch eine etwa 150"*
hohe steile Stufe, die keineswegs, wie die Karte an-
nehmen läßt, vollständig vergletschert ist; dieses ist
vielmehr heute nur bei dem dritten Theil derselben
der Fall, dem südlichen. Auf diesem, dem oberen
Sulzgletscher, pflegt man gewöhnlich zum Griesfim
emporzusteigen. Die nördlichen Hänge, aus leicht
zerbrechlichem Schiefer bestehend, sind weit steiler.
Leider ist dieses Mal der eben genannte Theil des
Gletschers unpassirbar, weil furchtbar von Spalten
zerrissen. Ich halte mich links, wo steile Schneestreifen
zwischen dem Schiefergestein sich bis zum Firn hinauf
ziehen. In einem solchen couloirähnlichen schnee-
gefullten Riß steige ich langsam, mit der Linken mich
an das scharfe, oft tibereiste Gestein möglichst fest-
haltend, mit der Rechten Stufen in den fimharten
Schnee schlagend, empor. Ich erreiche nach strenger
Arbeit den Griesfim. Der Wechsel der Scenerie wirkt
überraschend. Lange Stunden hat man im Blinden-
thal und dem rauhen und engen Bett des Wildbachs
geweilt, kein Sonnenstrahl traf bislang den Wanderer ;
jetzt sieht man im hellen Sonnenglanze den aus-
104 G, Kamiah.
gedehnten Griesgletscher , trefflich umrahmt auf der
Nordseite von dem dunklen Grat des Merzenbach-
schiens und den zerzackten Ritzenhömem, auf der Süd-
seite von dem mächtig emporragenden und schön ge-
formten Siedelrothhorn, in sanfter Neigung sich nach
Osten hinabziehen, scheinbar bis tief in's Val Be-
dretto. Zahlreiche Bergketten tauchen am Horizont auf.
Direkt von Norden her auf das Blindenhorn loszu-
marschiren, ist heute unmöglich. Im Firn klaffen dort
furchtbare Schrilnde. Ich gehe daher in südlicher
Richtung auf die Mitte des zwischen dem zu erstei-
genden Berge und dem Rothhom befindlichen Firns
zu. Der letztere ist gut zu begehen, nur die Spalten
machen häufig Umwege nothwendig. Unfern der
italienischen Grenze wende ich mich rechts und komme
so von Süden auf das Hörn zu. Auf unsicheren Schnee-
brticken werden einige Schrunde überschritten, dann
bin ich am Berge selbst. Die Südseite ist schneefrei ;
leicht gelangt man zum Steinmannli. Von dem Punkt,
wo ich den Firn betreten, bis zum Hörn habe ich
1 ^/2 Stunden gebraucht, zum Aufstieg von Blitzingen
bis zur Spitze 7^/2 Stunden. Die Aussicht ist heute
vollkommen frei, kein neidischer Nebel verdeckt irgend
eine Spitze in dem gewaltigen Panorama. Die Alpen-
kenntniß unseres Altmeisters, des Herrn Gottlieb Studer,
wäre erforderlich, um die von hier ab sichtbaren
Berggipfel benennen zu können. Um so merkwürdiger
ist der geringe Besuch des Blindenhorns , von Club-
genossen findet sich immer noch keine Karte in der
Flasche als die des Herrn Emil Burckhardt von Basel.
Vielleicht sind übrigens auch andere Herren dort ge-
Aus den Gomserbergen, 105
wesen, die bei guten Schneeverhältnissen hinaufgelangt
es verschmähten, ihre Anwesenheit auf dem dann
leicht zugänglichen Berge zu bemerken, wie es Schreiber
dieses auch 1883 gethan. Vom Tosafall aus ist bei
nonualen Jahren die Besteigung unschwierig; weit
mühsamer ist sie stets vom Goms aus. Im Juli 1885
haben Officiere des militär-geographischen Institut»
zn Turin das Blindenhorn gemessen und die Höhe auf
3371 "» festgestellt. Nach einsttindigem Aufenthalt trete
ich den Rückweg an; für dieses Jahr muß ich den
Plan, vom Blindenhorn nach dem Binnenthal herabzu-
steigen, aufgeben; allzu zerspalten sind die zu über-
schreitenden Gletscher. Genau demselben Wege wie
beim Aufstieg folge ich beim Abstieg. Beim üeber-
schreiten einer jener Schneebrücken merke ich, wie
mein rechter Fuß tief einsinkt, mit aller Kraft schnelle
ich mich vorwärts und hatte gut daran gethan. Beim
nachherigen Sondiren mit dem Pickel stieß ich an
der fraglichen Stelle sofort durch. Die Absicht, den
Rückweg über den Merzenbachschien nach Hohbach
hinab zu nehmen, wird durch mehrere breite Spalten
imd einen nicht zu überschreitenden Bergschrund ver-
eitelt. Zum unteren Theil des Hohstelligletschers ge-
lange ich jetzt leicht, der Eisüberzug des Schiefer-
gesteins ist verschwunden und die steilen Schneeflecke
sind lind geworden. Ueberall rieselt's und rauscht's»
Ich bleibe auf dem rechten Ufer des bedeutend an-
gewachsenen Baches, eilig die Geröllhänge traver-
sirend, um schnell aus dem Bereich der vom Grat —
dem Ausläufer des Merzenbachschiens — her zu er-
wartenden Steine zu kommen. Nur zwei Stück sehe
106 G. Kamiah.
ich herabrollen, und das sind ungefüge starke Blöcke,
die sich schwerfällig herabwälzen, formlich Furchen
in der vom aufgethauten Neuschnee durchtränkten
Oeröllhalde aufwühlend. Nicht ohne Mühe wird der
Wildbach übersprungen und durchwatet. Bald bin
ich im Blindenthai. Das Senntum, bei dem ich Mor-
gens Milch getrunken , ist auf einen niederen Staffel
gezogen. Man ruft mich an ; da keine Käsemilch vor-
handen, läßt der gefällige Senne eine Kuh für mich
melken. Um 5 Uhr Abends bin ich wieder in Reckingen;
einzelne Bauern kommen mit ihren Frauen und Töch-
tern vom Felde, die mich neugierig ausfragen und
sich freuen, daß es mir auf ihren Bergen so gefalle.
Von älteren Leuten in Reckingen und Gluringen wird,
wie hier erwähnt sein mag, das Blindenhorn Königs-
horn genannt, während man ersteren Namen der nie-
drigeren nördlichen Kuppe beilegt.
In Betreff des von mir im letzten Jahrbuch Seite 165
erwähnten angeblichen Weges über Schrat und die
Bellwalder Schafalpen zum obern Vieschergletscher
will ich noch bemerken, daß, trotzdem die Gegend,
durch welche die Straße geführt haben sollte, voll-
ständig aper war, Spuren einer solchen durchaus nicht
zu finden waren. Dessenungeachtet ist man nament-
lich auch in Bellwald von dem einstigen Dasein des
fraglichen Weges fest überzeugt : „es seien sogar Waaren
dort von Bern her herüber gefahren.'^ Letzterer um-
stand gibt Licht. Zur Zeit, als Wallis von der Eid-
genossenschaft getrennt war, vor Allem aber, als es
als Departement du Simplon zu Frankreich gehörte,
fand vom Haslithal her über das Oberaarjoch ein
Alis den Gomserbergen. 107
nicht unbedeutender Schmuggel statt. Damals mögen
alle jene rauhen Uebergänge, die von den Gletschern
in's Goms führen, von waghalsigen Schmugglern reich-
lich benutzt worden sein. Der ausgedehnte Bellwalder
Schaf berg, der ja von der Richinenalpe bis an den
Gletscher unter dem Risihorn reicht, hat ohne Zweifel
vortreffliche Verstecke für die Contrebande und deren
Träger abgegeben. Flir Glückskinder liegen auch heute
noch in der stillen, einsamen Gegend westlich vom
Setzenhorn mancherlei Schätze vergraben. Als einst
ein vierzehnjähriges Mädchen aus Bellwald in Be-
gleitung ihres Vaters in den Schafberg ging, um ein
Schaf zu „reichen",, habe es plötzlich an einem wilden
Orate geleuchtet und geblitzt wie von einer Monstranz.
Gold und herrliche Strahlen hätten weithin geschienen.
Statt aber schleunigst die Schürze auf den Schatz zu
werfen, habe die erschreckte Tochter nach dem Vater
gerufen. Da sei Alles verschwunden. Aehnlich ging's
«inem zwölfjährigen Kinde aus Blitzingen, dem auf
der Alp Heustetten, wo ein großer Schatz ruhen soll,
beim Holzsammeln da, wo jetzt noch Reste einer alten
Hütte stehen, ein graues Mann lein prächtige und kost-
bare Schmucksachen und Gewänder zeigte. Auch
sie wandte sich ab und rief ihren Eltern, worauf die
Sachen und das Männlein versanken. Im Pfaffenbiel
und dem aussichtsreichen Kastenbiel hat man gleich-
falls Schätze blühen sehen.
Einem alten Bauern aus Bellwald gelang es vor
geraumer Zeit mit Beihülfe eines Aerners, im Walde
zwischen Bellwald und Viesch einen Schatz, von dem
ihm dreimal, während er bei der Predigt Sonntags
108 6r. Kamiah,
geschlummert, geträumt hatte, zu heben und die Hüterin
desselben, eine schöne Jungfrau, zu erlösen. Ein
Haus in Aemen soll von dem gewonnenen Gelde erbaut
sein. Als realer Hintergrund dient diesen Schatzsagen
die Thatsache, daß man in Goms mehrfach alte, zu
Kriegszeiten vergrabene Münzen gefunden hat.
So entdeckten Kinder aus Biel, welche bei der
St. Antonskapelle ob Selkingen Vieh hüteten, in der
von einem Maulwurf ausgeworfenen Erde ein Gold-
stück. Man grub nach und fand unter einem großen
Stein unmittelbar neben der in's Wallithal führenden
Straße mehrere Hundert Gold- und Silbermünzen.
Leider hat das mißtrauische Bäueylein, dessen Kinder
den Fund gemacht, um diesen möglichst geheim zu
halten, die Münzen schnell an speculative Aufkäufer
verschleudert. Ich habe nur eine abgegriffene Silber-
münze mit den Wappen von Schwyz, üri und ünter-
walden davon gesehen. Dieses an sich einfache Ereig-
niß, das sich erst vor wenig Jahren zugetragen, hörte
man heute in folgender Weise erzählen:
„Als eines Tages Kinder aus Biel auf dem Stein
an der Thalstraße neben der St. Antonskapelle saßen
und Vieh hüteten, kam urplötzlich eine steinalte Frau
in absonderlicher alterthümlicher Tracht auf sie zu.
Sie bekamen einen „scharpfen Chlopf" und liefen
nach Hause. „Eine Hexe sei auf sie zugekommen.'^
Genau zwei Jahre nach dieser Erscheinung träumte
dem ältesten der Kinder, einem zwölfjährigen Mädchen,
unter dem Steine, worauf sie damals gesessen, ruhe
ein Schatz. Als sie wieder mit dem Vieh an den
Platz kam, warf ein „Schorm" (Maulwurf) ein Gold-
Aus den Gomserbergen, 109
stück aus der Erde. Lediglich diese Tochter ver-
mochte in der Höhlung unter dem Stein die Münzen
zasammenzul esen . ^
Man sieht, daß auch in der Gegenwart den ein-
fachen Bergleuten die Sagen bildende Kraft noch nicht
verloren gegangen ist. Besonders viel Bozengeschichten
werden von der schönen Richinenalpe erzählt. Vor
nicht allzu langer Zeit bemerkte ein älterer Mann
aas Bellwald, der gegen Abend nach dem Beteläuten
an der Alpe vorbeiging, daß eine Anzahl Menschen
zwischen den Hütten stand. Da die Alp nicht be-
fahren und er durchaus kein „klopfiger Narr" war,
trat er näher, um zu sehen, was es dort gäbe. Er
fand fremde Gesichter, dazu trugen Alle altvaterische
Kleidung. Eilends ging er zurück, obwohl man ihm
zuwinkte. Da rief man ihm zu : „Heute in dem Gaden,
in drei Tagen zu Hause." Als er zum Gaden kam,
fand er seine schöne Geis todt. Nach drei Tagen
starb er selbst. So lieblich und schön Tags über die
lichten Waldungen und grünen Wiesen oberhalb Bell-
wald sind und so angenehm der von dort über Nessel-
schlicht gegen Blitzingen führende Fußweg zu be-
gehen ist, so unheimlich ist's in dieser Gegend
Nachts oder richtiger nach dem Beteläuten am Abend.
Der Gratzug (oder die Todtenprocession) hat hier
seinen Gang. Ich brauche nur auf die bezüglichen
Erzählungen in den „Walliser Sagen" von Tscheinen
und Ruppen ^) hinzuweisen. Ein Brünnlein an dem
Pfade auf der Niederwalder Voralpe heißt nicht ohne
^) Walliser-Sagen, gesammelt von Sagenfreunden. Sitten,
Buchdruckerei Schmid. 1872. A. d, Red.
110 G, Kamiah,
Grund der Todtenbrunnen. Die eigenartige Todten-
musik hat man auch weiter unterhalb bei Blitzingen
Öfters gehört, dagegen ist der Volksgang selbst dort
noch nicht wahrgenommen. Auf dem untersten Staffel
der Bodmeralpe soll ebenso wie auf der bekannten
Hohbachalpe eine emsig spinnende Frau mit einer Katze
ihr Wesen treiben — sicherlich ein Anklang an den
uralten Berchta-Hulda-Mythus. Auch die klugen, stets
zu allerlei Neckereien aufgelegten, aber dabei doch
immer htilfreichen Godwerjini fehlten dereinst im
Goms nicht. So waren unfern Bödmen mehrere seß-
haft. Mancherlei wird auch hier noch von ihnen er-
zählt. Leider sind sie, wie überall im Oberwallis,
auf Nimmerwiederkehr ausgewandert.
Sagenhaft klingt es uns gegenwärtig, wie hier
noch bemerkt sein mag, wenn wir hören, daß im
Mittelalter oben im grünen Quellthal der Rhone Wein
gebaut wurde. Es kann indessen durch Urkunden be-
wiesen werden. In der trefflichen Sammlung von
Walliser Urkunden, welche der bekannte Freiburger
Geschichtsforscher Abb6 Grömaud herausgegeben hat,
findet sich ein Document vom 29. September 1247 '),
dem zu Folge ein Amadeus de Agro an Villennus
de Fönte unter Anderm auch einen Weinberg zu Mtihli-
bach verkauft. Ob diese einstigen Weinberge den un-
verwöhnten Geschmack der alten Oberwalliser docn-
mentiren oder aber, ob sie als ein Rennzeichen des
milderen Klimas anzusehen sind, mag dahingestellt
bleiben.
*) M6moire8 et docuraents de la Suisse romande. Vol. XXIX,
n« 509 (Lausanne 1875). A. d. Eed.
Aus den Gomserbergen, 111
Hoffentlich rinnt noch viel Wasser die Rhone
hinunter, ehe jene dort oben fast zum geflügelten
Wort gewordene Redeweise: „Goms wird einst eine
Schafalp" in Erfüllung geht; allerdings ist nicht zu
leugnen, daß niedrige Gewinnsucht und stumpfsinnige
Indolenz das Möglichste thun, um auch dieses schöne
Hochthal zu veröden.
II. Zwischen (kehren- nnd Eginenthal.
Das wilde, selten besuchte. Gehrenthal gehört zu
den Hochthälern, in denen im Laufe dieses Jahr-
hunderts die dauernde Niederlassung der Menschen
aufgehört hat. Solche Landschaften haben etwas eigen-
artig Anziehendes. Aber auch abgesehen hievon, ist
Gehren des Besuchs wohl werth.
Der oberste Theil der Thalschaft ist von über-
raschender Wildheit, die zerstörende Kraft der Natur-
mäehte zeigt sich in ihrer ganzen Furchtbarkeit. Die
nackten zerrissenen Berge des Thalhintergrunds —
der Grat vom Kühbodenhorn bis zum Pizzo Nero,,
das Mettlihorn und vor Allem die einem riesigen,,
halbzerfallenen gothischen Schloß ähnlichen Saas-
höruer — machen einen bedeutenden Eindruck.
Es ist nicht die Höhe derselben, welche ja relativ
gering ist, die wirkt, sondern vielmehr der Zustand
des Zerfalls, der sich in erschreckender Weise zeigt..
Hier sind in Wahrheit die Häupter der Berge ihre
Füße geworden. Der starke Rückgang der Gletscher —
vom Thal aus sieht man nur zerrissene, schmutzige
Lappen hie und da zwischen den Granitblöcken oder
zackigen Wänden hervorlugen — und der Mangel einer
112 G, Kamiah.
<lie wüsten Trttmmerhalden verhüllenden Schneedecke
lassen die Landschaft noch öder erscheinen.
Steigen wir abwärts, so kommen wir auf Alpweiden,
die derartig mit Steinen bedeckt sind, daß es nicht
mehr lohnt, sie zu befahren.
Aus einem Felsenthor rauscht der Saasbach der
Elma (Gehrenbach) zu. Er kommt aus dem Saas, einem
ausgedehnten, heute fast ganz mit Geröll überschütteten
Gelände, welches auf der Ost- und Südseite von den
unschönen Schuttmassen und den jäh aufsteigenden
Oranitmauern der Mutthömer und der Saashömer
eingefaßt wird. Nur der grüne Schaf berg, welcher
im Nordwesten das Saas begrenzt, mildert etwas den
todten Charakter dieser Gegend.
Im Hauptthal finden wir zwischen den Einmün-
dungen des Saasbaches und des von der schönen Dähli-
^Ip herabstürzenden Wildbaches mehrere Alpstaffel;
zwischen den Steinen und größeren Blöcken, die anch
hier nicht fehlen, ist starker Graswuchs, aber die
Lauinen von den Steilwänden des Schafbergs und die
reißende Elma werden wohl in nicht allzu langer
2eit auch an diesen nutzbaren kräuterreichen Thal-
gründen ihre verwüstende Macht beweisen. Wald ist
in den eben geschilderten Theilen des Gehreuthals
-wenig mehr vorhanden: einige spärliche, lauinen-
durchfurchte Bestände von Lärchen an dem nach
Nordwesten zu laufenden Stock des Mettlihorns, nie-
drige Alpenerlen, Legföhren und hie imd da eine Tanne
und verkümmerte Lärche am Schafberg, das ist Alles.
Der Weg setzt auf das linke Ufer des Baches
tlber. Die Scenerie wird eine andere. Enger, Schlucht-
• % • • •
• • ,
• -^ « » •
Aus den Gomserbergen, 113
artiger wird das Thal , tief hat der Fluß sich ein-
gesägt und jagt tosend thalabwärts. Unser Pfad führt
•durch lichten Wald; ein auffallend tippiger Pflanzen-
wuchs erfreut das Auge. Das milde Klima und die
im Yerhältniß zu andern Walliserthälern häufigen
Niederschläge begünstigen die Vegetation. Bald er-
blickt man auf der Ostseite des wieder sich verbrei-
ternden Thals die Wiesen und Felder von Gehrendorf.
Letzteres selbst lehnt sich an die Südseite des sonnigen
Hungerbergs. Von der zuletzt zu passirenden Brücke
erreicht man in sanfter Steigung binnen 5 — 10 Min.
«die Kapelle und die wenigen zerfallenden Häuser. Es
ist ein fruchtbares, freundliches Gelände, das sich vom
Süd- und Südwesthange des genannten Berges bis
2um Bach herunter erstreckt. Die Wiesen, und na-
mentlich die Getreideäcker, welche sich bis zur Höhe
von 1700™ am Hungerberg hinaufziehen, scheinen
weit ertragreicher zu sein, als die im obersten Theil
des Goms, Oberwald und Obergestein. Nahe der
Kapelle steht noch der Stumpf eines Kirschbaums.
Im Mittelalter stand die Thalschaft Gehren unter der
Herrschaft eines jener wälschen Adelsgeschlechter,
die ja auch im deutschen Oberwallis bedeutende Be-
sitzungen hatten. Von einem Aufruhr zur Feudalzeit
wird erzählt, bei welchem eine Anzahl Männer aus
Oehren aufgehängt worden sein sollen. Später erwarben
die Zehnten des Wallis das Thal, das somit keineswegs
unter Gbms allein stand ; ein gemeinschaftlicher Vogt
verwaltete es. Die Ereignisse zu Ende vorigen Jahr-
hunderts machten diesem eigenthümlichen Verhältniß
m Ende.
8
114 G. Kamiah,
Die EntT^lkerimg scheiBt ganc albnäiig vor neb
gegangen za sein. ELeüi ^(^tdicheB £lfiinentareragirif^
hat die Bewohner Fon G«hre& znr Flaclit Feranlaßt
Was sie bewogen, ihre Heimat aulkogel^en , ist ni'
klar. Das Klima ist minder rauh, als das des obers
Goms; denn der Hnngertierg schiit^ trefflich Gehren
vor den kalten, seharfm HoirdoBtwmden , welehe
die offene Ehoneebene bis Münster so unwirthlkä
machen.
Der Boden aber ist bis xxl ^en Alpen Ton LSagis
und Dähli hinauf frnektbar und ziemlich tiefgründig.
Lauinen endlich majrihmi den hier in Frage kommendmi
Theil des Thals et^ imsicher, seit man ans kurz-
sichtiger Geldgier vor etwa 50—60 Jahr^i dm»li
bedeutende Kahlschlage den sokirm^dfia Waldmantel
fast gänzlich vernichtet hat. — r Gienog, hento ist
Gehrendorf nur zeitweilig bewohnt; es ist zu einer
Art Yoralpe geworden. Auch das ehrwürdige Rath-
haus hat man leider noch im letzteii Mensehenalter
auf Abbruch nach Obergestela verkauft«
Touristen, die sich einen Einblick in unser Thal
verschaffen wollen, würde ich rathen, zunächst den
höchst lohnenden Hung^berg zu besuchen. Unschwierig
gelaugt man von hier ziemlich stell ansteigend — der
ganze Berg ist Heuberg, im Juli gdit maa durch ein
wahres Blütibenmieer -r* über den obersten Theil der
Längisalpe zum höchsten Punkt des geologisch in-
teressanten Längisgrats (2800 ^), welcher gemäß seiner
vorgeschobenen Lage eine weite und schöne Aussicht
bietet. Auch der Schaf berg (2756™) ist besuehens-
werth. Ohne große Mühe erreicht man von letzterem
Ai4S den Cromserbergen. 115
«18 den Punkt 2994 nordwestlich vom Mutthorn mit
prächtiger und interessanter Aussicht. Das Mutthorn
selbst wird am besten über Saas erstiegen , es ist
sehr beschwerlich^ über schändliche^ lose Blöcke kommt
man mühsam zur Spitze.
Von der schönen und ausgedehnten Dählialp führt
ein guter Weg direct in's Gehrenthal hinab; die
sonnige windgeschützte Kumme, in der man hinab-
geht, ist mit einer außerordentlich üppigen Vegetation
Tersehen. Die Dählialp gehört nach Obergestein, die
Hoch in der Thalsohle vorhandenen Alpweiden werden
von der genannten Alpe aus befahren.
Der Gehrenpaß wird gegenwärtig nur selten be-
gangen. Seitdem der Siediengletscher so sehr zurück-
gegangen und überhaupt das obere Thal so ver-
wildert ist , bietet er für einfache Bergwanderer
verhältnißmäßig viel Schwierigkeiten. Schon die lieber-
schreitong des reißenden Saasbachs ist nicht leicht;
der aus dem Val Bedretto Kommende wird im Hoch-
sommer nicht hinüber gelangen können. Ich möchte
deßhalb im Folgenden auf einen minder mühsamen
üebergang in's Tessin aufmerksam machen. Er fahrt
durch das Gornerli, jenes linke Seitenthal von Gehren,
welches von diesem durch das Mettlihorn und dessen
Biedere Ausläufer getrennt wird. Direct südlich von
Gehrendorf stürzt der mächtige Gomerlibach in male-
rischen Fällen in die tobende Elma.
Man geht über die Brücke auf das linke Ufer des
letztgenannten Baches, binnen wenigen Minuten trifft
ein schmaler Viehweg rechts auf das in's Hauptthal
führende Sträßlein. Dieser führt durch üchten Wald
116 G. Kamiah.
in mäßiger Steigung zur Gornerlialpe Es ist eine
liebliche grüne ThalmuWe, das Gornerli, im Nord-
westen von dem ziemlich steilen Abfall der Blasalpe,
im Südosten von dem sanft ansteigenden Rücken
eingefaßt, aus dem sich dann das Mettlihorn erhebt.
Binnen Kurzem wird die Landschaft wilder. Die jähen
Fluhwände des massigen Mettlihorns und der arg
zerrissene , oben mit sehr zerspaltenen Hänge-
gletschern, unten mit rauhen Trümmerhalden bedeckte
Grat, der sich vom Pizzo Gallina nordwestlich bis
zu den Blashömem hinzieht, bilden die Umgebung
des steiniger und unfreundlicher werdenden Thaies.
Mehrere kleine Bächlein eilen in schönen Cascaden
von Westen her dem Gornerlibach zu. Den Hinter-
grund bildet im Süden der Thalgletscher, hinter dem
sich der dunkele Grat zwischen Pizzo Nero und
Gallina — unser Uebergang in's Val Bedretto —
deutlich abhebt. In schneereichen Jahren ist auch
hier besser gehen; leider ist der Gornerligletscher
wie seine Nachbarn sehr zurückgewichen , so daß
man allzu lange auf dem widerwärtigen Geröll mar-
schiren muß.
Vom Pizzo Gallina und seinen nördlichen Aus-
läufern stürzen Tags über fast fortwährend Steine
auf den Gletscher; weit minder tritt auf der West-
seite des solideren, breiteren Mettlihorns Steinschlag
auf. Auf dem unteren Theil des Gletschers kommt
man schnell vorwärts; der obere dagegen ist sehr steil.
Man thut gut, sich etwas östlich zu halten, um den Grat
an dem Punkte zu erreichen , wo er am bequemsten zu
erklettern. Vom Gornerligletscher wird man nach lieber-
Ätis den Gomserbergen. 117
schreitung des Verbindungsgrates zwischen Pizzo Nero
und dem Mettlihorn unschwierig zum Siedeingletscher
gelangen. Unser Grat ist nicht aus nackten jähen
Wänden gebildet, sondern das Gestein desselben ist
mit Geröll, ja an einigen Stellen mit Erde bedeckt,
80 daß man trotz der sehr starken Neigung zwar
mühsam, aber ohne sonderliche Schwierigkeiten hinauf
gelangt. In normalen Jahren wird diese etwa 50 — 70™
ob dem Gletscher sich erhebende steile Geröllwand
mit fimhartem Schnee bedeckt sein. Dafür spricht,
daß ich keine Spur von Vegetation fand. Auf dem
Kartenblatt St. Gotthard ist unser Uebergang als voll-
kommen vergletschert dargestellt und zwar auch die
sanft geneigte Südseite. Dieses Jahr waren auf letz-
terer gerade unmittelbar unter der Paßhöhe nur einige
Schneelager von geringer Ausdehnung zu finden, welche
mehrere ziemlich tiefe Wasserlachen speisten. Von
Oberwald bis zum Punkt 2761 habe ich 4^4 Stunden
Marschzeit gebraucht.
Die Aussicht auf die Tessiner Alpen ist schön;
will man von den Bemer und Walliser Gebirgen
etwas sehen, so muß man eine kleine Strecke an den
auf einander gethtlrmten Blöcken , aus denen die
Westseite des Pizzo Nero besteht , emporklettem.
Dieser Berg, welcher für gewandte Kletterer nicht
sehr schwierig zu besteigen sein wird, muß eine vor-
treflFliche Rundschau bieten Noch großartiger wird
diese allerdings vom Pizzo Gallina (3067™) sein,
der anscheinend seinem Bezwinger sehr viel Mühe
machen dürfte
In das Bedrettothal ziehen sich vom Punkt 2761
118 G. Kamiah,
magere Weiden und Steinhalden herunter. Als Rück-
weg nach Oberwald benutzte ich den leicht zu er-
reichenden Nufenenpaß, da mir der Gehrenpaß der
großen Schwierigkeiten halber, welche das Passiren
der inzwischen mächtig angeschwollenen Bäche ver-
ursachen mußte, dazu nicht räthlich erschien.
Meines Wissens hat der eben beschriebene Ueber-
gang aus dem Gomerlithal in das Val Bedretto keinen
Namen; ich möchte daher vorschlagen, ihn vorläufig
Gomerlilücke zu nennen.
In der vom Monte Botondo in westlicher, bzw.
nordwestlicher, Richtung auslaufenden Bergkette bildet
vor dem Abfall in's Eginenthal die letzte hervorragende
Erhebung das Blashom (2814"*). Trotzdem es weit
leichter zugänglich ist, als die übrigen, meist aus un-
sicher zu beschreitenden Blöcken bestehenden Gipfel der
bezeichneten Kette, und es seiner Lage gemäß eine
vortreffliche Aussicht bieten muß, ist es sehr selten
von Touristen besucht worden. Auf steilen Pfaden
durch verhältnißmäßig gut bestandenen Wald erreicht
man die große krautreiche Blasalpe, welche halb zu
Oberwald, halb zu Ulrichen gehört. Die steinige
Kumme „im Bruch^ links lassend, ging ich zu jenem
geröllreichen und unebenen Gelände , welches den
merkwürdigen Namen KalkenMeähof (nicht Falken-
friedhof , wie auf Kartenblatt Obergestein angegeben
ist) führt. Ob der Name daher rührt, wie Bauern
aus Ulrichen erzählen, daß die hier vorkommenden
Kalksteine in den Spalten und Höhlungen, die sich
ab und zu bildeten, versänken, will ich ebenso wie
die Richtigkeit der angeführten Erscheinungen dahin-
Am den Gomserbergen, 119
gestellt sein lassen. Für Geologen wird diese Gegend
inanerhiB ein gewmes Interesse haben.
Ein Felskamm tbeilt den Blasgletseher in eine
große östliche und ^ne bedeutend kleinere westliehe
fiälfke. Auf letzterer stieg ieh empor, ttbersohritt den
Grat und erreichte von Südwesten her das Hörn.
D^i Glanzpunkt der Aussicht bildet der Bliek
aof die östlichen Bemer Alpen und das Triftgebiet.
Die westliche Seite des Gotthardstocks zeigt sich in
ihrer ganzen abstoßenden Wildheit. Die Walliser
Gebirge sind durch Blindenhorn und Merzenbaebschien
zum Theil verdeckt. Einen sehr guten Einblick be*
kommt man in jene wenig bekannten Berge, welche
den Griesgletscher im Norden begrenzen.
Unmittelbar südöstlich, nur durch eine unbedeu-
tende Einsattlung getrennt vom Blashorn, erhebt sich,
anscheinend aus losen, auf einander gethürmten Blöcken
zusammengesetzt, in kühner Form ein Hörn — Punkt
3000 des Kartenblattes Gotthard — welches angeblich
noch nicht bestiegen sein soll.
Südlich des Blashorhs und westlich jenes zuletzt
erwähnten Berges sind steile und rauhe Trttmmer-
halden; auch das Saas, heute noch eine mit Steinen
übersäete magere Schafalpe, wird sich in nicht allzu
ferner Zeit in eine Schutthalde verwandeln. An den
Westseiten des vom Pizzo Gallina sich zu unserm Berge
hinziehenden Grates hangen noch unbedeutende, offen-
bar sehr zurückgewichene Gletscherlappen. Auch vom
Eginenthal wird daher eine Besteigung der hervor-
ragenden Punkte dieses Grates außerordentlich müh-
sam sein.
120 G. Kamiah, Aus den Gomserbergen,
Den Rückweg nahm ich über den östlichen Thei!
des Blasgletschers, die wenigen Spalten wurden leicht
übersprungen; über die widerwärtige Gandecke und
abschüssige Hänge schnell hinwegeilend, stand ich
binnen Kurzem wieder auf dem grünen Rasen der
Blasalpe. Auch sie liegt dieses Jahr, wie die Mehr-
zahl der Gomseralpen, still und öde da, keine Heerde
belebt sie. Die leidige Seuche hat bald nach der
Alpfahrt Alles von der lustigen Höhe in's enge Dorf
zurückgetrieben. Für die Gemeinden des obern Goms,.
die so reich an Alpen, aber arm an Thalgütem sind,
ein schwerer Schlag.
Das Bietschhorn über den Westgrat.
Von
C. Anders in Berlin (Section Biel).
Bei den verhältnißmäßig seltenen Besteigungen
des Bietschhoras — 1885 fanden deren nur drei
statt — pflegt der von der Spitze nordnordwestlich
zum kleinen Nesthorn herabziehende Grat bis zum
Gripfelpunkt 3953" verfolgt zu werden, während der
von letzterem westsUd westlich gegen das Bietschjoch
abzweigende sogenannte „Westgrat" nur vereinzelt
als Zugang benutzt wird. Der Erste, welcher über
ihn zur Spitze gelangte , war Herr von Fellenberg
am 19. August 1867 , der dann auf L. Stephen»
Nordgrate, dem jetzt üblichen Wege, zum Nestgletscher
abstieg. ^) In umgekehrter Richtung wiederholten diese;
Tour Miss Brevoort und Mr. W. A. B. Coolidge (der
jetzige Präsident des A. C.) am 20. September 1871 ;
sie führten damit den ersten und bis jetzt einzigen
Abstieg über den Westgrat aus. Erst 13 Jahre später^
am 24. September 1884, wurde Fellenberg's Anstiegs-
^) S. Jahrbuch des S. A. C, Bd. VI, pag. 153 flf.
122 a Anders.
route wieder eröflFnet, und zwar von Schweizer Clubisten,
-den Herren Guglielminetti und J. Seiler. Als Dritter
folgte am 12. August 1885 Mr. H. Wodley aus
Manchester mit den Führern Franz Burgener und
R. Antliamatten. Die nachstehend geschilderte Be-
steigung des Bietschhorns von Westen ist demnach
<die vierte.
Ursprünglich war es meine Absicht gewesen, in
•die Fußstapfen der Herren Schulz , Purtscheller und
Zsigmondy zu treten *) und dem Bietschhorn von
"Süden beizukommen , und als ich am 16. September
1885 von der Spitze des Weißhorns den gewaltigen
Absturz des Berges in's Bietschthal mit dem Femrohr
«tudirte , machte ich meinen Führern Job. Keder-
hsLcher aus der Ramsau und A. Gentinetta von Glis
allen Ernstes einen dahingehenden Vorschlag. Beide
wollten jedoch nichts davon wissen, da der massen-
haft gefallene Neuschnee, der uns schon so viel zu
schaffen gemacht, in jenen Wänden gefährlich werden
wTürde; zudem wären die Tage für einen solchen,
sicherlich 12 Stunden erfordernden Aufstieg zu kurz,
und die Nacht würde uns auf der Nordseite über-
raschen. So entschied ich mich denn für den West-
grat, welchen mir Gentinetta als den schönsten und
sichersten Weg zur Spitze rühmte. Ich begab mich
daher mit Kederbacher, Gentinetta und Peter Ruppen,
der sich uns in Visp als Freiwilliger angeschlossen hatte,
am 21. September nach dem Lötschenthale, der Ope-
rationsbasis für die Bietschhornstürmer. An einem
1) S. Jahrbuch des S. A. C, Bd. XX, pag. 60 flf.
Das Bietschkom über den Westgrat. 123
frischen, prächtigen Herbstmorgen trafen wir nach
«iner vierstündigen , genußreichen Wanderung von
Gampel aus im Hotel Nesthom ein. Herr Lehner
irar sichtlich erschrocken, als er unvermuthet vier
hungrige und proviantbedürftige Leute in sein ein-
«ames Haus einrücken sah. Denn bei der vorgeschrittenen
Jahreszeit hatte er seine dienstbaren Greister bereits
entlassen, seine Frau war abwesend, und so ruhte
Äe ganze Last auf seinen Schultern. Es blieb uns
daher reichlich Zeit, das Bietschhorn, dessen stolzen,
pyramidalen Bau wir so oft von den Höhen des
Wallis aus bewundert, auch von dieser Seite auf-
merksam zu betrachten. Ganz einfach ist das nicht,
denn man muß den Kopf gehörig in den Nacken
legen, um das Auge in einen Sehwinkel von über
30 ® hineinzuzwingen, in welchem sich der Berg über
der Lonza erhebt. Sichtbar ist nur seine Nordspitze,
in welcher zwei Grate von Nord und West sich recht-
winklig treffen. Der nördliche Grat scheint, weil in der
Verkürzung gesehen, ungewöhnlich steil ; der Westgrat,
der sein Profil zeigt, sieht weniger jäh aus, obwohl
der durchschnittliche Neigungswinkel seines Felsen-
kammes den der nördlichen Eisschneide um 6 ° über-
schreitet. Auch ist er viel zerrissener, als der Nord-
grat, in unzählige Zacken und Thürme, ein ganzes
Gensdarmeriecorps , zerspalten; und ich kann dem
ürtheil Hm. v. Fellenberg's nicht zustimmen, der den
Westgrat für weniger zerrissen, „ganzer" als den Nord-
grat erklärt. ^)
0 V, Fellenberg a. a. O. pag. 155.
124 C. Anders.
Von meinen Führern kannte ihn nur Gentinetta,
der ein Jahr zuvor die HH. Seiler und Guglielminetti
im Sturm und Nebel über ihn hinaufgeleitet; mein
deutscher Landsmann Kederbacher war gleich mir
zum ersten Male im Lötschenthale.
Spät , erst um 4 Uhr Nachmittags , wurden wir
flott , überschritten die Lonza und begannen auf
steilem, anfänglich gutem Pfade, der aber auf der
Excursionskarte nicht eingezeichnet, durch den Nest-
wald zur Schutzhtitte empor zu klimmen. *^s war
ein langsames, mühsames Steigen in der Nachmittags-
hitze, und die Sonne war bereits hinter dem Balm-
hom verschwunden, als wir das solide, aus Holz
gezimmerte Häuschen auf Hohwitzen 2573™ erreichten.
Nur am Bietschhorn, dessen nordwestliche Eishänge
uns zugekehrt sind, leuchtete es noch purpurn, wäh-
rend das Thal und der jenseits es begrenzende Firn-
wall des Petersgrates schon in Dunkel gehüllt waren^
Als aber der Schlummer auch den Herrscher von
Lötschen umfing, übergoß der fast volle Mond die
ostwärts blickenden , schneegebänderten Flühe des
Balmhorns mit seinem silbernen Lichte.
Am folgenden Morgen verließen wir die Hütte
nach einem langen, vortrefflichen Schlafe erst um 5. 10,
bei beginnender Dämmerung. Als der Tag anbrach,
kalt und wolkenlos, hatten wir die Geröll- und Schnee-
felder passirt und kletterten bereits in den roth-
braunen Felsen des Schaf berges. An einem der scharf-
kantigen Blöcke verletzte sich Gentinetta einen Finger
der rechten Hand; eine sofort um die Schnittwunde
gelegte Mullbinde stillte jedoch die Anfangs sehr
Das Bietschhom über den Westgrat. 125
starke Blutung. Trotz des durch diesen kleinen Unfall
l)edingten Aufenthalts erreichten wir schon um 6. 40
tue Höhe des Bietschjochs 3240 °i. Wie mit einem
Zauberschlage öffnete sich die Aussicht gegen Süden
auf die unvergleichliche Kette vom Fletschhorn bis
zum Weißhom, die strahlend in der Morgensonne,
^er für sie günstigsten Beleuchtung, über dem Bietsch-
tliale schwebte. Aber ihre herrlichen Gipfel sind heute
nicht, wie sonst vor Wochen, unser Ziel, sondern
das Bietschhorn, das dort im Osten, scheinbar ganz
nah, noch 700"* über unserm Standpunkt aufstrebt.
Das noch festgefrorene, circa 600™ lange Firnfeld,
welches uns noch von ihm trennte, wurde rasch durch-
schritten, und um 7 Uhr erreichten wir den Punkt
3241 der Excursionskarte , den Fuß des hier wenig
höheren Westgrates. Bald standen wir auf seiner
Anfangs breiten Kante und begrüßten den bis dahin
unsichtbaren Grand Combin und den Montblanc. Von
nun an aber trat der Genuß der Aussicht in die zweite
Linie, denn die Gratwanderung nahm die ganze Auf-
merksamkeit in Anspruch. Zwar war sie vorläufig so
ungefährlich, daß wir uns nicht einmal an das Seil
banden; aber die wie in einer Moräne lose über
«inander geschichteten, grauen Granittafeln verlangten
eine behutsame Behandlung, sollte man nicht zwischen
ihnen wie in einer Fußangel hängen bleiben. Eine
Zeit lang sprangen wir so auf der Gratkante von
Block zu Block , allmälig zwang uns jedoch die
zunehmende Zerklüftung des Grates, ihn zu verlassen
und dicht unter ihm an seinem südlich dem Bietsch-
thal zugewandten Hange zu traversireu. Nach Um-
126 C. Anders.
kletterung vieler vorspringender Ecken tlbersehrittea
wir um 8 Uhr die Stelle, wo das erste riesige Couloir
der südlichen Bietschhomwand mündet ^), in dem die
Steinlawinen donnerähnlich krachten. Im Gefühle der
Sicherheit vor diesen ärgsten Feinden des Bergsteigers
rasteten wir, wenig unter dem Grat bei 3510™ An.^
und verweilten angesichts des immer kolossaler sich
gestaltenden Hauptgipfels 15 Minuten. Der Tag blieb
klar, wie er begonnen, und immer wieder hingen
unsere Blicke bewundernd an den edlen Berggestalten
der Penninischen Grenzkette. Sie blieben uns während
der ganzen Besteigung treu , und es ist dies ein
Hauptvorzug der Anstiegsroute über den Westgrat^
während dem von Norden kommenden Wanderer die
Aussicht nach Süden sich erat vom Gipfel aus er-
schließt, d. h. für eane stets sehr kurze Zeit. Sodaas
ging es weiter, bald über den schartigen Grat, bald
an seiner Flanke ; das Bietschthal, in das wii' unbe-
kümmert zur Rechten hinabschauten, sank tiefer und
tiefer. Schwierigkeiten hatten wir bis dahin noch nicht
vorgefunden, denn die Felsen waren Üb&t Erwarten
günstig, weder beschneit noch übereist. Doeh mahnte
ihre Zerspaltung in unzählige Tafeln, ihnen nicht
allzusehr zu trauen; oft wackelte ein Yorsprung^
an dem wir uns empor^ogen, in bedenklicher Weise
oder blieb uns gar in den Händen, Bei 3700" An»
machten wir um 9. 15 eine zweite Bast Von nun as
wurde das Terrain schwieriger und wir banden ans
^) Auf dem Titelfaolzsehnitt des Jafarbnoh XIX kt ^er
große Grrat zur Linken der Westgrat, dessen oberer TleS
durch die großen Felsrippen der Stidwand ver4eckt ist.
Bas Bietschhorn über den Westgrat 12T
aa's Seil, voran Kederbaeher, der schon bis dahiu
geführt, dann Gentinetta, ich und Rappen. Die Platten
des Hanges häuften sich, doch wurde eine naeh der
mäem durch sorgfältige Spannung des Seiles tiber-
wimden. Nachdem wir uns noch einmal horizontal
um eine Kante geschoben, faßten wir um 10. 30 am
Fuße eines rostfarbenen Gratzackens Posto , nicht
auf dem Grate selbst, sondern etwa 20™ unter ihm^.
auf der SUdseite bei 3790» An. Wir befanden una
also jetzt unter Fellenberg's „rothem Thunn" ^), d. h*
an der für den glücklichen Ausgang unseres Unter-
nehmens entscheidenden Stelle, die sich auf der Ex-
cflrsionskarte über der Zahl 5 der Höhenquote 3953 be-
finden muß. Gerade vor uns erblickten wir den nörd-
lichen Vorgipfel, zu dem in dem Winkel zwischen dem
großen Westgrat und einem Spom des in's Bietsch-
thal abstürzenden Südgrates ein grabenähnliches Fels-
couloir emporleitet. Durch diese steinschlaggefährdete
Gasse hat sich Herr v. Fellenberg einen DurchpalJ
erzwungen, da ihm die Strecke des Westgrates Ober-
leib des rothen Thurms unpassirbar schien. Nach
seiner packenden Schilderung in dem mehrfach citirten
Jahrbuch war diese Umgehung höchst mißlich; denn
als er mit seinen Leuten nach einer schwierigen
Kletterei auf „Matterhoniterrain" die Tiefe des Cou-
loirs en*eieht hatte, lösten sich Steine vom Westgrate
ioB und flogen über ihre Köpfe hinweg. Auch Coolidge
i«t bei seinem Abstiege von Chr. Almer durch dajk
gleiche Couloir hinabgeführt worden, und ebenso sind
0 V. FellABbercr. Jahrbaeh VI, S. 159 ff.
128 a Anders,
die beiden späteren Partien dort hinaufgegangen.
Die Frage , ob wir demselben Weg folgen sollten
oder nicht, wurde bald gelöst; während wir nämlich
die verrätherische Schlucht mißtrauisch betrachteten,
prasselte ein Steinhagel durch sie herab, die eindring-
lichste Mahnung , jeden Versuch , das Couloir zu
-queren, von vorneherein aufzugeben. Blieb nur noch
-die vielgezackte Gratlinie zwischen dem „rothen
Thurm" und dem nördlichen Vorgipfel. Von ihr trennte
uns eine etwa 20" hohe, von schmalen, schräg auf-
wärts ziehenden Runsen durchsetzte, ziemlich senk-
rechte Felswand von rothbrauner Farbe. Sie zu er-
klimmen , machten wir uns ungesäumt an*s Werk.
Während Gentinetta , ich und Ruppen in guter
Stellung den Fels zur Linken umklammerten, kletterte
Kederbacher kühn und sicher hinauf; als etwa 15"
^eil zwischen ihm und mir abgelaufen — Gentinetta
hatte sich losgebunden und ließ das Seil abspielen —
rief er uns zu, nachzukommen. Bald standen wir bei
ihm und kurz darauf, um 10. 50, vereint auf dem
Westgrat 3810» An. Etwa 100" tiber uns, in ost-
uordöstlicher Richtung, erhob sich der nördliche Vor-
gipfel, d. h. das Ende unseres Grates, und zu ihm
führte ein schmales , zerfressenes Felsensträßchen,
das wir nun vorsichtig betraten. Das Aufrechtgehen
wurde auf Kederbacher's Kommando vorläufig ver-
pönt: rittlings und bäuchlings passirten wir 5—6
kleine Zacken, bis wir vor einem größeren, mitten
aus dem Grate hervorwachsenden Gensdarmen an-
langten. Dieser ließ sich nach rechts hin umgehen,
xlann kam noch «eine Platte, die ein Herumschwingen
Dos Bietschhom über den Westgrat 129
nach rechts erforderlich mächte, und um 11.20 standen
wir anf dem langersehnten nördlichen Vorglpfel, ca.
3920« An. Vom Fuß des „rothen Thurmes" bis
hierher hatten wir 50 Minuten gebraucht und damit
eine neue, leichtert und ganz gefahrlose Passage
«ntdeekt. Denn Hm. ▼. Fellenberg kostete der gleiche
Abschnitt der Best^gung 1 ^.'2 Stunden. Waren wir
bis jetzt stets östlich Yorgertlckt, so hieß es nun
rechtsum machen und über den südlich streichenden,
ca. 200» langen Gipfelgrat der eigentlichen Spitze
des Bietschhoms 3958'" zustreben. In einer halben
Stunde war auch dieser letzte, viel geschilderte Gang
gethan: um 11.50 stießen wir unsere Pickel in eine
mäditige Schneehaube, auf welcher mein Aneroid,
das seit dem Verlassen des Kordgipfels um 30"^
gestiegen, uns anzeigt, daß wir den höchsten Punkt
des Bietflchhoms erreicht haben nach 5 Stunden fast
imonterbrochenen Steigens vom Bietschjoch. Wir
waren Alle ganz Mach und in heiterster Stimmung;
ieh sdireibe diel dem ausgezeichneten Schlafe zu,
dessen wir uns auf der Bietschhomcabane zu erfreuen
gehabt. So konnten wir mit hellen Augen die wolken-
lose Aussieht betraditen, die nur dann einen wahr-
haften, nachhaltigen Genuß gewährt, wenn die Seele
von keinem körperlichen Mißbehagen gestört wird.
Gegen Nordosten grüßten uns die Bemer Alpen,
deren Hauptspitzen leider durch secundäre Ketten
verkümmert sind. Jungfrau und Mönch vermögen noch
gerade über dem Mittagfaorn und der Ebnefluh her^
vorzusdien, nur das Aletschhom, auf dem wir vor
vier Wochen geweilt, steht greifbar nah vor uns,
9
130 C. Anders.
eingerahmt von den uns mehr genäherten Lötschthaler
Fimhäuptem, dem Breithom und Nesthom. Seiu
wunderbar harmonischer Bau läßt uns vergessen, das»
es den Herrscher Finsteraarhorn neidisch verdeckt.
So ist die Aussicht vom Bietschhom auf die Bemer
Alpen etwas beschränkt, keinesfalls reicht sie an die
des Aletschhorns heran, das vermöge seiner centralen
Lage den instructivsten Einblick in das Gletscher-
labyrinth seiner Umgebung gestattet. Gegen Süden
steht dagegen das Bietschhorn freier, als sein Rivale.
Nur durch das Rhonethal von uns geschieden, breitet
sich der herrliche Grenzwall gegen Italien vom Monte
Leone bis zum Montblanc zu einer leuchtenden Perlen-
schnur aus, in welcher wir jedoch zwei alte Bekannte,
Monte Rosa und Matterhorn, vermissen. Mischabel
und Weißhom entziehen sie unsem Blicken; zwischen
diesen riesigen Vorposten treten aus der südlich zurück-
liegenden Centralkette der Lyskamm, die Zwillinge
und besonders schön das Breithorn hervor : sie schließen
das Zermatterthal , von dem wir einen großen Theil
tiberblicken. Das Matterhorn ist zuverläßig nicht sicht-
bar, wie Hr. v. Fellenberg meint, denn fünf Tage
zuvor hatten wir von ihm aus das Bietschhom ver-
geblich gesucht. Dagegen zeigt sich deutlich die
dunkle, dreikantige Pyramide der Dent blanche, die
wie ein finsterer Loki neben dem reinen Baidur Weiß-
horn steht.
Nachdem wir so eine Stunde geschwelgt, hieß es
scheiden, wie immer zu früh. Um 12. 50 schritten
wir den zerscharteten Klippenpfad zum Nordgipfel
hinab und erreichten die Vereinigung des West- und
Das Bietschhom über den Westgrat 131
Nordgrates um 1.7. Einen Augenblick schwankten
wir, ob wir nicht über ersteren wieder absteigen
sollten, wie Kederbacher und Gentinetta mir anriethen;
ich bestand jedoch meinerseits auf dem Nordgrat,
da ich beide Gipfelwege kennen lernen wollte. So
betraten wir denn den scharfen Eisfirst, auf dem der
eisenbewehrte Schuh nicht den geringsten Eindruck
hinterließ, so daß die Axt in ihr Recht treten
mußte. Schweigend hieb Gentinetta, der voran-
ging, mächtige Stufen in die Schneide selbst, eine
harte und beim Abstieg gefährliche Arbeit. Wir
rückten äußerst langsam von der Stelle, und Keder-
bacher, der in der Nachhut sich am meisten gedulden
mußte, ehe wieder eine Anzahl guter Tritte herge-
stellt war, hieß uns das zeitraubende Stufenschlagen
aufgeben, die Eisschneide rittlings nehmen und so
ein Stück weit hinuntergleiten. Diese Episode ist
mir in der unangenehmsten Erinnerung; einmal fand
ich es ziemlich schwierig, in der richtigen Balance
zu bleiben, und dann hatte ich Empfindungen, ähnlich
wie auf einem hochtrabenden, mit spitzem Rücken
begnadeten Pferde. Dem Verlieren des Gleichgewichts
beugt man am besten vor, wenn man den Pickel
fest zwischen die Beine auf den Grat pflanzt und
gleichsam als Bremse benutzt; gegen die zweite
Fährlichkeit weiß ich kein Mittel — es müßte denn
das sein, sich nicht in solche Lagen zu begeben.
Endlich brach die Gewächte so steil ab, daß wir
die Reitkunststücke auf diesem Riesenfirst, dessen
Stützen zu beiden Seiten, im Osten und Westen,
2000 Fuß tief in den Firnmulden des Baltschieder-
132 a Anders,
und Neatgletöchers ruhen, nothgedrungen aufgeben
mußten, und die dem letzteren zugekehrte Wand zur
Linken zu Hülfe nahmen. Von oben fest am Seil
gehalten, schlug Gentinetta in vertiealer Kichtung
etwa zwanzig Stufen in die ca. 50"^ geneigte Flanke des
Eisdaches, das Gesioht dem furchtbaren Abgrund zu-
gewandt. Wir, die nur zu folgen hatten, nahmen die
Eistreppe rücklings, vorsichtig unter den FüJien den
nächsten Tritt erspähend, die Linke in die Stufe über
uns stützend, während wir mit der Rechten das Beil
vergebens in das harte Eis einzutreiben suchten. Vierzig
Fuß mochten wir so dem spröden Firn abgerungen haben,
als wir um 2.15 in den aus der Wand hervorbrechenden
(auf der Karte eingezeichneten) Felsen Fuß faßten. Der
erste, etwa 6™ hohe Absatz war senkrecht; das
Gesicht gegen den Fels, den Pickel in horizontale
Runsen zwängend, überwanden wir ihn glücklich,
wobei Kederbacher, da: als Letzter, also nicht von
oben am Seil gehalten, folgte, bewunderungswüi'dige
Gewandtheit und Kaltblütigkeit entwickelte. Wir ver-
ließen nun die vertlcale Linie und wandten uns nach
rechts, zuerst in den bröckligen Felsen einige Zeit
traversirend, dann von Neuem in die Firnwand über-
gehend. Auch in ihr mußten wir die horizontale, d. h.
die Traversirrichtung beibehalten, was bei der Sprödig-
keit des Eises, wie wir sie vorfanden, und der über
50^ betragenden Neigung des Hanges immer sehr
mißlich sein wird. Wo es nur irgend geht, sollte
man in blankem Eise vertical, sei es auf- od^ ab-
wärts, vorrücken, da dann das Spannen des Seiles
ein etwaiges Ausgleiten noch unschädlich macht.
Das Bietschhom über den Westgrat 133
Beim Traversiren ist diese Vorsichtsmaßregel fast
ootzlos; denn verliert hierbei Jemand den Halt, so
wird er stets um die Länge des noch so gewissen-
haft gespannten Seiles zar Seite hinabstürzen und in
den meisten Fällen seine Vor* und Hintermänner mit
sich reißen, da auch diese in den Stufen nur dürftigen
Halt haben und das Beil im blanken Eise als Rettungs-
anker versagt. Wir waren uns der Gefährlichkeit
dieses Manövers wohl bewußt und beobachteten die
äußerste Vorsicht. Gentinetta hieb die Stufen so breit
als möglich, gegen die Wand, die wir zur Rechten
hatten, etwas geneigt, die für den Hnken Fuß be-
stimmte ein wenig tiefer. Das dauerte wohl eine
Stande lang, bis wir den sicheren Schneegrat wieder
erreichten und bald darauf um 3.30 den Punkt 3712,
wo derselbe westlich zum kleinen Nesthom umbiegt,
betraten. Zwei Stunden 40 Minuten hatten diese 241 >"
im Abstieg gekostet auf einem Grate, der die Länge
von 650 ™ nicht Überschreiten wird. Wir gönnten uns
denn auch nach diesem aufregendsten und für Genti-
netta, der zwei Stunden lang Stufen sehlug, an-
strengendsten Theile der ganzen Tour 25 Minuten
Rast. Das Aletschhorn, das, sobald wir den Grat
verließen, verschwinden mußte, blinkte in der nach-
mittäglichen Süd Westbeleuchtung hoch und hehr über
dem Doppelgipfel des Lötschthaler Breithorns; ihm
galt mein Abschiedsgruß, als wir nun links in die
ca. 400 ^ hohe Felswand ein- und zum Nestgletscher
abstiegen. Um 4. 55 übersprangen wir die Randkluft,
etwa in gleicher Höhe mit dem kleinen Nesthorn, und
eilten dann über den ebenen Firnplan zum Bietsch-
134 C. Anders, Das Bietschhom über den Westgrat.
joch, wo wir 5. 32 eintrafen. Die Sonne ging pracht-
voll unter und wir durften die herrliche Farbengluth
bewundem, die sie an den Walliser Hochgipfeln ent-
zündete. Erst als der letzte rosige Funke am Dom
verglomm, wandten wir uns abwärts zur Hütte, bei
der wir um 6. 55 wohlbehalten anlangten.
Wenn ich mir ein ürtheil über die auf den beiden
Graten zu überwindenden Schwierigkeiten des Terrains
erlauben darf, so muß ich bekennen , daß uns der
Nordgrat mehr Arbeit gemacht hat als der Westgrat.
Wenn, wie es im Spätsommer wohl regelmäßig der
Fall ist, am Nordgrat das blanke Eis zu Tage tritt
und langwierige Stufenarbeit nöthig macht, so dürfte
der Westgrat entschieden den Vorzug verdienen, nament-
lich wenn man das steingefährliche Couloir am Rothen
Thurm vermeidet. Der Zeitaufwand ist kein größerer
als der für den Nordgrat erforderliche; denn wie aus
folgender Distanzentabelle ersichtlich, betrug unsere
eigentliche Marschzeit für den Westgrat 4 St. 15 M.,
für den Nordgrat 4 St. 17 M., also sogar im Abstieg
etwas mehr.
V. Fellenberg. Seilen Anders.
^\m
Marsch. Pause. Samma.
St. M. St. M. st. M. St. M. St. M.
Bietschjoch-Rother Th. 4. 30 3. — 2. 55 — . 40 3. 35
Auf dem Rothen Thurm — — — . 20 — -.20
Bis Nordgipfel ... 1. 30 — — . 30 — . 15 — . 45
Bis Hauptspitze ... 1. 30 3. 10 —. 30 — —.30
Aufenthalt 1. — ? (Sturm) — 1. — 1. —
Bis Ende des Nordgrats 2.— 2.— 2.40 — 2.40
Nestgletseher . ... — 1. 20 1. — — . 25 1.25
ßietschjoch .... 2. 40 — . 40 — . 37 — — 3J
In Summa . . .13.10 10.10 8.22 2.20 10.52
Aufstieg 7. 30 6. 10 4. 15 — . 55 5. 10
Abstieg 4. 40 4. — 4. 17 —. 25 4. 42
--•"s,-
Doldenhorn und Fründenjoch.
Von
Dr. II. Dühi (Section Bern).
Die Fahrten, die in den folgenden Zeilen dar-
gestellt werden sollen, gehören nicht zu den hervor-
ragenden Leistungen, deren Bericht in der ganzen
clubistisehen Welt Aufsehen erregt; es sind bescheidene
Gewinne auf einem bescheidenen Gebiet. Ein Interesse
mögen sie darin haben, daß sie in einem viel be-
gangenen Revier, das zudem zwei Jahre lang Club-
gebiet gewesen ist, zwei Neuigkeiten bieten und den
Satz zu bestätigen scheinen, daß in den Alpen die
Aufgaben und die Resultate nie „alle" werden. Auch
darin haben sie vielleicht etwas Pikantes, daß diese
Nachlese zu den frühem reichen Ernten mit weiblicher
Hülfe gemacht würde. Und schließlich kann ein Mit-
glied der Berner Section eine gewisse Genugthuung
darüber empfinden, daß es ihm vergönnt war, in den
Bergen, welche das Arbeitsfeld eines Fellenberg, Gösset
und Roth waren, noch etwas zu leisten. Doch zur
Sache.
136 H. Bubi,
Ich hatte für den Monat Jali 1885 mit meiner
Frau und zwei Buben von 5 und 4 Jahren in dem
hübsch gelegenen und trefflich geführten Hotel Victoria
in Kandersteg Quartier genommen, und wir benützten
die vielen schönen Tage zu Ausflügen auf die benach-
barten Alpen, zum Oeschinensee, auf die Gemmi und
dergleichen. Es war lustig, das junge Blut in seiner
naiven Freude an den Bergen zu beobachten und dem
Jubel zu lauschen, mit welchem sie auf dem Blümlis-
alpgletscher sich mitten im Sommer das Vergnügen
einer Schneeballenschlacht bereiteten. Meine Frau
seufzte wohl etwa, wie Tell's Gattin: „Die Knaben
fangen zeitig an zu steigen"; aber die Natur kann
man bekanntlich aucli mit der Gabel nicht avstreiben,
und so ließem wir sie gewähren. Mit dem Führer
Christian Hari hafte ich am 8. Juli von der oberen
4
Oeeehinenalp aus eine interessante Gratwanderung
über DUndenhora oder Wittii^ Zahlersfaom und Birre
mit Abstieg zum Oeschinensee gemacht. Hari hatte
gefunden, da& ich ein schwacher £saer und ein starker
Läufer sei; ich war also ffir größere Partien in guter
Verfassung und somit fehlte blos die Qelegraheit, das
heißt die Begleitung eines Freundes. Ich weiß nicht,
wober ea kommt, aber ich gehe nngem mehr allein
mit Führern, was früh^ orir die ersprießlichste Art
des Bergsteigens schien. Die größere Behaglichkeit,
welche eine vermehrte Gesellschaft zu suchen pflegt,
und die Anregung von Gespräch und Widerspruch sind
mir BedürfnÄß geworden. Da ein bewährter Berg-
genosse, mit dem ieh die Blümlisalpgnq^ zu durch*
wandern gedachte, wegen Geschäften ausblieb, so
Doldenhom und Fründenjoch, 137
entschloß sich meine Frau, mit mir zu gehen, nach-
dem wir, Führer und ich, ihr hoch und heilig ver-
sprochen hatten, daß wir nichts Abenteuerliches unter-
nehmen würden. Wir leisteten tinsem Schwur in guten
Treuen, aber yon Anfang an stimmte zu dieser ge-
schwomen Vorsicht der Gedanke nicht, am Dolden-
born einen neuen Abstieg zu versuchen, den Keiner
von uns kannte. Christian Hari war auf der Jagd
über dem Biberggletscher bis zu dem Kamm gegangen,
der diesen von einem auf der Olubkarte unbenannten ,
im Mund der Jäger aber Faalengletscher geheißenen
Firn- und Eisfeld zwiseben Hinterem Fisistock und
Kleinem Doldenhorn trennt. Doch wurde nur gelegent-
lich davon gesprochen, weil der Abstieg vom Dolden-
hom nach dem Gasternthal nicht gemacht sei, und einen
Theil unseres Programmes bildete dieser Weg nicht.
Zur Ausführung der Doldenhornbesteigung verließen
wir Freitag den 10. Juli spät im Nachmittag die gast-
liche Victoria und schlugen, mit Proviant und Decken
gut versehen, den Weg nach dem „Biberg" ein. Außer
Christian begleiteten uns sein Bruder Hans and ein
Knecht des Hotels als Träger. Unterwegs merkten
die Mannen, daß sie notbwendiges Geräth, wie Pfanne^
,fKaeheli^ und Löffel vergessen hätten, und da denn
Mangel unterwegs nicht abzuhelfen war, mußte Einer
wieder smrllek. Die Folge war, daß wir Uebrigen
langsam stiegen und auf der ersten Höbe eine Weile
warteten, die Zeit vertreibend mit Gesprächen und
TjSpiegeln" in's Thal hinunter, wo die Kinder munter
bemmsprangen. Als die Karawane wieder beisammen
war, wurde aufgebrochen. Die Alp Biberg ist ver-
138 H, Dübi.
lassen; man sagte uns, der Staat habe sie gekauft
«nd wolle sie mit Wald bepflanzen. Gegenwärtig ge-
^deiht wenigstens Buschwerk in ungehemmter Fülle.
Hinter der Alp geht der Weg steil in die Höhe und
^ald erreicht man eine obere Ten*asse dicht unter
'der steil abfallenden Wand, über welcher die Fisi-
alp liegt. Diese Terrasse wird sonst in östlicher
Richtung tiberschritten zum Bivouak, das man ge-
wöhnlich nahe der Moräne des Biberggletschers nimmt.
Uns aber gebot ein sehr drohend aussehender Himmel,
irgendwo an der vor uns liegenden Wand Deckung
zu suchen. Wir fanden auch eine recht ordentliche
Balm im Augenblick, wo sich die Schleusen des
Himmels zu einem regelrechten Hagelwetter öffneten.
Hätten wir nicht zum Glück unsere „Kacheli" ver-
gessen gehabt, so hätten wir jetzt Regen und Schlössen
^ktibelweise" zu kosten bekommen; denn ohne den
dadurch verursachten Aufenthalt wären wir jetzt an
dem gewöhnlichen Bivouakplatz , wo man kaum ge-
schützt ist. Selbst da, wo wir waren, drohte eine
Invasion der himmlischen Heerschaaren in unseni
Lagerplatz. Wie ein Wasserfall kam es über die
Platten des längs der Wand ansteigenden Bodens
herabgeschossen und nur ein paar schnell gezogene
Gräben schützten uns vor der (Jeberschwemmung.
Rasch, wie es gekommen, war das Wetter auch vor-
bei, und bald verkündete nur noch die weiße Decke
in unserer Nähe und auf den gegenüberliegenden
Bergen die Wirkung der verheerenden Elemente.
Wir richteten uns für die Nacht ein. Die Führer
schleppten einen alten Baumstamm herbei, der, in
Doldenhom und Fründenjoch, 139
Stücke geschlagCD, reichliche Feuerung lieferte. Der
Träger wurde in's Thal entlassen und allmälig kam
die Nacht herauf, still und feierlich, wie sie in solchen
Höhen wirkt.
Die Aussicht war ziemlich beschränkt, aber die
Hoheit des Gebirges wirkte doch auf die Phantasie,
and die Erinnerung so mancher schönen Stunde stieg
mit alter Kraft in uns auf. Erst spät gelangten wir
zur Ruhe und schliefen auf dem harten Felsboden
«0 fest, daß die Führer Morgens Mühe hatten, uns
2U wecken. Es war beinahe 5 Uhr als wir aufbrachen.
Ein Theil des Gepäckes wurde hier zurückgelassen,
80 wenig waren wir sicher, daß wir einen andern
Rückweg nehmen würden. Ueber Schutthalden und
Schieferplatten ansteigend, erreichten wir in drei
Viertelstunden den gewöhnlichen Bivouakplatz , der
nur den einen Vortheil bietet, etwas höher zu liegen.
Die Stelle, wo wir übernachtet haben, ließe sich mit
leichter Mühe etwas besser herrichten. Leider ist sie
ohne Wasser. Gewöhnlich macht man die Besteigung
von Kandersteg aus in einem Tage. Sind Damen
oder schw^ächere Gänger dabei, so empfiehlt sich ein
Bivouak. Die Besteigung des Doldenhoms geschah
auf dem gewöhnlichen Wege via Spitzstein , wie sie
in dem hübschen Werk „Doldenhom und Weiße Frau"
von A. Roth und E. v. Fellenberg beschrieben ist.
Nur daß wir bedeutend geringere Schwierigkeiten
fanden, da Gletscher und Firn von außerordentlich
günstiger Beschaffenheit waren. Der Aufstieg über
die Trümmerhalden bis an den Rand des Gletschers war
aber so mühsam und langweilig, daß der Versucher
140 H. Dühi,
wieder an uns herantrat und uns einblies, es wäre
schöner und auch angenehmer, in's Gastemthal abzu-
steigen oder wenigstens die Schafschnur am Oeschinen-
see zu passiren. Von unserm Frühstöcksplatz istm
Spitzstein konnten wir das Band deutlich sehen, das
sich hoch über dem Biberggletscher um die Vorsprtfoge
des „Doldenstoeks'' windet. Es schien nicht besonder»
schwierig zu sein und schon damals stand eigentBch
fest, daß wir es machen wollten. Der Aufstieg liher
die verrufenen großen Schrttnde ging leicht von
statten; aber da wir nicht schnell marschiTten , ßo
tiberholte uns der leidige Nebel, der seit Stunden
schon auf der Spitze des großen Doldenhorns hockte.
Als wii 10*/2 Uhr auf der Einsattlung anlangten,
konnten wir nur noch den schönen Blick auf die
Walliser Alpen genießen, die Bemer waren schon
ganz verhüllt und bald steckten wir selber im Nebel,
der wenigstens den Vortheil hatte, daß er meiner
Frau die Steilheit des Gehänges am Gipfel maskirte.
Dieser wurde 11^/» Uhr erreicht. Nur hier und da
erlaubte ein Windstoß einen kleinen Ausblick, der
zu lebhaftem Käthen veranlaßte. Um 12 Uhr wurde
wieder aufgebrochen. Der Abstieg geschah am Gipfd
vorsichtig, von der Einsattlung weg schnell und bald
waren wir unter den großen Schrunden. Nach kurzer
Berathung wendeten wir uns links und gelangten
über leichte Schneefelder an die Felsen des kleinen
Doldenhoms, und an das auch auf der Excursioiifi*
karte pro 1884 deutlich erkennbare Band. Ueber
demselben steigen die Felsen des kleinen Doldenhoms
steil empor ; unterhalb fallen steile Hänge mit Felsen
Doldenhom und Fründefijoch, 141
imd SclmeeriimeD auf den Biberggletacher ab, der Bich
in der Tiefe ausbreitet Bis wir an die Ecke des
FelsgeetelLs kamen, der auf der Fellenberg'schen
Karte Doldenstock heißt und den Fuß des kleinen
Doldenhorns bildet, ging die Sache rasch und leicht,
aber von da wog änderte sich die Situation. Der
Schnee reichte bis an die Felsen heran. Theilweiae
deckte Eis die Felsen und bald aufwärts, bald ab-
wärts kletternd auf schmalem Gesims und um unend-
liche Vorsprtinge und Ecken herum verbrachten wir
vielleicht zwei Stunden in starker Aufregung und
«teigendem Aerger. Dio Kletterei war nicht leicht
nsd wollte nicht aufhören. Meine Frau hielt sich
tapfer und geschickt, aber begreiflich sehnte sie sich
nach dem ihr versprochenen leichteren und bequemeren
Abstieg. Statt dessen steckten wir in der Patsche
und maßten wohl oder übel bis an's Ende gehen.
Wohl ein Dutzend Mal hofften wir, daß die nächste
Ecke die letzte sein würde (ein ruhiger Nebel nahm
uns die Aussicht); anstatt dessen wurde der Halt
am Felsen und auf dem abschüssigen Hange immer
Fökärer. Endlich erreichten wir den sogenannten
»Sparren", einen wunderlichen, dem Spitzstein ähn-
lichen Felskegel, wo wir die Gastemseite und damit
ftr uns das gelobte Land sahen. Aber der Marsch
^ttrch die Wüste hatte uns verdrossen und Christiau,
welcher uns denfidlfen angerathen hatte, bekam aus
iartem Munde eine unzarte Strafpredigt zu hören,
^e er mit Demuth entgegen nahm. Er hatte die
^Traversirung beträchtlich tiefer und unter viel besseren
^ingungen gemacht und gab zu, daß, hätte er die
y
142 H, DubL
Situation genau gekannt, er einer Dame diese Kraft-
leistung nicht zugemuthet hätte. Item, es war gemacht
und nachträglich hat es uns nicht gereut. Unsere
Eitelkeit war sogar geschmeichelt, wenn wir später
in „Doldenhom und Weiße Frau" S. 11 lasen, daß im
Jahre 1862 die Gesellschaft des Herrn v. Fellenberg
vom Grat zwischen Faulen- und Biberggletscher aus
den von uns gemachten Weg recognoscirt und auf
dessen Begehung verzichtet habe, weil da alle practi-
cable Verbindung fehle. Ich sage das keineswegs,,
um uns zu rühmen. Die Gesellschaft des Herrn
V. Fellenberg war besser zusammengesetzt als die
unsrige und die Ersteigung des kleinen Doldenhomes
vom Faulengletscher aus gewiß schwieriger als unsere
Passage. Es scheint mir nur eines aus unserem Sieg
hervorzugehen, daß in den letzten 20 Jahren der
Begriff von practicabler Verbindung sich merklich
verändert hat.
Auf dem Faulengletscher beriethen wir, ob wir
über die Lücke zwischen den Fisistöcken nach der
Fisialp gehen wollten, von wo wir einen guten Weg
in's Thal hatten. Die Führer riethen davon ab, weil
wir in der zu passirenden Schlucht viel Schnee und
Steintrümmer zu passiren hätten, und verhießen un&
einen leichtern Abstieg in's Gasternthai. Aber auch
das erwies sich als trügerisch. Eine Weile lang ging
es freilich recht gut, trotz dem eintretenden Regen,,
der den schmalen Pfad schlüpfrig machte. Aber als
wir uns nun entschiedener der Tiefe zuwendeten,,
hörte der Pfad stellenweise ganz auf und wir hatten
über steile Gras- und Schutthalden stundenlang abzn-
Doldenhorn und Fründenjoch, 143^
steigen, ehe wir die Thalsohle im Gasternholz er-
reichten. Beim „Alpli" , einer erbärmlichen Weide-
för Kleinvieh, bedrohten uns die Schafe, während:
wir am Bache den brennenden Durst zu löschen
trachteten, mit Steinfällen. In der Dunkelheit er-
reichten wir Kandersteg, wo wir, wie billig, sehr
angestaunt wurden. Die von uns gemachte Variante
empfiehlt sich für Leute, die Abwechslung lieben.
An sich ist sie länger und beschwerlicher als der
gewöhnliche Abstieg, und wenn sie auch zum ersten
Mal von einer Dame mitgemacht wurde, ein „Damen-
weg" wird sie wohl nie werden.
Der glückliche Erfolg hatte uns Lust zu Weiterem
gemacht, und die Entdeckung, daß noch ein zweiter
„neuer Weg" in der Gegend sei, spornte uns 8 Tage
später zu einer neuen Unternehmung. Ich hatte vor
Jahren via Oeschinenhorn die Einsattlung zwischen
diesem Gipfel und dem Fründenhorn erreicht und
war von da auf den Kandergletscher abgestiegen;
Herr Löhnert war in umgekehrter Richtung vom
Gastemthal zum Oeschinensee gelangt und dieser
Paß galt uns als Frtindenjoch. Ich war daher sehr
erstaunt, auf der Excursionskarte von 1884 diesen^
Namen in der Lücke zwischen Fründen- und Dolden-
horn zu finden, und fragte in Kandersteg eifrig nach^.
ob und von wem dieser üebergang gemacht worden^
sei. Die Antwort lautete von Führern und Wirths-
leuten übereinstimmend verneinend. Herr Egger wußte
zu sagen, daß sein verstorbener Bruder auf der Jagd
von der Gasternseite her bis zu jener Lücke zwischen-
Fründen- und Doldenhorn emporgestiegen sei, und
144 H. Bubi,
€hrigtian Hari wollte auf der Oeschinenseite bis
FründengletBcher gekommen sein. Von einem l
gang durch Touristen wußten beide nichts. Nun
ich bei verschiedenen Gelegenheiten mit einem
liehen Femrohr einen Felsenkopf, auf der Karl
2569 ™ bezeichnet, gemustert, der zwischen den |
steilen Enden des Fründengletschers liegt, i
schien mir, daß, wenn man bis dorthin ge
ikönne, die Paßhöhe leicht zu erreichen sein
Die Gasterseite war nachweisbar nicht schwier
so schien das Unternehmen nicht allzu gewagt. \
man vom „FrUndenjoch" der Karte nicht dir€
Gasternthai absteigen, so blieb ein Ausweg nach
•oder links wohl immer möglich. Am 18. Juli ]!i
4 Uhr machten wir Vier uns also auf den
wieder entschlossen, alle Abenteuer zu ven
und wieder dazu bestimmt, solche zu erlebei
Wetter war schön, aber etwas warm schon
Nacht. Am Stidufer des Oeschinensee's vorbei
wir durch Knieholz, Alpenrosengesträuch und;
über magere Schafweiden und Platten, mehrei
traversirend, ziemlich rasch empor und erreicl
der Stelle, die ^in den Frtinden'^ heißt, den
Felswand, wo wir einen ersten Halt machte
war ein hübscher Frühstücksplatz im Hintei
eines Felsencircus , auf welchem sich Schal
^Gemsenfreche" herumtrieben. Nach kurzer Rast
die „Frau^ an's Seil genommen und zunächsl
links wendend der Versuch gemacht, das Bol
.an seiner tiefsten Stelle zu ersteigen. Nach w<
Schritten hörte das Band auf und wir mußten]
* •
Doldenhom und Fründenjoch. 145
Dicht ohne Mühe rückwärts concentriren. Ein zweiter
Versuch, gerade aufwärts einer Spalte im Felsen folgend,
fiel besser aus. Christian, der voraus war, half am
Seil ziehend meiner Frau, die von Hans getreulich
gehütet war, hinauf, und ich folgte, „auf allgemeines
Verlangen" ebenfalls angebunden, mit dem Rest des
Gepäckes nach. Dann ging es eine Weile munter
vorwärts und eine zweite Mauer erwies sich in der
Nähe als eine etwas roh construirte Treppe. Noch
ein paar Schritte, und wir standen am Rande des
ebenen Gletschers, freudig jauchzend; denn das Ziel
war nicht zu fehlen. Doch erwies sich der Anstieg
ttber Gletscher und Firn schwieriger, als am Dolden-
hom. Beide waren arg zerklüftet und zwangen uns
zu Umwegen und Seilmanövern. Wie wir uns dem
Joche näherten, rief auf einmal meine Frau : „da sitzen
die beiden Malerinnen". Aufblickend gewahrten wir
links über uns zwei steinerne Figuren, die an zwei
Gäste der „Victoria" erinnerten, eifrig über die Palette
gebeugt. Leider würdigten wir sie nur einer flüchtigen
Aufmerksamkeit. Hätten wir ihnen einen Besuch ge-
macht, so würden sie uns einen Weg nach dem
Gastemthal gezeigt haben, der uns Zeit und Mühe
gespart hätte. Um 12 Uhr erreichten wir die Paß-
höhe. Leider war wieder nur der Rückblick wolken-
frei. Die Walliserseite steckte im Nebel. Bald wurde
aufgebrochen und ein leichter Abstieg durch eine
knrze Schlucht brachte uns auf den namenlosen
Gletscher, der seine Eisbrüche auf die Platten am
Fuß des Alpetligletschers hinunterwirft. Wir gingen
fast bis an den Rand vor, verzichteten aber weislich
10
146 H, Bubi,
auf diese Art von Beförderung. Möglicherweise ist
nach rechts , ein Ausweg und Abstieg auf die ^Dolden*^
möglich. Wenigstens wollte uns das später vom Thal
her so scheinen. Aber augenblicklich verboten nicht
nur unsere guten Vorsätze alles Experimentiren, auch
die Luft hatte eine verdächtige Färbung angenommen
und in den Felskämmen heulte der Sturm. Wir eilten,
auf den richtigen Abstieg, der unter dem Gipfel des
Fründenhoms liegt, zu kommen. Nach der Karte
wäre das nun durch einen einfachen Flankenmarsch
auf dem wenig geneigten Gletscher zu machen ge-
wesen. Die rauhe Wirklichkeit aber zeigte einen Fels-
kamm, der bis zum Absturz hinunterreichte und uns
von der östlichen Fortsetzung unseres Gletscherchens
abschnitt. Wohl oder übel mußten wir wieder auf-
wärts und fanden weiter oben ein gutes Schieferband,
das uns auf die andere Seite und wieder auf Schnee
brachte. lieber uns saßen die „Malerinnen" immer
noch an der Arbeit, und mit Bedauern sahen wir,,
daß der bessere Weg an diesen Holden vorbei ge-
gangen wäre. Unser Umweg aber kommt der Karte
und damit späteren Wanderern in diesem Gebiet zu
Gute. Bald erreichten wir die Stelle unter dem Gipfel
des Fründenhoms, wo der Abstieg über einen langen
Felsrücken auf den untersten Theil des Alpetligletschers
möglich schien. Da aber der oberste Theil dieses
Felsrückens steil war und von Eis schimmerte, so
gingen wir „noch ein Haus weiter" und stiegen das
nächste Dach hinunter. Die Senkung desselben war
bedeutend und Vorsicht am Platze. Nach einiger
Zeit schien es uns, daß jetzt der erste Felsrücken
Doldenhom und Fründenjoch, 147
practicabler aussehe, und wir entschlossen uns rasch,
dahinüber zu traversiren. Zu diesem Zweck aber
hatten wir eine mit steil abfallenden Platten ausge-
kleidete Schlucht zu tiberqueren. Kaum hatten wir
uns mit einigem Seufzen an diese Arbeit gemacht,
so brach ein Hagelwetter los, dem wir diesmal schutz-
los ausgesetzt waren. Erbarmungslos schlug es uns
auf Gesicht und Hände und im Nu waren wir naß,
wie wenn man uns durch einen Bach gezogen hätte.
Es war also mehr als überflüssig, wenn nun dieser
Bach selber über die Platten berabgeflossen kam, so
daß diejenigen von uns, welche nicht in Bewegung
waren, und das waren regelmäßig Drei von Vieren,
zur Hälfte im Wasser saßen. Aber so „eingeteufelt"
waren wir nun schon durch das Bergleben, daß wir,
nicht ohne Murren zwar, aber in schönster Eintracht
und Kaltblütigkeit, vorwärts manövrirten, bis sich
der Sturm gebrochen hatte und wir mit einem letzten
„bösen Tritt'' auf den Felskamm gelangten, über den
wir nun leichter abwärts kamen. Eine Rutschpartie
ttber Lawinenschnee brachte uns auf den Gletscher,
der Dun im Trabe passirt wurde. Die größten Schrunde
wurden dabei unbesehen übersprungen und nach kurzer
Zeit war die Moräne erreicht. Was wir zu dieser
selbst, sowie zu dem Abstieg vom „Hundsschüpfen"
und zu der alten Kandermoräne sagten, darüber will
ich den Mantel christlicher Liebe breiten. Naß und
verwettert, aber nicht halb so unwirsch, wie acht
Tage vorher, rannten wir am Heimritz, Seiden und
Grastem vorbei und erreichten mit dem Einbruch der
Nacht die Klus, wo wir gerade noch den Weg sahen.
148 H. Bubi, JDoldenhorn tmd Fründenjoch,
Abends um 10 Uhr waren wir im Hotel zurück. Das
Abendessen nahmen wir aus guten Gründen im Bette
liegend zu uns und noch Tage lang zierten die
hinteren Balkone der ^Victoria" verschiedene Klei-
dungsstücke, welche von Beredsamkeit über unsern
neueq Paß trieften. Das neue Fründenjoch aber mag
Besuchern von Eandersteg empfohlen sein. Ich habe
oben angedeutet, wie seine Begehung vielleicht ab-
gekürzt werden kann. Andere werden sicherlich auch
schneller marschiren, als wir. Wer pressirt ist, wird
immerhin, um von Kandersteg nach Seiden zu ge-
langen, besser den Thalweg einschlagen.
n.
Freie Fahrten.
Gol de Pianereuse et DarreV.
Par
Louis Kurz (Section de Neuchätel).
I. Le Col de Plauereuse.
!•' passage.
Pendant le mois de juillet 1885, apr^s une s^rie
d'ascensions dans la chaine du Mont-Blanc, j'avais
forme le projet de faire celle du Darrei, la seule des
«imes viergeß de la partie Buisse de ce massif qui
^alüt encore la peine d'etre tentee. Abandonne par
Vami qui m'avait accompagne jusque lA, j'allais m'in-
staller au lac Champey en attendant l'arrivee d'un
autre camarade, qui m'avait promis son concours pour
l'exp^dition que je projetais.
La petite pension Biselx ä Champey 6tait mon
quartier gen^ral, et les quelques jours que je passai
Ja s'ecoulerent dans les delices d'un repos bien meritö,
au milieu d'un site ravissant. Lasse cependant d'ad-
uürer les eaux transparentes du lac, de parcourir les
belles forets de sapins qui le bordent et ayant epuis6
toutes les promenades des environs, je me deeidai k
Diettre k profit le temps encore disponible avant
152 Louis Kurz,
Farriv^e de mon ami pour pousser une reconnaissance
dans la haute montagne, du c6t6 du DarreX. Dans ce
but, je fis venir d'Orsiferes mon guide Fran^ois Biselx,
un des fils de mon liöte. Par la m^me oecasion, je
comptais explorer un col qui, d'aprös la carte, devait
exister entre le Darrei* et la Pointe de Planereuse et
n'avait pas encore 6t6 franchi.
Le 30 juillet, dans la soiree, nous traversions les
champs et les päturages qui s6parent Champey des
chalets de Saleinaz, pres du glacier de ce nom. Le
lendemain, un magnifique clair de lune 6clairait notre
depart et nous permettait de passer sans encombre
la foret de la Pourriaz. De lä, k travers les eboulis
de la Pointe de Planereuse, nous gagnons le glacier
de Planereuse. Sa partie inf6rieure, d^pourvue de
neige, est assez inclin6e pour n6cessiter 9a et lä la
taille de marches. Apres une heure environ, nous
arrivons sur un beau plateau neigeux au milieu duquel
nous faisons halte. A notre droite, la Pointe de Plane-
reuse est assez proche pour qu'il seit possible de
Tatteindre en trois quarts d'heure. Devant nous, k
cent cinquante metres de distance, s'ouvre le passage
que je cherche, k travers Farete qui court de la
Pointe de Planereuse k ce contrefort du Darrelt qui
porte le nom de TitaNeire. De difficult6s, il n'y en
a pas, le col s'61eve k vingt metres environ au-dessus
du glacier et ressemble assez k la Fen^tre de Saleinaz
vue du glacier du Trient. A gauche enfin, une pente
assez raide est la voie directe menant k la vall6e qui
separe les deux cimes du Darrei. C'est peu de chose
k faire et seule la foi jur^e me retient d'y aller tout
Col de Planereuse et Darret, 155
de stiite, surtout quand Biselx m'assure qu'en troi»
ou qnati'e heures on doit pouvoir arriver. Je me con-
tente d'examiDer la ronte ä snivre. Pendant mes^
conrses pr6c6dentes, j'avais supputö avec soin Falti-
tnde relative des deux cimes. La carte donne 3537 m^tres.
ä la plus septentrionale et 3496 m^tres seulement k
Tautre. Or, dfes la premifere fois que je les avais vues,
il m'ayait para qu'elles ^taient d'^gale hauteur, et
j'avais meme crn remarquer que la pointe m^ridionale
avait quelques m^tres de plus. Pour m'assurer de la
chose, je n'ai d'ici qu'4 remonter la pente de neige
devant nous, mais je ne me sens pas assez fort pour
r^sister, une fois lanc^, k la tentation d'aller jusqu'au
bout, et je me d^cide vertueusement k gagner le col
(3063 m^tres), que nous atteignons apr^s une courte esca-
lade. Nous y 6difions aussitöt une petite pyramide et
allons nous ^tablir un peu plus bas sur Tautre versant.
Ce sont de vieilles connaissances que les cime&
qui se detachent sur l'horizon: TAiguille d*Argenti6re,
TAiguille du Chardonnet, la Grande Fourche, les Ai-
guilles Dorees, le Portalet; mais c'est la premiöre
fois que nous les voyons de ce c6t6; elles sont loia
d'y perdre : Biselx lui-meme ne peut retenir un cri de
Borprise k ce coup d'oeil auquel il ne s'attendait pas»
Avec le t^lescope, nous döcouvrons la cabane d'Orny
et un groupe d'hommes et de femmes qui circulent
k Tentoiir, venus probablement en p^lerinage k la
petite chapelle k c6t6 de la cabane.
A cinq cents m^tres au-dessous de nous s'6tale
le glacier de Saleinaz, trfes tourmentö et formant plus
loin sur la droite une belle chute. Sa vue m'inspire
154 Louis Kurz.
rid6e de changer mon plan primitif, qui etait de
gagner la cabane d'Orny par le Col des Plines, et de
rejoindre plutot les chalets de Saleinaz en descendant
le glacier. Ce projet sourit k Biselx d'autant plns
qu'il n'a jamais en Toccasion de passer par \k.
A dix henres nous partons. Nous obliqnons an
peu k droite pour atteindre une pente de rochers qui
aboutit au glaeier et dont la descente est facile. Les
rochers franchis et le glacier atteint, on toume encore
k droite pour attaquer les s^racs de la chute, con-
tenus entre deux parois ä pic qui n'offrent auenn
passage. A ma connaissance, ce chemin a ^te fait une
seule fois, en 1863 , par MM. George, Macdonald et
les guides Christian Almer et Melchior Anderegg, en
descendant du Col du Tour Noir; tromp^s par les
brouillards, au lieu de passer le Col d'Argenti^re,
-comme ils en avaient Tintention , ils arriverent sur
le glacier de Saleinaz et gagn^rent le Val Ferret sans
savoir par oü ils passaient. En ce moment, je ne me
rappeile pas quelle rive du glacier ils ont suivie, et
nous optons pour la droite. Nous nous engageons
r^solument dans les s6racs de ce c5t6. Mais k peine
avons-nous franchi cinquante metres que nous sommes
arret^s par une succession de formidables crevasses,
v^ritables abimes, au milieu desquels tout espoir de
trouver un passage s'evanouit.
Nous battons en retraite et traversons le glacier
pour tenter la rive gauche. Nous reussissons mieux;
les crevasses, tout aussi nombreuses, sont cependant
moins larges, et pendant deux heures et demie nous
errons au milieu d'un labyrinthe que le coup d'Gßü
(Jol de Planereiise et Darret, 155
de Biselx parvient k döbrouiller. ün moment ariive
tontefois oü nous sommes s6rieu8ement arr^tös, entre
la paroi de rochers k pic, aupr^s de laquelle se dresse
un immeose bloc de glace et une sörie de crevasses
infraDchissables. Noub ne savons trop que faire et
allons nous d6cider k retourner siir nos pas, lorsque
Biselx, s'avaDQant contre la paroi, me dit: „Je crois
qu'on pourrait passer entre le bloc de glace et le
rocher. '^ II se döbarrasse de son sac et se glisse en
rampant; une fois engag6, je lui passe le sac et le
suis. Des pierres et de la terre 6taient pris au-dessus
dn bloc, et la chaleur du soleil aidant, nous sommes
arroses pendant cette courte traversöe par une pluie
de boue, de teile fagon qu'en sortant de Tautre c6t6
Doas avons pass6 au gris.
Arriv^s enfin au pied de la chute, nous nous trou-
vons sur un grand plateau que le glacier präsente
en cet endroit avant de reformer une seconde chute
beaucoup plus petite. A notre gauche, au delä de la
moraine, nous voyons un sentier de chfevres qui court
dans les gazons et doit conduire k Saleinaz. Au lieu
de le suivre, nous avons la malencontreuse id6e d'aller
explorer le bord oppos6. Mal nous en prend. Aprös
avoir gravi la moraine, nous descendons sur des
gazons parsemös de sapins rabougris ; puis tout k coup
la verdure cesse au-dessus de rochers k pic. Pas
moyen d'aller plus loin. Biselx remonte un peu et
trouve enfin un passage k gauche, droit au-dessus du
glacier: Tendroit est assez scabreux pour nous obliger
i reprendre la corde. Le rocher, fort lisse, offre tres
peu de saillies, et k un moment donne Biselx, qui est
15G Louis Kurz.
naturellement le second, doit lacher sod piolet, qm
d^gringole et va se briser une soixantaine de m^tres
au-dessous; plns bas encore, il se trouve dans une
Position teile qu'il se d6chausse.
Nous finissoDS cependant par atteindi*e la moraine
et de \k des pentes de maigres gazons oü nons tron-
vons un sentier qui nous m^ne k Saleinaz. A neaf
heures du soir, je r^int^gre ma chambre k Champey.
J'y trouve, h^las! une lettre de l'ami que j'attendais
et dans laquelle il m'annonce que, malgr^ tout son
d^sir, il lui est impossible de me rejoindre!
IL Le Darrei* (3537 m.).
1'® ascension.
Pendant les jours qui suivirent, le temps ne fat
guere propice aux grandes ascensions; le 6 aoüt,
cependant, il paraissait r6tabli, et dans Taprös-midi
je montai avec Biselx k Orny.
Le plus court depuis Champey est de passer par
le col de la Braye, mais cette route ne füt-elle pas
la plus directe, eile serait toujours pr6f6rable k Fen-
nuyeuse et fatigante mont6e depuis Orsi^res jusqu'au
Plan de l'Arche. Le sentier traverse d'abord des forets,
gagne le charmant Val d'Arpette qu'il suit jusqu'anx
chalets, puis tourne k gauche, zigzague k travers une
nouvelle foret et aboutit k des 6boulis qu'on remonte
jusqu'au col. De lä, on oblique sur le flanc droit de
la combe d'Orny pour rejoindre la route d'Orsi^res
au Plan de l'Arche, et une demi-heure plus tard,
apres une petite mont^e k travers la moraine, on
arrive k la cabane.
Ool de Planereuse et Barrei, 157
La cabane d'Orny est situ6e k 2700 m^tres d'al-
ütnde. Son emplacement a ^t6 tr^s judicieusement
<;hoisi, tant sous le rapport de la vue que pour l'ex-
ploration de la partie suisse de la chaine du Mont-
Blanc, pr^s de Touverture du cirque glaciaire compris
entre l'Aiguille du Tour, les Aiguilles Dorfes et la
Pointe d*Orny: les ascensions dont eile est le centre
comprennent depuis la simple promenade jusqu'aux
grimp6es les plus ardues. Elle est adoss^e aux contre-
forts des Aiguilles d'Arpette, ä quelques pas du gla-
<jier d'Orny, dont eile domine la partie införieure.
Depuis la petite terrasse qui pr^c^de la porte,
-OD admire d'abord le Portalet, qui surgit au premier
plan, puis, dans l'^loignement, une partie des Alpes
"Graies, enfin le majestueux groupe du Combin, qui
forme ä lui seul un tableau splendide, le soir sur-
tout, alors que le soleil couchant le dore de ses der-
niers rayons.
Aussi bien la cabane est tr^s fr6quent6e : clubistes
■et chasseurs s'y donnent rendez-vous, et pendant la
belle Saison il n'est pas rare d'y trouver quelque
joyeuse compagnie stabile k s6jour fixe pour escalader
la plupart des sommit^s avoisinantes.
La vie s'y r^gle alors d'une fa^on pröcise: de
bon matin une ascension, parfois deux; retour pour
le diner, k midi, k la cabane; puis fiänerie aux en-
Tirons jusqu'au soir. Les jours de repos, ou lorsque
le temps n'est pas certain, promenades sur le glacier.
A deux pas de la cabane, le petit lac d'Orny pr6te
aux fervents de Fhygifene ses eaux glac^es pour une
^aignade r^paratrice aprös les exercices de la jour-
158 Louis Kurz,
n6e. En quelques heures un porteur venu d'Orsi^re»
amöne tout ce que vous pouvez d^sirer au point de
vue mat6riel. En un mot, c'est un paradis declubistes:
je m'etonne vraiment qu'on trouve encore parfois la
cabane libre, et je ne serais pas surpris d'y voir dans
quelques ann^es s'^lever un chalet desservi par quelque
cantinier.
Ce jour-lä, eile 6tait occup^e par une bände nom-
breuse de clubistes amis , avec lesquels nous passon»
une fort agr^able soir6e. Mais le lendemaiu le temps^
Sans etre mauvais, semble compromis. Vers cmq
heures seulement, nous nous d^cidons k nous mettre
en route. Le sentier suit quelques centaines de pas
la crete de la moraine lat^ale, pliis descend sur le
glacier, qui s'^leve insensiblement jusqu'au pied de
la Pointe d'Orny. Bientöt surgissent successivement
les Aiguilles Dorees, la Grande et la Petita Fourche
et les Aiguilles du Tour. Ces cimes semblent'enserrer
comme dans une gigantesque cuvette T^norme masse
de glaces qui forme le plateau du Trient, Arriv6ft
sur ce dernier, nous nous dirigeons sur la gauche
pour gagner par une pente tr6s douce. le Col de&
Plines ; la neige est d'ailleurs bonne et k sept heurea
nous y sommes.
Le Col (3193 metres) est une vaste ouverture neigeuse
entre les Aiguilles Dorfes et le Portalet, coupee par
places d'asp^rites rocheuses qui dessinent un certain
nombre de passages dont on peut franchir indlfferem-
niemt Tun ou l'autre. Nous perdons 14 assez de t^apfi^
k examiner la vue et k discuter les probabilit^ de
mauvais temps. Nous finissons cependant par dee-
Col de Plcmereuse et Darret. 16^
cendre par les rochers des Plines sur le glacier de
Saleinaz, que nous traversons dans la direction du
Col de Planereuse. Nous atteignons ce dernier vera
dix heures.
Pendant que nous dejeünons k Templacement oü
nous avions fait halte quelques jours auparavant, de
vagues cris se fönt entendre dans l'^loignement ; ce
sont quelques-uns de nos compagnons de la cabane
d'Oray qui viennent d'arriver au sommet de la Grande
Fourche et qui annoncent leur succes. Nous repartons
apres une demi-heure de repos; le Col franchi, nous
attaquons la pente devant laquelle nous nous 6tions
arretes lors de notre reconnaissance ; eile est assez raide
ponr qu'il faille y faire quelques entailles; le glacier
anquel eile aboutit est fortement crevasse et les ponts
de neige sont souvent tres peu sürs; ils obligent ä
de nombreux d6tours. Par surcroit, subitement nous
nous trouvons entour^s de brouillards et le tonnerre
8€ fait entendre dans la direction du Col du Tour.
A tont hasard je rel6ve ä la boussole notre ligne de
retraite; mais, k vrai dire, il n'y a plus gu6re moyen
de se tromper. Nous sommes dans le petit vallon qui
s^pare les deux cimes: une cime ä droite, l'autre k
gauche et devant nous Tarnte qui les relie ; la cuvette
du vallon que remplit le glacier a peut-etre cinq cents
metres de long sur cent k cent cinquante de large^
et füt-on compl^tement perdu dans le brouillard, il
faut fatalement arriver k la seule issue qui existe^.
la route que nous avons prise pour venir. Nous coa-
tinuoDs ä avancer tout droit devant nous, guides du
pcste par la direction des crevasses. Lorsqu'apr^s une
160 Louis Kurz,
lieure de marche, les bronillards se l^vent aussi su-
bitement qu^ls sont yenuB, nons nous trouTons au
centre du fer k cheval que fonne le massif, juste
«ntre les deux cimes.
II s'agit de d^cider laquelle nous voulons gravir.
Nous opinons d^finitivement pour celle de gauche,
<;elle du sud, qui, malgre la carte, nous paralt la plus
haute. Elle est d^fendue par une pente de glace
abrupte coup^e par une rimaie; la route tout indiqu^e
•est de traverser en diagonale cette pente pour aller
rejoindre Tarnte k gauche de la cime. Apr6s la rimaie,
Biselx taille des marches dans une glace tr^s dure;
j'agrandis les degres derri^re lui, pensant que nous
ne les trouverons Jamals trop grands k la descente,
car c'est le plus mauvais passage de toute Tascension.
-üne centaine de marches suffisent pour atteindre les
Premiers rochers, que nous gravissons tout droit vers
Tarnte; ils sont tr6s raides, mais sans difficult^s,
parce que la röche est solide; cette partie est d'ail-
leurs vite franchie. C'est avec une vive curiosit^
qu'arriv6s k la cr^te nous portons nos regards snr
rautre versaut et sur le glacier du Barrel. La pente
^ie la montagne descend tout droit, mais quoique tr^s
inclin6e, eile paratt praticable; le glacier auquel eile
aboutit est tr^s peu crevass6: il faudra essayer de
rentrer par \k. Une fois cette decision prise, nous
continuons all6grement Tescalade en suivant tout simple-
.ment Tarnte, qui nous conduit en peu de temps au
sommet. Nous y touchons k deux heures et constatons
avec plaisir que c'est bien la vcaie cime, car nous
•d^passons la pointe nord de quelques m^tres. Cette
\
Col de Planereuse et Darrei, 161
question resolue, Biselx me montre quatre points noirs
qui remontent la Fenetre de Saleinaz; ce sont nos
amis qui reviennent de la Grande Fourche; nous les
lielons de toute la force de nos poumons, mais en
vain, ils n'ont du moins pas Tair de nous entendre.
Apr^s un temps de repos, je prends quelques
photographies ; malheureusement le soleil est mal plac^
pour la plus belle partie: le cirque form6 par le
Dolent, les Aiguilles Rouges et le Tour Noir, qui
s'ouvre devant nous et que je dois me contenter de
regarder. Mais je ne puis me lasser de contempler
les preeipices que pr^sentent les pentes de ces mon-
tagnes, ces versants rayös de couloirs effrayants,
labour6s sans cesse par les chutes de pierres et de
glace. Au sud, le soleil 6claire encore les montagnes
italiennes, tandis que du cote de Chamonix le ciel a
pris une teinte de plomb. Les cimes sont cependant
libres, sauf l'Aiguille du Chardonnet, qui est coiff^e
d'un nuage.
Biselx interrompt tout k coup ma reverie: Mon-
sieur! — ? — Avez-vous dejä couch6 sur un glacier? —
Kon pourquoi ? — C'est que, si vous ne tenez
pas 4 faire cette exp6rience, ce serait le moment de
partir! — Je tire ma montre: il est pr^s de trois
liem-es, et pour tenter une nouvelle route, nous n*avons
que le temps bien juste avant la nuit. Nous edifions
ä la liäte un caim , y deposons une bouteille avec
quelques notes, et nous nous remettons en marche,
d'abord le long de l'arete pendant une centaine de
metres; puis nous descendons dans les rochers k
droite. Ils sont faciles, mais peu stables, ce qui nous
11
162 Louis Kurz.
oblige k prendre quelques pr6cautions. Nous arrivon»
ainsi entre deux couloirs qui aboutissent k une pente
de neige pr^c^ant le glacier ; nous les longeons jus-
qu'au moment oü les roches deviennent impraticables.
Nous gagnons alors le couloir de droite; mais la neige
y est si pourrie quMl y a danger de faire partir une
avalanche, et quoique, en d'autres circonstances, ce
doive etre le chemin le plus simple, nous nous bor-
nons k le traverser pour gagner les rochers du bord
oppos^, que nous descendons jusqu'ä, la pente de neige.
Nous suivons celles-ci sur la droite pendant quelques mi-
nutes, pour aborder ensuite le glacier. II est 5 heures.
II ne faut pas songer k faire une halte, nous ne
savons pas ce qui nous attend plus loin, le tonnerre
se rapproche de plus en plus et nous sommes encore
k pr^s de 3000 mötres d*altitude. Le glacier forme ici
un petit plateau; nous le traversons de Tonest k Test
Au moment oü nous abordons la rive opposöe, Torage
fond sur nous. Alors commence une course 6chevel6e,
k se rompre les os, d'abord k travers des roches,
puis des ^boulis, enfin des pentes gazonn^es. Voili
des moutons, donc il doit y avoir un sentier, mais
oü est-il? Nous courons de droite et de gauche,
anxieux de le trouver au plus vite, car les nuages
montent en grandes masses du fond du Val Ferret et
vont nous envelopper; les rafales redoublent de vio-
lence, accompagn^es de pluie et de gr6sil, et malgrf
le violent exercice auquel nous nous livrons depiiis
notre d^part de la cime, nous sommes transis et glac^*
Par un bienheureux hasard, Biselx d^couvre wie
sente k peine visible que nous suivons avec pr^cantioD;
Gol de Planereuse et Darret, 163
car eile s^interrompt de temps en temps. Elle nous
am^ne sur un sentier mieux trace que nous pouvons
suivre dans la nuit, qui est tont ä fait tomböe. A huit
heures et demie, nous faisons notre entr6e dans un
chalet pr^s de Praillon, oü une brave femme nous
fournit des vetements de rechange, met ä notre dis-
position tout ce que contient son chalet, nous re^oit
enfin avee cette large hospitalitö valaisanne dont j^avais
eu dejä tant de preuves dans mes pr6c6dentes excur-
sions
En r^sum^, je crois que, pour cette ascension, la
route la plus directe et la moins fatigante sera celle
de Saleinaz par le glacier de Planereuse, aller et
retonr; mais il vaudra mieux etre ä trois, k cause
des nombreuses crevasses. Pour deux personnes seules
et pour les touristes qui preförent le rocher k la glace,
je recommanderai plutöt la route que nous avons
suiTie k la descente.
Der Lyskamm (4538 m.).
1881.
Von
Dr. Emü Burckhardt (Section Basel).
Ein von uns Schweizern in auffallender Weise ver-
nachlässigter Zermatter Hochgipfel ist der Lyskamm,
die mächtigste Erhebung nicht nur des Grenzkammes
vom Lysjoche bis zum Theodul, sondern mit seinen
4538™ des ganzen Wallisergebirges westlich vom
Monte-Rosa überhaupt. ^) Man kann kaum sagen, der
Lyskamm sei zu unbedeutend, um auf den Bergsteiger
genügende Anziehungskraft auszuüben. Allerdings
macht er, gleich dem Monte Rosa, nicht den Eindruck,
den man von einem Hochgipfel ersten Ranges erwarten
sollte. Er besitzt nicht die Selbstständigkeit, nicht die
scharf ausgeprägte Individualität eines Matterhornes,
einer Dent Blanche oder eines Weißhornes. Dazu
^) Der Lyskamm mit 4588 >" ist der sechsthöchste Berg
der Schweizer-Alpen. Nur der Monte-Rosa mit vier seiner
Spitzen (Dufour 4638/4631, Nordend 4612, Zumstein 4573,
Sig^alkappe 4561) und der Dom 4554 überragen ihn.
Der Lyskamm. 165
fehlt ihm die isolirte, gerade deshalb aber nm so
dominirendere Stellung und der kühne Bau, der diese
Spitzen so vortheilhaft kennzeichnet. Er ist überhaupt
kein Berg, der sofort fesselnd und überwältigend auf die
Phantasie des Beschauers einwirkt. Und doch kann,
wer vom Gomergrat, von den Hängen des Monte-
Rosa, oder von den Eisbrüchen des Grenzgletschers den
Lyskamm schon näher betrachtet, nicht unempfindlich
bleiben für seine Schönheit. Für den aufmerksamen
Beobachter ist er ein Berggebilde von eigener Pracht,
und was ihm an trotziger Wildheit abgeht, das ersetzt
sein mächtiger Bau von klassischer Ruhe und hoher
PonnenvoUendung. In anderer Weise, aber nicht minder
schön, wirkt der Lyskamm von der italienischen Süd-
seite, von Gressoney aus. ;,Von dem Dorfe St. Jean
de Gressoney, sagt Studer ^), läßt sich der Lyskamm
in seiner ganzen Ausdehnung Überblicken, und seine
leuchtenden Hochfime, die in den dunkelblauen Himmel
schneiden, gewähren hinter den Coulissen der grünen,
mit Lärchengehölzen geschmückten Vorberge ein ma-
lerisches Bild." 2)
Lange wurde der Lyskamm im Zermatterthale
„Monte-Rosa" genannt, nach Studer bis zu Ende der
Dreißigerjahre. Der Name „Silberbast" ^), den er eine
Zeit lang trug, hat sich nie recht einbürgern wollen,
so wenig als die Benennung „ Joseph- Vincenthorn"
») Studer, Ueber Eis und Schnee II, 63. «) Vgl. das Titel-
bild zu Matthews „Col de Lys«* in P. P. and Gl. II, 1, 359.
*) Der Schweiz. Atlas, 1/50000 (1881), hat außer „Lyskamm"
wieder den Namen „ Silberbast ** adoptirt.
166 Emil Burckhardt,
(zum AndenkeB an J. A. Vincent, den ersten Ersteiger
der Monte-Rosa Znmsteinspitze) Anklang fand. ^)
Die Besteigungsgeschicbte des Lyskammes gebt
bis zu Anfang der Sechzigerjahre zurück, in eine
Zeit, wo die Männer der alten 8cbnle des englischen
Alpenclub in den Zermatter Bergen manchen bisher
verschlossenen Paß eröffneten und eine jungfräuliche
Spitze nach der andern bezwangen. ^)
1859 war der 4200" hohe Hochpaß am östlichen
Fuße des Lyskammes, als Uebergang von Zermatt
nach Gressoney, von den Brüdern Matthews zum ersten
Male überschritten worden: er ertiielt den Namen
Lysjoch (Col de Lys). ^) In den folgenden Jahren,
^) Studer, 1. c. 63. ») Vgl. Studer, Ueber Eis und Schnee U,
63 ff. ; IV (Supplt.), 162 ff., und die dort angeführte englische
Literatur. ^) Der topogr. Atlas 1/50000 und Dufour 1/100000
nennen ihn Ijj^pasa. Tsehudi's (1885,291), dem nVolksmunde"
entnommene Benennung ,|Mensehenfre&ser'* würde wohl auf den
Jjyskamm, nicht aber auf das hysjoch passen. Ein ebenfalls
gebräuchlicher Name ist Süherpass, der konsequenterweise
vom topographischen Atlas als Pendant zu „Silberbast" (Lys-
kämm) hätte angenommen werden können. Studer, FV, 152,
gibt in seinen Höhenbestimmungen des Monterosastockes den
beiden Lysjochübergängen (^dem östlichen und westlichen) die
Höhe von 4321, resp. 4200 ". Tschudi (1885, 1. c.) nennt den
Paß „bei gutem Wetter ohne Schwierigkeit, aber wegen über-
hängender Schneewellen (Gwächten), über welche der Weg
führt, höchst gefährlich." Diese Angabe ist ganz unrichtig
und beruht entweder auf falscher Information, oder auf einer
Verwechslung mit dem hyskamm. Ueber die erste Üeber-
«chreitung des Lysjoches vgl. W. Matthews, jun., P. P. and
Gl. II, 1. 359 ff., ebenso über die ersten Versuche gegen den
Lyskamm. Matthews Arbeit war für die Kenntnis dieses
Theiles der Grenzkette von hohem Werthe.
Der lAfskamm, 167
1860 and 1861 , fanden mehrere Angriffe auf den
Lyskamm selbBt statt, and zwar zwei über den West-
grat — von den Zwillingen , bezw. vom Hoehpasse
des Felikjoeiies (4068), zwei über den Ostgrat — vom
Lysjoche aus. Diese Yersuefae, bei denen die besten
l^amen des A. 0. -^ Tuckett^ Fox, Moore, Stephen,
Beilly — betheiligt waren, mißlangen sämmtlich.
Olttcklieher war am 19. August 1861 Herr Hardy (A. C),
dem unter der Hauptführung von P. Perren und in
Gesellschaft verschiedener anderer englischer Berg-
stdger die erste Besteigung des Gipfels unter gün-
stigen Verhältnissen gelang, Aufstieg und Abstieg
waren über den Ostgrat erfolgt. Ausgangs- und End-
punkt der Expedition war der Riffel, bezw. Zermatt. ^)
Wenige Tage später, den 28. August 1861, fand die
erste üeberschreitang des Hochpasses am Westfuße
de« Lyskaznmes, des Felikjoches (4068*) von Gres-
soney aadi Zermatt, durch Matthews und Jacomb
(Führer J. B. und M. Croz) statt. ^) Die erste Ersteigung
des Lyskammes über den Westgrat, vom Felikjoche aus
über die secundäre Spitze (4478 »>), gelang 1864 Leslie
Stephen und Buxton (Führer: J. Anderegg und F. Biener)
mit Abstieg über den Ostgrat. Es war dies zugleich
die erste toUständige Traversirung des Berges in
seiner ganzen Längenaehse von West nach Ost» 1867
*) S. die lebensvolle, originelle Schilderung von Hardy
in P. P. and öl. 11^ 1, 883 ff. ») W. Matthews, jun., in F. P.
and GL U, 1, 397 ff. »»The Col des Jumeaux'*. Diese letztere
Benennimg war uarichtig. Der ZwiUings- oder Yerrapaß) 3861"*,
führt Bwisclien den ZwiUingea (Castor) 4230 "^ und PoUux,
4094») hindurch.
168 Emil Burckhardt
wurde* wieder eine Besteigung auf neuem Wege gemacht,
und zwar diesmal von der italienischen Seite aus, vom
westlichen Lysgletscher durch die Felsen des Siid-
grates, durch C. E. Matthews und Morshead (Führer:
Chr. Almer und A. Maurer). 1878 folgte P. W. Thomas
(Führer : J. Imboden und J. Langen), ebenfalls von der
italienischen Seite, vom östlichen Lysgletscher aus,
über die südöstlichen Felsen und zwar mit Auf- und
Abstieg durch dieselben. ^)
Besteigungen auf dem von Hardy und Genossen
zuerst eingeschlagenen Wege, über den Ostgrat, haben
in der zweiten Hälfte der Sechziger- und in den Sieben-
zigerjahren mehrfach stattgefunden. Zwei derselben sind
Längstraversirungen, nämlich eine Doppeltraversirung
1866 durch zwei gleichzeitig vom Lysjoche und Felik-
joche ausgegangene Partien, die sich auf der Spitze
kreuzten (Kitson vom Lysjoche, Morshead und Walker
vom Felikjoche aus), und 1877 durch Davidson vom
Lysjoche nach dem Felikjoche. Erwähnenswerth ist
auch eine Besteigung vom Felikjoch über den West-
grat auf und ab, 1874, durch Tuckett.
Zwei Besteigungen über den Ostgrat fanden einen
unglücklichen Ausgang. Im Jahre 1869 stürzte Arthur
ehester, ein bekannter englischer Bergsteiger, im Ab-
stiege über den Ostgrat ^), an unschwieriger Stelle, als
er nach seinem im Aufstiege verunglückten Hunde
0 A. J. IX, 1878/80, 109. — Ueber eine italienische Be-
Bteigang durch C. Perazzi, vom Lyflgletscher aus über defi
Südostkamm, s. Rivista Alpinaltaliana III, 1884, Nr. 9, 100—101.
Dieselbe wird von A. Sella als ein neuer Weg bezeichnet.
>) Vgl. Studer II, 72, und A. J. IV, 1868/70, 376.
^ Der Lyskamm, 165'
sehen wollte, nach dem oberen Grenzgletscher hinunter
nnd blieb todt, während seine beiden Führer wunder-
barerweise mit leichten Verletzungen davon kamen..
Der ganze Vorfall war etwas mysteriöser Natur und
ist nie ganz aufgeklärt worden. Am 6. September 1877
verunglückte eine ganze Partie von fünf Personen r
die Herren Lewis und Patterson aus England und
ihre Führer, drei Brüder Knubel. Alle Fünf blieben
todt. Etwa 500 Fuß unter dem Gipfel war die Gwächte
des Kammes gebrochen und hatte den Sturz nach der
italienischen Seite auf den Lysglet scher 1200 — 1500
Fuß tief verursacht, wo die Leichen aufgefunden
wurden. •^)
Ein das Jahr zuvor, im August 1876, am Felik-
joch geschehenes Unglück, das zwei Herren, Johnson
und Hayman, sowie dem einen Führer, Sarbach, daa
Leben, und dem anderen, ebenfalls einem Sarbach, ein
paar Finger kostete, wird zwar vielfach, aber ganz
mit Unrecht, mit dem Lyskamme in Verbindung ge-
bracht. 2)
Immerhin scheint die Katastrophe des Jahres 1877
die Lust zu Lyskammbesteigungen über den Ostgrat
ziemlich abgeschwächt zu haben. Dieser Weg galt von
da an bei den Zermatter Führern für schwierig und
gefährlich, während er doch, unter günstigen Umständen
und bei gehöriger Vorsicht keines von beiden ist. Die
1) Stader IV, 165 flf., und A. J. VIII, 1876/78, 346. Da»
Unglück geschah meiner Ansicht nach im ^w/*8tiege. Weder
Thomas, noch ich, fanden auf dem Gipfel des Lyskamme»
die Karten der verunglückten Bergsteiger. *; S. Studer, IV,
163, und A. J. VIII, 1876/78, 112 und 163.
170 Emil Burckhardt *
fremden Führer, von denen nnr wenige den Lyskamm
aus eigener Erfahrung kannten, schlössen sich diesem
unrichtigen Urtheile an und der Berg kam, wenigstens
in Ftihrerkreisen, in ganz unverdienten Verruf.
Ob in den ersten Jahren nach dem Unglück vod
1877 der Ostgrat des Lyskammes wieder begangen
wurde, ob außer von P. W. Thomas (1878) eine Be-
steigung des Berges überhaupt stattfand, ^) ist mir an-
l)ekannt, doch habe ich Ursache, anzunehmen, daß von
1877 an die Besteigungen jedenfalls nur sehr vereinzelt
waren und daß der Ostgrat bis 1881 nicht mehr be-
treten worden ist. Während ein Matterhorn, ein Monte-
Eosa von Macugnaga, eine Dent Blanche, welche im
Laufe der Jahre, von 1865 — 1882, die Bluttaufe er-
halten haben, eine gewisse Olasse von Bergsteigern
gerade aus diesem Grunde erst recht anzogen, war
4ies nicht der Fall mit dem Lyskamme. Für diese
war und blieb er ein unbertihmter, unbedeutender Berg,
-der als „Ersteigungsobject" gar nicht in Betracht kam.
^Langweiliger Gratbummel und charakterlose Schnee-
«tampferei" lautete das — allerdings nicht aus eigener
0 Imboden fährte 1878 seinen Herrn, P. W. Thomas,
durch die B^elsen des italienischen Südostgrates auf und ab,
um den Ostgrat zu vermeiden, den er für gefährlich hielt.
Thomas (A. J. IX, 109) sagt ausdrücklich von seinem Wege
durch die Felsen: ^it has the merit, of belng firee from danger. "
Er meint auch : „This route would appear to possess attrae-
tioBS superior to any former one." Diesem Urtheile kasn ich
mich nicht anschließen. Die Felsen der italienischen Sudseite
des Lyskammes bilden allerdings einen ganz praktikabein
^eg, sie entbehren aber der großen Reize, welche der öst-
liche Firngrat bietet.
j
Ber Lyskamm. 171
Erfahrung hervorgehende — Urtheil eines bekannten
Montanisten der jüngeren deutschen Schule, dem ich
1881 den Lyskamm als ebenso schöne wie interes-
sante Partie empfehlen wollte. — „Aber ich bitte Sie,
wie können Sie sich mit solchen Schneehügeln ab-
plagen^, meinte mitleidig ein gesinnungstttchtiger öster-
reichischer Felsenmann, als ich nach meinem ersten
fehlgeschlagenen Versuche auf den Lyskamm zum
zweiten Male ansetzte. ^) Nun, das sind Geschmack-
sachen.
Die Anregung zur Besteigung des Berges verdanke
ich eigentlich meinem früheren Führer Peter Egger
von Grindelwald, der, obschon Berneroberländer durch
und durch, doch flir die Schönheiten und Reize auch
der Nicht-Oberländer Berge ein offenes Auge hatte. Es
war Anfangs August 1873, in jener prächtigen Woche,
wo ich mit meinem Glubgenossen Bischoff das Glück
hatte, von einem Dienstag bis zum Samstag Matter-
hom, Monte-Rosa und Weißhorn ^) zu besteigen, als
*) Purtscheller, der ausgezeichnete führerlose Bergsteiger,
einer der allerersten neueren Montanisten, scheint diese ein-
seitigen Anschauungen nicht zu theilen; ihm war der Lys-
lEamm zur Besteigung weder zu gering, noch zu unberühmt
Ebensowenig Herrn Vittorio Sella vom C. A. I. *) Es möge
mir hier gestattet sein, einen Irrthum des Herrn G. Studer
zu berichtigen. In „Ueber Eis und Schnee" IV, (Supplt.) 170,
schreibt G. Studer: „G. Weilenmann war unstreitig der erste
Schweizer Tourist, der seinen Fuß auf die Spitze des Weiß-
hornes gesetzt hat.** Es ist dies unrichtig. Der erste Schweizer
Tourist war vielmehr, schon 6 Jahre zuvor, 30. Juli 1867,
fi.Thioly (8. A. C. Genf), vgl. Jahrb. S. A. C. V, 63 ff. Die
zweite schweizerische Besteigung erfolgte durch H. Bischoff
(S.A. C. Basel) und mich, 8. August 1878 (Führer: P. Bojirea,
172 Emil Burckhardt
wir im herrlichsten Sonnenscheine auf der Diifourspitze
lagerten. Egger gefiel der Lyskamm ausnehmend und
er meinte, das sei ein Berg, den wir zusammen ein
anderes Jahr machen müßten. Erst 1880 aher kam
ich wieder nach Zermatt; es war am Schlüsse einer
längeren Bergreise, und ich hatte nur noch wenige
Tage zu meiner Verfügung. Mit mir war nicht mehr
Peter Egger, der in seinen letzten Lebensjahren die
schweizerische Kundsame mit der lucrativeren eng-
lischen vertauscht hatte, sondern Christen Jossi von
Grindelwald. Am Tage nach meiner Ankunft rückte
ich vom Riffel gegen den Lyskamm aus. Schlechtes
Wetter zwang uns aber schon auf dem Gomergletscher
zum Rückzuge. In den paar Tagen, die ich noch in
Zermatt zubrachte, vereitelten starke Schneefälle jeden
weiteren Versuch gegen unseren Berg.
Ein Jahr darauf, den 14. August 1881 , war ich
wieder auf dem Riffel marschbereit für den Lyskamm.
Es war am 15. August, 2 Uhr früh, als ich mit
P. Egger, von Grindelwald, Träger : Moser von Zermatt). Am
13. August 1873 folgte erst Weilenmann, der übrigens in seiner
„Firnenwelt" III, 379 ff. unserer Besteigung mehrfach erwähnt.
Thioly und Weilenmann konnten bei ihrem Abstiege das Thal
nicht mehr am gleichen Tage gewinnen, sondern mußten
zwei Nächte am Berge schlafen. Bischoff und ich hatten früh
1 Uhr das Bivouak im Schallenberg verlassen, um 11 7« Uhr
Mittags den Gipfel erreicht und waren, in starkem Gewitter
absteigend, um 8'/* Uhr Abends in Randah und um */* 11 Uhr
Nachts in Zermatt. Da über unsere Besteigung nichts ver-
öffentlicht wurde, so blieb sie , wie viele unserer Tonren in
den Sechziger- und Anfangs der Siebzigerjahre, weiteren
alpinen Kreisen unbekannt.
Der Lyskamm, 173
Chr. JoBsi von Grindel wald und mit Gabriel Taug-
walder von Zermatt, in sternheller, kaltklarer Nacht,
den Riffel verließ, um über den Gomer- und Grenz-
gletscher das Lysjoch zu gewinnen, von wo wir Über
den Ostgrat den Lyskamm besteigen und über den
Westgrat nach dem Felikjoche zurUckkehren wollten.
Fünf Minuten vor 5 Uhr waren wir bei „auf m Felsen",
unterhalb Ober-Plattje ^), 3344™, wo sich die Wege
nach Monte-Rosaund Lysjoch, resp. Lyskamm scheiden,
und hielten Frühstticksrast, während der die Witterung
anfing, ungünstig zu werden.
Der rechten Seite des Grenzgletschers ^) entlang,
der bald ziemlich zerrissen wurde, war in dreiviertel-
Btündigem Marsche der Fuß des mächtigen Seracs
ZMischen dem oberen und dem unteren Grenzgletscher
erreicht. Anstatt nun direkt durch dasselbe anzu-
steigen, hielten wir, da Taugwalder behauptete, es
sei dieses Jahr nicht gangbar, zu viel links (unserer
Marschrichtung nach) an den Monte-Rosa. Anfangs
ging die Sache gut, bald aber kamen steile Eis-
passagen, die lange Hackarbeit erforderten und zudem
noch dem Steinfall ausgesetzt waren. Zu spät sahen
wir unseren Fehler ein, traversirten dann nach rechts
und gewannen unter großem Zeitverluste das Serac in
*) Dufour 1/100,000, 1862/69, und Exk. S. A. C. „Blattje"
Ital. Generalstabsk. 1/50,000, 1874/76, Blatt 23, „auf der
Platte". — ») Auf Exk. S. A. C. namenlos. Auf ital. General-
«tabsk. 1874/75 ganz unrichtig Monte-Rosa-Gletscher. Der
Monte-Rosa- Gletscher ist der Hochgletscher zwischen Nord-
end und Dufourspitze , der vom Silbersattel (4490") sich
l^erabzieht.
174 Mnil Burckhardt,
seinem obersten Theile. Von hier erst bemerkten
wir, wie weit rascher, sicherer und müheloser vir
durch die Mitte des S6racs hätten gehen können.
Inzwischen hatte sich das Wetter ganz schlecht
gestaltet : um den Monte-Rosa und den Lyskamm zog^
wildes Schneetreiben, und als wir die große Firn-
mulde des obern Grenzgletschers hinanstiegen, s'teckten
wir in dichtem Schneegestöber. Anfangs in der wirk-
lichen Hoffnung auf Besserung, dann, um uns gegen-
seitig wenigstens den Anschein zu geben, als hättea
wir diese Hoffnung noch, gingen wir weiter vor.
Die Kälte war nicht sehr bedeutend, aber der starke
Schneesturm nahm uns fast den Athem und hemmte
unseren Fortschritt bedeutend.
Es war gegen 8*. 4 Uhr, als wir über uns mensch-
liche Stimmen hörten , unsere Jauchzer fanden Er-
widerung und bald tauchte vor uns aus dem Nebel
eine Gestalt auf, dann noch eine und wieder eine,
schließlich eine ganze Karavane von sechs Mann,
weiß von Reif und Schnee. Gegenseitige Begrüßusg^
ohne Lüftung der über die Ohren heruntergebundenen
Hüte. Es waren drei italienische Bergsteiger mit
drei Führern, die heute von der Hohlicht-Hütte am
Lysgletscher über das Lysjoch kamen, um den Monte-
Rosa vom obern Grenzgletscher aus zu besteigen \
aber durch das Unwetter zurückgeschlagen worden
*) Der erste Besteiger der Monte-Rosa Dnfonrspitze Ton
dieser Seite war H. M. D^chy, 29. Juli 1871. Vgl. Boilet del
C. A. I. Vm, 1874, 181 ff., und Jahrb. S. A. C. XI, 1876/76, 630.
Döchy, Z. Topof^raphie des Monte-Rosastockes. Conwsjr, Z,
P.-B., 51, verlegt diese Ersteigung auf den 29. August 1874.
Der Lyskamm, 17&
waren, Sie erzählten, daß weiter oben der Sturm
furchtbar tobe, und schlugen, da sie ein weiteres Vor-
gehen unsererseits für unmöglich hielten, gemeinsamen!
Rttckweg nach dem Riffel vor. Doch konnten wir un»
dazu noch nicht verstehen.
Von* großem Interesse für uns waren die Mit-
theilungen unserer GoUegen vom Club Alpino über das
Unglück von Marinelli und Imseng am Monta-Rosa
vom 8. August, dessen Einzelnheiten bisher in Zermatt
nicht genau bekannt geworden waren. — Die italieni-
schen Herren waren übrigens von der Kälte stark
mitgenommen. Ihre Equipirung schien mir für emst&
Eisarbeit und für Wind und Wetter keine sach-
gemäße; sie war zu elegant und zu fein: kurze
Segeltuchcamaschen , dünne Fingerhandschuhe und
leichte Kleidung. Auch ihre Führer, gleichfalls Italiener,
waren nicht gehörig ausgerüstet. Schneehauben und
dicke Fäustlinge, wie wir sie trugen, fehlten der
Partie gänzlich. Im üebrigen waren die Herren kräf-
tige, geschmeidige Gestalten und auch ihre Führer
machten keinen schlechten Eindruck. - — Jedenfall»^
mußten die Leute in der letzten Zeit nicht viel in
Wind und Wetter gewesen sein, denn ihre glatten Ge-
sichter waren wohl glwchmäßig von der Sonne gebräunt,,
aber nicht von jenem verwitterten Bronze, welches fort-
gesetzter Aufenthalt in der Hochregion, in Schneebrand
und Eisluft, erzeugt.
Wir ließen sie mit der Ermahnung ziehen, im Sörac
nicht unseren Spuren zu folgen, sondern vielmehr direkt
durch die Schrunde abzusteigen.
Ehrenhalber wurde noch einmal angesetzt, der tief
176 Emil Burckhardt
eingetretenen Spur der Italiener folgend. Nach einer
halben Stunde, 9V4 Uhr, machten wir in der Höhe
von 3950™ (AneroHd) einen Halt, um abzuwarten,
ob das Wetter sich nicht besser gestalten wtlrde. Taiig-
walder erklärte den Lyskamm als für heute verloren,
während Jossi meinte, daß er wenige Tage zuvor
mit mir den Grand-Combin bei nicht besserem Wetter —
einmal unterwegs — erzwungen hätte und daß das-
selbe vielleicht mit dem Lyskamme möglich sei. *)
Orand-Combin und Lyskamm sind nun aber sehr ver-
schiedene Berge, die in keiner Weise einen Vergleich
.mit einander aushalten.
Als Aeltestem und zumeist Interessirtem fiel mir
<ler Stichentscheid über Vormarsch oder Rückzug zn.
Ich rieth weder zum Einen, noch zum Andern, sondern
I
^u einem kräftigen Frühstücke. Während nun das-
selbe seine besänftigende Wirkung auf die etwas
gereizten Gemüther der Führer ausübte, kam uns der
sehr zeitgemäße Gedanke, eine Umkehr sei eigentlich
^as einzig Vernünftige.
Etwas nach 9 ^k Uhr wurde dieselbe angetreten.
Diesmal wählten wir den richtigen Weg durch die
Mitte des S6racs. Bis zum unteren Grenzgletscher
gab uns winterliches Schneegestöber das Geleite. Am
0 Von Chamounix nach Zermatt unterwegs mochte icl
den Grand-Combin (4317*°) als höchste Zwischenspitze nieh
auslassen und wollte darum nicht gerne an diesem ao sie
durchaus leichten Berge zurückgehen (13. August 1881). Ic
setzte zwar meinen Willen durch, trug aber einen if'rost
schaden an einer Hand davon, an dem ich längere Zeit zu
4eiden hatte.
J
Der Lyskamm, 177
Halteplatz bei ^aufm Felsen^, den wir frühmorgens
zuyersichtlich und siegesgewiß verlassen hatten, trafen
wir die dort rastenden Italiener. Gegen 1^,2 Uhr
waren wir auf dem Riffel, unterwegs auf dem Gomer-
gletscher von einem Gewitterregen noch ttichtig ab-
gewaschen und iVa Stunden später in Zermatt.
Nach diesem fehlgeschlagenen Versuche hatte der
Ljskamm für mich erst rechtes Interesse gewonnen
und ich nahm mir vor, keinen anderen Berg mehr zu
machen, bis der Lyskamm mir gelungen war.
Die beiden folgenden Tage, der 17. und 18. August,
brachten ganz schlechtes Wetter und selbst für das
Thal Schneefall. Als aber am Abend des zweiten
Tages der Himmel sich aufhellte und ein frischer
Kordost die Wolken fegte, brach ich zu später Abend-
fitunde mit Jossi und Taugwalder nochmals nach dem
Kiffel auf. .
Den. 19. August früh marschirten wir wieder um
2 Uhr ab, diesmal von Vorwürfen der Sachverständigen
geleitet — darunter einige alte Bemer- und Zermatter-
fflirer und Ingenieur Imfeid — die den Lyskamm
bei frischem Schnee für durchaus gefährlich erklärten.
Wir versprachen, von vornherein auf eine Traversirung
Tom Lys- nach dem Felikjoch verziehten und uns mit
dem Ostgi'at für den Auf- und Abstieg begnügen zu
wollen.
Das Wetter war denkbar schön, aber bitter kalt,
^nd der Gornergletscher glashart gefroren, so daß
er bei Laternenschein bis zu Tagesanbruch keinen
sehr angenehmen Weg bot. Um 5 Uhr waren wir
wieder „aufm Felsen '', wo wir die Laterne und etwas
178 Emil Burckhardt
Proviant znrückließen und eine nur viertelstündige Rast
hielten. Meine Leute drängten ungeduldig vorwärts^
da sie aucli heute, doch wie mir schien^ mit Un-
recht, der Witterung nicht recht trauten.
Auf demselben Wege , den wir am 16. August
zurückgekommen waren, gingen wir durch die tief
verschneiten S^racs und hatten dieselben schon 6 Uhr
40 Minuten Jiinter . uns. Im oberen Grenzgletscher
mußte eine mächtige, vom Monte-Rosa gefallene^
frische Lawine, deren Eis- und Schneeblöcke das
Qletscherthal weithin deckten und thdlweise sperrten,
gekreuzt werden. Um 7^k Uhr waren wir da, wo
die Wege nach dem Besiajoche und nach dem Lys-
Joche sich trennen. Anstatt nun dem üblichen Lys-
jochwege, der hier in weitem Bogen nach links aus-
holt, zu folgen, griffen wir, um abzukürzen, die
steilen Fimhänge an, die vom unteren Ende des Lys-
kamm-Ostgrates gegen das obere Grenzgletscherplateau
sich herunterziehen. *) Unsere Berechnung war eine
falsche, denn nicht imnxor ist im Hochgebirge die
geradeste Linie die kürzeste. Es gab lange und
schwere Arbeit, zuerst im Eise, dann im tiefen pulve-
rigen Neuschnee. Erst 9^'4 Uhr war die Gratiii^ie
(AneroXd 4230»), etwas rechts, westlich oberhalb des
Lysjoches (4200™), gewonnen und mit freudigem
Jauchzen begrüßten wir die in hellem Sonnenglanze
leuchtenden Berge Italiens. Die Aussicht war eine
^) Vgl. Hardy, 1. c, 388. Ueber die beiden Paßflber-
gänge 8. auch Conway, Zermatt Pocket-Book, 57, und
Tschudi, 1885, 291.
Der Lyekamm, 17?
prachtvolle. ^) Von einer nordischen Hochregion, aus
starrer Eiseskälte, glaubten wir uns mit einem Schlage
in den weichen Stiden versetzt, und ein wundersames
Gefühl von Wohlsein und behaglicher Wärme durch-
strömte unsere vom scharfen Froste der letzten Stunden
erkälteten Körper. Doch die Zeit drängte und ohne
Aufenthalt wurde unser Ostgrat angegriffen. Es war
9^/» ühr, als wir zum Beginne des letzten, entscheiden-
den Ganges das Gepäck, d. h, den einzigen bis hieher
mitgenommenen Sack, ablegten.
Anfangs traversirten wir an der italienischen Süd-
seite des Grates in von der Sonne leicht erweichtem,
ziemlich zähem und gutem Schnee, dann betraten wir
die Kammhöhe selbst, die anfangs noch unbewächtet
war. Die Sache ließ sich zuerst vortrefflich an, mit
wenigen Pickelhieben waren pächtige Stufen gemacht.
Wenn die Verhältnisse so blieben, so konnte in einer
Stande, um 10 ^'2 ühr, der Gipfel gewonnen sein
und der Lyskamm war wirklich nur ein „Gratbummel",
wie jener deutsche Bergsteiger meinte. Doch bald kam
es ganz anders. Es trat neuer Pulverschnee mit
blanker Eisunterlage zu Tage, die Grathöhe selbst
wurde schwer bewachtet .und konnte darum nicht be-
gangen werden. So paußte denn von 9^/4 Uhr an
anf der steilen schweizerischen Nordseite des Kammes,
tiber dem Grepzgletscher, traversirt werden.
Später hörte zwar der Pulverschnee auf, dafür
0 VgL Matthews, „Col de Lys", 1. c. 371. Der Ein-
druck, den der Lyskammgrat von hier aus auf Matthews
machte, war kein guter. „The ar^te of the Lyskamm did
not look encouragtng**, meint. er (1. c. 372).
180 Emil Burckhardt,
kam aber hartes, sprödes Eis, in dem Taugwalder,
der vorausging, schwere Arbeit hatte. Sein englischer
Pickel, mit den sägeförmigen Einkerbungen auf der
inneren Fläche der Spitzhaue, bewährte sich nicht und
mußte durch den viel erprobten wuchtigen Grindel-
waldner PickelJbssi's ersetzt werden — ein weitgereistes
Erbstück des verstorbenen Führers Peter Michel, das
mir schon vor manchen Jahren den Weg über das
Eigerjoch und von der Wengernalp über die Jungfrau
gebahnt hatte. Gegen 1 1 Uhr begann ein starker Nord-
westwind, der sich nach der Mittagsstunde zum eigent-
lichen Sturme steigerte und uns im Vereine mit der
großen Kälte so hart zusetzte, daß wir uns oft nur
mit Mühe in den gehauenen Stufen behaupten konnten.
Stunde auf Stunde verrann und unser Fortschritt war
kaum zu erkennen. In der Depression am Fuße des
Hauptgipfels hielten wir stehend eine Rast von wenigen
Minuten, während welcher es uns gelang, die Blut-
circulation in unseren beinahe erstarrten Füßen wieder
herzustellen. Jossi trat nun an Taugwalder's Stelle.
Die Kälte und die erbarmungslosen Windstöße wurden
nachgerade fast unerträglich, so daß wir, nur um
rascher voranzukommen, schließlich doch die Gwächte
der Kammhöhe selbst zu begehen versuchten, aller-
dings mit größter Vorsicht. Aber bei den ersten
Pickelhieben klang es, wie wenn ein Stein in einen
Haufen Glasscherben geworfen würde. Die Gwächte
war zwar gefroren, aber völlig unterhöhlt. Wir waren
froh, als wir wieder auf unserer zwar sehr ungemüth-
liehen, aber doch sicheren, Nordseite waren.
Endlich, 20 Minuten nach zwei Uhr, fiel der letzte
Der Lyskamm. 181
Beilschlag und der Gipfel (4538°*) war gewonnen.
Von ^k 10 Uhr an war — eine Rast von kaum fünf
Minuten abgerechnet — von meinen Leuten fortwährend
unter den ungünstigsten Bedingongen im blanken Eise
gearbeitet worden, um keine 250™ Steigung und
circa 900°* Längendistanz zurückzulegen.
Wir lagerten uns auf der durchaus windstillen
felsigen Südseite des Gipfels, wo die Rast in der
wannen Sonne ein wahrer Genuß war. ^) Schon nach 20
Minuten, 2 Uhr 40, wurde der Rückweg angetreten
und zwar, da uns, des noch stets mit imverminderter
Heftigkeit herrschenden Sturmes wegen, trotz der nun
gehauenen Stufen der Abstieg Über den Ostgrat zu
bedenklich schien, über die italienische Seite, nach
dem Lysgletscher hinunter. Keinem von uns war
der Weg zwar irgendwie bekannt, doch bemerkte Taug-
walder sehr richtig, wo Imboden mit Thomas hinauf-
gekommen sei, würden wir wohl auch hinunterkommen. ^)
Zuerst verfolgten wir für kurze Zeit die Höhe
des Südgrates, genauer Südostgrates, und begannen
dann an seiner Ostseite abzusteigen. Die Felsen waren
anfangs leicht, dann wurden sie etwas schwieriger
und ziemlich lose ; doch boten sie nirgends ernsthafte
Hindernisse.^) Unser Fortschritt war demzufolge, ob-
*) Ueber die sehr lohnende Aussicht verweise ich auf
Hardy, 1. c. pag. 392/393. *) Meine Karten ließen mich auf
dieser Seite völlig im Stich. Die topographische Karte geht
nicht über die Grenze ; Dufour Viooooo, S. A. C. Excursionskarte
und italienische Generalstabskarte 1873/74 sind hier voll-
ständig verzeichnet und absolut unbrauchbar. •) Tbe^mas»
1. c, sagt ganz richtig: „Die wirklich interessante Fels-
kletterei, obschon nicht überall besonders leicht, bietet doch
niemals außergewöhnliche Schwierigkeiten dar."
182 Mml Burckfiardt
wohl der' Weg von oben nicht immer richtig zu be-
urtheilen war und daram mancher Zeitverlust entstand,
ein gleichmäßiger und guter, und ^/4 5 ühr standen
wir, nachdem wir zuletzt ein steiles, zuunterst mit
Eis ausgelegtes Couloir abgeklettert, am Bergschrunde,
der dem fimumsäumten Fuß der Felswand sich ent-
lang zieht. Leider war der Schrund hier nicht
passirbar. Schließlich fand sich mehr rechts ein zwar
nicht guter, aber doch practicabler üebergang, den
wir, da Steingefahr drohte, möglichst rasch be-
nützten. Um 5 Uhr, 2 Stunden 20 Minuten nach Ver-
lassen des Gipfels, standen wir auf dem Lysgletscber,
oder genau genommen, dem östlichen Lysfime. ^)
Ein Abstieg nach der Hohlichthütte oder nach dem
Col d'OUen wäre nun das Beste gewesen; doch
sprachen zwei gewichtige Gründe dagegen: unser oben
am Ostgrate des Lyskanimes zurückgelassener Sack
und die Besorgniß, welche unser Ausbleiben auf dem
Riffel hervorgerufen hätte. So entschlossen wir uns
denn trotz der vorgerückten Zeit und des noch sehr
weiten "VYeges, über das Lysjoch nach dem Riffel
zurückzukehren.
Der Aufstieg die langen Firnhänge hinauf nach
dem Lysjoche im bodenlosen, tieferweichten Schnee war
eine Geduldprobe und für den vorangehenden Mann
eine harte Aufgabe. Er kostete ^'4 Stunden. 6 ^Ia Uhr
0 Matthews, 1. c. 378, spricht ganz richtig von einem
östlichen und westlichen Lysgletscher, bezw. Lysfirae, welche
sich ^ann zum eigentlichen unteren Lysgletscber vereinigen.
Zumstein nannte die beiden oberen Firnzufltisse Salzia- und
Felikgletscher.
Ber Lyskamm, 183
wären wir auf der Paßliöhe, von wo Jossi abgeschickt
wurde , lacm den zarltokgelassenen 8ack zu holen,
während Tangwalder Und ich, zufrieden iuit unserem
bisherigen Tagewerke, etwas rasteten. In unseren
verwebten alten Btufen, die vielfach neue Arbelt er-
forderten, ging ea die steile Firuwand gegen den
Chrenzgletachidr hinab. Es dämmerte, als wir durch
das 66rAc lavirten, und um 8 Uhr betraten wir unseren
Halteplatz bei „aufm Felsen^, wo wir 15 Stunden
zuvor gefrtthstttekt hatten. Ein Gewitter, das schon
geraume Zeit drohte, kam zum Ausbruch und der
Kegen goß in Btrßmen. Trotzdem machten wir in
froher Stimmung einen Halt von über einer halben
Stunde und gingen erst naeh einer sehr opulenten
Mahlzeit, als dem besteh Schutz- und Trutzmittel
gegen Kälte und Nässe, weiter.
In Begen und Wind, außer Stande, unsere Laterne
zu gebrauehen, bei pechschwarzer Finstemiß, in der
wir mehrfach irre gingen, kostete uns der RUckweg
naeh dem Biffel fast das Doppelte der gewöbnlieben
Zeit, gegen 3 Stunden. Um 11 ^'2 Uhr traten wir,
naß bis auf die Knochen, in's Hotel, wo man mit
eifiiger Sorge unserer wartete.
Der herzliche Empfang, der von Seiten der treff-
liehen, um das Wohl ihrer Gäste stets besorgten Frau
Klausen uns zu Theil ward, schloß in wohlthuender
Weise einen schönen und wechselvollen Tag ab, an
den ich gerne zurückdenke.
Den beiden Führern, Gabriel Taugwalder und
Christen Jossi, meinen bewährten Begleiten! auf
mancher Fahrt, die diesmal zur Durchführung einer
:
184 Emil Burckhardt
Tour, mit welcher sie nnter den damaligen Verhält-
nissen nicht einverstanden waren, ihre ganze Kraft
eingesetzt hatten, spreche ich an dieser Stelle den
herzlichsten Dank ans.
Es war, soweit ich aus der mir zn Gebote stehenden
Litteratar habe ersehen können, wohl das erste Mal,,
daß der Lyskamm vom Riffel ans und zurück mit
Aufstieg vom Lysjoch und mit AhsUeg über die
Felsen der italienischen Seite nach dem Lysgletscher
und Rückkehr über das Lysjoch am gleichen Tage
gemacht wurde und wohl auch die erste Begehung
des Ostgrates überhaupt seit dem Unglücke von 1877»
Auch wenn bessere Verhältnisse angetroffen werden,
als wir sie hatten, also kein tiefer Neuschnee auf
dem Gletscher und kein hartes Eis und Sturm auf
dem Gipfelkamm , bleibt es ein langer Tag. Als
Schnee- und Eispartie ist es eine durch und durch
großartige, prachtvolle Tour ersten Ranges, wenn sie
auch nicht die aufregenden technischen Schwierigkeiten
einer Dent Blanche und eines Obergabelhomes, eines
Zinal-Rothhornes und Weißhomes bietet.^) Am schön-
sten, aber auch am schwierigsten ist jedenfalls eine
Traversirung des Berges vom Lysjoch nach dem
Felikjoch oder umgekehrt, wozu aber tadelloser Zu-
stand des Gipfelgrates gehört. ^ Leider blieb mir dieser
Genuß versagt.
*) Diese Berge haben mich weniger Zeit, als der Lya-
kamm, gekostet; ebenso Matterhorn, Dom, Nadelhom und
vier Monte Rosa-Spitzen (Dufour, Parrot, Nordend, Jägerhom).
') Vom Wesigrsite schreibt Davidson: „Der Felikjochgrat ist
der längste und härteste Schneegrat, auf dem ich gewesen hin.
Der Lyskamm. 185
Was nun die berüchtigte Gwächte des. Ostgrate»
anbelangt^ so ist dieselbe naturgemäß von wechselnder
Beschaffenheit. Sie wird das eine Mal mehr, das andere
Mai minder ausgebildet sein, aber stets große Vorsicht
erfordern. Ich verweise darüber auf die sehr richtigen
Bemerkungen im Alpine Journal, VIII, 1878 - 1880,.
pag. 348 und 349. An den Reisenden stellt der Lys-
kamm, obschon nicht eigentlich schwierig, meiner An-
sieht und Erfahrung nach doch größere Anforderungen^
als der Gipfelgrat des Weißhomes, des Bietschhomes
oder die Schneide des Piz Roseg. Das stundenlange
Traversiren am jähen Nordabhange des Lyskamm-
grates verlangt immerhin eine gewisse Festigkeit
nnd Uebung. Sind diese beiden Eigenschaften beim
Touristen nicht vorhanden, so wird die Partie
auch mit den besten Führern zu einer riskirten, zu-
mal wenn der Grat hartes Eis weist und das Wetter
stürmisch ist. Der Kamm selbst steigt keineswegs
steil an; Hardy, der erste Bergsteiger, hat mit dem
Rlinometer an den steilsten Stellen 36° gefunden^
während seine Messung für die seitliche Neigung 52<>
ergab. ^) Für Leute, die mehr mit dem Augenmaße und
der Phantasie, als mit deih Meßinstrumente, und besser
Unter keineswegs ungünstigen Bedingungen kostete es un»
mehr als sechs Stunden fortwährender Arbeit, wovon eine
Stunde rittlings auf dem Grate, vom Felikjoche bis zur Spitze
zu gelangen. — A. J. VIH, 1876/78, 348.
0 P. P. and Gl. II, 1, 390. Mit Recht sagt Hardy, der
Kamm sei von sehr unregelmäßiger Beschaffenheit („very
irregulär in its construction"). Hardy hatte ausgezeichnete
Bchneeverhältnisse.
186 Emil Burckhardt.
mit Zunge und Feder, als mit den Beinen, arbeiten,
ist dies allerdings nichts, fttr ernsthafte Bergstdger
dagegen immerhin Etwas. Ich persönlich halte die
Eiswände des Eigerjöches und der Güßfeldtpförte,
die man (abgesehen von einer Traverse von wenigen
Schritten) gerade hinaufsteigt, zwar nicht für den
Führer, an den sie, besonders die Gttßfeldtpforte, sehr
hohe Anforderungen stellen, aber doch für den Touristen
für leichter, als den Lyskamm, wo man fortgesetzt
unterhalb der Gwächte bezw. Grathöhe traversiren
muß. Doch ist dies eine ganz subjective Anschauung,
die durchaus nicht Anspruch auf Unfehlbarkeit machen
will, sich aber immerhin auf eigene Erfahrung grttadet.
Ich möchte bei diesem Anlasse die Aufmerksam-
keit der führerlosen, neueren Bergsteiger auf diese
beiden Eispartien par excellence richten. Bei denselben
können der großen Steilheit wegen (Eigeijoch bis 60»,
Güßfeldtpforte bis 68 und TO«, beides laut KUnometer-
messung) Steigeisen nicht zur Verwendung kommen,
sondern es ist durchweg Stufenschlagen erforderlich,
tmä zwar an der einen dieser Partien, der Gttßfeldt-
wand, unter sehr schwierigen Verhältnissen. Daß es
Bergsteiger gibt, welche Führern ersten Hanges gleich-
stehen, haben die Engländer Gardiner, Hulton und Pil-
kington^ die Deutschen Purtscheller, Zsigmondy, Lammer
und Lorria bewiesen. Interessant wäre, zu erfahren,
ob auch in sehr langem Stufenschlagen diese führer-
losen Bergsteiger unseren besten Schweizerführem
ebenbürtig sind. Das Eigerjoch, bezw. dessen letzte
Eiswand^ kostete mich, d. h. meine Führer (1873),
5 ^l2 Stunden effectiven Stufenschlagens, die Güßfeldt-
Der Lf/skamm, 187
pforte (1^74), einschließlich des Bergschrundes, etwas
über 7 Btnnden. Als gewöhnlicher Durchschniitsberg-
steiger mnßte ich die Arbeitsleistung meiner Führer
an diesen Eispartien bewundern. Der einfache Tourist
von mittlerer Leistungsfähigkeit ist schon recht zufrieden,
wenn es ihm immer gelingt, sicher in den Stufen zu
gehen, welche sein Führer oft nnter den schwierigsten
VerhSltnissen für ihn hat schlagen müssen. Um so höher
steheb in bergsteigeriseher Beziehung Leute über ihm,
welche nicht nur jeder Hülfe entbehren können, son-
dern auch die ganze Arbeit des Führers verrichten.
Der Lyskamm ist meines Wissens von Purtscheller
ohne Führer bestiegen worden, bei welchem Schnee-
zustande, ist mir unbekannt. Jedenfalls können bei
den Neigungswinkeln des Lyskammes Steigeisen zur
Anwendung kommen, so daß an diesem Gipfel die
hier berührte technische Frage der Leistungsfähigkeit
der führerlosen Bergsteiger im Stufenschlagen ihre
Lösung nicht finden kann.
Der schneidige und erprobte englische Bergsteiger
Davidson, welcher 1877 den Lyskamm vom Felikjoeh
nach dem Lysjoch traversirt hat und später bei der
Aufsuchung der Leichname der verunglückten Partie
Lewis-Paterson betheiligt war, schreibt: „Nachdem
^ich dieses Jahr (1877) den Lyskamm bei den aus-
^gezeichnetsten Schnee- und Witterungsverhältnissen
^traversirt habe, und zwar mit ausnahmsweise guten
^Führern, kam ich entschieden zum Schlüsse, daß
„derselbe gewöhnlich von den Bergsteigern unterschätzt
„wird. Der Lysjoch-Grat, obschon thatsächlich vom
„bergsteigerischen Standpunkte aus nicht schwierig.
^
188 Emil Burckhardt. Der Lyskamm.
„erfordert noth wendiger weise immer große Sorgfalt
„und Festigkeit, und fast überall auf demselben würde
„ein wirkliches Ausgleiten höchst bedenklich sein."
Nun, dies ist bei manchem Berge mit lauteren
Eispartien der Fall, ohne daß derselbe darum von
den Bergsteigern gemieden würde. Meinen schweize-
rischen Collegen, die sich bisher einem der schönsten
Hochgipfel Zermatt's gegenüber so ablehnend verhalten
haben, sei der Lyskamm aufs Wärmste empfohlen.
Möge er aber auch stets so gemacht werden, wie
er es verdient, nicht über die Felsen der italienischen
Seite auf und ab, wie dies hie und da vorkommt^),
sondern vom Felikjoche oder vomLysjoche aus über
den Grenzkamm, als eine der schönsten Oratpartien
der schweizerischen Alpen. ^)
Meine Zeiten waren:
Ab Riffel (2569«") 2 Uhr früh. Aufm Felsen 4. 55—6. 16.
Oberer Grenzgletscher 6. 40. Halt im Plateau circa 4000»
7.35—7.50. Fuß des Ostgrates, westlich vom Lysjoch (4230"),
9.30. (Am Ostgratfuße 5 Min. und in der Gratdepression am
Gipfelfuße 5 Min. Halt.) Lyskamm (4538«») 2. 20—2. 40 Nehm.
Oestlicher Lysgletscher (3800™?) 5. — . Lysjoch (4321/420(r}
6. 15-6. 25. Aufm Felsen 8.-8 35. Riffel 11.30. Total: 21 Std.
30 Min., wovon 19 Std. 40 Min. Marsch und 1 Std. 50 Min.
Rast.
1) Z. B. 1878: P.W.Thomas, 1884: Perrazzi. ») lieber
die verschiedenen Wege siehe noch Conway, Zermatt Pocket-
ßook 1881, 59/60. Tschudi's Angaben über den Lyskamm
sind auffallend dürftig, vgl. Ausgabe 1885, 1. e.
Aus dem Rhätikon.
Von
E. Wäber (Section Uto).
Im ersten Jahrbuch des S. A. C, pag. 527 u. ff.,
finden wir ein „Sendschreiben" an den damaligen
Redactor,* Dr. Abraham Roth, von Oberst Hans Wie-
land, der durch diese Arbeit einer Einladung zum
Mitwirken am ersten geistigen Lebenszeichen des
jungen Schweizer Alpenclubs nachkam. Mit köst-
lichem Humor erinnert er sich gemeinsamer Erleb-
nisse vom Truppenzusammenzng, dessen Manöver sich
im August 1861 durch das Reußthal hinauf, über
den Gotthard und in's Thal der Rhone hingeaogen,
und den der Briefsteller als Chef des Generalstabes,
der Adressat als Berichterstatter und Schlachten-
bummler mitgemacht hatten. — Er schildert sodann
unsere Alpenthäler und Pässe als Schauplatz des
wirklichen Krieges, skizzirt in kurzen Zügen den
Charakter des Krieges im Hochgebirge, da jeder noch
80 einsame Paß, jeder noch so versteckte Schmuggler-
weg von größter Wichtigkeit werden kann, und
190 -B. Woher.
stellt endlich den kleineren Leuten unter den Alpen-
clubisten die Aufgabe, diese wenig frequentirten
kleinen Alpenpässe, besonders die unseren Alpen-
straßen parallel führenden Steige, zu begehen und
zum Zwecke der Landesvertheidigung in Bezug auf
Gangbarkeit, Zeiterforderniß, Verpflegung und Unter-
kunft von Truppen zu beschreiben. In einer Reihe
von Fragen wird das, was am meisten zu wissen
noth thut, präzisirt und an den Beispielen des Simplons
und Splügen und ihrer Parallelpfade die Aufgabe
näher erläutert.
Auch wir, Freund K. und der Schreiber dieser
Zeilen, zählen uns zu den „kleineren Leuten^, und
da uns die Aufgabe Oberst Wieland's als Bergfahrer
wie als Militärs gleich sehr anzog, wollten wir einen
Versuch auf diesem Felde machen und einer fröhlichen
Berg- und Paßwanderung das Nützliche einer Recog-
noscirung im westlichen Rhätikon gesellen.
Das gewählte Gebiet weist auf k,urzer. Strecke
eine ganze Reihe solcher kleiner Pässe auf. und ist
sowohl an landschaftlicher Schönheit wie an historisch
interessanten Erinnerungen reich. An der Schwelle
unseres Jahrhunderts, als sich die Halbbrigaden der
französischen Republik mit den österreichischen R^-
meutern um den Besitz der Luziensteig stritten,
belebten sich die einsamen Gebirgspfade wiederholt
mit österreichischen Truppen, die über das unwirth-
liehe Grenzgebirge vom Vorarlberg her nach Grav-
bttnden zogen. Wir wollten also dieses Stfick onserer
Grenze von Grund aus kennen lernen und dabei die
Wege suchen, die jene fremden Gäste im Frühling
Aus dem Bhätikon, 191
des Jahres 1799 gekommen sind, um andere Fremd-
linge auf Schweiaerboden zu bekämpfen. *)
Es war am 16. August 1881, als wir selbander
die wohlbepackten Tornister auf den Rücke» schwangen
und zum alten Städtlein Maienfeld hinaus den nahen
Bergen zuwanderten. Unsere Absicht war, von der
Luziensteig aus auf direktestem Wege, also, ^urch
das „Glecktobel" hinauf, nach dem <}amperthonthale
im Vorarlberg zu gelangen. Der Himmel schien un»
ungnädig; sein Blau hatte einem trübseligen Grau
das Feld geräumt und Frau Sonne sich hinter den:
Wolkenvorhang zurückgezogen.
Der Nachmittag war. schon ziemlich vorgerückt,,
als wir uns von den Festungswerken dem Eingange-
des Glecktobels zuwandten. Ein leidlicher Weg führte
nns am linken Ufer des Gleckbaches steil empor im
Dunkel der Tannen, durch die der graue Himmel
grämlich herabschaute. Als sich nach einer Weil&
scharfen Steigens der Wald lichtete und wir in's-
Freie traten, fanden wir uns schon ganz im Kessel
des Tobeis, dessen Abschluß hoch oben der Sattel
des Gleckkammes zwischen Gleckhorn und Hoch
Pumis bildet. Zu unserer Linken ragten die Thürme:
des Gyrenspitz und Falknis, rechts stieg der Berg-
*) Die historischen Notizen sind folgenden Werken ent-
nommen: Erzherzog Karl, Geschichte des Feld^iuges von
1799 ; W- Meyer, Biographie Hotze's, u. Mar^s : Pr6ci8 histo-
riqae de la campagne du General Mass^na dans les Grisons.
Einige Weganjgaben verdaäken wir dem bekannten Führer
Fortunät Enderlin in der Bündt Maienfeld,- der noch Augen-
zeugen jener Tage gekannt hat. • * .
192 R. Wäber.
wald stotzig empor und vor den Ausgang des Tobeis
legte sich breit der Fläscherberg mit seinen Block-
Musern. Wildheuer waren emsig beschäftigt, ihr Heu
vor dem drohenden Regen zu bergen; es war hohe
2eit: schon fielen einzelne Tropfen und bald rauschte
über Wald und Wiese der Regen herab, vor dem
wir unter den dicliten Aesten einer Tanne am Wald-
rand Obdach suchten.
Zweimal schon hat schweizerische Gebirgsartillerie
•den Uebergang durch das Tobel hinauf nach den
Maienfelder und Jeninser Alpen gemacht. Nach ver-
geblichen Versuchen gelang es zum ersten Male im
Jahr 1870, je einen Zug von jeder der beiden Batterien
über den Gleckkamm zu bringen, nachdem Tags
zuvor Hauptmann Simonett, der Bezirksingenieur von
Splügen, die nöthigsten Wegarbeiten geleitet hatte.
Im obersten Drittheil des Tobeis ist eine längst ver-
lassene Gypsgrube; bis dorthin kamen die Pferde
auf dein alten steilen Saumwege leidlich fort, aber
von dort bis zur Paßhöhe hatte ein neuer Weg
zwischen den Felsköpfen hindurch angelegt werden
müssen. Der zweite Uebergang geschah vor wenigen
Jahren unter dem jetzigen Chef der Gebirgsartillerie.
Es ist ein rauhes Stück Arbeit gewesen; beide Male
mußten an einigen Stellen die Pferde abgepackt und
die Geschütze von der Mannschaft getragen werden.
Der Regen hatte nachgelassen ; es huschte sogar
ein Sonnenstrahl über die nassen Matten und wir
brachen wieder auf. Hoch über dem Bach, am linken
Thalhang, zog sich der schmale Weg hin ; steiler und
schlechter werdend, führte er bald über Wiesland,
Aus dem Bhätikon, 198
bald durch Waldstreifen empor; wilder wurde die
Landsebaft, rauher der Weg, über Schutthalden und
Felsen hinanftihrend , und jetzt pfiff ein kalter Wind
das öde Tobel herauf, uns eisigen Regen in's Gesicht
peitschend. Da stehen wir endlich auf dem welligen
ßasenboden des Gleckkammes, und dort unten zu
unserer Rechten liegen die Hütten der Alp „Bad^,
die wir, durchnäßt und frierend, im letzten Schimmer
des Tages erreichen.
Die ganze Nacht durch trommelte der Regen auf
das Hüttendach, und am Morgen sah die Landschaft
trosfios grau in grau gemalt aus. Am Gleckhorn
flatterten einzelne Streifen des Nebels, der dort, wo
wir die Alpen von Eck und Stürvis verrautheten , in
dichter Masse das Hochthal füllte; von unserem
Excursionegebiet, der Kette des Rhätikon, war keine
Spur sichtbar.
Da das Wetter den ganzen Vormittag über gleich
schlecht blieb, wurde der Rückzug über Jenins an-
getreten. 24: Stünden nach unserm Ausmarsch rückten
wir wieder im Städtlein Maienfeld ein; der erste
Aulauf war abgeschlagen und es regnete immer noch.
Als wir zwei Jahre später desselbigeu Weges
ftibren, glänzten die Häupter der Kurfirsten in neuem
Schnee; am Falknis droben jagten sich die Nebel,
und wenn der Berg auf Augenblicke sichtbar wurde,
zeigte aueh er den neuen , bis weit herab reichenden
SchneemaBtel : aber über Allem lachte die nach langem
Unwetter siegende Sonne.
Die Reise galt dem voa den Maienfelder Alpen
nach dem Saminathal führenden Uebergang , dem
13
194 E, Wäber,
Jes-Fürkli oder Samina-Joch. Unser bisheriges Karten-
material, Blatt X der Dufourkarte und Blatt Bludenz-
Vaduz der österreichischen Generalstabskarte, war
durch das eben erschienene Blatt 273 (Jenins) des
Siegfried-Atlas vermehrt worden. Statt des Gleck-
tobels schlugen wir den Umweg über Guscha und
den Gyr ein.
Da waren wir wieder bei der gesperrten Eingangs-
pforte Graubündens, bei den Werken der Luziensteig^
angekommen. Es ist schon viel Kriegsvolk aus aller
Herren Ländern die Straße zwischen Gyrenspitz und
Fläscherberg gezogen, und oft hallten die Felswänjde
vom Kampflärm wieder, vom Schwabenkrieg bis auf
die Zeiten Mass^na's und Hotze's. Wie wurde im
Frühjahr 1799 um den Paß gestritten! Im Oktober
des vorhergegangenen Jahres hatten die Oesterreicher
seine Werke besetzt; im März 1799 wurden sie ihnen
von Mass6na entrissen; am 1. Mai versuchte Hotze,
die Steig wieder in seine Gewalt zu bringen; der
Angriff mißlang , doch 14 Tage später wurde ein
erneuter Versuch mit Erfolg gekrönt und der Paß
von den Kaiserlichen wieder gewonnen.
Der Thurm, dessen weiße Zinnen 100" ob der
Straße so kokett aus dem Grün des Buchwaldes
hervorgucken, und der die rechte Flanke des Werkes
schützen und den Weg von Guscha sperren soll,
stand damals noch nicht; der Weg,^ der uns nun im
kühlen Waldesschatten emporfdhrt, war offen. Das
haben die Oesterreicher büßen müssen, als Massöna
am 6. März die Luziensteig angriff. Nach großen
Schwierigkeiten war es ihm gelungen, bei Trübbach
ÄU8 de^n BTiätikon, 195
eine Bockbrticke über den hochgehenden Rhein zu
eretellen, über die seine Infanterie das rechte Ufer
gewann, bevor sie nur ganz vollendet war. Um 3 Uhr
Nachmittags standen die Franzosen ohne Stunngeräth,
ohne Artillerie vor den Werken, die mit sechs Com-
pagnien und fünf Geschützen besetzt waren. Der
Angriff war gewagt; es galt, die Verbindung des
österreichischen Hauptquartiers in Feldkirch mit den
in Graubttnden stehenden Truppen zu unterbrechen
nnd am rechten Kheinufer festen Fuß zu fassen.
Links die starke Stellung der Oesterreicher in dem
befestigten Feldkirch, vor sich das unwegsame Gebirge,
im Rücken die schlechte Brücke von Trtibbach,
mußte sich Mass^na zum raschen Sturm auf die
Laziensteig entschließen. Er leitete das Unternehmen
selbst, detachirte zwei Grenadiercompagnien nach
dem Guscherweg hinauf und ein Bataillon über den
— ebenfalls nicht gesperrten — Fläscherberg nach
dem Rücken der Position und stürmte mit einem
Bataillon in der Front. Viermal wurde der Angriff
zarttckgeschlagen. Die Grenadiere waren endlich im
tiefen Schnee durch den steilen Wald zwischen Balzers
und den Schanzen auf den Guscherweg gelangt und
senkten sich nun nach dem Paß herab; die beim
Rappentobel ausgestellten österreichischen Posten
wurden erschossen, und bei Einbruch der Nacht, als
Mass^na die letzten vier Reservekompagnien zum
letzten Sturme vorgesandt und die rechte Flügel-
redoute des Werkes genommen hatte , drangen die
Grenadiere im Rücken der Schanzen ein ; die Luzien-
8teig ward nach heißem Kampf erobert und die
X96 B. Wäber,
Straße nach Graubtinden war für die Oesterreiclier
verloren.
Vor uns liegt die Häuserreihe von Guscha, wo
man nach dem Volksmund den Hühnern Steigeisen
anlegt und die Kinder anbindet^ daß sie nicht erfallen.
Die Luziensteig war für das friedliche Dorf lein, dessen
Fenster im Abendsonnenschein weithin über's Rhein-
thal glänzen, ein gefährlicher Nachbar, und die Kriegs-
fackel hat auch diesen abgelegenen Winkel nicht
verschont. Bei der Wiedereroberung Bündens durch
Oesterreich im Jahr 1622 leuchteten die Flammen
des Dörfleins in's Land hinaus , ein Zeichen der
wilden Horden Ballestra's, und anno 1799 pfiffen
hier die Kugeln der Franzosen und Oesterreicher.
Die Häuser zerfallen; nur noch drei Familien —
alle den Namen „Joost" führend — hausen auf Guscba,
und bei Florian Joost, dem wohlbekannten Jäger, be-
zogen wir das Nachtquartier auf der Guscher Alp,
eine halbe Stunde ob dem Dörfiein.
Eine kalte, klare Nacht war heraufgezogen; die
Strahlen des Mondes versilberten die schneeigen
Spitzen des Falknis und im bläulichen Duft glänzten
die Lichter von Ragaz durch die Lücke der Luzien-
steig in unsere Bergeinsamkeit herauf.
Am Morgen genossen wir die prächtige Aussicht
auf dem dachsteilen Guscher Grat, und als es Mittag
war, lagen wir bei den obersten Heuställeo des
Guschertobels — hier „Bargün'* genannt — im hoben
Grase und warteten auf unsem Wirth Flury, während
nah und fern die Sensen der Wildheuer erklangen.
Um zwei Uhr kam Meister Joost vom Heuen den
Aus dem Bhätikan. 197
(Steilen Abhang heraufgestiegen; er wollte uns über
„aufdemGyr'^ nach dem Fläscherthäli (Radaufis) führen
und wir brachen auf, dem Grate zu, der den Kessel
von Guscha vom liechtensteinischen Wildhaustobel
trennt und der jenseits der Grenze „Mazoura" genannt
wird; über Geröllhalden gelangt man von hier aus
zur Alp Lavena hinunter.
Hier ftihrte in der Nacht des 30. April 1799
Major Quelf ein österreichisches Bataillon von Lavena
herüber und vertrieb die Guscha besetzt haltenden
Franzosen. Es war dies eine der Kolonnen, die Hotze
bei seinem ersten Versuch, die Luziensteig wieder zu
gewinnen, über die Berge nach dem Rücken der
Werke detachirt hatte.
Am Abhang des Falknis, hoch über dem Guscher-
tobel, ging's nun der Uebergangsstelle ob dem Gyren-
spitz zu; der Weg war des neuen weichen Schnee's
wegen etwas mißlich und erforderte Vorsicht. Um
vier Uhr waren wir dort, circa 120™ oberhalb Punkt
2167 der topographischen Karte „auf dem Gyr", an-
gekommen; unter uns fallen die Wände der „Thtirme^
schroff ab zum Glecktobel, das sich zum Gleckhom zu
unserer Linken emporzieht; nach Süden dringt der
Blick über die weinberühmte Herrschaft und die alten
ftnf Dörfer bis nach der ehrwürdigen Bischofsstadt
Chur, nach Osten in's tief eingeschnittene Prättigau, und
dazwischen erhebt sich das Gewirr der Spitzen und
Homer des Bündnerlandes.
Nach kurzer Rast führte uns Meister Flury quer
durch die tief eingerissenen Schluchten und über die
Rippen des Berges nach dem Grat, der sich von der
198 B, Woher.
Falknishöhe hinüber nach der Gleckwand schwingt«
Hier öffnet sich der Blick in das Hochthal von Radaufis
mit seinen drei blanen Seelein, und hier verabschiedete
sich unser freundliche Wirth und Führer.
Wir stiegen über die Platten des Grates hinab
zum obersten der Seelein. In engen Felswänden ein-
gebettet liegt es da, unergründlich tief, und wer
seine Tiefe messen will, der erregt den Zorn der
Berggeister, daß das stille Gewässer laut brausend
aufschäumt. Von einer Kuh, die einst hineingefallen,
kam nichts mehr zum Vorschein, als die Glocke, die
im Kathrinenbrunnen zu Balzers unten zu Tage sprang.
So meldet die Sage.
Bald war das Hochthal, in dem die Heerden von
Fläsch weiden, durchwandert und die Alp Sarina
erreicht, und eingedenk genossener Gastfreundschaft
stiegen wir noch hinan zu den Hütten des „Bades^
am GleckkancuB. Da war nun das wunderbare Land-
schaftsbild , das uns vor zwei Jahren die grauen
Nebel verhüllt hatten: schöne Alpweiden senken
sich hinab zum Bergwald, der das Thal zwischen
Tschingel und Aebigrat füllt, und darüber baut sich
das gewaltige Massiv des Alpsteins auf, tiberragt von
der aus Schnee und Eis aufstrebenden Pyramide der
Scesaplana, die in den letzten Strahlen der sinkenden
Sonne erglühte.
Früh Morgens ging's durch die thaufrischen Wiesen
hinab nach den Alpen von Eck und Stürvis. Wo jetzt
die stattlichen Hütten von Stürvis liegen, war vor
Jahrhunderten ein Dörflein , dessen Bewohner , des
rauhen Klimans und der langen winterlichen Einsam-
' ÄU8 dem Ehätikon. 199
keit müde, im 16. Jahrhundert nach Maienfeld aus-
gewandert sind. Die Bathönier und Nigg, die Enderlin
und Gamser stammen von den alten Stürvisern, und
das Glöcklein, das einst die Hirten des hohen Berg-
dörfleins zur Messe rief, läutet nun ihren Nachkommen
zu Maienfeld in den Rath. Das Gemäuer der Kirche
stand noch im vorigen Jahrhundert, jetzt sieht man
nur noch wenige Spuren auf dem Kirchhügel. Die
Geschichte des Stürviser Liehespaares Elly und Oswald,
die noch auf den Alpen wie im Thale lebt, ist durch
David Heß' Erzählung in weiteren Kreisen bekannt
geworden. Noch zeigen die Sennen den Stein, an
dem die Stürviser des Dörfleins lieblichste Blume,
schön Elly, und auf der andern Seite des Felsens
I ihren Verlobten in Schnee und Eis erstarrt fanden.
Sie wußte ihn im nächtlichen Schneesturm unterwegs
von Maienfeld, war ihm entgegengegangen und in
der schneidenden Kälte seiner harrend entschlummert ;
todmüde und erschöpft vom schweren Anstieg mit
hochbepacktem Räf war er am nämlichen Felsblock
niedergesunken, um nicht mehr aufzustehen, und so,
nur durch den Stein getrennt, Jedes ohne des Andern
Nähe zu ahnen, sind Beide von des Todes kalter
Hand berührt worden.
Ob den Hütten von Stürvis rauscht der Bach,
der vom Hochthal von Jes kommt , in schönem Fall
über eine Wand herab. Auf gutem Wege steigen
wir hinan; dicht bei dem Wasserfall beginnt die
Felstreppe von Jes; im Zickzack führen ihre rohen
Stufen die Wand hinauf, und gleich bei den untersten
derselben finden wir Buchstaben und Zahlen in ein-
200 JS. Wäber.
facher Umrahmung in den Fels gemeißelt. Bk
Maienfelder Werkmeister Danner (heute Tana^)
haben die Jahreszahlen ihrer Arbeit am Felsweg and
ihr Wappen, die Tanne, im 17. und 18. Jaibrhnndert
hier verewigt.
Das Hochthal von Jes wax erreichL lümxahmt
von hohen Felsen zieht es sich hinan zam scharf-
gezackten Grenzgrat, an dessen tiefster Stelle die
feine Scharte des Uebergangs uns den Weg wies.
Die Hütten standen leer; der Schneefall der letzten
Tage hatte Mensch und Väeh hinadi)getrieben. In
einem alten Ortalexikon der Sehwxeiz finden wir den
Namen der Alp „Jyes" geechiiieben ; diese SehBeib-
weise entspricht genau der Art, wie der Same von
den Sennen ausgesprochen wird.
Die schönen Alpweiden iKiac^tefi wilden jG^er^l-
halden Platz; bald versohwanden dsie kMueren
Trümmer im weichen Schnee, dureb den mk uitn in
heißer Mittagssonne dem Passe zustampften. Der
letzte Anstieg ist sehr steil und ntähaam; um zehn
Uhr standen wir in der Scharte und sahen in'fi SdnÜBa-
thal hinab. Beschmeite Halden senken sieh zum
grünen Thalboden der Valtina-Alp hinunter, von der
aus sich das weiße Band eines guten Weges, den
Windungen des Thalbaefaes folgend, thalwärts zieht
bis zum großen Hüttenviereck der Frastenzer. Dort
verliert sich der Weg im Wald, der links zu dem
Grate der Drei Schwestern, rechts zum Schönienberg
hinansteigt. Hinter uns erhebt der Vilan sein grünes
Haupt über den waldigen Abhang des Afibigrates
und glänzen die Gipfel and Firne der Btbiidner
ÄU8 dem Bhätikon, 201
Berge: es war keine großartige, aber eine ungemein
liebliche Aussicht von unserem Passe aus.
Die Uebergangsstelle ist so schmal und tief m deu
Fels eingeschnitten, daß nur Mann hinter Mann in
dem Couloir passiren kann, und die Schwärzer, die
dann und wann den Weg zu benützen pflegen, werde»
gut aufpassen müssen, daß ihre Packen nicht recht»
und links an den scharfen Platten des Ganges hängea
bleiben.
Des Proviantes letzte Flasche wurde geopfert und
dann der Rückzug übei' Jes angetreten. Nach kurzer
Rast in den Stürviser Hütten marschirten wir, den
schäumenden Wallabach überschreitend , an dessen
rechtem Ufer thalaus. Auf schrecklich verlottertem
Wege , bald im nassen Lehm des Bachbordes , bald
im unergründlichen Morast des Waldes, in dem mächtige
gefallene Baumriesen verfaulen , kamen wir an den
Trümmern des Schwefelbades Ganey vorbei und in
den Seewiserweg und kehrten dann bei Herrn Major
Walser, dem Bergkundigen, im gastlichen Hotel Scesa-
plana zu Seewis ein.
Da waren wir wieder mitten in der Cultur drin.
Dirch das offene Fenster der traulichen Stube, da wir
mit unserem Wirthe beim Malanser saßen und rhä-
tische Geschichten hörten, lachte der Vollmond; tief
unten im Prättigau, wo die Lichter von Schiers glänzen^
spiegelt er sich in den Wellen der Landquart; am
Bergeshang versilbert er die schlanke Thurmspitze,
da» hohe Dach der Kirche von Seewis und gleitet
hinüber zum nahen Wirthshaus, da sich die Seewiser
Jugend im Tanze dreht. Johlen, Schleifen und Stampfen
■202 B. Woher.
tönt durch die helle Sommernacht ; es fiedelt die Geige,
es brummt der Baß; Seewiser Kirchweih ißt heute.
Wieder ein Jahr später waren wir zum drittes
Male im Rhätikon. Unser erstes Ziel auf dieser Fahrt
war die Scesaplana; sie hatte es uns angethan, als
wir an ihrem Fuße nach Seewis gewandert waren;
nach ihr sollten die aus dem Gamperthonthal nach
•dem Prättigau führenden Grenzpässe an die Reihe
kommen.
Wir waren von Blndenz her durch das Brander-
thal gekommen, hatten in Brand Adam Beck, den
Wirth des hübschen, neuen Gasthauses, als Ftlhrer
engagirt und stiegen im letzten Schimmer des Tages
die steilen Schutthalden des „Bösen Trittes" hinan
nach dem Lünersee. GeheimnißvoU wie ein Märchen
liegt der schöne Bergsee da im Zwielicht der Däm-
merung; an seinem Ufer wandern wir noch einige
Minuten fürbaß und das kleine Wirthshaus ist erreicht.
Heller Lichtschein fällt aus seinen Fenstern auf die
Felsblöcke des Ufers; die Stube ist angefüllt mit
Bergfahrern aller Arten und aller Costüme, und in
der Küche dampft und brodelt es, als ob eine Armee
zu bewirthen wäre. Das Haus am Lünersee, wie der
vorzüglich angelegte und unterhaltene Weg, der so
bequem zu ihm herauffUhrt, sind Werke des Deutschen
und Oesterreichischen Alpen Vereins, dem der Dank
aller Scesaplanafahrer gebührt.
Draußen lag die milde Sommernacht über Berg
und See. Stern um Stera war heraufgezogen; über
den Felsen im Osten wurde es hell und heller; jetzt
zittert der erste Strahl des aufgehenden Mondes her-
Aus dem Bhätikon. 203
über nnd bald strahlte die ganze Scheibe am klaren
Himmel und goß ihr Silber herab auf den leicht ge-
kräuselten Spiegel des See's.
Im ersten Frtihlicht des jungen Tages stiegen wir
die steilen , zum weiten Plateau der firnbedeckten
Todtenalp hinanreichenden Halden empor. Am Rande
des Schnee's war erster Halt; tief unten spiegelt der
Ltinersee die hellen Töne des Morgenhimmels wieder,
von dem sich die grotesken Felsformen von Schafga-
fall seltsam abheben, üeber die weiten Schneeflächen
folgten wir dem eingestampften Pfade westlich bergan ;
Bchon erglühten die höchsten Partien der Felsen zu
unserer Rechten in der Morgensonne, und bald sandte
sie ihre Strahlen auch zu uns auf den Firn. Das war
ein herrlich Wandern am klaren Sonntagmorgen: daä
warme Weiß des beleuchteten Schneegrates, dem wir
Äustreben , in prächtigem Contrast zum tiefdunkeln,
satten Blau des westlichen Himmels , die kräftigen
Töne der Felsen, die im hellen Sonnenschein eine
unendliche Mannigfaltigkeit der Farben zeigten; da-
neben die kalten Schattenpartien des Firns: all' das
bildete jene wunderbare Farbehzusammenstellung, die
wir in der Region des ewigen Schnee's finden, wenn
die allbelebende Sonne fröhliches Leben und Anmuth
in die starre, ernste Scenerie der Hochgebirgsland-
fichaft hineinzaubert.
Um 7 Uhr standen wir beim Signal auf der Spitze
der Scesaplana. Kein Wölklein war am Himmel, kein
Kebel trübte die Fernsicht: die fernste Spitze der
Schweizer- und Tyrolerberge war sichtbar, ein Pano-
rama von gewaltiger Ausdehnung, ein gut Theil des
204 22. Wäber.
Schweizerlandes, Tyrols und Schwabens umfassend,
breitete sich in wundervoller Klarheit vor uns aus.
Nach langer Umschau auf dieser höchsten Warte
des Rhätikons stiegen wir steil über Fels und Schnee
hinab zu der Stelle am felsigen Absturz, da ein Pfahl
den neuen Weg nach der Schamellahtitte auf Schweizer-
boden andeutet. 400 «» unter uns, am Fuße der Felsen,
war das Dach der Clubhütte sichtbar; unser Führer,
dem wir einen weiten Umweg gern ersparen wollten,
verließ uns hier, und wir suchten uns, mehr rutschend
als gehend, den Weg durch die Felsen hinab.
Um 11 Uhr legten wir unsere Tornister in der
gut eingerichteten Clubhütte ab und kochten mit ver-
einten Kräften eine währschafte Erbssuppe; Teller und
Löffel bot die Hütte, die weiteren Zuthaten zum Diner
im Hotel Schamella die Tiefe des Ränzels, und im
hohen Grase und warmen Sonnenschein genossen wir
hier oben eine köstliche Siesta.
Des heutigen Tages Ziel, die Hütten der Alp Fa-
sons, war in geringer Entfernung in Sicht und nach
langer Mittagsrast wanderten wir bergab, unserem
Ziele zu, wo uns bald ein hoher, kühler Baum mit
blitzenden Kesseln und blanken Milchgeschirren auf-
nahm.
Gegen Abend spazierten wir ein Stück bergan,
um den Weg des folgenden Tages zu mustern. Die
Hütten der Alp liegen am rechten Abhang des Stegen-
tobels, das sich weiter unten mit dem Valsertobel
vereinigt. Folgt man seiner Rinne bergan , so führt
sie zur Schlucht des Schafloches, durch die ein Weg
nach der Scesaplana hinaufführt. Dort, wo die Felsen
Aus dem Rhättkon. 205
des AlpsteinmaBBJVB links schroff zum Grenzgrat ab-
fallen, ist die UebergangB stelle der kleinen Furka oder
des Salai-ael Joches nach dem östlichen Seitenthale vun
GiimperthoD. Verfolgen wir den Grat weiter nach links,
«AJ«. 1^1.™ Gang, SJ40"
■"äfcfrari. Die .Knisen Ging".
80 Bchwingt er sich bald zn einem breiten, felsigen
6«birg auf mit bizarr aasgezackten Gontouren, den
nknraen Gang", an das sich der Gipfel des Tachingele
Kiht, nnd zwisclien diesen beiden Bergen durch, wo
die Grenze sieb eine kurze Strecke südwärts wendet,
fahrt die große Furka nach dem Ilauptthal von Gamper-
Hion hinüber. Eine weite graereiche Mulde, der Heu-
herg, senkt sieh vom Tschingel liernnter; dort hinauf
gelangt man in's Tschingelthäli und durch dieses zu
«Dem dritten Grenzübergang, dem in den Platten oder
Kellern {Keilern en) ob Jes.
Nun waren wir über den bevorstehenden Marsch
mientirt nnd kehrten zu den HHtten zurtlck. -Wohin
206 B, Wäber.
geht die Reise ?^ fragte uns einer der Aelpler. ^Nach
dem Seewiser Ftirkli hinauf." „So! führt ihr Contre-
bande?" Die Frage, die uns nicht wenig ergötzte,
ist hier ganz naheliegend ; es wird viel geschmuggelt
über diese kleinen Qrenzpässe ; vierzehn Tage vorher
waren zwei Schwärzer aus Brand auf dem Gletscher
oben erfroren.
Als die Morgensonne die Weiden und Felsen der
jenseits des Valsertobels sich erhebenden Btindner
„Picardie" vergoldete, war Tagwacht auf Fasons, und
um 5V2 Uhr Abmarsch nach der kleinen Furka. In
der frischen Morgenluft stiegen wir inmitten weidender
Heerden die thauigen Matten hinan. Zahlreicher werden
die verstreuten Felsl^löcke^ spärlicher der Rasen; bald
sind wir in den Geröllhalden, die von den Felsen des
Alpsteins herabkommen. Eine Gemse mit ihrem Zick-
lein macht weiter oben den nämlichen Weg; bald
äsend , bald in muntern Sprüngen steigt das Paar
bergan; nun sind sie auf dem Grate: einen Augen-
blick zeichnet sich die elegante Silhouette der Thiere
am Horizont ab, dann verschwinden sie am jenseitigea
Abhang.
In das kleine Augstenbergthälchen geht's nun
hinein, durch dessen Wiesenboden sich die obersten
Quellenarme des Valpeidabaches schlängeln, und wir
stehen am felsigen Abhang des Grenzgrates; seine
ausgezackte Schneide nimmt immer abenteuerlichere
Formen an, je näher wir ihr kommen. Noch eine halbe
Stunde steilen Anstieges durch Felstrtimmer und Geröll,
und um 7 Uhr sind wir auf der Paßhöhe. Rechts
zieht sich eine Schutthalde zu den Felsen des Alp-
Am dem Rkätikon. 207"
»teins hinauf, links starren die Klippen des Qratea
wild empoi' und hängen Über seinen Nordraod, und
wie wir am jenseitigen Hange ein paar Schritte hin-
untergehen , sehen wir , unter einen Überhängenden
FeUzaeken gesclimiegt, ein paar Mäuerleiu, die JSgem
nad Grenzern Schutz gewähren sollen.
^
» ISaliineljcch) S23S M.
Unter uns liegt die östliche Abzweigung des Gamper-
thonthales; auf seiner rechten Seite, der PanUelalpe
gegenüber, ragen die Felsen der Panlieler Schrofen und
senden ihre gewaltigen „Riesen" nieder nach der
Thalsohle, und an ihrem Fuße fUhrt der von St. Rochus
herkommende Weg vorüber und windet sieh im Zick-
zack die lange Schutthalde des nördlichen Abhanges
herauf zur Paßhöhe. Das ist der Uebergang der
kleinen Furka oder des Salarueljoches , wie ihn die
Vorarlberger nennen.
Wir stiegen wieder durch die Triimmerhalde hinab
Jl
Aus dem Bhätikon, 209
und wandten uns westwärts in*8 Alpenthal des Augsten-
berges. Bis jetzt hatte die Morgenwanderung im Schatten
der Scesaplana stattgefunden; nun brannte die Sonne
tüchtig auf den Rücken, als wir der großen Furka
zuwanderten. Nach stündigem Marsch über die Wiesen
am Fuße der „kurzen Gang" eiTeichten wir die Paß-
höhe ; im Gegensatz zum schmalen, felsigen Einschnitt
der Ideinen Furka ist die üebergangsstelle der großen
ein weiter, breiter Sattel von Alpweiden. lieber eine
Felsterrasse stiegen wir hinunter bis zum Rande des
steil nach dem Gamperthonthal abfallenden Abhanges,
schlugen dort mit Plaid und Bergstock ein Zelt auf
gegen die Strahlen der Augustsonne und hielten Rast
und Umschau.
Hinter uns ragen die „kurzen Gang", die wir hier
ganz im Profil sehen, in kühnen Formen in die Luft
und rechtfertigen als schlanke Felsspitze mit senk-
rechten und überhängenden Wänden den Namen „Hom^
spitz" der ööterreichischen Karte. Von ihren Abhängen
zieht sich der grüne Grat der großen Furka hinüber
nach dem Tschingel zu unserer Linken. Die Schutt-
halden, die sich von den Nordwänden des imposanten
Felsstockes herabsenken, verflachen sich auf einem
breiten, schneebedeckten Plateau von Karren, das
sich, überall gangbar, von unserem Standpunkte hin-
überzieht nach dem Uebergang der Platten oder
„Kellemen", und dessen felsiger Nordrand schroff
zum obersten Theile des Gamperthonthales abfällt.
Jenseits des Plateau's steigt der Grenzgrat, über dessen
Linie die scharfe Spitze des Gleckhornes hervorschaut,
vieder an und gipfelt iii der auö Schneefeldern und
210 B. Wäber,
Felsen hervorragenden Pyramide des Naafkopfes oder
Schneethälispitzes (Punkt 2574,4 ohne Namen der
topographischen Karte, in der Dafourkarte fälschlich
Grauspitz genannt), und von dieser Spitze senken sich
uns gegenüber die von Felssätzen unterbrochenen
Weiden der Vermalesalpe herab zur Thalsohle ; Weg-
spuren ziehen sich dort hinauf zur Uebergangsstelle
des Passes „in den Kellernen". Kechts vom Naafkopf
führt ein Pfad von der Vermalesalpe über das Bettler-
grätli nach der Alp Gritsch im Saminathal.
lieber die Pfade dieser Partie des Rhätikons, die
wir heute zum Theil begangen haben, zum Theil vor
uns sehen, sind anno 1799 die Oesterreicher zur Um-
gehung der Luziensteig aus dem Gamperthonthal nach
Graubünden hinübergestiegen. Wir wollen versuchen,
an Hand der jene Epoche behandelnden Werke die
Colonnen auf ihrem mühsamen Marsche über das rauhe,
verschneite Gebirge zu begleiten.
Am 1. Mai sollten sich drei österreichische Ab-
theilungen, die links und rechts der Luzienstieg die
Berge zu überschreiten hatten, im Rücken der Werke
vereinigen und den Frontalangriff der vierten Colonne
unterstützen.
Die Umgehungskolonne westlich des Passes hatte,
3^/2 Bataillone stark, über den Fläscherberg zu steigen;
die erste der östlichen Abtheilungen, ein Bataillon,
haben wir beim Grate von Mazoura^ der den Kessel
von Guscha vom Wildhaustobel trennt, erwähnt, und
die andere war schon am 29. April von Nenzing im
Vorarlberg aufgebrochen, um durch das Gamperthon-
thal nach dem Ganeyerbad hinüber und von da nach
ÄU8 dem Bhätikon. 211
Jenins hinunter zu steigen. Ihre Schüsse sollten das
Signal zum allgemeinen Angriff sein.
So sehen wir 1 ^ '2 Bataillon unter Major Vukasso-
vich, begleitet von den Nenzinger Schützen, das
Gramperthonthal heraufziehen. Wenn sie den nächsten
Weg eingeschlagen haben, so haben sie bei St. Rochus
das Hauptthal verlassen und sind durch das östliche
Seitenthal nach der kleinen Furka hinauf und über
die Alp Fasons nach Ganey hinabgestiegen. Der
1. Mai brach an. Das Bataillon, das unter Major
Quelf von Lävena nach Guscha hinübergestiegen war,
bemächtigte sich zwar am frühen Morgen des Dörf-
leins, hatte aber keine weitern Erfolge, da die Fran-
zosen nicht versäumt hatten, den Guscherweg und
Wald durch Verhaue zu sperren. Es entspann sich
hier eine unnütze Plänkelei, deren Schüsse irrthtimlich
für die der Colonne Vukassovich's gehalten wurden;
die Truppen vor der Steig griffen an und warfen die
französischen Vorposten in die Schanzen zurück, weiter
kam es auch hier nicht.
Besseren Erfolg hatten die 3Ve Bataillone unter
Graf St. Julien, die in der Nacht von Mels aus den
Pläscherberg erstiegen hatten, Sie vertrieben die
Franzosen aus ihrem Verhau, bemächtigten sich des
Dorfes Fläsch und rückten, die Franzosen vor sich
her jagend, Vormittags 10 Uhr mit neun Compagnien
in Maienfeld ein, nachdem auf dem Fläscherberg und
in Fläsch Reserven gelassen worden waren.
In Maienfeld erwarteten die ermüdeten Truppen
mit Ungeduld das Eintreffen der andern Colonnen,
aber weder von Guscha, noch von Jenins her kam
212 B. Wäber,
die erhoffte Unterstützung. So mußte denn Mittags
12 Uhr die isolirte Abtheilung den Rückzug nach dem
Fläscherberg antreten; aber da erfolgte auch schon
der Angriff der französischen Reserven in Front und
Flanke, und die Bewegung, die mit so günstigem Er-
folge begonnen hatte, endete mit einer empfindlichen
Schlappe.
An diesem Mißgeschick war großentheils die Gamper-
thoner Colonne Schuld. Vukassovich scheint vom
Ganeyerbad nach Seewis hinuntergestiegen zu sein
und von hier eine Abtheilung nach der Prättigauerklus
detaschirt zu haben, während der Rest sich über den
Seewiserberg Jenins zu bewegte. Sei es, daß der
tiefe Schnee den Marsch verzögerte, sei es, daß sich
die Colonne verirrt hatte: sie kam nicht zur rechten
Zeit an ihr Ziel und mußte dann den Rückzug auf
nämlichem Wege, wie sie gekommen, antreten. Die
Abtheilung Quelfs ging von Guscha auf Umwegen
zurück und gelangte endlich durch das Saminathal
wieder nach dem Hauptquartier in Feldkirch.
Vierzehn Tage später erfolgte der gemeinsame
Angriff auf Graubünden durch Hotze von Vorarlberg
und Bellegarde von Tyrol aus, und wieder belebten
sich all die aus Montafun und Vorarlberg nach der
Schweiz führenden Pässe. Hotze beschloss, die Um-
gehung der Luzienstieg über Fläscherberg und Guscha
fallen zu lassen, dagegen diejenige durch das Gamper-
thonthal mit weit größeren Truppen massen auszuführen,
und so sehen wir denn am 12. Mai acht Bataillone
im Anmarsch nach diesem Thale. Lebensmittel und
Munition waren im Voraus von Landlenten nach den
Aus dem Rhätikon, 213
Pässen geschafft worden, die die Vorarlberger Schützen
schon besetzt hielten, die Wege hatte man so gut als
möglich für den Marsch der Truppen ausgebessert.
Drei Bataillone, verstärkt durch zwei freiwillige
Schützencompagnien aus Vorarlberg, gingen am 13. Mai
unter Generalmajor Jellachich nach den Maienfelder
Alpen hinüber. Sie schlugen den Weg über die „Kel-
lemen'* und durch's Engitobel hinab ein und bivoua-
kirten dort in tiefem Schnee.
Die andern fünf Bataillone unter Generalmajor
Hiller waren nach Seewis bestimmt. Sie werden also
von St. Rochus aus der ersteren Colonne das Haupt-
thal gelassen und den nächsten Weg über das Seewiser
Ftlrkli oder Salarueljoch nach Fasons eingeschlagen
haben und kamen in der Mittemacht des 13./14. Mai
in Ganey an. Die Ruinen des Schwefelbades legen
von diesen Besuchern Zeugniß ab: wurde doch, wie
man erzählt, in jener Nacht alles Holzwerk des Hauses
losgerissen und zu Wachtfeuern für die frierenden
Trappen verwendet.
Am Morgen des 14. Mai wurde zum Angriff ge-
schritten. Jellachich detaschirte sechs* Compagnien
imter Führung von Major Eöttvös mit den ober-
ständischen Freiwilligen durch das Glecktobel hinab,
während er mit dem Gros, wie wir denken, den
Jeninser Alpweg hinabstieg und Jenins und Maienfeld
besetzte. Sowie Eöttvös derart seinen Rücken gedeckt
wußte, griff er die mit zwei Bataillonen imd acht Ka-
nonen besetzten Schanzen von rückwärts an, drang
trotz des Feuers der umgewandten Geschütze nach
heftigem Kampfe ein und öffnete die Thore, durch
214 B. Wäher.
die Hotze an der Spitze seiner Ulanen einritt. Die
Luziensteig war wieder gewonnen ; auf der freigemachten
Straße nach Graubünden rückte Hotze ein und ver-
einigte sich an der Landquart mit Jellachich und in
Zizers mit der Colonne Hiller's zum Vormarsch gegen
Chur.
Hiller's Colonne war von Ganey nach Seewis herab-
gekommen, hatte dort die Franzosen aus ihren Ver-
schanzungen und dann aus ihrer zweiten Stellung bei
der Schloßbrücke in der Klus geworfen; über das
Schweizerthor, das St. Antönier- und Schlappiner-Joch
kanten die andern Österreichischen Colonnen in*s Prätti-
gau herab, und Dank der üebereinstimmung all dieser
Bewegungen waren alle im Prättigau befindlichen Feinde
abgeschnitten und wurden 3000 Franzosen gefangen.—
So gestalten sich die Bilder jener denkwürdigen Tage,
wenn wir an Hand der Angaben der citirten Werke,
sowie mündlicher üeberlieferungen, dem Gange der
Ereignisse im Terrain selbst folgen; ein lehrreicheß
Kapitel aus der Zeit, da fremde Händel zur Schweizer-
geschichte wurden, weil sie auf Schweizerboden zum
Austrag kamen.
Die Sonne hatte ihren höchsten Stand erreicht,
als wir unser Zelt abbrachen und der Tschingelterrasse
zuschritten. Ein rechter Schatten winkel, dieses Plateau;
die Felsmassen des Tschingels wehren den Sonnen-
strahlen das Eindringen und so ist es denn das ganze
Jahr hindurch im Schnee, und nur am felsigen Rande
ist Leben und in reicher Fülle blühen da Steinbrech
und tiefblaue Gentianen, glühen die rothen Sternlein
des Mannschild's und nickt die Glockenblume zwischen
ÄU8 dem Rhätikon. 215
den Felsen. Aus dem lieblichen Thale von Gamper-
thon grüßt ein Theil der Häüsergrnppe von St. Rochus
herauf; der ^Nenzinger Himmel^ heißt dieses Sommer-
dörflein mit seiner Kapelle inmitten fetter Alpweiden.
Wir waren am westlichen Ende der Terrasse an-
gekommen, da wo ihr felsiger Nordrand sich in den
vom Naafkopf herunterkommenden Abhängen verliert,
üeber die rauhen Felsblöcke der ^Platten" und über
kleine Schneefelder ging's nun nach dem Sattel am
westlichen Fuße des Tschingels. Dort zeigt eine
Steinpyramide die Ländergrenze an, und durch das
gemsenreiche Tschingelthäli geht's hier hinunter nach
dem Henberg und der Alp Fasons. Dem Grenzgrat
westlich folgend, kamen wir bald zu der üebergangs-
stelle „in den Kellemen" (Kellern); eine Reihe von
spaltenreichen Felsblöcken am Südrand des Grates
tragen diesen Namen. Die Sage vom Wälschen, der
sich hier reiche Schätze aus den Steinen geholt, spukt
auch hier, wie so mancherorts in den Alpen.
Denn Gold in Menge liegt in unsem Bergen,
Nor weiß es nicht ein Jeder aafznspüren
So gut wie jene klugen Venetianer.
Sie wühlen aus der £rde und sie schmelzen
Aus Kieselstein, und waschen aus dem Bachsand
Das gelbe Gold und schleppen's in die Heimat.
(Banmbach.)
So gut ging's freilich den Prättigauern nicht, die
— es ist noch keine lange Reihe von Jahren seither —
hier oben nach Gold gruben. Nach vergeblichem
Graben, Pickeln und Klopfen flog ein Käuzlein, durch
den Lärm aus einer Felsspalte aufgeschreckt, an den
Goldsuchern vorüber in's Freie; panischer Schrecken
216 U. Wäber,
ergriff die Schatzgräber, die glaubten den bösen Geist
za sehen und Pickel und Hammer fallen ließen. Am
Golde hängt, nach Golde drängt doch Alles — selbst
auf hoher Alp.
Ueber steile Schutt- und Grashalden gelangten
wir bald nach Jes hinab. Wie anders sah es hier
aus, ^s Yor einem Jahre, da der Schnee bis fast
zu den Htttten herabreichte! Nun war keine weiße
Stelle im ganzen Hochthal zu sehen, als dort oben
rechts von der Scharte des Ftirkli der „weiße Sand'',
eine helle Schutthalde, nahe bei der „rothen Platte'^^
einer Felspartie von dunkelrother Färbung. Dort ißt
ein beliebter Standpunkt fUr Gemsjäger, und dort
geht, bei Punkt 2498 der topographischen Karte,
noch ein Pfad, der „schwarze Gang**, über die Grenze
zur Vermalesalpe, ein Jägerweg, der die gute Eigen-
schaft hat, daß er ganz in der Nähe der Grenze
der drei Länder ist und man von dort aus leicht
das Gebiet wechseln kann, wenn es noth thut.
Ueber die im reichsten Blumenschmucke prangen-
den Wiesen ging's nun wieder Stttrvis zu, und auf
dem bekannten Wege erreichten wir gegen Abend
Seewis und das Hotel Scesaplana. Auf seiner Terrasse
ruhten wir von unserer Paßwanderung aus; ein Ge-
witter war über den Rhätikon heraufgezogen und im
dumpfen Donnerrollen enthüllten die Blitze auf Mo-
mente in scharfen Contouren die schwarze Masse des
Grenzgebirges.
Wir sind am Ende unserer Paßtour angelangt
und da drängt es uns, dem stillen, bescheidenen
Freunde, der uns auf Schritt und Tritt begleitet und
Atis dem Ehätikon, 217
geführt hat, dem Blatt 273 der topographischen Karte^
UDsem Dank abzustatten. Der militärische Neben-
zweck unserer Wanderungen, die Recognoscirung der
Grenztibergänge, brachte es mit sich, daß die Karten
dieses Terrainabschnittes weit genauer studirt wurden,,
als dies ohne ihn geschehen wäre. Wir haben vom
Falknis bis zur Scesaplana das Blatt 273 verifizirt
und seine wahrhaft mustergültige Zuverlässigkeit in
alle Details hinein constatiren können. Jeden Ver-
bindungsweg von Alp zu Alp, jedes Wässerlein^
jeden Felskopf, alle die Grenzübergänge (mit alleiniger
Ausnahme des Pfades über die „rothe Platte'^ ob Jes)
finden wir angegeben. Schade aber ist es, daß Alles,
was nicht schweizerisches Land ist, auf der Karte
im unschuldigsten Weiß prangt, als ob beim rotb-
und weiß angestrichenen Grenzzaun die Welt über-
haupt aufhöre. Könnte man nicht die nächsten jen-
zeitigen Wasserläufe einzeichnen, die Gebirgszüge-
wenigstens durch ihre Namen andeuten und die Paß-
wege bis zu den ersten Ortschaften oder Alpen fort-
setzen — ähnlich wie die Dufourkarte sogar weiter
entfernte Striche jenseits der Grenze behandelt?
Die Weg- und Alpen- Angaben der österreichischen
Karte im Gewirre ihrer Schraffen haben wir auf
ihrem Gebiet ebenfalls vollständig zuverlässig gefunden ;
das Relief des Gebirges kommt dort allerdings lange
nicht so zur Geltung, wie in unserer Dufourkarte;
dagegen sind die Wegangaben sowie die Nomenclatur
der letzteren in einigen Punkten nicht richtig.
Aus der Gruppe des Bacone.
Von
Dr. Th. Gurtius (Section Bern).
Seit der ersten Ersteigung des Piz Bacone (Jahrb.
d. S. A. C. XIX, 234) ist weder der Berg selbst, noch
«eine nähere Umgebung wieder betreten worden. Der
«inzig in seiner Art dastehende Bau dieser kleinen,
awischen Forno und Albignathal eingeklemmten Berg-
gruppe mit ihren überaus kühnen Gipfelformationen,
mit ihrer merkwürdigen, wild zerrissenen westlichen
Pelsflanke hat mir schon bei meinem ersten Besuche un-
vergeßliche Eindrücke hinterlassen. Während eines drei-
wöchentlichen Aufenthaltes in Sils Maria im Angust
\ und September 1885 bei leider stets unzuverlässigem
Wetter habe ich mit Christian Klucker wiederholt Aus-
flüge dahin unternommen, um weiteren Aufschluß über
die Zugänglichkeit und die Gestaltung dieser merk-
würdigen Berggruppe zu erhalten.
Der allgemeinen Lage der Baconekette ist bereits
früher gedacht worden (loc. cit.). Für das Verständniß
des Folgenden wurde die Bezeichnung einiger weniger
Aus der Gruppe des Bacone.
■mgsis
Punkte noth-
wendig, wel-
che auf Blatt
Maloja des
topographi-
sehcD At-
lasses na-
meolüs ge-
blieben Bind.
Die Lage der
Gipfel ist auf
diesem Blatte
bis auf die-
jenige der Ci-
ma del Largo
richtig wie-
dergegeben.
Drei Spitzen
dieses Ber-
ges, darunter
die höchste,
befinden sieh
nicht in dem
von Süden
nach Norden
streichenden
Haupt-
kamme der
Gruppe, son-
dei-n , von
220 Th, Curtius.
demselben durch einen längeren Grat getrennt, m
einer nach Westen verlaufenden Seitenkette, welche
sich bis zur Malojastraße hinuntersenkt. Von Casaccia
aus, von wo sich die dreifach gespaltene Largokuppe
besonders imposant präsentirt, fällt ihre Trennung vom
Hauptkamme sofort in's Auge. Der in dem letzteren
befindliche, auf der Karte mit 3188°* bezeichnete
Gipfel ist 15 — 20™ niedriger als die höchste Zinne.
Da die Zahl 3188°^ sich aber höchst wahrscheinlich
auf diese letztere, vom Thal aus allein in's Auge
fallende Spitze bezieht, habe ich dem Stidostgipfel
die jedenfalls sehr nahe entsprechende Höhe von 3170™
beigelegt.
Der vergletscherte Sattel zwischen Piz Bacone und
Cima del Largo soll als Fuorcla del Bacone bezeichnet
werden. Ihm kommt eine Höhe von etwa 3050™ zu.
Der breite, stärker vertiefte Felsrücken 2949™ zwischen
dem Stidostgipfel der Cima del Largo und der auf
dem topographischen Atlas namenlosen, mit 3043™
bezeichneten Spitze wird als Fuorcla del Largo auf-
geführt. Die Spitze 3043"» scheint mit der Cima da
Splug auf der Ziegler'schen Karte identisch zu sein —
mit Sicherheit konnte dies nicht constatirt werden —
und mag den Namen behalten. Die isolirt stehende
Felskuppe 3172«^ zwischen Piz Bacone und dem Passo
di Casnile ist schon früher (J. d. S. A. C. XVI, 516)
naturgemäß als Piz Casnile bezeichnet worden.
Das auf der Karte von den Alpweiden oberhalb
Cafferetti in das Vallone del Largo sich hineinziehende,
breite Kasenband existirt nicht. Es finden sich an
jener Stelle nur äußerst steile, glattgeschliffene Ab-
Aus der Gruppe des Bacone,
221
Baconeketie
vom P. Mortara bis xup F. Casnile.
HaMpiktunm/,
— » Aiuy0^uArle< Roule^ laas and/ ta9S^
ßffJt JicKerheU' az(^/uÄrb<u-^ MtHt^teajUony-
0--
SOO'
— I —
ß Jfilommtfor
222 Th. Gurtius.
stürze, hie und da von Bckmalen, mit Gras bedeckten
Leisten durchzogen. Ehie zwiseheo Vanooe del Largo
und Vallone della Porteja gezeichnete Schlucht ver-
läuft, nicht gegen ^Motta fega^ hin, sondern zieht
sich a]s mächtiges Tobel in das Vallone del Largo
selbst hinunter.
Die glattgeschliffene Wand, in welche das nntere
Ende des Ostabhanges der Baconegruppe zum Forno-
gletscher ausläuft, soll, um weitläufige Auseinander-
setzungen zu vermeiden, als „Mauer'' und die Stelle,
welche stets den Ausgangspunkt unserer Besteigungen
von der Fornoseite aus bildete, mit „auf der Mauer**
bezeichnet werden.
Ersteigung des Südostgipfels der Cima del Largo (31 TO*").
Am 22. August befand ich mich mit Klucker nach
zwei Jahren zum ersten Male wieder „auf der Mauer",
nachdem wir frühzeitig von Sils Maria aufgebrochen
waren. Wir pflegten die Strecke von Maloja bis zu
dieser Stelle, welche bereits 2640™ hoch liegt, dm-ch-
schnitttlich in 2 Stunden und 40 Minuten zurückzu-
legen und dann angesichts des herrliehen Panoramas,
welches die Umgebung des Fornogletschers^) darbietet,
uns durch ein wohlverdientes Frühstück zu neuen
Thaten vorzubereiten. Auf welche Art man vom
0 Herr Flury in Pontresina hat in der letzten Zeit eine
vorzügliehe größere Photographie de» Fomogletsehers mit
seiner Umgel^nng angefertigt, deren linke Seite der untere
Theil des Ostabfalles des P!z Bacone mit der „Mauer** be-
grenzt. Von den Gipfeln der Gruppe ist nur Piz Casnile
sichtbar..
ÄU8 der Gruppe des Bacane. 22$
Gletscherboden auf die Mauer gelangt, habe Ich scho»
früher (loc. cit.) beschrieben. Wir haben die Passage
stets wieder an derselben Stelle ausgeführt, da die
Wand überhaupt nur an sehr wenigen Stellen zugäng-
lich sein dürfte.
Von der Mauer stiegen wir ein in diesem Jahre
gänzlich von Schnee entblößtes Trümmerfeld zur
Fuorcla del Largo hinauf und betraten dieselbe, ohne
irgend welcher Schwierigkeit begegnet zu sein, nach
Verlauf einer kleinen Stunde. Mit einem Male wurde
nun der Blick in den fürchterlichen Schlund des-
Vallone del Largo und die vom Hauptkamme der
Baconegruppe sich abzweigende Seitenkette frei, welcher^
wie oben erörtert wurde, drei Spitzen der Cima del
Largo, darunter die höchste, entsteigen. In einer ver-
witterten, außerordentlich steilen Wand fallen sie gegea
400« in den obern Theil des Vallone ab.
Mit bewaffnetem Auge wurde nun dreierlei fest-
gestellt. Erstens, in Bezug auf das Vallone del Largo i
daß es in seinem oberen Theile sicher begangen werden
könne, daß eine Wanderung durch dasselbe aber nur
von der Malojastraße aufwärts unternommen werden
dürfte. Zweitens, in Bezug auf die Cima selbst : daß^
es wahrscheinlich möglich sei, von der Fuorcla an
dem Nordabsturz der höchsten Spitze vorbei zu traver-
siren und aufwärts kletteind in die Scharte zwischen
dieser und ihrer westlichen Nachbarin zu gelangen.
IWttens, daß man von der Fuorcla direct an dena
Hauptkamme nach Süden in die Höhe steigen, hier-
dHTch die Höhe des Seitengrates östlich der höchsten
Spitze gewinnen und auf diesem bis unmittelbar an
224 Th. Curtius.
die letztere gelangen könne. Ob von dieser oder von
der anderen Seite die Spitze selbst ersteiglich sei,
war nicht voranszüsehen, erschien aber von unserem
Standpunkte einiger teleskopischer Risse halber durch-
aus nicht unmöglich. Nr. 1 wurde ohne Debatte ver-
tagt. Nr. 2 hätten wir riskiren dürfen, wenn kein
frischer Schnee alle Risse der verwitterten Nordwand
ausgefüllt hätte. Also Nr. 3!
Wir banden uns an's Seil und stiegen am Haupt-
kamme von der Fuorcla nach Süden direct hinauf.
Anfangs ging es ganz leicht, allmälig aber nahm die
Durchschnittsneigung bedenklich zu. Wir wurden auf
-die glatte Ostseite mit ihrem tiefen Abfalle zum Fomo-
gletscher hinübergedrängt, gelangten aber dadurch
wenigstens an eine feste, wenn auch sehr steile Granit-
wand. Mehrmals mußte hier die ganze Länge des
Seiles (20™) zu Hülfe genommen werden, ehe Einer
von uns Beiden festen Halt gewinnen konnte.
Die Wand wird steiler, die Sprünge geringer, die
Leisten schmäler, rechts und links kein Ausweg, also
immer gerade hinauf! Den oberen Rand versperren tiber-
liängende Tafeln, unter denen die gütige Natur aber
•ein enges Loch gelassen hat. Klucker windet sich,
während ich noch ganz unten bin, hindurch und ver-
schwindet. Endlich wird das Seil über meinem Kopf
angespannt und nun wandert Pickel, Rucksack und
Leib, eins nach dem andern, durch das Loch. Nun
"folgen wieder kleinere Tafeln, und endlich sehe ich
die Höhe des Grates dicht über mir. Klucker muß
wenigstens oben sein. Er hat sich auf eine Tafel in die
:Sttitze hinaufgeschwungen und schaut starr nach rechts.
Aus der Gruppe des Bacone. 22ö
„Klacker, sind Sie oben?"
„Kommen Sie nar nach, aber fallen Sie nicht nach
der andern Seite hinunter, wenn Sie oben sind."
,,Klacker, sehen Sie Gespenster?"
„Kommen Sie und schauen Sie „den Satan" selbst."
Jetzt tauche auch ich mit dem Oberleib über die
letzte Platte hervor.
„Nun, was sagen Sie?"
Ich sagte aber gar nichts, sondern war wirklich
geradezu verblüflft durch den Anblick des großartigsten
Zerstörungsbildes, das ich je in den Alpen gesehen
habe.
Wir waren von der Fuorcla aus eine Stunde
und fünf Minuten ununterbrochen geklettert und be-
fanden uns jetzt mehr als 200"^ über derselben auf
der Schneide des Hauptkammes, etwa 50"» sUdlich
von der Stelle, wo der Grat mit den drei Largo-
spitzen von diesem nach Westen ausgeht, erblickten
die Cima also jetzt von der entgegengesetzten Seite
wie von der Fuorcla. Nach Süden zog sich der
Hauptkamm noch ein Stück weit in beträchtlich ver-
minderter Steilheit empor.
Um eine Vorstellung von dem Aussehen des höchsten
Oipfels zu gewinnen, denke man sich ein Bündel
mehrerer Hundert Fuß langer Granitsäulen aufrecht
vereinigt und nehme von zwei entgegengesetzten Seiten
80 viel Säulen fort, daß nur noch die in der Mitte
befindlichen Stücke stehen bleiben. Das ist Alles,
was von einer einstigen Granitkuppe übrig geblieben
ist. Dem horizontal verlaufenden westlichen Grate,
selbst nur mehr ein Netzwerk gewaltiger Granit-
15
226 Tk. CurUuB.
aSnlen, voii dem man kaum begreift, wie es, ohne in
sich zusammen zuBtUrzen, fortbestehen kann, entsteig
der Gipfel noch ala etwa 35" hoher Thnnn, dem
Hauptkamme seine nai' wenige Fuß breite Ostkante la-
kelirend. Nach Süden dagegen fällt er wobl um das
Vierfache dieser Höhe senkrecht in das Va) del Bacone
Elucker da.
Cima del Largo von der SüiloBtspitze aus gesehen.
ab. Nach dem Vallone del Largo zu sind die WKnde
sogar theilweise ilheriiängend. Nach Westen folgen,
vom Haupt^pfel dnrch scharfe Einschnitte getrennt,
noch zwei Erhebungen, weiche, um ein Bedeutendes
niedriger ala jener, mit ihm zusammen das Bild dei
imposanten Bi-eizacks hervorrufen, welcbea man von
Casaccia aus erblickt.
Der gewaltige Eindruck, welchen der Bildliche Ab-
fall gewährt, wird durch die merkwürdige Verwittemng
Aus der Gruppe des Bacone, 227
seines Gesteines wesentlich unterstützt. Während die
ganze Ostflanke der Baconekette feste Wände aufweist,
ist die entgegengesetzte Seite mit ihren weit nach
Westen vorgestreckten schmalen Gräten der Zerstörung
bereits im gewaltigsten Maßstabe anheimgefallen.
Solche Bilder treten ganz besonders an der Südseite
des Kammes zu Tage, welcher vom Piz Bacone zur
Albigna heruntersteigt ; nirgends aber zeigen sich die-
selben in auffallenderer Weise als an der Cima del
Largo selbst. Hier ist der ganze Gipfelkamm vom
Scheitel bis zur Sohle unzählige Male gespalten wor-
den; der spröde Granit hat eine scheinbar geschichtete
Formation angenommen und bildet regelmäßige Säulen,
welche, vollkommen vertical gestellt, heute nur noch
lose zu einem schmalen Grate miteinander verbunden
sind. Man kann beobachten, wie die Risse am Sttd-
absturze des Gipfels in einer Ausdehnung von 100°*
und mehr sich hinziehen, ohne von der verticalen
Richtung abzuweichen, ohne von einem einzigen Quer-
sprnnge durchsetzt zu werden. Der letztere Umstand
macht die Ersteigung des höchsten Gipfels zu einem
ohne besondere Hülfsmittel kaum zu lösenden Problem.
Auf den höchsten dieser senkrecht gestellten Granit-
sänlen ist ein einzelner rundlicher Block liegen ge-
blieben, welcher durch sein Gewicht die unter ihm
befindlichen Pfeiler vielleicht noch einige Zeit vor
dem gänzlichen Auseinanderfallen schützt.
Solchen Betrachtungen konnte ich mich 40 Minuten
lang, ein Bein zum Fornogletscher, ein Bein nach der
Malojastraße hinüberstreckend, ungestört hingeben.
Klucker hatte sich vom Seil losgebunden und recognos-
228 TÄ. Gurtius,
cirte den Grat bis zum Großen Thurm, welcher den
Gipfel bildet. Bald verschwand er nach 'dem Vallone
del Largo hinüber, bald erschien er wieder auf der
Spitze einer riesigen Tafel, bald mußte er sich ein
Stück nach dem Val del Bacone hinunterlassen, um
einen neuen Coloß zu umgehen. Endlich verschwindet
er hinter der letzten großen Säule des eigentlichen
Grates, dicht an der Stelle, wo der Gipfelthui-m sich
erhebt. Einige Blöcke poltern drüben in's Vallone
hinunter. Nun ist Alles still. Ich zähle deutlich die
einzelnen Herzschläge. Endlich — die Secunden dünken
mich eine Ewigkeit — erscheint das geröthete Gesicht
wieder; Klucker ist auf dem Rückzuge begriffen. In
einer Viertelstunde sind wir wieder beisammen. „Der
Grat murrt und knurrt, er hängt in's Vallone über"
waren seine ersten Worte. Es wäre in der That un-
vernünftig gewesen, wenn wir noch einmal vorgegangen
wären. An der Stelle, an welcher Klucker umkehrte,
mußte eine stark geneigte, in das Vallone überhängende
Platte rutschend ohne Halt für Hände und Füße tra-
versirt werden, um unmittelbar an „den Satan" —
Klucker nannte den Berg nur noch mit diesem
schmeichelhaften Namen — zu gelangen. Hätten wir
dieses für zwei Personen entschieden gewagte Unter-
nehmen aber auch glücklich vollführt, so blieb die
Wahrscheinlichkeit des Weiterkommens doch sehr
gering, da sich an der schmalen Kante des Thurmes
nirgend mehr genügende Stützpunkte für Hände und
Füße vorzufinden schienen.
„Also besteigen wir wenigstens den Gipfel zu
unserer Linken."
Aus der Gruppe des Bacone, 229
In 12 Minuten erreichten wir durch unschwieriges
Klettern die Spitze. An Höhe tiberragte uns jetzt
der Hanptgipfel immer noch um 15 — 20™. Die höhere
seiner beiden westlichen Nachbarzacken erschien aber
unserm Standpunkte kaum noch ebenbürtig. Von hier
schweift der Blick ungehindert den 2000°» tiefen Ab-
grund des Val del Bacone hinunter, in dessen oberen
Theil der Baconegletscher eingeklemmt ist ; sein zer-
klüfteter Eissturz ist der ganzen Länge nach sichtbar.
Unten leuchtet aus dem grünen Thalboden die weiße
Poststraße herauf. Auf der entgegengesetzten Seite
nichts als Eis und Felsen. Gegen Süden steigt scharf
zugespitzt die elegante Gestalt des Bacone mit hoch-
ragendem Steinmann noch 80" über uns empor. Die
Engadiner drüben jenseits des Fornogletschers stecken
schon tief in den Wolken, üeberall strecken sich
große Nebelzungen aus den Thälern über die Kämme
herüber. Unser Steinmann ist fertig.
Wir folgten jetzt dem Hauptkamme weiter nach
Süden und stiegen, uns stets an dessen Ostseite haltend,
ohne besondere Schwierigkeit zu finden, in 35 Minuten
zur vergletscherten Fuorcla del Bacone hinunter. Von
dieser genießt man ebenfalls einen ausgezeichneten
Blick auf die Abstürze der Cima del Largo in's Val
del Bacone. Nirgends aber ruft der Anblick deSv
Gipfels einen so gewaltigen Eindruck hervor, wie
gerade an der Stelle, an welcher wir den obersten
Hauptkamm zuerst betraten, wo plötzlich der Süd-
abhang des Berges im halben Profil sichtbar wird.
Inzwischen war es zu spät geworden, um bei dem
zweifelhaften Wetter einen Versuch zu machen, den
230 Th, Ourtius,
Piz Bacone von der Fuorcla über den Nordgrat zu
erklettern. Wir stiegen daher über das Schneefeld
nach Osten abwärts und erreichten ohne Hinderniß
in einer Stande und 45 Minuten über ^die Mauer^
die Ebene des Fomogletschers.
„Es ist schade", meinte Klucker beim Nieder-
steigen, „daß wir Niemand erzählen können, was wir
heute gesehen haben. Es glaubt uns doch Keiner^
daß es da oben so wüst aussieht." Etwas nieder-
geschlagen und schweigsam wanderten wir der Maloja zu.
„Klucker, Sie legen ja heute Ihren schönen Hemd-
kragen gar nicht an." — ^ptr steckt droben in der
letzten Ritze, die ich mit der Hand erreichen konnte.^
Zeitangaben,
Ab Maloggia 5 ühr 10 Min.
An Fuorcla 9 „ 50 „
Ab „ 10 „ 15 „
An Grat unter der Ostspitze . . 11 „ 20 ^
Klucker unter der höchsten Spitze 11 „ 40 „
An Südostgipfel *12„12„
Ab „ 12 „ 50\
An Fuorcla del Bacone .... 1 „ 25 „
Ab „ „ „ .... 1 „ 40 „
An Maloggia 5 „ 20 ;,
12 Std. 10 Min.
Summa der Pausen: 2 Sunden 36 Minuten.
Marschzeit: 9 Stunden 34 Minuten.
Aus der Gruppe des Bacone. 281
Baeone (8243 m.) von der Fiiorcla del Bacoue über
den Kordgrat.
Nach der Besteigung der Cima del Largo blieb
das Wetter unbeständig. Man konnte nur hie und da
auf wenige leidliche Morgenstunden mit Sicherheit
rechnen. Ich stieg inzwischen mit einem Freunde
ttber den Chapütschinpaß und den Piz Ohapütsehin nach
Pontresina hinüber, wobei Kluckcr und ich uns in
der Ansicht, daß man vom Chapütschinpaß leicht über
La Monschia zum Punkt 3382™ am Westgrat des Piz
Oiüschaint gelangen könnte, getäuscht sahen. Man
geht ttber die Fuorcla Ohapütsehin bis zu diesem
Punkte wenigstens 2 V2 Stunden länger, als über die
Fuorcla Fex-Scerscen (Jahrb. d. 8. A. C. XIX, 228).
Man wird daher, um von Sils auf den Piz Glüschaint
zu gelangen, doch zweckmäßig den letzteren Weg ein-
schlagen (seit 1883 zweimal begangen), obwohl die
Wand über die Fuorcla Fex-Scerscen stärker von
fallenden Steinen heimgesucht wird, als die Felsrinne
der Fuorcla Ohapütsehin. ^)
Im Regen fuhren wir am nächsten Morgen von
Pontresina nach Sils zurück. Abends aber schien das
*) Am 4. September wurden wir durch rasenden Schnee-
Btorm und dichten Nebel von der Capanna MarineUi über
den Fex-Seerscenpaß nach Sils zurückverschlag^en und hatten
liierbei Gelegenheit, die unausgesetzte Kanonade zu hören,
welche allenthalben von der das Rosegthal gegen den Seerscen-
ttnd Fexgletscher abschließenden Felswand niedergesandt
^orde. Bei schlechtem Wetter ist von einer Begehung der
letzteren, au welcher SteUe es auch sei, abzurathen.
232 Th, Curtiua.
Wetter wieder einige schöne Morgenstunden für den
folgenden Tag zu versprechen. Diese sollten in der
Baconegruppe ausgenutzt werden.
Am 27. August fuhr ich mit Klucker kurz nach
3 Uhr Morgens von Sils zur Maloja und stand bereits
um 8 Uhr 25 Min. noch bei blauem Himmel auf der
Fuorcla del Bacone, um den Gipfel des Berges von
hier über den Nordgrat zu besteigen. Wir hatten den
Weg von Maloja Kulm bis hieher^ abgerechnet eine
Frühstückspause von 40 Minuten auf der Mauer, in
3 Stunden und 43 Min. zurückgelegt. Die dorcb-
schnittliche Steigung des Kammes von der Fuorcla
gegen die Spitze des Bacone ist durchaus keine un-
gewöhnliche. Sie wird nicht mehr als 40 Grad be-
tragen. Auf Grund früherer teleskopischer Studien
vom Südostgipfel der Cima del Largo aus hatten wir
ziemliche Schwierigkeiten erwartet. Nun stellte sich
heraus, daß trotz festesten Gesteins die Ueberwindang
des Nordgrates an mehreren Stellen genau an der
Grenze des Ausführbaren lag, selbst für die stark an
unsere Vorfahren erinnernde Klettertechnik Kluckers.
Drei größere Knöpfe oder Thürme erheben sich
aus dem Kamme. Der erste wurde ohne wesentliche
Schwierigkeiten überstiegen. Von hier aus zieht sich
ein deutlich ausgeprägtes Felsband an der breiten
Ostseite der Pyramide vorbei nach dem Pfeiler hin,
welcher von dem Gipfel des Bacone nach Osten zum
Fornogletscher vorspringt. Man kann an dieser Stelle
zweifellos ohne besondere Schwierigkeit hinübertraver-
siren und dadurch auf das letzte Stück des Weges
gelangen (loc. cit.), auf welchem ich 1883 den Piz
Aus der Gruppe des Bacone. 23$
Bacone zuerst erstieg. Unter Benützung dieses Fels-
bandes dürfte die Besteigung des Berges von der
Fuorcla del Bacone ebenso schnell und verhältniß-
mäßig leicht auszuführen sein, als auf dem früher
beschriebenen Wege. Wir beschlossen indessen heute
den Nordgrat womöglich bis zur Spitze zu verfolgen.
Die üeberwindung der beiden nun folgenden Thürme
setzte ein hartes Stück Arbeit ab. Klucker zog seine
Bchnhe aus und stieg auf den Strümpfen an einer
70o geneigten Granitwand mit Hülfe einer lächerlich
schmalen Längsritze ungefähr 18™ über mich empor.
In halber Höhe setzte ein in schräger Neigung vor-
springender Absatz dem Kletternden hartnäckigen
Widerstand entgegen. Klucker hatte sich mit dem
Oberleib glücklich hinaufgeschoben, schlug aber mit
beiden Füßen hinter sich in der Luft umher, ohne
einen Anhaltspunkt zu finden. Jetzt haken die Zehen
des linken Fußes sich fest und langsam schiebt er
den Körper hinauf. Es währte dies Alles kaum eine
halbe Minute, aber Zsigmondy's Schicksal trat, ich
gestehe es, lebhaft vor meine Augen, und ich suchte
^willkürlich meine eigene unbequeme Lage möglichst
zu verbessern und zu befestigen. Klucker verschwindet
eben hinter einem Vorsprung und unser ganzes Seil
^ird nach und nach aufgebraucht. Der zweite Thurm
18t besiegt. Die Pickel und das Gepäck werden nach-
gezogen. Ein Pickel setzt sich mit hartnäckiger Bos-
heit fest. Hoch oben Zerren und Fluchen. Nun kommt
^*8 Seil in luftigem Schwünge wieder herab, ich binde
^ch fest und trete, durch unsichtbare Hände von
^ben unterstützt, dieselbe Kletterpartie an. Es folgt
234 Th. CurtiuB,
eine Strecke etwas leichteren Terrains. Ein köstlich
geschütztes Ruheplätzchen, wie ein Geiernest in die
Schneide des Kammes hineingebaut , wird benutzt,
um die Schuhe anzuziehen und einen tflchtigen Schluck
Oognac einzunehmen.
Das üeberklettern des dritten Knopfes wird nun
in ähnlicher Weise ausgeführt, wie das des zweiten,
nur kann Klucker diesmal seine Schuhe anbehalten.
Näher rückt das Ziel , das letzte Stück bietet keine
wesentliche Schwierigkeit mehr. 10 Min. nach 10
Uhr — die 180"^ haben uns 1 Stunde und 40 Min.
intensivster Anstrengung gekostet — berühren wir
unseren vor zwei Jahren gebauten Steinmann.
Und zwar genau vor zwei Jahren, fast in der-
selben Minute — der Zettel in der Flasche besagt
es — haben wir diesen Gipfel zum ersten Male be-
treten. Alles liegt noch so, wie wir es verlassen
haben; kein Mensch hat den Berg inzwischen erstiegen.
Sogar der Blitz hat seinen hochragenden Steinmann
verschont.
So feierten wir das zweite Jahresfest unserer
ersten Besteigung in dünnem Veltliner und Citronen-
wasser. An letzteres habe ich Klucker erst mit einiger
Mühe gewöhnen müssen. Auch heute macht er wieder
ein komisches Gesicht, wenn er „die Kttrbisflasche"
an den Mund setzt, und betrachtet mit stiller Weh-
muth den gebleichten Sectpfropfen, der sich noch von
vor zwei Jahren vorfindet.
Zeit lassen ! Die Sonne scheint köstlich warm, und
einzig schön ist das originelle, großartige Panorama.
Fernsicht gab es nicht mehr, aber in der Nähe
Alts der Gruppe des Barone. 235
allenthalben wundervolle Bilder in schönster Beleueh-
tang, deren Reiz nur durch die seltsam gestalteten
Nebelzungen erhöht wird, welche der überhand-
nehmende Südwind mit immer größerer Schnelligkeit
zu immer dichteren Massen zusammentreibt.
Kurz vor Mittag verließen wir den Gipfel, von
dessen südlichstem Endpunkte sich nun ein zweiter
Steinmann erhebt, und begannen das steile Südkamin
hinabzusteigen. Klucker und ich waren beim Klettern
schon so in einander eingewöhnt, daß wir inclusive
Gepäck bereits nach 24 Min. auf dem Felsvorsprunge
uns befanden, dessen Erreichung im Jahre 1883 genau
eine volle Stunde erfordert hatte. Ich habe die Länge
dieses Kamins damals etwas überschätzt (loc. cit.).
Sie beträgt aber jedenfalls mehr als 100"». Die nicht
unerheblichen Schwierigkeiten, welche diese Passage
für den zuletzt Herabsteigenden an ihrem unteren
Ende immerhin bietet, kam uns heute gegen die beim
Aufstieg über den Nordgrat ausgeführte Kletterei
äußerst gering vor.
Der Abstieg zum Oasnilegletscher nahm von. hier
eine lange Stunde in Anspruch. Der obere Theil des
großen steilen Couloirs war vollständig von Schnee
entblößt, der untere dagegen zeigte sich mit hartem,
klarem Eise ausgekleidet, ganz unten gähnte der
offene Bergschlund. Bis zur Eiswand gerieth Alles bei
der leisesten Berührung in's Rutscheji, und dann
maßte in dieser eine lange Folge von breiten Stufen
geschlagen werden. Schließlich erkletterten wir den
letzten, untersten Knopf der die Rinne auf der West-
seite begrenzenden Felswand und kamen so aus dem
236 Th. Curtius,
Couloir heraus auf Schnee und leicht über den Berg-
schrund auf den Gletscher hinüber.
Als wir über den „Sasso prima vera" nach Vico-
soprano hinunter eilten, waren alle Bergspitzen be-
reits in dichten Nebel gehüllt. Der Blick in den
Thalgrund der Albigna ist hier unendlich großartig.
Gegenüber, in wilde Schlünde zerrissen, der West-
absturz des Bacone; im Hintergrunde der mächtige
Albignafall, einer der schönsten Wasserstürze der
Alpenwelt.
Zeitangaben.
Ab Maloggia 4 Uhr 2 Min»
An Fuorcla del Bacone .... 8 « 25 ,,
„ Spitze ....
Ab Spitze ....
An Kaminende . . .
Bergschrund unter der Eiswand
n
n
10
11
12
1
7)
71
rt
7)
Vicosoprano 6
10
46
10
15
15
7)
7)
7)
14 Std. 13 Min.
Summa der Pausen: 3 Stunden 20 Minuten.
Marschzeit: 10 Stunden 53 Minuten.
Von Casaccia durch's Vallone del Largo zum Fomo-
gletscher.
Fuorcla del Largo. Ersteigung der Cima da Splog
(Spitze 8048«).
Als wir die Fuorcla del Largo vom Fornogletscher
her zum ersten Mal betraten, wurde die Möglichkeit
eines üebergangs von Vicosoprano durch das Vallone
del Largo zum Fornogletscher in Betracht gezogen.
Aus der Gruppe des Bacone. 237
Die Ausfäbrung dieses Projektes gewann an Interesse,
nachdem es sich ergeben hatte, daß die höchste Spitze
der Cima selbst vom Hauptkamme der Baconekette
aus nicht erreicht werden konnte. Gelang der Ueber-
gang, so hatte sich uns auch die Westkante des
höchsten Gipfelthurmes enthüllt, und wir wußten dann,
ob ein Versuch zu seiner Ersteigung vom Vallone
aus Erfolg versprechen konnte.
Am letzten August übernachtete ich mit Klucker
iu Gasaccia, den Kopf eigentlich mit ganz anderen
Plänen gefüllt. Am folgenden Morgen war aber das
Wetter derartig, daß wir überhaupt vor 8 Uhr nicht
aufzubrechen wagten, und, um den Tag auszunützen,
wurde eine Recognoscirung des Vallone del Largo
beschlossen.
Wir verfolgten die Poststraße bis Caflferetti und
stiegen von dort ein kaum erkennbares Pfädlein durch
steile, an ihrem unteren Abhänge mit Erlengestrüpp
bedeckte Alpweiden etwa 650™ gegen den Piz Mor-
tara empor. Nun traversirten wir, eine große, mit
Serpentin ausgelegte, vom Mortara sich herabziehende
ßtife kreuzend, nach Süden, bis wir in einer Höhe
von etwa 2100™ an den Rand des Vallone gelangten.
Dieser bestand hier an allen Stellen aus nahezu senk-
rechten, bis 200" tiefen Felsabsttirzen, und wir sahen
^fort, daß das auf der Karte gezeichnete breite, sich
in die Schlucht hineinziehende Rasenband, welches
^uis zu dem beschriebenen Seitenangriff auf das Vallone
verlockt hatte, nicht existirt. Wir stiegen an dem
Rande des Schlundes noch eine ziemliche Strecke
aufwärts, fanden aber, daß die Felsabstürze nur
288 Th. Curtius,
immer mehr in von einstiger Gletscherthätigkeit ab-
geschliffene Platten übergingen. Nach längerem Pro-
biren entdeckte Klucker eine Stelle, wo einige mit
Gras ausgefüllte Risse und Bändchen ein Vorbei-
traversiren zu gestatten schienen. Nachdem wir im
richtigen Vorgefühl einiger schwindeligen Stunden noch
einmal herzhaft gefrühstückt hatten, befanden wir nns
wirklich bald innerhalb des eigentlichen Vallone, das
heißt, in den Wänden, welche dessen mittleren Theil
auf der Nordseite begrenzen.
Um bei der weiteren Beschreibung unseres Wege«
nicht zu oft in Wiederholungen zu verfallen, erscheint
es nöthig, kurz auf die allgemeine Gestaltung dieser
merkwürdigen Schlucht einzugehen, deren Verhältnisse
sich auf der Karte nur zum Theil richtig wieder-
gegeben finden.
Das Vallone del Largo, eigentlich nichts weiter
als ein über 5000 Fuß jäh abfallendes Tobel im
riesigsten Maßstabe, zerfällt in zwei, durch gewaltige
Fluhsätze von einander getrennte Terrassen. Die untere
derselben stellt eine steilaufsteigende, auf beiden Seiten
von senkrechten Felsabstürzen eingeengte, theilweise
durch Lawinenreste verschüttete Trümmerhalde dar,
welche sich von der Malojastraße bis zu einer Höhe
von 1800 — 1900™ ununterbrochen hinaufzieht. In
dieser Höhe setzen steile, glattgeschliffene Fltthe ein,
welche, in einem Bogen 6 — 700™, und zwar gegen
Norden ganz besonders jäh, aufsteigend, den unteren
Boden von dem obersten Theil des Vallone abschließen.
An der Südseite der Schlucht ist die Steilheit dieser
Felsen geringer. Hier geht offenbar der Hauptlawinen-
ÄU8 der Gruppe des Bacone. 239
zug von der Cima del Largo hinunter. Ein Streifen
alten Schnee's zog sich hier von dem untersten Geröll
an den Fltlhen weit in die Höhe. Oberhalb dieser
steilen abschließenden Wände zeigt sieh das Vallone
wesentlich verbreitert und steigt von hier an als
großes, leichter zugängliches Trümmerfeld zur Fuorcla
empor, nördlich von den Abhängen der Spitzen 3026»"
und 3043"^, südlich von dem die Paßhöhe noch um
250" tiberragenden Absturz der Cima del Largo
eingerahmt. Am Fuße des letzteren befindet sich ein
auch auf der Karte gezeichnetes, steil abfallende»
8ehneefe1lP^
Wir betraten das Innere des Vallone auf der
Nordseite, etwa in der halben Höhe jener glatten
Fluhsätze, und waren gezwungen, an diesen vorbei
allmälig in die Höhe zu traversireu, um in die Mitte
des Hintergrundes der Schlucht und somit auf das
obere Trümmerfeld gegen die Fuorcla hin zu gelangen»
Die Ausfühmng dieser Passagen an den glatten Wänden
vorbei erforderte viel Zeit, große Vorsicht und einen
kalten Kopf. Nur Einer von uns Beiden bewegte sich
jedes Mal von der Stelle. Eine lange Strecke Weges
mußte auf solche Art zurückgelegt werden, dabei ließ
sieh das Terrain nur auf kurze Entfernung tibersehen;
kurz, wir hatten einen regelrechten „mauvais pas'^
unter uns. Alles hat aber einmal ein Ende; nahm
die Steigung der Wände auch noch nicht ab, so
änderte sich doch ihre Beschaffenheit allmälig zu unseren
Gunsten, indem an die Stelle der glattgeschliffenen
Tafeln immer mehr ursprtingliches Felsgestein mit
Zacken und Kanten zum Greifen und Klettern trat.
240 Th. Curtius,
Wir kamen jetzt an eine Stelle, wo eine auf dem
Orientirungskärtchen als „großes Kamin" bezeichnete,
Ton der Spitze 3026™ nach Westen sich herabziehende,
-enge Schlucht in die Wand, an der wir hinaufstiegen,
ausläuft. Dieses „große Kamin" gewährte einen höchst
merkwürdigen Anblick. Der mit Blöcken vollgestopfte
Untergrund ist nur wenige Meter breit und von senk-
rechten Felswänden eingerahmt. In einer Länge von
mehreren hundert Metern zieht sich dieser großartige
Hohlweg, ohne von der geraden Linie abzuweichen,
in mäßiger Steigung aufwärts, und es schien sehr
verlockend, demselben zu folgen. Da er uns aber viel
zu weit von unserem Ziele nach links abführen mußte,
verzichteten wir darauf, zumal wir sein Ende nicht
übersehen konnten. Umgehen konnte man die Schlacht
nicht, wir mußten daher, nachdem wir wenige Schritte
in ihre OefFnung hineingegangen waren, an ihrer jäh
4ibfallenden, südlichen Flanke in die Höhe steigen,
um über sie hinaus zu gelangen. Dies zu tlfun, war die
technisch schwierigste Stelle unseres heutigen Unter-
nehmens. In der glatten, mehr als 70*» geneigten Fels-
wand zog sich ein schnurgerade von unten nach oben
verlaufender, höchstens fußbreiter Riß etwa 15" in
die Höhe, an seinen Kanten nur wenig Faßbares für
Hände und Füße darbietend. Hier arbeitete sich
Klucker, so weit unser Seil reichte, hinauf, während
ich nur mit Mühe den Steinen, welche sich unter ihm
loslösten, ausweichen konnte. Nachdem er sich in
beträchtlicher Höhe verankert hatte, mußten erst
Pickel und Gepäck aufgezogen werden, ehe ich nach-
steigen konnte.
k
At^ der Chruppe des Bacone, 241
Jetzt lagen alle Unannehmlichkeiten hinter uns.
Wir hatten zwar noch steiles, wenn auch unschwie-
riges Terrain zu überwinden, aber ohne den schwin-
delnden Absturz der Flühe unmittelbar unter den
Füßen zu haben. Noch manchen prüfenden Rückblick
warfen wir auf den zurückgelegten Weg, den wir
TOD dem Punkt an , wo wir den Eingang in das
Yallone erzwungen hatten, ganz überblicken konnten,
und waren Beide herzlich froh, daß wir auf dem-
selben nicht wieder hinuntersteigen mußten. Wir
banden uns vom Seil und erreichten die Paßhöhe
etwas nördlich von ihrem tiefsten Punkte nach ^k 3
Uhr. Sechs Stunden hatte uns der Anstieg mit Abzug
aller Pausen gekostet.
Sofort legten wir unser sämmtliches GepKck nieder
und erstiegen, begünstigt durch vorzüglich festes Ge-
stein, die noch 100°* den Paß übeiTagende Spitze
3043«, die Cima da Splug Ziegler's , in 20 Min. Der
Weg bot keine nennenswerthe Schwierigkeit, erforderte
aber ziemlich scharfes Klettern durch ein Gewin»
riesiger Tafeln hindurch und über schmale Simse.
Wir mußten, nachdem wir dem langen Sattel der
Fuorcla so weit als möglich nach Norden gefolgt
▼aren, an dem in's Vallone gehenden Abstürze unter
dem Gipfel vorbeitraversiren und gewannen diesen
«chließlich von Nordwesten her.
Diese Spitze ist aller Wahrscheinlichkeit nach
«bensö wenig jemals vorher betreten worden, wie
die übiigen Punkte des Hauptkammes der Bacone-
kette zwischen dem Casnilegletscher und dem Piz
Mortaira. Erkundigungen, welche wir von Jägern in
16
242 Th. Curtim.
Vicosoprano und Casaccia eingezogen haben, bestätigen
dieses. Die Gemsjäger betreten nur ungern den West-
abhang des Bacone, weil das getroffene Wild in jenen
meist unzugänglichen Wildnissen unwiederbringlich
verloren ist , wenn es nicht auf der Stelle liegen
bleibt. Man erzählte uns unter Anderem, daß vor
Jahren ein Jäger dort herumgestiegen sei und erst
nach vier Tagen einen Rückweg gefunden habe. In
Casaccia hörten wir zu unserem Erstaunen, daß der
Piz Bacone schon früher von einem Jäger erstiegen
worden sei. Als Klucker den Mann selbst darüber
befragte, erzählte er, daß er auf der Jagd durch das
Val del Bacone einmal bis unter den Gletscher vor-
gedrungen sei, und lächelte so lange ungläubig, bis
wir ihm unsere verschiedenen Steinmänner zeigten.
Als wir die Cima da Splug eiTcichten, trieben
die Wolken glücklicherweise noch in solcher Höhe,
daß wir uns orientiren konnten. Der Gipfel dominirt
den Hauptgrat in seinem weiteren Verlaufe nach
Norden vollkommen. Er sowohl wie sein Nachbar
3026™ steigt aus dem Kamme als spitziger, steiler
Kegel auf. Die Lage beider findet sich auf dem Blatt
des topographischen Atlasses sehr genau wieder-
gegeben. Nur die Spitze 3026"* kann von einem
Theile des Silser See's aus gesehen werden.
Sturm und Nebel nahmen jetzt mit erhöhter
Schnelligkeit überhand. Die Cima del Largo stak
schon in dichten schwarzen Wolken. Wir beeilten
uns daher, sobald ein kleiner, schwer anzubringender
Steinmann hergestellt war, auf die Fuorcla zurück-
zukehren, und hielten dort im Schneegestöber ein ver-
Aus der Gruppe des Bacone, 243
spätetes Mittagsmahl. Noch einen Abschiedsblick warf
ich in den Schlund^ dem wir entstiegen, noch einmal
schüttelt Klucker gegen „dem Satan" drohend die
Faust, dann wurde in einem Eilmarsch von 2 Stunden
und 45 Min. über „die Mauer" und Cavloccio Ma-
loggia Kulm erreicht.
Zeitangaben,
Ab Casaccia ... 8 Uhr — Min.
An Rand des Vallone 9 „ 48 „
„ Fuorcla ... 2 „ 39 „
„ Spitze 3043°» . 2 „ 59 „
Ab Fuorcla ... 4 „ 10 „
An Maloggia ... 6 „ 55 „
Summa der Pausen: 2 Stunden.
Marschzeit: 8 Stunden 55 Minuten.
Ein anderer Weg, der von dem oben beschriebenen
wesentlich verschieden ist, würde sich namentlich
nach einem schneereichen Winter durch das Vallone
clel Largo zur Fuorcla empfehlen, wenn die Gefahr
der Steinschläge dort nicht so groß wäre. Man würde
den unteren Theil des Vallone von der Poststraße
aus direct hinansteigen , auf Lawinenschnee an der
Südseite der Schlucht über die hier weniger steilen
Flühe hinaufgelangen und von dort, sich stets rechts
haltend, unter dem Nordabsturz der Cima vorbei die
Fuorcla erreichen. Auf diesem Wege befindet man
sich allerdings vier Stunden in der Hauptschußlinie
der Cima, wird aber nirgends den Schwierigkeiten
begegnen, welche wir an den glatten Felswänden auf
der nördlichen Thalseite zu überwinden hatten.
i
244 Th, Gurtius, Aus der Gruppe des Bacone,
So hatten wir nun auch die letzte Seite , die
schmale Westkante des höchsten Gipfels der Cima
del Largo, überblickt, und es erschien sehr zweifel-
haft, ob an ihr ein Hinaufkommen möglich ist. Da-
gegen kann man wahrscheinlich von der obersten
Terrasse des Vallone aus, vorausgesetzt, daß die Felsen
vollkommen schneefrei sind, an dem Nordabsturz des
Berges in die Scharte zwischen dem höchsten Gipfel
und seiner westlichen Nachbarzacke gelangen. Bei
dem brüchigen Gestein und der außerordentlichen
Steilheit der Wand wird dieser Weg aber mit Schwie-
rigkeit und Gefahren verknüpft sein.
„Wenn das Ding da oben wirklich so wacklig
ist," meinte ein Freund Abends in der „Alpenrose",
„warum habt ihr es nicht einfach umgeworfen und
seid dann hinaufgestiegen?''
Die Aiguilles d'Arve und die Aiguille de Golfen.
Von
Prof. Dr. K. Schulz in Leipzig (Section St. Gallen).
Bei St. Jean-de-Maurienne an der Mont-Cenis-Bahn
erheben sich die Ausläufer eines Gebirgszugs, der sich
direct südlich nach La Grave erstreckt und eine Pa-
rallele zu der westlich gelegenen Kette der Grandes
Rousses bildet. In geringer Entfernung nach Osten
und ebenfalls völlig parallel mit ihm verbindet die
über den Col Galibier von St. Michel nach dem Hospice
du Lautaret führende Straße das Thal des Are mit
dem der Romanche. Im südlichen Theil jenes Gebirgs-
zugs erheben sich drei abenteuerliche, spitze Fels-
gestalten, die Aiguilles d'Arve. *) Die mittlere erreicht
eine Höhe von 3514™. Direct südlich und in geringer
Entfernung von ihnen beherrscht die Aiguille de Gol^on
(3429"') weithin das Thal der Romanche.
Der letztere Gipfel ist schon frühzeitig bestiegen
0 Vergl. Altmeister G. Stnder's prächtiges Panorama:
Aussicht vom Col d'Arves (Maurienne). Farbendruck. Bei-
gabe zum 9. Jahrg. dieses Jahrbuchs.
246 K. Schulz,
worden, das mächtige, auf ihm errichtete Steinsignal
diente bei der trigonometrischen Vermessung für die
Generalstabskarte und stammt jedenfalls bereits aus
der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts. Die Aigoilles
d'Arve dagegen sind, wenigstens für die Alpenfreunde,
erst 1864 von Whymper, Moore und Walker, man darf
wohl sagen, entdeckt worden, entdeckt und als — uner-
steiglich scheu gemieden und umgangen. Nach Joanne's
Reisebuch ^) zwar sollten die Nadeln verschiedene Male
erstiegen sein 2), und eine von ihnen, wohl die mittlere,
war als verhältnismäßig zugänglich bezeichnet worden.
Aber es ruhte auf diesen Besteigungen ein mystisches
Dunkel, und bei der Betrachtung der „verhältniß-
mäßig zugänglichen'^ Nadel zuckte der berühmte
Michel Croz mit den Schultern und sagte: „Wahr-
haftig, Sie thun am besten, wenn Sie die Sache Andern
tiberlassen." Christian Almer sprach mehr und endete
mit der Erklärung, daß er nicht mitgehen werde,
wenn man ihm auch tausend Franken biete ^). Es
bedurfte einer Zeit von 20 Jahren und der großen
Fortschritte, welche die Technik des Bergsteigens in
dieser gemacht hat, um auch die drei Felsnadeln
von Arve, eine nach der andern, von dem unermüd-
lichen und ausgezeichneten Mitglied des Alpine Club
W. A. B. Coolidge und seinen tapferen Schweizer-
führern, Christian Almer Vater und Sohn, erobern
1) Itin^raire du Dauphin6. 2 vols. Paris 1862—1863.
Eine neue Auflage erschien unter verändertem Titel 1877.
2) Vergl. S. 247, Note 2.
') Whymper, Berg- und Gletscherfahrten. Deutsch von
Steger, S. 220.
Die Aiguüles d'Arve und die Aiguille de Goleon. 247
za lassen. Nach den reizvollen und liebenswürdigen
Scbildernngen von Coolidge haben aber auch die drei
einsamen Felsjnngfrauen eine dauernde Eroberung an
ihm gemacht. Mit einer bei einem Engländer staunens-
werthen Offenherzigkeit verräth er uns: „Ces mon-
tagnes m'ont tellement int^ress^ que j'y suis revenu
bien des fois, et s'il se passe un 6te sans que je
parcours les environs de ces fiöres sommit^s, j'ai le
mal du payS; ou plutot le mal des Aiguilles.^ Und
an anderer Stelle: ^La visite de ce pays est devenue
pour moi une n6cessite de Texistence, et je ne puis
m'en dispenser.''
Am 10. Juli 1874 erstieg Coolidge mit Christian
Almer senior und Peter Michel junior aus Grindel-
wald die mittlere Nadel , ohne Schwierigkeiten zu
finden. Sie erreichten die Basis der nördlichen Seite
des Berges und stiegen über leichte Felsen und dann
durch ein Schneecouloir zu dem östlichen Grat empor.
Sie verfolgten den Grat einige Minuten und betraten
dann die Südseite des Berges. Auf dieser und auf
dem Ostgrat selbst, den sie mehrere Male eine Strecke
weit verfolgten, erreichten sie den Gipfel. ^) Zu ihrem
großen Erstaunen fanden sie auf demselben einen Stein-
mann. Er rührte wahrscheinlich von dem Gemsjäger
Savoie aus Valloire her, von dem die Leute erzählt
batten, daß er eine der Nadeln erstiegen habe. Diesem
gebührt also die erste Ersteigung. ^) Almer bemerkte
*) Alpine Journal Vm, p. 70.
^) lieber die Zeit und die näheren Umstände derselben
ist bis jetzt nichts bekannt geworden. Bei meinem Auf-
enthalt in Valloire konnte ich Savoie, der eine halbe Stunde
248 K. S<^ulz.
auf einem Schneeflecken an der Südseite des Gipfel»
Spuren von Gemsen, die jedenfalls zu den ^Hoeh-
alpinisten^ ihres Geschlechts zu rechnen sind.
Die südliche Felsnadel und der höchste Gipfel
der nördlichen wurden von Ooolidge mit ^en beiden
Almer am 22. und 23. Juli 1878 erstiegen. ^)
entfernt vom Dorfe wohnt, nicht sprechen. Ich halte jedoch
die erste Ersteigung durch Savoie für besser beglaubigt, als
die angebliche Besteigung durch einen Herrn Magnin im
September 1839, über welche die Seetion de Maurienne
C. A. F. einen phantastisch ausgeschmückten Bericht rer-
öffentlicht hat. Vergl. Annuaire de la Society des Tonristes
du Dauphine N<* 8, p. 147. Ich glaube nicht, daß ein kleiner
Steinmann auf dem schmalen, dem Blitzschlag und Wetter
sehr ausgesetzten Gipfelgrat von 1839 bis 1874 sich hätte
erhalten können. Auch über die angeblieh von dem Gems-
Jäger C^lestin Bellet von Entraigues mit dem Pfarrer dieses
Ortes ausgeführte Besteigung existiren keine zuverlässigen
Angaben. (Vergl. Annuaire C. A. F. I, p. 179.) Der Kath
jedoch , den die beiden Söhne Bellet's Coolid^r^ am 3. Juli
1873 gaben (vergl. Alpine Journal Vni. p. 68), die AiguiUe
centrale auf ihrer Südseite anzugreifen, weist darauf hui,
daß sie die zugänglichste Seite richtig erkannt hatten, und
macht eine stattgehabte Besteigung seitens der Bellet wahr-
scheinlich. Die dritte beglaubigte Besteigung führten am
31. Juli 1876 die Herren Vaccarone, Balduino und Costa mit
den Führern Castagneri und Bugiatto aus. (Bollettino del
C. A. I. Anno 1877, p. 172.) Weitere Besteigungen finde ich
berichtet von Herrn Benoist mit dem Führer Pierre Gaspard,.
fils, am 26. Juli 1880 (3'"<» bulletin de la section Lyonnaise
C. A. F. 1881, p. 53) und von den Herren Barale, Briner^
Fierz und Hatz mit dem Führer Castagneri am 15. August
1881 (Bollettino C. A, I. Anno 1882, p. 261).
^) Annuaire C. A. F. 5« annee 1878 , p. 177 , Alpine
Journal IX, p. 95—96. Von der südlichen Nadel sind ferner
Die AiguiUes d'Arve und die Aiguille de Goleon. 249
Die Umwohner benennen die mittlere Nadel wohl
auch Gros-Jean, die südliche Jean-Jean, die nördliche
Petit-Jean. Joanne erwähnt auch noch die Namen
„les Trois'-Ellions de la Grave'^ und ,,le8 Trois-
Juliens." Südlich wird die Gruppe der Aiguille»
d'Arve begrenzt vom Col Lombard , der zwischen
der südlichen Nadel und dem Bec de Grenier liegt^
nördlich vom Col des Sarrazins, der zwischen der
nördlichen Nadel und der Aiguille de TEpaisseur
eingeschnitten ist.*) Aber auch zwischen den Nadeln
^Ibst sind Uebergänge gemacht worden, man nennt
den zwischen der nördlichen und mittleren Nadel, der
größere Schwierigkeiten nicht bietet : Col des Aiguille»
d'Arve^), und den zwischen der mittleren und süd-
folgende Besteigungen berichtet: (2) Coolidge und F. Gar-
dinerniit den beiden Almer am 6. Juli 1880 (Annuaire S. T. D.^
N»8, p. 151), von J. Mathieu mit den Führern Gaspard pere
und Max. Gaspard am 23. Juli 1884, und von P. Rodet mit
den Führern A. Pic und I*. Faüre am 1. August 1884 (An-
nnaire /S. T. D., N" 10, p. 60—61). An der nördlichen Nadel
erreichten den niedrigeren südlichen Gipfel zuerst Miß Brevoort
nad Coolidge mit Christian Almer am 3. Juli 1873 (Alpine
Journal VI, p. 290, und VIII, p. 65), sodann gelangte F.Perrio
mit den Führern Bellet und Moliere nur an den Fuß des
niedrigeren Gipfelthurms (Annuaire S. T. D. , N<» 2, p. 98).
Itach Coolidge hat eine weitere Besteigung bis zu der unsrigen
nicht stattgefunden. Ueber eine Ersteigung durch Bellet
(Annuaire C. A. F. I, p. 179) existiren keine sicheren An-
gaben.
0 1877 durch Coolidge von Rieublanc nach Valloire über-
schritten. Annuaire S. T. D., N» 8, p. 149.
•) Am 21. Juni 1864 von Moore, Walker und Whymper
zum ersten Male überschritten. Whymper, Berg- und Gletscher-
fahrten, S. 221.
250 K, Schulz,
liehen : Col de Gros-Jean. Er bietet auf der Ostseite
bedeutende Schwierigkeiten, seine üeberschreitung ist
nur ein Mal erzwungen worden. ^)
Diese Ersteigungsgeschichte hatte ich mir sorg-
fältig in Excerpten skizzirt, als am 19. Juli 1885
Herr L. Purtscheller aus Salzburg, Herr Prof. Keller-
bauer aus Chemnitz und ich von St. Michel (Auf-
bruch früh 4 Uhr 30 Min.) über einen Bergrücken
(Col de Valloire) mit einem Tunnel und mit schöner
Aussicht auf die Aiguilles d'Arve nach Valloire wan-
derten. In der guten Wirthschaft des Herrn Assier
machten wir einen Halt und setzten dann unseren
Weg das Thal entlang fort. Bei dem Weiler la Ra-
vine schlugen wir den rechts abbiegenden Weg ein
und erreichten die auf den linksseitigen Abhängen
des Vallon des Aiguilles d'Arve gelegenen Alphütten
au Commandraut um 12 Uhr. Auf der vorletzten Gruppe
von Sennhütten trafen wir die Besitzerin Frau Jeanne
Rosalie Falcoz mit dem als Schäfer dienenden Knaben
Fran9ois Roche. Sie behüteten da 15 Kühe und eine
Anzahl Schafe und nahmen uns freundlich zum Nacht-
quartier auf dem Heuboden auf. Den ganzen Nach-
mittag des 19. Juli regnete es, worüber wir recht
verstimmt wurden, als uns Frau Falcoz sagte, es sei
dies nach sechs Wochen der erste Regen. Zur Feuer-
ung wurde auf der Sennhütte getrockneter Kuhmist
verwendet, da es auf eine ziemliche Entfernung hin
*) Am 4. Juli 1882 von Coolidge mit den beiden Almer
in der Richtnngvon Valloire nach Rieublanc. AnnuaireS.T.D.,
N" 8, p. 154.
Die Aiguilles d'Arve und die Aiguille de GoUon, 251
kein Holz gibt. Er heizte ganz gut, machte aber einen
widerlichen Qualm.
Am Montag den 20. Juli herrschte früh um 1 Uhr
"der dichteste Nebel. Trotzdem brachen wir um 2 Uhr
50 Min. auf und verfolgten den schmalen Fußpfad
auf der linken Thalwand in der Richtung nach dem
hier sichtbaren südlichen und mittleren Gipfel der
Felsnadeln von Arve. Zu unserer Linken begrenzte
das Thal ein langgestreckter Felsrticken : Les Trois
Pointes des Aiguilles. In eigenthümlich gebogenen
Schichten von schieferigem Sandstein aufgerichtet, er-
strecken sie sich direct von Ost nach West, die drei
Spitzen erheben sich nur wenig aus dem Grat. West-
lich schließt sich an sie die Pointe de TArgenti^re
(3240™) an^), von dieser zieht ein langgestreckter
Felsrticken zur südlichen Aiguille d' Arve. hin. lieber
die Depression dieses Rückens führt der Col des
Trois Pointes in das Thal mit dem Glacier Lombard
(Valien de Gol6on) , welches nach La Grave ^) hin-
unterzieht. An den Abhängen der Trois Pointes lagerte
uoch vielfach Schnee.
*) Die erste Ersteigung wurde von CooUdge mit Christian
Almer Vater und Sohn am 2. Juli 1883 vom CqI de Goleon
her ausgeführt. Alpine Journal XI, p. 346. Coolidge identificirt
den Berg mit der westlichsten Spitze der Trois Pointes des
Aiguilles. Das ist nach der französischen Generalstabskarte
nicht richtig. Oestlich von dem Gipfel 3240™ liegen noch
drei Erhebungen , obwohl eine davon allerdings ganz unbe-
deutend ist. Auf diese beschränkt sich der Name: Trois
Pointes des Aiguilles.
*) Gleichfalls von Coolidge mit den beiden Almer zuerst
überschritten am 23. Juni 1876. Alpine Journal VIII, p. 78.
252 K. Schuh.
Der linkseitige Thalhang wird von mehreren Thal-
furchen durchschnitten , in denen Bäche von der Ai-
gnille de TEpaisseur her sich ergossen. Wir erreichten
den Kessel am Fuße der Aiguilles d' Arve und konnten
diese nun alle drei tiberblicken. Von dem mit brüchigem
Schiefer bedeckten Kessel, in dem sich ein kleiner
See befand, stiegen wir auf grünen Hängen mit der
üppigsten und entzückendsten Alpenflora, namentlich
Viola alpina, Kigritella nigra, besonders auch in ihrer
hochrothen Varietät, und Gentiana acaulis in ver-
schwenderischer Fülle , in der Richtung nach der
mittleren Nadel zu empor. Zu unserer Rechten lagerten
mächtige Felsblöcke. Um 4 Uhr 45 Min. hielten
wir eine längere Rast. Der dabei gefaßte Plan ging
dahin , zuerst die nördliche Nadel zu ersteigen und
dann wo möglich am gleichen Tage auch noch die
mittlere auf ihrer Nordseite zu versuchen.
Die entbehrlichen Sachen wurden unter einem
Felsblock geborgen, nach einstündigem Aufenthalt
ging es über Moränenschutt empor und der Anfang
des zum Col des Trois Aiguilles leitenden Schnee-
feldes wurde 6 Uhr 45 Min. erreicht. Schon seit
einiger Zeit hatte sich der Nebel verzogen , und es
war das schönste Wetter. Nach Traversirung des
Schneefeldes , auf dem nur zwei schmale Spalten auf-
traten, gelangten wir um 7 tfhr 10 Min. auf die Höhe
des Col und weideten uns an der entzückenden Aus-
sicht auf die Berge des Dauphin^ , namentlich die
prachtvolle Kette der Meije und die herrliche Fels-
krone der strahlenden Königin Barre des Ecrins.
Direct vor uns lagen die grünen Weidehänge von
Die Äiguilles d'Arve und die Aiguille de GoUon, 258
Rieublanc. Der erste Blick auf die nördliche Nadel
zeigte uns das breite Couloir, welches den früheren
Partien zum Aufstieg gedient hatte. 7 Uhr 25 Min.
brachen wir nach demselben auf; es hatte dieses
Jahr wenig Schnee und wurde rasch erstiegen. Wir
gelangten auf Felsbänder und traversirten eine ziem-
liche Strecke zu unserer Rechten hin in nördlicher
Richtung. Dann stiegen wir nach links aufwärts über
«teile Platten und gelangten en den mächtigen, tiefen
Einschnitt , der zwischen den beiden Gipfelzacken
nach Osten hinabzieht und den ganzen Berg zu trennen
scheint. Links über uns befand sich der einst zuerst
erstiegene niedrigere Gipfel mit seinem Steinmännchen,
üeber steile und glatte Platten, in denen nur dünne
Ritzen etwas Halt boten, traversirten wir in den Ein-
schnitt hinein. Er war hier eng und tief. Um aus ihm
hinaus auf die Wand des höchsten Gipfels zu ge-
langen, mußte ein hoher Absatz gewonnen werden,
auf den Purtscheller zuerat hinaufkletterte. Wir folgten,
von ihm durch das Seil unterstützt. Wir kletterten
dann auf einem schmalen, nach rechts in die Höhe
ziehenden Band empor. Links befand sich eine Ein-
kerbung, ein augenscheinlich auf die Westseite des
Berges ftlhrender kleiner Col. Einen Versuch, direct
in die Höhe zu klettern, mußte Purtscheller aufgeben.
So kletterten wir nach dem Einschnitt hin und ent-
deckten dort schmale, aber gut zu begehende Fels-
bänder, üeber diese Bänder traversirten wir auf die
Westseite des Berges hinaus, der hier in furchtbarer
Steilheit und in gewaltige Tiefe nach Rieublanc ab-
stürzt. Vom Col an hatten wir uns durch das Seil
254 K. Schulz,
verbunden. lieber steile Platten ging es dann direct
in die Höhe und um 9 Uhr ertönte der Jubelruf des^
vorauskletternden Purtscheller : Hier ist der Steinmann,
wir sind auf dem Gipfel! An einigen Stellen der
letzten Felsen hatte dünner Eisüberzug , was die
französischen Alpinisten „Verglas" nennen, die drin-
gendste Vorsicht erheischt.
Der Gipfel ist eine scharf zugespitzte Pyramide,
deren Höhe mit 3416°» angegeben wird.^) Auf dem
Gestein fanden sich gelbrothe, grüne und schwarze
Flechten, auch zahlreiche Spuren von Blitzen, die dem
Steinmann arg zugesetzt hatten. Die Flasche war zer-
schlagen, aber wir fanden Coolidge's Karte zwischen
den Steinen und bargen sie mit den unsrigen wieder
sorgfältig in einen Flaschenrest.
Der ganze Berg besteht ebenso wie die beiden
andern Aiguilles d'Arve aus einem sehr merkwürdigen
und auffallenden Trümmergestein, Sandstein und Brec-
cien mit eckigen Bestandtheilen, sowie auch Conglo-
merat mit abgerundeten Trümmern. Die von mir
vom Gipfel mitgenommenen Gesteinstücke sind nach
der Bestimmung eines Sachkundigen Breccie mit sehr
verschiedenartigen Bestandtheilen. Sie haben dadurch
ein besonderes Interesse, daß sie durch Blitzschlag
stellenweise angeschmolzen sind. Die dadurch ent-
standene Glasmasse enthält zahlreiche mit der Lupe
0 So Ferrand et Chabrand, Orographie da Dauphinei.
Grenoble 1883, p. 23 (auch im Annuaire S. T. D. N« 8, p. 67).
Die Angabe beruht wohl auf einer Schätzung, da die fran-
zösische Generalstabskarte weder eine Höhencote noch den
Gipfel überhaupt eingezeichnet hat.
Die Äiguüles d'Ärve und die ÄiguiUe d^ Goleon, 25&
erkennbare Luftporen. Ein aus dem Einschnitt zwischen
den beiden Gipfelzacken mitgenommenes HandstUck
enthält sehr grobe Bruchstücke, namentlich schwarzeu
Kalkstein, durch dessen Auslaugung Vertiefungen ent-
standen sind, und Hornstein, der von dem kohlensaure*
haltigen Wasser nicht angegriffen werden konnte.^
Die tiefschwarzen, oft ziemlich großen Stücke Kalk-^
stein, in dem in seiner Grundfarbe gelben Gestein,,
gewähren einen sehr merkwürdigen Anblick. *)
*) Ch. Lory schildert in seinem sehr selten gewordener!
geschätzten Buche: „Description geologique du Dauphin6**
(3 Vols., Paris 1860-64), § 271, die Aiguilles d'Arve folgender-
maßen: „Ces aignilles si remarquables . . . sont formöes
d'nne röche particuliere , dont on trouve beaucoup deblocs,.
entraines par les glaciers, dans le vallon de Goleoa. C'est
un conglom^rat grossier, compos6 de galets roul^s de roches
tres-diverses et d'un sable granitique, agglutines par du car-
bonate de chaux. Parmi ces galets, on distingue plusieurs
Tarietes de granite ou de protogyne paraissant provenir de
la chaine de Belledonne ou du massif du Pelvoux, des gneiss
analogues ä ceux des memes montagnes ou des Grandes-
Rouases, des eurites, des porphyres verts, semblables aux:
gres ä anthracite de l'Oisans; enfin, beaucoup de calcairea
noirs ou d'un gris fonc^, contenant souvent des d^bris d'en-
crines et d'autres fossiles raarins ... Le poudingue des
Aiguilles d'Arve est donc bien un d6p6t posterieur aux cal-
eaires du lias sur lesquels il s'appuie du c6t6 de l'ouest, et
compos6, en partie, de d^bris de ces calcaires. C'est un bano
de galets accumul6s par la mer, sur un rivage que formaient
les calcaires du lias, dejä 6merg6s, ä une epoque oü les sou-
levements alpins avaient dejä fait apparaitre, par des dis-
locations considerables, presque toutes les roches que nou»
voyons affleurer aiyourd'hui dans l'Oisans et le Brian^onnais.
Ainsi, par sa composition meme, on peut pr^juger que le pou-
256
K, Schulz,
l
Die Aussicht war gewaltig und schön, sie ul
Mont-Blanc, Walliser und Grajische Alpen, aber
wieder wandten sich unsere Augen nach den für
neuen Bergen des Dauphin^. Ein Abstieg nach
schien vom Gipfel aus auf eine lange Strecke mög\
«ein. Auf der Ostseite freilich umsäumten den Fi
Pyramide, wie ich beim Aufstieg auf den Ool b<
hatte, abgeschnittene Wände. Auch der nach äe\
^es Sarrazins hinunter ziehende Grat war b<
ersten Besichtigungen zur Ersteigung des Berg<
hoffnungslos aufgegeben worden. Da iudeß ein
weg zum Gipfel bei den kleinen Dimensionen
Berges uns nicht allzu viel Zeit gekostet hätte,
schlössen wir, den Abstieg nach Norden zu versui
Wir stiegen in direkter Richtung nach dem
des Sarrazins auf gutem Terrain etwa 25 bis 30
lang ab, dann kamen vor dem Col steile Abstt
die uns zwangen, auf stark geneigtem Abhang
zum Theil schlechten Platten nach rechts zu tral
fiiren. Eine Fülle prächtigster Blumen entsproß
«dem rauhen Felsen, Androsace Wulfeniana mit ii
prächtigen Polstern, die kleine tiefblaue Genl
{G. brachyphylla) und besonders tippig und kräftij
großen gelben Blumen Aronicum Doronicum (<
€lusii). Das Aronicum wird in vielen Alpengegenden
den Bewohnern „Gemswurz" genannt und man sehn
dem weichhaarigen Kraut die Kraft zu, den Gern«
ihre volle Schwindelfreiheit zu verleihen. Da
dingue des Aiguilles d'Arve appai'tient ä une formatlon
logiqiie plus ri&eente qua tous las autres terrains de cel
region.**
I
i
nl
■
Die Aiguilles d'Ärve und die Aiguille de Goleon. 257
Terrain immer schlechter wurde, hätten wir recht gut
die Probe machen können, ob die Pflanze ihre heil-
«ame Kraft auch bei Menschen ausübt. Wir waren
wohl 20 Minuten lang traversirt und suchten nun
über den Absturz der Nord-Ost-Kante des Berges
seinen Fuß zu erreichen. Wir hatten etwa drei Viertel
der Pyramide tiberwunden und gelangten an einen
tiefen Riß, der oft nur einen Meter breit, aber viele
Meter tief den untern Absatz des Berges in der Rich-
tung von Norden nach Süden zerreißt. In den Riß
führte eine glatte, 3 bis 4 Meter hohe Wand hinab,
über welche wir uns am Seil hinunterließen und den
Spalt überschritten. Das Seil blieb zunächst für den
etwa nöthig werdenden Rückweg hängen. Im Riß ent-
weder nach Norden oder Süden weiter zu kletteni,
erwies sich als nicht möglich. So gingen wir jenseits
des Risses ein Stück nach links weiter und gelangten
wieder an eine steile, mehrere Meter hohe Wand.
Zu ihrer Ueberwindung brauchten wir das Seil und
wir mußten uns jetzt entscheiden — ob Rückzug
oder Durchsetzen des Abstiegs. Purtscheller war ent-
schieden für das Letztere. So wurde das Seil oben
abgeschleudert und mit ihm auch die untere Wand
passirt. Ein schmales abschüssiges Band war recht
schwer zu passiren, ganz besonders für den Letzten,
Purtscheller, den wir nur mangelhaft unterstützen
konnten. Wir waren jetzt auf einen geräumigen, mehrere
Meter breiten Vorsprung gelangt und machten hier
einen Halt. Wir aßen etwas, für die Stillung • des
brennenden Durstes fand sich aber nirgends Wasser.
Bei dem Klettern in den Felsen war es fast unter
17
258 K, Schulz,
jedem Griffe der Hand von kleinen Wesen lebendig-
geworden, unendliche Mengen von Gletscherflöhen
hüpften umher; ich hatte sie wohl schon auf dem
Schnee, aber noch niemals in den Felsen so zahlreich
beobachtet.
Jetzt handelte es sich darum, wie von unserer
Bastion hinunter nach dem Col gelangen. Der Rück-
weg nach oben war uns so gut wie verschlossen.
Purtscheller glaubte erst, direct nach Osten absteigen
KU können, aber da war der Absturz zu steil und
noch so hoch, daß auch ein doppeltes Gletscherseil
nicht gereicht hätte, lieber ein Gesimse an der
Platte, auf der wir standen, war der Blick nach
Norden frei, dort mußte unser einziger Ausweg sein.
Purtscheller kletterte zur Recognoscirung hinaus und
rief bald erfreut zurück: „Kommen Sie, es geht!*^
Wir kletterten hinaus und standen an der Fortsetzung
des oben geschilderten mächtigen Risses über seiner sich
verbreiternden Ausmündung, die gerade auf den Col
des Sarrazins wenige Meter unter seiner Höhe auf der
Seite nach Valloire ausmündet. Ueber eine steile Wand,
an der sich aber überall Tritte und Griffe fanden, kletterte
zuerst ich am Seil hinab auf die Sohle des Ein-
schnittes, die mit glattem Eis ausgekleidet war. Auf
einigen schnell gehauenen Stufen überschritt ich das
Eis und stieg dann an den Felsen der linken Seit«
hinunter, soweit unser 25 Meter langes Seil reichte.
Dann band ich mich mit einem frohen Jauchzer los
und ging auf den mit losen dünnen Schieferplatten
bedeckten Col hinaus. Es folgte Kellerbauer, von
Purtscheller am Seil gehalten, dann der Letztere selbst
Die Aiguilles d'Arve und die Aiguille de Goleon, 259
an dem um einen Felszacken geschlungenen und doppelt
gefaßten Seil, welches auf der Passage zweimal neu
zu befestigen war. Um 12 Uhr 10 Minuten standen wir
alle auf dem Col. So bequem und schön drei Viertel
des Abstieges waren, so schwierig und mühsam war
das letzte Viertel. Der Weg dürfte sich daher kaum
zur Nachahmung empfehlen.
Vergnügt trollten wir über Schutt und Schnee
nach dem Vallon des Aiguilles d'Arve zu hinab, hielten
uns jedoch bald rechts, um wieder den Col des Ai-
guilles zu gewinnen und bei dem andauernden präch-
tigen Wetter auch die mittlere Felsnadel noch zu
besteigen. 12 Uhr 30 Minuten machten wir auf den
Felsplatten unter dem Gletscher, am ersten klaren
Bäehlein, eine halbstündige Mittagsrast. Wir marschirten
wieder Über den Schnee hinauf, querten unsere Spur
vom Morgen und erreichten die Höhe des Bergschrundes,
von welchem der Fuß der mittleren Nadel umsäumt
ist, um 1 Uhr 40 Minuten. Wir befanden uns etwa
in der Mitte an ihrer nördlichen Basis und beriethen
uns über die beste Anstiegsroute. Drei unten mit
Schnee ausgefüllte Couloirs führten in die Felsen
hinein. In dem zur Linken schien oben eine über-
hängende Stelle Schwierigkeiten zu machen, an dem
mittleren zogen sich sehr steile Hänge empor, in dem
am wenigsten entwickelten Couloir zur Rechten war
auch nur wenig Schnee, und sehr tiefe Felsrisse ließen
dort härteste Arbeit erwarten. Schon wollten wir in
der Mitte anpacken, als ich links unter dem östlichsten
Couloir Tritte im Schnee zu bemerken glaubte. Wir
steuerten an der Schneewand nach links hin aufsteigend
260 K, Schulz.
auf sie zu^ konnten uns aber nicht darüber entscheiden,
ob es Tritte von Menschen oder Gemsen seien. Nach
den von mir gemachten Notizen war wahrscheinlich
Coolidge hier aufgestiegen und wir beschlossen, hier
nun unser Glück «u versuchen. 2 Uhr 30 Min. be-
traten wir die Felsen an dem östlichsten Couloir,
stiegen dann in dasselbe hinein und erkletterten es
unter großen Schwierigkeiten namentlich an einer
steilen ganz vereisten Stelle, die Purtscheller mit
großer Bravour als Erster überwand, worauf er uns
am Seil nachkommen ließ. Bald war die langgestreckte
und ausgedehnte Ostkaute des Berges erreicht. Etwa
15 bis 20 Min. kletterten wir in ihrer Richtung
fort. Sie ist kein entwickelter scharfer Grat, sondern
breite, terrassenförmige Felsstufen ziehen sich auf
ihr empor, an denen wir im Zickzack aufstiegen,
lieber ein deutlich erkennbares Felsband, welches ab-
gesehen von einigen schlechten Stellen leicht zu passiren
war, traversirten wir dann in die Südwand oder
richtiger Südostwand des Berges hinein. Jetzt gewahrten
wir den Gipel des Berges, der sich mächtig und
erdrückend vor uns aufbaute und von hier gesehen
einen ganz gewaltigen Eindruck macht. Wir gelangten
an ein langes, direkt zu dem Gletscher zwischen der
mittleren und südlichen Felsnadel hinunterziehendes
Couloir, welches mit einem schmalen Schneestreifen
ausgefüllt war. Wir überschritten es an seiner oberen
Ausmündung und setzten unseren Weg auf der Sud-
elst wand immer in ihren obersten Theilen nahe am
Ansatz der Nord wand fort. Um 4 Uhr 10 Min. ge-
langten wir an einen sehr charakteristischen tiefen
Die Aiguilles d'Ärve und die Aiguüle de GoUon, 261
Einschnitt vor dem letzten Gipfel. Von hier aus hielten
wir uns etwas rechts und gingen über Bänder eine
kurze Strecke auf die Nordwand des Berges hinüber^
wo aber sehr große, glatte Platten, deren Risse man
aufsuchen mußte, den Anstieg erschwerten. Auch hier
läßt sich nicht wohl von einem entwickelten Ostgrat
des Berges sprechen, sondern breite Felsstufen ver-
binden in sehr unregelmässiger Formation die Nord-
(resp. Nordost-) und Süd- (resp. Südost-) Seite des
Berges.
Purtscheller kletterte hier voraus und entschwand
unseren Blicken. lieber einen hohen Absatz wollte
ich direkt hinaufklettern, aber an einer steilen Stelle
fühlte ich, daß ich nicht die volle und sichere Herr-
schaft über meine Bewegungen behalten würde. Der
zur Unterstützung herbeigerufene Kellerbauer war in
einem Kamin neben mir engagirt und konnte mir nicht
helfen. Statt die gewagten Aufzüge zu machen, die
ohne Unterstützung vielleicht gelungen wären, vielleicht
auch nicht, kletterte ich herab und merkte nun, daß
die Stelle leicht nach links umgangen werden konnte,
wie dies auch Purtscheller gethan hatte, der bereits
— es war 4 Uhr 45 Min. — auf dem Gipfel ange-
langt war und zu uns herunter rief. Schnell ging es
jetzt ohne weitere Schwierigkeiten empor. Vor dem
aus mächtigen Blöcken bestehenden und von Nord nach
Süd verlaufenden schmalen Gipfelgrat mußte man noch
durch einen tiefen, engen Spalt klettern, und um 5 Uhr
hatten auch wir den Gipfel erreicht und erfreuten
uns an der reinen und schönen Aussicht, die noch
etwas ausgedehnter als die von der nördlichen Nadel
262 K, Schulz,
war Auch an diesem Berg trafen wir in den Felsen
große Mengen von Gletscherflöhen. Purtscheller hatte
die Karten von Coolidge und der Partie Barale u. b. w.
gefunden, denen wir eine Karte mit den Notizen über
unseren Aufstieg beifügten. Ein vom Gipfel abge-
schlagenes Handstück erwies sich als Breccie; ein
von den lose unterliegenden Steinen mitgenommenes
Stückchen war dagegen ein feinkörniger Sandstein.
Sehr nahe in südlicher Richtung, aber durch einen
furchtbaren Abgrund von uns geschieden, erhob sich
anscheinend zu gleicher Höhe mit unserem Gipfel die
südliche, scharf zugespitzte Nadel mit ihrem Stein-
männchen. Die Generalstabskarte gibt die Höhe der
südlichen Nadel mit 3514, die der mittleren mit 3509™
an. Seit längerer Zeit behaupten Touristen und Führer,
namentlich auch Coolidge und Almer, auf Grund des
Augenscheins das umgekehrte Verhältniß und erachten
die mittlere für um mehrere Meter höher als die
südliche. So unsicher auch diese Schätzung nach dem
Augenschein ist, so hat sie sich doch in der tou-
ristischen Literatur eingebürgert (vergl. z. B. Ferrand
et Chabrand, Urographie a. a. 0.) und wird auch
in diesem Aufsatz unter Vorbehalt festgehalten. Ich
war von dem Ehrgeiz beseelt, diese Streitfrage zu
lösen, und hatte ein Horizontglas ^) mitgenommen,
welches nebst dem Fernrohr dem Aeltesten von uns
zur Bewahrung anvertraut worden war. Leider hatte
dieser beide Instrumente, ohne daß ich es bemerkt
*) Vergl. dieses Jahrbuch, 13. Jahrg., S. 306 und v. Richt-
hofen, Führer für Forschungsreisende. Berlin 1886, S. 20.
Die Äiguilles d'Ärve und die Aiguille de GoUon. 263
liatte, bei den ^entbehrlichen^ Sachen unter dem
Col zurückgelassen und nun half alles Jammern darüber
nichts. Die von mir angestellten Aneroidmessungen
erwiesen sich als werthlos, da es an festgemessenen
Punkten zur Vergleichung und Controle in dieser
Gegend gänzlich fehlt.
Die Sonne senkte sich tiefer und um 5 Uhr 25 Min.
brachen wir vom Gipfel auf. Wir benutzten beim
Abstieg ausschließlich die Südostwand des Berges
und hielten uns etwas tiefer auf ihr und weiter von
der Kante des Berges entfernt, als beim Aufstieg.
Der so beim Rückmarsch aufgefundene Weg war
entschieden besser, als der beim Aufstieg einge-
schlagene^ und bot vom Gipfel bis zum Gletscher hinab
nirgends nennenswerthe Schwierigkeiten. Bald stießen
wir wieder auf das beim Aufstieg erwähnte lange
Couloir, welches zu dem Gletscher an der südlichen
Nadel hinunterführt, mid überschritten es. Statt nun
in der Wand nach links weiter zu traversiren und
damit unseren Aufstieg zu verfolgen, beschlossen wir,
direkt zu dem im Süden unter uns lagernden Gletscher
abzusteigen. Trotzdem ich mich erinnerte, daß eine
Partie auf dieser Seite aufgestiegen sei, waren wir
nicht ohne Sorge, ob unten nicht abgeschnittene Wände
das Erreichen des Gletschers verhindern würden.
Wir stiegen auf den linksseitigen Felshängen an dem
Couloir ab Als wir etwa auf der Höhe des Col de
(rros-Jean angekommen waren, zeigte sich ein rechts
nach diesem hinlaufendes und auf eine längere Strecke
gut zu begehendes Felsband. Es war 6 Uhr 30 Min.
und die Nacht war in einer guten Stunde da. Ich
264 K, Schulz.
war daher gar nicht damit einverstanden, daß Part-
scheller das Band behufs einer Recognoscirung betrat,
ob sich nicht der Col und von diesem der Gletscher
erreichen lasse. Mir waren die Schwierigkeiten erinner-
lich, die Coolidge beim Passiren des Cols auf dieser
Seite gefunden hatte. In der That kehrte auch Part-
scheller nach 15 Min. zurück, das Band war weiter
hinten abgebrochen und der Col wäre wohl nur unter
den größten Schwierigkeiten zu erreichen gewesen.
Eiligst ging es jetzt an der Seite des Couloirs hinab,
um den zerklüfteten Gletscher noch bei Tageslicht
tiberschreiten zu können. Es ging über Erwarten gut,
statt des gefttrchteten Felsabsturzes trafen wir auf eine
zum Gletscher leitende Schneeflanke, auf der wir uns
anseilten. Mit rückwärts eingehauenem Pickel stiegen
wir über sie hinab, übersprangen den gutartigen Berg-
schrund und stürmten auf dem Gletscher vorwärts,
der uns bald ernstliche Hindernisse in seinen mäch-
tigen Spalten entgegensetzte. Bald rechts, bald links
mußte ausgewichen werden, eine sehr schmale Eiskante
passirten wir, da zum Stufenhauen keine Zeit mehr
war, rittlings. In fieberhafter Hast rangen wir mit
den Seracs; endlich gelang uns auf der rechten
Flanke des Gletschers der Durchmarsch. Gerade mit
Einbrechen der Dämmerung erreichten wir die Moraine
und gelangten noch auf den Weg hinaus in's Valien
des Aiguilles d'Arve. Die von uns am Morgen ab-
gelegten Sachen hatten wir der Zeitersparniß halber
nicht aufgesucht, so daß wir ohne Laterne waren.
In dunkler Nacht wurde der Weg öfters verloren,
dann wieder gefunden, schließlich erreichten wir nach
Die AiguiUes d'Arve und die Äiguille de GoUon, 265
vielem Sueben gegen 11 Uhr Abends die Sennhütte
der Frau Forclaz und pochten sie aus dem Schlafe^
Das Wetter war schön geblieben und so machten
wir uns am 21. Juli wieder auf die Wanderung, frei-
lich erst früh 5 Uhr 10 Min., da der vorhergehende
erste Tag unserer Campagne ein recht harter gewesen
war. Unser Plan war, auch die südliche Äiguille
d'Arve zu ersteigen. Ihr von Osten beizukommen^
hatte uns bei genauer Besichtigung unmöglich oder
doch unverhältnißmäßig schwer und gefährlich ge-
schienen. ■ Wir wollten daher das kleine Refuge am
Col Lombard aufsuchen, von dem aus die bisherigen
Besteigungen ausgeführt worden waren. Um dahin
zu gelangen, beschlossen wir, uns einen neuen Weg^
ober die langgestreckte Südostkante der südlichen
Nadel zu bahnen. Im Kessel am Fuße der Aiguillea^
aogelangt, ließen wir den Aufstieg zum Col des Trois
Pointes links liegen und stiegen wieder die Rasen-
hänge mit ihrer entzückenden Flora hinauf. Keller-
bauer, der Öfters zurtickblieb und den wir im Ver-
dacht hatten, daß er im Gehen schlief, war plötzlich
ganz verschwunden. Als er nach langem Warten
wieder auftauchte, erzählte er uns, daß er bei einem:
Halt vom Schlafe übermannt worden sei und köstlicb
geschlummert habe. Vor dem Gletscher holten wir
unter dem Felsen zur Rechten unsere Sachen, machten
einen langen Frtihstückshalt und brachen um 9 Uhr
10 Min. wieder auf. Wir passirten den Gletscher und.
seine bösen Seracs und stiegen an den steilen Schnee-
hängen an der rechten Seite des Gletschers empor.
Das Wetter war schön und die Sonne brannte drückend
266 K. Schulz.
heiß auf den mit schwerem Rucksack beladenen Rücken.
Wir überschritten den Bergschrund und stiegen zu
den Felsen zwischen, zwei Schneecouloirs empor, die
sich in der Wand der südlichen Nadel hinaufziehen.
Das linksseitige dieser Couloirs ist schmal und steU
und wurde von uns um 10 Uhr nach links traversirt.
An einem aus Schmelzwasser bestehenden Bäehlein
machten wir nochmals einen Halt und erfreuten uns
an der schönen Aussicht auf die mittlere Aiguille
d'Arve, deren mächtige Südflanke hier in ihrer vollen
Ausdehnung sich unseren Blicken darbot. Auf- und
Abstieg von gestern ließen sich genau verfolgen.^) Auf
den Felsen an der rechten Flanke des fraglichen
Couloirs stiegen wir dann empor in der Richtung
nach dem Grat des Berges zu. Einige steile Partien
wurden nach links umgangen, die auftretenden Fels-
rippeu und Couloirs meist horizontal gequert. Ein
langer, tiefer Riß in dem Felsmassiv mußte durch
einen großen Sprung übersetzt werden. Das Gestein
war auch hier eine von den feinsten bis zu den
gröbsten Bestandtheilen mannigfachster Art, namentlich
auch granitischen, wechselnde Breccie, beziehungs-
weise Conglomerat. Schwarzer Kalkstein gibt ihr
auch hier ein charakteristisches Gepräge. Dabei traten
viele Quarzadern auf, zum Theil mit Krystallen. Dm
Gestein war rauh und fest. Eine heikle Stelle in einer
*) Von hier aus ist die beigefügte Umrißzeichnuog der
Aiguille centrale aufgenommen. Die Umrisse lassen den Bau
der Nadeln in langgestreckten von Ost nach West sich auf-
1)auenden Schichten erkennen, während der steile Abfall nach
Westen gewissermaßen die Schichtenköpfe darstellt.
Die Äiguilles d'Arve und die Äiguille de Goleon, 267
loit Schnee ausgefüllten Rinne umgingen wir nach rechts
aufklettemd und passirten dann eine ziemlich schwie-
rige Lücke auf einer Gratrippe. Um 12 Uhr 10 Min.
hatten wir etwas oberhalb eines schmalen und tiefen
Einschnitts die langgestreckte südöstliche Kante des
Berges erreicht. Es öffnete sich der Ausblick auf das
Valien de Gol6on mit dem Glacier Lombard, welches
im Norden der Col Lombard begrenzt. Wir dominirten
den letzteren, meine Aneroidmessung ergab eine Höhe
Ton 3140™. Südöstlich von unserem Einschnitt, für
welchen ich den Namen Col de Jean-Jean vorschlage,
erhoben sich einige sehr abenteuerlich gestaltete Fels-
Backen, an denen der von uns gemachte Weg leicht
za erkennen ist. Ueber die Fortsetzung dieses Fels-
^tes in südöstlicher Richtung führt der Col des
Trois Pointes, weiter südlich und zwar erst hinter
^er Pointe de TArgentiöre der wohl seit alter Zeit
begangene Col de Goleon^), der südlich von Bonne-
nuit in das Thal von Valloire führt. Auf dem Col
entzückte uns eine herrliche Aussicht auf die Barre
des Ecrins und die Meije. Faseinirend schaute der
stolze Westgipfel der letzteren zu uns herüber. Nach
längerem Aufenthalt stiegen wir durch einen steilen
Einschnitt mit sehr lo«em und schmutzigem Schiefer,
mehrfach von fallenden Steinen bedroht , nach dem
Gletscher — er scheint jetzt nur noch ein Schneefeld
zu sein — unterhalb des Col Lombard ab. Wir
fahren auf dem seitlichen Hang des Schneefeldes ab,
0 Eine touristische Ueberschreitung fand am 15. Juli 1875
durch Coolidge mit Almer statt. Alpine Journal VIII, p. 77.
268 K. Schulz,
querten es dann und erreichten die mächtigen Fels-
blöcke der Mittelmoräne um 1 ühr.
Nach dem Mittagsmahl zeichnete ich die Umrisse
der sich vor uns aufbauenden Nadel mit ihrem langen,
zackengekrönten Stidostgrat. ^) Hierauf wurde auf einer
großen Felsplatte ein Schläfchen gehalten und dann Alles
abgesucht nach dem Creux oder Refuge au Col Lom-
bard. Weder Steinmann noch Flaggenstange deuteten
auf dasselbe hin, so daß wir es trotz stundenlangen
Suchens nicht fanden. Ich hatte mir notirt, daß das
Refuge 15 Min. unter dem Col liege und 1881 von
der Sous-Section Briangon C. A. F. errichtet worden
sei. Wir beruhigten uns damit, daß es wohl nur auf
dem Papier des Bulletin mensuel C. A. F. bereits
fertig sei.^) Ich wäre zum üebernachten gerne nach
den Hütten von Rieublanc, die in zwei Stunden zu
erreichen gewesen wären, gegangen, aber meine
CoUegen entschieden für ein Bivouac auf dem Col
Lombard. Unser ganzes Interesse nahm die Südwand
der Aiguille d'Arve m^ridionale in Anspruch, auf
welcher der Aufstieg bei den bisherigen Besteigungen
ausgeführt worden war. Endlich entdeckten wir die
beiden „petits couloirs de neige", von denen Coolidge
erzählt- und die zu dem ersten und zweiten der größeren
Einschnitte dicht Östlich am Gipfel hinaufführen; in
dem westlichen war freilich nur ganz oben ein schmaler
Eisstreifen und das östliche, welches nur wenig aus-
*) Vergl. die Beilage.
') Wir erfuhren später, daß es doch existirt. Die Zu-
richtung desselben beschränkt sich aber auf eine kleine Thfir
vor einem Felsloch.
IHe Aigitiiles d'Ärve und die AiguiUe de Goleon. 269
geprägt ist, liatte in diesem Jahr gar keinen Schnee,
was uns die Orientimng eine Zeit lang erscliwerte
und an die weiter Öetlich gelegenen größeren Schnee-
conloirs, die zur SUdostkante hinauffuhren, denken
heß. Jetzt liatten wir den Weg erkannt und auf der
H3he des Col Lombard entdeckten wir einige Schritte
jenseits des Cols auch den tiefen Riß, der den Zugang
vermittelte
Beruhigt richteten wir uns nun zum Nachtquartier
ein, indem wir einige Meter unter der Höhe des Cola
in den schwarzen Scliieferschmutz ein Loch eingruben,
in dem wir einen Sitz für uns Drei herstellten. L'eber
die Höhe des Col Lombard habe icli in der fran-
zösischen Literatur eine Angabe nicht gefunden, weß-
halb ich meine Äneroidmessung mit 3090" hier er-
wähne. Ganz nahe in südlicher Richtung erhob der
6e« de Grenier sein stolzes Felsbaupt *), dahinter die
Aigaille de tiotäon. Sehr reizvoll und schön war von
unserem Schlafplatz die Aussicht auf die königlichen
Bei^e des Dauphinö, den Pelvoux, die Kette der
Meije mit dem Pic Pav6 und namentlich die aus einem
Schneemantel aufragende Felsenkrone der Bai-re des
Ecrins Die Schönheit der Umgebung ließ uns den
Mangel von Decken vergessen. Wir verbrachten, da
') SSOl", auch AiguiUe Nord de la Sauasaz genannt.
Erste Ersteigung von Coolidge mit den beiden Almer am
äl, Jnli 1883. Aonuaire S. T. D., N° 0, p. 107, Zwischen
diefiem Berg und der Aiguille de Gallon befinden sich no
iwei Aignilles de la Sanssaz. Es sind unbedeutende I
liebnngen, von denen eine bereits 1864 von Wliymper a
^nen Gefährten bestiegen wurde.
270 K, Schulz,
das Wetter schön und rnhig blieb, eine leidliche Nacht»
Nach Mitternacht, als die Temperatur auf Null fiely
wurden wir freilich mehrfach von der Kälte geweckt,,
wärmten uns aber durch von Kellerbauer mit seiner
Spiritusmaschine bereiteten Thee.
4 Uhr 10 Min. brachen wir am 22. Juli vom
Bivouacplatz auf. Wir Überschritten den Col, wandten
uns rechts und kamen nach wenigen Minuten über
eine Schutthalde an den breiten und tiefen Riß in
den Felsen, in dem wir über Schutt emporkletterten.
Gleich Anfangs war zu unserer Linken eine steile
Platte zu überwinden, dann stiegen wir etwa 20 bis 30"
empor. Das Couloir wird oben durch zwei mächtige
gegen einander eingeklemmte Blöcke geschlossen.
Einige Schritte vor ihnen traversirten wir auf einem
schmalen Felsbande nach rechts aus dem Couloir
heraus und betraten schuttbedeckte Terrassen. Etwas
rechts haltend stiegen wir über dieselben empor und
trafen auf ein breites, von links nach rechts abwärts
ziehendes Felsband, welches schon vom Col Lombard
aus deutlich zu sehen war. Dasselbe läuft in ein
breites Schneecouloir aus und reicht bis zum Grletscher
hinab. Wir trafen auf demselben eine Schneelage, die
wir jedoch nach links aufwärts steigend umgingen,
lieber einen mächtigen abgerundeten Felsvorsprung'
kletterten wir in die steile Wand, die direct unter
dem überhängenden Gipfelkopf absetzt, hinein. Von
den beiden Couloirs, die den ersten östlichen Fels-
zacken des südöstlichen Grates umsäumen, wählten
wir das zu unserer Linken, während Coolidge in dem
rechtsseitigen aufgeklettert ist. Wir hielten uns auf
Die Aiguilles d'Arve und die Aiguüle de Gol6an. 271
den Felsen der rechten Flanke des Coaloirs unä
stiegen über Absätze und Terrassen wohl steil, aber
ohne ernstliche Schwierigkeiten empor. In dem engen
Couloir dicht zu unserer Rechten trat bald Eis auf^
etwa 20»" unter der Höhe des Cols stiegen wir, da
die Felswand an der Seite zu steil und glatt wurde,,
in das Couloir hinein, und Purtscheller, der voraus-
ging, schlug auf dem harten und glatten Eise Stufen..
Wir entdeckten dabei auch die Reste älterer Stufen^
Eine Besteigung des Berges in diesem Jahre vor uns-
konnten wir nicht in Erfahrung bringen, und es ist
daher wohl möglich, daß die Spuren noch aus den»
Vorjahre herrührten. Dicht unter dem Col wurde der
Bpalt sehr eng, so daß Purtscheller mit den Beinen
grätschend und sich an den Wänden anstemmend in
ihm aufsteigen konnte. Oben angekommen warf er
uns, Einem nach dem Andern, das Seil zu, und wir
konnten so unterstützt ihm schnell folgen. Für Purt-
Bcheller war die letzte Partie ein hartes Stück Arbeit
gewesen.
5 Uhr 50 Min. standen wir alle Drei auf der Höhe-
des Grateinschnittes. Nach dem Vallon des Aiguilles.
d'Arve zu fielen die Wände in furchtbarer Steilheit
ab. Dicht neben uns zu unserer Linken erhob*
sich der nach allen Seiten abgeschnittene oder gar
tiberhängende Wände zeigende Felskopf des Gipfels
wohl noch 20 bis 30** über uns ansteigend. Wir
kletterten vom Col über die steilen Platten nack
links hinaus, sie waren sehr abschüssig und boten
wenig Halt. Purtscheller und Kellerbauer zogen die
Schuhe aus und gelangten bis an den nur wenige
•272 K. Schulz.
Meter entfernten Spalt im Gipfelmassiv, der augen-
:8cheinlich Coolidge und den Almers den Weg zum
'Gipfel geboten hatte. Das Suchen nach dem von
Ooolidge zurückgelassenen Seile war vergeblich. Der
letztere Tourist schildert die Stelle folgendermaßen:
^Nous etions alors k l'endroit ok le rocher surplombe
sur la pente N.-E. Gräce k de petites asp^rit^s oa
fissures, nous pümes traverser cette paroi au-dessous
de la partie surplombante jusqu'ä, Tarnte septentrionale,
'La le rocher ne surplombait plus , mais il etait si
raide et si lisse, que les mains ni les pieds n'y
trouvaient aucun point d*appui. Almer öta ses souliers
... et s'efforQa de grimper en ligne droite; mais il
se Vit bientot Obligo de battre en retraite. Force
nous fut donc de revenir sur nos pas jusqu'ä un point,
que nous avions remarque en montant sur le versant
I^ord-Est. La, en effet s'ouvrait, dans la partie sur-
plombante, k une certaine hauteur au-dessus de nos
tetes, une petite fente, d'oü descendait une v^ritable
cascade petrifi6e . . . Almer fils, 6tant mont6 sur les
^paules de son p^re, atteignit la base de cette cas
cade, s'y accrocha tant bien que mal aux glagons
les plus solides et parvint je ne sais comment k Tes-
calader jusqu'au sommet de la paroi surplombante.
L'Aiguille m6ridionale 6tait k nous." *) Es war die»
zweifellos ein großes Bravourstück der beiden Almer
nnd Christian Almer Vater hat damit seine klein-
fflüthige Erklärung vom Jahre 1864 glänzend wieder
ausgeglichen. Purtscheller verglich die Stelle mit jener
*) Annuaire C. A. F. V, p. 180.
Die AiguiUes d'Arve und die Aiguille de Goleon, 273
überhängenden Partie an der Ostseite des Marmarole-
gipfeis ^) , an welcher ihm nach der stattgehabten
Entfernung des dort befindlichen Seiles der Versuch
zur Erkletterung mißglückt war, sowie mit der Stelle
aaf der Südseite des Matterhorns, wo die Seilleiter
(Echelle Jordan) befestigt ist. Die Matterhornstelle
ist nur noch etwas höher. Hätten wir einen Christian
Almer gehabt, auf dessen Schultern Purtscheller hätte
steigen können, so würden wir auch ohne das Seil
den Gipfel erreicht haben. So konnten aber weder
Kellerbauer noch ich die Schultern eines Almer er-
setzen. Der Stand für den die Schultern Darbietenden
war nicht gut; das geringste Wanken hätte Beide
unfehlbar in den Abgrund befördert. Wir standen daher
hei früher Tageszeit und bei dem schönsten Wetter
von einem Unternehmen ab, dessen Gelingen wohl
wahrscheinlich gewesen wäre, wobei aber die Gefahr
des Mißlingens doch zu groß war. Noch einmal wurde
Alles sorgfältig geprüft, dann entschlossen wir uns
ffiit schwerem Herzen zur Rückkehr. Purtscheller
lehnte den Versuch bestimmt ab , ich stimmte ihm
entschieden zu, unserem Gefährten wurde die Resig-
nation am schwersten. Nachdem uns einige Wochen
darauf in den Bergen des Dauphine ein so schwerer
Unglücksfall betroffen hat, und die Vorwürfe nicht
fehlten , wir hätten aus ehrgeizigem Wetteifer die
ruhige und sichere Beurtheilung und die Selbst-
beherrschung verloren, die nöthig seien, um Unmög-
liches rechtzeitig aufzugeben , erzähle ich unseren
^) Vergl. die Abbildung in E. Zsigmondy, Gefahren der
Alpen, zu S. 164.
18
274 K, Schulz.
abgeschlagenen Angriff auf die südliche Aigoille d'Aire
nicht ohne ein Gefühl der Oenugthnung. Unser Ver-
halten beweist, daß die Mehrzahl der Mitglieder un-
serer führerlosen Partien die bei diesea in der That
nothwendige Selbstüberwindung gekannt und geübt
haben, nicht bloß vor Unmöglichem, sondern auch bei
Partieen, die Andere bereits überwunden halten. Ich
sage dies nicht ohne bestimmten Hinweis auf die Be-
urtheilung, die unsere Bergfahrten und unser Unglück
im Alpine Journal und im Krdse der engiisehen Berg-
steiger gefunden haben, die leider das T^an ihrer
eigenen Landsleute und das fremder AlfÄnifites nicht
mit gleichem Maße messen.
Wir kehrten zum Einschnitt zufltck «nd genossen
von dort noch die außerordentlich schöne AusBicht
auf die Mont-Blanc-Gruppe, den Grand Go]iiA>in, Deut
d'Hörens und Matterhorn, Grajische Alpen u. s. w.,
Monte Viso, Grandes ßousses. Um 7. Uhr 35 Min.
traten wir wieder den Abstieg an, passirten den oberen
Theil des Couloirs an zwei aneinander geknüpften
Beilen (Pnrtscheller war Letzter und kletterte am übm^
einen Felsblock geschlungenen doppelten Seile hinab)
und erreichten den Col Lombard um 9 Uhr 25 Min.
Beim Aufstieg hatten wir die Vorsicht gebraucht, an
schwierigeren Orientirungsstellen rothe PapieFStreifeB
mit Steinen beschwert zurückzulassen , um bei 'trotz
des schönen Wetters etwa einfallendem Nebel den
Abstieg leichter zu finden. Zur firklürung des unsere
Niiederlage wesentlich verschuldet habenden Fehlens
-des Seils am Gipfel wurde uns in La Grave später
erzählt, das Seil sei von den Führern iGiißpard /aus
Die ÄiguüJes d'Ärve und die AiguiUe de Goleon, 275
St. Christophe bei der von ihnen am 23. Juli 1884
ausgeführten Besteigung aus Eifersucht gegen die
Föhrer von La Grave weggenommen worden. Man
bezweifelte daher auch, daß die Führer E. Pic und
L. Eaure am 1. August 1884 den Gipfel der süd-
lichen Nadel erreicht hätten.
Am Col Lombard packten wir die zurückgelassenen
Sachen airf und marschirten über den Gletscher hinab.
Die Aiguille de Gkil^on sah dabei so verlockend und
schön auf uns herab, daß wir beschlossen, uns auf
ihrem Gipfel für das erfahrene Mißgeschick schadlos
zu halten. Auf den Felsen am linken Ufer des eigent-
lichen Glacier Lombard hielten wir eine lange Rast.
11 Uhr 50 Min. betraten wir den Gletscher und
stiegen auf ihm in der Richtung nach der Einsatt-
lung zwischen der Aiguille de Goleon und dem Bec
de Grenier empor. Der Schnee war bereits erweicht
und zahlreichen Spalten erforderten ziemliche Vor-
sicht. Dann hielten wir uns mehr links und stiegen
über die steile Schneewand in directer Richtung
zum Gipfel (3429™) empor, den wir um 1 Uhr er-
reichten. An der großen Triangulirungspyramide
machten wir es uns bequem und genossen bei dem
herrlichsten Wetter lange die zauberhaft großartige
und schöne Aussicht von diesem so leicht zu errei-
chenden und zur Besteigung nicht genug zu empfeh-
lenden Gipfel.
Auf die Grandes Rousses folgte im Bogen nach
Norden eine Kette schwarzer Felsberge, dann über
Alles erhaben und hoch am Horizont weit in den
Himmel ragend und in feenhaftem gelbem Lichte
276 K, Schulz.
prangend die Mont-Blanc-Gruppe '), davor die Berge
der Tarentaise, weiter hinten wieder der Grand Combin
mit seiner Umgebung, die Grajischen Alpen, die Zer-
matter Berge mit dem deutlich erkennbaren Dom,
der Monte Viso , dann weit im Süden eine große
Gruppe der Meeralpen. Den Glanzpunkt bilden aber
die nahen Berge des Dauphine, die Barre des Ecrins,
der Pelvoux und der gewaltige Aufbau der Meije,
die man in allen ihren Einzelheiten hier studiren
kann. Nahe und ferne Alpenketten wirken hier zu
einem Gesammtbild zusammen, welches überwältigend
ist, und dem ich in den ganzen Alpen nur wenige
Panoramen an die Seite zu setzen vermag.
Der ziemlich schmale, aber langgestreckte felsige
Gipfelgrat des Berges verläuft von Ost nach West,
es tritt auf ihm neben Urgestein (Protogyn) nament-
lich Schiefer, wie auf allen umliegenden niederen
Bergen auf. Die große Pyramide ist aus Schiefer
gebaut, umfaßt an ihrem Fuße wohl 4 Quadratmeter
und ist circa 3 ™ hoch. Auf einem nach Süden ver-
laufenden Felsvorsprung fanden sich die Mauern eines
Häuschens. Auf den Schiefertafeln neben der P3rramide
sind viele Besteigungen verzeichnet, mehrere schon
aus den 50er Jahren. Der Berg ist augenscheinlich
schon sehr oft erstiegen worden, in neuerer Zeit auch
von Süden aus, sowohl direkt durch die Wand, als
über den westlichen und den östlichen Grat.
^) Die Mont-Blanc-Gruppe in so großer Entfernung von
Süden her gesehen ist ein Anblick, der durchaus eigenartig
in seiner Erhabenheit ist und in den nördlicher gelegenen
Alpen seines Gleichen nicht hat.
Die Aiguilles d'Arve und die Aiguille de GoUon, 277
Um 2 Uhr 15 Min. machten wir uns wieder auf
den Weg und kehrten über den Glacier Lombard
zurück. Vom Gipfel aus hatten wir einen Weg aus-
ersehen, der die beim Aufstieg getroffenen Spalten
vermeiden ließ, indem wir uns näher an den vom Bec
de Grenier südlich ziehenden Felsgrat hielten.*) Wir
bemerkten dabei an den Aiguilles de Saussaz drei
Gemsen marschiren. Sie flohen eilig auf den Bec de
Grenier. Auf dem Schnee waren an dem ganzen Berge
eine zahllose Menge von Insekten zu sehen, es war
kaum ein Quadratzoll, auf dem nicht mehrere Mücken
und Fliegen theils erstarrt, theils noch lebend zu finden
gewesen wären. Eine genaue Untersuchung dieser
zahlreichen Bevölkerung, zum Theil Eskimos der In-
sektenwelt , zum Theil Verirrte ^ind Verschlagene,
würde gewiß noch wissenschaftlich interessante Re-
sultate ergeben.
Um 3 Uhr erreichten wir wieder unsere auf den
Felsen am . Gletscher abgelegten Sachen. Dann ging
es über den Gletscher hinaus auf das rechte Ufer
des von ihm ausströmenden Baches. Neben demselben
auf rasigem Abhang mit herrlicher Flora hielten wir
0 Dieser Weg ist ganz ungefährlich. Wenn Joanne,
Itin6raire gen^ral de la France, Jura et Alpes fran^aises,
Paris 1882 (Abdruck der Auflage von 1877), p. 842, die
Besteigung „dangereuse" nennt, so beweist dies nur, wie
wenig brauchbar dieses überdies veraltete Buch für das^
Hochgebirgsterrain ist. Für den Alpinisten werthvoll sind
dagegen Baedeker , Midi de la France, 2"^« edition , Leipzig
1886, und der Guide du Haut-Dauphin6 par W. A. B. Coolidge,
H. Duhamel et F. Perrin. Grenoble 1886.
278 K, Schulz.
nochmals eine längere Rast. Die Freude an der Be-
steigung der Aiguille de Goleon, besonders der groß-
artige Genuß auf ihrem Gipfel, hatte uns mit dem
schlechten Empfang, den uns die südliche Aignille
d'Arve bereitet, beinahe völlig ausgesöhnt und lustig
und vergnügt trabten wir unter dem Col de Goleon
hin, überschritten zwei große üeberschwemmungsbetten
des Gol^onbaches und näherten uns, über eine große
Thalstufe absteigend, wieder menschlichen Wohnungen,
die wir mehrere Tage entbehrt hatten. Wir passirten
Pram^lier und erreichten über mehrere kleinere Orte
am Abend La Grave, wo wir im Hotel des Herrn Jage
eine artige und zufriedenstellende Aufnahme fanden.
Im Gegensatz zu den Beobachtungen anderer
Touristen muß ich es betonen, daß wir bei den Be-
wohnern des Dauphin6, bei Wirthen und Führern u. s. w.,
fast durchweg eine freundliche und gute Aufnahme
fanden.^) Daß man auf den einsamen Felshömern,
auf der Meije und Barre des Ecrins, nicht spioniren
kann und daß die Freude an der Schönheit der Alpen
ein Talisman ist , der auch die Angehörigen ver-
schiedener Nationen auf diesem Gebiet rasch einander
nähert und andere Gegensätze zurücktreten läßt, das
befestigt sich jetzt auch in den schönen Alpenthälern
des Dauphin^. Der Verkehr mit Mitgliedern des
*) Ich weiß eigentlich nur von einer Ausnahme zu be-
richten. Al8 ich von La Grave aus dem Aufstieg meiner
Freunde auf die Meije mit dem Femrohr zusah — ich hatte
eine verletzte Hand — näherte sich mir der würdige Herr
Pfarrer von Serres bei Gap und fragte mich mit der Miene
eines Großinquisitors: Vous Ites de l'arm^e präsente?
Die Aiguilles d^Arve und die Aiguille de Goleon. 279
französischen Alpenclubs ist uns in lieber und werther
Erinnerung geblieben.
Ich kann den Aufsatz nicht schließen ohne ein
Wort der Verehrung und des Dankes für Herrn Coo-
lidge, den glücklichen Werber um die spröden Fels-
jnngfrauen von Arve, dessen Spuren wir tiberall trafen
und dessen Geist auf unseren Fahrten uns den Weg
bahnend nmsajiwebte.
Aus der Adamellogruppe und den Brenta-
Dolomiten.
Von
TIk Borel (Section St. Gallen).
Eine Tag- und Nachtreise auf der Arlberg- und
Brennerbahn und an diese anschließend eine Postfahrt
von Trient über Alle Sarche und Tione brachte mich
in zwei Tagen von St. Gallen nach Pinzolo in Hinter-
Judikarien, dem Standort meiner diesjährigen (1885)
Excursionen.
Pinzolo, der zweitletzte Ort des Val Rendena, ent-
wickelt sich nach und nach zu einem Touristenpunkte.
Man geht von dort aus sowohl in die Brenta-Dolo-
miten, als auch in das Gebirge der Presanella-Ada-
mello-Gruppe hinein. Der Standort ist gttnstig; schon
Julius Payer hat von da seine bekannten Excursionen
unternommen, und wenn auch heutzutage der Zuspruch
Anm. Die dieser Reiseskizze beigegebene Ansicht der
Brentagrappe von Mr. E. T. Compton wurde mit gütiger !>•
lanbniß des Präsidenten der Societä degli Alpinisti Tridentiiii
dem Annuario X der Soc. Alp. Trid. entnommen. A, d. Bed.
Aus der Adamellogruppe und den Brenta-Dolomiten, 281
der Tonristen lange nicht in dem Maße vorhanden
ist, wie an manch' anderm Orte in Tirol, so ist doch
eine recht löbliche Znnahme des Verkehrs zu Consta-
tiren. Pinzolo ist für denjenigen, welcher vom Süden
oder Osten herkommt, entweder vom Gardasee oder
Trient, der natürliche Ausgangspunkt zu beiden Ge-
birgsgrnppen. Der Ort ist durch täglich zwei Mal ver-
kehrende Postverbindung, welche in der Morgenfahrt
bis Campiglio hinaufgeht, mit Trient verbunden. Auch
der Telegraph reicht nun bis nach Campiglio hinauf*
Nebst der höchst günstigen Lage, welche Pinzolo be-
sitzt, ist der Aufenthalt daselbst ein sehr angenehmer^
zu längerm Verweilen einladender. Selbst derjenige,,
welcher der Landessprache nicht mächtig ist, wird sich
daselbst heimisch fühlen. Allerdings ist ein Standort
von nur 755 ™ über dem Meer nach neuesten Begriffen
nicht ein richtig alpiner ; er sollte mindestens nochmal
80 hoch gelegen sein, um als Aufenthalt für Touristen oder
Sommerfrischler zu gelten. Darum wird auch Pinzolo
vielfach als im Hochsommer zu heiß geschildert, allein
ich kann nicht sagen, daß sogar der heiße Sommer
von 1885 mich an eine gar so tropische Hitze ge-
mahnt hätte. Es ist nicht zu leugnen , daß dem
eigentlichen Luftkuranten der 3 Stunden weiter nörd-
lich, auf 1511" gelegene, aufblühende Luftkurort
Santa Maria di Campiglio besser behagen wird ; aber
in Pinzolo unten entschädigt vollauf der größere Reiz
der Landschaft. Das Rendenathal ist so grün und
duftig, wie nur irgend ein Alpenthal auf der Nordseite
der Berge ; dazu eine südliche Vegetation, buschreiche
Wälder, tosende Wildbäche und Wasserfälle. Der Auf-
282 Th. Borel.
«ntbalt am Orte befriedigt selbst verwöhnte Anfordc-
rnngen; Hotel Krone ist gut und billig; zwei andere
Oasthänser bestreben sich, weitem Ansprüchen gerecht
xn Werden , und was für den Bergsteiger am wich-
tigsten ist, das Ftihrerwesen ist geordnet und die
Taxen sind genau bestimmti Der überall in den Gaßt-
hänsern angeschlagene Führertarif hat zwei nicht zu
unterschätzende Vortheile : Erstens sind die Taxen sehr
mäßig gehalten, vom Trienter Alpenverein bestimmt
und behördlich genehmigt, und zweitens sind die Di-
stanzen mit einer höchst lobenswerthen Genauigkeit
angegeben, z. B* : Presanella (Cima di Nardis), höchste
Spitze der Adamello-Presanella-Griippe (3561™) : Geh-
«eit hin und her 16 ä 17 Stunden, Taxe fl. 9; Monte
Adameilo (3547"), Gehzeit 24 Stunden, fl. 10; Cim»
Tosa (3179™) , Gipfelpunkt der Brenta - Dolomiten,
19-20 Stunden^ fl. 8;
Dabei ist eftabegriffen die Selbstverköstigung der
Führer und selbstverstähdlich ist es auch bei deü
genannten und andern Touren, daß 1^/2 bis 2 Tage
dazu verwendet werden. Zieht man den anspruchslose
und billigen Aufenthalt am Orte selbst in Betracht,
den Reiz einer uns ganz neuen und fremdländischen
Gegend, eine wundervolle Natur und nach jeder Seite
hin Gelegenheit zu Touren bis zu den höchsten An-
forderungen , so ist es begreiflich , daß derjenig«)
welcher diese Gegenden zum ersten Male besucht, es
kaum glaublich findet, daß der Touristenverkehr nicht
fichon längst sich dieser Gebirgswelt zugewandt hat.
Der einzige durchgängig fahrbare Zugang zur
Brenta-Adamello-Gruppe von Osten, d. h. vom Etsch-
Aus der Ädamellogruppe und den Brenta-Dolomiten. 283
ihale her, ist der vorerwähnte Postweg von Trient aus,
über Alle Sarche und Tione, mit Abzweigungen nach
Riva ami Gardasee und nach Condino und Anfo am
Idrose'e. Eiö anderer , allerdings nur theilweise fahr-
barer Weg geht von Mezzo Lombardo , resp. der
Brennerbahn-Station St Michele aus durch Val di Non
mid Val di Sole (Nons- und Sulzberg). Der Postwagen
fährt bis Cogolo im Val Pejo, einem Seitenthal des
Sulzberges; der Reisende aber verläßt die Haupt-
straße, welche nach Ponte di Legno und Brescia weiter
führt, bei Dimaro, eine Stunde ob Mal6, um Über den
bequemen, durch schönen Wald und Alpweiden führen-
den Uebergang „Campo Carlo Magno" (1642"^) in vier
Stünden den ansprechenden Luftkuroii; Santa Maria
di Campiglio (1511™) zu erreichen. Für Fußgänger
sind die Wege von Mezzo Lombardo über Fai nach
Andalo und Molveno oder von Trient aus über Ter-
lago und den aussichtsreichen Rücken des Monte Gazza
zu empfehlen.
An der östlichen Abdachung des Gebirges gelegen
ist Molveno der nächste Ausgangspunkt für das circa
5 Stunden entfernte Rifugio Tosa, die Clubhtitte des
Trienter Alpenvereins an der Bocca di Brenta (2547 '"),
deren üeberschreitung quer durch die Brentagruppe
von Molveno nach Campiglio oder Pinzolo den besten
Einblick in die Gestaltung dieser großartigen bizarren
Dolomitwelt bietet. Ich weiß nicht, warum die Reise-
bandbücher überhaupt so wenig über die Reize der
Cregend zu sprechen wissen. Dem Gebirge wird in
neuerer Zeit die ihm gebührende Aufmerksamkeit ge-
schenkt, aber die landschaftlichen Schönheiten Judi-
284 Th. Boreh
kariens und des Sulz- und Nonsberges werden im
Ganzen noch zu wenig gewürdigt. Den in jeder Be-
ziehung höchst interessanten Paßweg von Alle Sarche
zu den Bädern von Comano, als Kunststraße zu den
schönsten und merkwürdigsten Bauten zu zählen, lassen
selbst neuere Schriften über Südtirol außer Acht.
Vermöge seiner wundervollen Lage am Ufer des
schönen See's würde sich Molveno zu längerm Auf-
enthalte empfehlen; der Ort wird aber selbst von
Bergsteigern der primitiven Gasthäuser wegen ^) meist
nur im Vorbeigehen berührt, weil der einzige Führer
der Gegend, mit welchem zur Zeit die schwierigem
Touren der Brentagruppe , wie die Campanili und
Crozzon, unternommen werden können, hier seßhaft ist
Aus den verschiedenen, dem Fußgänger sich dar-
bietenden Wegen darf derjenige über Molveno als in
erster Linie empfehlenswerth bezeichnet werden. Leute,
welche bequem reisen und rasch reisen wollen, wählen
die Postroute von Trient aus. Post- und Telegraphen-
verbindung sind gut; erstere sehr billig. Die Fahrt
über Vezzano und Castel Toblino ist reich an Ab-
wechslung: kurze , kahle Gebirgsrücken und gleich
darauf kleine , eingeschlossene , aber üppige Thal-
schaften, ähnlich wie im Sulzberg.
Kaum hat man Trient verlassen und die Höhe
des Buco di Vela , des mit einem Sperrfort ver-
sehenen Engpasses, durch welchen die schöne Straße
landeinwärts führt, erreicht, so bietet sich ein schöner
0 Das allgemeine ürtheil lautet derart ; „Oesterreichische
Alpenzeitung", Nr. 176, 25. September 1885, empfiehlt da-
gegen das Gasthaus zum Aquüa nero als sehr gut.
i
I
Am der Adamellogruppe und den Brenta-Dolomiten. 285
Blick auf den hart am Wege gelegenen See von
Terlago. Inmitten grauer, öder Gesteinswtisten mutbet
uns dieses Bild recht fremdartig an. Bei Vezzano
und Padergnone finden sich ausgeprägte Gletscher-
schliffe ganz hart an der Straße. Die Gegend um
Vezzano ist berühmt, durch den hier gepflanzten, schon
zu Römerzeiten bekannten und geschätzten Vino Santo.
Vezzano ist eine versteinerte Amtszeitung, steht
irgendwo in einer altera Schrift geschrieben, doch
<lie Augen der Wirthstochter sind lebendig wie Feuer.
Die Augen der Mädchen sind schön und feurig, aber
die Perle der Landschaft, die Augen der ganzen Gegend,
das sind die beiden Seen von Massenza und Toblino in
ihrer wundervollen Einsamkeit. Castel Toblino, das
viel besungene und gemalte, liegt in paradiesischer Ab-
geschiedenheit inmitten wogender Buschwälder. Dieses
Stück Landschaft *) ist eines der herrlichsten, die es
geben kann, und bietet einen frappanten Kontrast zu
dem kaum einen Kilometer weiter beginnenden Eng-
paß der Sarche (vor Erstellung der Fahrstraße Passo
della Morte genannt).
Eine kleine Viertelstunde von Toblino liegt das ein-
same Dörfchen „Alle Sarche", bestehend aus einigen
Häusern und dem großen Postwirthshause. Die Straße
verzweigt sich hier einerseits nach Riva am Gardasee,
andererseits durch die Sarcaschlucht nach Vorder-
Judikarien und durch Val Rendena zu den Gletschern
der Adamellogruppe, wo die Sarca ihren Ursprung hat.
*) Ein Bild dieser Landschaft, welches eine Zierde der
^chweiz. Kunstausstellung von 1885 war, befindet sich nun
'^ Besitze des Züricher Kunstvereins.
286 Th. Borel,
Hier bei Alle Sarche, wo die ersten Olivenpflan-
»wgaii zu sehen sind, tritt der wilde Bergflaß aus der
zwei Stunden langeir iSrhlurlif^ rlir er sich durch die
Ausläufer des Monte Gazza und des Ttir iitflgobiif^n
gebrochen hat. Monte Garsole (862"^ und Monte Casale
sind zu beiden Seiten des Engpasses die höchsten
Punkte; weiter aufwärts, Vezzano gegenüber, erhebt
sich der Rücken des Monte Gazza zu 1641 und 1834".
Toblino und Alle Sarche sind auf 240™.
Die kühne Fahrstraße durch diese Felsschlucht
wird mit Recht zu den Wundern Tirols gezählt; man
darf sie fuglich zu den schönsten Kunststraßen der
Alpen rechnen. Bezüglich der Scenerie mahnt sie
lebhaft an den frühern Saumpfad durch den Schyn.
In engem Gewinde, meist 6 — ^^800 Fuß ob dem
Laufe der Sarca, durch Felsen gebrochen und oft von
hohem Mauerwerk geschützt, führt sie beständig längs
des Abgrundes hin. Es ist eine einsame, wild groß-
artige Gegend, deren ungeheuerliche Felsparlien tiefen
Eindruck machen.
Die Fahrt von Alle Sarche bis zum Ausgange
der Schlucht bei der Scaletta dauert an zwei Stunden
und erst bei der kleinen Ortschaft St. Giovanni öffnet
sich das Thal wieder Von da an bis nach Tione
hinauf und weiter nach Pinzolo ist man wieder in
einer offenen, wenn auch nicht gar breiten Thal-
niederung, umgeben von der reichsten Vegetation.
Tione, der Hauptort von Judikarien, liegt in einem
wahren Garten. Hier scheiden sich die Wege. Aufwärts
gegen Nord geht es durch Val Rendena zu den
Gletschern der Adamello-Presanella-Gruppe, und süd-
Aus der Adamellogruppe tmd den Brenta-Dolomiten. 287
lieh durch Val Buona, d«m Laufe des Chiese entlang^
nach dem Idrosee. Die geographische Coiifigitfatioii
Jttdikariens ist durch den Wasserlattf der beiden Flüsse
Sarca and Chiese besimnut. Als vorderes Judikarien
ist der OberUtttT der Sarca bis nach Bad Comano und
der S«f easchlucht zu betrachten, und als hinteres Judi-^
karien das Thal des Chiese.
Amphitheatralisch aufsteigend, von drei hübscheu
Kirchen überragt, macht Tione, von weiter her gesehen^
einen stattlichem Eindruck als in der Nähe. Immer-
hin ist es eine kleine belebte Stadt, wo namentlich
an Sonn- und Feiertagen das Volksleben zu mannig-
fachen Beobachtungen Anlaß gibt. Das Postwirthshaua
ist einfach, reinlich und billig
Mit dem Rio Finale, einem Bergwasser, das sich
bei Verdesina mit der Sarca vereinigt , begipnt das^
eigentliche Val Rendeim. Der Tourist findet hier ein
Alpenthal, so anmuthig und schön und duftig, wie
nur irgend eines im Herzen des Hochgebirges und
Zugleich auch wie manches andere Tiroleralpenthal
kulturhistorisch interessant.
Der Eindruck, welchen diese Landschaft uns dar-
bietet, ist ein durchaus günstiger Die Ortschaften^
vom saftigsten Grün umgeben , sehen alle recht
stattlich aus, die Felder sind wohlgepflegt un,d die
Vegetation erhebt sieh hier um einige hundert Meter
höher, als jenseits der Berge. Bei Tione und Borzago-
ist man schon im Bereiche der Adamello Gruppe und
der Gletscher , aber gleichwohl noch im Gebiete der
Weinrebe^ der Edelkastanie und des MaHlbeerb^iyues*
Am Eingange des Val di Genova, bei circa 850«°^
288
Th, Borel
«tehen die herrlichsten Kastanien- und
malerischen Gruppen am Rande des tosend<
Ijaches.
Eine Abendfahrt bei Mondschein von
Pinzolo hinauf bietet eine Reihe der stimmi
Bilder, die es ^eben kann. Dörfer und
folgen Schlag auf Schlag , manche kaui
-einander entfernt; dazu Kirchen und Ci
Menge, deren mehrere hohes Alterthum und(
liehe Bedeutung haben. ^) Wie in allen a1
Alpenthälei-n, welche von der Fremdenindi
nicht ausgebeutet sind, hat sich hier mai
Sitte erhalten, so die eigenthümlichen Hocl
Beerdigungsgebräuche und die Maitinade,
des Liebhabers vor den Fenstern der Auserb
Dies ist allerdings dann auch die einzige
■Gesanges außer dem Kirchen- und dem Wl
iiede. Unter dem strengen Regimente des Kn
Ton Trient treffen wir hier weder Gesang-, m
oder Schtitzenvereine, wie in manchen Theilen vi
und Piemout, wo außer dem Kirchlichen nil
deres erlaubt ist. Die Bevölkerung ist im
iirm, aber bescheiden, genügsam in der Lebei
1) Band XVI (1885) der Zeitschrift des D. u.
t)rlngt in einer Beilage von 3 Blättern die Rundschi
Dosso del Sabbione (2096") bei Pinzolo. Blatt II de|
zeigt beinahe sämmtliche Ortschaften des Rendenatbi
Baldimo (gegenüber Pinzolo) bis nacb Villa di Rend<
wärts. Es sind deren 15. Außer S. Giovanni und Fi8<
thalanswärts einzig Verde&ina, welches in Folge der
l)icgung nicht sichtbar ist.
J
Aus der Ädamellogruppe und den Brenta-Dolomiten, 289
und trotz des harten Kampfes um's Dasein fröhlich;
trotz der Menge der Kinder^ die sich in jedem Dorfe
«af der Straße hernmtummelt , ist noch keines von
ihnen zum Bettel abgerichtet, auch kein altes Weib
oder krüppelhafter alter Geselle steht am Wege, uin
ein Almosen flehend. Dem Rendanesen begegnet man
in den größern Städten Europa's als Scheerenschleifer
und Kaminfeger; Thatsache ist, daß bei der starken
üebervölkerung des Thaies (10,052 Seelen in 13 Ge-
meinden und 880 Wohnhäusern) die Auswanderung eine
Lebensfrage bildet. Genaueres hiepüber, wie auch Über
Sitten und Gebräuche, findet sich in der vom Trienter
Alpenverein herausgegebenen Schrift Gambillo's : „La
Valle di Rendena" (Rovoreto 1882), welche dieses
Thema, wie auch das Geschichtliche und Touristische j
sehr eingehend behandelt.
In Pinzolo, der größten Ortsirhaft des Thaies, ist,
wie schon erwähnt, der Aufenthalt ein sehr ange-
nehmer. Der Ort hat nicht ntir touristische, sondern
auch kirchengeschichtliche Bedeutung. Er ist der
Schauplatz des Märtyrertodes des heiligen Vigilius,
des dritten Bischofs von Trient, welcher anno 400
den hei dmachen Rendanesen das Evangelium predigen
wollte, aber von den erzürnten Einwohnern in die
Sarca geworfen wurde. Eine andere Legetide läßt ihn
von der Wuth der aufgebrachten Bevölkerung mit Brod*
laiben zu Tode gesteinigt werden, darum sei auch heut-
2iitage das Brod der Gegend noch so hart wie Stein.
Der Todestag dieses Heiligen wird in Trient alljährlich
am 26. Juni mit dem größten kirchlichen Gepränge,
aber zum Schlüsse auch mit einem Feuerwerk auf
dem Domplatz gefeiert.
19
290 Th, Borel,
Die Leidensgeschichte des heiligen Vigilius ist
in Pinzolo in der Dorfkirche durch Glasmalereien
verewigt; man sagt, daß sie von einem ttichtigea
Meister der alten Schule herrühren; beachtet werden
sie gewöhnlich vom Touristen nicht, ebensowenig als
der an der Kirchhofskirche angebrachte Todtentan^
aus dem Jahre 1519, an welchem die große Mehr-
zahl der einwärts ziehenden Bergwanderer achtlos
vorübergeht. Die noch ganz gut und frisch erhaltene
Frescomalerei eines Bildes, welches noch vor Hol-
beins berühmtem Todtentanz datirt, hat sicher An-
spruch darauf, mehr gewürdigt zu werden , als bis
anhin. lieber anderes Kunstgeschichtliches und Histo-
risches der Gegend wollen wir hinweggehen und einzig
auf die Legende Karls des Großen hinweisen, welche
hier noch in der Tradition fortlebt. Der weite Alp-
boden bei Campiglio trägt den Namen „Campo di Carlo
Magno", und die am Eingange des Val di Borzago
stehende Capelle S. Zeno soll auf den Trümmern
eines von Karl dem Großen zerstörten uralten Castells
stehen. ^) Nachsuchungen nach verborgenen Schätzen
führten nur zur Auffindung eines Grabmales und dreier
Skelete. Daß zur Zeit des Mittelalters der Verkehr
vom Etschthale und der Lombardei nach dem Süden
zu einem beträchtlichen Theile durch das Rendena-
thal führte, beweist die Stiftung des Hospizes Santa
1) Vgl. die Artikel Dr. Bolognini's über den Todtentam
von Pinzolo im Annuario H della Societä degll Alpinisti Tri-
denlini, 1875; über den Zug Karls des Großen durch Val
Camonica und Val Rendena im Annuario HI, 1876, über die
Mäitinade Ann. VI, 1879/80. Änm. d. Bed.
ÄU8 der Adamellogruppe und den Brenta-Dolomiten. 291
Maria di Campiglio im Anfange des 13. Jahrhunderts.
Später wurde aus dem Hospiz ein Mönchs- und Frauen-
kloster, und nach Erstellung der Brennerstraße unter
Maria Theresia ging die Stiftung ganz ein. Anfangs der
70er Jahre wurde das Haus zu einem Gasthofe umgebaut
und ist jetzt, nachdem es seither einmal abgebrannt,
ein Luftkurort, in dem es sich ganz gut leben läßt,
und Ausgangspunkt für Touren in der Brenta-Gruppe.
Ersteigungen im Bereiche des Val di Genova
werden jedoch besser von Pinzolo aus unternommen,
üeber dieses Gebiet existiren verschiedene Schriften,
vor allen Payer*s Abhandlung: Die Adamello- und
Presanella- Alpen , Ergänzungsheft 17 zu Petermann's
Mittheilungen und der Anhang dazu im Ergänzungs-
heft 31. Als guter Führer für die ganze Gegend sei
auch die vorerwähnte Schrift: „La Valle di Rendena"
empfohlen. Auch unser Jahrbuch VI enthält aus der
gewandten Feder Siber-Gysi's einen Bericht über den
Adamello und Val di Genova. Schon damals wurde
auf die hohen Schönheiten dieses klassischen Alpen-
thales hingewiesen, auf die Gletscherpracht des Thal-
hintergrundes, welche trotz des immer fortschreitenden
Rückganges noch imponirend ist, auf die schönen
Strombilder, welche die wasserreiche Sarca bei jeder
neuen Thalstufe bietet, und die beiden WasserfUlle
des Lares und der Piscia di Nardis. Ich kann mich
daher, außer einer kurzen Erwähnung der Ersteigung
der Presanella oder Cima di Nardis 3561", darauf
beschränken, dasjenige nachzutragen, was seitdem im
Laufe der Zeit zur Erleichterung des Besuches diesec
Revieres geschehen ist.
292 Th, Borel
Es gibt wohl selten ein tief in die Berg- und
Gletscberwildnisse eingeschnittenes, unbewohntes Hoch-
alpenthal, das so leicht zugänglich ist wie dieses,
und wo durch Errichtung verschiedener Clabhütten
ftlr den Bergwanderer so gut vorgesorgt ist. Ein
Gang von Pinzolo nach Bedole fährt langsam an-
steigend zuerst auf gutem Saumpfade, nachher meist
durch schöne, mit hochstämmiger Waldung versetzte
Alpweiden, in 5 Stunden zum Thalhintergrunde, Malga
Bedole (1529"). Hier wird eine kleine Wirthschaft
erbaut, Holzbau, in welcher der Tourist sich ganz
billig verpflegen und auch übernachten kann. Ent-
sinne ich mich recht, so ist dies ein Privatunternehmen
des Führers Feiice Collini und nicht die Erneuerung
der früheren ünterkunftshütte.
Das Rifugio Mandron (circa 2470™) ist von da
aus in drei leichten Marschstunden zu erreichen.
Diese Hütte, comfortabel und gut eingerichtet, wie
alle die Glubhütten auf deutsch-österreichischem Boden,
erleichtert in ganz erheblichem Maße alle hohem
Touren und Pässe von der Presena an bis zur Ve-
dretta di Lares.
Speciell für das Gebiet des östlichen nnd sttd-
lichen Theiles des Laresgletschers, Gare alto etc. und
die Uebergänge nach Val di Fumo, di Borzago und
di San Valentino hat der Trienter Alpenverein vor-
gesorgt durch den Bau der Lareshütte. Eine weitere
Hütte, circa eine halbe Stunde ob Malga dei Fiori im
Val Nardis, das Rifugio Presanella, ist im Bau nnd
v^irspricht eine Musterleistang zu werden; die Hütte
wird in solidem Mauerbau aus Granitgestein und mit
Aus der Adamellogruppe und dm Brenta-Dolomiten. 293
Holzverkleidung aufgeführt, 60«" Mauerdicke und 15«™
Holzarbeit. Die Lage, angesichts der auf der andern
Seite des Val Kendena aufstarrenden, rostbraunen,
pittoresken Gestalten der Brenta-Dolomite , ist sehr
glticklicb gewählt.
Leider war der Bau im Sommer 1885 noch nicht
80 weit vorgeschritten, daß man zur Nothdurft darin
ein Nachtlager hätte aufschlagen können. Ich mußte
mich daher zum Uebernachten auf Malga Fiori be-
quemen. Dem Klima angemessen, sind die Alphütten
hier zu Lande alle sehr luftig gebaut, gewöhnlich
tmter dem Dache ofifen und selten oder gär nie mit
einer Thttre, sondern immer durch ein Holzgatter
geschlossen. Denselben exemplarischen Schmutz und
Ünsauberkeit in und außer der Hütte trifft man hier
ebenso gut wie überall im Süden; es ist nicht besser,
womöglich noch ärger als in den Sennhütten im Süd-
wallis oder im Piemont.
Ich verließ Pinzolo Freitag Nachmittag, 21. Au-
gust, um 2 Uhr 20 Min. Der Weg führt durch Val
di Genova hinein bis Punkt 949 der österreichischen
Karte, da, wo Val Kardis, steil abstürzend, einmündet.
Hart an dem berühmten Wasserfalle Piscia di Nardis
steigt man steil aufwärts auf kaum findbarem Pfade
durch dichtes Haselnuß- und Alpenerlengesträuch. Die
Strecke bis zu unserm Nachtquartier Fiori wird auf
4 Stunden veranschlagt, weitere 5—6 Stunden von
da an zur Spitze und für den Abstieg nach Pinzolo
7 Stunden gerechnet, im Ganzen 16 — 17 Stunden.
Die Nacht war kalt; es fiel ein starker Reif wäh-
rend derselben, so daß wir frühzeitig der Lagerstätte
294 Th, Boreh
uns entwanden; aber erst gegen 5 Uhr konnten wir
unsere Tour beginnen. Die Partie auf die Presanella
bietet keine Schwierigkeiten; sie kann höchstens als
eine etwas mühsame Tour gerechnet werden. Bei dea
im letzten Sommer so stark ausgeaperten Gletscher-
flächen schien mir das Wandern auf dem wie ein
Ackerfeld ausgefurchten Eise sehr anstrengend. Die
Witterung war uns nicht günstig; wir erreichten die
Spitze bei starkem Schneetreiben und scharfem West-
winde, eingerechnet eine Rast von einer halben Stunde,
um halb 11 Uhr. Weder die Temperatur noch die
Aussicht waren einladend zu längerm Verweilen. Den
Weg zur Malga Fiori legten wir in 2 Stunden
35 Minuten zurück, eingerechnet den Besuch beim
Rifugio Presanella und eine Rast bei den Sennen auf
Fiori. Pinzolo wurde Abends 5 Uhr 45 Min. erreicht.
Führer bei dieser Tour war Bonapace Ognibene.
Mit dem jungen Führer Liberio CoUini, welcher
mir freundlicherweise vom Wiener Clubisten abge-
treten wurde, ging ich andern Tags zur Tosahütte.
Collini ist jedem Touristen empfohlen, welcher der
italienischen Sprache nicht mächtig ist; ebenso An-
tonio Caola, ein etwas älterer, aber immerhin noch
rüstiger und sehr verständiger Führer, dem weder der
Adamello noch die Cima Tosa u. s. w. fremd sind.
Französisch wird hier zu Lande in den untern
Classen, außer bei den Ausgewanderten und der
weiblichen Bevölkerung, welche ihre Dienstzeit als
Magd oder Kammerjungfer bis nach Frankreich ge-
führt, wenig oder gar nicht gesprochen, jedenfalls bei
dem Einheimischen nicht. Da trifft man noch eher
AtM der Adamellogrv>ppe und den Brenta-Dolomiten, 295
ein Dienstmädchen an, das in Meran oder Bozen
war, oder einen entlassenen Militär, der seine Dienst-
zeit in deutscher Garnison zugebracht hat. Auf
allen Alpen in der Brenta- wie in der Adamello-
Oruppe kam schließlich, wenn es sich um's Bezahlen
handelte (wir kehrten verschiedentlich an solchen
Orten ein um einen Napf Milch oder sonst eine
Dienstleistung), irgend ein Senne zum Vorschein, der
sich ganz gut auf Deutsch auszudrücken vermochte.
Für uns Schweizer sind die Brenta-Dolomite ein
durchaus fremdartiges Gebiet. Es wird auch der ge-
wandtesten Feder nicht gelingen, von der Herrlich-
keit dieser wilden, zerrissenen und zerschrundeten
Bergwelt eine richtige Vorstellung zu erwecken; nur
der Stift des Zeichners kann etwa den Formenreich-
thum dieser Felsgebilde wiedergeben ; aber selbst der
Pinsel des Malers ist ohnmächtig, der Farbenpracht
dieser rostbraunen, zackigen Felsgebilde, welche im
Widerscheine der untergehenden Sonne ein glühendes
Flammenmeer ausstrahlen, gerecht zu werden.
Die Brenta-Gruppe wird zum unterschiede der-
jenigen von Ampezzo und Primör auch kurzweg als
die westlichen Dolomiten bezeichnet; ihre geogra-
phische Configuration ist eine ziemlich complicirte, da
ihre Verzweigungen von der Cima Tosa und der
Cima di Brenta nach allen Richtungen ausstrahlen.
Als ganzes Gebiet ist sie den östlichen Dolomiten
ebenbürtig. Zur Bereisung der Gruppe dient das
Blatt „Trienf^ der österreichischen Karte nicht, da
dasselbe in der Zeichnung mangelhaft und mit der
heutigen Nomenclatur nur zum kleinen Theile über-
296 Th: BoreL
einstimmt; fiir die Thalgegend dagegen ist diese
Karte recht brauchbar. Der Trienter Alpenverein hat
aber als Beigabe zum Jahrbuche YIII, 1881/82, eine
Karte im Maßstäbe 1 : 25^000 der Brenta-Gmppe
und als Beilage zu Band X eine topographische Skizze
des ganzen Gebietes mit richtiger Nomenclatur und
Höhenbestimmung, ferner ein Panorama vom Monte
Gazza herausgegeben. Diese beiden Arbeiten, welche
in Trient in der Lithograt)hie Bcotoni und Yitti la
finden sind, dtirften im Verein mit der genannten
Karte und den Meurer'schen Eeisehandbüehem (s. u.) die
besten Hülfsmittel des Touristen sein«
Die Tour zur Tosahütte über die Bocca di Brrata
erfordert 7 Stunden und führt mitten durch die
Gruppe hindurch. Sie theilt sieh folgendermaßen ein:
Pinzolo-Val Brenta alta 4 und weitere 3 Stunden
zur Bocca, der Uebergangshöhe des Passes, 2547°'.
Von da zur Hütte 10 Minuten. Von Campiglio aus
ist die Tour um eine Stunde kürzer. Genaueres hierüber
findet sich bei Meurer. ^) Den Weg kurz beschreib^d,
will ich auf die frappantesten Punkte aufmerksam
machen. Von Pinzolo aus schlägt man den Weg nach
Carisolo ein und geht auf der Straße nach Campiglio
weiter bis zur kleinen Ortschaft Maviglione. Bei
Carisolo ist die Vereinigung der beiden Sarche : Sarca
di Genova und Sarca di Nambron, welche letztere
unterhalb Maviglione auch die Sarca di Campiglio
*) Maurer: Führer durch die Dolomiten (Gera 1885),
päg. 195 u. ff. id. lUustrirter Führer durch Wedt-Tlrol tmd
Vorarlberg (Wien 1885), pag. 261 u. ff.
\
Aus der Adamellogruppe und den Brenta-Dolomiten, 297
aufnimmt^ die hinwieder die Zuflüsse aus der Brenta*
Gruppe mit sich führt.
Bei Maviglione biegt man in's Val Nambino und
geht^ an Sägemühlen vorbei, längere Zeit durch präch-
tigen Wald aufwärts in's Val Brenta hinein und weiter
auf das Hochplateau von Brenta alta, allwo gewöhn»
lieh bei den Sennen der Alp der erste Halt gemacht
wird^ sofern man nicht schon vorher unten in Brenta
bassa sich dem Anstaunen dieser wunderbaren Ge-
birgswelt hingegeben hat. Man steht da vor einem
Felsencircus, der scheinbar völlig geschlossen ist, und
es fragt, sich gewiß Jeder zuerst, wie da weiterzu-
kommen sei, denn die Felsen fallen nach allen Seiten
glatt ab, und da man etwas seitwärts steht, so läßt
»ich nirgends die Spur eines Durchganges blicken.
Steigt man aber durch hohes Knieholz aufwärts und
ist hart an die anscheinend geschlossene Felswand
herangekommen, so ist man plötzlich, man weiß wirk-
lich nicht recht wie, mitten in den Dolomiten drin»
Wie durch einen Thorbogen ist man eingetreten.
Das Hochplateau von Val Brenta alta liegt auf
1706» Höhe und ist ringsum von herrlichsten Dolo-
naitgestalten eingefaßt. Kann man etwas Verwege-
neres sehen, als wie die Campanili, z. B. Campanile
basso und Campanile alto, welche bei circa 2000*^
»ich dem Boden entheben, bis auf 3000™ ansteigen
ttnd, von diesem Standpunkte betrachtet, nach zwei
Seiten senkrecht abfallen, so schmächtig und schlank
wie ein gothischer Kirchthurm! Dann die Fulmini
önd der Crozzon di Brenta und dazwischen dia
schmale Scharte der üebergangshöhe. Das Bild im
298 Th. Borel
Lichte der Nachmittagssonne ist nicht nur bezaubernd,
sondern auch großartig und tief ergreifend.
Schon unten in der Malga gewahrt man das große
Trümmerfeld des Bergsturzes von 1882, der das Thal,
das von der Alp zur Bocca hinaufführt, auf eine
Länge von 1^/2 Stunden mit einer Schuttmasse von
Blöcken jedes Kalibers tibersäet hat. Der Sturz ge-
schah an der Felswand, welche den Crozzon mit der
Oima Tosa verbindet; die Höhe des abgebrochenen
Theiles wird auf annähernd 400™ bei einem Durch-
messer von circa 100°» geschätzt. Die Schuttmasse
ist über die ganze Breite des Thaies zerstreut, reicht
bis hinunter in die ersten Alp weiden und beinahe zur
üebergangshöhe hinauf. Das kleine Schneefeld, welches
den letzten Theil des Weges bildet, ist an zwei
ziemlich weit auseinander liegenden Stellen noch damit
quer tibersäet. Der frtiher gute Weg von der Alp
hinauf verliert sich bald in dieser Steinwtiste, und
der Wanderer hat eine mtihsame Arbeit von beinahe
zwei Stunden, bis die letzten Trtimmermassen tiber-
wunden sind. Von Strecke zu Strecke bezeichnen
aufgeschichtete Steine die einzuschlagende Richtung
durch dieses Wirrsal hindurch.
Die Paßhöhe, 2547°», ist eine ausgesprochene
Scharte zwischen Cima Brenta alta (3036 ™) -und Cima
Brenta bassa. Die Breite derselben ist höchstens
10 — 12""; zu beiden Seiten steigen die Felswände
schroff auf, und der Abfall nach vor- und rückwärts
ist ein unmittelbarer. Circa 10 Minuten weiter erreichen
wir einem Felsbande entlang gehend das Rifugio
Tosa (2467 °^) in der Einsattelung zwischen der Cima
Aus der Adamellogruppe und den Brenta-Dolomiten, 299
Brenta bassa und dem Monte Daino (2757"'). Die
Lage der Hütte ist sehr gut; der Blick hinunter durch
Val delle Seghe nach Molveno, in die südliche, duf-
tige Tiefe, hat etwas so Anmuthiges, trotz der um-
starrenden Felsenriffe, daß der Eindruck des so auf-
Migen Contrastes sehr nachhaltig ist. Schöne Bilder
aus mancherlei Alpengegend erblassen gegen einen
Sonnenuntergang in der farbigen Gluth dieser fremd-
artigen Gebirgswelt.
Die Hütte selbst, der erste Bau des Trientiner
Alpenvereins, ist sehr gut und wohnlich eingerichtet,
und da auch die Lage eine sehr geschickt gewählte
ist und die Hütte gewöhnlich auf einige Zeit mit
Holz und Fourrage der verschiedensten Art, als Wein
und Conserven, versehen ist, so ist sie auch ein
prächtiger Aufenthalt für eine Reihe von Touren.
Die letzten schwierigen, .bisher unerstiegenen Spitzen
der Gruppe, der Crozzon und der Campanile alto,
haben 1884 und 1885 ihre Bezwinger gefunden; den-
noch bleibt hier ein reiches Feld der Unternehmungs-
lust offen. Verschiedene Touren, wie die Cima
Tosa, Brenta bassa und alta, Monte Daino, Cima
d'Ambies etc., lassen sich von der Hütte aus in
leichtem Tageswerk unternehmen; von den meisten
dieser Partien ist man gewöhnlich in den ersten Nach-
uiittagsstunden zurück, und es ist möglich, an einem
Tage zwei Touren bis auf circa 3000" auszuführen.
Immerhin bleibt es angezeigt, zu bemerken, daß einige
Üebung im Klettern (ich will nicht sagen Gewandtheit,
dies wäre nur für die ganz schwierigen Partien des
Crozzon, der Campanili und der Torre di Brenta zu
verlangen) eine Vorbedingung ist.
800 Th. Boreh
Cima Tosa (3179™) erstieg ich mit CoUini nnd
in Gesellsefaaft einiger Wiener Touristen iun 25. Aug.
V. J. in der Zeit von Morgens 5. 12 bis 8. 20. Der
Aufstieg durch das 25 — 30°^ hohe Kamin nahm für
die ganze Geseilschaft, aus 9 Personen bestehend, über
35, der Abstieg über 45 Minuten in Ansprach. Ein-
zelne Touristen mit einem guten Führer werden die
Partie im Aufstiege in 2Vs Stunden ohne üeberan-
strengung abmachen und Nachmittags den Monte Daino
oder die Brenta bassa noch bequem bewältigen können.
Nach der Tour auf die Cima Tosa antemahmes
wir eine solche auf Cima Brenta alta. Wir hatten zwar
beabsichtigt, länger auf der Htttte zu bleiben, um ver-
schiedene Streifzüge von da ans zu unternehmen, aber
bei der Anwesenheit so vieler Tonristen und Führer
an einem Tage war der voiiiandene Proviant ziemlich
gründlich aufgebraucht, und als der junge CoUini sich
erst nach langem Zureden und Bedenkzeit einer ganzen
Nacht zur Begleitung auf die Partie, welche ihm wie
mir ganz fremd war, entschloß, waren die Wiener
Herren mit sammt dem uns so freundlichst angebotenen
überflüssigen Proviant längst in Molveno unten und
auf dem Wege nach Trient.
Morgens 5 Uhr des anderen Tages war die ganze
Verproviantirung der Hütte auf eine Tasse schwarzen
Kaffee's zusammengeschrumpft ; wir theilten sie unter
uns Beide und stiegen aufdie Cima Brenta alta, 3036*^),
ohne etwas Anderes zu genießen bis Nachmittags 2 Uhr
0 Erste Spitze 8. 02, zweite Spitze 8. 10, ab 8. 26, an
der Bocca 10. 30, in Brenta alta 12. 08, Maviglione 2. 55,
Pinzolo 5. 05, Anfenthalte unterwegs circa 2 Standen.
Atts der AdenneUogruppe und den Brenta-Dolomiten, 301
55 Min,, da wir dann die kleine Wirthschaft in
Maviglioae betraten und den Wirth durch Durst und
Himger in großes Erstaunen setzten.
Abends 5 Uhr in Pinzolo zurück, stieg ich des
nächsten Tages wieder mit Collim durch Val di
Crenoya hinein zur Leipziger Hütte am Mandron und
am 28. August bei starkem Nebel über den Presena-
paß naeh dem Tonale und abwärts nach Male im
Sttlzberg^ vom wo mich der Stellwagen hinaus nach
Mezzo Lombardo und San Michele an der Brennerbahn
beförderte.
Während früher das Reisen in den Stidtiroler
Oegenden ziemlich verrufen war, so ist jetzt für den
Touristen kein Grund mehr vorhanden, sich von den-
selben fernzuhalten. Originelle Sitten und Gebräuche
und historische Erinnerungen, die sich hier auf jedem
Schritte dem Reisenden aufdrängen, bieten vielfach
Anlaß zu ernstern Studien. Der Naturfreund wird
^ine prachtvolle Gegend, schöne Wälder, berühmte
großartige Wasserfälle, einfache, aber gute Wirths-
häuser finden; den Alpcnsteiger werden neue Ziele
und fremde Gebirge, gut gehaltene Clubhütten und ein
richtig organisirtes Führerwesen bei billigen Taxen
ÄU vielfachen Excursionen einladen.
Die schwierigeren Touren in der Brentagruppe
«ind zwar durchgehends Kletterpartien, aber Alles bei
gutem und festem Gesteine. Cima Tosa zählt zu den
nicht schwierigen, aber auch nicht leichten Touren ^
Brenta alta wird schon etwas höhere Anforderungen
*n den Bergsteiger stellen, und was die übrigen, wie
der Crozzonund die Campanili, trotz der verhältniß-
302 Th. Borel, Aus der Adamellogruppe etc,
mäßig kurzen Zeitdauer, welche diese Partien bean-
spruchen, zu bedeuten haben, darüber geben die
neuesten Jahrbücher und Mittheilungen des Trienter
und des D. und Oe. A. V. Aufschluß.
Unter den Führern der Gegend finden sich einige
vorzügliche, z. B. Nicolussi in Mol veno, Dallagiacoma
in Caderzone und Ferrari in Borzago (Rendena). Der
Tourist wird gut thun, sich ihrer zum Voraus zu ver-
sichern ; zur Zeit meiner Anwesenheit in Pinzolo war
der Eine stets von deutschen Alpenclubmitgliedem in
Beschlag gelegt; die andern Beiden, im Dienste eine»
großen Nimrodes, beflissen sich der Anfangsgründe des^
hohem Jägerlobens.
Eine Bergfahrt im Peloponnes.
Von
A, Trautweiler (Section Gotthard).
An die Section Gotthard des 8. A. C.
Werthe Cluhgenofisen I
Seit der Gründung der Section Gotthard zur Zeit
des Bahnbaues im Reußthal sind manche ihrer Mit-
glieder weit hinweg gezogen aus dem Kreise der
Gebirge, welcher unserer Vereinigung seinen stolzen
Namen lieh. Die gesunde Freude an den Bergen ver-
läßt aber Keinen mehr, der einmal die reine Luft
geathmet, die über Gletschern und ewigem Schnee
weht, und so versäumen sicher Ihre auswärtigen
Collegen keine Gelegenheit, den Beruf des Clubisten
auch unter andern Himmelsstrichen auszuüben. Daa
Excursionsgebiet unserer Section ist demnach ein sehr
großes. Aber die einlaufenden Berichte werden doch
kaum so zahlreich sein, daß wir deßwegen fürchten
müssen, Sie mit dem folgenden zu belästigen. Auch
reicht ja Ihr Interesse für die Gebirgswelt weiter ala
die Aussicht vom Pizzo Centrale, besonders da es eia
304 A. Trautweiler.
nicht zu verschmähendes Mittel für die richtige Beur-
iheilung des Nahegelegenen ist, wenn man Fremdes
damit vergleicht. In diesem Sinne überliefere ich Ihnen
hier die Beschreibung einer kleinen Excursion in grie-
chischen Bergen mit dem Wunsche, es möchten andere
Oollegen im Ausland Aehnliches thun.
Die Alpen ziehen sich bekanntlich in großem
Bogen vom Golf von Genua nach dem Adriatischeii
Meere hin, dann längs demselben hinunter durch
Dalmatien, Montenegro und Albanien, bis sie, zum
klassischen Pindos, Parnasses und Taygetos geworden,
in die zerrissenen Vorgebirge des Peloponnes aus-
laufen. — Lachen Sie nicht über diese Geographie!
Wenn schon auf Ihrer Karte bei Dalmation unten der
Name Alpen aufliört und noch eher die Thätigkeit
der Clubs, wenn schon die Gipfel von 2000 Meter
selten werden und der ewige Schnee und die Gemsen
ausgehen — die Bergkette läuft doch ununterbrochen
fort bis zu uns herunter, und Niemand wird ernsthaft
bestreiten können, daß das Excursionsgebiet der
hiesigen Subsection des S. A. C. nicht wirklich zu den
Alpen gehört.
Die Griechen selber sprechen von den „hellenischen
Alpen" und ein Gelehrter braucht sogar folgendes
kühne Bildr „Cette main gigantesque qui repose sur
les plaines de la Mor6e est celle du g^ant orogi*aphique
de FEurope centrale."
Sehen Sie ! Also am Zeigefinger dieses Riesen ist
unser Excursionsgebiet — das Ihrige allerdings liegt
dem Herzen näher.
Aber diese Gebirge haben auch noch andere
« • '
Eine Bergfahrt im Peloponnes. 305
Rechte, den Alpen beigezählt zu werden. Der Clubist,
welcher im Winter vom Quai von Nauplia aus über
den argoliscben Meerbusen hinweg zu den arkadischen
Bergen hintiberblickt, findet in den schneebedeckten
Gipfeln manche Verwandtschaft mit bekannten heimat-
lichen Bergformen und oft sogar muß er erstaunen
llber die frappante Aehnlichkeit des Charakters.
Der Grund dieser Aehnlichkeit liegt besonders
in der üebereinstimmung des Gesteins mit unsern
Alpenkalken, sodann in dem Umstände, daß wir auch
hier die Modellirungen einer sehr vorgeschrittenen
Erosion vor uns haben.
Ein dichter bläulichgrauer Kalk von meist undeut-
licher Schichtung bildet die Hauptmasse der hiesigen
Oebirge. Oft begegnet man mächtigen Einlagerungen
von dunklem Thon mit Bändern von Feuerstein und
Jaspis. An Versteinerungen ist das Gestein, welches
der Kreideformation angehören soll, im Allgemeinen
arm, doch sind locale Anhäufungen von Muschelresten
nicht selten.
Ob wohl diese hellenischen Alpen auch einmal
men Strom von Touristen an sich ziehen werden, wie
die westeuropäischen? Wohl schwerlich. Trotz aller
Schönheit der Formen, trotz aller wunderbaren Farben-
und Beleuchtungseffecte ist das Ganze doch nur eine
Einöde, und zwar ohne jene Großartigkeit, welche
Eis und Schnee unserem heimatlichen Hochgebirge
verleihen. Sobald man die Ktistenebene verläßt, tritt
man in eine Wildniß. Rings nackter oder mit spär-
lichem Gestrüpp bewachsener Fels, schlechte Pfade,
Oruppen elender Ställe, die man hier Dörfer nennt,
20
306 A. Trautweiler,
zahllose Schaf- und Ziegenheerden, die fortwährend
alle unbewehrte Vegetation vertilgen, und rohe Hirten
mit einer Meute abscheulicher Hunde — ob sich da»
Alles auch noch so reichlich mit klassischen Erinne-
rungen ziere und einen ewig blauen Himmel über
sich ausspanne, es läßt uns unbefriedigt, weil die
Natur mächtiger mit ihrer rohen als mit ihrer schönen
Seite auf uns einwirkt.
Dieser Umstand macht denn auch Bergtouren in
Griechenland wenig dankbar und äußerst beschwerlich.
Sie dürfen es also nicht mit Geringschätzung auf-
nehmen, wenn die Excursion, die Ihnen im Folgenden
beschrieben wird, nur einem Gipfel von 1774™ Höhe
gegolten hat. Beachten Sie auch wohl, daß wir vom
Meeresniveau aus steigen mußten und nicht von derHölie
der Thal sohle von üri oder ürseren. Argos, die ewige
Stadt, wo wir die Reise antraten, liegt nur 15" über
dem Wasserspiegel des nach ihr benannten Golfes.
Der M41evo, die höchste Erhebung des argolisch-
arkadischen Grenzgebirges, schien uns seiner domi-
nirenden Lage nach einem schönen Rundblick nach
Argolis und einen großen Theil von Arkadien zu
versprechen. Der Gipfel wird schon von Pausanias
in seiner Beschreibung des alten Griechenland unter
dem Namen Artemision erwähnt. Auf seiner luftigen
Höhe befand sich ein Heiligthum der Artemis.
Als wir am 19. Mai den Ausflug unternahmen,
war erst seit kurzer Zeit der letzte Anflog von Schnee
von den höchsten Gipfeln der argolischen Berge ver-
schwunden. Auf spätere Zeit durfte die Excursioii
nicht verschoben werden, da die Hitze ziemlich plötz-
Eine Bergfahrt im Peloponnes, 307
lieh auftritt und längere Fußtouren fast unmöglich
macht.
Ein junger griechischer College wollte auch dabei
Bein, und seine Begleitung war uns natürlich äußerst
willkommen, obschon wir stille Befürchtungen in Bezug
auf seine Ausdauer hegten.
Proviant und Decken für die Nacht packten wir
auf einen Esel, sein treuer Lenker Vasili gab dem
Thiere schweigend mit dem Stock über die Lenden
den Wink zum Abmarsch.
Es war Nachmittags 3 Uhr, als wir Argos ver-
ließen. Wir wollten noch an demselben Abend das
Dörfchen Turniki am Abhänge des Kteniaberges, circa
auf Quote 900, erreichen. Man hatte uns empfohlen,
beim dortigen Pfarrer Nachtquartier zu nehmen.
Der Weg führt zuerst um den Bergkegel herum,
der die Burg von Argos, die Larissa, trägt, und tritt
dann nach etwa einer Stunde in das enge Thal des
Xerias ein. Dieser im Alterthum Charadros be-
nannte Wildbach führt trotz seines 115 Quadrat-
kilometer umfassenden Sammelgebietes nur bei außer-
gewöhnlich starken Regengüssen Wasser, zumal im
Winter. An der Stelle, wo das engere Thal in die
Ebene austritt, isf das Bachbett über 10°* tief fast
senkrecht eingeschnitten und gegen 30" breit, während
es sich nachher fast verliert und da, wo es die
Stadt Argos im Norden und Osten begrenzt, kaum
noch eine merkbare Vertiefung bildet.
Aehnlicher Natur sind hier die meisten Wasser-
länfe; es sind eigentlich laxtter Wildbäche, in deren
Längenprofil man drei hauptsächliche Phasen unter-
308 A, Trautweiler.
scheiden kann: 1. eine Strecke mit sehr starkem
Gefäll, wo das Wasser über den kahlen Felsen ab-
rinnt; 2. eine solche mit mäßigem Gefäll, wo das
Bett als Furche von fast rechteckigem Querschnitt
in festem Lehm oder Oonglomerat eingeschnitten ist;
3. eine Strecke mit sehr geringem Gefäll, die meist
damit endigt, daß sich der Flußlauf in der Ebene
verliert.
Wildbäche im bösartigen Sinne können diese
Wasserläufe kaum sein, da ihnen die nackten Fels-
berge bei der unbedeutenden Verwitterung nur wenig
Geschiebe liefern. Auch begegnen sie in der Ebene
keiner Cultur, die intensiv genug wäre, um ihre Wild-
heit nachhaltig zu empfinden.
Gerade beim Ausgang des Xeriasthales stehen
mitten im Flußbett drei starke Backsteinpfeiler, Reste
eines Aquäduktes, durch den der Stadt Argos vom
Stymphalischen See her, auf einem Wege von 40 Kilo-
metern, Trinkwasser zugeführt wurde, dessen die
durstige Stadt des Danaos sehr bedurfte.
Eine kleine Strecke weiter mahnten uns wiederum
die Reste eines viereckigen Wachtthurms mit dem
prächtigen Mauerwerk aus gewaltigen Polygonal-
blöcken an die Blüthezeit des antiken Argos, das
bedacht sein mußte, jeden Bergpfad gegen die üeber-
falle des spartanischen Erbfeindes zu befestigen.
Wir mußten eilen und hatten keine Zeit zu archäo-
logischen Studien. Nachdem aber das Paläokastro
(altes Schloß) — wie der Grieche alle derartigen
antiken Gebäudereste heißt — hinter uns war, hatten
wir auch durchaus keinen Anlaß mehr, uns aufzuhalten.
Eine Bergfahrt im Peloponnes. 309
Links das Flußbett und kahle Felsberge, rechts eine
sterile Halde, oben durch einen Felsenhang begrenzt,
dessen zahlreiche Höhlen and „Balmen" von Hirten
bewohnt sind — so ging's drei Stunden lang weiter,
fast ohne einen Anlaß, sich nur umzusehen.
Ein wirklich armes Land! Im Alterthum war es
wohl etwas besser, aber nicht viel. Die jetzigen Be-
wohner sagen, das Land sei durch die Raubwirthschaft
der Türken verödet. Die Ebenen sind zum Theil
wieder ziemlich intensiv bebaut, obschon nach unseren
Begriffen auch hier wenig geleistet wird. Leider fehlt
es eben auch an Wasser. Niemand scheint aber daran
zu denken, dieses wenigstens künftigen Generationen
dadurch in reichlicherem Maße zu verschaffen, daß
auch die Berge für die Cultur wiedergewonnen werden.
Einschränkung ' der zahllosen, das Aufkommen einer
Vegetationsdecke unmöglich machenden Schaf- und
Ziegenheerden, Aufforstungen, üebergang zur Rindvieh-
zucht und zum hier gänzlich unbekannten Wiesenbau,
das sind die Mittel, welche helfen könnten. Aber der
gewaltige Widerstand, den die Lebensgewohnheiten
eines trägen, bedürfnißlosen Hirtenvolkes solchen Be-
strebungen entgegensetzen, läßt die Zahl der Jahr-
hunderte nicht absehen, welche nöthig sein wird, um
aus Griechenland jenen Garten zu machen, der in
diesem prächtigen Klima gedeihen könnte.
Bei der Einförmigkeit unserer Wanderung waren
die zeitweise zu vernehmenden Cadenzen einer Pans-
flöte eine willkommene Abwechslung. Wir waren einig
im Lobe dieses alten Naturinstrumentes, das bei den
hiesigen Hirten allgemein gepflegt ist. Das scheinbar
810 A, Trautweüer.
ordnungslose Tongeträufel hat, aus der Feme gehört^
eine gewisse melancholische Lieblichkeit und ist sehr
dazu angethan, Stimmung zu machen.
Ich schlage Ihnen deßhalb vor, um nach dem
Vorgange anderer Sectionen Ihrer Thätigkeit eine
originelle Richtung zu geben, für die Einführung der
Panstiöte in unseren Bergen zu wirken. Muster-
exemplare des Instrumentes stehen zu Diensten.
Endlich kamen wir zu einer Stelle, wo im Umkreis
von etwa einem Kilometer eine ziemlich tippige Vege-
tation herrschte. Der Weg führte durch hohe Büsche
von Stacheleichen, die unten, nach Art der Stechpalme,
bewehrte, oben stachellose Blätter tragen. Ohne Dom
oder Gift ist hier die Zukunft einer jungen Pflanze
hoffnungslos "
Die Ursache der plötzlichen Veränderung in der
Landschaft war eine Quelle, welche die Triebkraft
dieses Erdflecks hinreichend unterstützte, um den
Kampf mit der Sonnengluth des Sommers und der
Thierwelt zu bestehen. Dieses Gebiet war auch
großentheils bebaut, vorherrschend mit Gerste von
kümmerlichem Aussehen.
Der Tag ging schon zur Neige, als wir bei einigen
Hütten anlangten. Eine lustige Mädchenschaar, die
sich herzudrängte, um die Fremden anzugaffen, be-
fragten wir um den nach unserem Turniki einzu-
schlagenden Weg. Die gewünschte Auskunft wurde
indessen mit der wiederholten eindringlichen Mahnung
ertheilt, den Versuch, noch heute dorthin zu gelangen,
aufzugeben. Aber wir wußten wohl, daß der Mälevo
für uns verloren war, wenn wir nicht vorwärts eilten,
Eine Bergfahrt im Peloponnes, 311
und 80 wandten wir uns trotz Allem jener felsigen
Berglehne zu, wo sich der bezeichnete, kaum erkenn-
bare Pfad hinaufwand.
Als nach etwa einstündigem Aufstieg die Dämme-
rung hereinbrach, war es mit unserer Geographie bald
zu Ende. Es begann ein rathloses Umherirren durch
Schluchten und Gestrüpp, nicht ohne peinliche Be-
«orgniß für unsem schwer bepackten Esel. Der mit
großer Zuversicht erwartete Mond erwies sich als ein
höchst trügerischer Helfer in der Noth. Sein falsches
Licht fahrte uns erst recht irre, und immer wieder
geriethen wir an den Band der ungangbaren Schlucht,
jenseits welcher das von der Höhe herab grüßende
Hundegebell die Nähe des Dörfchens Turniki ver-
muthen ließ.
Unserem Vasili wurde endlich die Sache unheim-
lich, und er wagte den Vorschlag, die Nacht hier zu-
zubringen, denn „es hieße Gott versuchen, weiter zu
gehen". Hätte das ein Z'graggen oder Tresch zu uns
gesagt, so würde er sicher Gehör gefunden haben;
weil es aber nur der Vasili war, so wagten wir doch
noch einen Versuch, den Pfad zu finden. Und er
glückte. Der diesmal entdeckte Weg, so schmal er
war, ging nicht aus, und um 11 Uhr pochten wir an
die Thtire des Papa's von Turniki in der Hoffnung,
die gemarterten Glieder bald auszuruhen.
Aber in Griechenland hat ein Pfarrer, der fast
1000™ über dem Meere wohnt, gute Gründe, nicht Alles
hereinzulassen, was um Mitternacht an seine Thüre
pocht. So mußten wir noch während einer halben
Stunde diplomatischer Unterhandlungen den Moment
312 Ä. Trautweiler.
abwarten, wo das Vertrauen in unsere guten Absichten
die Oberhand gewann. Dann aber wurde uns die
griechische Gastfreundschaft in [rückhaltlosem Maße
zu Theil. „Das Haus gehört Euch", sagt der Grieche
zu dem eintretenden Gaste und damit ist Alles gesagt.
Damit Sie nun aber nicht meinen, wir seien bei
diesem Anlaß recht beneidenswerthe Hausbesitzer ge-
worden, muß ich nochmals hervorheben, daß so ein
griechisches Bauernhaus etwas sehr Unvollkommenes
ist und bei uns daheim kaum als ordentliche Club-
hütte dienen könnte. Es besteht in der Regel aus
zwei Abtheilungen, einem unausgebauten Raum, wo
allerlei Geräthschaften und Vorräthe untergebracht
werden und gekocht wird, und einer Kammer, die als
Wohn- und Schlafraum dient.
Als wir eintraten, lag mitten in der Kammer,
mumienartig in eine Wolldecke gewickelt, eine mensch-
liche Gestalt. Es war die Papadia, des Pfarrers Frau.
Sie richtete sich auf und ging hinaus, um den Fremd-
lingen Platz zu machen.
Der Papa bedauerte, keinen Wein zu haben. Wir
hatten uns aber für diesen Fall vorgesehen und unser
Gastfreund ließ sich gerne dazu verleiten, mitzuhalten,
während er seinerseits Schafkäse auftischte und Teller
und Servietten, welch' letztere hier in keiner Hütte
fehlen dürfen, hervorsuchte.
Als wir uns gestärkt und die Neugier unseres
Gastgebers befriedigt hatten, überließ uns dieser den
besseren Theil seiner Hütte vollständig. Auf dem
Boden war in mehrfacher Lage eine Wolldecke aus-
gebreitet, wo wir uns nach griechischer Art einmummten.
Eine Bergfahrt im Peloponnes, 313
Betten sind hier auf dem Lande nur dem Namen nach
bekannt. Die zu große Ermüdung machte das Schlafen
fast unmöglich. Es war ein Reißen und Beißen in allen
GHedern, als ob Ameisen drin wären, und anfänglich
entstand der Verdacht, es sei in den Wolldecken de»
Herrn Pfarrers nicht ganz geheuer.
Mitten in der Nacht entstand auch noch ein ver-
zweifelter Lärm außer dem Hause, der in einen wilden
Gesang von Männern und Weibern tiberging. Es war
das MoiQokoyiov (Mirolojo), die griechische Todten-
klage. Wer sie hört, den faßt der Menschheit ganzer
Jammer an. Man glaubt eher, den Gesang einer Schaar
Wahnsinniger zu vernehmen, als eine Kundgebung
der Trauer um einen Gestorbenen. Eine kurze Ton-
figur wiederholt sich in endloser Folge, und lautes
Schreien scheint dabei Hauptsache zu sein. Hier da»
„Leitmotiv'^ :
Die ersten Töne sind unbestimmt; oft beginnt der
Satz mit einem sehr hohen Tone, einem weitausholenden
Seufzer o^r Schrei. Die Melodie ist, wie beim orien-
talischen Gesänge überhaupt, dem Texte sehr unter-
geordnet.
Dieser letztere aber verdient alle Anerkennung,
und ich will als Probe die ersten Verse des Gesanges
im Urtext, Aussprache und wörtlicher üebersetzung
hier anführen, der in jener peinlichen Nacht im ein-
Samen Turniki oben ertönte. Er galt einem Kinde,
zum Fenster hinaus todtgefallen war. In der
814 A, Trautweiler.
Todtenklage wird die Seele des Verstorbenen redend
«ingeftihrt :
^Eyco ixiOsvoa iidva fiov
(Ego misevo mana mu)
(Ich gehe fort o Mutter mein) .'
i
nrjYceivco O^akkov töttov \
(pigäno s'allo topo) i
(gehe in ein anderes Land) i
Ttayo) O^Trjg ^'Agvrig ra ßovvd I
(pago s'tis Amis ta wunä) j
(gehe auf der Vergessenheit Berge)
ö\iqq ^ÄQvrfiag Tovg xafiTtovg
(s'tis Amisas tus kambus)
(nach der Verneinung (!) Fluren)
Die Fortsetzung, ebenfalls wörtlich übersetzt, lautet:
Wo die Mutter das Kind vergißt,
Und das Kind die Mutter;
Auch ich werde dich vergessen, mein Mütterchen.
Und wenn die guten Tage kommen.
Die Feste des Jahres,
Da wirst Du, Mutter, zur Kirche gehen^
Du wirst beten gehen,
Wirst die Jünglinge und Mädchen sehen.
Alle Welt wirst du sehen.
Du wirst meinen Platz leer sehen
Und meinen Stuhl frei.
Da werden deine Augen trübe werden
Und deine Schürze wirst du beschmutzen.
Ist das nicht rührend ? Es scheint etwas Uraltes,
Eine Bergfahrt im Peloponnes. 315
Heidnisches in den Versen zu liegen, wenigstens würde
wohl ein Text aus christlicher Zeit von Anderem als
„der Vergessenheit Bergen" reden. Doch mir geht
der Beruf ab, darüber Untersuchungen anzustellen.
Doch nun zurück in die Kammer des Papa's von
Tuniiki. Es war Zeit zum Aufbruch, gerade als sich
endlich eine bessere Disposition zum Schlafen ein-
stellen wollte.
Unser Vasili wurde mit dem Esel zurückgelassen,
indem wir ihm für den Abend im Thal unten ein
Rendez-vous bestimmten.
Wir stiegen zunächst am Hange des Kteniaberges
gegen die Paßhöhe hinan, welche die Wasserscheide
zwischen Argolis und Arkadien bildet. Auf dem kaum
gangbaren Pfade stieg gerade eine lange Reihe von
Saumthieren empor, jedes mit zwei elenden Säcken
Kom beladen, die nach dem „gesegneten" Arkadien
liinübergebracht werden sollten. So mag vor Jahr-
hunderten der Gotthard Bilder geboten haben, und
jetzt! Doch die Griechen sind näher am Ziel, als man
aus diesem Vergleich schließen möchte. Es gibt schon
eine schöne Kunststraße mit Zickzackwindungen, ähn-
lich wie unsere schweizerischen Gebirgsstraßen, die
von Argolis nach Tripolis, dem Hauptorte der arka-
dischen Hochebene, hinüberführt. Sogar ein Eisenbahn-
projekt harrt der Ausführung und hat viele Aus-
sichten.
Vom Abhänge des Mälevo trennte uns nur noch
eine kleine Schlucht. Wir überschritten dieselbe, und
Bach einer Erfrischung begannen wir die ruppige
Felsenlehne hinaufzusteigen.
816 A, Trautweüer,
t
Jetzt, werden Sie denken, geht's endlich los : jetitj
kommen die Kletter- und Schwindelpartien, Gratritte,
Geröllhalden und wie alle die schönen Dinge heißen,
welche zum clubistischen Sport gehören. Aber nichts
von alledem! Es geht einfach eine gleichmäßig mit
etwa 60 ® 0 ansteigende, rauhe Halde hinauf. Inuner
derselbe höckerig ausgewitterte Kalkfelsen mit spär-
licher Vegetation von niedrigen stachligen Gesträuchen
und KräuteiD.
Die Aussieht auf dem Gipfel, hofften wir, werde
uns für den Mangel an Abwechslung auf dem Wege
entschädigen.
Wenn indessen die Natur uns keine Hindemisse
in den Weg legte, so waren sie uns darum doch nicht
ganz erspart. Ein Hirte, in diesem Falle allerdings
auch ein Stück Natur, vertrat uns den Weg: Wohin
wir wollten, was wir da oben zu thun hätten? wir
sollten nicht hinauf, seine Kameraden weiter oben
würden auf uns schießen. Und als wir nicht nach-
geben wollten, meinte der freundliche Sohn der Berge,
wir seien gewiß dm*chgegangene Spitzbuben, kämen
um Schafe zu stehlen u. s. w. Das gefiel uns nun
nicht mehr ganz, besonders weil die Interpellation
von einem Standpunkte aus geschah, der wohlgedeckt
war durch einen Gürtel mit Pistolen und Messern.
Wir versuchten den ungestümen Hellenen dadurch zu
beruhigen, daß wir ihm den Zweck unserer Reise
auseinandersetzten, aber dafür fehlten alle Begriffe.
Erst als wir ihn einluden, mitzukommen, und ihm
sogar eine Belohnung in Aussicht stellten, wenn er
die Freundlichkeit haben wolle, sich selber von unserer
y
Eine Bergfahrt im Peloponnes. 317
Harmlosigkeit zu überzeugen, nahm die Sache eine
gute Wendung. Der neue Begleiter wurde auf dem
weiteren Wege bald milde, zuletzt sogar ziemlich
freundlich gestimmt.
Um 9 ühr langten wir auf dem Gipfel an. Die
Aussicht, obschon nicht von der Großartigkeit unserer
alpinen Panoramen, war doch überaus entzückend
und interessant.
Im Norden hatten die uns umgebenden Berge am
meisten den Charakter des Hochgebirges. Die scharfen
Kämme und tief eingeschnittenen Thäler im Flußgebiete
der Panitza, des alten Inachos, bildeten ein sehr
schönes klares Relief. Nirgends ist Wald zu sehen,
nur um einzelne Erhebungen zieht sich ungefähr
zwischen Quote 1000 und 1500 ein lichtes Band von
Nadelhölzern. In den Runsen und Thälern fließt kein
Wasser. Der nackte Fels hat Alles in seine Ritzen
aufgenommen, und nur im Winter haben einzelne
Wasserläufe eine kurze, wildbachartige Existenz. Gegen
Süden mochte es hinter dem zackigen Kteniaberge,
der uns die Fortsetzung der Bergkette gegen das Kap
Malea hinunter verdeckte, ähnlich aussehen. Aber
gegen Osten, welch* entzückendes Gemälde 1 Die tief-
blaue Fläche des argolischen Meerbusens mit den
zahlreichen Vorgebirgen und Inseln, die Ebene von
Argos mit den weißschimmemden Dörfern, den Oliven-
wäldem und Orangenhainen, im Hintergrunde die
Berge von Epidauros und Korinth, Alles klasssich in
Farbe und Zeichnung! Es ist ein Bild ganz anderer
Art, als es die heimatlichen Berge bieten, aber zum
Mindesten ebenso schön.
318 A. Trautweiler.
Die griechische Landschaft ist bekanntlich besonders
durch ihre Farben ausgezeichnet. Der Mangel an dem
profanen Grün scheint sie zu veredeln. Dazu kommt
die große Intensität von Licht und Schatten bei einer
fast tadellosen Reinheit der Luft. Die Wälder, welche
die Formen unklar machen, die Schattenwirknng ver-
derben und den Berglehnen aus der Ferne ein un-
ruhig fleckiges Aussehen geben, fehlen hier; statt
dessen scheint oft Alles wie von gelbbraunem Sammet
überzogen. Es ist überhaupt nichts da, was die Idee
profaner Nützlichkeit wachrufen könnte, Alles ist nur
Form und Farl)e.
Die „Aussicht von Chiliomodi gegen Westen"
(siehe Beilagen) bringt diesen Charakter der pelopon-
y nesischen Landschaft in treffender Weise zur Darstellimg.
Schauen wir nun noch von unserem Gipfel aas
nach Westen. Da war unserem Blicke vergönnt, das
„glückselige^ Arkadien zu umspannen.
Von Arkadien haben Sie schon in der Schule
gelernt, daß es mit Unrecht gepriesen wird, daß es
ein rauhes Berglaad ist, und auch der oft gemachte
Vergleich mit der Schweiz sehr schlecht darauf paßt.
Was man vom Mälevo aus sehen konnte, schien
das zu bestätigen. Aber diese Seite des Panorama's
hatte ihr historische« Interesse.
Zu unsern Füßen dehnte sich die langgestreckte
Ebene von Tripolis, einem ausgetrockneten Bet^see
ähnlich. Diese Fläche hat viel alt- und neugriechisches
Blut getrunken. Dort haben sich so oft die Heere
der Spartaner mit denen ihrer Feinde von Argos,
Athen und Theben gemessen. Da, gerade vor uns,
Eine Bergfahrt im Peloponnes. 819*
liegen die Trttmmer von Mantineia, wo Epameinonda»
die edle Beele ansgehaucht. Weiter südlich, in der
Nähe des alten Tegea, das moderne Tripolis, wo der "^
Wnth der entmenschten griechischen Freiheitshelden
Yor 60 Jahren die ganze türkische Bewohnerschaft
zma Opfer fiel.
Westwärts umschließen die Hochebene die arka-
dischen Berge, Gipfel an Gipfel, einem wogenden
Meere gleich.
Gegen drei Stunden brachten wir auf der Spitze
des M41evo zu. Die Luft war ruhig und die Tem-
peratur angenehm.
Unser halbwilde Begleiter hatte schließlich volles
Zutrauen zu uns gewonnen, und war erfreut, uns mit
seiner Kenntniß der Umgebung dienen zu können.
Als er noch den versprochenen Lohn ausbezahlt erhielt^
nahm er hochbeglückt mit einem gewiß gut gemeinten
„Audio** von uns Abschied.
Gegen Mittag mußten wir an den Aufbruch denken^
denn wir hatten noch einen langen Weg vor uns.
Wir wählten den Abstieg auf der Nordseite, weil
wir dort in dem Dorfe Karya am Fuße des Berges
fflcher Wasser zu treffen hofften.
Es ging zunächst eine steile Schutthalde hinunter.
Unser griechische College wurde hier etwas ängstlich
und kam nur mit großer Mühe vorwärts. Ich gewann
dadurch Zeit, der spärlichen Flora einige Aufmerksam-
keit zu schenken, und war überrascht, fast lauter
Bekannte aus der heimatlichen Flora zu finden, während
doch die Pflanzen der tieferen Region größtentheils^
andere sind.
320 A, Trautweiler, Eine Bergfahrt im Peloponnes.
Nochmals wurde uns eine freundliche Begrüßung
von Seite einiger Hirten zu Theil, die uns von einer
Höhe herab unter Hohngeschrei Felsblöcke in die
Flanke sendeten. Gefahr war glücklicherweise leicht
«u vermeiden, aber davon abgesehen hätten sich
unsere Arkadier gewiß über einen allfälligen Erfolg
ihrer originellen Begrüßungsweise wenig beunruhigt.
So haben also Mitglieder des S. A. C. das alte
Hellas, seine Berge und deren Bewohner, so die viel-
gepriesene Heimat der Homerischen Götter wieder-
gefunden !
Doch es wird auch hier besser werden. Der Zu-
stand von Land und Volk ist noch elend, aber der
Fortschritt verdient Bewunderung. Noch ein halbes
Jahrhundert wie das letzte, und — das erste Jahrbuch
eines hellenischen Alpenclubs wird erscheinen!
Immerhin mag es auch dann noch undankbar genug
sein, eine Bergfahrt wie die unsrige zu beschreiben,
«nd man wird es auch dann vom Leser nicht ver-
langen können, daß er nach der Beschreibung einer
80 einförmigen Bergbesteigxing den Berichterstatter
auch noch auf der Rückreise begleite.
Wir aber nehmen jetzt ganz bestimmt Abschied,
-denn es wird Ihnen leicht sein, sich auszumalen, wie
Ihre Clubgenossen durch ein ödes, einförmiges Thal
nach Argos zurückgelangt sind.
In der Clubhtitte im Erstfelder Thal sehen wir
uns wieder. Sorgen Sie, daß es dort ein angenehmeres
Obdach gebe, als beim Pfarrer in Turniki.
m.
Abhandlungen.
Die RömerstraBen in den Alpen.
Von
Dr. IL Bubi (Section Bern).
III. Rätische Alpen.
In den rauschen Alpen kannte Polybius nach
Strabo, p. 209, nur einen Weg. AugustuB legte deren
mehrere und verhältnißmäßig bequeme an und sicherte
sie vor den Räubereien der Eingebomen. Der west-
lichste Paß dieser Gegend ist der Lukmanier. Weder
auf der Peutinger'schen Karte, noch im Itinerarium
Antonini findet er sich. Er hat Spuren einer alten
Straße; ob diese aber aus der Römerzeit oder aus
dem Mittelalter stamme, wagt Bavier nicht zu ent-
scheiden. In Castro im Val Blegno soll bis in's XII. Jahr-
huDdert ein römischer Thurm gestanden haben, und
bei Malvaglia hat man 1852 einen großartigen Fund
von 3000 Stück römischer Münzen des dritten Jahr-
hunderts gemacht. Dies sind die einzigen Spuren, und
sie scheinen mir nicht hinreichend, um einen römischen
Weg von Bellinzona nach Dissentis über den Lukmanier
oder nach Ilänztiber den La Grainapaß zu constatiren.
324 H. BüU,
Sicher römisch ist dagegen der Weg über den
Bernhardin (2063™). Von Chur aus ist er eine
Zeit lang der gleiche, wie für den Splügen. Ich be-
schreibe ihn im Folgenden nach Bavier und Meyer.
In römischer Zeit ging die Straße von Chur auf dem
rechten Ufer des Rheins über Vogelsang nach Räzüns
am Hinterrhein ; von da über Roncaglia, Foppas und
Bolveins nach Präz hinauf; von hier den Heiazenberg
entlang, wo die Dörfer in einer Linie liegen, nach
Urmeins , über die NoUa , durch den sog. „Dürren
Wald" am Fuß des Piz Beverin , über den Sattel
zwischen Matton und Wergestein, um den Piz Vizan
herum, über die Alp Annarosa nach Perfils und von
da hinunter nach Sufers. Sparen der Via Strata sind
namentlich im Dürren Wald. Bavier glaubt nicht, daß
die Station La^ndaria der Peutlnger'schen Tafel beim
M^iensäß Seißa ob^halb Thusis zu suchen sei, ob-
wohl die Bedeutung von Seißa mit Lapidaria überein-
kommt und deutliche Spuren einer im Zickzack ge-
bauten, 6 Fuß breiten, besetzten Straße hinaufführen.^)
Diese Station sei vielmehr zwischen Dürren Wald mid
Lohn zu sudien, und allerdings iat für jene Abweichung
von der natürlichen Linie kein rechter Anlaß za
finden. Von Sufiers geht die Römerstraße am Fnß des
Kalkberges vorbei bis zur Kirche von Splügen. Hier
ist ein wohlerhaltenes Stück, 1,5" breit, noch jete*
zu Holzfuhren verwendet. Von Präz an geht die Straße
auf der Sonnseite durch die blühenden Ortschafteif
des Heinzenberges , wo in d^ Aeckern oft rönaiscbe
^) Netter Sammler 180B, p. 162 ; 1806, p. 3(3.
Die Bömerstrassen «>» den Alpen, 325
Münzen gefandoD werden, und des Sebamserberges.
Von Splügen (der Name soll von dem lateinischen
speenla = Warte kommen) folgt der Weg stets der
linken Seite des Hinterrbeins über Medels, Nufbnen
und Hinterrbein. Breite wechselnd von 1,5G°> bis
1,80"». Bei Hinterrbein über den Fluß. Der Bem-
bardin hieß im Mittelalter mons aTium oder Yogel-
berg, und sein jetziger Name stammt von der 1444
dem hl. Bernhard von Siena errichteten Kapelle. Die
Stücke der Via Strata dienten hier bis vor einigen
Deeennien als Grundlage fttr den Winterweg. Sie
eignete sich dazu, weil sie die Schneeweben vermeidet,
ein Beweis des praktischen Sinnes der römischen In-
genieure. Unter dem kleinen Dorfs Bernardino geht
die antike Straße links von der jetzigen, die sie erst
bei San Giaoomo wieder erreicht, längs der Mo^sa
auf dem westlichen Thalbang. Sie ist 5— 6 Fuß breit,
gut besetzt, an vielen Stellen von Mauerwerk unter-
stützt. Vom Dorf Misocco an folgt die Straße immer
dem rechten Ufer der MoSsa bis zur Vereinigung mit
dem Tessin und erreicht diesem folgend Bellinzona.
Dieser Ort heißt Bellitiona bei dem Geographen von
Kavenna, p. 251, Bilitione bei Gregor von Tours.
Dabei lagen nach dem gleichen Autor die Oampi
canini, die jedem Wanderer durch ihre Hundstagshitze
bekannte Ebene am unteren Tessin. Durch diese
Oampi canini marschirte nach Ammian. XV, 4, 1, im
Jahre 356 der Kaiser Constantius gegen die Ala-
mannen im Linzgau. Er ist also sehr wahrscheinlich
Qber den Bernhardin nach Chur gegangen.
Die Römerstraße über den Splügen (2117 «p) igt
326 H. Bubi,
in der Schlucht des Spltigenbergbaches in Sparen er-
halten. Von der Höhe des Spltigenberges geht sie
über den steilen Kegel nach der italienischen Dogana.
An dieser Strecke haftet noch jetzt der Name cuneo
d' oro , entsprechend der Station Cuneus anrens der
Peutinger'schen Karte. Von hier geht der älteste
Weg dem Abhang folgend in das Thälchen, wo Ma-
desimo liegt. Hier sucht man die Station Tarvesede
der Tab. Peuting. und des Itiner. Anton. , und die
Distanz X m. p. stimmt damit. Der Weg ist steil, aber
noch für Saumrosse gangbar. Ein anderer Weg führt
dem Cardinel gegenüber von dem Bergrücken steil ab-
wärts nach Isola und durch Wiesengründe, in denen
die Via Strata wohl erhalten ist, nach Campo Dolcino.
Beide Wege vermeiden den durch Schneestürme Übel
berüchtigten Cardinel. Zu Anfang des XIX. Jahrhun-
derts standen bei Campo Dolcino noch Reste eines vier-
eckigen Thurmes mit IV2"* dicken Mauern, Inner-
raum 2V2°» auf jeder Seite. 400 Schritte davon auf
der andern Seite ein Gemäuer , 1™ dick , vielleicht
Reste einer Specula. Der gepflasterte Weg in der
Thalebene bei Isola war wohl nur fUr Saumthiere
bestimmt ; er hat eine geringe Breite und keine Aus-
stellplätze. Die Entfernung von Chur nach Chiavenna
wird auf 79 römische Meilen = 117^™ angegeben;
auf der Karte sind es nur 105^™. Daß Stilicho im
Jahr 401 über den Splügen gegangen sei, wie Meyer
zu vermuthen scheint, ist mir zweifelhaft. In der
schauerlich romantischen Schilderung des Claudian
(de hello getico v. 330 ff.) ist von Fuhrwerken die
Rede, und der Splügen war vielleicht in römischer
Die Römerilraaten in den Alpen. 827
Zeit nicht fahrbar. Bei der ganz allgemeiDen Fasanng
der topographiBchen Angabe „da , wo die Seite Hea-
periena mit der rätischen Grenze sich vereinigt", läßt
sich nicht entscheiden, welcher der rStischen Pässe
gemeint sei; vielleicht der Julier. Die neue Straße
durch die Via Mala berührt die alte nur beim Dorf
8plllgBD, bei der Dogana und bei Campo Dolcino.
Von Räzäna konnte man auf kürzerem, aber be-
sehwerlicljerem Wege als über Chur auch Über Tamins,
Foppa, Kunkelspaß, Vättis, Vadura zur Porta Romana
bei der Ruine Wartenstein, oberhalb Ragaz, und nach
Sargans gelangen. ')
Den Hauptweg von Bregenz nach Mailand gibt
das Itinerar folgendermaßen an : Curia L, TinnetioneXX,
Mnro XV, Snmmo Lacu XX, Como XV, Mediolano XVIII.
Da Tinnetione unstreitig Tinzen und Snmmo Lacu =
Samolaco an der Maira ist, so gebt dieser Weg flber
den Septimer oder über Julier und Maloja. Die
DistanzeD stimmen besser zum Septimer (2311"),
der, im Mittelalter von allen Oranbllndner Pässen am
meiaten benutzt, einige Stunden kurzer ala der Julier,
durchweg sicher und leicht passirbar ist. Den Namen
des Passes leitet Campell (Rbset. Alp. Topogr. Ms.,
p. 1G2, Gtat nach Bavier) von Septimns Mona ah,
nSmlich : Adlerberg, Fresgun, Fermeunt, FlUela, Albula,
Jnlier, Septimer oder: Ereuzlipaß, Buffalora, Albula,
Bemina, Julier, Haloja, Septimer. Nach Andern stammt
der Name vom Kaiser Septimins Severus ab , o
■) Die rSmlBchea Ansiedelungen in der Ostschn
UitOieil. der Zürcher anUquar. OeseUscliaft 1S60, p. 336
a2S B, DiOd.
taan meint, äet Name bedeute Siel^erberg, weil ü^
Alpen deti sieben Gemeinden in Ober-Potta gebSren.
Ebenso ttwahrseheinlleh ist die Beziehung auf den
Monat September nnd die Yergleielning mit Mandra^
d'Agosto und Jtdier. Beptimer tmi JuMer werden y(m
£nde Juni bis £nde September mit Vieh befahren.
Die Anwohner heißen den Berg Sett^ Sette oder Set-
timer, Settmernnd Setmerberg, auf Urkmiden erseheint
er als Mons Septa, nf dem Sepmen ze St. Peter, Mons
Setimns imd Septimns. Die Bedeutung des Nanens
verliert sich wohl, wie der Gebrauch des Passes, im
Dunkel der Vorzeit.
Eine Beschreibung des Weges hat Prof^ Brtfgger
im Anzeiger für Schweiz« Geschichte 1860 geliefert.
Der Weg von Chur nach Tiefenkasten vermied das
schwierige Terrain im Domleschg und der Albnla-
schlucht, und ging durch das vordere Sehanfigg
über den Churwaldnerberg und die Jochalp, also Chnr-
walden-Parpan-Lenz. Im sog. Schwarzwald sind üeber-
reste der Via Strata, von Tiefenkasten längs der Julia
nach Barwein und Centers. In letzterem Orte wurde
1786 ein Eupferkessel voll goldener und silberner
Armspangen und keltischer Mttnzeü gefunden. Von
Centers nach Tinzen. Hier verschiedene Wohlerhaltene
Kehren* Breite = 2,70™. Zweifelhaft ist, ob diese
nicht erst aus dem XIV. Jahrhundert stanmien , wo
die Straße von Jacob Castelmur neu erstellt wurde.
Die alte Straße vermied alle Schluchten und Sümpfe
der jetzigen, indem sie unterhalb Möllns längs der
jetzigen Waldgrenze über die Alpen von Flix bis zur
Ruine von Spadlatsch und dann wieder oberhalb
Die Bömerstrassen in den Alpen, 829*
Marmorera durch den Wald auf dem rechten Ufer
nach Stalvedro ging. In Stalla Trennung für Julier
und Septimer, daher der romanische Name Bivio.
Die Septimerstraße war wohl nur ein Saumweg. Auf
der Höhe war im Mittelalter ein hospitale oder xeno-
dochium St. Petri. Nach Casaccia hinunter ist der
Weg stellenweise gut besetzt und 4 — 5 Fuß breit»
In Casaccia erreicht er wieder die Julier straße. Diese
geht von Stalla in Kehren auf die Höhe (2287 °>) de*
Berges, wo zwei Säulenstticke von römischem oder
noch früherem Alterthum zeugen. Bei denselben sind
1854 viele Münzen gefunden worden. Folgende Namen
erscheinen darauf: Caligula, Claudius, Nero, Vespasian^
Nerva, Marc Aurel, Gordian, Faustina, Domitian,,
Julia Pia Septimi Severi uxor, Antoninus Pius, Ale-
xander Severüs, Philippus, Gallienus, Gothicus, Probus,
Maximianus, Constantius Chlorus, Maximinus, Maxen-
tius, Constantinus Magnus, Licinius, Constantius. Die
Form der Säulen ist nicht cylindrisch, sondern konisch,,
die eine liegt links gegen Norden. Sie ist 2,15™'
hoch. Die Peripherie der oberen Grundfläche ist 1,57"^
in der Mitte 1,54"», die andere steht rechts gegen
Süden, 2,05"* hoch, Peripherie der oberen Grund-
fläche 1,57°», weiter unten 1,63 bis 1,61". Jede
8äule hat in der Stirnfläche ein Loch zur Aufnahme
eines Zapfens. Beide Stücke zusammen bilden einen
Kegel von 0,40» oberem und 0,53°» unterem Durch-
messer und 4,20 "» Höhe. Die Säule besteht aus Lavez-
stein, einem Gemisch von Serpentin und Talk. Wir
haben schon in den Westalpen solche Cultdenkmale
gefunden. Avienus im Gedichte de ora maritima v.
330 R. Bubi,
637 erwähnt eine columna solis bei der Quelle der
Ehone. Tschudy und Andere bezogen unsern Berg
auf Julius Caesar und deuteten die Säule als Sieges-
aeichen, gewiß mit Unrecht. Aber auch Stumpfs Ab-
leitung von den julischen Alpen ist unmöglich. Auf
der Höhe sind die üeberreste der Via Strata unzwei-
deutig. Im Ausgang des Julierthales geht die Römer-
fitraße rechts durch den Wald hinunter, ohne Silva-
plana zu berühren , und dann am Südabhang des
Polaschein nach Sils-Basseglia und am linken Ufer
des Silsersee's nach Maloja. Campell ^) erzählt von
Spuren eiserner Wagenräder in Felsen längs dem
Silsersee und auf dem Julier. Breite des Geleises
5t-6 Fuß. Darnach war der Julier fahrbar wie in
den Westalpen die Küstenstraße , der Mont Gen^vre
und der Kleine St. Bernhard. Der Abstieg nach
Casaccia, wo die Septimerstraße einmündete, war sehr
steil; die Römerstraße hatte drei langgezogene Curven,
die spätere 9 , die jetzige deren 22. Von Casaccia
geht sie über Castelmur, Castasegna und Plurs nach
Chiavenna. Bei Castasegna ist ein Stück Römerstraße,
das vor 1859 und der neuen Bergellerstraße sogar
befahren wurde, 2,70*" breit und gepflastert. Aber
auch schon weiter oben finden sich Spuren. Die alte
Straße ging unterhalb Casaccia auf dem rechten Ufer
der Maira. Hier sind römische Straßenreste bei Rot-
ticcio und S. Cassiano (Vicosoprano), ebenda sind zwei
alte, runde Thürme, angeblich römischen Ursprungs.
0 Sein Bericht ist abgedruckt im Neuen Sammler 1804,
p. 99, und im Anzeiger für »Schweiz. Geschichte 1860, Heft 3,
p. 127.
IHe Römerstraasen in den Alpen. 331
Auch oberhalb Coltura ist eiD StUck RÖmerstraOe.
Am besten constatirt ist sie bei Promontogno. Hier
sind uralte Qaermauern, die zwischen dem Fluß und
der Bergwand die Straße sperren. Hier sucht man
die Station Munis des Itinerar und nach alter Tra-
dition soll hier zwischen dem Berg und dem Thurm
von Gastelmur die Porta Prsegallite gewesen sein, von
der das Bergell, ital. Bregaglia, seinen Namen er-
halten habe. Da in antiken Zeiten in diesem Thal
das Volk der Bergalei bezeugt ist, so ist diese etymo-
logische Deutung wohl müßig, ebenso stammt die alte
Brücke über die Maira bei Promontogno nach In-
genieur V. Albertini's und Professor Maurizio's Urtheil
wahrscheinlich aus dem Mittelalter. Aber coustatii-t
ist die Römerstraße von Promontogno zum Thurm
Castelmur und rechts um denselben herum, vielleicht
auch die linke, die jetzt mit Rasen und Geh lisch ver-
deckt ist. Von einer ehemaligen Brücke unterhalb
*) Ans BaTler: Die Straßen der Schweiz.
Die Eömerstrassen in den Alpen, 833
t»% 9 9 -r t i • Bit«««*
Profil der Bömerstrasse bei Fromontogno.
Aus Bavier: Die Strassen der Schweiz.
dem Sastama sind Spuren eines Pfeilers auf dem
linken Mairaufer erhalten, vielleicht römisch. Nach
Lotfamann, Geschichte Tyrols I, Seite 145, existirte
schon zur Zeit des Dnisus eine Straße durch das
Eugadin naöh Finstermünz und Heran, eine Behaup-
tung, die sehr zweifelhaft ist.
Im östlichen Theil der rätischen Alpen sind zwei
riJmische Hauptwege zu verzeichnen, die Via Claudia
aus dem Etscfathal in das des Inn über die Reschen-
Bcheideck (1493"^) und von diesem in das Rhein-
thal bei Feldkirch über den Arlherg. Die Haupt-
punkte dieser Route sind: Pons Drusi bei Bozen,
Meran , Mals , Landeck , Bludenz , Olunia «= Feld-
kirch, Brigantium = Bregenz. Der Name der Straße
erhält die Erinnerung an den kühnen römischen Feld-
herrn, der in einem blutigen Sommerfeldzug diese Ge-
genden der Herrschaft seines Stiefvaters und des rö-
mischen Volkes unterwarf und durch diesen genialen
Straßenzug die Vereinigung erzielte mit den west-
riUischeii Gebieten, welche unter die Hand seines Bruders
Tib^ns gefallen waren. 850 Millien lang, sollte die
Via Claudia Po und Donau mit einander in Verbindung
setzen, ^äter durch die directere Brennerroute ver-
drSiBgt, figurirt sie nicht im Reisehandbuch, und wir
verdanken die Kunde von ihrer Existenz einzig drei
Ueüeosteinen , von deinen der eine 6 — 7 Millien von
334 H, Dübu
Feltre nach Belluno zu , die anderen bei Rabland
oberhalb Meran und bei Toll im Tirol gefunden wor-
den sind. Die beiden letztern stehen nicht auf der
Brennerstraße, sondern im Vinstgau, und daß sie nicht
hieher verschleppt sind, beweist das Material : Vinst-
gauerkalk. Diese Steine bezeugen, daß der Kaiser
Claudius im Jahre 46/47 nach Christo die einst von
seinem Vater quer durch die Alpen angelegte Straße
von Altinum ausgehend neu hergestellt, mit Mauern
gestützt und gegen das Wasser gesichert, also, wie
wir sagen, chaussirt hat. Die Strecke Oderzo-Trient
figurirt im Itinerar mit den Stationen Ad Cepasias(?),
Feltria = Feltre im Val de Mel, Ausugo im Val
Sugana. Von Tridentum stieg die Straße das Etsch-
thal hinauf über Endidse = Neumarkt nach Pons
Drusi, dem jetzigen Bozen, das auch Prsesidium Tiberii
hieß. Die Via Claudia Augusta blieb im Etschthai.
Römische Inschriften auf der Reschenscheideck be-
zeugen das Dasein einer römischen Straßenverbindung
aus der Vallis Venusta, dem Vinstgau, in's Inntbal.
Der weitere Straßenzug ist nicht bezeugt, kann aber
nur über den Arlberg in den Wallgau , die Vallis
Drusiana des Mittelalters, gegangen sein.
Im Itinerar findet sich statt dieser nordwestlichen
eine directere Verbindung von Süd nach Nord über
den Brenner (1367™). Die Stationen sind von Verona
aus: Palatium = Palazzo, Tridentum = Trient,
EndidsB = Neumarkt, Sublavione = Kloster Seven
oder Klausen unterhalb Brixen, Vipit^num = Sterzing,
zuoberst an der Eisack im Wippthal, Veldidena =
Kloster Wilten bei Innsbruck, Parthanum = Parthen-
Die Bömerstrassen in den Alpen. 335-
kirchen an der Loisach. Von da ging die Römerstraße^
doi'ch den Ammergau nach Abodiacum = Epfach am
Lech und nach Augsburg. Die Länge der Route wird
auf 272 Millien angegeben. Die Peutinger'sche Karte
hat ein paar Stationen mehr, die aber nicht alle be-
stimmt werden können. Ich nenne nur die wichtigen r
Pons Drusi = Bozen, Matreium = Matrei, welchem
Ort gegenüber bei Lueg ein Meilenstein gefunden
wurde , ebenso bei Zirl oberhalb Innsbruck , wo die
Straße das Innthal verläßt. Scarbia scheint Scharnitz
zu sein , bei Mittenwald und Parthenkirchen sind
Meilensteine gefunden worden. Aus Inschriften wissen
wir, daß die Kaiser Septimius Severus und M. Aurelius
Antoninus Pius (bekannter unter dem Namen Caracalla),.
wie dessen Bruder Septimius Geta Antoninus, 201/202
p. Chr. die Straßen und Brücken dieser Gegend
wieder hergestellt haben. Auch die späteren Kaiser
seit Diocletian betheiligten sich eifrig an ihrer Aus-
besserung. Aber auch aufwärts können wir die Existenz:
der Brennerstraße weit verfolgen. Es ist fast zweifel-
los, daß der von Polybius bei Strabo durch das Ge-
biet der Räter bezeichnete Paß der Brenner ist. Die
Sage von der Entstehung des Bernsteins an der Mün-
dung des Eridanus, d. i. des Po, weist auf uralte-
Verbindung etruskischer Händler von der Adria zur
Ostsee hin, und eine zusammenhängende Reihe von
etruskischen Funden in der Val di Cembra bei Trient,.
zu Caldaro im Etschthal bei Brixen , zu Greifenstein
bei Bozen an der Eisack, zu Pfatten an der Etsch
bei Bozen, zu Kronburg im Oberinnthalerkreis , zu
Matrei und Sonnenberg am nördlichen Abhang des-
336 H. THOh.
Brenner leiten uns zuverläßig über diesen Paß, der
:also von den Römern nur verbessert worden ist. ^)
Diese äußerst wichtige Straße, die an vier Stellen, bei
Trient , Bozen , Innsbruck und Epfach , Kreuzungen
hat, war sicherlich befestigt. Unter König Theodorich
existirte bei Trient eine Burg Verruca, deren Name
römisch scheint (Cassiodor variar. DI, ep. 48). Bozen
liat in alten Urkunden den Namen Tunis Drusi oder
Präsidium Tiberii ; bei Innsbruck lag die römische
Burg nachweisbar auf dem Lorenzenberg. Auch Burg
Teriolis bei Meran und Martiola bei Chur, wo vier
Pässe zusammenkommen, scheinen römischen Ursprungs
zu sein.
Wir gehen nun zu den Julischen Alpen über.
:Schon den Alten ist es aufgefallen, daß von der Grenze
Ton Kätien und Noricum weg, die mit dem 30. Meri-
dian ungefähr zusammenföllt, der Bau der Alpen sich
-vollständig ändert, indem die Grebirgsmasae sich fächer-
förmig nach dem Osten und dem pannonischen Tief-
land zu öffnet. Dem entsprechend ist auch die Rich-
tung der Pässe auf die Längsthäler angewiesen, und
wiederholte Steigungen sind nöthig, um den Kamm
des Gebirges zu überwinden. Der Austritt aus Italien
ist bestimmt durch den Lauf des Tagliamento nnd
Isonzo, und es ergeben sich daraus drei Straßen.
Die westlichste ist im Itinerarium, p. 279 W., ver-
izeichnet als kürzester Weg von Aquileja nach Veldi-
dena mit einer Länge von 215 Million. Von Juliom
Oamicum = Zuglio aus am oberen Tagliamento er-
^) H. Genthe: Ueber den etruskischen Tanschhandel
jiach dem Norden. Frankfurt 1874.
\
Die BömerstroABefn in den Alpen, 337
stieg der Paß die Al^pis Julia im Monte Croce (1371")
und führte über die Pleckenalp (1257™) hinab nach
Lonciom = Mauthen im Thal der Gail, und Yon da
wieder aufwärts über den Kötschachpaß (1014™) nach
Ober-Draaburg an der Drau. Durch das Pusterthal
setzte sie sich über Aguontum =» Lienz, Littamum »x
Jimiehen^ die Wasserscheide bei Toblach (1204"»)
Sabatnm = St. Lorenzen an der Rienz fort^ um bei
der jetzigen Franzensfeste zwischen Brixen und Bter-
zing in die Brennerroute zu münden. Einige auf der
Jochhöhe in den Felsen gehauene Inschriften melden
von Wegebanten aus dem Jahr 373 p. Chr.^ und eben-
dort ist eine etruskische Inschrift gefunden worden,
welche von dem hohen Alter des Verkehrs Zeugniß
ablegt.*) Aus dem Thal des gleichen Tiliaventus =
Tagliamento zweigt östlich eine zweite Straße ab,
folgt dem Lauf des Fella durch Pontebba und Pon-
tafel und erreicht bei dem Dorfe Saifnitz die Wasser-
scheide (783") zwischen dem Adriatischen und Schwar-
zen Meer. Dann senkt sie sich nach Tarvis an einem
Zufluß des Licus == Gail und erreicht von da Santi-
cum «= Villach an der Drau und Virunum , dessen
Kuinen nördlich von Klagenfurt gefunden werden.
Dieser Weg scheint in der Peutinger'schen Tafel und
im Itinerar verzeichnet, aber mit so verschiedenen
Stationen — in der einen : Ad Silanos, Tasinemetum,
Saloca, im andern: Viam Beloio, Larix, Santicum ~-
und Distanzangaben, daß Spruner-Menke im Atlas
Antiquus Nr. XXII zwei Straßenztige angenommen hat,
0 C. I. L. in, p. 590, V, p. 176. Vgl. auch Nissen:
Italische Landeskunde, p. 165.
22
338 H, Dubi,
den einen nördlich , den andern südlich vom TerglUy
dieser sich über die Karwanken fortsetzend. Aber
die Inschriftenfunde bezeugen einstweilen nur eine
Straße, die oben dargestellte, von Pontafel nach Tarvi»
führende J) Die dem Mommsen'schen Inschriftenweg
beigegebene Karte, verkleinert in der „Anleitung m
anthropologisch-vorgeschichtlichen Beobachtungen im
Gebiet der deutschen und österreichischen Alpen"*),
zeigt die Fortsetzungen und Verzweigungen dieser waä
der andern Straßen in den Ostalpen. Von Santicum =
Villach geht ein solcher Römerweg längs der Drau
über das Lurnfeld und dann aus dem Thal der Moll
über die Komtauern^ sog. Heidenweg, an die Salzach
und längs derselben hinaus nach Juvavum = Salz-
burg. Von Virunum bei Klagenfurt aus geht eine
große, in 'der Peutinger'schen Tafel und im Itinerar
verzeichnete Straße über Noreia =^ Neumarkt nach
Norden, die zwischen Linz und Lorch die Donau er-
reicht. Von Noreia aus steht diese Straße durch einen
Zweigweg über die Hadstattertauem mit der eben
beschriebenen in Verbindung. Bei Twerg und bei
Untertauern hat man auf demselben römische Meilen-
steine gefunden. Von dem gleichen Virunum geht eine
Straße nach Süden , die bei St. Leonhard am LoibI
die Wasserscheide zwischen Drau und Sau überschreitet.
Bei Emona = Laibach stößt sie auf die letzte der
von uns zu beschreibenden Straßen, die über den
0 C. I. L. III, p. 589, V. p. 169, 936. Nissen: Itai
Landeskunde, p. 166.
2) Von Dr. J. Ranke. Beilage zur Zeitschrift des D. u.
Oe. A. V. 1881.
Die Bömerstrassen in den Alpen. 339
Ocra oder Birnhaumerwald führende. Aus Strabo IV,
207, wissen wir, daß diese Straße eine der ältesten
ist und daß ein starker Wagen- und Frachtverkehr
zwischen Aquileja und Nauportus = Ober-Laibach
stattfand. Von hier wurden die Waaren auf der Sau
verschifft; in späterer Zeit führte eine bedeutende
Straße von Aemona = Laibach nach Celeja = Cilli
und Poetovio = Pettau im Drauthal oder über Siscia ==
Sissek und Sirmium = Mitrowitz im Sauthal an die
Donau hinaus, welche sie zwischen Semlin und Belgrad
erreichte. Die Straße überschritt von Aquileja aus-
gehend den Sontius (Isonzo), folgte dem Laufe des
Fluvius frigidus (der Wippach), trat bei der Station
Ad Pimm in den Birnhaumerwald, überstieg diesen,
der bei den Alten Ocra oder Alpis Julia heißt, in
einer Höhe von 520°™ und langte jenseits bei der
Station Longaticum = Loitsch an. Die Entfernung von
Nauportus bis Emona wird auf 76 Millien angegeben.
Wenn wir nun die in so langer Untersuchung
gewonnenen Kesultate übersichtlich zusammenstellen
wollen, so haben wir in den Westalpen 5, in den
Centralalpen 7 und in den Ostalpen wieder 5 römische
Pässe gefunden. Davon waren im Westen drei fahr-
bare: die Küstenstraße, der Mont Genfevre und der
Kleine St. Bernhard; in den Centralalpen nur einer,
der Julier, in den Ostalpen zwei, der Brenner und
der Bimbaumerpaß. Wenn wir uns ferner fragen:
wer benützte diese so zahlreich und zum Theil so müh-
sam und kunstreich angelegten Wege, die oft mitten
in's Herz des Hochgebirges und zu den erhabensten
Scenerien führen, so wird die Antwort lauten: aus-
340 H, Bubi,
nahmslos nur der Soldat, der Kaufmann und der
Beamte des römischen Staates, selten ein Privatmann
in eigenen Geschäften, Keiner je zu seinem Vergnügen.
Nicht als ob dem antiken Mensehen und speciell dem
Römer der Stoff zum Touristen gefehlt hätte. Vom
atlantischen Ocean, wo die am Mittelmeer kaum merk-
bare Erscheinung von Ebbe und Fluth die bewundern-
den Blicke auf sich zog, bis zu der im Morgengltihen
wunderbar tönenden Memnonssäule der ägyptischen
Wüste wurden alle durch Naturphänomene, historische
Erinnerung oder religiöse Verehrung merkwürdigen
Orte von wissensdui*stigen oder auch blos neugierigen
Reisenden aufgesucht, aber für die physikalischen
Räthsel der Alpenwelt fehlte das Interesse und für
ihre romantische Schönheit der Sinn vollständig. „Aus
freien Stücken suchte Niemand diese Einöde auf, und
auch beherzte Männer, die ihr Weg hinüberführte,
Soldaten, wie Kaufieute, wappneten das Herz gegen
die Schrecken durch Gelübde an die Gottheit." ^) Und
wenn heute der Wanderer in den Bergen ob der
Schönheit der Scenerie nur zu leicht vergißt, wie hart
der Einwohner den Kampf um's Dasein kämpft, so
hoben die Alten nur diese Seite des Bildes hervor.
Sie betonen, daß die Leute durch Kröpfe entstellt
sind, welche Krankheit auf das Trinkwasser zurück-
geführt wird, und daß Bacchus und Ceres hier ihre
Gaben versagen.^) Von der Unlust und dem Grauen,
mit welchem man die Alpen betrachtete, haben wir
^) Nissen: Italische Landeskunde, p. 172.
») Juvenal. Satir. 13, 162. Vitruv. VHI, 3, 20. Plinius Nat
Hist. XXXVn, 44. Diodor V, 39.
Die Bömerstrassen in den Alpen, 341
eine charakteristische Schilderung bei Livius XXI, 32,
in Hannibars Alpenübergang. „Obwohl die Fama,
welche unbekannte Dinge stark zu übertreiben pflegt,
sie vorbereitet hatte, so wurden sie doch von neuem
Schrecken ergriffen, als sie aus der Nähe die Höhe
der Berge erblickten, den fast zum Himmel reichenden
Schnee, die unförmlichen Hütten an den Felswänden,
die durch Kälte verkümmerten Schafe und Rinder,
die ungeschorenen, verwahrlosten Menschen, die ganze
lebende und leblose Natur von Frost starrend und
alles Andere, wodurch das Auge mehr verletzt wird
als das Ohr." Die Berge, welche diesen Schrecken ein-
flößten, „waren die tief in's Thal niederhängenden
Gletschermassen des Mont Pelvoux, welche die Sol-
daten des Hannibal von den Höhen des Mont Dauphin
bei einem Blick durch Vallouise vor sich sahen*^
(Neumann). Uns würde dieser Anblick an dieser Stelle
mit Entzücken erfüllen. Von einem Zug des Stilicho
über die rätischen Alpen singt der Dichter Claudianus
im G«tenkrieg v. 340 ff. „Viele, als ob sie das Antlitz
der Gorgo geschaut, erstarrten vor Kälte, Viele ver-
sanken in tiefen Schnee, oftmals verschlang der weiße
Abgrund Wagen und Gespanne, bisweilen auch stürzte
der Berg durch einen Eisrutsch plötzlich zusammen,
und der Boden versagte, von feuchten Südwinden
unterhöhlt. "Der Paß, auf welchem solche Fährlich-
keiten zu bestehen waren, ist — der Julier (s. oben
S. 326/7). Diese Vergleichungen genügen sicherlich, um
den Ungeheuern Unterschied zwischen antiker und
modemer Auffassung zu constatiren, und damit wollen
wir die Untersuchung für einmal schließen.
Notizen über Wirkungen des Blitzschlages
auf Gesteine.
Von
Prof. Dr. Albert Heim.
Schon in alter Zeit waren die ^ Blitzröhren" aus
sandigem Boden bekannt. Wenn der Blitz in Sand-
boden einschlägt, schmilzt er den Sand rings um seinen
Weg herum zu einer inwendig glasigen glatten, außen
von anklebenden Sandkörnern rauhen Röhre zusammen.
Die Blitzröhren gehen 2 bis 10°^ tief in den Boden
hinab und verzweigen sich manchmal. Im oberen
Theil sind sie weiter und stärker ausgebildet (2 bis
5«™ im Durchmesser), nach unten werden sie dünner
und enger. Bald haben sie einen rundlichen oder
vieleckigen Querschnitt, bald sind sie ganz flach zu-
sammengedrückt. Beide Querschnittformen können
an ein und derselben Blitzröhre wiederholt abwech-
seln. Leider sind die Blitzröhren so brüchig, daß
sie immer nur in kleinen Stücken herauszubekommen
sind. Die Entstehung derselben ist schon wiederholt
im Gebiete der Lüneburgerhaide und im Oldenburger-
Notizen über Wirkungen des Blitzschlages auf Gesteine, 343
sande direct beobachtet worden ; die Blitzröhre wurde
an der Einschlagsstelle gefunden und in noch heißem
Zustande aus dem Boden gegraben. Auffallend ist
die Erscheinung , daß sich die Blitzröhren auf man-
chen Landflächen sehr häufig finden ^ auf anderen^
^anz ähnlich beschaffenen aber stets fehlen. Man
kennt Blitzröhren aus Deutschland, Dänemark, Eng-
land^ Ungarn, Afrika, von Maldonado nördl. Rio de
la Plata (Darwin). Fossil in älteren Schichten der
Erdrinde sind sie bisher noch nicht gefunden worden.
Aus dem Gebirge sind Einwirkungen des Blitz-
schlages erst viel später bekannt geworden. Saussure
fand angeschmolzene Glastropfen an einem hornblende-
haltigen Gestein am Mont-Blanc, An der gleichen
Stelle sollen sie seither oft wieder gefunden worden
sein. Die Sammlung des Polytechnikums in Zürich
sowie die Sammlung in Bern besitzen Stücke mit der
Etiquette ^Döme dxi Goute^, aus dem Nachlaß des
Herrn Prof. Morlot stammend. Humboldt und Bon-
pland fanden auf dem Gipfel des Vulkans von Toluca
das Gestein offenbar nachträglich durch Blitzschlag
oberflächlich angeschmolzen; eine Fläche von über
zwei Quadratfuß war oberflächlich verglast, und an
einigen Stellen befanden sich mit Glasrinde ausge-
kleidete Löcher im Gestein. Ramon hat am Glimmer-
schiefer auf dem Montperdu und am Trachyt des
Puy de Dome ähnliche Verglasungen getroffen. Abich
beschreibt dieselben vom Gipfel des Ararat, wo der
dortige Andesitfels derart vom Blitzschlag durch-
löchert und durchschmolzen ist, daß er dies Gestein
mit dem Namen Fulguritandesit belegte. Die geolo-
344 Albert Heim,
gische Sammlung des Poytechnikums besitzt einige
sehr schöne Schmelzprodukte des Blitzschlages aaf
rostigem phyllitischem Gneiß, welche Arnold Escher
V. d. Linth am 12. September 1841 vom Gipfel des
Düssietockes gebracht hat. Kleine GesteinstrUmmer-
chen sind durch Anschmelzen und theilweises Zu-
sammenschmelzen braunglasig verkittet in Formen^
welche an kurze Bruchstücke einer Blitzröhre erinnern.
„Mehrere, zoll- bis tellergroße Stellen waren völlig
tiberglast.'* Oswald Heer hat Stücke rothen Semifit-
schiefers vom Gipfel des Kärpfstockes gebracht,^
welche stark braun verglaste Stellen von 1 bis 2^
Quadratdecimeter Größe zeigen. Der Verfasser selbst
hat an den vorspringenden Felsecken des aus Horn-
blendeschiefer bestehenden Gipfels des Pizzo Centrale
eine Menge glänzend grünschwarz angeschmolzener
Glastropfen gefunden. Alle gehörten dem obersten
Gipfel an. Schon 3^ unter dem höchsten Punkte
war nichts mehr zu finden. Im Jahre 1868 habe
ich alle diese Blitzspuren weggenommen, um sie geo-
logischen Sammlungen einzuverleiben. 1875 fand ich
wieder eine Menge solcher, die in der Zwischenzeit
neu gebildet worden waren. Auch diese wurden
mitgenommen. Unterdessen aber haben die Gott-
hardbahningenieure für ihre Vermessungen auf dem
Gipfel einen festen Steinmann mit einer eisernen
Stange in der Mitte erbaut. Seither habe ich trotz
mehnnaligem Besuch und aufmerksamem Auge keine
neuen Blitzschmelzspuren mehr entdecken können.
Auch im Sommer 1885 war durchaus nichts zu finden.
Da es sehr unwahrscheinlich ist, daß Jemand anders
Notizen über Wirkungen des Blitzschlages auf Gesteine, 345
jeweilen kurz vorher dieselben vollständig wegge-
nommen habe, vennuthe ich, daß nun der Blitz stets
in die Eisenstange statt direct auf die Steinflächen
schlägt.
Auf dem Gipfel des Bristenstockes habe ich 1872
vergeblich lange nach Blitzschmelzspuren gesucht»
Das Gestein wäre ganz wohl geeignet, solche zu
bilden, warum fehlen sie dort?
Auf dem Gipfel des Piz Languard sind Fulgurite
schon von verschiedenen Bergsteigern beobachtet
worden.
Im vergangenen Sommer 1885 erhielt ich eine
reiche Ausbeute von Blitzschmelzspuren, gesammelt
und mir zugesendet durch meinen jungen Freund
Herrn Ingenieur-Topograph S. Simon. Wer sich dafür
interessirt, kann die schönsten Stücke seiner Sendungen
ausgestellt in der geologischen Sammlung des Poly-
technikums in Zürich einsehen. Dieselben stammen
vom Gipfel des Finsteraarhorns 4275", wo sie auf
Glimmergneiß entstanden sind, vom Sattelhom 3746™
westlich des Aletschhornes gelegen, wo sie auf Hom-
blendegestein sich gebildet haben; der Inhalt einer
dritten Sendung von „Fulguriten" ist von Herrn Simon
auf dem Sparrenhom 3026"» nördlich von Beialp
auf Gneiß entdeckt worden.
Zu dem Funde vom Sattelhorh berichtet Herr
Simon: „ Eigenthümlicher Weise zeigte nicht die
^höchste Spitze die auffallendsten Spuren, sondern
^die ziemlich genau senkrecht darunter etwa ^/2"*
„tiefer liegenden Blöcke des wild zerrissenen Gipfels.
„Erst nach Wegräumen des obersten, etwa 80 kg.
346 Albert Heim,
^schweren Blockes, der nur kaum merkliche Blitz-
^ spuren zeigte, ergab sich die Ausbeute, die mitfol-
„gend an Sie abgeht." Alle diese Gipfel besteben
aus krystallinischen Silicatgesteinen. Auf den hellen
Gneißen, Glimmerschiefern und Graniten sind die
Schmelzkrusten selbst hellfarbig, oft weißlich schau-
mig und deßhalb für ein ungeübtes Auge gar nicht
leicht zu finden. Aeltere Schmelzprodukte sind durch
nachträgliche Verwitterung wieder trübe und matt
geworden. Schon mancher Olubist mag auf die schön-
sten Schmelzspuren sich gesetzt und auf solchen seinen
Proviant ausgepackt haben, ohne diese merkwürdigen,
für Sammlungen so werthvoUen Dinger zu beachten;
andere hat er mit den Füßen zertrümmert. Viel besser
in die Augen fallend werden die Fulgurite auf Hom-
blendegesteinen, indem die letzteren beim Schmelzen
ein glänzend grünschwarzes bis schwarzes Glas er-
geben, das sich oft an der Oberfläche des Gesteines
zu großen Tropfen zusammenzieht, die wie schwarze
Perlen aussehen (Pizzo Centrale, Sattelhorn). Die
Glaskruste ist meistens kaum 1™°^ dick, nur einzelne
Tropfen erreichen einen halben Centimeter Dicke. Es
kommen zusammenhängende Glaskrusten bis zu der
Ausdehnung einer ganzen Handfläche vor. Oefter
ist die Gesteinsfläche nur mit einzelnen sich nicht
berührenden Glasperlen besetzt. Manchmal erkennt
man Linien oder Streifen auf derselben, welche durch
winzig kleine Glaskügelchen in großer Zahl gebildet
werden. Die Wirkung bleibt stets an der äußersten
Fläche des Gesteins, sie dringt nicht hinein. Kleine
Gesteinstrümmerchen sind manchmal zu verglasten
Notizen über Wirkungen des Blitzschlages auf Gesteine, 347
Häufchen von bis zu einigen Kubikcentimetern Größe
zusammengebacken. Das Glas ist gleich wieder er-
starrt da, wo es sich gebildet hat, es ist nicht merk-
lich weiter geflossen, denn schon Escher hebt hervor,
daß bei Fulgnriten auf Syenit jeweilen die Glasrinde
über Feldepathkömern weißlich, über Hornblende-
körnem grünschwarz ist. Es scheint, daß die ver-
schiedenen Grade der Schmelzbarkeit der verschiedenen
Mmeralien bei der Bildung der Fulgurite kaum zur
Geltung kommen. Ich finde dieselben an Gesteinen
mit vorherrschendem Quarz und nur wenig Feldspath
oder Glimmer gerade so vollkommen ausgebildet, wie
an den weit leichter schmelzbaren Amphiboliten.
Herr S. Simon ist durch seine Erfahrungen zu der
üeberzeugung gekommen, daß die Blitzverglasungen
auf stark ausgesprochenen Gipfeln im Gebiete der
kiystallinischen Silicatgesteine (Gneiß, Granit, Syenit,
Glimmerschiefer, Sericitgesteine , Phyllite, Amphibo-
lite etc.) die Regel seien. Wir können hinzufügen,
daß sie, wenn auch nur sehr selten und zufällig, auf
Sätteln, Gräten und Abhängen gefunden werden.
Um so sonderbarer ist es, wenn es sich wirklich
selbst durch das sorgfältigste Nachsuchen bestätigt,
daß einzelne Gipfel beständig von Fulguriten frei-
bleiben.
In einem Briefe vom 2. Februar 1886 schreibt
mir Herr S. Simon, den ich vor einigen Jahren dringend
ersucht hatte, auf Fulgurite zu achten, wie folgt:
„Es scheint mir zweckmäßig, der Aufzählung von
T^Gipfeln den allgemeinen Eindruck voranzustellen, den
„ich über die Blitzverglasungen erhalten habe:
348 Albert Heim,
„Im Engadin, wo ich mit der Zeit sehr knapp
„bemessen war (1882), und wo ich in der üeber-
„zeugung herumkletterte, die Blitzverglasungen seien
„so alltägliche Erscheinungen, daß man nicht weiter
„darauf zu achten habe, forschte ich gar nicht nach
„solchen. Trotzdem liefen mir zufällig Gesteinsstticke
„in die Finger, die sehr schöne Blitzverglasungen
„zeigten. So auf dem Gipfel des Piz Julier und auf
„demjenigen des Piz Lagrev, Hätte ich nach Blitz-
„verglasungen (Pulguriten) gesucht, so bin ich tiber-
„zeugt, daß ich auf den sämmtlichen 28 Gipfelpunkten,
„die ich dort besuchte, solche gefunden hätte.
„In der Finsteraarhorngruppe, wo ich in 48 Tagen
„30 Hochgipfelbesteigungen und 15 Hochpaßtibergänge
„ausführte, achtete ich möglichst nach Blitzverglaa-
„ungen, und glaube, sagen zu dürfen, daß auf jedem
j^Gipfel solche vorkommen. Der einzige Gipfel, auf
„dem ich umsonst längere Zeit darnach gesucht habe,
„war der Gipfel des Viescherhom-Bettmerhorngrates.
„Herr Hecht, der vielverdiente frühere Präsident
„der Section Oberland, veranlaßte seiner Zeit die
„Oberländer Führer dazu, ebenfalls nach Blitzver-
„ glasungen zu fahnden. Er kam auf diesen Gedanken
„dadurch, daß er den Führern es zur Pflicht gemacht
„hatte, Gipfelgesteinsproben von den Hochgipfeln zu
pbringen, um davon in Interlaken eine Sammlung an-
„ zulegen. Die Sache gehörte zwar nicht zu den Lieb-
„habereien der Führer, aber eines Tages kam doch
„einer derselben mit einem schönen Handstück vom
„Gipfel des Schreckhornes, und dieses zeigte zuföllig
„sehr schöne Blitzverglasungen. Diesem Umstände
Notizen über Wirku/ngen des Blitzschlages auf Gesteine, 349
„verdankt nun Interlaken eine kleine Sammlung von
„solchen Fulguriten. Es mag dies wiederum belegen,
„wie allgemein verbreitet die Blitzverglasungen in der
„Zone der Centralmassive (Gebirgszonen aus krystal-
„linisehen Silicatgesteinen bestehend) sind.^
Hiezu ist zu bemerken, daß nach den mir von
Herrn Dr. Ed. von Fellenberg gemachten Mittheilungen
gerade bezüglich des angeblichen Fundes vom Schreck-
homgipfel eine Verwechslung mit unterlaufen sein muß,
indem dasselbe verglaster Gneißgranit (Protogin) sei,
während das Schreckhorn nicht aus solchem, sondern
aus braunglimmerigem grauem Gneiß besteht. Immer-
bin handelt es sich bei dem fraglichen Stücke ohne
Zweifel um eine ächte Blitzverglasung.
Ingeniem* Simon fährt fort: „Der trefBüche Hoch-
„gebirgsphotograph Sella von Biella endlich ver-
„wunderte sich förmlich darob, daß ich nach Blitz-
„verglasungen suchte. In der Matterhorngruppe, über-
„haupt in der Hauptkette südlich der Rhone, seien sie
„so häufig, daß man sich gar nicht darnach umsehe.
„Am Matterharn allein könnten sie hundertweise ge-
„sammelt werden.
„Aber nicht nur auf Gipfeln kommen Blitzver-
„glasungen vor, sondern sogar auf Sätteln, die mit
„kleinen Felsaufsätzen gekrönt sind. So fand ich am
j^Beichgrate bei circa 3200™ auf einem Felskopf eine
„typische Blitzverglasung, trotzdem der Grat allseitig
„von um circa 600™ höheren Gipfeln umgeben ist.
„Nach dem Gesagten glaube ich kaum nöthig zu
„haben, eine lange Aufzählung meiner Besteigungen
„zu geben, denn ein Aufzählen dieser käme so ziemlich
350 Albert Heim,
^dem Aufzählen der Blitzverglasungsfundstätten gleich.
„Wo ich keine Stücke mitnahm, war gewöhnlich der
„Umstand schuld, daß sie so ungeschickt saßen, daß
„ich sie, nur mit dem Pickel bewaffnet, nicht los-
„bringen konnte. Nebenbei wirkte auch oft der üm-
„ stand mit, daß die vorgerückte Zeit neben unseren
„anderen Arbeiten kein gründliches Absuchen mehr
„gestattete.
„Einige bestimmte Fundstellen von sehr schönen
„Blitzverglasungen, ähnlich wie ich Ihnen viele solche
„gesendet habe, sind : Schreckhorn, Finsteraarhomf
y^Sattelhorn, Weißhorn, Lötschenthaler Breithorn,
y^Schienhorn, Oheraarhom, Setzenhorn, Sparren-
j^hom, Gisighorn, Beichgrat^ Trugberg , nördliches
„ Walliser Viescherhorn, Piz Julier , Piz Lagrev etc.**
Herr Ingenieur Imfeid berichtet mir, daß er die
Ketten am Matterhoiii vom Blitze angeschmolzen ge-
troffen hat.
Fast immer werden die Fulgurite nur an den
Gesteinsecken des äußersten Gipfels gefunden. Schon
2 bis 3°» tiefer als der höchste Punkt sucht man
gewöhnlich vergeblich. Nicht selten sind die äußeren
Flächen der „Steinmannli'^ Träger von Blitzschmelz-
spuren, was uns zugleich zeigt, daß der Blitzschlag
ein gut gebautes Steinmannli gewöhnlich nicht umwirft.
Schon viele Bergsteiger haben "Gelegenheit gehabt,
Erfahrungen zu machen, welche die Erklärung ffir
die Lage der Fulgurite fast nur am obersten Theil
des Gipfels geben. Ich selbst bin schon mehrmals
in der Lage gewesen, zu beobachten, wie rasch die
elektrische Spannung während eines Gewitters vom
Notizen über Wirkungen des Blitzschlages auf Gesteine, 351
höchsten Gipfelpunkte nach unten abnimmt. Dem ent-
sprechend muß der Blitz ungleich häufiger in den
obersten Gipfel schlagen, als in irgend eine Ecke am
tieferen Gehänge. Herr Simon bestätigt dies ebenfalls,
indem er mir von einem Gewitter, das er 1885 auf
dem Bettmerhomgrat erlebt hat, berichtet: „Die
„zahlreichen Spitzen des in Blöcke aufgelösten Grates
„strömten lebhaft Elektrizität aus, während die Ge-
„witterwolke darüber strich, ebenso unsere PickeL
„Die einzelnen Ftinkchen aus denselben folgten sich
„so rapid, daß dadurch ein Geräusch entstand, als
„würde ein Stück Zeug zerrissen. Die drei Pickel
„sausten gleichzeitig mit dem obersten Block, und
„man hatte es ganz in seiner Gewalt, die Funken
„mehr oder weniger energisch springen zu machen:
„hob man einen Pickel nur einige Centimeter höher^
„80 wurde die Ausströmung viel energischer, und hob
„man versuchsweise den Pickel so hoch über den
„Kopf, als man es vermochte, so zog man unwill-
flkürlich denselben rasch wieder zurück, um nicht
„Blitzableiterrolle zu spielen. Es geht daraus hervor^
„daß schon ein geringes Ueberragen des gewöhnlichen
„Niveau's genügt, um einen Gipfel für Blitzverglas-
„nngen, gegenüber den umliegenden um Weniges tieferen
„Grattheilen, sehr zu disponiren.
„Ein anderes Gewitter erreichte uns auf dem
„Grate, den der Lauistock nach Osten entsendet. Die
„Schrauben meines Meßtischstatives begannen gewaltig
„zu schnurren, desgleichen die Pickel, und schließlich
„kam das Gewitter zum großartigsten Ausbruch,
„Natürlich wollte ich mein Instrument nicht im Stiche
362 Albert Heim.
^lassen und trug es deshalb wenige Met^ unterhalb
^den Grat. Dies genügte, um sofort das Schnurrea
^verstummen zu machen. Dagegen sausten die Spitzen
^des Grates lebhaft weiter, und wenn ich, bei meinem
^nlcht mehr schnurrenden Instrument stehend, den
^Pickel hoch empor hielt, so begann er sofort gewaltig
„auszuströmen. Wir befürchteten jeden Moment eine
„Entladung, ich verzichtete auf weitere Versuche. Wir
„mußten an den Rückweg denken, derselbe führte uns
„leider zuerst auf den Gipfelpunkt des Grates zurück
„und dies nicht allzu bequem : Wegen der Blitzgefahr
„durften wir nicht auf dem Grate selbst marschiren,
„sondern schritten etwa 3°^ unter der Gratfirst, wo
„dann die Pickel nicht mehr schnurrten, vorwärts.**
Es gibt Blitzschläge der verschiedensten Inten-
sitäten. So gut wie oft Menschen von Blitzen auf
dem Gebirge getödtet, in anderen Fällen aber nnr
schwach und ohne Schaden zu nehmen getroffen werden
(verglichen die Beispiele in Dr. E. Zsigmondi, die
Gefahren des Bergsteigens), so gut werden auch nicht
alle Blitzschläge Yerglasungen zu erzeugen vermögen.
Blitzverglasungen entstehen auch auf unreinen
kieselig-thonigen Kalksteinen, doch sind sie an
Deutlichkeit nicht mehr mit deiyenigen der Silicat-
gesteine zu vergleichen. Arnold Escher v. d. Linth
hat solche an den Gaultschichten nahe unter dem
Gipfel des Vättiskopfes im Ealfeuserthale gefunden.
Ingenieur Fridolin Becker erinnert sich, im Kalkgebirge
häufig mehi* oder weniger deutliche Schmelzspnien
gesehen zu haben, so z. B. auf dem Hügel nördlich
Schwarenbach an der Gemmi. Ingenieur X« Imfeid
Notizen über Wirkungen des Blitzschlages auf Gesteine, 353
berichtet mir, daß er eine Art Blitzröhre von etwa
15 bis 20«™ Länge im Jahr 1870 am Feuerstein etwa
100 bis 200°» unter dem Gipfel gefunden habe. Das
■Stück scheint leider nicht aufbewahrt worden zu sein.
Auf Sandsteinen und Thonschiefern sind mir bisher
4iußer dem Stück vom Kärpfstein noch keine Ver-
^lasungen zu Gesichte gekommen, doch läßt sich
nicht einsehen, warum sie nicht auch dort sich
iiäufig bilden sollten. Ganz verschieden aber von den
Verglasungen, wie wir sie auf der Oberfläche der zu
Olasflüssen schmelzenden Silieatgesteine finden, sind
die Wirkungen des Blitzschlages auf reinem Kalk--
•stein. An freier Luft ist der Kalkstein unschmelzbar.
£in oberfläcliliches Brennen des Kalksteines wird,
wenn es auch vielleicht vorkommt, kaum beobachtet
werden können, weil die Witterungseinfltisse die
Spuren davon rasch verwischen werden. In manchen
hegenden findet man in den Kalksteinen verschiedenen
Alters und verschiedener Zusammensetzung Kugeln
oder unregelmäßige Knollen von Pyrit (Eisenkies,
Schwefeleisen), deren Werden die Bevölkerung oft
dem Blitzschlag zuschreibt, und die dann mit dem
Namen „Blitzsteine'* belegt werden. Allein diese Sage
beruht auf Irrthum. Niemals vermöchte der Blitz-
schlag Schwefeleisenkugeln im Kalkstein oder Thon-
«chiefer zu bilden; im Blitze fahren auch keine ma-
teriellen Geschosse dahin wie in den Sternschnuppen.
Die Pyritknollen in den Kalksteinen sind vielmehr
«ine ursprüngliche Bildung, die bei der Entstehung
des Kalksteines schon vor sich gegangen ist. Nicht
selten enthalten diese Knollen Versteinerungen; es
23
854 Albert Heim,
sind dies dann die gleichen Thierreste, welche anch
ohne Pyrit in dem umgebenden Kalksteine sich
finden. Manchmal steckt eine gut erhaltene Ver-
steinerung (Thierrest) halb im Kalkstein, halb im
Pyritknollen. Noch manches Andere wird oft vom
Volke als Wirkung des Blitzschlages gezeigt, was
mit dem Blitze keinerlei Zusammenhang hat. Da&
das, was ein nicht speciell naturwissenschaftlich ge-
bildeter Tourist als Blitzspuren bezeichnet, wirklich
solche sind, kann nach meinen Erfahrungen nur fest-
gestellt werden, wenn derselbe ein kleines Belegstück
mitbringt.
Auf dem Gipfel der großen Mythe entstanden
während eines entsetzlichen Gewitters, das ich dort
im Herbst 1866 erlebte, mehrere Löcher im Kalkstein,
welche trichterförmige Gestalt und etwa 2 bis 3*"
Tiefe hatten. Das Gestein zeigte sich im Loche
frisch zersplittert und die Bruchstücke lagen zerstreut
rings herum. Ich habe an anderen Orten schon oft
nach heftigen Blitzschlägen Steine poltern hören, ohne
die Einschlagsstelle zu kennen. Die schönsten Spuren
des Blitzschlages beobachtete ich den 16. August
1882 auf dem Grate östlich des FrohnalpsioekeSt
der das Muottathal vom Riemenstaldenthale trennt
Vom Hauserstock bis gegen den Klingenstock wieder-
holten sich diese Spuren vier Mal in Meerhöhen von
ca. 1850 bis 1930™. Alle Blitzschläge, deren Wir-
kungen wir hier sehen konnten, trafen die Kantcn-
linie des Grates, aber keineswegs nur die Culminations-
punkte, sondern auch die Einsattlungen oder den
schief ansteigenden Grat. Beiliegende Zeichnung stellt
Notizen über Wirkungen des Blitzschlages auf Gesteine, 355
einen solchen ^Blitzstem" oder Schrammenstem dar,
der etwa 100" östlich des Hauserstockes auf dem
dort ganz berasten Grat an einer Stelle zu sehen
war, wo der Grat aus Seewerkalkplatten besteht.
Im Mittelpunkt findet sich eine noch ganz frisch auf-
geschlagene Wunde. Der Rasen ist weggeschlagen,
der Kalkstein zersplittert und zertrümmert, die hand-
0 i t 3 4 S- 6 }f S J f^'^
1 * ■ ■ ■ ' ' ^ • ' I
großen und kleineren Trümmer liegen zum Theil
herausgeschlagen herum, zum Theil sind sie in dem
3*n breiten und 1™ langen, circa rechteckigen Loche
geblieben. Von dieser Schlagwunde aus gehen nach
verschiedenen Richtungen tiefe Schrammen, welche
den unbeschädigten Fels entblößt und den Rasenboden
wie mit einem Pfluge durchfurcht seitlich übergelegt
zeigen. In einiger Entfernung von der Centralwunde
356 Albert Heim.
verzweigen sich die aufgerissenen Furchen baumf Örmig
und werden zugleich schwächer, so daß man den Fels^
an ihrem Grunde nicht mehr sieht. AUmälig ver-
laufen sie sich. Der Durchmesser des ganzen stern-
förmigen Gebildes beträgt in der Längsrichtung des
Grates auf der Wasserscheide volle 18 bis 20™, in der
Querrichtung nur die Hälfte. Mein Begleiter, der Wirth
auf dem Gipfel der Frohnalp, erzählte mir, daß diese
„Blitzsteme" bei einem Gewitter Mitte August 1880
entstanden seien, und zuerst noch größer, die Schrammen
im Rasen weiter aufgerissen gewesen seien, und daß
seither Schneedruck und Pftanzenwachsthum bereits
das ursprüngliche Bild in diesen nun bald zwei Jahren
wieder merklich verwischt hätten. Er versicherte mich,
daß hier diese Blitzsteme recht oft entstehen, daß
sie aber nach 5 bis 8 Jahren gewöhnlich wieder ganz
verwachsen und unsichtbar werden. Das letztere mag
denn auch die Erklärung dafür bieten, daß so selten
von denselben berichtet wird, denn die Erscheinung
selbst ist so auffallend, daß kein Wanderer dieselbe
übersehen könnte, wenn sie noch einigermaßen frisch
ist. Ich selbst habe sie außer diesem einen Mal noch
nie gesehen, so zahlreich auch die dem Blitzschlag
ausgesetzten berasten Gräte sind, die ich schon be-
gangen habe. Gibt es auch hier Orte, wo der Blitz
sehr häufig einschlägt, andere, die er stets verschont,
ohne daß wir bis jetzt den Grund für dieses Verhalten
einsehen könnten?
Aus den Blitzsternen am Hauserstock — Klingen-
stockgrate geht hervor, daß unter umständen der
Blitzschlag harten festen Fels auf einzelnen Stellen
Notizen über Wirkungen des Blitzschlages auf Gesteine. 357
zertrümmem kann, ferner, daß er sich im feuchten
Rasenboden rasch in allen Richtungen zertheilt. Es
ist zu erwarten, daß diese Form der Blitzspuren
auch im krystallinischen Silicatgebirge sich wieder-
holt. An denjenigen Stellen, wo ich dort Verglasungen,
beobachtet habe, war von Zerschlagen des Gesteines
nichts Sicheres zu beachten. Auch hier kann wiederum
nur das Sammeln vieler Beobachtungen allmälig weitere
Aufklärung bieten. Der Beobachter skizzire und be-
schreibe genau und unabhängig von seinen Erklärungs-
gedanken, was er gesehen hat, und bringe Proben
allMlig veränderter Gesteinsstücke mit.
Die Narben, welche der elektrische Funke an den
Bergen zurückläßt, sind so eigenthümlich , daß sie
von dem sorgfältigen Beobachter stets leicht von den
zahllosen anderen Schrammen unterschieden werden
können, die durch andere Einflüsse erzeugt worden
sind. Man irrt sich, wenn man meint, die Auflösung
ganzer Berggipfel in Trümmer dem Blitzschlage zu-
schreiben zu sollen. Da arbeiten, zwar weniger polternd,
aber viel ausdauernder und wirksamer, ganz andere
Faktoren. Der Blitz verglast Gesteine, schlägt Löcher
und Schrammensterne, vielleicht erzeugt er auch noch
andere, noch nicht bekannte Formen von Wunden,
aber seine Wirkungen sind doch im großen Ganzen
fast bedeutungslos für die Gestalt der Berge. Die
Berge sind stärker als der Blitz!
Les variations p6riodiques des glaciers des
Alpes.
Par le
Professeur Dr. F.-A, Forel de Morges
(Section des Diablerets).
Sixi^me rapport. — 1885.0
§ XXII. De Penneigement des Alpes.
Jusqu'ä peu d'annees en arrifere, Ton ne s'occupait
guere, dans l'^tude des variations p^riodiqnes des
glaciers, que des modifications dans la longueur. Dfes
notre premier rapport sur ce sujet, nous avons montr6
que les antres dimensions des glaciers, la largenret
r^paisseur, varient dans le meme sens que la longueur,
et dans nos rapports successifs nous avons constat6
frequemment qu'une augmentation Evidente de Töpais-
seur du glacier, dans ses parties sup^rieures, precöde
de quelques annöes Taccroissement de longueur. A
0 Voir : !•' rapport. 1880. Echo des Alpes, XVII, p. 20.—
IP rapport. 1881. Echo des Alpes, XVm, p. 138. — UP rap-
port. 1882. Jahrbuch des S. A.C., XVIH, p. 251. — FV rap-
port. 1883. Jahrbuch des S. A. C, XIX., p. 298. — V« rapport
1884. Jahrbuch des S. A.C., XX, p. 281.
Les variations piriodigues des glaciers des Alpes, 369
mesure aussi que dos Stades se döveloppent , il est
im nonveau point de vue qui sorgit, et dont les re-
lations avee les variations des glaciers deviennent de
plus en plus apparentes: c'est Tötat des neiges sur
les hautes montagnes^ ce qae nous d6signerons par
le terme 6!enneigement
Pendant la grande p^riode de retraite des glaciers,
les alpinistes ont souvent signal6 une disparition mani-
feste des nev6s, des flaques de neige sur les hautes
cimes. L'epaisseur de la neige, la largeur des n6v6B,
leur importance, allaient en diminuant; tel passage
antrefois facile, oü la neige permettait jadis une marche
rapide, 6tait devenu penible par la mise k nu des
rochers; les conditions de certaines courses ou ascen-
sions avaient notablement chang6, dans un sens favo-
rable ou dans un sens d^favorable, par la disparition plus
oa moins compl^te des neiges. Je citerai comme exemple
les relations de Heim sur les glaciers duTödi (II« rapport),
de Fr. Becker sur les glaciers du groupe de la Blümiis-
alp (V® rapport), de A. Degrange-Touzin sur les gla-
ciers des Pyr6n6es (IV« rapport), etc. En meme temps
^ue les glaciers ^taient en diminution et dans les
r^gions oü ils ätaient en diminution, les neiges et
ii6v68 subissaient la meme röduction. II y avait dans
ces montagnes enneigement regressif.
En Opposition ä cela, dans les derni^res annees, on
a Signale de divers cotes un accroissement de neiges qui
parait colfncider avec le commencement d'une nouvelle
Periode d'allongement des glaciers. Baumgartner dans
la region du Dossenhorn (V« rapport), Wagnon dans la
region des Tours Salli^res et du Ruan (IV® rapport), etc.
360 F,'A, Forel.
donnent dans leurs notes des indications de T^largisse-
ment des taches de neige, de raugmentation des n6y6s^
deraceroissementd'^paisseur des coupolesqüireconvrent
les cimes. II semble que dans certaines r^ons de»
Alpes il y ait actuellement enneigement progressif,
et en meme temps il paratt que ces r^gions sont
les m^mes que Celles oü raccroissement des glacie»
commence k se dessiner. Je n*ai vu aucune descriptiou
de cet enyahissement des neiges dans les Alpes orien-
tales, oü les glaciers sont encore stationnaires.^)
Cette col'ncidence est interessante et in6rite d'etre
observöe et contr616e. Si mes remarques sont justes^
une Periode d'accroissement des glaciers col[nciderait
avec une augmentation generale de la calotte neigeuse
qui revSt les sommets et les hautes croupes des mon-
tagnes, k un enneigement g6n6ral et progressif des
Alpes : une p6riode de diminution des glaciers coln-
ciderait avec un enneigement regressif.
II est inutile d'insister sur Tinteret evident qu'une
teile constatation aurait pour la theorie des Variation»
periodiques des glaciers : je n*ai qu'4 signaler le fait
en le recommandant k l'observation des alpinistes;
tous les faits qui confirmeront, complöteront ou corri-
^) Les neiges sont soumises, par le fait des chutes din-
tonsit6 variable suivant les hivers, et par la poissante actioa
du soleil de r6t6, ä des variations beaucoup plus rapides et
plus irr^gulieres que Celles des glaciers ; il doit y avair danff
le phenomene de Tenneigement plus d'irr6gularit6 et pln«
d'inconstance que dans les variations glaciaires. Ainsi, p. ez.r
les relations k ce sujet. de MM. Baumgartner et Wagnon dan»
le rapport actuel sont-elles fort diflferentes de Celles de»
rapports pr6c6dents.
Les variations periodiques des glaciers des Alpes, 361
geront cet essai de gönöralisation seront ütiles et pr6-
cienx, 6t je soUicite des alpinistes lenr concours pour
ce c6t^ special de nos recherches.
Etant donii6e, d'antre part, Timportance capitale
de r^tat des neiges, qui augmente ou diminue les
difficultös des grandes ascensions, j'ose esp6rer que
les membres du C. A. 8. voudront bien diriger leur
attention sur ce point, et me communiquer leurs obser-
vations snr Fenneigement progressif ou regressif des
groupes de montagnes, qu^ls ont visitöes k quelques
ann^es d'intervalle.
§ XXni. La temp^ratore dans ses rapports ayec les
yariations des glaciers*
J'emploie ici le mot temjperature dans son ancienne
acception, qui le fait synonyme d'6tat möt^orologique^
et en fait la traduction de Witterung des AUemands
et de Wecdher des Anglais.
Le D' C. Lang de Munich^) a repris, sur de nou-
veaux mat^riaux et d'une mani^re plus complöte, une
etude que j'avais commenc6e dans mon Essai sur les
variations des glaciers, en me basant sur les obser-
vations de Genöve.^) II s'agit de trouver les relations
qui peuvent exister entre les variations periodiques
des glaciers, et les variations k longue p6riodicit6
*) C. Lang, Der seculäre Verlauf der Witterung als Ur-
sache der Gletscherschwankungen in den Alpen. Zeitschrift
der Oesterr. Gesellsch. für Meteorologie. XX, 443 sq. Wien.
December 1885.
*) F,'A, Forel. Essai sur les variations p6riodiques des
glaciers. Arch. de Geneve. VI, 21 et 451. 1881.
362 F.'A. ForeL
des chutes de pluie et de la chaleur de Fair. M. Lang
a r^uni les plus longues s6ries d'observations faites daDS
les villes qui entourent la chatne des Alpes, et, les
comparant entr'elles, il a recoimu que les variations
de la quantit6 d'eau tomb6e pendant rannte et Celles
de la cbaleur de Fair, soit de Vhi^ soit de Taim^
enti^re, marchent assez parall^lement dans ces diverses
stations pour que Ton puisse en conclure k des varia-
tioDS g6n6rales de la temp6rature de toute la r^gion des
Alpes. II a recoimu ensuite, comme moi^ que soit les
chutes de pluie, soit la chaleur de Fair subissent des
variations prolong6es et de p6riodicit6 irr6gulifere,
qu'on peut mettre en regard des variations glaciaires.
Vu le grand intör^t de ces ^tudes pour la question
trait^e dans mes rapports, je rösumerai les conclusions
de Lang, en renvoyant pour plus de d6tails au me-
moire original.
Pour ce qui regarde les chutes de pluie, il a
constatö les variations suivantes que je caract^riserai
en indiquaut les 6poques des maximums et des mini-
mums : *)
Maximum Hinimum Maximum Minimum Maximnn
Prague et Vienne 1817 1822 1847 — 1879
Keichenhall . . — — 1845 1857 -
Munich . . . 1807 — 1850 1872 1880
Peissenberg . . 1811 1825 1840 — —
Stuttgart ... — — 1848 1862 1882
*) Les calculs de Lang ^tant faits d'apr^s des moyeimefl
quinquennales» j'indique ici pour simplifier le milieu des p^-
riodes de 5 ans.
Les variations periodiques des glaciers des Alpes. 363
Maximnm Minimum Maximum Minimum Maximum
Oen^ve^) ... — 1833 1842 1869 1879
Milan .... 1814 1827 1848 1870 1882
Chioggia . . . 1809 — — — 1876
Moyennes^) . . 1811 1826 1846 1866 1880
Un tableau analogue donne les variations de la
chaleur de Tair, dans les moyennes annuelles:
Maximum Minimum Maximum Minimum Maximum
Regensburg 1806 1817 1830 1840 —
Munich . — — 1832 1840 1863
Peissenberg 1805 1815 1831 1837 —
Stuttgart . — — 1831 1840 1865
Milan . . 1805 1815 1831 1840 —
Moyennes . 1805 1816 1831 1839 1864
Enfin un troisifeme tableau donne les variations
de la chaleur de Tair dans les trois mois d'6t6.
Maximum Minimum Maximnm Minimum Maximum
Munich . . — -- 1830 — 1873
Genfeve . . — — — 1843 1867
Milan . . 1803 1817 1828 1840 —
Moyennes . 1803 1817 1829 1841 1870
En regard de ces variations de la tempörature,
Lang place les variations des glaciers qu'il admet,
d'apresHeim, comme pouvant se g6n6raliser comme suit:
Augmentation des glaciers 1811 — 1822
Diminution „ ^ 1822—1840
Augmentation „ „ 1840 — 1855
Diminution „ „ 1855—1880
^) Je donne ici les dates de Qen^ve calculees comme
ceUea de M. Langf d'apres les moyennes quinquennales.
^) Dans cette ligne je donne la date moyenne des chiffres
du tableaa ci-dessas.
364 F.'Ä. Forel
En r^sum^ de son travail M. Lang arrive aux
conclusions suivantes, que je traduis textuellement:
l<>.LeB moyennes annuelles des chutes d'eau reunies
en p6riodes prolong^es montrent au nord et au sud
des Alpes une marche parallele; d'oü Ton peut con-
clure avec probabilit6 k une marche analogue dans
la r^gion des Alpes situ6e entre ces stations.
2^ Les variations des chutes d'eau montrent un
parall61isme complet avec les variations des glaciers.
Une Periode riche en pluie est suivie d'un accroisse-
ment des glaciers; une periode pauvre en pluie est
suivie d'une diminution des glaciers.
3^ Le temps qui s'ecoule entre le maximum des
pluies et celui des glaciers est plus consid6rable que
celui qui s^pare les minimums de pluie et les mini-
mums des glaciers.
4:^ Du fait que les variations des glaciers mon-
treraient un parall61isme avec les variations des taches
solaires^) (Fritz), il rösulterait que les variations de
la pluie correspondraient aussi k la p6riodicite des
taches solaires, les maximums des deux p^riodes 6tant
simultanes.
5** Les periodes de faible chaleur de Tatmosph^re
(moyenne annuelle) sont suivies de periodes d^augmen-
0 Je me permets de mettre un poiot d'mterrogation
k cette conclusion du professeur Fritz, de Zürich. Je n'»i
jamais pu reconnattre trace, dans les glaciers, d*une Periode
de 11 ans analogue k celle des taches solaires. Les variations
des glaciers sont de p6riodicite irr^guliere et beaucoup plus
prolongee.
Les Variation» periodiques des glaciers des Alpes, 365
tation des glaciers ; les p6riodes de forte chaleur pr^-
cMent les p6riodes de diminution des glaciers.
ß^ Les m^mes relatioos se reconnaissent , mais
d'une mani^re moins pr6cise, qnand, au lieu de la
chaleur moyenne de rannte, Ton ne fait entrer en
compte que la chaleur des mois d'6t6.
7^ La p6riodicit^ de la chaleur a moins d'influence
siu: les variations glaciaires que la p6riodicit6 des
pluies.
Oes conclusions de Lang se basent essentiellement
siu* les rapports de simultan 6it6 ou de succession entre
les variations de la temp6rature et Celles des glaciers ;
la d^termination exacte des 6poques des variations
glaciaires est donc d'importance capitale dans une
6tude de ce genre. Y a-t-il moyen de trouver, dans
les dates recueillies par nos six premiers rapports, les
Moments d'une teile d6termination ? Ce travail est
difficile, et sauf certaines p^riodes n'arrive qu'ä des
r^sultats incertains.
En effet, les allures des glaciers ne sont ni simul-
tan^es, ni paralleles; il y a tr^s rarement unanimit6
dans le sens de la Variation; le plus souvent dans
la m^me chaine, dans le m§me groupe de montagnes,
quelques glaciers s'accroissent pendant que d'autres
diminuent. Suivant que Fobservateur aura 6tudi6 teile
ou teile vall6e, son jugement sur l'^tat de la periode
sera fort diflf6rent. C*est ainsi qu'actuellement la plu-
part des glaciers du Mont-Blanc et quelques-uns de
ceux du Valais et de TOberland bemois sont en ac-
croissement, tandis que ceux des Alpes de Glaris, la
plupart des glaciers des Grisons, et tous ceux des
366 F,-A. Foreh
Alpes autrichiennes sont en diminution. II y a eu
dans notre si^cle deux periodes de Variation bien
marqu^e et plus on moins unanime: la p^riode de
croissance de 1815 ä 1818, dans laqnelle tons las
glaciers connus, k Texception du Leiterkees^) (massif
du Glöckner), 6taient en allongement et atteignaient
leurs dimensions maximales ; et la grande periode de
retraite de 1850 k 1880, dans laquelle tous les gla-
ciers des Alpes se sont mis en diminution les uns
apr^s les autres, tellement que de 1871 k 1875 od
ne connalt pas un seul glacier qui füt alors en allonge-
ment; cette Periode est actuellement en train d'etre
remplacee par une periode d'accroissement, car depm»
1875 nous avons not6 une quarantaine de glaciers
qui les uns apr6s les autres ont recommenc^ k s'agrandir.
Mais dans ce grand espace de temps qui s6pare
1820 de 1860 ou 1870, quelles ont 6t6 les allurea
des glaciers? C'est fort difficile k dire.
Voici comment j'essaierai d'apporter un peu plu8
de pr^cision dans cette 6tude:
J'ai recueilli dans mes rapports successifs des don-
n6es plus ou moins exactes sur les variations d'une
centaine de glaciers. Je supposerai ces donn^es justes
et j'6tablirai en tableau la proportion relative des
glaciers en voie d'allongement et en voie de retraite.
Ce tableau est tr6s loin d^offrir une certitude absolue;
les observations sur lesquelles je me fonde sont tre»
in6galement authentiques ; puis elles se rapportent i
un beaucoup trop petit nombre de glaciers. Je n'ai
^) V* rapport.
Les variations periodiques des glaciers des Alpes. 367
pas compt6 moins de 780 glaciers enum^r^s dans le
catalogue de Siegfried, pour le territoire de la Suisse
seule, et ce nombre doit ^tre au moins doublt pour
rensemble des Alpes suisses, autrichienDes, italiennes
et frangaises. Notre statistique ne se rapporte donc
qa'au ^/i5 an plus des glaciers, par des donn6es plus
ou moins authentiques, Pour beaucoup de ces glaciers
aussi, las notices que nous poss6don8 ne se rapportent
qu'ä une faible partie du si^cle actuel. U nous manque
presque entierement les observations sur les premiöres
ann6es du siecle. Mais encore, tout en d^plorant cette
insuffisauce des mat^riaux, cette s^rie est ce que nous
pouvons avoir de mieux dans T^tude de la question»
Voici les r6sultats numöriques de ce tableau, stabil
de 5 en 5 ans, de 1800 k 1885, pour Tensemble des
Alpes. Dans la demi^re colonne je donne lapropoition
cent^simale des glaciers en voie d'allongement.
Proportion cent^simal»
des glaciers en
allongement.
88
92
93
95
61
33
28
45
48
67
57
PfUhJfelflA
Glaciers en
Glaciers en
CpM)«*«
accroissement.
dlminution.
1800
7
1
1805
13
1
1810
15
1
1815
20
1
1820
14
9
1825
6
12
1830
5
13
1835
9
11
1840
13
14
1845
22
11
1850
25
19
868 F.-A Farel.
Giaciersen Glacien en Proporti«i centfti«il»
tpoque. j. . .. desglaaersen
ac€roissement. diminution. aHongemeirt.
1855 23 24 49
1860 10 47 18
1865 4 56 7
1870 2 66 3
1875 1 72 1
1880 19 57 25
1885 33 43 43
Je puis traduire ce tableau de trois mani^res:
1° Nou8 reconnaissons quatre p^riodes suivant que
la majorit6 est acquise aux glaciers en aceroissement
ou aux glaciers en diminution:
de 1800 (?) k 1820 pr6dominance des glaciers en
allongement,
de 1825 k 1840 pr6dominance des glaciers en diminutioii^
de 1845 k 1850 pr6dominance des glaciers en aceroisse-
ment,
de 1855 k 1885 pr6dominance des glaciers en diminutioD.
2^ Nous reconnaissons cinq p^riodes suivant qne
la Proportion relative des glaciers en aceroissement
augmente ou diminue:
de 1800 k 1815 la proportion relative augmente,
diminue,
augmente,
diminue,
augmente.
3^ Nous d^terminons des ^poques de maximnm
ou de minimum dans la proportion relative des gla-
ciers en voie d'accroissement :
«ü xv^xt/ «. xv^crv, „
n
7)
de 1830 k 1845 „
r
77
de 1845 k 1875 „
7)
77
de 1875 k 1885 „
n
77
Les variations periodiqms des glaciers des Alpes, 3 69
1800
(?)
epoque
de
minimum
par
88 o;o
1815
n
n
maximum
n
95 %
1830
V
n
minimum
n
28 «/o
1845
7)
n
maximum
n
67 0;o
1875
n
1)
minimum
n
1^0
1885
(?)
7)
71
maximum
n
43 <>;o
De ces trois interpr^tations, la seconde me parait
la meilleure, et, en la combinant avec la troisieme,
on a, k mon avis, Fexpression la plus probable des
variations glaciaires dans ce sifecle. Je r^p^te encore
ici les r6serves necessaires, au sujet de l'insuffisance
des documents, surtout dans le commencement du siecle.
Ces resultats diflf^rent-ils notablement du tableau
de Heim? En quoi diffferent-ils ? Je mettrai les deux
tableaux en pr6sence.
Variations glaciaires du XIX^ siecle.
A. Heim. F.-A. Forel.
Periode d'accroissement 1811—1822 1800—1815
^ de diminution 1822—1840 1815-1830
„ d'accroissement 1840—1855 1830-1845
„ de diminution 1855—1880 1845—1875
j^ d'accroissement — 1875 — (?)
Les allures g6n6rales de la p6riodicit6, telles que
je les trouve par ce proc6d6, sont donc les m^mes
que Celles de Heim. Nous trouvons le meme nombre
de p^riodes. Mais les miennes sont en g^neral notable-
ment en avance sur Celles de mon coll^gue de Zürich.^)
*) Mon proc^de de calcul, ne faisant intervenir que Tetat
des glaciers de 5 cd 5 ans, deplace en les avanQant les
24
370 F.'A, Farel
Quel sera Teffet de ce d^plaeement des p^riode»
des glaciers dans la eomparaison avec les p^riode&
de la temp^rature ? 8aiw pousser cette 6tude phs loin
que la pr^cision peu cMtaiae des donnees ne )e pennet^
je donnerai dans le graphtque suivant les trois seriea
principales :
!• Les variatioiis des glaciers telles que je viena
de les ätabiir.
2^ Les yariations de la pInie d^apr^s Lang en
prenant, ponr les ^poqaes de maximnm et deininimam^
les moyennes que j'ai indiqn^es ci-dessas.
3° Les variations de la chaleur de l'air (moyenne
annuelle) d'apr^s Lang.
6poque8 des maximums et des minimams : ainsi la fln de la
premiere periode est probablement vers 1818 ou 1819 et non
pas CD 1815 comme le donnent mes chiffres. Cette incerti-
tnde de la mSthode s^ajoute donc ici ä rincertitade de Tobser-
yation, qai arrive raremeot ä pröciser ä quelques ann^es pres
la date exacte des oMumeneementt et fins de pdriodes. -*
ToKJoars est-il qu'il est fort interessant de constater la eoin-
cidence süffisante da tablean de Heim, bas^ sur nne impression
g^n^rale, et du mien, fond^ sur une statistfque aussi preise
qne le permet la paimn^t^ dM documMt» ea aotre possesaioD.
Les variations periodiques des glaciers des Alpes, 371
Variations periodiques du XIX* siede.
Epoqnes.
1800
1805
1810
1815
1820
1825
1830
1835
1840
1845
1850
1855
1860
1865
1870
1875
1880
1885
Glaciers.
1815
18S0
1845
1875
Pinie. Chaleur de l'air*
1808
1811
1818
1888
1881
11888
18 48
18881
188i
372 F.-Ä, Forel
L'6tude de ce tableau confirme dans leurs grands
traits les conclusions de M. Lang. Mais en me bas^ut
sur les r^serves motivees que j'ai faites au sujet de
rincertitude des observations glaciaires, je demande
la permission d'attenuer la pr6cision de ces conclusions
et je rösumerai comme suit mes impressions ä ce 8ujet:
1° Les principaux facteurs de la temperature,
pluie et chaleur de l'air, sont soumis ä des variations
de longue p6riodicit6 dont les allures sont analogues
ä Celles des variations glaciaires.
2° II parait y avoir des relations entre les periodes
d'accroissement des glaciers et les p6riodes k tem-
peratare pluvieuse et froide, entre les periodes de
diminution des glaciers et les periodes k temp^rature
s^che et chaude.
3° Les series d'observations meteorologiques semblent
süffisantes pour faire connaitre les variations gen^rales
de la temp6rature dans les Alpes.
4° II y a insuffisance d^observations pour ce qui
conceme l'^tude des variations glaciaires. Lesmateriaux
connus ne permettent que dans quelques cas, trop
peu nombreux, de döterminer les periodes d^accroisse-
ment ou de diminution des glaciers. II y a lieu de pour-
suivre, pendant longtemps encore et avec un redouble-
ment d'attention, les recherches sur ce sujet.
§ XXIY. Les variations des glaciers des Alpes pendant
l'aanee 1885 et les ann^es precedentes«
I. BASSIN DU RHONE.
Vall6e de Conches. D'apr^s les ^tudes de M.L.Held,
Ting^nieur du Bureau topographique föderal charg^ de
Les variations periodiques des glaciers des Alpes, 373
la mensuration du glacier du Rhone, celui-ci a con-
tinue ä diminuer k son extr6mit6 införieure, et cela
dans les proportions suivantes:
1882—83 11400°»2 ^^ diminution sur le front.
1883-84 13 850 „ „ „ „ „ „
1884-85 5 675„ „ „ ^ ^ „
Depuis deux ans, M. Held a reconnu que sur un
point le glacier gagne du terrain ; c'est dans une vaste
echancrure par laquelle sortait autrefois le torrent
du Rhone, echancrure qui se comble successivement.
Cette annee, la superficie sur laquelle le glacier s'est
ainsi avanc6 mesure 1650™^. Au point du plus grand
recul, M. Held a constate 32™ de retraite; au point
du plus grand allongement, 21 "* d'avancement.
Dans notre rapport de l'annee derni^re, nous avions
Signale une augmentation notable d'6paisseur, en
1882 — 83, sur sept des huit profils mesur^s. En
1883 — 84 et 1884 — 85, cet epaississement n'a pas
continue; au contraire, une diminution sensible est
Evidente.
Voici les chiffres de M. Held, indiquant la Varia-
tion moyenne d'epaisseur des divers profils:
Profil. 1882-83. 1883-84. 1884-85. 1882-85.
m. m. m. m.
noir —2,7—0,8 — — 3,5
vert +0,7—1,4-3,5—4,2
jaune -j- 1,8 — 0,6 — 1,3 — 0,1
rouge 4-2,4—0,4—1,8 +0,2
inferieur, n6v6 du Thäli + 1,9 — 0,9 — 1,4 — 0,4
„ grand nev6 . +3,0 —1,6 —1,1 +0,3
sup^rieur, nev6 du Thäli + 2,0 — 0,6 — 1,2 + 0,2
„ grand nev6 . + 3?^ — 2,0 — 1,5 — 0,5
S74 F.-A, Fareh
D'apr^s cela, Ton doit consid^rer le glacier du
Rhdne comme 6tant encore eo diminution, mais comme
approchant de T^tat stationnaire ; la p^riode d'aug-
mentation n'a pae encore commence.
Valläe de Fiesch. Le glacier de Fiesch est en
allongement (A. de Torrentö de Sion); le minimum
aurait donc eu liea vers 1884.
Vall^e de l'AvetifOtl. Les trois glaciers de la vallee,
Paneyrossaz y Plan-neve et les Martinets^ Bont en-
core en diminution en 1885 (Ph. Marlettaz, goide a«x
Plans de Freni^res).
Vail^e de Saas. Glacier d'Allalin, ^En aoüt 1865,
Je glacier traversait la vall^ et remontait de l'autre
cot6, de Sorte que le chemin se trouvant absolument
coup6, il fallait gravir le yersant de la cote et re-
descendre sur le glacier pour poursuivre la route ; oa
cötoyait un lac que le glacier a forme en barrant la
Vifege et qui n'a d'6coulement que sous le glacier lui-
meme.
„En septembre 1879, le lac 6tait toujours barre;
des giacons m^me j flottaient; mais le canal d'^coule-
ment, passant sous le glacier, ressortait bientot aar
fion flaue, et non sur son front; en outre, le sentier,
qui s'61evait encore un peu, 6tait apparent, et Ton
n'6tait pas oblig6 de gravir sur la cote de la mon-
tagne." (Ch. Durier, de Paris, V. P. du C. A. F.)
Glaciers de Fee. Glacier supMeur en rapide
allongement; glacier inferieur de memo. En 1885,
son front s'est a!long6 de 96 " depuis la marque falte
en 1883 par M. V. Morax, de Morges (Kavier et Em-
manuel Imseng, guides, k Fee).
Les variations periocUques des glaciers des Alpes, 876
M. Ch. Darier confiime le fait d'un raccourcisse-
rnent «onaid^able des gkciers de Fee de 1865 k 1879.
Glacier de Hodibalm. £d allongement en 1885
(X. et E. Imseog).
Vall^e de St-Nicolas« L'allongement du glacier du
Gorner depuis 1883 est confirmö par MM. Alexandre
Seiler de Zermatt et A. de Torrent6. Celui-ci ^value
eet allongement ä i— 5*°.
M. X. Imfeld, iDgäniear, estime que depuis 3-*-4:
ans le glacier n'a gu^re ehang^, tantdt avan^ant, tan-
t5t reeulant de quelquee dix m^tres. IIb serait dans
r^tat atatiounaire (commimieation de M. Alph. Favre,
de Gen^ve).
D'apr^ le guide Mooser, de Zermatt, sur l'^paule
du Cervin, le petit glacier tr^s incllD^ qu'il fallait
traverser pour faire rasceDcion du c5t6 de Zermatt,
a compl^tement dispam (communication de M. A. Barbey,
de Lausanne).
Vall6e d'IMren$. Le glacier ö!Arolla est actuelle-
ment en allongement (Ant. de Torrent6).
,,La partie Införieure du glacier d'Arolla est en-
ti^rement recouverte de mat^riaux (gneiss d'Aroila et
porphyre) venant du Mont-Colon; eile est en recul
jusqu'ä et y compris V^t^ de 1885. Mais le glacier,
au lieu de se terminer en pente douce, au niveau du
sol, comme autrefois, se termiue par un dos d'une
pente raide, dans leqael une voüte s'est creus6e en
aoüt 1885. Cette augmentation d'6pais«eur est tr^s
manifeste k la base de la chute des s^racs du Vttibez,
Les guides de Mauvoisin ont confirm^ ce changement
dans l'aspect du glacier. 8ur le haut du glacier, noufi
376 F.-A, Forel.
avons trouv6 des squelettes de g^nisses ; autrefois les
Italiens venaient chercher du b^tail et le ramenaient
en passant par le glacier, ee qui prouve qu'alors Tex-
tremite inferieure se terminait en pente douce du c6t6
de la vall^e.'^ (Ad. Tschumi, de Gen^ve.)
Le glacier de Piece ou Torgnon reste stationnaire
d'aprfes M. A. de Torrent6. — D'apres M. Tschumi, il
avancerait; seulement cela est difficile k constater, en
raison de la natare du sol form6 par des rochers ab-
rupts. Les preuves de Taccroissement de ce glacier
sont: 1° On le voit aujourd'hui des chambres de
rhötel du Mont-Colon, ce qui n'ötait pas le cas il y
a quelques annees. 2^ Autrefois les guides, pour aller
ä la Cime de TEveque, passaient par un sentier bien
marqu6 sur la gauche du glacier; en revenant de
l'Eveque, M. Tschumi tenta ce sentier ; mais il y ren-
contra de grandes difficult^s; tout 6tait recouvert de
glace et envahi par le glacier; plus bas seulement,
il retrouva les traces bien marqu^es du chemin
(A. Tschumi).
Le glacier de Zigiorenove est en aceroissement
rapide depuis 1879. MM. A. Kündig et A. Tschumi,
de Gen^ve, Font etudi6 avec soin en 1885, et ont
6tabli des rep^res pour permettre une Observation
ulterieure (s'adresser au guide Joseph Quinodoz, i
l'hotel du Mont-Colon). D'aprös une mesure exaete,
prise par M. Tschumi, de 1880 ä 1885 le glacier
s'est allongö de 323™, soit de 64™ en moyenne par
an. Le glacier montre des signes ^vidents de grande
activit6, moraines soulevöes et repouss^es, sol labour^
comme avec un soc de charrue, etc.
Les variations periodiqiies des glaciers des Alpes. 377
Glaciers de la Roussette, des Ignes et des Aiguilles
rouges ; de ces trois glaciers, les deux premiers sont
encore en diminution en 1885; le troisiöme, qui a
formö une Enorme moraine terminale, s'avance au-
dessus de cette moraine, en refoulant les blocs qu'il
a antrefois d6pos6s. Ce glacier est done en allonge-
ment (A. Tchumi).!
Vall^e d'Häremence. Le glacier de Seiion ou
Durand est encore en diminution (A. de Torrent6)*
Vallie de Bagnes. Le glacier de Getroz avance;
les chutes de glace sont nombreuses; les paysans
disent „qu'on entend la canonnade" (A. de Torrent6).
Val Ferret d'Orsieres. Le glacier de Saleinaz
s'est consid6rablement enfonc6 ; les cols sont, par suite
de cela, relativement plus 61ev6s, en particulier celui
de Chardonney. II doit en etre de meme des glaciers
du Dolent et de la Neuvaz (A. Barbey, de Lausanne).
Glacier d^Orny. Les blocs rep6r6s par M. Barbey
ont 6te refoul6s par le glacier depuis juin 1884 au.
printemps de 1885, indiquant un allongement de 1,6 ™»
Le 13 juillet 1885, il y avait cependant un rac-
courcissement temporaire de 7 ™, indiquant une fusion
enorme pendant le commencement de r6t6 (A. Barbey).
Valläe du Trient. Le glacier du Trient augmente
dans toutes ses dimensions ; dans sa partie inf^rieure,.
8on allongement depuis 1884 est de plus de 12 "»
(J. Guex, de Vevey). Dans la partie sup^rieure, il y
a, au contraire, affaissement ; le plateau sup6rieur
forme une cuvette beaucoup plus profonde en 1885
que dans les ann6es pr6c6dentes (A. Barbey).
378 F.'Ä. Ford.
Glacier des Grands. II a avanc6 de 1S84 ä 1885
de 3 °^ environ aar son front ; la moraine laterale s'est
^boul6e sur le glacier^ sous la pression paisBaate de
ia masse en mouvement. L'^paissenr da glacier augniente
4ias8i notablement (F. Doge, de la Tour de Peilz).
D'apr^s M. A. Wagnon, de Morges, les neiges
^taient encore abondantes a la fiy de joillet dans la
vall6e de Salanfe et du c6t6 du Col de Balme,
Mais en aoät la fönte a ^t6 tr^s active ; les n6m da
Buet avaient 6norm6ment diminu6; jamais M.Wagnon
ne les a vus aussi reduits. De meme sur le Fonla-
7iahran au-dessus d'Emaney.
Vall^e de I'Arve (notes de M. Venance Payot, de
€hamonix). Le glacier du Tour s'est consid6rable-
inent allong^ depuis 1884, au moins de 30"; ü
Augmente aussi en ^paisseur.
Glacier d'Jrgff?nfieres. AUongement de 15", du
14 octobre 1884 au 18 octobre 1885.
Glacier des Bot's. En diminution marqu^ dans s«
partie införieure ; il augmente en revanche d'epaisscttr
dans la r6gion sup^rieure, vers le Tacul.
Glacier des Bossons est en allongement:
du 13 octobre 1884 au 26 mai 1885 + 37«
du 26 mai 1885 au 9 juin 1885 +1^"
du 9 juin 1885 au 24 octobre 1885 -j- 12,15 ■.
En fiomme, du 8 octobre 1883 au 24 octobre 1885,
109 m d'allongement (V. Payot).
M. L. Soret, de Genöve, eetime k 160 » Fallong«-
ment depuis le commenoement de la periode aetaelk
d'accroissement. ^)
1) Arch. de Geneve, XIV, 567. 1885.
Les variations periodiques des glaciers des Alpes. 379
Vali§e de ri$ere. Le glacier de la Vanoise ^tait
€0 diminution de 1883 ä 1885 (Achille Hiunbert, de
Gen^ve).
D'aprös M. Ch. Lory, de Grenoble, il y aurait un
developpement ezceptionnel dans l'et^ de 1885 des
giaciers et n6v68 du massif du MonUCenis , et des
Alpes entre la Maurienne et Tltalie, vers les sources
de FArc.
IL BASSIN DE L'AAR.
Oberland bernois. D'api^s M. le pasteur Baum-
^rtner, de Brienjz, les neiges ont consid^rablement
fondu dans T^tö de 1885. Le glacier du Dossenhorn
est tr^s notablement affaiss6, et le n^v^ y a diminu^.
La pUteforme sur laquelle etait bätie la Dossenhtttte,
ayant son transfert de Tannöe derniere, ^tait libre de
neiges en aoüt 1885. Les n^ves de la region sont
moins 61ev68, et les glaciers beaucoup plus d6couverts
et d6chir^s que les ann^es pr^c^dentes.
Le Glacier bleu entre le Schwarzhorn et le Wild-
gerst, chaine du Faulhorn, est tellement r^duit qu'en
1885 M. Baumgartner put monter au Schwarzhorn
Bans mettre le pied sur la glace, tandis qu'en 1883
il avait eu beaucoup de peine ä traverser le n6v^
glace.
Les glaciers suspendus aux flaues du Wetterhorn
et du Schreckhorn ont consid^rablement diminu^.
D'apr^s un rapport du guide Johann von Bergen,
de Meiringen, dans une ascension de 1885 au Schreck-
horn, il n'eut qu'une douzaine de marches k tailler
dans la glace (H. Baumgartner).
380 F.-Ä. Foreh
Le glacier de Rosenlaxi'i est en alloogement ra-
pide dans son extremite inferieure (V® Rapport), üne
note de M. Ed. Gerwer, de Thoune, qui l'a Studie
dans sa r6gion moyenne, au pied du Dossenhorn, nous
apprend qu'il a constat6, en aoüt 1885, un accroisse-
ment notable de T^paisseur et de la largeur ^u
glacier. üne moraine laterale de recente construction
s'elöve ä 2 ou 3 mfetres de hauteur.
Vall6e de Gessenay. Glacier de Zanfleuron. DV
prfes des repferes de 1884, visites en 1885, le glacier
est en recul ; le raccourcissement est en moyenne de
12,1™. Autrefois le glacier avait son principal ecoule-
ment dans la Sarine, dont il formait la source; ac-
tuellement les ®/io de son eau se dirigent dans le
petit lac ä la cote de 1270 ™ (voir la carte au 1 : 50,000)
et de \k dans la Morge, du cote du Valais. C'est
donc une deviation des eaux, au profit du Rhone et
au detriment du Rhin, qui est occasionnee par la re-
traite extreme du glacier de Zanfleuron (H. Pittier, de
Chäteau-d^Oex).
III. BASSIN DE LA REUSS.
Vall^e de Maderan. D'apres les mesures de
M. Krayer-Ramsperger , de Bäle, les variations sni-
vantes ont ete constat^es:
Glacier de Brunni,
m.
Rive gauche, raccourcissement — 10,5
Rive droite, „ — 8
Voüte du torrent, hauteur 7.
I
Les variations pertodiques des glaciers des Alpes, 381
Glacier de Hüfi.
m.
Rive gauche, raccourcissement — 39
Rive droite, ^ — 42
Voüte du torrent, hauteur 15.
D'apres M. A. Heim, de Zürich, le glacier de HUfi
-est extremement d6chir6 et difficile k traverser, en
raison de sa grande diminution d'^paisseur.
Massif du St-Gothard. Les n6v6s sont r^duits,
jusqu'ä etre m^connaissables pour celui qui ne les a
pas vus depuis 1882 ou 1883. On pouvait en 1885
monter au Pizzo Ceiitrale sans mettre le pied sur la
neige (A. Heim).
IV. BASSIN DE LA LINTH.
„Le Eiferten et le Sandgletscher sont encore en
retraite ä la fin de 1884. Le glacier de Eiferten est
fort d^chire et affaiss^.
„Les n6v6s du Toedi, des Clarides et du Scheer-
horn sont plus petits que je ne les ai jamais vus;
au lieu d'etre recouverts d'une neige blanche et
fraiche, ils sont salis et ont toute l'apparence de
vieilles neiges." (A. Heim.)
V. BASSIN DU RHIN.
Vall^e du Rhin postörieur. Le glacier de Gliems,
au 8ud du Toedi, est fortement raccourci depuis 1881
(A. Heim).
382 F.'A. Forel.
VI. BASSIN DE L'ENN.
M. le professeur Ed. Richter, de Salzbourg, ^) a
Visits en 1883 les glaciers du massif de l'Oetzthal^
et il en a etudi6 les variations en se basant sur les
ötudes anterieures des Schlagintweit (1847 — 48), de
Sonklar (1856), et de la carte topographique (1870).
Voici le r^sumö de ses observations :
Pitzthal. Mittelberggletscher. II a recul6 enorm6-
ment:
de 1856 ä 1870 162,5% soit par an 11,6-
de 1870 ä 1883 717,5% soit par an 55,2".
La retraite a commence vers 1859.
La moraine laterale de droite, k 500 ™ au-dessu*
de rextr6mit6 du glacier, montre qu'en ce point le
glacier a diminu^ d'environ 90 "> d'^paisseur depnift
la derniöre p^riode de maximum.
Glacier de Taschach, Le commencement d« l&
Periode de reftraite est peu certain ; M. Richter !e
rapporte approximativement vers 1856.
De 1856 ä 1878 racoourcissement 253«, boü par
an 16»;
d« 1878 k 1883 raccourcisöemeiit 137% soft pir
an 27,4»;
afifaissement du glacier 50 k 60°*.
Glacier de Sechsegerten, en retraite en 1883 de
170™ sur la moraine frontale.
Oetzthai. Vema^t, La demi^re p6riode de maxi-
mum de ce glacier aux allures Stranges date de 1848;
k cette ^poque, il venait battre la Zw^rchwand. Pe-
1) Zeitschrift des D. u. Oe. A. V., 1886.
Les variations periodiques des glaciers des Alpes. 383
pms lors, il s'est retir6 tr6s haut dans la vall^e; il
etAit en 1883 k 2092» de la moraine frontale. Son
extremit6 terminale, qui, en 1848, 6tait k la cote
2120™, s'est relevee de S60". La superficie mise k
nu par la retraite de la glace est de 157,8 hectares,.
plus de l^k kilomfetre earr6. C'est la plus forte
diminution connue dans un glacier des Alpes.
Hintereis. Ce glacier s'est peu raccourei depuis;
la demi^e ^poqiie de maximum, dont la date est in-
connae; il a, en revaRcke, consid^rablement diminn^
d'^paisseur. La r^vetion de longueur n'ötait gu^re^
en 1883, que de 150"; celle d'^paisseur de 93".
Hochjochgletscher a tr^s peu changö depuis 15
ou 20 ans; il est inabordable k son extr^mit^ termi-
nale. En 1856, il 6tait en allongement.
Nieder Jochgletscher. Relativement aussi peu me-
dium; il s'est raccourei de 180" depuis le dernier
maximum.
Glacier de Margell et Schalf s'est peu raccourei^
de 72 ™ seulement; il s'est, en revanche, fort affaissö^
de plus de 100 " pr^s de la cabane de Sanmoar. La
forme des moi*aines medianes et la direction dea
courants de glace a cousid^rablement chang^ depui».
1870. Le glacier ^tait ^i allongement en 1856.
Le GurglfTffiet^cIier montre peu de yariation«^
comme le Hochjochgletscher. Son recul n'est que d^
150"^, son affaissement de 20 — 25 " seulement
(E. Richter).
ZilitrtliaL M. le D* C. Dieser, de Vienne, con-
tinue les 6tudes sur les variations des glaciers da.
.384 F,'A, Forel.
Schwarzensteingrund. ^) Ces glaciers sont encore en
diminution manifeste ; leiir raccourcissement varie sui-
vant rannte de Tobservation :
1881—82. 1882—83. 1883-84.
m. m. m.
Schwarzensteinkees . 8 2,2 12
Hornkees 17 8 27
Waxeckkees .... 11 5 16
Le Schwarzensteinkees a montr6 au printemps de
1883 un allongement temporaire, qui s'est traduit par
r^tablissement d'une petite moraine frontale d'un m^tre
environ de hauteur.
La grande p6riode de retraite date de 1850 4
1855. D'apres la hauteur et la position des moraines,
le recul total jusqu'en 1884 a 6te de 350", la dimi-
nution d'^paisseur de 20 k 35™, suivant les profils,
et la perte de volume, jusqu'ä l'isohypse 2400", de
33,7 millions de m^
VII. BASSIN DE LA SALZACH.
Le D"^ A. Penck ^) Signale T^tat de r^duction de
trois petits glaciers, VUebergossene Alm, le Blaueis
et VEiskapelle de St-Bartholomce ; il note aussi U
disparition de nombreuses fiaques de neige et de nev^s,
en particulier sur le versant oriental du Steinberg pr^s
de Ramsau.
1) Zeitschrift des D. u. Oe. A. V., XVI, 66. 1885.
') Das Land Berchtesgaden. Zeitscbr. des D. u. Oe. A. V.,
XVI, 217. 1885.
Les variations periodiqties des gladers des Alpes. 385
VIII. BASSIN DE LA DRAVE.
MSIIthal. M. F. Seeland, de Klagenfurt, paursuit
868 observatioDB snr le glacier de Pasterzen, lequel
eontmae k d^crottre^). La moyenne de la diminution
d'^aisseur anx qtiatre rep^res 6tadi6s a 6t^:
de 1879 k 1880 — 8,05°»
„ 1880 „ 1881 — 6,37"»
„ 1881 „ 1882 — 7,60°»
„ 1882 „ 1883 — 2,14°»
„ 1883 yj 1884 — 2,54°»
IX. BASSIN DE L'ADDA.
Massif de rOrtler. Les glaeiers dn versant nord
de V Ortler ont subi dans V^t6 de 1885 une diminu-
tion extraordinaire qu'on peut 6valuer k 40"» en rac-
courcissement et ä 1" de diminution d'epaisseur.
Sur le versant sud, d'apr^ les guides, Taffaisse-
ment est au moins de 3 J» (C. Gobbi, de Stelvio).
X. BASSIN DU PO.
Vall6e de Cogne. „Dans le groupe du Grand-
Paradis, les glaeiers de la Trihulation et de Gran-
crou ont continue raccroissement signal6 Tannöe der-
ni^re. En 1883, la distance qui les s^parait etait
6valu6e k 800 °»; en 1885, ils se sont reunis par leurs
extremites terminales.
„Le glacier de Money continue k se raccourcir,
d'au moins 40 °» depuis 1883.
„Cette diff^rence d'allures est due k la diflference
*) Zeitschr. des D. u. Oe. A. V., XVI, 79. 1885.
25
386 F.'A. ForeL
d'orientation, les deui premiers de ces glaciers 6tant
tourn^s vers le sud, le troisi^me vers Tonest ; pnis i
la nature de leurs nev6s de r^ception, lesquels sont
unis et considörables pour les premiers et acciclent6
pour celui de Money." (D'. Fr. Virgilio, de Turin.)
XI. RlfcSüME.
En r6capitulant les notes ci-dessus, pour la chaine
enti^re des Alpes, nous n'avons cette ann6e qu'ä con-
firmer la reprise successive de la periode d'allonge-
ment de bon nombre de glaciers des Alpes occiden-
tales et la coütinuation de la p6riode de diminntion
pour Tensemble des glaciers des Alpes orientales.
Les seuls glaciers que nous ayons k ajonter ä la
liste de 34 glaciers en voie d'allongement, doim6e
rannte demi^re, sont:
Groupe du Mont-Blanc, Glacier du Tour. Mini-
mum probable 1884 (V. Payot).
Grroupe du Moni-Colon, Glacier des Aigoilles
rouges. Minimum 1884 (Ad. Tschumi).
Groupe du Finster aarhorn, Glacier de Fiesch.
Minimum 1884 (Ant. de Torrente).
Ce qui porte ä 37 le nombre des glaciers actuelle-
ment en p6riode d'augmentation constatee.
§ XXY. Ulaciers des Pjrenees.
D'aprös une communication du comte Henry Russell,
ä Pau, il y aurait eu dans r6t6 de 1885 une grande
accumulation de neiges dans les Pyrönees, en paili-
culier au haut du glacier de Vignemale.j oü Tenneige-
Les vartations periodiques des glaciers des Alpes. 387
ment progressif serait tr6B Evident; le n6v6 s'y est
8ur6lev6 de 2™ envirbn.
Le glacier du Taillon (cirque de Gavarnie), visitö
par M. Rüssel en 1871 et en 1885, a tellement chang6
pendant eette p^riode qu'il est möconnaissable. Sur
une superficie totale de 14 hectares, il en a perdu au
moins le tiers. Son front s'est relev6 en altitude
d'environ 300 " ; le glacier est distant de ses moraines
laterales de 100 ä 120 ™. II s'est considörablement
affaiss6 (H. Russell).
§ XXFI. Glaciers de l^orrege.
J'extrais d'une lettre de M. Ch. Rabot, de Paris,
dat^e de Vardö, ocean glacial du nord, 8 aoüt 1885,
les d^tails suivants:
Le glacier qui descend du Swartisen dans le
HolandsQord prös du gaard de Fonddal a 6t6 visit6
par M. Rabot en 1883 et en 1885. Apr6s une Pe-
riode d'allongement dans laquelle le glacier avait
avanc6 d'une centaine de metres, il a commenc6 k
reculer vers 1880 ou 1881. De 1883 k 1885 il a
diminu6 d'une dizaine de metres, et il s'est r^tr^ci sur
la rive gauche de 3 ".
Le grand glacier de Holandsfjord sl 6galement
diminu6 depuis 1883; son front a recul6 d'environ
5 ™, et il s'est affaissö de 3 ä 4 ™. D'aprös les mon-
tagnards, ce glacier serait en retraite continue depuis
une cinquantaine d'ann^es ; la longueur totale de son
recul est de 500 k 600™.
Voici les conclusions de mon correspondant:
388 F.'Ä. ForeL Les variatians periodiques etc.
^D'apr^s La position des moraines et le temoignage
des habitantSy tons les glaciers -de la Laponie auraient
diminae dans les dernieres decad^s. Leur mouvement
de recol est moins prononc^ qne celai des glaciers
des Alpes. Pour quelques glaciers seulement cette
retraite anrait et^ interrompue, et pendaut quelques
ann^ ces glaciers auraient avanc^; puls ils auraient
de nouveau recul^, et ils sont eux aussi actuellement
en retraite. Seul le glacier situ6 ä la base ouest de
Kebnekaisse (Laponie su^doise) nous a semble en
Progression; toutefois je n'y ai constate aacnne
moraine frontale. — ün Lapon nous avait dit, il y a
deux ans, qu'nn glacier des Oxlinder avait progresse.
Ge fait doit se rapporter ä celui que nous avons
Signale plus haut; mais cette annee les affirmations
du meme Lapon ont ete beaucoup moins precises 4
ce sujet; le doute est done permis.^ (Ch. Babot.)
Bericht Ober die Vermessungsarbeiten am
Rhonegletscher im Jahre 1885.
Von
/. Coaz (Section Bern), Mitglied des Gletscher-CoUegiums.
Die Vermessungsarbeiten am Rhonegletscher wurden
im Jahr 1885, als der X. Campagne, nach dem vom
Gletscher-Collegiumin seiner Sitzung vom 26. Mai 1885
genehmigten Programm, unter Anschluß einer neuen,
größeren Einmessung, gleich vde im Vorjahr fort-
gesetzt. Dem Leiter der Vermessungen, Herrn Ingenieur
L. Held, wurde wieder Herr A. Ringier, Topograph,
als Mitarbeiter beigegeben und als Gehtilfen 5 Männer
von Oberwald verwendet.
Die Arbeiten wurden vom 18. Aug. bis 1. Sept.,
somit während 15 Tagen, bei fast anhaltendem Nord-
wind und unterbrochen von Schneegestöber und Regen
ausgeführt. Gletscher und Firn wurden seit 1881 nie
mehr so schneefrei wie letztes Jahr gefunden 5 auf
dem Gletscher, soweit er regelmäßig jährlich aper
wird, zeigte sich in der Spaltenbildung nichts Un-
gewöhnliches, wogegen im Firngebiet zahlreiche neue
Spalten zu Tage getreten sind.
390 J. Goaz.
Ergebnisse der Gontrolmessangen.
i. Nivellement der Querprofile.
Von den acht Profilen liegen sieben noch auf dem
Gletscher und zeigen wieder eine mittlere Abnahme
gegenüber dem Stande des Vorjahres, womit ungefähr
der Stand von 1882 wieder erreicht ist, d. h. die Ab-
nahme der letzten zwei Jahre hebt die Zunahme des
Jahres 1882/83 wieder auf. Eine Ausnahme bildet
das tiefliegende grtlne Profil, welches im Mittel um
4°» tiefer steht als 1882.
Das achte (unterste), schwarze Profil läuft nicht
mehr über Eis.
Die Längen der Profile in den Jahren 1884 und
1885 und fei-ner die Abnahme der Eis- und FirnmaBseu
im Profil und nach durchschnittlicher und Maximal-
höhe sind aus folgender Zusammenstellung ersichtlich:
Abnahme der Eis- resp. Firn-
Länge.
masse 1885.
Profile.
1885
1884
g
Senkr. Höhe.
1-
e
m«
•
kl
•
1
■§
m.
m.
m.
B.
Grünes Profil . .
459,2
461,8
361
1618,07
3,504
8,5
Gelbes Profil . .
1161,4
1164,4
361
1548,60
1,333
4,0
Rothes Profil . .
1016,0
1019,5
360
1951,10
1,824
3^
Unteres Thäliprofil
660,0
674,8
359
959,9
1,423
*,'
Unteres Großfirn-
i
profil ....
1435,5
1453,7
359
1550,8
1,067
2,3
Oberes Thäliprofil
741,2
741,2
358
921,3
1,243 7^
Oberes Großfirn-
profil ....
2562,6
2562,6
360
3924,6
1,531
3,4
Dte Vermessungsarbeiten am Bhonegletscher, 391
Das untere Thäliprofil durchschnitt 1884 nur
2 Spalten, 1885 deren 12; das untere Großfimprofil
10 im Jahr 1884 und 21 1885 und endlich das obere
Oroßfirnprofil 14 im Jahr 1884 und 29 im letzten
Jahr.
Die sehr starke Abschmelzung im Ober-Thäliprofil
rührt ohne Zweifel von der bedeutenden Wärmeaus-
strahlung der Felsen her.
Am absolut höchsten Punkt des grünen Profils
<280™ vom linken und 180™ vom rechten Ufer ent-
fernt) beträgt die Abnahme nur 0,5 ^. Daraus ergibt
«ich gegenüber den früheren Profillinien eine Aus-
bauchung im größten Stromstrich. Die Messungen an
den Abschmelzstangen des gleichen grünen Profils
zeigen beinahe gleich große Abschmelzung (S. 395).
2. Einmessung der Steinreihen und der Firnsignale,
Schwarze Steinreihe, Ist schon seit 1884 ganz
gestrandet.
Grüne Steinreihe, Diese ist seit 1880 durch den
Einschnitt der Rhone in zwei Hälften getheilt; 1885
sind sämmtliche Steine der rechten Seite gestrandet.
Bei der Einmessung am 1. September 1884 oder
361 Tage vor derjenigen vom 28. August 1885 wurden
8 Nummemsteine auf dem Eise gefunden, von welchen
seither 2 Steine gestrandet sind. Die größte Bewegung
betrug 8 ". Die Art und Größe der Eisbewegung ist
an den vorhandenen Steinen nicht mit großer Zu-
verlässigkeit zu constatiren, indem die Steinreihe
größtentheils in einer Kehle liegt, durch welche viel
Schmelzwasser abläuft, das einzelne Steine mitreißt.
392 J. Coaz,
Durch diese Kehle geht auch der größte Verkehr der
den Gletscher besuchenden Fremden, welche die grtin
angestrichenen Steine, in Unkenntniß ihres Zweckes,
aufheben und dann wieder wegwerfeiT.
Gelbe Steinreihe, Am 29. August 1884 wurden
22 sichtbare Nummernsteine (43 %) eingemessen, im
August 1885 39 Steine, 84 ®/o der 1874 gelegten
51 Nummern. Neu aufgefunden wurden 20 Nummern,
wovon 14 Nummern unter dem Sturz eingemessen.
Nicht eingemessen werden konnten drei Nummern, die
in Spalten gefallen oder in den Gletschersturz ge-
rathen waren. Die Gesammtlänge der anfänglich 996 ■*
messenden Reihe belief sich zur Zeit der Einmessnngen
auf 3414 ^.
Seit dem Jahre 1879, als die Reihe noch weit ob
dem Sturze lag, wurden nie mehr so viele Steine auf-
gefunden, wie dies Jahr. Dies Verhältniß wird sich
in Zukunft noch besser gestalten, weil die Reihe
immer mehr gegen die spaltenärmeren Ufer rückt.
Zeichnet man in den Plan der gelben Reihen den
Weg ein, welchen die Nummernsteine über den Sturz
hinunter mit Wahrscheinlichkeit zurückgelegt haben,
so ergibt sich für die letzten vier Jahre eine durch-
schnittliche Jahresbewegung von 179" im Minimum
und 210 "> im Maximum.
Der großen Regelmäßigkeit der Steinbewegang
entspricht nothwendigerweise eine solche der Eis-
massen. Das Einstürzen der Eiswände hat die Steine
nicht so sehr zerstreut, wie man dies glaubte an-
nehmen zu müssen, wohl deßhalb nicht, weil die
Steine schon ob dem Sturze in tiefen Spalten lagen.
Die Vermessungsarbeiten am Rhonegletscher. 395
Wir können nun mit Sicherheit sagen : das Eis bewegt
sich in dem mittleren 300 °» breiten Stromstrich (6e-
sammtbreite 500 ™) in 4 Jahren über den 800 ^
langen Eissturz.
Rothe Steinreihe, Am 22. August 1884 wurden
23 Nummernsteine (43 % der Gesammtzahl von 53)^
1885 deren 34 eingemessen; 7 Steine Jiegen unter
Schnee, 12 in Spalten. Die anfänglich 1035 ™ lange
Reihe hat sich bis auf 2637 ™ ausgedehnt.
Zum ersten Male seit 1874 konnten am rechten
Ufer einzelne Steine, die frliher immer unter Schnee
lagen, eingemessen und damit die Curve abgeschlossen
werden.
Die größte eingemessene Bewegung beträgt 105 "»
Gefall und Bewegung der Eisoberfläche sind im größten
Stromstrich seit 1881 stätig kleiner geworden. Im
Jahr 1886 wird die Spitze der rothen Reihe in da&
Gebiet der gelben gelangen.
Bewegung der Firustangeu 1884/85.
Von den 16 1883 zur Messung der Bewegung und
Abschmelzung im Firngebiet errichteten Firnstangen
ist 1884/85 eine verloren gegangen, so daß jetzt im
Ganzen 4 Stangen außer Beobachtung fallen. Die Er-
haltung der Stangen ist eine sehr schwierige Aufgabe
und verlangt mehrmalige Untersuchungen und Richtig-
Stellungen der Stangen im Laufe des Jahres.
Mit Ausnahme einer einzigen Stange (VI des untern
Großfims) weisen sämmtliche Signale eine kleine Ver-
minderung der Bewegung gegenüber dem Vorjahre auf»
Die größte Bewegung zeigt Signal V und VI im untern
394 J, Coaz.
Großfini mit 86 ", die geringste beträgt 2,1 ", nur 45"
vom linken Ufer entfernt.
5. Messung der Sommerhewegung im Vergleich
zur Jahreshewegung im gelben und rothen Profil
In gleicher Weise wie in den Vorjahren wurde
wieder im größten Stromstrich des rothen und gelbes
Profils die Eisbewegung während der zweiten Hälfte
Augast gemessen, um sie mit der Jahresbewegong
vergleichen zu können.
Im gelben Profil ergaben die Messungen der Be-
wegung in 15,2 Tagen (18. August bis 2. September
1884^ von 3,83" bis 4,14». Bis zum 19. Augost
hatten die Steine 103,6°» bis 106,3"» zurückgelegt.
In 14,8 Tagen erzeigte sich im rothen Profil eine
Bewegung von 3,54" bis zu 3,73", und bis zum
18. August 1885 96,8" bis 98,6".
Es ergibt sich durch Berechnung wieder, wie
letztes Jahr, daß die mittlere tägliche Bewegung der
zweiten Hälfte August kleiner ist, als die mittlere
tägliche Bewegung des ganzen Jahres.
Ferner zeigt sich auch hier, wie bei den Firn-
stangen, daß die Jahresbewegung 1884/85 kleiner ist
als die Jahresbewegung von 1883/84, und zwar durch-
schnittlich um 6,5", und ferner eine sehr gleich-
mäßige.
In Ausführung des Beschlusses der Conferenz vom
26. Mai 1885 sind nun im rothen, gelben und grünen
Profil, in je 40" Abstand, nunmierirte Steine gelegt
worden, um an denselben die Jahresbewegungen der
ganzen Gletscherbreite vergleichen zu können. An den
Die Vermessungsarbeiten am Ehonegletscher. 395
beiden obem Profilen ist auch eine 12tägige Sommer-
bewegung beobachtet worden.
4. Gletscherzunge.
Seit 1874 war die Fläche des vom Gletscher in
einem Jahre bloßgelegten Bodens nie so klein und
die neu übergletscherte Fläche nie so groß, wie dies
Jahr.
Es wurden 1884/85, während 362 Tagen, 7,325°i2
Strandboden bloßgelegt und vom Gletscher 1,650"*^
tiberdeckt, somit 5,675"»^ mehr bloßgelegt als tiberdeckt.
Die gleichen Factoren, welche bewirkten, daß die
Fläche des 1884/85 bloßgelegten Bodens so klein
war, können so mächtig werden, daß schon nächstes
Jahr der Vorstoß der Eismassen das Abschmelzen
überwiegt. Der Gletscherrand böscht sich immer
steiler ab.
5. Messung der Ahschmelzung von Eis und Firn,
Diese Messungen, welche den Zweck haben, das
absolute Maß des weggeschmolzenen Eises und Firns
zu bestimmen, wurden, wie letztes Jahr, theils an
den Firnstangen, theils an besonders zu diesem Zwecke
in das Eis versenkten Stangen von 3™ Länge vor-
genommen.
Die Hauptresultate sind folgende:
Abschmelzung.
1) Grtines Profil in 110 Tagen 7,81 bis 8,19°^
2) Gelbes „ ^ 70 „ 3,58 „ 4,35«»
f,, 34 „ 2,10^^
3) Rothes „ r' " '
\„ 46 , 2,10 „ 2,62-
S96 J, Goaz,
Abschmelzsng.
4^ Unter-ThSliprofil in 359 Tagen 2,20 bis 2,62»
5) „ Großfirnprofil „ 359 „ 0,20 „ 3,05"
6) Ober-ThSliprofil „ 358 „ 1,00 „ 2,40»
7) ^ GroMrnprofil „ 361 „ 0,08 „ 0,60«
Die außerordentliehe Abnahme im imtern Großfin-
profil rührt sehr wahrscheinlich von dem Einsturz des
dort sehr zerklüfteten Firns her, und das obere TW
ist von hohen Felsen halbkreisförmig umschlossen
und nur gegen Süden offen. Noch muß bemerkt wer-
den, daß das Zu- oder Wegwehen von Schnee st6read
auf einen regelmäßigen Gang des Abschmelzens ein-
wirkte.
6. Messung der Eisbewegung im Innern des
Gletschers,
Die im Jahre 1882 im rothen Profil 16,7« tief
versenkten Gegenstände sind noch nicht an die
Gletscheroberfläche getreten, hingegen konnten die an
zwei Orten des gelben Profils versenkten GegenstSnde
1885 an der Oberfläche eingemessen werden. Sie
haben ihre Entfernungen unter einander und von den
Begleitsteinen so ziemlich beibehalten. Die Abschmel-
zung von 12"^ in drei Jahren entspricht den bisher
beobachteten Abschmelzungen beim gelben Profil.
Die Eisbewegung bis in eine gewisse Tiefe des
Gletschers ist hier jedenfalls gleich derjenigen an der
Oberfläche. Dies Verhältniß wird sich da ändern, wo
der Eisstrom die obere Kante des Sturzes über-
schreitet.
In der Gletscherzunge wird jährlich von Specu-
Die Vermessungsarbetten am Bhonegletscher. 397
laoten ein schachtartiger Gang in das Eis ausge-
hanen und den Besuchern des Gletschers gezeigt.
Derjenige des Jahres 1885 wurde im Monat Juni und
zwar nicht in einer geraden Linie, sondern mit zwei
scharfen Wendungen ausgehauen und hatte eine Sohlen-
breite von 1™, eine Höhe von 2™ und war 72™ lang. Am
29. August, also nach ungefähr zwei Monaten, zeigten
sich die Wände derjenigen Gangstrecken, welche nicht
in der Richtung der Gletscherbewegung verliefen,
mehr oder weniger geneigt. Es entspricht dies der
früher schon gemachten Beobachtung, daß die Bewe-
gung der Gletscher sich von ihrer Oberfläche nach
dem Grunde hin verlangsame. Nahe am Grunde der
Gletscher scheint diese Differenz in der Bewegung
schon bei geringen Höheunterschieden merklich zu
sein.
Um bei allfalligem Wiederanwachsen des Gletschers
die abschleifende Wirkung desselben an den Felsen
messen* zu können^ wurden 1) die Tiefen der Ver-
sicherungszeichen mehrerer trigonometrischer Signale
gemessen; 2) beim Gletschersturze zwei Bohrlöcher
in den Fels gcBchlagen. In das obere der letztern
wurde ein thalergroßes Stück Blech mit dem einge-
prägten Datum gelegt: und beide Löcher sodann mit
Blei ausgegossen.
Villars-Ch^siires et les Alpes vaudoises.
Discoars d'ooyertare de la fite du Club Alpin Soisse.
Pwr
Eugene Bambert (Section des Diablerets). ^)
Messieurs et chers colleguss,
Si vous voulez bien me le permettre, je suivrai
Fexemple qne nous donnait, il y a nn an^ Thonorable
landamman Muheim, notre demier prösident de f^te.
Parlant ä Altorf ^ dans le canton d'üri, il nons a
parl6 d'Altorf et du canton d'üri. Parlant k Villars-
Ch^si^res, dans les Alpes vaudoises, je vous parlerai
de Villars-Chesi^res et des Alpes vaudoises.
Je suppose, messieurs, que vous soyez appeles
4 delibörer sur cette question: ^Qu'y a-t-il de plus
*) „Nous rappelons que Tassembl^e g^n^rale, a Villart-
Ob^sieres, a eu lien en plein air. On avait dispos^ daosee
but la prairie, abritte d'on ridean de sapins, qui se troave
derriere la chapelle du Grand Hotel du Muveran. C'est lär
en presence meme des montagnes qu^il essayait de döcriret
que le President de lafete a prononc6 le discours d'ouverture.*
^oir le Panorama de Villars-Ch6si6res, par Mr. le profesaenr
• Heim, dans les annexes de ce volnme.
VillarS'Chesieres et les Alpes vavdoises, 899
beau dans les Alpes suisses?'' — Combien, dans
cette assembl^e, y serait-il fait de r6ponses ? Autant^
pent-etre, qa'elle compte de membres ; autant, du moins,
qne les Alpes soisses comptent de chames ou de
gronpes distincts.
^La question est jug^e, penseraient nos amis
d'Interlaken, de Thoune et de Berne; ce qu'il y a
de plus beau dans les Alpes suisses, ce sont les Alpes
bernoises. Aprfes la Jungfrau, tirez le rideau.'' Ils
se borneraient sans doute, par politesse, k le murmurer
k Yoix basse ; mais si Tun d'eux, par hasard, s'6chap-
pait k le dire k haute voix, figurez-vous le charivari
des pretentions oppos6es. — „Ces Bemois sont plai-
sants, r^pondraient en choBur les enfants du Valais.
Et le Mont-Rose, que vous en semble? Et le Cervin^
et le cirque des Mischabel, et le Weisshorn, et le Combin,
et le glacier d'Aletsch ? Oü y a-t-il un second glacier
d'Aletsch?'* — „ün moment! s'6crierait la d616gation
de Lnceme; la beant6 des montagnes ne se mesure
pas k leur altitude. Avant de vous d6cemer la palme,
trouvez une vue qui vaille celle du Pilate." — „Ou
pltttdt du Mythen**, ne manquerait pas d'ajouter quelque
vieux Suisse de Schwytz. — „Messieurs, gronderait
le taureau d'üri, la gloire du lac des Quatre-Cantons^
e'estlegolfe d'üri etl'ürirothstock." — „Est-il biensür^
objecteraient nos conf6d6res d« Glaris, que Türiroth-
stock Temporte sur le Glämisch et que le lac d'Uri
8oit plus pittoresque que celui de Wallenstadt?** —
Sur quoi, les guides grisons, souriant dans leur barbe^
se diraient les uns aux autres : „Et l'Engadine, qu'en
font-ils ? Ces enfants n'ont vu ni le Morteratsch, ni le
400 Eugene Rambert
Rosegg, ni m§me le Splugen et la Via-Mala.^ —
^ Jou-eh ! riposteraient en iodlant tous les vachers de
TAppenzell^ ce qu'il j a de plus beau dans les Alpes
snisses, c'est le päturage vert aa pied du Hoch-
Säntis ! . . . Jou-eh ! ce qu'il y a de plus beau dans
les Alpes suisses, c'est la Meglisalp et le Seealpsee !^
Comment faire pour accorder tous ces amoiira-
propres, qu'exalte un legitime patriotisme ? £h, mes-
sieurs, rien de plus simple. Nous ne dirons pas : ^L&
JuDgfrait est ce qu'il y a de plus beau daiis les
Alpes suisses;'* — mais seulement: „II n'y a rien
dans les Alpes suisses qui seit plus beau que la
Jungfrau.^ Et ainisi du Mont-Rose, duPilate, du Mythen,
de rUrirothstock, du Glämisch, du Morteratsch et
du vert päturage au pied du Hoch-Sänti«. — Chaeune
de ees belles ehoses a sa beaut^ particuli^re. Ob
peut pr^ferer Tuue k Fautre; les goüts sont libres.
Mais un esprit auvert, accessible ä des impresflions
Tari6es, comprendra^ »41 ne ks partage pas, toutcs
«es pr^f^rences. Chaeune peut se juslifier; ehacnoe
r^pond k une eei*taine masi^re de sentir.
Si c'est dans cet esprit de largeur que Ton in-
«ütue des comparaisons, nous demandcms, nous aotres
Yaudois, k ^tre admis au coneours, et non« disoM
qu'il n'y a rien dans les Alpes suisses qni efface le
spectacle que vous avez sous les yeux.
Permettez-moi, messieurs, au moment (yä j'ai l'hot'
neur d'ouvrir la XXI* assemblöe g6n6rale de notre
Club alpin, d'essayer de vous dire ce qui^ selon noaSt
justifie eette Prätention.
Villars-Chesüres et les Alpes vaudoises, 401
Le spectacle que vous avez sous les yeux. —
Mais, vous en avez plusieurs.
A Test, s'61ancent les Diablerets, qu'on verrait
mieux ä quelques pas d'ici: ils ont, vous le savez,
donn6 leur nom k notre section vaudoise. Vers le
nord, g'abaissent des croupes bois^es et des prairies
aussi vertes que les päturages du Hoch-Säntis : gra-
«ieux premier plan , par delä lequel , si nous nous
elevions un peu, nous verrions apparaitre les bleus
horizons du Leman. A Tonest, la plaine du Rhone,
avec la longue muraille cr6nel6e qui sert de frontifere
^ntre la Savoie et le Valais; au sud, eniin, le nid
4e verdure oü se cache le village de Bex, puis le
d^file de St-Maurice, entre la Dent du Midi et la
Dent de Mordes, appuyöe du Muveran, et dans l'entre-
deux, au fond, de hauts sommets glaciaires.
Voilä quatre tableaux distincts. Nous parlerons
du demier seulement.
„Mais, dira-t-on, vous d^passez d^jä, les limites
des Alpes vaudoises. üne partie de ce tableau appar-
tient k la France; une autre partie, considörable, au
<;anton du Valais."
Vous m'autoriserez , messieurs , k ne point me
laisser arreter par cette objection. Voir, c'est avoir,
a dit le po6te. Comment parier d'une montagne sans
parier de la vue dont eile jouit? D'ailleurs, nos amis
du Valais sont la complaisance mime: ils nous pre-
teront bien, pour un moment, leur merveilleuse Dent
du Midi. Politiquement, eile n'est pas vaudoise; mais
le Club alpin ne £ait pas de politique. Qui de nous,
«n prösence de montagnes dont le groupe forme un
26
402 Eughm Bambert.
tablean si harmonieux, songerait ä demander si les
bergers qui y ont leurs chalets rel^vent tous de la
meme administration cantonale? La Dent du Midi
est ins^parable du lac L^man, que, de Vevey et de
Montreux, eile encadre si bien ; surtout eile est ins^-
parable de la Dent de Mordes, son vis-ä-vis, sa sceur
et sa rivale. N'ayons pas de vains scrupules : prenons
ensemble ce qui va ensemble.
* *
Les princlpaux groupes des Alpes, disons-noas,
ont chacun leur beaut6 particuliöre , qu'on retrouve
dans la plupart des sites qu'ils offrent ä notre admi-
ration. — Nous appliquons ce principe au tableau
que nous consid^rons, et nous demandons quels en
sont les traits distinctifs.
II y en aurait plusieurs k noter, et nous ne son-
geons point k en faire une Enumeration compl^te.
Mais le premier, le plus caracteristique , c'est cette
breche, k deux pas de nous, entre la Dent de Mordes
et la Dent du Midi, la grande breche de St-Maurice
Rien de plus commun que des braches plus oa
moins profondes pratiqu6es dans les murailles des
Alpes. II y en a autant que de cols; il y en a bien
davantage , car , sans parier des petites coupores
auxquelles on ne donne pas le nom de cols , mais
qui n'en sont pas moins des braches, on peut dire
que toutes les vallEes laterales — par quoi il faut
entendre toutes les valläes qui coupent transversale-
ment les assises de la montagne, conune celle de
l'Aar dans TOber-Hasli , de la Reuss dans le eantoQ
d'Uri, de la Linth dans le canton de Glaris, du Rbin
ViUars-Chesteres et les Alpes vatidoises. 403
dans le Rheinthal — ne sont gu^re formöes que par
nne succession de braches aoalogues. Mais aueune
n'atteint k la puissance de celle de St*Maurice. La
breche de St-Maurice coupe jusqu'ä, la base, jusqu'ä
la racine meme de la montagne, une des principales
chaines des Alpes suisses, la seconde en importance^
Celle qui du Grimsel et du Finsteraarhorn se continue
saus interruption jusqu'au Buet et par delä. Elle la coupe^
de Martigny k Massongex, sur une longueur d'environ
20 kilom^treS; entre des sommets dont Taltitude varie
de 3000 mötres, ou peut s'en faut, k 3200 et davan-
tage, ce qui lui permet d'atteindre k une profondeur
de 2800 metres. II n'existe rien de pareil sur aueun
autre point des Alpes suisses. La gorge du Rhin
entre Reichenau et Ragatz, la plus consid^rable apr^s
celle-ci, ne mesure que 2250 metres de profondeur
maximum, ce qui constitue en faveur de celle du
Rhone une difference de 550 metres.
Cette difference est grande; mais eile est encore
augment^e, pour Teffet, par la configuration des mon-
tagnes entre lesquelles Touverture a et6 pratiqu^e.
Ici y malgr^ certaines complications dont nous dirons
un mot plus tard, le ph^nom^ne est simple. On voit,
du premier coup, qu'il s'agit d*une breche, et de rien
autre. L'imagination n'a aueune peine k combler le
vide et k reconstituer la muraille primitive. Tout Vj
invite, au contraire. Les assises de la Dent du Midi
eontinuent Celles de la Dent de Mordes. Ce sont
les memes roches, superposees ou juxtapos6es de la
meme maniere, et pour les points de rep6re les plus
importants, les niveaux sont k peu pres les memes.
404 Eugene Bambert,
A Coire , il faut une etude pour comprendre la pos-
8ibilit6 d'un raccordement , d'une continuite entre les
parois unies da Calanda et les montagnes moins ele*
vees, aux masses irröguli^res , qui leur servent de
vis-ä-vis. Les savants seuls s'en rendent compte. La
simplicitö de Teffet contribue pour une grande pari ä
rendre la breche de St-Maurice beaucoup plus impo-
sante que ne Test celle du Rhin ä sa sortie des Grisons.
II semble qu'un des g6ants de Ja fable, un Roland
titanesque, ait pourfendu la montagne de deux coups
de sa Durandal, Tun de droite, Tautre de gauche,
et que les clioses, des lors, soient demeur6es en l'etat.
Hier encore la muraille 6tait intacte, et r6p6e doit
etre chaude des coups qu^elle a frapp6s.
Si j'ai nomm6 Roland, c'est qu'il n'y a pas, daDS
la fable , de plus illustre pourfendeur de granit.
D'ailleurs, les populations de Bex, de St-Maurice, de
Villars, n'en ont guere oui* parier, non plus que de
Roncevaux et de l'archeveque Turpin. Un autre g^ant
leur est plus familier, Gargantua, dont Rabelais noas
a donnä de si mirifiques nouvelles. Gargantua est
le geant populaire, parce que c'est le g6ant bon-
homme. Sa premi^re 6p^e fut de bois, dit Rabelais.
La legende de ce pays-ci ne lui attribue aucune 6p6e,
mais bien une hotte. O'est lui qui a bäti ces mon-
tagnes, et sa hotte lui servait au transport des mat6*
riaux. Malheureusement, eile avait un treu. A chaqae
halte qu'il faisait, d'autres disent k chaque pas, il en
coulait quelque peu de terre, ou meme de petita
cailloux. Ainsi se sont formlos les bosses qui acci-
dentent la plaine du Rhdne: les collines du Hontet,
Villars-Chesieres et les Alpes vaudoises^ 405
de Duin, de Charpigny et de St-Triphon. Ce 8ont
autant de petita cailloux tombös de la hotte de Gar-
gantua. Puisqu'il avait une hotte, il avait aussi une
pelle Sans doute, et s'il bätissait des montagnes, rien
ne pouvait Temp^cher de les detruire au besoin. C^est
donc k lui, selon toute probabilite, que nous devons
la breche de St-Maurice. Dans un moment d'humeur,
il aura, d'un coup de sa pelle, renversö sur un point
la muraille qu'il venait d*6difier.
La geologie a changö tout cela; mais c^est encore
k un g6ant qu'elle attribue la coupure de St-Maurice.
Ce geant , vous l'avez vu et le verrez de partout,
hier, aujourd'hui, demain ; il est toujours lä, travaillant
Sans reläche: c'est le Rhone.
Le Rhone n^est que le second de nos fleuves; il
n'a ni le volume du Rhin ni la longueur de son cours ;
mais il est le pr emier de nos torrents. En amont de
St-Maurice, il bataille encore, ou plutot il bataille
de nouveau , en vrai fils des Alpes , se frayant un
chemin k travers des öboulements du Bois-Noir, de
ces öboulements qui , tömb6s k plusieurs reprises du
Bommet meme de la Dent du Midi, opposent encore
k son passage la barrifere de leurs blocs accumulös.
Le Rhin n'a rien de pareil, k moins qu'on ne remonte
jusqu'aux environs de Flims et d'Ilanz, oü il est loin
d'ögaler le Rhone au d6bouch6 du Valais. Le Rhone
du Bois-Noir est le torrent monstre, le torrent göant,
et par \k se confirme une rfegle admise par les g6o-
logues, savoir que, toutes choses ögales d'ailleurs,
les plus grandes vallees correspondent aux cours d'eau
les plus forts, et vice-versä. L'oeuvre accomplie est
406 Eugene Rambert
en raison de Fönergie de travail que peut deployer
Fouvrier.
Je ne voudrais pas, me parant d'un savoir d'em-
prunt , entreprendre de raconter ici Thistoire de cette
vall6e. Mais il suffit de ce premier jour ouvert sur
un pass6 lointain pour que, d6j4, d'inövitables ques-
tions se posent devant nous.
Cet ouvrier a-t-il toujours 6t6 ce qu'il est au-
jourd'hui? A-t-il toujours travaille comme ii fait en
ce moment? Legitime et embarrassante curiosit^.
Bornons-nous ä ce qui est indispensable pour guider
rimagination. Une fois sur la voie , eile achevera
Sans peine l'esquisse que nous ne pouvons qu'6-
baucher.
Dans la vraie göologie, celle de la science, les
plus grandes choses ont de faibles commencements.
C'est le contraire de ce qui arrive dans la g6ologie
de la legende.
Gargantua naquit g^ant. Rabelais nous apprend
que, pour sa premi^re robe, il fallut neuf mille six
Cents aunes de velours bleu cramoisi, tout porfile
d'or; plus, pour la ceinture, un ruban de serge de
soie, moiti6 bleu, moiti6 blanc, long de trois cents
aunes et demie et large en proportion. Nos amis de
Bäle n'ouvrent-ils pas de grands yeux en entendant
des chiffres pareils? Quelle commande, et combien
il est dommage , pour leurs fabriques , que la race
de Gargantua ait disparu de la terre!
Ce n'est pas ainsi que viennent au monde les
göants de la science: ils commencent par ^tre des
K
VillarS'Chesihres et lea Alpes vaudoises. 407
enfants, de tout petits enfants. Le Rhone n'a pas fait
exception. Sa premi^re robe, ou plus exactemeut son
Premier berceau, fut nne humble rigole, pareille k
eelles qne nos gar^ons s'amusent k creaser dans le
sable, sur la gr^ve des laes. C'^tait, je suppose, pr6s
des rivages du L^man, ou de la mer qui en tenait
lieu, c'est-^-dire pr6s de la ligne oü viennent k se
rencontrer les masses calcaires des Alpes et les mo-
lasses du Jorat. Par le travail de Teau, la rigole
s'approfondit et s'allongea d'aval en amont. C'est la
r^gle. Le point oü un fleuve a pris naissance est le
plus souvent k Topposite de celui oü il prend sa
source. II y eut un temps oü le ruisselet , devenu
torrent, tombait des hauts plateaux qui, sculpt^s par
le travail des siöcles, devaient prendre la figure de
cimes d6tach6es et porter les noms de Dent de Mordes
ou de Dent du Midi. Plus tard, le Rhone naquit dans
la region de Martigny, puis dans celle du St-Bemard
et du Combin. Ge que nos cartes nomment la Dranse
fut le Rhdne primitif, de meme que le Rhin du
Splugen est le premier-n6 des Rhins.
Tout en s'allongeant et reculant, le bassin du
fleuve se ramifia. Des vallöes longitudinales, c'est-i-dire
paralleles aux assises des Alpes, se formörent k Test
et k Tonest de la yall6e-m6re, oü elles aboutissaient
k angle droit, s'allongeant aussi d'aval en amont.
L'une d'elles ayant rencontr^ un sol plus favorable
k son rapide d^veloppement a form6 le Yalais. L'ae-
cident seeondaire a fini par etre plus consid^rable
que le fait principal. Le Rh5ne-Rh5ne a pris le pas
sur le Rhdne-Dranse. L'affluent est maintenant le
408 Etcgene Eambert,
fleuve. Meme aventure est anivee au Rhin, dont
rhistoire offre des concordances si frappantes avec
Celle du Rhdne. Ils ont grandi parallelement, l'un ä
Torient, l'autre ä Toccident de la Suisse, jusqu'a
devenir ce qu'ils sont devenus. Combien y a-t-il fallu
de si^cles, ou de si^cles de si^cles? Ces choses-la
ne sauraient s'evaluer. Tout ce qu'on peut dire, c'est
que, s'il est vrai que les vallees grandissent avec
le temps, le Rhone et le Rhin ne peuvent 6tre que
les plus anciens de nos torrents ou de nos fleuves^
non moins v6n6rables par Tage qu'imposants par le
volume de leurs eaux et rimmensite du travail ac-
compli.
* *
*
Le premier trait distinctif du paysage alpestre
que vous avez sous les yeux consiste donc en ceci^
qu'il a pour centre la plus considerable des breches
alpines, formee par le plus consid6rable de nos tor-
rents.
A la profondeur de la gorge correspond T^lance-
ment des cimes.
Je ne sais si vous vous en rendez bien compte^
messieurs; mais on ne rencontre gu6re en Suisse de
pareils mouvements de terrain. Beaucoup de mon-
tagnes, dans le Valais, dans les Grisons, dans le cantoD
de Berne, sont plus 61ev6es au-dessus de la mer que
ne Test la Dent du Midi; mais il y en a fort pea
dont le faite soit plus eleve relativement 4 la base,
fort peu qui dominent la plaine de plus haut et de
plus pres.
Nos sommit6s les plus avanc6es ont de ISOO",
VülarS'Chesterea et les Alpes vavdoises, 409
comme le Kighi, k 2500»", comme le Hoch-Säntis, si
eher aux Appenzellois , ce qui donne une projection
verticale de 1400 k 2000 ". Plus en arriöre, quelques
sommets, encore trfes en vue, au d6bouch6 des grandea
vall^es, atteignent ou d^passent 2400 ^ d'altitude re-
lative: le Glärnisch 2420, rürirothstock 2495. Cea
deux montagnes ont beaucoup de rapports avec la
Dent du Midi, seit pour la position, seit pour les
proportions, soit m^me pour la forme ; mais la hauteur
relative de la Dent du Midi est de 2855 m, 6e qui
constitue une diff^rence d'environ 400 m.
Ces chiffres pourraient etre contest6s. Ce sont
les plus r^cents qu'on ait, ceux qui m^ritent le plus
de confiance, gräce k Texactitude des derniers tra-
vaux ex6cnt6s. Dans la premi^re Edition de la carte
Dufour, on donnait k la Dent du Midi 3185 m au-
dessus de la mer. Plus tard, eile en a eu 3283. Un
6cart aussi considerable suppose une faute de lecture.
Le Chiffre vrai 6tait probablement le second; mais
une demiöre revision l'a quelque peu r^duit. Dans
la carte au 50/1000, feuille de St-Maurice, qui paraitra
prochainement et dont le Bureau topographique a bien
voulu me communiquer une 6preuve, la Dent du Midi
est cotee k 3260 m, restant ainsi la plus haute des
sommitös que nous avons en vue, aux premiers plans,
k partir des Diablerets (3246) jusqu'ä la Tour Sal-
liere (3227). D'aprfes la m^me carte, le pont de
Massongex, sur le Rhdne, est k 405", ce qui donne
bien pour la hauteur relative de la Dent du Midi le
Chiffre indique, 2855™.
Cela est considerable. Les cimes les plus 61anc6es
410 Eugene Banibert
des Alpes glaronnaises et grisonnes ne le sont pas
ä ce point; il s'en faut. Malgr6 ses 3623"», le Toedi,
le roi des Alpes glaronnaises , ne s*61eve que de
2400" an-dessus de Füntere-Sandalp , sa base viri-
table. La Bernina, point culminant de tout le resean
des Alpes grisonnes, cot6e k 4052 ™, ne domine Pon-
tresina que de 2250. Les plus hardis sommets des
Alpes bemoises et valaisannes offrent de meme, pour
la plupart, une hautenr relative införieure k celle de
la Dent du Midi : le Galenstoek , 2050 au-dessns de
Eealp; le Wetterhom, 2650 au-dessus de Grindel-
wald; le Grand Combin, 2684 au-dessous du Bonrg
St-Pierre; la Dent Blanche, 2686 au-dessus de Zinal,
et le Mischabel, 2752 au-dessus de Saas-F^e. La
projection verticale du Cervin lui-meme, mesur^ de
Zermatt, döpasse k peine celle de la Dent du Midi, 7"
seulement. Quelques autres rares sommets, tels que le
Schreckhorn et le Weisshorn, accusent aussi une petite
difference en leur faveur. Seule, la Jungfrau atteiot
im Chiffre notablement plus elev6 : 3343 ™ ; mais anssi
la Jungfrau est-elle , pour la hauteur relative, It
premi^re de toutes les sommit^s de la Suisse. Elle
ne le cöde qu'au Mont-Blanc (3760).
Si Ton pouvait appr^cier en chiffres reflPet produit
flur rimagination , les comparaisons que nous venons
d'6tablir seraient plus favorables encore k la Dent du
Midi. Sa position est si bien d6gag6e. Les haotes
cimes centrales sont, pour la plupart, perdues an food
de longues vall^es et fianqu^es de satellites qui les
masquent plus ou moins. II est souvent malaisä de
trouver un point d'oü on les voie de la base au faite,
Villars-Chesieres et les Alpes vaudoises. 411
tandis que la Dent du Midi, la voilä tout entiöre. De
la plaine, comme d'ici, eile se präsente dans tout son
d^veloppement, dans toute sa majest6 , et du premier
regard, on voit se succ6der sur ses flaues tous les
degrös de r^chelle des zones alpines.
Mais ceci est encore un des traits les plus carac-
teristiques du tableau : il vaut la peine de s'y arreter
un moment.
« *
Rien, dans les Alpes, ne frappe les touristes novices
antant que le contraste dont leurs flaues nous offrent
le spectacle. Les premiers ecrivains qui ont tent6 de
döcrire la montagne se sont appliqu6s k le faire bien
ressortir. Rousseau, dans sa lettre sur le Valais
[Nouvelle Helotse), y insiste particuliferement. Trois
on quatre heures d'ascension , dit-il , de Lou^che-la-
Ville, par exemple, ä la Gemmi, representent ä peu
prös un voyage de la M^diterran^e au pole. II a
raison. On traverse tous les climats. Flore m6ridionale
ä la base, glace 6ternelle sur les hauteurs. ün con-
traste analogue existe partout: c'est une des princi-
pales beaut^s des Alpes. Mais il n'existe sur aueun
autre point au meme degr6.
Gräce k la direction des vall6es et k la profondeur
qu'elles ont atteinte, ces äpres sommets abritent des
coins de terre favoris^s, oü la v6g6tation est r6elle-
ment italienne. Au moment oü je parle, la vendange
est eommenc^e, ou va commencer k Brausen, et k
PuUy, de Tautre c6t6 de la Dent de Mordes. La
figne mürit pour la seconde fois au pied de la tour
de Martigny, et l'amande est r6colt6e sur les rochers
412 Eugene Bambert.
que conronnent les ruines de Sali Ion. — Mais tenons-
nous-en k ce que nous voyons d'ici. St-Maurice et
Monthey , sor la rive valaisanne du Rhone , Lavey^
Bex, OUoD et Aigle, sur la rive vaudoise, ne con-
naissent pas des chaleurs aussi torrides qneBranson^
Fnlly et Saülon ; neanmoins^ le sonffle du Midi s'y fait
d6jA sentir avee nne singnliöre pnissance : si ce n'est
pas ritalie de la Saisse, c'en est la porte d'entree.
Preave en seit les forets de chätaigniers dont le vaste
mantean flotte sor les pentes inferienres de la Dent
da Midi. Ce sont les plas splendides qn'il y ait en
Soisse. Le Tessin Ini-meme n'en a pas de pareilles.
Au-dessos, a nne hantenr dejä considerable, yient la
zone da hetre, a laqnelle saccede celle da sapin;
pais les pätarages, pois les gazons epars, et enfin le
rocher na, qai, k mesare qu'on s'eleve, disparait de
plas en plas soas les frimas. A vrai dire, au sommet
de la Dent de Morcles , on peut encore r6colter une
vingtaine de plantes alpines: graminees, renoncules,
gentianes, androsaces et saxifrages. En fouillant les
plus hauts rochers duMaveran, on r^nssira k mettre
la main sur une derni^re petite gentiane bleue. Mais
Ton ne s*en douterait gu^re, k la distance oü nous
sommes. Et quant au sommet de la Dent du Midi^
il est, de meme que ceux des Diablerets et de la
Tour Sallifere, absolument d^pouille de v6g6tatioii
phan^rogame. A partir de l'esplanade connue sous le
nom de Col des paresseux, environ 200 m^tres an-
dessous du point culminant, il ne reste que de paurres
lichens comme on en trouve jusqu'au sommet du Moot-
Blanc, partout oü le roc affleure.
ViUars-Chesteres et les Alpes vaiidoises. 413
Nous n'avons pas en Suisse de montagne qui rap-
proche k ce point des extrömit^s plus ^loign^es, qui,
plus nue par les sommets , soit , par le bas , plus
magnifiqueiDent drap6e de verdure. De \k un effet de
vari6t6 qui est saisissant, et qui ajoute beaucoup k
rimpression prodüite par r^lancement des eimes. C'est
bien comme dit Rousseau: une ascension du pont de
Massongex au sommet de la Dent du Midi, ascension
ijui ne demande que quelques heures et qu'on peut
faire du regard en moins d'une seconde, ^quivaut,
pour la s^rie des zones travers^es, k un voyage de
ia MMiterran^e au pole nord.
* »
Cet effet de vari6t6 s'associe d'une maniöre ex-
tr^mement heureuse avec le dessin du paysage.
La nature a ses caprices. Parfois trfes parci-
monieuse en meme temps que tr6s industrieuse dans
le choix et Temploi des matöriaux , eile se platt,
d'autres fois, k faire 6talage de ses moyens. Ici, eile
s'est montr^e prodigue. Nulle part, dans un paysage
de mime 6tendue, eile n'a multipli6 k ce point les
fonnes interessantes, et toujours diversement inte-
ressantes.
Une supposition nous aidera k nous rendre compte
de cet exc^s de richesses.
Sapposons que nous suivions la route de St-Maurice,
^u plutöt de Massongex k Martigny, et que, tout en
feisant ensemble cette promenade, nous regardions
tantöt k droite tantöt k gauche.
Du cöte de la Dent de Mordes, nous serions sur-
prig de TextrSme r6gularit6 de la pente. Elle est
414 Eugene Rambert,
continne et tellement egale k elle-meme qa'une pierre
detachee da sommet, si eile ne se brisait pas en
chemm, devrait roaler jusqu'aa Rhone en ligne dlrecte^
arec nne rapidite croissante. Les accidents qui rompent
cette miiformite sauvage ne sont encore que des sillons,
eomme celai an fond dnqnel se ca^ie, ä mi-hanteur^
le hameaa de Mordes. II n'y a pas de terrasses, oa
il nV en a qoe de vagues ebauches. C'est une ravine,
une immense ravine, oü zigzaguent ä Tinfini les sentiers
toujoars montants et oü s'eehelonnent, k perte de vue,
les sapins sor les sapins, les roes snr les rocs.
Le spectacle serait tont antre da cote de la Dent
da Midi. Aa liea d'ane maraille regaliere^ noas verrions
se saeceder des promontoires , form^s par les asaises
inferieares de paissantes aretes , et s^pares par
des gorges plas oa moins profondes, oa roalent des
torrents impatients de confondre lears eaax arec
Celles da Rhone. Apres avoir doable le cap et franchi
le defile de St-Maarice, noas aarions ä passer le
torrent de Manvoisin: nom signifieatif et qai n'a pas
besoin de commentaires. Pais, apres an second pro-
montoire, viendrait an noaveaa torrent, dit de St-Bar-
thelemv, voisin plas dangereax encore. Ces deu
torrents sont de la meme famille qae la NoUa de»
Grisons et Tlllgraben da Valais. Celai de St-Barthelemj
ne le cede ga^re k ces rivaax mal fam6s. Aajoard'hoi
k sec, il semera demain la terrear sar ses bords^
roalant ä flots enormes toates les boaes qai tomberont
de Tamphitheatre dont il rassemble les eaax. On croi-
rait parfois qae la montagne elle-meme s'ecoole par
le torrent. Ce nain, qai toat ä coap devient g^aot.
Villars-Chesieres et les Alpes vaitdoises. 415
entreprend, dans ses jours de col^re, de fermer le
passage au Rh5ne , et si le Rhone n'^tait pas le
Rhone, ce serail fait depuis longtemps.
Voilä d^jä, de quoi donner du relief ä une pente»
Mais ce n'est pas tout. Par delä le Bois-Noir, \m
nouveau promontoir doubl6, nous verrions dans uu
pH de rocher — simple gerQure — tomber de cas-
eade en cascade cette brillante Sallenche, qui ne se
lasse pas d'^gayer de ses jeux les escarpements da
granit, et comme si ce n'6tait point encore assez,.
voici, quelques pas plus loin, les noires excavation»
par oü debouche le Trient, digne 6mule de la Tamina^
Bortant, comme eile, des entrailles de la terre. —
Ainsi, dans une simple et courte promenade, nou&
aarions rencontr6 les principaux types des torrent»
alpestres : le torrent de ravine, repr6sent6 par le Mau
voisin et le 8t-Barth61emy ; le torrent de cascade, qui
ne s'est pas encore emprisonne dans un lit t^nöbreux^
repr^sent^ par la Sallenche, et le torrent souterrain,,
vieux mineur dont Foeuvre est achevöe, representö par
le Trient.
Enfin , au moment d'arriver k Martigny , nous-
passerions ui) nouveau cours d'eau, qui, soigneusement
digue , n'offre pas le meme int^ret pittoresque , mai&
dont la pr^sence nous expliquerait pourquoi il y a
tant de difF^rence entre les deux versants du long
d6fil6. La Dranse, le Rhone de jadis, charrie beau-
coup, et »es alluvions ont Obligo le Rhone actuel k
se serrer contre la muraille de la Dent de Mordes, k
en Buivre exactement le pied, de teile sorte qu'il la
mine constamment par dessous et que tout ce qui fait
416 Eugene Barnbert.
«aillie tombe k mesnre. Da cot6 de la Dent da Midi,
Tespace est plas libre ; des terrains vagues y forment
an fond de vallee, dont la largeur a safii pour per-
mettre aax afflaents d'aj outer lear travail k celoi da
fleuve, en se cr6ant chacun son lit et sa gorge, voire
«OD cirqae ou sa haate vallee.
N'oablions pas, panni les faits qui contribaent ä
Tarier Tintöret de la promenade, la reocontre inopinee
des roches calcaires et des roches cristallines. Les
üretes avancees de la Dent da Mordes et de la DeDt
da Midi sont calcaires, tandis qoe Celles qai tombest
en arri^re, dans la direction de Martigny, sont grani-
tiqaes. Or, la diff^rence est grande, poar le jeu des
lignes, entre ces deax especes de roches. Ceax d'entre
voas qai n'ont pas encore Toeil babita^. k la sentir
poarraient s*y exercer en chemin. II s poarraient
<5hercher Texacte limite des deax terrains et se
demander, par exemple, poarqaoi la forme arrondie
da Salentin est ane forme granitiqae, tandis qa<i)
tout k c6t6, le singalier profil des rocs de Gagnerie
trahit Tjaction des eaax sar des masses calcaires.
Portons maintenant nos pas d'an aatre cOt^: diri-
geons-les de maniere k passer devant la fa^ade nord
— la grande fa^ade , celle qai regarde le lac — de
la Dent da Midi d'abord, pais de la Dent de Mordes
et des sommets qai la continaent jusqa'aa Maveran.
Ici, noas ne sortons pas da calcaire; mais 1<
richesse des formes en est k peine dimina6e: seale-
ment les roles sont intervertis.
La Dent da Midi, serr^e de pr^s par le torrefit
VillarS'Chesüres et les Alpes vaudoises. 417
du Val d'Iliiez, est, de ce «bt^, plus mÄSsive, plus
unie que la Dent de Mordes. C'est le cötö qu'il fout
voir si Ton veut en denombrer les sommets. II y en
a sept, dit-on ; on ponrrait tout tmm bien dire fault.
Mais ces dentelures mtiltipli^es ne sont que des dente-
lures, et la fa^ade m^me de la moutagne n'eB est
pas moins r^guli^re, large, haute, d'une pente k peu
prös 6gale k elle-mSme, et d'une beaut6 singuii^rement
majestuetiöe dauß so« aust^re srmplicitö. La Dent de
Motclies, au coirtraire, quoiqu'elie ft'ait que deux pointeB,
notts offire tffife sörie d'erosious importantes. La pre-
«ai^re «est Celle de Javernaz, la »econde celle d'Oe-
ßannaz , deux vallons bien aipestres , qui s'ouvrent k
la Mmite Mp6rieure des forets et s'abritent entre de
fortes aretes projet6es en avant. Ensufte, pour la cou-
ronne, vient la valMe prafonde qui s 'enfaDfce jusqu'au
pied m^me du Mtrveraii, la rowiairtrque vall^e de
Fretoiferes, fleB Plans et de Pont-de-Nanft, qui »finit par
s'en aller tourner derri^te les aretes avanc^es d*Oe-
satfuäz dt de Javernaz. Ici e»core la riebesse des
formes eöt grände: les ruisseaux vaudois qui ont
^ravaill^ la fa9aäe nord de la Dent de Mörcles et
du MüveralQ ufe scmt pas des auVlriers moins habiles
que les torrerits välaisans qui otit söulptiö le versaut
oriental de la Dent du Midi.
•4t *
Mais 'ce n^e^ que par supposition quenous avons
feit cette double promenade. Nous somtnes k Villars,
'et ViFläts n'eSt 8it«6 ni öans la brfeöhe de St-Tttaufice,
*lJi ön 'face de son otfretture. II eöt en dehoTs öt de
c3fe. Aussi ne voyoiis-nous pas 6galement bien les
27
418 Eugene Banibert
parois au pied desquelles nous venons de passer, en
Imagination.
La fa^ade nord de la Dent du Midi ne se präsente
k nous qu'en perspective fuyante, tandis que celle de
la Dent de Mordes se montre en plein. Voici les
vallons de Javemaz et d'Oesannaz, oü d'innombrables
troupeaux broutaient, il y a peu de jours, l'herbe h
plus fleurie de la montagne. Us y sont encore, atten-
dant avec impatience que le soleil qui nous favorise
alt fondu les neiges d'hier. Voici la vall^e de Frenieres
et des Plans, qui se resserre et s'61argit tour k tour.
Vous en voyez assez pour deviner, par deli un
premier 6tranglement , Tune des plus fratches cor-
beilles de verdure qui puisse inviter au repos le
voyageuF fatigue.
Nous ne voyons pas non plus 6galement bienles
versants opposes de la breche de St-Maurice. Celui
de la Dent de Mordes n'^tale point k nos yeux les
escarpements de sa formidable muraille. Nous se
pouvons en juger que par une ligne de profil, simple
et bardie. En revanche, rien ne nous ^chappe de
celui de la Dent du Midi. Voili le torrent de Maa-
Yoisin et son cirque, taill6 dans les assises calcaireB
qui dominent St-Maurice ; voilä celui de St-Barth^lemj
et son vaste Systeme de ravines, oü se suspend, vera
le sommet, un petit glacier qui semble pr^t k tomber;
voilü le sillon oü s'6bat la Sallencbe; voilkj dans
Tombre, lä-bas, le noir d6boncb6 du Trient. Voici
enfin, entre ces 6rosions diverses, les aretes r^sistantes,
secondaires ou principales, qui soutiennent encore b
montagne : dies se succ^dent du nord au sud, et noos
I
/
VülarS'Chesitres et les Alpes vattdoises, 419
ponvons en mesnrer toas les angles, en compter toutes
les dentelures, toutes les brisures, toutes les döchirures.
Le spectacle est complet.
Ce que nous voyons le mieux, de chaeune des
deux montagnes, c*en est donc le c6t6 le plus mouve-
mentö; aussi n'oflfrent elles nulle part, dans leur Op-
position, une plus grande richesse de lignes et de
contoors, d'aretes saillantes et de sombres ou roman-
tiques vallons.
Qne serait-ce si, portant plus loin nos regards,
nous les fixions maintenant sur les montagnes blanches
— toutes granitiques, celles-lä, toutes primitives —
qui forment le groupe central? Car, il est temps de
le dire, cette breche de St-Maurice n'est pas seule-
ment une porte par oü s'^chappe le Rhone; c'est
encore une fenetre ouverte pour nous sur un monde
8itu6 par delä, et ce monde n'est autre que celui du
Mont-Blanc, non pas encore tont entier, mais dans
one de ses parties les plus interessantes. Essaierai-je
d'en compter les aiguilles et les coupoles ? Essaierai-je
de vous dire ce qu41 ajoute k une abondance d6j4
81 grande de lignes et d'accidents pittoresques ? Non,
nous en avons vu suffisamment pour justifier ce que
nous disions tout k Theure: La nature, ailleurs si
ingönieuse k faire beaucoup avec peu, a voulu se
donner ici le plaisir de triompher avec prodigalite.
La beaut6 de ce paysage est une beaut6 de pro-
fusion.
* *
La profusion n'est-elle pas un d^faut? Oui, quand
eile s'^tale sans ordre, quand le regard, sollicit6 de
420 Eugene Bambert
toüs les c6t68 k la fois, ne sait oü se reposer. Mais
la nature a suivi ici le conseil que Ton donne aui
artistes et aux poetes: eile a fait de runite dans la
diversit^.
Ceci nous apparaitra clairement quand nous aurons
situ6, chacim ä sa place, les diff^rents groupes du
paysage et les principales figures dont ils sont compos^s.
Mais est-il bien permis de parier de figures k
propos d'un paysage sans figure? Le mot est plus
juste qu'il ne semble d'abord.
Les anciens philosophes pensaient que lorsque
nous parlons de beaute ä propos d'un objet mat^riel,
c'est que nous y associons involontairement une idee
ou une impression, transformant ainsi un phenom^ne
de Fordre physique en une apparition de Tordre moral.
tls avaient raison, Messieurs; ils avaient cent fois
raison. La mati^re brüte, s'il est possible de la
concevoir, n*est pas belle. Elle ne peut devenir belle
que lorsqu'elle a revetu une forme, et que cette
forme devient une figure k laquelle nous pretons une
äme vivante. Nous en usons ainsi, sans trop nous en
douter, avec tous les tableaux que nous offre la na-
ture, et surtout avec les paysages de montagne. C*est
meme en cela que consiste la principale sup^riorit^
du paysage de la montagne sur celui de la plaine:
il rend plus faciles, plus frappantes, ces sortes de
personnifications. Une montagne, c'est quelqu'un. Im-
possible de la d^crire sans lui preter des attribats
qui n'appartiennent , au sens strict, qu'ä des etres
qui sentent, qui pensent et qui agissent.
Regardez la Dent du Midi. N'est-il pas vrai quli
ViUarS'Chesieres et les Alpes vandoises, 421
y a quelque chose de royal dans cette ampleur des
bases et dans les plis flottauts de ces vertes dra-
peries ? N'est-il pas vrai que rien ne saurait ^tre plus
hardi, avec plus de gräce, que ces lignes d'aretes,
fort eloignees les unes des autres 4 leur poiut de
depart, et qui ne se rapprochent que pour s'elancer
ensemble et desa^ner dans les airs la Silhouette d'unq
Cime l^g6re, syeltQ et pourtant npajestueuse ? Cette
moptagne est fenune; cette montagne est reine.
La Dent du Midi forme presque k eile seule un
preiniier groupe ; les quelques sommets qui y figurent
avec eile, le Luisin, la Tour Salli^re, paraissent se
Tanger sous s^ depeudapce.
Ün 8econ4 groupe est compos6 de 1^ Dent de
Morcjes et des sommites ?iuxquelles eile donne la
main: la Tete-Noire, la Dent aux Favre, les deux
%veran, le petit et le grand.
Femmcj aussi cette Dent de Mordes, avec ses
demx Qornes recourb^es, pretes k s'abattre, pour la
dechirer, sur une rivale trqp belle et trop fiöre.
Femme, mais pas du tout reine. La Dent du Midi
Äe aait rien de la Dept de Mordes; mais la Dent
de 5Jprcles ne cesse de regarder la Dent du Midi
d'un oeil inquiet et jaloux. Vaincue, eile songe k se
venger, k moins que, par un dernier effort, eile ne
reussisse ä reconquerir la victoire. 0n dirait, k la
vpij* pyramider dans l'espace, qu'elle se dresse pour
se grandir.
Je neglige l^s sommites intermedjaires, quoiqu'elles
DQ manquent pas d'int^r^t, et je yais droit k potre
vieux Muveran.
t _.
422 Etirghne Bambert,
Pourquoi vieux? Eh, messieurs, c'est encore par
association d^dees, par Interpretation symbolique. La
Dent du Midi, qui doit avoir k peu prfes le meme
äge que le Muveran, parait jeune en comparaison.
Aucune montagne ne porte plus all6grement le poids
de ses cimes; coquette et brillante, eile a des elans
soudains, des audaces, des fantaisies. L'espace loi
appartient. Le Muveran est ramasse sur lui-meme;
11 est ealme, il est repos6, il est grave, et c'est d'nn
mouvement soutenu, k la fois 6nergique et tranquille,
qu'il 616ve son front sourcilleux, sillonn6 par les rides
du temps. La force est un de ses attributs. C'est
une ruine, sans doute, comme toutes les montagnes:
on en voit meme fort peu de plus ravin6es, et ce-
pendant cette ruine a Fair solide; on la dirait in-
6branlable. Le peuple, dont l'instinct est sür, malgre
quelques erreurs accidentelles , dit le Muveran, re-
connaissant par \k et saluant en lui une majest6 toute
virile. II frappe moins, k premi^re vue, que la Dent
du Midi; mais quand on a v6cu dans ce pays, c'est
de lui, peut-etre, qu'on a le plus de peine k se s^-
parer. „Comment voulez-vous, disait Charpentier, i
qui l'on offrait en Allemagne une position brillante,
comment voulez-vous que je quitte ce grand Mofera7i?^
— ainsi qu'il l'appelait dans son fran9ais germanique.
Charpentier avait des raisons diverses pour s'y etre
attach6. Aucune montagne n'avait 6t6 plus directement
associee k ses 6tudes et k ses travaux. C'ötait en
le consid6rant tous les jours du seuil de sa demeure
— du seuil de cette maison blanche, aux volets vert»,
dont, il y a cinquante ans, tous les savants de TEn-
VillarB'Chesihres et les Alpes vaudoises, 423
rope savaient le chemin — qu'il avait fait quelques-
UDes de ses meilleures d^couvertes. Mais n'est-il pas
permis d'attribuer k d'autres influences encore cette
affection naive et touchante? II a un charme, ce
grand Moferan^ le charme des uatures qui, k la
Virilit^ du caract^re, ajoutent les gräces de la bont^ ;
voyez comme il entoure et protöge ce petit et char-
mant glacier, le glacier de Plan N6v6, qui repose
entre ses bras comme un aiglon dans son nid. Le
Moferajx, c'est encore Gargantua^ le g^ant bonhomme.
* *
Pent-^tre, messieurs, trouverez-vous que j'insiste
trop sur ces impressions fugitives. II n'y faut toucher
que d'une main d^licate, car elles doivent une partie
de leur charme k ce qu'elles ont d'insaisissable. Les
exprimer, c'est d6jä les älterer. Chacun, d'ailleurs,
les ressent k sa mani^re. C'est comme une m61odie
qui peut plaire k tous sans qu'il y alt deux per-
sonnes qui y attachent exactement le m§me sens.
En ces sortes d'analyses, le plus sür est de s'en
tenir aux g^n^ralit^s. Du moins conviendra-t-on que
la po^sie des Alpes r^sulte, en grande partie, du rdle
qu'y Jone la ligne ascendante. Cette po^sie se laisse
ramener k deux termes principaux : la ligne qui monte
et la ligne qui descend ; le pr6cipice et ses terreurs,
la Cime et ses clartäs. Aussi ne se d6yeloppe-t-elle
dans toute sa puissance que lorsque certains niveaux
sont atteints. En ce sens, quoi qu'en puissent dire
no8 amis du Pilate, l'altitude n'est point indifferente
k Timpression produite. A ^galit^ de grace et de
hardiesse dans les formes, la cime la plus haute est
424 JEugene Bambert
n^eessairemeBt la plus belle. II y a ane äiff^reoee
entre les sommets de trois mille in^tres et ceux de
qnatre mille. La Dent du Midi, 11 faut bien Tayo^er,
n'est pas encore la Jungfrau, Pour la po^sie de )a ligpe
desoendante , du pr6cipiee, neu ue lui manque, Si
V0U8 voulez savoir ce que o'est que de voir profond^
de voir le bleu dans le gouffre, allee Ih baut, Bur
la Cime de l'Est. Mais il lui manque quelque choae
des effets que peuvent produire les lignes qui montent;
eile ne fait qu^aborder eette r6gion supörieure oü la
lumiere tombe de pres sur les 6paules blanches des
v^ritables reines des Alpes. Mais aussi la Dent da
Midi n'est-elle pas --^ uon plus que la Dent de
Mordes et le Muveran — tout ce que vous voyea
de Yillars. Kegardez par de\ä, et la po^sia des
hautes cimes lumineuses brillera & yos yeux dans >&
splendeur la plus immaculee.
Nous voiei en prösence du troisi^me groupe, I0
dernier et le plus variable des trois: il suffit, poor
le voir se modifier, da moiiter ou de desceudre quelques
eentaines de pas.
Hier d^ä, d'Aigla et d'Olion, par eette br^he de
Bt-Maurice, fepStre ouverte sur un monde plus loin-
tain, vous avez vu app^rattre k la diferob^e quelqi/N
jRiguiües, quelques eoupoles qui ont sjürenusot tcBB
votre euriosit^ en 6veil. Vous aorez devia^ , oa ob
vous aura dit, au besoin, que c'&taLißnt Les eoiitrefort«
les plus orientauK du piassif du Mont-Blane, tels qae
la pointe d'Omy, la Graade-Fourehe et l'AigHÜle d«
Tour. A masure que voua vous ^tes 6lev^, elies se
fiont d^ag^es. Avee ua peu d'attentioa, voob aorez
VillarS'Chesi^res et les 4^pe8 vaudoises. 425
^istingue Iq glaci^r du Trient, un des plus pi^rs d^^
Alp0^y dans Tanceinte ci^cuUi^e q^'abriteut^ le^rs uau-
raiUeSn Q^pendant d^s cimes noi^veUeg ßt plus }iaut6&
Tenalent eppchir le grqvpe primitif. Qe pi^empz, Iß
Premier village de monts^gne que vous ayez reucontre,
rAiguille d'Argentiere, flanqu6e de celle du Chardonnet^
pftraiB8£^it la plua 61apc6ß de l^putea. A Oh6si^res^
elles trouait encore. D6s lors, vous avez march6 d&
rodest ä Test, et vous avez perdu pßu ä pau les
sommitöB les plus orientales; elles se so^t cs^ph^ea
dßrri^Fß la Dept de Mordes ; ma^\& du cot^ dß Ift Dent
du Midi on eu a vu briller d^autres, et bipfitot TAi-
gliiUe d'Argentifere , que vous yoyßz ß|iqore, § d%
e^dep 1^ p^s ä r^iguille-Vörte, toujoijrs accpmpagnßa
de \^ Oojnf\e du Pru, son fid61e satellite.
Ppur le coup, yoil4 bipn la po^^fp (iu mof^dp
f^lpip supMei^^, II ^'y s^ pas 4^ neiges p^us v}rginales^
p^s mSioe ßur |p front ä^e la JfipgfrajLi. Mais ce u'est
riöft eßßQfei Ce spir, 4ftft3 notve prpflae^adp a Gryon^
QOiiA ¥3Frons \JLß poinjb bl^nc qui reßter^ pbstin^ment
e^iair^ qu^^d Iß^ pl^9 h^^tes ne^ges serou|; dans Topibrß;
ßt ypus acelj^mpire^ en lui )ß monarque des Alpes^
h Montr^lane ep persoppß. Pemai^; apr.6s q^i^ze pi^
vingt minutes de naarßbß, sjjp la roufe dß Chaipossaire^
-r- jß äi& \^ rpflte et flpp Jß^ sentiers, — vous n'eu
YßrriS^ p}|is s/Sjaleipent le sommet, yous le ve^re^
d^])9 tpujte s^ gloirß, ayec Jps glaces rui^selantßs de
im %ncs^ IJi y ßMf^ un moi^ient oi^ ^ Qcci|per^
pre«qiM« Be^ rpii^y/Brjtiiire qui i^oi^ ofre G,e^te s^rie de
t^bl/sauK sjB^ces$ifs, d'ejchapp^^jeß pl^s admi^able^ le^
meß quß l^l^ ai^tres. Fuis^ p^ontai^jt eneorß, l'ouyerjture
426 Bughne Bambert
s'^largira, et peu k peu rentreront en sc^ne, mais
dans Fordre inverse, les cimes disparues, jusqu'ä ce
que nous ayons enfin, des hauteurs de Chamossaire,
le massif tout entier, toujours domin^ par rincom-
parable coupole du Mont-Blanc.
Tels sont les trois groupes dont se compose le
paysage.
Poiir embrasser TenBemble, il snffit de les mettre
k leur place.
Au centre, la breche de St-Mauriefe; par cette
breche, dans le fond, le gronpe du Mont-Blanc, plus
ou moins complet, selon le lieu pr6cis d'oü Ton re-
garde; sur la droite et sur la gauche, en avant, le
groupe de la Dent du Midi et celui de la Dent de
Mordes, appuy6e du Muveran. — Et c'est tout.
II n'y a pas d'ordonnance plus simple; 11 n'y en
a pas de plus favorable k Tunitö d'un tableau. Tout
se subordonne aux cimes lointaines. C'est pour elles
que cette ouverture a 6t6 pratiqu6e, et les sommit^
qui les encadrent paraissent n'exister, si fi^res soient-
elles, que pour leur faire une garde d'honneur. Ainsi
Tattention est ramen^e de partout vers le point cen-
tral, qui est aussi le point Inmineux.
A vrai dire, une ordonnance pareille est chose
commune dans les Alpes ; on en retrouve le type nn
peu partout k Tentr^e des grandes vallöes, souvent
aussi des petites. Elle n'en est pas moins heureuse.
Ces vues par ^chapp^es pritent merveilleusement ü
la fantaisie. L'imagination les ach^ve, et ce qu'elle
r^ve embellit ce que voient les yeux. Et puis, la
Vülars-Chesüres et les Alpes vaitdoiaes, 427
chose rare, c'est d'avoir pour fenetre ouverte une
breche de St-Maurice ; pour groupe de fond, celui de
rAiguille -Verte ou du Mont-Blanc^ et pour garde
d'honnenr une Dent du Midi, une Dent de Mordes
et un Muveran. Ceci, c'est le privil^ge unique, c'est
la gloire de Villars-Ch^sieres.
« *
Mais, messieurs, depuis le temps que je vous
parle de la vue dont on jouit de Villars-Ch^siöres,
je ne vous ai rien dit encore ni de Chösieres, ni de
Villars. — Je n'en dirai qu'un mot.
Villars-Ch6si6res, vous le voyez, est une terrasse
flemi-circulaire , qui se relfeve en arri^re. Situ6e ä
mi-hauteur de la montagne (1250 ä 1300"), eile est
toute en prairies et en bouquets d'arbres. On dirait
un parc anglais. La main de la nature, plus intelligente
parfois que celle du plus fin jardinier, y a sem6 sapins
et m616zes, comme si eile avait voulu nous inviter ä
encadrer de verdure les cimes blanchissantes. Ceci
encore est un contraste, et Tun des plus s6duisants
qui se puisse imaginer. Ceci encore est un des traits
fcaract^ristiques du paysage que vous avez sous les
yeux. Le regard et la pens^e se portent tour a tour
aur les splendeurs de l'horizon et sur la fratcheur
des Premiers plans. Ce Mont-Blanc est incomparable,
Sans doute ; mais il serait d'un 6clat moins pur sans
cette brauche de m61^ze qui se dessine sur son manteau
d'hermine ; on a peine ä dötourner les yeux du colosse,
et pourtant n'est-il pas encore plus beau lorsqu'on a
consid6r6 un instant les ileurettes qui ^maillent la
pelouse — r qui T^mailleraient demain jusqu'au sommet
42Q Eugene Bambert,
4ß Ohampssaire si la raison 6tait mpins avs^ucee: —
upe päquerette, une pyimevöre rose, une siiflple ^e-
ipoi^e sylvie ? Ainsi dpa fleurs aux cimes e\ des cimes
aux fleurs flotte et se bercp rimagination^ parQpf^pant
d'un vol heureux le monde des cbpses cr^^eS;^ passaut
et repassant du gracieux au suljliinej de ce gui cbarrnft
k ce qui transporte, et trouvant partout de nouveaui
naqtifs de r^'ouissance et de yeligieuse ^dmiration.
)((!e9sieurs , vous ne rpsterez pas assßz longtemps
parroi nous gour voir ce tableau CQmme il faudrait
le voir, en repos, ä l'ojpbre, et d'un lieu choisi. ^W
8i peu que vous restiez, vojiß en aurez vu suffisam-
meut pour comprendre que les Yaudois spieifj; ßxtreme-
ment attach6Sj noQ seulement k leur bleu |^eman^
mais eppore 4 leurs montagnes. Att^ch6s, Ip mqt n'est
pas a^pez ^pergiqup^ ils ei^ sont eptich^s. C'est ^res
^erieusement qu'ils cfoient que le mondp des Alpes
ne s^urait ofifrii: plps dp m^gnificences que dans ce
coin de tprrp. Toutefois, jls n'oublient pas les jusfes
et sagps resefve^ que nous fs^isions en pomipen^^Dt.
lU fie disent pas que les Alpes n'ont rieu ^p si h^Uy
ils djsent qu'elles ne peuvent pas etre plus b.eJlßB*
Q'ailleurs, ßi Vaudois que nous soypns^ npus restpns
et re^teron^ bons et fi.d^Jps Conf6d6res. Nptre parfr
cularisme; compie on dit, n'a rien d'exclusif. pn al-
pinjstps dont les yeiix ej; l'pspnt sopt puvefts, pou*
npus fappelpng c.ejbte Jungfrau, qui pp nous p^f^^
pas mqiuß b^illapte qu'ä nos amis de Ber^e ; ce Moot'
Bo@e; pp Cepin, ce Weisshorn, dont la majpßte qe
ßpuß i*^yi|k pap inpins que les enfants du Valais; pfi
Pija^e, cp Mythen, ce goljp d'pri, cet Urirothstpck,
Villars-Chesieres et les Alpes vaudoises, 429
•qui comptent autant d'admirateurs parmi nous que
dans les sectiqns de Lucerne, de Schwytz et du Got-
hard; ce GlärDisch et ce lac de Wallenstadt, dont
la pittoresque beaut^ n'est pas ch^re seulement aux
Glaronnais ; cette Bernina, que nous savons voir avec
les memes yeux que les guides grisons, ä la barbe
imposante; ce vert päturage enfin, au pied du Hoch-
^Säntis, oü nous avons quelquefois iodle , d^une voix
moins juste et moins retentissante , mais d'un eoeur
aussi joyeux que les bergers de T Appenzell.
Ces sentiments sont aussi les votres, Messieurs
«t cbers coU^gues. Groupons-nous donc ensemble sur
le sein de la m^re-patrie, oü il y a place pour tous ;
d^pouillons toute vaine Jalousie et serrons-nous fra-
temellement la main, pleins d'une juste reconnaissance
pour Celui qui nous a fait naitre dans un pays oü
tout est beau, si beau qu'on ne sait k quelle partie
il faut donner la pr6f6rence.
IV.
Kleinere Mittheilungen.
I
Neue Bergfahrten in den Schweizeralpen 1885.
Moutblancgruppe*
Aiguille Blanche de Peuteret (4108™). Juli 31.
Mr. H. Seymour King mit A. Supersax, A. Anthamatten
und E. Rey. Dieselben brachen uni 5 Uhr von ihrem
Bivouac am oberen Ende des Glacier du Brouillard
auf, stiegen zum Glacier du Frenay ab, den sie in
der Richtung einer zum Brenvagletscher führenden
Lücke tiberschritten, und erreichten von dieser Lücke
aus nach schwieriger Kletterei über den Nordabfall
um 2 Uhr den Gipfel. Der Abstieg zum Bivouac
nahm 5^/2 Stunden in Anspruch. S. Alpine Journal
Kr. 90 pag. 419 und Nr. 91 p. 431 u. ff.
Col de Planereuse et Darret (3537 ">). 1. und
7. August. L. Kurz mit F. Biselx, siehe pag. 151
n. ff. dieses Jahrbuchs.
Walliseralpen«
Dent Perroc, Südostspitze (3679 »). 22. Juli.
Die Herren Tschumi und Kündig mit Joseph Quinodoz
verließen um 3 Uhr 50 Min. früh den Gasthof zum
Mont Collon in Arolla, erreichten um 8 Uhr den
Kamm der Dent Perroc und über diesen nach
schwieriger Kletterei um 10 Uhr 55 Min. die Spitze,
welche sie Pointe des Genevois tauften. Nach der
Ansicht des Hrn. Tschumi wäre es besser gewesen,
statt den Grat selbst, ein Felsband etwas unterhalb
28
434 Redouition,
desselben auf der Ferpecleseite zu verfolgen. Siehe
Echo des Alpes 1886 Nr. 1, pag. 23.
Dom (4554™) von Saas aus. August 20. Mr. Car-
theige mit G. Taugwalder und X. Imseng. Die-
selben bezogen am 19. August ein Bivouac am Fuß
der Ostwaud des Berges oberhalb des nördlichen Arms
des Feegletschers und stiegen am 20. früh über die
Wand direct zur Spitze hinauf, die nach 8^/4 stündiger
Kletterei erreicht wurde. Der Abstieg nach Randa
erfolgte auf dem gewöhnlichen Wege. Die Anstiegs-
route liegt etwas südlich von derjenigen der MM.
A. und W. Puckle (vergl. Alpine Journal VII, pag. 324,
und Studer: lieber Eis und Schnee, Supplementband
pag. 153). Siehe Alpine Journal Nr. 90, pag. 419.
Berneralpen«
DoJdenhorn (3647«^), mit Abstieg zum Gasteren-
thal und Fründimjocli (3001 °0. 10. und 18. Juli.
Herr und Frau Dr. Dübi mit Chr. und Hs. Hari.
Siehe pag. 134 u. ff. dieses Jahrbuches.
Jungfrau (4166") vom Roththal aus über den
Sudwestgrat. 21. September. F. v. Almen mit H.
V. Almen, U. Brunner, F. Graf, K. Schlunegger uod
J. Stäger, siehe pag. 89 u. ff. dieses Jahrbuchs.
jE'if7(ir (3975«»), Traversirung über den Mittellegi-
grat. — . ? August. Hr. M. v. Kuffner mit Burgener und
Biener. Nachdem Hr. v. Kuffner am 29. Juli ver-
gebens versucht hatte, den Eiger über die Mittellegi
zu besteigen, machte er am nächsten schönen Tage die
Besteigung auf dem gewöhnlichen Wege von der klei-
nen Scheidegg aus und stieg über die Mittellegi zum
Hörnli hinauf, an dessen Fuß ein Bivouac bezöge»
wurde. Am folgenden Tage wurde Grindelwald er-
reicht. Siehe Oesterreich. Alpenzeitung Nr. 174,
pag. 222.
Kamm. (3870™). Erste Besteigung 17. Augu^t.
Herren A. Lorria und Dr. G. Lammer ohne Führer.
Netie Bergfahrten in den Schiveizeralpen 1885, 435
Um 6 ühr früh verließen dieselben die Concordia-
hütte, gelangten um 7 ühr 15 Min. zum inneren
Schönbühl und stiegen von diesem über einen ziem-
lich schwierigen Felsgrat nordöstlich zu dem kleinen,
vom Kamm südwestlich herabhängenden Gletscher
auf, der um 1 ühr 30 Min. erreicht und nach ^/2StUn-
diger Rast in der Richtung des Gipfels tiberschritten
wurde. Steil über den Gletscher ansteigend, gelangten
sie dann zum Fuße der Gipfelwand und endlich über den
Westgrat um 2 Ühr 35 Min. zur Spitze. Abgesehen
von den Rasten erforderte der Anstieg 7^k Stunden,
der Abstieg, der auf etwas nach rechts abweichendem
Wege gemacht wurde, 4 Stunden. Siehe Mitthei-
lungen des D. und Oe. A. V. Nr. 17, pag. 194, und
Oesterreich. Alpenzeitung Nr. 174, pag. 220 und 221.
Klein ■ Grünhorn (3927 "^). Erste Besteigung
13. August. Herren A. Lorria und Dr. G. Lammer
ohne Führer. Dieselben brachen 5 ühr 45 Min.
von der Berglihtitte auf, überschritten 6 ühr 15 Min.
das untere Mönchjoch, erreichten 7 ühr 20 Min. über
das Ewigschneefeld den Fuß des Berges und gelangten
durch complicirte Seracs und über Fels und Schnee
zu einem langen scharfen Firngrat, den sie bis zu
den Gipfelfelsen 'verfolgen konnten. Dann wandten
sie sich rechts (Stufen) und erreichten über einen
äußerst scharfen Felsgrat um 11 ühr 10 Min.
die Spitze. Abstieg auf demselben Wege. Ankunft
in der Berglihtitte 4 ühr. Siehe Mittheilungen des
D. und Oe. A. V. 1885 Nr. 17, pag. 194, und
Oesterreich. Alpenzeitung Nr. 187, pag. 220.
Hinter- Fiescherhor7i (4020"™). Erste Besteigung
27. Juli. Herren Aug. Lorria und Dr. G. Lammer
ohne Ftihrer. Dieselben brachen 4 ühr 20 Min. von
der Berglihtitte auf, überschritten die nächste östlich
vom unteren Mönchjoch gelegene Einsattelung (4 ühr
50 Min.) zum Ewigschneefeld, das längs des west-
lichen Abhangs des Fieschergrats traversirt wurde,
436 BecL Neue Bergfahrten in den Schweizeralpen 1885.
wandten sich dann links gegen den Sattel zwischen
den Fiescherhörnern, der um 9 Uhr 20 Min. erreicht
wurde, und erreichten um 10 Uhr 35 Min. den Gipfel,
der circa 50™ höher ist und beträchtlich nördlicher
liegt, als die von Dr. Häberli am 13. Juli 1871 be-
stiegene Spitze (vergl. Jahrbuch des S. A. C. VIII,
pag. 148 u. ff.). Auf dem Rückwege wurde auch
das Groß - Fiescherhom (4049™) bestiegen. Siehe
Mittheilungen des D. und Oe. A. V. 1885 Nr. 16,
pag. 185, und Oesterreich. Alpenzeitung Nr. 172,
pag. 197.
FinsUraav-Rothhorn (3549™). 27. Juli. S. Simon
mit E. Merian und J. Tischhauser, siehe pag. 75 u. ff.
dieses Jahrbuchs.
Nässihom (3749™). 2. August. Dr. E. Burck-
hardt mit Chr. Jossi und P. Schlegel, siehe pag. 44
u. ff. dieses Jahrbuchs.
Disgrazia-Albigna-Uruppe.
Cima del Largo (3170™). SUdostgipfel, und
Fuorcla dd Largo (2949™). 22. August. Dr. Tb.
Curtius mit Gh. Klucker, siehe pag. 222 u. ff. dieses
Jahrbuchs.
P. Bacone (3243™) von der Fuorcla del Bacone
(3050™) über den Nordgrat. 27. August. Dieselben,
siehe pag. 231 u. ff. dieses Jahrbuchs.
Cima da Spliig (3043™). 1. September. Dieselben,
siehe pag. 236 u. ff. dieses Jahrbuchs.
Berninagrnppe.
P. ßernina (4052 ™) über den Scerscengrat. 12. Au-
gust. Mr. W. Williams mit Schocher und Arpagaus
brach um 1 Uhr früh vom Rosegrestaarant auf,
erreichte um 11 Uhr 45 Min. den Sattel zwischen Punkt
3385 und P. Bernina und stieg in weiteren 1 ^,4 Stunden
zum Gipfel des letzteren auf. Der Abstieg nach
K
M, SchupplL Eine Alpfahrt im ünterwallis, 437
Boval auf dem gewöhnlichen Wege nahm 2 V2 Stunden
in Anspruch. Soweit die dürftigen und unbestimmten
Angaben es erkennen lassen, scheint die Anstiegslinie
eine Variante des Weges Mr. Wainwight^s vom 1 5. August
1880 zu sein. Siehe Alpine Journal Nr. 90, pag. 422.
Die Red,
Eine Alpfahrt im Unterwallis.
Es war am 15. Juli 1880, als ich von einem Träger
begleitet den höchst interessanten und gar lieblichen
Bergpfad einschlug, der von FuUy über die Berg-
dörfchen Neuloz, Buitonaz und Tschieboz in circa drei
Stunden auf den wunderschönen, waldumkränzten Mayen
(Maiensäß) Lousine führt.
Bis weit hinauf begleiten uns zuerst die Reben und
dann die goldenen Saaten reicher Getreidefelder. Diese
Gegend ist die wärmste im ganzen Wallis. Nord- und
Westwinde treffen sie nicht, Dur Süd- und Stidwest-
winden steht sie offen. Von einer erquickenden Morgen-
frische fühlten wir nichts, der Boden vermochte sich
nicht bis zur Thaubildung abzukühlen.
Als die Sonne im Osten heraufzog, stieg mit ihr
auch die Hitze zu einem bis zum Ersticken hohen
Grad. Die wunderschöne Aussicht auf das Rhonethal
bis nach Sitten und noch weiter hinauf, das Erscheinen
der gegenüberliegenden Vorposten der Walliseralpen
mit den Furchen und Schluchten der grünen Seiten-
thäler, die prächtige und interessante Vegetation in
ihrem südlichen Charakter : Alles das wurde der immer
ürtickenderen Hitze wegen nicht mehr recht gewürdigt
und konnte nicht mehr so voll und ganz genossen
werden. Ein murmelndes Bächlein, ein einladendes
Schattenplätzchen wirkten viel stärker und vermochten
weit mehr unsere Aufmerksamkeit zu fesseln.
438 M, Schuppli,
Endlich hörten wir die Heerdenglocken von Lon-
sine und erneuerten unsern Muth, dasselbe bald zn
erreichen.
Ein wunderschönes Plätzchen Erde, dieses Lousine ;
ein wahrhaftes Idyll der Alpenwelt von der größten
Lieblichkeit! Es liegt zwischen der Grande Garde
und dem Grand Chavalard in einer Höhe von 1620™;
ein grüner Wiesengrund, welcher auf beiden Seiten
in lichten Lärchenwäldem zu den mächtigen Fels-
wänden ansteigt. Die ganze Alp bildet einen weit aas-
gedehnten Park, in welchem mächtige Lärchen einzeln
und in Gruppen den Rasenteppich unterbrechen.
Dort wiegen sich über bemoosten Blöcken einige
der schönsten Exemplare und bilden auf weichem
Graspolster ein Schattenplätzchen, das ich mir zum
Ruheort auserkoren habe. Prächtige Lärchengruppe!
An mächtigen Aesten hängen herunter in dichter Fülle
die langen Zweige mit Büscheln weicher Nadeln ge-
ziert, in ihrem zarten Grün ein Bild von wundersamer
Lieblichkeit und Feinheit. Ein heimeliges Plätzchen,
das ich mein nannte und das mir ai^ch Niemand
streitig machte ! Es ist doch eine wunderbare Welt,
dieses Wallis! Unten die Kastanie, der Baum des
mediterranen Südklima^s, der mildesten Zone der Welt,
und hier oben die Lärche, der Baum Sibiriens. Welche
Gegensätze, die sich hier eigentlich berühren!
Auf einer Terrasse unseres Mayens stehen zwei
Sennhütten von den schönsten Lärchen beschattet, in
welchen wir freundliche Aufnahme fanden. Die Käser,
junge Leute von Fully, waren eben mit der Zube-
reitung der Käse beschäftigt. Es befinden sich auf
der Alp 318 Kühe, aus deren Milch im Durchschnitt
täglich 20 Käse ä circa 15 Pfund fabrizirt werden.
Die Kühe gehören den Einwohnern in Fully, und es
ist die Einrichtung getroffen, daß jedem Einzelnen die
ihm zukommende Milch täglich gutgeschrieben wird.
Die Leute waren alle in fröhlicher Stimmung, denn
Eine Alpfahrt im üntertcallis. 439
morgen, Sonntag, soll die Alpfahrt nach Fully-Alp
stattfinden. Dieselbe gestaltet sich jedes Jahr zu einem
großen Feste, an welchem auch die jungen Leute aus
dem Dorfe Antheil zu nehmen sich das Vergnügen
machen. Sobald unsere Sennen mit ihrem Eäsgeschäft
fertig waren , fingen sie allerlei Vorbereitungen auf
^ie morgige Abfahrt an. Mit besonderer Sorge machten
sie ihre Toilette. Da war ein Haarschneider, der den
Einen nach dem Andern unter die Scheere nahm,
dann folgte der Barbier, der mit großer Fertigkeit
seine Kameraden rasirte. Auch wurden die Kleider
ausgebessert und die Schuhe geputzt. Und das Alles
geschah in gemtithlichem Tone und heiterer Stimmung.
Die Bursche gefielen mir und ich fühlte mich bald
ganz heimelig unter ihnen. Nach meiner Nationalität
fragend, setzten sie voraus, ich sei Vaudois oder Anglais,
^ie einzige Alternative, welche sie jedem Fremden
stellen, Bernois ou Allemand steht außer dem Bereiche
ihrer geographischen Begriffe. Ihr Patois klingt stark
nach dem Italienischen und ist ziemlich schwer zu
verstehen. Ein junger blonder Bursche, der durch seine
lebhafte Gesprächigkeit sich auf einen höheren Stand-
punkt der Bildung stellen zu sollen glaubte, unterhielt
sich gerne mit mir. Alle seine Antworten begann er
mit dem Bewunderung ausdrückenden „tiens, tiens" !
Alle diese Leute sind noch nie über die Grenzen ihrer
Heimat hinausgekommen und zeigen sehr wenig
Cultur, dagegen viel Originalität und Gutmüthigkeit.
Ich stellte mich mit dem Chef de la Cabane,
einem jungen intelligenten Manne, sogleich auf guten
Fuß und erwarb mir seine Gunst.
Die Hütten und ihr Mobiliar zeichnen sich durch
Ureinfachheit aus; außer den zur Käserei noth-
wendigen Utensilien war auch gar nichts vorhanden,
nicht einmal eine Pfanne. Ich trug meine Vorräthe an
Kaffee, Thee, Suppentäfelchen etc. nach dreitägigem
Aufenthalt wieder den Berg hinunter, wie ich sie
440 M, SchuppU.
hinaufgetragen hatte, und begnügte mich, wie meine
Gastwirthe, mit Milch, Brod, Butter und Käse. Von
Tischen und Stühlen ist natürlich hier keine Rede^
dagegen oflferirte man mir gleich beim Eintritt einen
einbeinigen Melkstuhl, den ich mir sogleich anschnallte
und, wie alle andern Insassen der Hütte, als unzer-
trennlichen Bestandtheil meines selbsteigenen Ichs
überall mit mir herumführte. Eine recht bequeme Ein-
richtung, den Schwerpunkt jeder Zeit und an jedem
Orte nach Belieben zu verändern, die mir aber An-
fangs Übel mitspielte, indem ich denselben zum Gaudium
der Gesellschaft einige Male verlor. Alles in der
Welt will aber gelernt sein, sogar das Sitzen auf
einem Melkstuhl.
Es war Abends 6 Uhr, als man von allen Seiten
her das Heerdengeläute ertönen hörte; die Hirten
trieben die Kühe herbei, welche sich auf einem großen
ebenen Weideplatz in der Nähe der Hütten sammelten.
Es ist Melkzeit und es beginnt ein bewegtes fröhliches
Leben. Die Melker springen von den Hütten zur
Heerde, Melkkübel tragend und einen Strick nm die
Schulter gewunden, suchen dort die ihnen zugetheilten
Kühe aus, melken sie und eilen dann wieder schnellen
Schrittes zu den Hütten zurück, wo ihnen die Milch
genau gemessen und aufgeschrieben wird.
Das Ganze stellte ein ganz eigenthtimliches Ge-
mälde dar, voll Leben und Bewegung, das Aug' und
Ohr in Spannung versetzte.
üeber 300 Kühe mit breiten , buntgeschmfickten
Halsbändern geziert, an welchen die großen Glocken
in steter Bewegung ein unausgesetztes, hundertfach
tönendes Geläute verbreiten, die Menge von Hirten
und Sennen , welche durch ihr Rufen , Jauchzen und
Singen einander zu überbieten schienen, die in be-
deutender Anzahl der Heerde folgenden Esel, die aa8
der Feme mit ihrem Geschrei, gleich Alphomtönen,
das Orchester bilden, und endlich der Wiederhall all'
Eine Alp fahrt im üntericallis, 441
dieser Tonarten von den nahen und fernen Fels-
wänden : das Alles bildete zusammen ein Concert, das^
von der Ferne aus angehört, einen wundersamen Ein-
druck machte. Oft glaubte man einen Chorgesang, oft
ein Geläute , oft eine Musik in der Ferne zu hören^
je nachdem man den Standpunkt veränderte. Ein
wunderbares Naturconcert !
Doch treten wir der Viehheerde näher, die auf
ihrem Melkplatz so schön versammelt ist. Die kleinen
lebhaften Walliserktihe interessiren uns im höchsten
Grade. Es sind flinke, intelligente Thiere, die un&
80 frisch und munter anschauen, als wollten sie sich
mit uns unterhalten. Sie gehören der Braunviehrace
an und spielen in ihrer Farbe vom dunkeln Schwarz-
braun durch alle Abstufungen bis zum hellen Grau^
Sie zeichnen sich aus durch einen schlanken, wohl«
gebauten Körper, einen leichten Kopf und feine Glieder.
Vermöge ihres leichten Körpers und ihrer festen
Beine klettern sie wie Ziegen die Felsen hinan und
holen sich das auf den schmalen Bändern und Gräten
spärlich wachsende Gras mit aller Sicherheit. Dabei
sind sie milchergiebig und äußerst dauerhaft.
Mit besonderem Interesse zeigte mir ein Senne
die € reine T^ (Königin). Wenn nämlich im Frühling
die Thiere aus den Ställen zur Heerde zusammen-
getrieben werden, so messen sie sogleich ihre Kräfte
und es beginnt ein Kampf, der nicht endigt, bis die
Stärkste und Gewandteste alle andern besiegt hat und
diese sie als Siegerin anerkennen.
Die „reine" ist dies Jahr die große schwarze Kuh
des M. le juge von Fully, meines biederen, feucht-
fröhlichen Wirthes der letzten Nacht, die hier oben
die Heerde beherrscht, wie unten ihr Meister das Dorf.
Ke Sonne neigte sich nach diesem wechselvollen Tage
zum Untergänge, allein in der Hütte trat keine Abend-
ruhe ein. Alles war noch voll Leben und eiliger Vor-
bereitung auf den kommenden Tag. Erst gegen Mitter-
442 M. SchuppU.
nacht legte man sich unter den Lärchen zu emem
kurzen Schlafe nieder. Ich suchte schon frUher mein
auserwähltes Plätzchen und genoß einige Stunden der
•erquickendsten Ruhe.
Gegen 2 Uhr Morgens langten die ersten Leute
^on Fully an, die an der Alpfahrt Theil nehmeo
wollten, und damit begann der Festtag. Es sammelte
sich nach und nach eine bunte Gesellschaft von
Männern, Frauen, Kindern, Maulthieren und Eseln,
>die wirr durch einander die Umgebung der Hütte
besetzten. Um 3 Uhr trieben die Hirten die Kühe
zusammen auf den Melkplatz, auf welchem die FuUy-
Leute ihre lieben Kühe begrUßten und den Sennen
melken halfen.
Dem Rathe meines Führers folgend, wollte ich
dem Zuge vorausgehen, um von der Höhe aus den-
selben sich gestalten und in Bewegung setzen zu
sehen. Wir stiegen etwa ^12 Stunde lang im Zickzack
•durch einen lichten Lärchenwald und fanden auf der
Höhe eine Stelle, von wo aus wir das ganze Gebiet
-deutlich tiberblicken konnten und die Hütten auf
Lousine mit dem Melkplatz gut im Auge hatten.
Mein Führer versicherte mich, daß die Kühe es recht
gut wissen, daß heute Alpfahrt sei, und daß sie sich
* fi-euen , die abgeweidete Alp zu verlassen und auf
der Fully-Alp eine reiche Weide zu finden. Und
wirklich, man sah und hörte es, daß die Thiere von
einer außergewöhnlichen Lebendigkeit wie besessen
waren und es fast nicht erwarten konnten, die Abfahrt
anzutreten. Die Hirten hatten die größte Mühe, sie
beisammen zu halten. Immer zog sich die Heerde
dem Wege nach Fully-Alp zu, und trotz der großen
Thätigkeit der Hirten entwischten einige der Schlausten
und kamen auf ihrer Flucht bis zu uns hinauf. Die
Vorderste glotzte uns bei ihrer Ankunft erstaunt an
und war ganz verblüfft, hier vor einem Hindemiß
auf ihrer eiligen Flucht zu stehen. Mein Führer
Eine Älpfdhrt im Unterwallis. 443
hatte die größte Mühe , den Trupp der Flüchtigen
wieder den Berg hinunter zu treiben, wo sie von den
Hirten empfangen und hart gestraft wurden.
Der Beweggrund des Vergehens dieser Voreiligen
mag wohl kein anderer gewesen sein, als Hunger
und Liebe, der aber von den Hirten nicht gewürdigt
wurde; denn „Ordnung muß sein", meinten sie.
Endlich um 5 Uhr wurde das Zeichen zum Auf-
hruch gegeben und es formirte sich der Zug.
Derselbe wurde eröffnet von einem kräftigen Maul-
thier, das schwer mit Käse beladen war und von
einem Mädchen geführt wurde; ihm folgte im Gänse-
marsch ein Dutzend Kühe, an deren Spitze natürlich
wieder jene Ungeduldige war, welche wir vor einer
Stunde zuiiickgetrieben hatten. Stolz und siegesfreudig
schritt sie an uns vorbei, als wollte sie uns sagen:
„nun bin ich doch die Erste." Darauf kam ein Trupp
Esel mit Stroh und Geschirr beladen, dann folgte
wieder eine Anzahl Kühe, diesen einige Sennen, dann
wieder Kühe u. s. f. Die Kuhreihen waren immer
unterbrochen von Sennen, Dorfleuten, Maulthieren,
Eseln , und die Hirten sprangen vor- und rückwärts,
den Zug ordnend. Nach einer Stunde verließen wir
den Lärchenwald und kamen auf einen schmalen Berg-
pfad , der in ziemlich horizontaler Richtung an der
steilen Felswand des Grand-Chavalard in einer Höhe
von 2076°^ nach der Fully-Alp führt. lieber uns er-
hoben sich die mächtigen Felswände der Dent de
FuUy und unter uns stürzten dieselben in fast senk-
rechter Richtung in die grausige Tiefe des Rhone-
thales hinab. Und dadurch schlängelte sich der über
eine halbe Stunde lange Zug in seiner malerischen
Abwechslung.
Der Weg war eng, größtentheils'so eng, daß zwei
Personen nicht bei einander vorbeigehen konnten, und
ich frug mich oft: aber wie kommen die Thiere da
durch ?
444 M, SchuppU.
Plötzlich, wie durch ein Thor tretend, steht man
vor der offenen Fully-Alp, die sich von der Höhe herab
in ihrer ganzen Ausdehnung überblicken läßt. Eine
wundervolle Ueberraschung ! Hier auf einena freien
Platze, so recht zu einer Warte bestimmt, postirten
sich die Leute und ließen den Zug bei sich vorbei
defiliren. Die Sennen jauchzten, die Hirten lärmten,,
die Kühe brüllten und die Esel schrieen und das Alles^
in den höchsten freudigsten Tonarten.
Die Thiere stürzten sich in unaufhaltsamer Eile
in die fetten Weidegründe hinunter, gleich wie ein
von der Höhe herabstürzender Wasserstrom, welcher
unten eine Ebene tiberfluthet.
Es war gegen acht ühr. Die Sonne stand am
wolkenlosen Morgenhimmel und der Schatten des
Grand-Chavalard bedeckte noch einen Theil des weiten
Kessels der prächtigen Fully-Alp, die in jungfräulicher
Schönheit vor uns lag. Sorniot, das Sennhüttendorf^
strahlte in hellem Sonnenglanze, während der dunkel-
blaue Spiegel des nahe gelegenen See's die ersten
Strahlen des neuen Tageslichtes reflectirte.
Es war schön, zu sehen, wie sich der schlängelnde
Zug der freudig erregten Thiere unten scheinbar zu
einem Knäuel zusammenwickelte und die einsamen
Hütten plötzlich in ein belebtes Dorf umwandelte.
Endlich kam das Ende des Zuges, welches von
einigen 50 kleineren und größeren Grunzem gebildet
wurde, die von Frauen getrieben und mit großer
Mühe den jähen Pfad hinunter dirigirt wurden.
Sorniot ist ein regelmäßig gebautes Hütten-Dorf^
In der Mitte stehen 2 große Sennhütten, von welchen
aus sich regelmäßige Gassen zwischen den schön in
Reihen gebauten Viehställen ziehen. Alles ist aus
Stein gebaut, denn auf der ganzen Alp findet sich
nicht eine Spur von einem Baum oder einem größeren
Strauche. Jeder viehbesitzende Bewohner des Dorfes
Eine Alpfdhrt im Unterwallis. 445
liat hier oben seinen Viehstall, in welchen seine
Thiere über Nacht getrieben werden.
Die Kühe weiden, die Sennen räumen ihre Habe
in die Hütten ein und die Fully-Leute besichtigen
ihre Ställe: Alles ist voll Freude und Leben.
Nachdem die nöthigsten Geschäfte besorgt waren,
begab sich die ganze Gesellschaft auf eine nahe Wiese
und hielt dort ihr Mittagsmahl.
Man aß Brod und Käse und trank frisches Wasser
aus dem nahen Bache, man scherzte, lachte und freute
sich des schönen Tages.
Nach der Mahlzeit gingen die Einen wieder an
ihre Beschäftigung, die Anderen tiberließen sich dem
Schlafe und ich folgte einer Einladung zu einer kleinen
Tour an den Oberen See. Es waren 3 junge Bursche,
die mir die Schönheit ihrer Alp zeigen wollten. Wir
waren stets von 3 Schönen gefolgt, die nach und
nach aus ihrer anfänglichen Schüchternheit heraus-
traten, den jungen Burschen schöne Alpenblumen auf
die Hüte steckten und sich als die Geliebten derselben
erwiesen. Das Alles geschah aber mit einer Zucht und
Sitte, welche ich diesen Leuten nicht zugetraut hätte.
Diese Liebesgeschichten interessirten mich indessen
herzwenig, ich verliebte mich viel mehr in die wunder-
bare Schönheit der mich umgebenden Alpennatur.
Die die Alp umkränzenden Felswände und Berg-
gipfel mit ihren nackten Firsten, ihren weidereichen
Terrassen und trümmervollen Geröllhalden, die male-
rischen See'n mit ihren lieblichen Buchten und Halb-
inseln, die schäumenden Wasserfälle und tosenden
Pelsbäche mit ihrem frischen Bergwasser, der prächtige
Pflanzenteppich mit dem reichsten Blumenflor übersäet :
das Alles nahm mein Herz und meine Sinne so gefangen,
daß ich mich für nichts weiter zu interessiren ver-
mochte. Wir lagerten uns auf einer grünen Felsterrasse,
von welcher aus das ganze Gebiet sich unseren Augen
als prächtiges Gemälde darstellte.
446
M. SchuppU.
Vor uns liegt in unmittelbarer Nähe der tiefblaue
Spiegel des Oberen See's , von einer Stunde im Um-
fang, und hinter demselben das Grand-Coor von der
Tita ä Sery, Tete Noire und Dent de Mordes begränzt,
rechts erhebt sich der Grand-Chavalard, die Dent de
Fully und der Fenestral und links schließt die Treni-
bloz- und Diabley-Kette den weiten Cireus. Das
ganze Bild lag unter einem lichtblauen Himmel imd
wurde vom reinsten Sonnenlichte Übergössen.
,,Wir müssen umkehren, der Herr Pfarrer kommt, "^
rief auf einmal eine Stimme, und eilends kehrten wir
zurück zu den Hütten. Da trafen wir Alles in voller
Erwartung, denn es soll jetzt die Einsegnung der
Alp vorgenommen werden, eine Ceremonie, die auch
mich sehr interessirte. Ein Kapuziner, ein großer statt-
licher Mann mit langem schwarzem Barte, stieg den
Felsweg herunter und trat in's Sennendorf. Er wurde
von Jedermann eht-furchtsvoll gegrüßt und gefolgt
und es bildete sich eine Art von Procession, die sicL
zuerst nach den Sennhütten bewegte, in welchen
der Segensspender Alles mit seinem Weihwasser be-
sprengte und seine Gebete verrichtete. Hierauf bewegte
sich der Zug dem nahen See zu, wohin auch das Vieh
getrieben wurde. Der im großen Ornate sich befindende
Kapuziner stieg auf einen Felsvorsprung, auf welchem
ein hölzernes Kreuz stand, und im Kreise herum
gruppirte sich die andächtige Menge. Ein wahrhaft
malerisches Bild!
Dem Ufer des See's entlang rückte die Viehheerde
in einer ununterbrochenen Kette ein Stück schön hinter
dem andern daher in langsam-ruhigem Schritte. Der
Ring umschloß über die Hälfte des See's, der nahezu
eine halbe Stunde im Umfang haben soll.
Zwischen unserem Felsen vorsprung und dem Wasser-
spiegel war das trockene Ufer. breit genug, um einer
Kuh den Durchgang zu bahnen. So passirte Stück
für Stück und empfing die Segensspende von der
Eine Alpfahrt im UnterwalUs. 447'
Höhe herab, begleitet mit den üblichen Gebeten, denen
die Menge abwechselnd knieend und stehend in an-
dächtiger Sammlung folgte.
Nach dieser Einsegnung zerstreuten sich Menschen
und Vieh
Es war unterdessen Abend geworden. Die Leute
von Fully zogen nach und nach ab und der Festtag
war zu Ende. Es war ein schöner Tag, der mir un-
vergefJlich bleiben wird. Er brachte mir nichts als
angenehme, freundliche Bilder; ich könnte mich nicht
eines einzigen unangenehmen Eindruckes von dieser
Alpfahii: erinnern.
Nun aber kam die Nacht, von der ich nicht das
Nämliche bezeugen könnte, die mir vielmehr, eng zu-
sammengepfercht, wie wir waren, und den Angriffen
kleiner blutdürstiger Feinde wehrlos preisgegeben, zur
wahren Qual wurde. Trotzdem beschloß ich, noch zwei
Tage auf Fully-Alp zu bleiben. Der nächste Tag sollte
der Pflanzenwelt gewidmet sein, denn wir stehen hier
auf einem classischen Boden der alpinen Flora, wo die^
berühmten Botaniker Gaudin und Ranc ihr Standquartier
hatten ; Follaterra, Fully-Alp, Dent de Mordes : das ist
das Eldorado des Botanikers. Ich sammelte, obwohl
die beste Zeit schon vorüber war, circa 70 Species. Die
Anemone baldensis, Viola lutea, Linum alpinum, Cine-
raria aurantiaca, Senecio incanus, Androsace carnea
n. a. fanden sich in solcher Menge und Schönheit,,
wie ich sie noch nie gesehen hatte.
Südlich von den Fully-Alphütten findet sich Hie-
racium Peleterianum ; am Portail Geranium rivulare
und Viola pinnata ; am Ufer des Unteren See's Silene
alpina ; zum Oberen See hinansteigend Gentiana alpina,
Arabis bellidifolia etc. ; im Oberen See Potamogeton
marinus. Auf den Anhöhen gegen den Grand-Chavalard
zu Valeriana saliunca ; oben im Cirque - de - Fully
Saxifraga caisia, Ranunculus parnassifolius ; auf den
Trlimmerhalden Viola cenisia, Galium helveticum etc.
448 3f. SchuppU. Eine Älp fahrt im ünterwaUis.
Der dritte Tag war für die Besteigung der Grande
Dent de Mordes bestimmt, deren Gipfel ich mit
meinem jungen Führer Justin, einem tüchtigen Gems-
jäger, ohne Schwierigkeit erreichte und deren wunder-
bare Aussicht wir während voller drei Stunden bei
wolkenlosem Himmel in vollen Zügen genossen. Beides,
die botanischen Streifereien und die Besteigung der
Dent de Mordes, gehört nicht in den Rahmen dieses
Bildes, das nur eine Alpfahrt im Wallis darstellen
will. Nur dem Abschied von der schönen Fully-Alp
und ihren wackeren Bewohnern seien noch ein paar
Zeilen gewidmet.
Als nach meiner Rückkehr von der Dent de
Mordes die Sennen und Hirten ihr Tagewerk voll-
endet hatten, wollten sie mir nach ihrer Auffassung
noch ein Fest bereiten. Sie zündeten in der Mitte
des großen Hüttenraumes ein Feuer an und setzten
sich im Kreise um dasselbe, indem sie mir den Ehren-
platz anwiesen. Nachdem Monsieur „tiens, tiens"
eine kurze Ansprache gehalten, begannen sie mit einer
Reihe von Gesängen, die nimmer enden wollte. Er-
zählungen und Anekdoten unterbrachen ihre Lieder.
Dabei rauchten die Pfeifen und die Milchkanne kreiste
in fröhlicher Runde. Alle die Lieder, welche sie sangen,
waren Soldaten- und Kriegslieder, die sich meistens
auf Frankreich bezogen und einer früheren Zeit an-
gehören. Von Schweizervolksliedern, von Bergliedern
und Kuhreihen wußten die Leute nichts. Auch die
Stimmen waren nicht sehr musikalisch gebildet; allein
es war doch sehr schön und ich war auf meinem
Melkstuhl viel glücklicher, als droben auf dem be-
lebten Stroh.
Am frühen Morgen zog ich mit Justin ab, von
den herzlichsten Glückwünschen der Bewohner von
Sorniot begleitet, welche mir noch nachliefen, um mir
die Hand zu drücken. Ein prachtvoller Weg führte
uns vom Portail de Fully aus über Alesses und
JB. Lindt Lauterbrunner Breithom. 449
Outre Rhone nach der Station Evionnaz, von wo mich
die Bahn nach Bern zurückbrachte.
M. Schuppli (Section Bern).
Lauterbrunner Breithorn.
Als Ergänzung zu unserer Besteigung (Jahrbuch XX,
pag. 103 u. ff.) wird es wohl diesem oder jenem Clu-
bisten von Interesse sein, den Zeitaufwand zu einem
solchen Abstecher von der Wetterlticke aus unter gün-
stigen Verhältnissen genauer kennen zu lernen. Ich
verdanke Herrn R. Kramer von Leipzig, Mitglied der
Section St. Gallen, welcher in Begleit des HeiTn
Dr. Pönsgen aus Düsseldorf (S. Bern) und mit Führer
Fuchs einen Tag nach uns diesen Gipfel besuchte,
folgende Angaben: Von Steinberg- Alp um 3 ühr 40 Min.
abgehend, gelangten die Herren, den Breithomgletscher
hinauf nnsern Spuren folgend, in 5 Stunden zur Wetter-
lticke. Von da zum Gipfel brauchten sie, unsere Ab-
stiegsroute längs des Westgrates für Auf- und Abstieg
einschlagend, 3 Stunden 25 Minuten, während wir
nach der Südseite den Berg umgehend und in sehr
weichem Schnee ansteigend 7 Stunden gebraucht hatten.
Der Abstieg zur Lücke vollzog sich in 2 Stunden
25 Minuten. Ein Halt hatte für uns eine halbe Stunde
längeren Zeitaufwand veranlaßt. Um 7 Uhr erreichten
unsere CoUegen Ried im Lötschthal. Der Marsch
betrug demnach im Ganzen 14 Stunden. Dieser Gang
wird auch von unsern Clubgenossen als ein sehr dank-
barer geübteren Bergfreunden warm empfohlen.
R, Lindt (Section Bera).
29
450 Ed. Wartmann.
BlUmKsatph^rn mit Abstieg auf der SUdwestseite
gegen die FrQnden.
Mehr Glück bezüglich des Wetters und der Aus-
sicht als letztes Jahr Frau Tauscher-Geduly (siehe
Jahrbuch XX) hatten zwei Bieler Clubisten mit den
beiden Hari am 31. Juli 1885, als sie nach einem
prachtvollen Abend, der zum Aufstieg nach der Club-
htitte am HochthürJigrat benutzt worden, und nach
einer kurzen Nachtruhe daselbst sich gegen das
Blümlisalphom wendeten. Der Gletscher war mit
wenig Schnee bedeckt, der den Füßen sichern Halt
bot; die wenigen Sparten boten keine Schwierigkeit,
sondern verlangten nur etwas Vorsicht. Erst der
Anstieg gegen den Sattel zwischen Rothhoni und dem
Hauptgipfel erheischte mehrere tiefe Stufen, bis der
fast messerscharfe Grat erreicht worden war. In den
Felsen des Rothhomes wurde ein kleiner Halt gemacht
und alles überflüssige Gepäck zurückgelassen, lieber die
Felsen ging es gut aufwärts, während weiter oben der
Firn so hart und glatt war, daß unzählige Stufen nöthig
wurden und diese letzten 400 Meter Anstieg 3 Stunden
beanspruchten. Ein einstündiger Aufenthalt auf der
Spitze entschädigte uns reichlich für die Mühen \ nnr
zu bald mußten wir an den Abstieg denken und unsj
von der wolkenlosen, Ungeheuern Rundschau trennenJ
Bei vorsichtigem G^en brauchten wir fast 2 Stunden,!
wovon allerdings eine halbe Stunde fUr einen kleinf
Aufenthalt unterwegs abgerechnet werden muß, bis]
wir bei unsem Sachen anlangten.
Der von hier aus eingeschlagene Weg für deB|
Abstieg auf der SUdwestseite des Rothhom ist, nacl
meinem Suchen anzunehmen, noch nirgends in del
Schriften des S. A. C. erwähnt und ich möchte 'M
hiemit als bedeutende Vereinfachung und angenehi
Variante allen Besteigem des schönen Horns eoj|
pfehlen, um so mehr, als er keine weitem Schwierig]
BlümliscUphorn mit Abstieg auf der Südwestseite etc. 451
keiten bietet und besonders bei weichem Schnee auf
dem Gletscher den anstrengenden späten Rückmarsch
über denselben vermeidet. Gleich vom Sattel weg
geht es über steile Geröllhalden, den Felsen des Rotli-
homs entlang, schief abwärts, wie auf Schnee ab-
fahrend; nur wenige hart gefrome Stellen mahnten
zur Vorsicht.
Weiter unten kommen einige Felspartien, über
welche man stufenförmig gegen das Ende des vom
Oeschienenhom herabfließenden namenlosen Gletschers
der Excursionskarte gelangt. Von hier aus sind
wieder zwei Wege möglich, entweder der von uns
eingeschlagene um die scharfe Westecke des Roth-
borns herum auf dem abhängenden, erst schmälen,
bald aber breiten Rasenband der obern Schafschnur
zur IJnteröftchinenalp hinab, hoch über dem See hin,
zu dem die Lasterfluh 500™ tief abfällt, oder der
etwas steilere, doch auch ohne große Milhe und Gefahr
ausführbare Abstieg über den Fuß des Frtinden- und
Doldenhoms gegen das Stidufer, welcher jedenfalls der
kürzere von beiden ist. Nach einem kleinen Halt hoch
über dem grünen See ging es flott abwärts, rings um ihn
herum, froh, endlich den Schatten überhängender Felsen
in dünngesäeten Tannen genießen zu können. Ungefähr
um die gleiche Zeit, wie Tags zuvor, 5 Uhr Abends,
trafen wir im Hotel Victoria ein und benutzten noch
den schönen Tagesschiuß zu einem Gang durch die
Kanderschlucht in's untere Gasterenthal, dessen steile
Ringmauern an ihren höchsten Zinnen im letzten Son-
nenstrahl erglänzten. Bis spät saßen wir mit den
Führern beisammen, neue Pläne schmiedend, die aber
andern Tags durch Nebel und Regen vereitelt wur-
den. Rüstigen Gängern ist die Besteigung des Blümlis-
alphoms wärmstens zu empfehlen ; dieselbe wird durch
den eben angegebenen Abstieg jedenfalls bedeutend
verkürzt, insofern der Abstieg gegen Kandersteg sich
richten soll. Ed. Wartmann (Section Biel).
452 Ed. Wartmann. Die Obera^rjochhütte.
Die OberaarjochhUtte
wurde im Laufe der Saison 1885 wiederum stark
frequentirt; vom 30. Juni bis 28. August fanden sich
im Fremdenbuche 35 Touristen mit 45 Führern ein-
geschrieben; von Ersteren waren 11 Schweizer, 11
Deutsche, 7 Engländer, 2 Oesterreicher, je 1 Italiener,
Amerikaner, Russe und Franzose. Erwähnenswerth
ist der mehrtägige Aufenthalt daselbst von Frau
Tauscher - Geduly und Gemahl mit zwei Tyroler
Führern. Die größte Frequenz zeigte der 20. Juü
mit 5 Reisenden und 7 Führern. 12 Reisende hatten
das Finsteraarhorn zum Ziel genommen, retissirten
aber nicht alle, während einer von ihnen den Anstieg
von der Hütte bis zur Spitze in 4^/2 Stunden, den Rück-
weg zur Hütte in 3'/2 Stunden gemacht hat. Anßer
der witzigen Bemerkung des Herrn Cart: „bois k
brüler assure contre Tincendie" ist mit keinem Wort
über den Holzversorgungsmodus etwas Uebles gesagt,
sondern gegentheilig die Hütte und deren Bedienung
nur gelobt; selbst die beiden hitzigen Winterthurer
schwiegen und werden wohl bei geschilderter Kalt«
zufrieden gewesen sein, genügend Holz vorgefunden
zu haben. Das Fremdenbuch wurde am 21. Dezember
durch vier Grimselknechte abgeholt und die Hütte
bei dieser Gelegenheit in bestem Zustande und sozu-
sagen außen und innen völlig schneefrei getroffen.
Der Anstieg wurde um 7 Uhr Morgens begonnen und
um 6^/4 Uhr Abends waren sie zurück im Hospiz.
Der Aufenthalt in der Hütte dauerte 1^/2 Stunden.
Zu gleicher Zeit gingen zwei Knechte zum Pavillon
DoUfus, um ihn für den ärgsten Winter definitiv zu
schließen, während Herr Nägeli selbst das Sidelhom
bestieg und von dort aus während 2^/2 Stunden bei
schönstem Wetter und -[" ^^ ^- ^^ ^®r Sonne den
Aufstieg seiner Boten beobachtete und wartete, bis
s
Ed. Gerwer. Nebelhild am Urbachsattel, 453
diese wieder auf der Paßhöhe des Oberaarjochs er-
schienen, da er auf der steilen Westseite Lawinen-
gefahr befürchtete. Ed. Wartmann (Section Biel).
Nebelbild am Urbachsattel.
Um 2 ^'2 Uhr des 20. August 1885 brachen wir,
2 Herren und 2 Führer, von Hof zum Besuche des
Dossenhomes auf. Den Weg nahmen wir durch das
Urbaclithal. Das Wetter war klar. Als jedoch der
Tag anbrach, bemerkten wir von Alp Schrättern aus,
wie der Wind sogenannte Schäfchen über das Hörn
hinjagte, und beschleunigten deßhalb unsere Schritte.
In 6 Stunden erreichten wir über Enzau und Flaschen
den untern „weiten Sattel" zwischen Gstelli- und
Dossenhorn (auf der Excursionskarte 1884 heißt er
Urbachsattel). Von dort gelangten wir in drei Viertel-
stunden zu der jetzt tiefer liegenden Hütte. Schon
wurden Dossenhorn und seine Nachbarn in Nebel
gehüllt. Trotzdem erstiegen wir den Gipfel, uns immer
in den Felsen haltend, mit gänzlicher Vermeidung des
Gletschers.
Unterwegs fing es zu schneien an, und man konnte
keine 20 Schntte weit sehen. Noch dichter war der
Nebel beim Abstieg, und der Wind jagte uns den
Schnee heftig in's Gesicht. In der Hütte machten
wir Rast.
Wind und Sonne vermochten unterdessen den
Nebel auf der Rosenlauiseite zu durchbrechen, wäh-
rend auf der Urbachseite er undurchdringlich blieb,
wie zuvor. Wir brachen auf und hielten uns beim
Abstieg immer auf der Höhe des Grates nach dem
^weiten Sattel", zur Linken, nach dem Rosenlaui-
gletscher hin, die leicht verschleierte Sonne, rechts
gegen Urbach die Nebelwand. Plötzlich bemerkten
wir draußen im Nebel zur Rechten zwei concentrische
454 Ed. Gerwer,
geschlosBene Kreise in den schönsten Farben des
Spectrums. In der Mitte des kleinem Kreises be-
merkte Jeder ein Schattenbild, das sich bald, den
Bewegungen nach zu schließen, als sein eigenes ent-
puppte. Der kleine Kreis war so groß, daß das
Schattenbild mit emporgehobenem Pickel den obern
Rand erreichen konnte, während die Fttße nicht ganz
an die untere Peripherie reichten. Ein Jeder sah
sich selbst im Gentrum des Kreises und hie und da
seinen Vorder- und Hintermann, wenn derselbe nicht
zu weit entfernt war. Das Bild war so deutlich, daß
man selbst das Seil zwischen den einzelnen Figuren
erkennen konnte.
Einzelne Ringe, wie Heiligenscheine, um die ein-
zelnen Figuren konnte man nicht wahrnehmen, wie
diese auch schon beobachtet worden sind. Wie groß
die Distanz von uns bis zum Bild war, läßt sich
kaum angeben (20 bis 50 Schritte waren die ver-
schiedenen Schätzungen). Ebenso wenig könnte mao
den Durchmesser der Kreise angeben. Wir standen
in der Mitte zwischen Sonne und Nebelbild. Der
Wind war unregelmäßig. Eine Zeit lang begleitete
uns das Bild, um dann in Folge eines Windstoßes
plötzlich zu verschwinden. 10 Minuten nachher er-
schien es in demselben Glänze wieder, um bald end-
gültig vom Winde weggeblasen zu werden. Es war
um 4^/3 Uhr Abends.
Wir nahmen unsern Abstieg nun direct durch die
Felsen zum Rosenlauigletscher hinunter. Wie er-
staunten wir aber, als wir die Felsen, über die wir
vor fünf Jahren, von der Einweihung der Gleckstein-
hütte kommend, hinunter nach der langen Seiten-
moräne geklettert waren, zum großen Theil von neuem
Gletscher bedeckt fanden. Unsere Führer hatten uns
zum Voraus gesagt, der Gletscher sei in strengem
Wachsthum begriffen. Noch deutlicher zeigten sich
die Spuren, daß der Gletscher nicht nur in den
Nehelbild am Urhcuihsattel, 455
hohem Regionen, sondei'n jiuch an seiner tiefsten
Peripherie im Vordringen sei, an der rechten Seiten-
moräne. Hart am Fuße der haashohen alten Seiten-
moräne hat das £i8 einen ganz frischen, 6 — 8 Fuß
hohen £rd- und Steinwall in die Höhe gehoben und
sich ganz darunter eingewühlt. Dieses geschieht der
ganzen Länge nach sowohl als auch am untern Ende
in der FrontalmorSne. Diese kleine Moräne doeu-
mentirt sich als ganz neu, nicht nur durch die Aus-
sagen der Führer, sondern auch durch ihr ganz frisches
Aussehen und die Massen kleiner Spalten, die sich
im Ekdreich durch das Aufstoßen gegen die alte Mo-
räne hin gebildet haben. Daß also dieser Gletscher
endlich die traurige Periode des Krebsganges auf-
gegeben hat, läßt sich hier mit Ldchtigkeit und
großer Sicherheit constatiren.
Durch diese beiden für uns Alle neuen Phäno-
mene für unsere aussichtslose Tour einigermaßen ent-
schädigt, gingen wir nun i^sch dem Thale zu.
Ed. GerwETy cand. med. (Section Blümlisalp).
Notizen aus den Glarner- und Urnerbergen.
Der j^hohe Thurm^y 2672 m. (Kanton Glarus),
zuerst von Herr J. J. Schießer (Section Tödi) 1878
bestiegen, war seither nicht mehr besucht worden.
Die Schilderung des Herrn Schießer im Jahrbuch
1878/79 (Band 14) reizte mich zur Nachahmung.
Am 20. September 1885 brach ich mit Bergführer
Thoma von Amden, der zwar in diesem Grebiet noch
unbekannt war, aber im Glarnerländchen mein steter
Begleiter ist, Morgens 7 ^/a Uhr von Linththal aus auf.
Regen hatte uns so lange zurückgehalten; es hellte
auf, doch blieben die Berge beinahe den ganzen Tag
im Nebel, nur hie und da zeigten sie sich für einen
kurzen Augenblick; speciell unsem „Thurm^ bekamen
456 C. Seelig.
wir kein einziges Mal voll zu Gesicht. Wir stiegen
über NußbUhl-Ortstafel (Blatt 400: Linththal) aufwärts,
ließen das Bräch-Seeli rechts liegen und kamen durch
das ^Euloch^ auf den Lauchboden, gingen um den
Fiätstock herum und von Norden her dem „Thurm*'
zu Leibe. Der Nebel kam bis zur Höhe von circa
2400 m. herunter, ein momentanes Lichterwerden
desselben ließ uns wenigstens nicht mehr im Zweifel
seih, daß wir den richtigen Gipfel vor uns hatten.
Schnee lag beinahe keiner mehr, nur circa 100 m.
unterhalb der letzten jähen Wand sti^g bis zu dieser
hin eine sehr steile und eisharte Firnzunge hinaaf.
Ueber diese erreichten wir auf gehauenen Stufen die
eigentliche Felswand des „Thurms" von NW her;
die Felsen erwiesen sich weniger „aalglatt^ als sehr
faul und mußten vorsichtig angefaßt werden, doch
erreicht diese immerhin anregende Kletterpartie nicht
die Schwierigkeiten z. B. des nördlichsten Mtirtschen-
stockgipfels ! Wir strebten direct aufwärts, erreichten
in circa 20 Minuten den Grat und über diesen hin
in wenigen Minuten den Gipfel. Der vorhandene,
noch gut erhaltene Steinmann und die darin befind-
liche Flasche belehrten uns, daß wir oben und richtig
auf dem „hohen Thurme" seien. Es war 4 Uhr 30
Minuten Abends, der dichte Nebel ließ uns keine
10 Schritte weit sehen. Die Flasche im Steinniann
war zerbrochen und der Wahrzettel beinahe unleser-
lich geworden, ich steckte ihn mit meiner Karte in
eine frische Flasche^ seit Herrn Schießer hat den
Berg Niemand mehr besucht. Mein Begleiter Thema
hatte bis zum letzten Augenblicke an einem Gelingen
der Partie gezweifelt; in unserer Freude befestigten
wir an dem noch im Steinmann befindlichen Stocke ein
rothes Taschentuch, das wir 2 Tage später vom Rüchen
und Bächistock gewahren konnten. Herr Schießer
hat s. Z. diese Tour so genau beschrieben, daß wir
auch im Nebel, Dank seinen Angaben und den ans-
Notizen aus den Glarner- und Umerbergen. 457
gezeichneten topographischen Karten, nicht fehlen
konnten. Wir werden so ziemlich den gleichen Auf-
und Abstieg wie Herr Schießer gemacht haben; wäre
kein Nebel gewesen, so hätten wir den Abstieg über
den sehr steilen und wild zerrissenen Grat nach SO
zur „Furkel'' versucht, derselbe ist wahrscheinlich
möglich. So waren wir froh, unsern Weg vom Auf-
stieg wieder richtig zu finden, wofür Thoma ein
besonderes Talent erwies. 5 Uhr stiegen wir ab
und kamen erst in tiefer Dämmerung (7 Uhr) bei
unsern auf dem Earrenfeld am Fuß des Flätstock
zurückgelassenen Effecten an. Ein weniger angenehmer
als sehr aufregender Nachtmarsch — der Mond war
unsichtbar — über die unbekannten Karrenfelder
brachte uns endlich mit Hülfe von Kompaß und
Karte Nachts 10 Uhr in die obersten Hütten der
Braunwaldalp, die, zwar schon verlassen, uns doch
ein heiß ersehntes Nachtlager boten.
Mürtschenstock, 2392 m. Nördlichster Gipfd.
Das sich von Norden nach Süden erstreckende Massiv
des wilden Mürtschenstocks hat 3 Gipfel; der nörd-
lichste ist der niedrigste, aber am schwierigsten zu
besteigende, der eigentliche Mürtschenstock (2392 m.);
der mittlere, der sog. y^Faxden'^^ ist der am meisten
besuchte und hat eine Höhe von 2415 m. Der süd-
lichste, der j^Ruchen^^ ist der höchste mit 2442 m.
und gibt dem „Stock'^ an Schwierigkeiten nicht viel
nach, auch er erhält selten Besuch. Der „Ruchen'*^
wurde in den Jahren 1883—85 von Mitgliedern der
Section Uto besucht (auch von mir dreimal), der
„Stock" war seit 1877 nicht mehr bestiegen worden,
Herr Ostertag (Section Uto) hatte ihn im genannten
Jahre mit dem seither verstorbenen Führer Leuzinger
von Netstall zuletzt bestiegen und diese Tour in der
„Neuen Alpenpost" (Band VI, 77) beschrieben. Er
verwechselt dabei jedoch irrthtimlicherweise den „Stock"
mit dem „Rüchen", dessen Höhe er ihm auch zuschreibt,
468 C. SeeUg.
Blatt 264 des topographischen Atlas gibt die Namen
richtig an. Mit meinem Begleiter Joseph Thoma
hatte ich schon im September 1884 einen Tergeb-
lichen Anlauf unternommen, irregeleitet durch falche
Angaben von Sennen und Jägern, die angeblich oben
gewesen sein wollten. Am 13. Juli 1885 fanden wir
endlich den richtigen und einzig möglichen Aufstieg,
der, wie ich nachträglich erfuhr, identisch mit dem
des Herrn Ostertag und der früheren Besteiger war.
Die Flasche mit den Wahrzetteln war zerbrochen
und solche nur mehr schwer leserlich, ich eopirte und
verwahrte sie in einer neuen Flasche, die seither
von Führer Sttißy von Glarus heruntergeholt, aber
nicht wieder hinaufgebracht wurdo (als Beweis, daß
«r den Gipfel erreicht hatte). Herr Prof. Dr. Baltzer
war der erste Besteiger, nach ihm besuchte Dr. Piccard
mit einem Frankfurter Studenten, später die von
Herrn Ostertag in seinem Aufsatz angeführten Herren
der Sectionen Tödi und üto den Gipfel , allo, unter
der Führung von Leuzinger von Netstal. Als neuen
Führer kann ich nun empfehlen meinen Begleiter
Joseph Thoma von Amden. Die Besteigung bietet
eine sehr interessante, ja pikante Kletterei, besonders
in ihrem letzten Theile, und ist nach meiner unmaß«
^blichen Meinung schwieriger, als z. B. die des
^kleinen Spannorts **.
Das ^Kleme Spannort^ (3149 m.) wurde 1885
von 4 Partien besucht, 3 Mal von Mitgliedern der
Section üto; ich bestieg es unter Führung von Carl
Heß von Engelberg, der auch zwei der andern Par-
tien hinauf geleitet hatte und aufs Wärmste zu
empfehlen ist, am 3. August 1885 ; wir trafen gfin-
fitige Verhältnisse, indem die Felswand vollkommen
^aper^ war; dagegen bot der Bergschrund am Fuße
der Wand einige Schwierigkeiten. Wir besuchten
gleichen Tags noch das „Große Spannort^, das öfters
Besuch, auch von Damen, erhielt. — Die Clubhtttte
Notizen aus den Glarner- und ümerhergen, 459
^Hotel üto" war in sehr gutem Zustande und reich-
lich mit Holz versehen, für welches der davon Ge-
brauch machende Tourist in der Alp „Nieder-Surenen"
eine kleine Entschädigung zahlt, eine nachahmungs-
werthe, angenehme Einrichtung!
Die riQ'^oße Windgälle^ (3192 m.) erhielt 1885
drei Besuche, darunter zwei von Mitgliedern der
Section Uto. Ich bestieg sie mit Joseph Zraggen
von Amstäg, den ich bestens empfehlen kann, am
17. August 1885 von Bernetsmatalp aus, nachdem
wir Tags zuvor zusammen den „Bristenstock'^ (3074 m.)
besucht hatten. In den Sennhütten von Bernetsmat-
alp findet man freundliche Aufnahme und reinliches,
gutes Nachtlager gegen eine bescheidene Entschädi-
gung. Der üebergang vom Stäfelgletscher zur Fels-
wand der Großen Windgälle war infolge des klaffen-
den Bergschrundes und der glatt abgeschliffenen Felsen
ziemlich schwierig. Wir kletterten bis zum Gipfel
auf den j^aperen^ Felsen und hatten, wenn auch
keinen schwierigen, so doch sehr ermüdenden Auf-
stieg; in früherer Jahreszeit, wenn die Felsen und
ßteinriesen noch mit Schnee bedeckt sind, soll der
Aufstieg weniger anstrengend sein. Der Berg ist
sehr „steinschlägig'^ und wir hatten darauf unsere
volle Aufmerksamkeit zu richten. Der zweite, etwas
höhere (circa 2 m.), westliche Gipfel ist erst zweimal
bestiegen worden. Wir waren zu sehr ermüdet und
durchgefroren, um den ihm zugedachten Besuch noch
abstatten zu können.
C. Seelig (Section Uto).
Crispalt.
Der Name Crispalt wird in älteren Karten als
CoUectivname dem ganzen Gebirgsstock um den Kreuzli-
paß herum beigelegt (vrgl. Jahrbuch VI, pag. 478,
Itinerar 1871, p. ßß).
460 H. Lavater- Wegmann.
Nachdem nun sowohl die Düfourkarte wie Blatt 407
des topographischen Atlas mit diesem Namen aus-
schließlich den isolirten, von Nord nach Süd abfallenden
Felsrücken zwischen Val de Val und Val Giuf be-
zeichnet und wenigstens die Bünduer diese Benennung
allgemein accepirt, kann wohl kein Zweifel mehr
darüber bestehen, wo wir den Berg zu suchen haben.
Als ich während eines kurzen Aufenthaltes in Tschamut
mich über den Crispalt erkundigte, wußte man mir
nicht die geringste Auskunft zu geben, indem in
dortiger Gegend von keiner Besteigung etwas bekannt
sei. Dieß harmonirte schlecht mit der Notiz im
Itinerar 1871, wo „die Besteigung neuerdings von
Sedrun aus als eine der lohnendsten der ganzen Gegend
empfohlen wird^, und ebenso wenig mit der Angabe
in Tschudi's Tourist : „höchst lohnend, unschwierig und
nicht sehr mühsam.^
Ich beschloß daher, den Weg unter die Füße zu
nehmen und mich durch eigenen Augenschein von der
Sache zu überzeugen. So zog ich denn am 25. Juli
mit Tagesgrauen von Tschamut aus, längs dem Tiarms-
bach den Hängen des Calmot entlang, kreuzte den
Tiarmspaß und steuerte dem Val de Val zu. Mein
Begleiter war der 65jährige Job. Martin Peter, der
von dem Wege ungefähr gleichviel wußte wie ich.
Ein leichter Frühnebel bedeckte die hohem Re-
gionen ; wir sahen, im obern Theile des Thaies an-
gelangt, nur bisweilen durch den dünnen Schleier
einen Punkt, den wir für den höchsten hielten und
dem wir glaubten zusteuern zu müssen. Ein Fels-
couloir von beträchtlicher Steilheit führte uns in ein
Chaos von wild durcheinander gewürfelten Felsblöcken,
über die wir emporkletterten.
Auf dem Grate angelangt, gewahrten wir erst,
daß wir Punkt 3022«» erreicht, die höchste Spitze
aber in nicht bedeutender Entfernung nördlich liege,
wo ein Steinmann sichtbar wurde. Die kurze Strecke
Orispalt 461
erforderte eine stUndige und sehr mühsame Kletterei
über die gewaltigen, meist lose liegenden Granit-
GneißblÖeke.
Punkt 3080% die nördliche und höchste Spitze,
zierte ein wohlgebauter Steinmann, der weder Flasche
Doch Wahrzeichen enthielt, wie auch sonst keinerlei
Teberbleibsel, wie man sie gewöhnlich auf besuchten
Bergspitzen findet, sich vorfanden. Es war klar, daß
vir eine Spitze betraten, die jedenfalls noch wenige
Besuche empfangen, und daß sich die oben angeführten
Oitate auf den südlichsten Ausläufer, Punkt 2791°^,
beziehen, der von Sedrun aus schon oft gemacht
worden. Wer den Steinmann erbaut, habe ich bis jetzt
nicht ermitteln können.
Die Aussicht, mittlerweile vollkommen klar ge-
worden, war überraschend schön. Mich interessirte
namentlich der Einblick in die gegenüberliegenden
Thäler, besonders Val Cornera und Val Nalps, welche
ich 2 Tage zuvor in ITstündiger Rundtour über den
Piz Blas durchwandert.
Lange verweilten wir da oben; es gelüstete uns
auch gar nicht nach dem Abmärsche, denn wir sahen
voraus, daß unser eine schlechte Kletterpartie harrte.
Auf die Seite von Val Giuf hinunterzusteigen getraute
ich mir nicht, da unten sich ein Band blanken Eises
unter den Felsen durchzog, durch weite Randspalten
von dem kleinen Giufgletscher getrennt. Nördlich
bricht der Grat plötzlich steil und ungangbar ab.
So wandten wir uns denn dem obersten Theile des
Val de Val zu, das wir nach 1^/2 stündiger tüchtiger
Arbeit glücklich erreichten. Es war eine eklige
Kletterei diese morschen Trümmerwände hinunter, die
meist so steil waren, daß wir nicht sehen konnten,
wie sie weiter unten beschaffen seien, und wo wir uns
häufig für Füße und Hände höchst zweifelhafter
Stützpunkte bedienen mußten.
Ich kenne selbst in diesem ältesten Alpengebiete
462 Jl Schiesser.
keinen Berg, der so greisenhaft verwettert und zer-
bröckelt ist, wie der Crispalt — nichts als ein immenser
Haufen lose aufeinander gethtirmter Trümmer — das
Ideal einer Bergruine.
H. Lavat ei*- Wegmann (Section üto).
Tttdi mit Abstieg durch die Giiemspforte.
Officielle Excursion der Section Tödi S. A. C.
Sonntag den 13^ Juli des verwichenen Jahres^
Morgens früh 5 Uhr, verabschiedete sich eine kleine,
sieben Mann starke Gesellschaft vom Besitzer des
gastlichen Kurhauses „zum Tödi" im Thierfehd, wo-
selbst dieselbe gestern Nachtquartier bezogen hatte.
Es waren die Herren Fritz Oertli, Kaspar Höeli^
J. Spälti und der Berichterstatter mit den Führern
Thomas Wichser und Robert Hämig und dem Führer-
aspiranten Fritz Brander.
Wer kennt sie nicht, die saftiggrünen Matten des
Thierfehd, inmitten des gewaltigen, von schäumenden
Wassern tibergossenen Felsencircus! Fürwahr ein herr-
liches Landschaftsbild, zumal wenn, wie heute Morgen,
ein tadellos klar darüber sich wölbender Himmel
das Tagesgestim die Berge mit rosiggoldenen Farben-
tönen anhauchen läßt. Es ist ein Bild, geei^n«t, selbst
das Herz eines Hypochonders froher schlagen «u
machen, um so mehr muß es da« Herz eines Natur-
freundes, eines Alpenclubisten mit Wonne erfüllen.
Frohen Muthes betrat die kleine Schaar den Weg
nach der Clubhütte am Grünhorn. In würziger Morgen-
luft durchwanderten wir Wald und Schlucht; bald
blinkten grüßend die silbernen Zinnen des Papa Todi
uns entgegen, bald auch war die hintere Sandalp er-
reicht Eben war das Vieh zum Melken zur Hütte
getrieben worden; wer Lust hatte, trank frische
Mileh. Freigebig brachte der Senne von seinem
Tödi mit Abstieg dt^ch die Glienispforte. 465
besten trockenen Holz herbei, von welchem ein Jeder
eine Zulage auf den Tornister erhielt. Im Schatten
noch wurden die steile Rietlen und die Tentewang-
tiberschritten; erst an der Oelplanke betraten wir
ßonnenbeschienenes Terrain. Wenn auch die Sonne
noch lange nicht den Scheitelpunkt erreicht hatte, so
machten sich ihre Strahlen doch ziemlich bemerkbar;
die sonst ziemlich geschwätzige Gesellschaft wurde
merklich stiller, man hörte nur noch dumpfes Dröhnen,,
erzeugt durch schwerfälliges Auftreten langsam be-
wegter Füße, das Aufstoßen des Alpstockes am 6e-
stein, auch etwa ein „Pub'* oder „Huh'^. Sie ist eine
„böse'' Planke, die Oelplanke, darüber hat schon
Mancher ein Liedlein gesungen. Doch, wie Alles,
einmal ein Ende nimmt, so auch unser Steigen über
die Oelplanke. Halb 11 Uhr erreichten wir die
Bifertenalp, und nach einer längern Rast daselbst be-
traten wir ein Viertel nach 1 Uhr die Clubhütte»
Nach eingenommenem Mittagessen erhielt männig-
lich Arbeit angewiesen; die Decken wurden gesonnt^
sämmtliehes Koch- und Eßgeschirr gründlich ge-
reinigt, die Hütte gekehrt, eine Partie altes Lagerheu
und anderweitige, nicht salonfähige Sachen über Bord
gewoi-fen, ein Verzeichniß sämmtlicher Mobilien auf-
genommen, Holz gesägt und gespalten, kurz, es ent-
wickelte sich eine lobenswerthe Thätigkeit, welche
darauf hinzielte, den nächsten Besuchern die Hütte in
einem weniger tadelhaften Zustande zurückzulassen^
als wie wir solche anzutreffen die Ehre gehabt hatten,
hjzwischen suchte ich mit Hämig den von Führer
Tboma iren Amden signalisirten Weg, der, nach
dessen Angabe in einer Zuschrift an das Comit6 der
Section Tödi, Über dem Grünhorn durch die Felsen
führend, den Abstieg von der Hütte auf den Gletscher
ttnnöthig machen und dessen Gangbarmachung nur
minime Kosten verursachen sollte, auszukundschaften«
Wir stiegen von der Hütte über die Kante des Grün-
464 J. Schiesser.
borns aufwärts bis an die gelbe Wand; der vor-
genommene Augenschein bestätigte unsere Voraus-
setzung, daß Thoma die Sache jedenfalls nicht bei
hellem Lichte betrachtet haben werde, leider nur zu
«ehr. Von der gelben Wand aus ist der Gletscher
nicht erreichbar, noch viel weniger eine Umgehung
der Schneerunse möglich. Angenommen aber, es wäre
die Möglichkeit vorhanden, wenigstens die Schnee-
runse zu erreichen, ohne von der Hütte erst auf den
Gletscher hinuntersteigen zu müssen, so müßte ein
solcher Weg mehrfach an gefahrdrohenden Stellen
vorüber führen, wo häufig Steine, Lawinen und
Gletscherbrüche herabstürzen. Gehen wir aber noch
höher, bis über die gelbe Wand, bis zu ^Thuts
Mütze ^, so muß dieselbe erst in nördlicher Richtung
umgangen werden, denn direct über unserm Stand-
punkt ist dieselbe lothrecht aufgebaut. Daß sie er-
stiegen werden kann, unterliegt keinem Zweifel; da-
gegen kann sie auch von diesem Punkt aus nicht
imigangen, auch höchst unwahrscheinlich nur erreicht
w^erden. Die unten angeflihrten Gefahren gelten auch
für diese obere Partie. Zeit würde keine gewonnen.
Ich komme daher zu dem Schlüsse, daß der seit
einer Reihe von Jahren innegehaltene, von Führer
Jakob Stüßi aufgefundene Weg der richtigste ist und
bleiben wird.
Bevor wir von der Recognoscirungsfahrt zur Hütte
uns wendeten, errichteten wir auf einem Felsvor-
sprung an der gelben Wand einen kleinen Steinmann.
Die Hütte selbst ist immer noch in tadellosem
baulichem Zustande. In dieselbe zurückgekehrt, em-
pfing uns ein angenehmer Kaffeeduft; bald dampfte
die denselben verbreitende braune Flüssigkeit einladend
auf dem Tisch.
Nach eingenommenem Nachtmahl war es besonders
der von Herrn Paul Liebeskind unserer Clnbhtttte
gewidmete „Enzian^, der uns die Zeit kürzte. Bald
Tödi mit Abstieg durch die Gliemspforte. 465
jedoch begab man sich zur Ruhe, denn frühzeitig
sollte die Hauptarbeit, der Aufstieg auf den Gipfel
des Tödi, beginnen. Noch war Mitternacht nicht
lange vorüber, als die Vorbereitungen zum Aufbruch
getroffen wurden. Eine kräftige Suppe, die Allen
trefflich mundete, wurde zum FrühstUck servirt.
Das Thermometer zeigte etwas auffallend hohe
Temperatur, -j^ 6®; doch der Himmel war klar und
die Schneerunse vom Mond fast taghell beleuchtet.
Punkt 2 Uhr nahmen wir Abschied von Herrn
J. Spälti, der sich entschlossen hatte, am Morgen
nach der Sandalp zurückzukehren. In der Tiefe lag
der Gletscher noch im finsteru Schatten der Nacht.
Dieser Umstand, sowie die glasige Beschaffenheit des
Oletschers, verlangte^ langsames Vorrücken. Von der
Schneerunse an aufwärts ging es besser. Vom gelben
Wändli wieder auf den Gletscher gelangt, hatten wir
fortwährend den Mond als Begleiter, zudem war der
Schnee günstig, auch fand ich den Gletscher weniger
zerklüftet, als dies am 23. August 1869, bei meinem
ersten Betreten desselben, der Fall war. Ziemlich
rasch rückten wir höher. In der Höhe des Fußes
des Pia Urlaun angelangt, ließen wir uns Zeit, den
Aufgang der Sonne , den längst schon ein Über der
Scheibe und dem Bifertenstotjk auftretendes, immer
stärker werdendes Glühen des Firmamentes ange-
kündigt hatte, zu beobachten. In der Höhe des Stock
Gron deponirten wir alles für den weitern Aufstieg
Entbehrliche in eine Vertiefung im Schnee. Allmälig
beliebte das schimmernde Haupt des Bifertenstockes
sich in Horizonthöhe herabzulassen, und 10 Minuten
vor 7 Uhr wurde die Einsenkung zwischen Glamer
Tödi und Piz Rusein erreicht.
Die Temperatur war inzwischen merklich gestiegen
and der Schnee sehr weich geworden. Einstimmig
iritrde besehlossen, erst den Piz Rusein, sodann den
Glamer Tödi zu betreten; dem Beschlüsse folgte die
Ausführung auf dem Fuße nach.
30
46^ J, Sekie98er.
Hsd^ idi es einerseita aua gutes GvilBden ub4«f-
lamensi, den ei»en zarttekgelegteir Weg zu besehreibesy
so iMlten Bnch aadevseit» stiiehhalitigere Gründe noch
¥iel nrehff tevoir ki»y eio Bild entwerfen zu wotiea
von demt^ w»» dem Aii^e auf dieser foftigen Warte
zu schauem verg^Dol isyt;. ntöge* dks eine gewandtere
Fehler versuckieii. leb wHl mkb davauf beschvänkeD^
anizudeuten, in welebem Raumaiaß sieb die Rnudrsiebt
etwa bewegte In den* Moment, da wir de» Gipfel be-
traten^ leuebtete der Montblanc kell imd klar an»
Bttdwestei» herüber, während diametral enAgegengeeetzt
die bfliyriscfafeB Alpe», ELette Mnter Kette, deutlicb
zu ericeniiten waren.. Gegen Weste* verhinderten die
dualcelsi Heh«i»c^e de» Jura und darttber gelagerte
Dunstmassen ein weiteres Vordringen de» Auge»; gegen
Nordwest und Nord sind die Yogese» «nd der Bebwarz-
wald ala sc^acbe Erbebangen etkenalktf.- lieber
den Bodensee hinaus suehit unser BKck nmsone^ einen
HaltefMinkt. Gegen Ost und S^oftt, weit j«ii«eit8 der
Grenzen unsere» Yaierkuides^ tbibrnie» sich über «nd
hinter einander dB« Yorarlberger- und Tiroleraipeny
strahlend in hellem ^nnengkusz^ empor. Im: Süfden,
entspreehend der hohen Tenyperatuf, führt der Föhn
sein Regiment und schiebtet foirmenreiebe' Dunstmaseen
himmelhoeh auf eMHider,, nikr zaweilen für MoflUieRte
die Cristallinap^ Bernin«-, Goithard- lUMt Menterefta-
Gruppen eie* frei lassend. Was innerhalb dies^
Grenzen liegt ^ wer wül das AHe» atti^kkn? wer
misebt die Farben? Volle hundert Minuten gaben
wir uns der Betraebtung alF der Berrllehkeit hin;
jetzt sendet der Föhn einfiselne Pltekler berttber^ sut
zanberbaftei* BebnelligJLeit haben, dieselben die um-
liegenden Bergspitzen besetzt ; es malmen die^ Führer
zum Auibrueh.
Obwohl knietief i«i> weieben Sehnee einsiakendy
"«langen wii* ziemlieh bald zn den zui^ttekgeUssenen
^cten; hier hatten wir die Gtiemspforte sildtieb
Tödi mit Abstieg durch die Glietmpforte. 467
gegenüber, um dieselbe zu eFreichen, wxirde erst die
Firamiilde traversirt, dann abwärts steigend einige
Schrunde am Fuße des Stock Gron links umgangen;
sodann kroehen wir keuchend aufwärt» ftber eine
8cbneelehne und gelangten ohne weitere Schwierig-
keiten in die Einkerbung der Gliemspforte. Zu unscrn
Füßen liegt der Gliemsgletscher ; ziemlich Aach und
ftwt ohne Spalten, windet sich dieser durch das in
diesem obern Theile vegetation^arme Val Gliems. Am
rechten Ufer des Gletschers erhebt sich der Stock
Pintga; der denselben mit dem Stock Gron rerbin-
dende Felsrticken vei'ffacbt und senkt sich unserm
Standpunkt gegenüber derart, daß der Gletscher dort
bdnabe fiberquelleii möchte. lieber diese EinSenkung
hinweg ist die Ruseinalp sichtbar. Der Weg über
jene dahin ist mit großer Schrift vorgezeiciroe*. Eine
steile GHetscheraunge reicht bis beinahe an den
Scheitel der Pfo*te, nur eiw kleiner Theil von dieser,
unser Standpunkt, ist schnee- und eisfrei. Die
Gletscherzunge hatte in halber Höhe einen Schrund,
der, vom Stock Gron bis an die Wand des Piz Urlaun
sich erstreckend, einzig bei der letztern überschritten
werden konnte. Die sehr starke Neigung der Zunge
ttwd der' derselben aufgelagerte weiche Schwee mahnten
zu größter Vorsicht •:^ leicht hätte eine Lawiner erzeugt
werde« kSwüen, die uns u»fehlbar mitgerissen haben
wftrde. Immer links am Fuß«' des Piz Urlaun uns^
haltend, die Stöcke tief emtreib^nd, wurde diese etwas
heikle Stelle in circa IS Minuten glücklich über-
wund«», Kach weitern zehn Minuten war au^b der
Gtetscber ti^aversirt invd bctrarten wii* die erwäbnte*
EinsenkuBg, Hier konnten wir mn ohne Bedenken
des Seiles entledTge», dlenn, was jetzt fol^e, war
Geröll, dann ein paar Schneelehwen (vielleicht kleine
Gletscher), die, zu ausgiebigen Kutscbpartien Gelegen-
heit bietend, dfe Thalfohrt etwas Tcrkürztei». Punkt
12 Ülff erreichten wir die Hütte in Rusein. Nach
468 J. Schiesser. Tödi mit Abstieg durch die Gliefnspforte.
vorgenommener Restauration wurde Rath gehalten;
der Himmel hatte sich nämlich mit schwerem Gewölk
überzogen, und aus dem nahen Rheinthal hörte man
die Kanonade eines sich soeben entladenden (j€-
witters. Einstimmig wurde beschlossen, ein paar
Stunden der Ruhe zu pflegen, inzwischen könne das
Wetter wieder freundlicher sich gestalten. Wirklich
entfernte sich das Wetter immer weiter aus unserm
Bereich, und wenn auch der Himmel noch nicht in
tadellosem Glänze uns entgegenlachte, so entschlossen
wir uns doch, trotz et welchem Sträuben der Führer,
zu sofortigem Aufbruch und Rückzug über den Sand-
paß, erwartete uns doch auf der obern Sandalp herr-
lich duftendes Alpheu in Fülle, dazu Wolldecken zur
Genüge, wohingegen im „Hotel Rusein" von all' diesen
Herrlichkeiten nicht eine Spur zu finden war.
Es war 3 Uhr, als wir der Ruseinhütte den
Rücken kehrten. Zum Dank für unsern Beschluß
holten die Führer scharf, sehr scharf aus; doch wir
blieben die Antwort nicht schuldig und erzwangen,
noch bevor der Sandgrat erreicht war, ihre Kapitu-
lation.
Der Sandgletscher bot uns keine Schwierigkeiten:
dagegen waren die Gletscherwasser bedeutend ange-
schwollen, ihre Ueberschreitung daher nicht so leicht
zu bewerkstelligen. Mit gegenseitiger Hülfeleistung
gelangten wir indeß glücklich hinüber. 7 Uhr Abends
begrüßten wir die Hütten auf der obern Sandalp, in
welchen wir nach schnell bereitetem Essen ein treff-
liches und wohlverdientes Nachtlager in schwellendem
Heu bezogen. Es dauerte kaum fünf Minuten, so
hatten Alle die Welt vergessen und schliefen ohne
Unterbrach bis Morgens 6 Uhr gleich Murmelthieren.
Neugestärkt traten wir am Morgen den Heimweg
an. Im Kurhaus „Tödi'^ ließen wir nach glücklich
vollbrachter, herrlicher Bergfahrt fröhlich die Gläser
erklingen. J. Schiesser (Seetion Tödi).
/. Studer. lieber elektr. Erscheinungen auf dem Säntis. 469
Ueber elektrische Erscheinungen auf dem Säntis.
Der schöne Sommer des vorigen Jahres lockte
meine Frau und mich schon im Juni in die Berge.
Zunächst beschlossen wir, dem hübschen Appenzeller-
ländchen wieder einmal einen Besuch zu machen.
Mit wenig Gepäck und viel Humor ausstaffirt, langten
wir Samstag den 27. Juni in dem Seh wendi- Weißbad
an. Der Sonntagmorgen war nach einem voraus-
gegangenen Gewitter so wunderbar klar und schön,
daß wir schnell bereit waren, zum lieblichen Seealp-
see aufzubrechen. Unter den Tannen der idyllischen
Landzunge, des uns wohlbekannten, trauten Plätzchens
am Wasser, lagernd, lauschten wir dem vielfachen
Echo, während sich die schneebedeckten Häupter des
Säntis und seiner Nachbarn ungemein klar vom blauen
Himmel abhoben. Je länger wir uns dem Genüsse
des prächtigen Landschaftsbildes hingaben, um so
lebhafter stieg in uns der Wunsch auf, den Säntis
selbst zu ersteigen, und als wir nun gar die kühn
sich emporschwingende Telephonleitung mit den Au-
gen verfolgt hatten, da wurde unsere Sehnsucht nach
oben eine unwiderstehliche. Unverzüglich wurde über
Hüttenalp und Katzensteig zurückgekehrt, in Schwendi
zu Mittag gegessen, das Bündel geschnürt und ein
Träger engagirt.
Gegen 4 Uhr brachen wir wieder auf und langten
nach 6 Uhr in der Meglisalp an, wo wir uns etwas
erfrischten. Während unseres Marsches hatten sieh
einzelne Gewitterwolken gebildet, und wir fragten
uns, ob es nicht rathsam wäre, hier zu bleiben. Da
man uns aber versicherte, es würde höchstens ein
„Sprützerli" geben, und uns nach dem Kalender der
schönste Vollmond in Aussicht stand, auch der
Säntis noch blauen Himmel zeigte, so wagten wir
die Weiterfahrt.
Allein schon nach einer Stunde fing der „Alte
470 J, SiMder.
Mann^ zur Linken zu murren und zu brummen au:
der helle Himmel verdunkelte sich schnell; schon
zuckten einzelne Blitze und bald strömte der Begen
herab. Auf dem Schneefeld angelangt^ konnten wir
uns nur mühsam fortbewegen, da der sUndfluthartige
Begen einen förmlichen Bach bildete und den Schnee
erweichte, so daß wir öfters bis über die Eniee ein-
sanken. Das Grollen zu unserer Seite ward immer
heftiger; das Gewitter rückte mit ungeheurer Schnellig-
keit näher. Bald folgte Schlag auf Schlag. Ein
wahres Feuermeer umgab uns. Trotzdem di*angen
wir vorwärts, bald von grellen Blitzen geblendet,
bald in völliger Dunkelheit den Pfad suchend. Der
vorsichtige Gedanke, bei solchem Unwetter schleunig
zur Meglisalp zurückzukehren , wurde verscheucht
durch das rechnende Bedenken, daß wir bereits die
größere Hälfte des Weges hinter uns hatten. Zudem
winkten uns schon die beleuchteten Fenster des
nahen Säntisgasthauses. Freilich brauchte es alle
moralische Kraft, bei solchem Kampf der Elemente
auszuharren- Während Wasser über unsem Häuptern
und unter unsem Füßen in Strömen dahinfloß, wäh-
rend der Sturmwind heulte, Blitzschläge die Nacht
taghell erleuchteten und der krachende Donner von
den Bergen im Echo endlos verlängert wurde, während
jegliches Geschöpf in der Angst um das liebe Leben
gerne nach einem Obdach flüchtete, schritten wir,
tapfer gegen die heftigen Windstösse ankämpfend,
den Zickzackweg im Schnee langsam vorwärts.
Auf einmal erblickten wir hoch über uns auf dem
Bergkamme, der sieh links von der Säntisspitze gegen
den Altmann hinzieht, aufflackernde Flämmchen, ver-
mischt mit kleinen gelbliehen Kugeln. Diese letztem,
anscheinend an einem Seil oder Draht dahinlaufend,
näherten sich gegenseitig, bildeten zusammenstoßend
eine größere Lichtmasse und fielen endlich explodirend,
ähnlich einer Sternchenrakete, in röthlichen und
üeher elektrische Ersfihemungen auf dem Säntis. 471
l)4aneii Kugeln scblllngiehid zu ßoden nmker. I>ie«e
i»^kw4tFddge Erseib^inintg wiedeiiioJte aidi melrrmato
«ftebei«i»der.
Kamm hatton wir an« k^ü vnsepem Erstaunen
•oiioH, als tmü and^f^es PhUnomen mi&ere A«(^erkfiam<
keit in AnfiipFadh nahm. Amf 4em g]«ioheii Bergkaoünie
»elxw^bte nämlich eme einzelne feudge Kugel, von
4er «e'beifibaa'^en G-röße einer Bombe oder ei«e8 kleirnen
Momies, in fladhem ^parabeldsehem Bogen hm xmä her,
«twa «it der Gksdiwindigkeit eiaee geworfenen B^ailes,
nur mit dem Unterschiede, da^ß die JBewegnng der
ÜQgel stets gleichmäßig war. Am Ende thi^er Bahn
«chien «ie zu verschwindeB, ta«chte aber gleich d*rauf
wieder empor wid begann ihren ruhigen Lauf 4iuf*s
Neue. Mit Intenesse schauten wir dem «ms noch
ganz unbekannten, wohl einige Minuten a^lialte^ideii
Spiel dieser K^elbiitze zu.
Ba auf einmal — wir naiochten m Luftdistane
noch ungefißir 10 Minuten vom Hotel entfernt seio —
erfolgte ein furchtbarer Krach, der den ganzen Berg
in seinen Oruodfesteo zu erschüttern sohlen, und
uns nichts Anderes glauben ließ, als da;ß das Ende
der Welt gekommen sd. Unter einem lauten Amf-
sefarei sank meine ^an auf's Schnreefeld. Ich tlber-
zeugte mich sofort, daß sie nur erschreckt, aber nicht
verletzt war. Unser Träger, ein älterer Mann aus
dem Weißbad, bekreuzte sich lebhaft. Mein nächster
Oedaake war : Jetzt hat es in's Gasthaus geschlagen,
das gl^ch in hellen Flammen stehen wird.
Aber siehe da, ein ganz anderes Schauspiel sollte
uns zu Theil werden; ein Feuerwerk von noch nie
gesehener Schönheit und Oroßartigkeit überraschte
uns. Die ganze Telephonleitung, soweit sie von
unserem Staudpunkte auf dem Firn unseren Augen
erreichbar war, d. h. bis zur vierten oder fünften
Stange von der meteorologisdieii Station weg, stand
im intensivsten Lichte. Und zwar nicht, wie man
472 J. Studer.
erwarten sollte, bloß der Draht, sondern auch der
zwischen demselben und dem Erdboden sich befin-
dende leere Raum war mit einer Gluthmasse ausgefüllt^
die sich in unsern Blicken flächenweise in den ver-
schiedensten Formen darbot. Gleich einer im Freien
aufgehängten Wäsche, wo Leintücher, Hemden, Jacken
u. s. f. friedlich neben einander flattern, so waren
zwischen je zwei Stangen vier bis fünf feurige Flächen
ausgespannt, nach unten hin zerschlitzt und zerfetzt^
scheinbar mit bläulichem Saum sich wellenförmig be-
wegend. Dabei flel um auf, dass die zwischen zwa
Stangen niederhängenden Flächen von verschiedener
Größe waren, und zwar so, daß je die erete von
oben die größte, die letzte aber die kleinste war,
welche Eigenthtimlichkeit sich regelmäßig wiederholte.
Diese wunderbare Erscheinung war zudem keine bloß
momentane, sondern eine mindestens zwei Minuten lang
konstante, üeberwältigt von diesem imposanten Natur-
schauspiel, wie wir noch keines gesehen und noch
von keinem gehört hatten, vergessend die Gefahr, in
der wir noch schwebten, rief ich kurz hintereinander
unwillkürlich dreimal aus: Wunderbar schön! Wir
konnten einfach unsere Augen nicht mehr von diesem
kolossalen und majestätischen Feuerwerk abwenden.
Plötzlich fiel die ganze Herrlichkeit, die wir wohl
am treflfendsten y,Blitzwäsche^ oder j^Dlätzhlitze^ be-
nennen möchten, zu Boden. Der Telephondraht war
von der enormen Gluth geschmolzen, die Leitung bis
zur 15. Stange hinunter zerstört. Auf der Erde, wo
die Drähte lagen, schien es wie von flüssigem Metall
zu brodeln und zu zischen. Aber auf der Netzhaut
unserer Augen blieb der Reflex jener leuchtenden
Flächen haften, verwandelte sich allmälig in Grau-
weiß und endlich in ein tiefes Blau. Dann hörte
jeder Lichteffekt auf, wir sahen einander in unmittel-
barster Nähe nicht mehr, wir waren völlig geblendet
und durften keinen Schritt weiter wagen.
Ueber elektrische Erscheinungen auf dem Säntis. 473
Jetzt erst wurde die Situation im höchsten Grade
besorgnißerregend. Die Frage : wie lange wird diese
Blindheit andauern, wann werden wir einander wieder
sehen und endlich an's ersehnte Ziel gelangen? —
erweckte doch einige Angst in uns. Die Sekunden
wurden zu Minuten, die Minuten dehnten sich zu
Viertelstunden aus. Endlich, nach längerem pein-
lichem HaiTcn (nach unserer Schätzung werden es
etwa 5 Minuten gewesen sein), drang wieder ein
Schimmer in unsere Augen, die Umrisse der Personen
nnd Gegenstände wurden wieder deutlicher, die Lichter
im Hotel leuchteten noch, und so faßten wir auf»
Neue frischen Muth.
Inzwischen war auch die Gewalt des Gewitters
gehrochen und der Regen hatte nachgelassen, so. daß
wir den letzten Angriff auf den Gipfel wagen durften
und nach einer kleinen halhen Stunde, etwas nach
10 Uhr, zwar völlig durchnäßt, aber gottlob unver-
sehrt und wohlbehalten das leider schon überfüllte
Gasthaus erreichten. Nach einigem Suchen und
Warten fand sich auch für uns noch ein bescheidenes
Plätzchen, wo wir von den ausgestandenen Strapazen
nnd Schrecknissen ausruhen konnten, um dann am
frühen Morgen durch die denkbar klarste und schönste
Aussicht reichlich belohnt zu werden, aber auch die
Zerstörungen an der meteorologischen Station anzu-
staunen und noch einige wenige Reste von der zer-
schmolzenen Telephonleitung zu finden.
Nach Aussage des alten Säntiswirthes Dörig soll
das geschilderte Gewitter vom 28. Juni 1885 da»
stärkste gewesen sein, das er je auf seiner hohen
Warte erlebte.
J. Stvdf'r (Section Uto).
474 O. B.
Muretto- imd Oondonapaß.
Am frGhen Moi^eii d«s 10. Jali 1885 waad^eite
ich mit "vier OeBOBsen von Andeer dvrch Ferren
und Avers nach Oesta Iriaasf. Uasere Absieht war,
am nächsten Tage das detseherhom zu beeteigen vnd
mit direktem Abstieg Mach S. durch Yal Dnana imd
Tal Marozzo nach Oasaccia und Maloja z« gelangea,
Ton wo ans wir fiber den Iforettopaß das Veltiin «nd
über einen der Bergamask^rpSsse Bergamo zu ^reidien
gedachten. Der erste Theil unseres Programmes
scheiterte theils der unsicheren Witterang imd der
schlechten Schneeverhältnisse wegen, theils durch die
gSnsHclie Unkenntniß unseres ^Ftthrers^ R. Heinz,
der, obwohl ihn Tschudi's Tourist als Fllhrerchef be-
zeichnet, das Gletscheihom kawn dem Namen nach,
den Abstieg nach Val Duana gar nicht kaante. So
mufiten wir uns denn nach ^nem vei^eblichen Ai-
laufe auf das Gletscherhom dazu «itschlieOen, umzu-
kehren und über Forcellina und Septimer unser nächstes
Ziel zu erreichen. Das Avers Ist in den Jj^rbttchem
XV, XIX imd XX 80 etnlSfili<^ besehrieben worden,
daß ich meinerseits von ein^ Schilderung wohl ab-
sehen darf. Ueber Forcellina und Sepämer genfige
die Notiz, daß der Weg ein herzlich schlechter war
und Tschttdi dem Sepdmer durchaus kein Unrecht
thttt, wenn er seinen verfallenen Saumweg s^ raifa
und schlimmer als einen nalUrlichen Bergpfad nennt
Dagegen ist vielleicht eine kurze Beschreibimg der
weniger begangenen PSsse Muretto und Dordona nicht
ohne einiges Interesse.
Es war ein herrlicher Sommermorgen, als wir am
12. Juli nach Besichtigung des neuen grandiosen Maloji-
hoteis und seiner zierlichen Chalets und Parkanlagen
Punkt 6 Uhr abmarschirten , dem Murettopasse ent-
gegen. Der Morgenbummel in erfrischender Kühle auf
weichem Grasboden durch die „Täjeda" längs der
Muretto- und Dordonapass. 476
ruhig fließenden Orlegna w«r höchst angenehn] Beim
Lago di Caviooeio gestattete mir ein kurzer Halt die
Aufnahme des imposanten Pizzo dei Rossi; dann rer-
Behlinuaerte ineh der Pfad zusehends, bis er sich bei
Pian eaniiH) (HundeebeQe) in einem wiisiea ßteinmeer
verliert. Reeliis wird ein Theii des gewaltigen Forno-
gletseher» sichtbar«
Ueber öde TrUmmermassea begann nuB der steile
Anstieg zur nicht mehr allzu fernen Paßböhe, doch
bald betrat der Fuß die zu. dieser Jahreszeit noch
reiehlieh vorhandenen und weit herabhängenden Schnee-
felder, so daß wir mühelos vorwärts kamen. Hinter
uns entfaltete sieh eine recht hübsche Aussieht auf
die Maloja mit den sie umgebenden Höhen ; in einem
msamen Felseneireiis , eine kleine Stunde unteriialb
der Paßhöhe, begegneten uns zu unserer Ueberraschung
dm Italienerkinder von blos 9 — 13 Jahren. Sie waren
mit Sensenklingen und ärmlichen Habseligkeiten be-
lastet und erkundigten sich ziemlich besorgt, ob sie
«ieh auf dem richtigen Wege in's Engadin befänden,
woselbst sie sieh nach Arbeit umzusehen hätten.
In langsam bedächtigem Zickzack ging's nun durch
weiche Bchneemassen dem nahen Ziele entgegen, das
wir nach ^U Stunden erreichten. Vor uns liegt italie-
nisches Gebiet, wir waren demnach von nun an auf
die Schweiz. Oeneralkarte (1 : 250000) angewiesen,
welche uns freilich die Marschrichtung durch Val Maleneo
längs dem Malero deutlich genug bezeichnet, über
alle Details der Beschaffenheit des Weges indessen
natürlich keine Auskunft zu geben vermag.
Also rasch vorwärts, noch liegt ein circa acht-
stündiger Marsch vor uns, und je eher wir Sondrio
erreichen, um so leistungsfähiger werden unsere Füße
Morgens wiederum in der Bergamasca sein.
Einige flotte fiutschpartien bringen uns in wenigen
Minuten über weitausgedehnte Schneefelder hinunter, und
stets auf schmalem Pfade dem linken Ufer des tosenden
476 . 0. B.
Gletscherbaches nach auf Schnee und Geröll weiter
wandernd, gelangen wir nach und nach in die oberen
Alpen hinunter und später in die einsame Alp dell
Oro, von dessen einzigem Insaßen, einem hübschen
braunen Burschen, wir auf's Gastfreundlichste bewirthet
wurden. Dann ging's weiter; zu unserer Verwunderung
hieß uns der wackere Senn nicht etwa den seither
innegehaltenen Weg weiter verfolgen , welcher , wie
wir uns später tiberzeugten, in die nackten Felsen
der Maleroschlucht ausläuft, sondeiii sandte uns circa
20 Minuten scharf aufwärts, wobei wir mit aller Auf-
merksamkeit die schwachen Spuren eines unschein-
baren Pfades zu verfolgen hatten, bis wir wieder eine
Anzahl elender Steinhütten trafen, von wo ein guter
Weg thalwärts führte. Ich habe auf meinen vielen
Gebirgswanderungen noch nie ein auch nur annähern-
des Bild von menschlichem Elend erblickt, wie es
hier in diesen erbärmlichen Baraken zu Tage trat
Einige ekelhaft schmutzige Kinder, in Mistpfiitzen
plätschernd, riefen die Mutter herbei, welche, jeden-
falls früher ein bildschönes Weib, aber nunmehr ver-
kommen in tiefster Armuth, unsere Fragen beantwortete,
dann zogen wir fürbaß. Im Schatten riesiger Tannen,
auf weichem Moose lagernd, genossen wir später als
erfreulicheres Gegenstück dieser erbärmlichen Stätte
den aller Beschreibung spottenden, großartigen An-
blick der dicht gegenüber liegenden Gruppe des Monte
della Disgrazia mit seinen gewaltigen Gletschergtirteln
in blendender Sonnenbeleuchtung.
Endlich langten wir in Chiareggo an, einem magern
Bergdörfchen, dessen alte, halbzerfallene Stallungen
und Magazine noch als einzige Spuren jener Zeit sicht-
bar sind, da der Murettopaß ein besuchter, mehr als
die Bernina begangener Saumpfad gewesen sein soll.
Die elende Osteria wollte sich trotz allen Klopfens
und Rufens nicht öffnen, ein altes, zerlumptes Weib,
das im Schatten einer Mauer ihre Siesta hielt, konnte
Muretto- und Dordonapass. All
nur mit etwelcher Mühe geweckt werden, worauf wir
den Bescheid erhielten, die „WirthBchaft" werde diesen
Sommer überhaupt nicht geöffnet werden.
Also stramm vorwärts ! Es war ein beschwerlicher
Marsch in heißer Nachmittagssonne, bergauf, bergab,
doch boten sich dem Auge stets so pittoreske Bilder,
daß die sich allgemach geltend machende Müdigkeit
nicht berücksichtigt wurde. Oberhalb Lanzada führt
der sehmale Steig hoch über dem Malero in scharfen
Windungen zu einer kleinen Brücke hinunter und setzt
auf dessen rechtes Ufer über. Wir passirten eine große
Zahl Frauen und Mädchen in bunter, sehr kleidsamer
Volkstracht, welche, mit hohen, leeren Tragkörben
beladen, in ihre Alpenwohnungen zurückstiegen und
auf's Freundlichste Auskunft ertheilten. Durch einen
großen Schieferbruch hindurch in pittoresker Lage
gelangten wir endlich auf eine schmale, fahr^re
Straße, eine wahre Wohlthat für unsere mißhandelten
Füße, und rückten eine halbe Stunde später nach zehn-
stündiger Wanderung in Chiesa ein , wo wir uns in
der Albergo Olivo bei schäumendem Chiav^ennabier
ein bene thaten. ^ Meine Frage bezüglich der zu pas-
sirenden Douane wurde dahin beantwortet, daß eine
solche zur Ueberwachung des Murettopasses schon
seit einigen Jahren eingezogen worden sei.
Wir entließen unseiii Heinz, der uns freilich blos
als Träger hatte dienen können, und fanden es für
angezeigt, die zehn Kilometer lange staubige Land-
straße, die uns noch von Sondrio trennte, in einem
Vehikel zurückzulegen, was uns der nachsichtige Leser
wohl nicht verargen wird. Mit Einbruch der Dämmerung
hielten wir in dieser hübschen, freundliichen Stadt
uiiBern Einzug und bezogen Quartier in der vortreff-
lichen Albergo della posta. Der sehr gefällige Wirth,
Hr. Francesco Vitali, welcher glücklicherweise der
französischen Sprache mächtig war, besorgte uns sofort
für den folgenden Tag einen kundigen Führer nach
Branzi, drüben an den Südabhängen der Bergamasca.
478 0. B.
Wiedernm l»'aeh ein lachender, »onneDklarer
Bommermorgen an, als wir Sondrio rerließen, tun vor-
erst das circa zehn Kilometer entfernte Pnsine zs er-
reieben und alsdann von dort ans den Aufstieg in's
Val madre nach dem Passo di Dordona anzutreten.
Unser Reisehandbuch bezeichnet diesen als den sehönsten
und auch unser Ftthrer, dem wir die Wahl zwischen
den zahl rächen Uebei^ngen rom Veltlis in £e Berga-
iftssca freistellten^ gab ihm den nnbedingten Vorzug,
Punkt 7 Uhr klapperten unsere Bergstöcke Über
da» holperige StraßenpÄaster von Fasine und umnittel-
bar beim Dörfchen begann die steilste Partie fast des
ganzen heutigen Marsches. Ich mn& gestehen, da&
mir die verflossenen drei Tage, schwer an den Ftßes
klebten,, und nur durch unablässiges: ,,piano,. piano !^
vermoclite ich da» jvgendliebe üngestliin unseres Fth-
rers.zu dämpfniL Gkieh Anfangs eröflßoet sieh ein
lieWeher Rllekbfck auf die Tbalebene de» yeilii%
daoB tauchen die stolzen Gipfel der Bergellerbei^e
uad der Disgraziagruppe auf; selbst die Eishäapter
der Bemina und ihrer Vasallen sollen sichtbar sein,,
was ich indessen nicht besehwöten kann. Dann heißen
uns dichte Kastanienwaldiingen in ihrem wohlthätigen
Behalten willkommen, die Steigvng gibt nach,, der
rauhe Fußpfad ebvet sich zu einem eigentlieh kom-
fortabeln Bträßefaen, das uns nun in denkbar be-
quemster Weise saehte aafwSrts flihrt. In schwindelnder
Tiefe neben ms seliSunt der Bergbach ^ der direct
vofs der Paßhöhe thalwärts fließt. Aevfietst schroff
und steil,, ohne nnldernde Uebergänge,. mit sehwarseo,
dlistem Tamrenwaldmigen dicht besetzt,, weisen sieb
die jenseitigen Flanken de» Val madre. Hin mä
wle^ begegnen wir FamTÜe«, die mit Besteltong^
ihser kleinen,, häufig sehr absehlissig gelegenen Felder
beaehäftigt sind,, und die vielen Ißisenkreoae, welche
oft in Giuppeti zu 4 — 5 zm den; Felsen angebracht
sind^ gvben emaie» Zeugnis Tom den nicht sehenea
MurettO' und Dordonapass. 479
ÜBglücksf allen , welche sich, besonders im Winter^
bieF ereignen. Nach eipca 2^/28tUndigem Marsch»
paseirteB wir den armseligen Weiler ^ Pizza bella^
mit dito Kneipe und eine halbe Stande später da»
kleine Bergdörfchen Contrada Chiesa^ woselbst wir
iift8> an köstlicher Milch nnd — sehr saui'em^ hellem
Landweiii erlabten^ Nach einiger Zeit ändert sich der
Charakter der Gegend und des Pfades, die beiden
Gebirgsflanken treten näher und näher zu einem engen
D^fil6 zusaminen; wir tiberschritten den vorhin tief
unter uns brausenden Bach auf solidem Stege^ dichte»
Nadelholz tritt an Stelle der bisherigen üppigen Wiesen^
der Weg artet zu einem Bergpfad gewöhnlichen Schlage»
ausv Nach Verlauf einer halben Stunde war diese
Thalsperre überwunden und vor uns breitet sich ein
weite» monotone» Gelände aus. Nur etliche Ziegen
beleben da» Bild , sehimppemd kommen sie herbei^
es mag" ihnen wolü äußerst selten aus der Hand frei-
gebigei' Touristen Brod verabfolgt werden..
Vor uns erhebt sich die grüne Kuppe des Monte
Cadelky uoid scharf zeichnet sich die Paßhöhe vom
Horizonte ab. Wir schlugen uns rechts in die Geröll-
baldea, mit Alpenrosenstauden reichlich überwuchert^
uad gewannen eine Stunde später ein breites Hoch-
plateau^ woselbst zwei Wildheuer ihrem mühseligen
Handwerke oblagen* Da weit und breit keine Hütte
sichtbar ist, bringen diese Leute die Nächte hier oben
zu in einem kastenähnlichen Ge£achy welches zur Noth
zwei Mann beherbergen kann. Wenn Stürme toben
und ein Hochgewitter in voll entfesselter Wuth einher-
btaudt^ mag der Aufenthalt in solchem Kasten freilich
niekts weniger als beneidenswerth sein!
reber zerstreute Fels- und Steinmassen ging's nun
der nahen Cima (2059™) entgegen, wo wir Mittags
1^2^ Uhr anlangten, und auf den Mauerresten einer
zerfallene» Hütte eine Stunde Siesta hielten. Die Paß-
mnlde mag^ cirsa eine halbe Stund« breit sein und
480 0. J5.
ist mit einer Unzahl kuppenartiger, bis 8"» hober
Erhöhungen bedeckt, hinter welchen wir uns, durch
tiberhängende Felsen geschützt, vor einem losbrechen-
den, soliden Unwetter verkrochen. Doch bald brach
siegreich die Sonne hinter dem schwarzen Gewölke
liervor und frohen Muthes begannen wir den Abstieg
über Felsgetrtimm er jeglichen Kalibers. Binnen Kurzem
gelangten wir nach dem lieblichen kleinen Thalkessel
Dordona über reiche Triften mit weidenden Pferde-
heerden und dann ging's durch Alpenrosenfelder, wie
ich sie nie in ähnlicher Pracht und Ausdehnung erblickt,
thalwärts in's Val Brembana hinab, das schroff und
dicht bewaldet, wie jenseits Val madre , zu unseni
Füßen liegt. Foppolo (1516"»), das erste Dorf, dai-
wir erreichten, besitzt schon ein leidlich gutes, gil"
pflastertes Sträßchen, ist es doch als SommerfrisMl'*,
begüterter Familien von Mailand und Bergamo ttp'.
«inem komfortabeln Gasthofe (Stella) beglückt wordflibfi
Scharf absteigend passirten wir später das kleMß'
Talleve (1146"*) und langten schließlich nach mMr
kleinen Stunde, stets auf bequemem Fußpfade den
rechten Ufer des Brembobaches entlang, im Bvawi
(857»") an. Aeußerst romantisch, am ZusammenflnciM
zweier Arme des Brembo gelegen, bildet dieses StädtcheB *
nach Tschudi das Centrum der reichen Alpenwirih^
fichaft dieser Thäler und den Centralpunkt für M-
genußreichsten Ausflüge.
Das einzige Gasthäuschen, Osteria Berrera, M
freilich keinen überflüssigen Comfort und ist i^lp
rührendster Naturwüchsigkeit, auch hätten wir
Freuden ein reinlicheres Zimmer der schmat
Spelunke, in welcher wir wegen Platzmangel
schlafen mußten^ vorgezogen, dagegen war die
nähme so recht freundlich, patriarchalisch einfacb,
Kost tadellos, der Wein ausgezeichnet, die Bettei'
wenigstens sauber und die Preise spottbillig!
Von ergreifender Schönheit sind die Wasserfölle,
JlhrtmohZQ.SA.C. f/trrr a,B
Pizzo dei Rossi (aaaiM)
Nach einer Phologr vDnO.B.aurgenommen auf dem Piancsni,
MurettO' und Dordonapass. 481
velche dicht neben dem Dorfe von senkrechten Fels-
wänden niederstürzen ; leider mangelte die Zeit, länger
zu verweilen, um die Reize dieses, dem größten Theile
der Touristenwelt so unbekannten Thaies eingehender
-ZU durchforschen. Schon am nächsten Tage ging^s
über Fonda, Piazza San Martine und San Giovanni
bianco nach Bergamo hinunter, eine prächtige 12stün-
dige Thalsohlen-Excursion , die jedoch nicht mehr
in den Rahmen dieser Skizze paßt. Ich kann indessen
nicht umhin, hier vollauf das ürtheil Tschudi's im
Tourist 1884 zu bestätigen, wenn er in der Einleitung
zu seinem Abschnitte Bergamasca sagt:
„Die sehr bedeutenden, hochinteressanten, pro-
^duktenreichen und wohlhabenden Valle Brembana,Valle
■„Seriana etc. sind fUr die Touristen bis zur Stunde noch
^eine terra incognita. Obwohl der imponirenden Hoch-
^gebirgsnatur des Wallis, des Berner Oberlandes etc.
;,entbehrend, bieten sie doch eine Fülle fesselnder
TjNaturschönheiten der mannigfachsten Art. Ihr großer
^Reiz liegt nicht zum Wenigsten darin, daß der Wan-
^derer überall den Spuren einer bedeutenden, geschicht-
„lichen Vergangenheit begegnet Kraft,
^schöner Menschenschlag, einfache Sitten, Ehrlichkeit,
^Gefälligkeit und Zuvorkommenheit gegen Fremde
^zeichnen die heitern, rührigen und intelligenten Be-
^wohner auf das Vortheilhafteste aus. Die anspruchs-
„losen Gasthäuser entbehren, mit wenigen rühmlichen
„Ausnahmen, des gewohnten Comforts und der erforder-
„lichen Reinlichkeit, befriedigen aber bezüglich auf-
„merksamer, freundlicher Bedienung, guter Küche, Wein
„und Betten bei billigen Preisen alle gerechten Au-
ssprüche "
0. B, (Section Pilatus).
31
n
482 SL Simon.
GletscherpickeU
Woher beziehe ioh einen zuverlässigen Oletseher-
pickel? das ist eine Frage, die jed^ Hoeboluhist
neben jener über die Schuhe aufs Intensivste er<hrtert.
Hundertfach wurde sie auch schon au mich gestellt^
und da ioh gewohnt bin , auf meinen Taur^ die
Stufen meist selbst mit dem eigenen Eisbeil zu hauea^
so konnte ich mir an Hand jahrelanger Erfahrang
darüber insoweit ein ürtheil bilden, daß es uir wohl
nicht als UeberschStzung ausgelegt werden wird, wem
ich über diese wiehtige Frage in kurzen Worten re-
ferire.
Mein jetziges Eisbeil, da,8 a^hte weiaies idpinea
Bedarfs, ist ein so vorzügli^es Inairum^iA> daftieh
mir kein besseres wihische. Ee ist im Ganzen leU^
ergibt trotzdem einen wuchtigen Schlag (iufel^ dfi:
zweckmäßigen Gewiehtsvertheihing), Kapf u&d Zai^;eo
siud aus einem Stück gesekmiedel^ und so i» den
sehnigen Eseh^holzsitiel eingelassen , daQr nirgevds
eine vorc^riBgeade Kante von H^lz oder SiaeB sMi
findet.
Auf Am-egung von Herrn Ingenieur B^d venui'
spalteten wir auf d»m topographiscben BUbr^n eine
Zusammenstellung Ton ^üesk mögticben Typen von
GletscherbeüLen. Jeder* brachte, was er Ori^ineUss
und Pffaktischaa auftreiben konnte. Das 9eo^ d«vw
soUte d«.nn zu> einem Normalbail vereioigl weideiu
Ohne DiskuasioB: errang ^h aber Hueiia EiBbeil so
ungetheiiie AnerkeniHuig , daß es einstimmig ab dss
anerkannt wurde», w^usk man suchiie, ala ^Konml-
pickel".
Dduroh Zulatt war ich dazu gekommen, und es ist
die vorzügliche Construction desselben absolut nicht
mein Verdienst, sondern lediglich jenes seines Erstellers.
Zufällig kam es mir in der naturwissenschaftlichen
Sammlung zu Interlaken unter die Augen. Ich 6^
Gletscherpickel 4^9
kttndigte mieh nach dem Lieferanten ; es war : F. Jörg^
Schmied in Zweilütschinen, also derselbe, dessen Eis-
beile schon an der schweizerischen Landesausstellung
als das beste überhaupt Gelieferte dieser Art taxirt
wurden.
Der Preis ron Fr. 16 schien mir sehr mSBig, und
so wurde das Instrument direet gekauft. Jetzt wäre
es mir geradezu unbezahlbar, und ich wttrde mich
unter keinen UmstSnden dazu entschließen, es zu ver-
äußern, selbst wenn man mir das Zehnfache des be-
zahlten Betrages dafllr bieten würde.
Lettrten Sommer begleitete es mich bei mehr als
40 BedteigUBgen und bei über 20 Pa^übergängen
(worunter Jungfrau, Finsteraarhom, Weißhom etc.),
imd trolzdem ist es noch so zuverlässig, wie am
ersten Tage, oder, besser gesagt, viel zuverlässiger,
denn es hat eine Feuerprobe bestanden, wie sie sonst
nicht leicht ein Instrument aushält.
Von meinen sonstigen Piekeln hat keiner über
40 Besteigungen ausgehahen, ohne etwas defect zu
werden. Mein Engadiner Beil, von Schmied Thoma in
Amden, befriedigte mich seiner Zeit auch, und durch
Einsetzen eines netten Stieles würde es wieder ein
TOfsQgliehes Ine^Crument weMen, trctzdem es tlber 40
Bestefgungen mätg^maeht, W(ftm 28 im Engadin.
Aber so hafsAieh wie das jetzige Beil wftrde es doch
uieiiMKle, und tio verbleibt e» zur Erinnening in der
Pickelsammfang.
Das jetzige Indtrament verspricht daigege», ohne
Repanatar noch einige hundert Fährten aufzuführen,^
imdi mehr sind ^6tlMß/g für daseelbe nicht roirauft-
zsfsehefl.
]f(^n ^m kurzen, dkeet äem ptäkÜ$cYmt tetg-
steigen esCttemmetien Et-fkhnuigeii get^ü^ea-^ txm liir
äSß Tüchtigkeit und Yorzüggehkeit der JI$r]K'fi»^kii
Oletscherbeile zu sprechen. Und soIHe irgend €to Clul»-
genosse ein witküeh zirrertSssyges B^l wünsdien^ Eto
484 F, Becker,
wende er sich direct an F. Jörg ^ Schmied, Zwei-
Ititschinen, Berner Oberland.
Die Preise, je nach Ausführung von Fr. 10 bis
Fr. 30 schwankend, dürfen als mäßig bezeichnet wer-
den. Letztere hohen Preise beziehen sich auf ab-
schraubbare Pickel complicirter Construction.
Vom touristischen Standpunkte aus sind jedoch
unbedingt die festen Pickel vorzuziehen. Zu Fr. 16
erhält man ein Instrument, das bequem ein Menschen-
alter aushält, selbst wenn es aufs Intensivste ge-
braucht würde, und ich hege die üeberzeugung, viel
mehr im Interesse der Clubgenossen als in jenem des
Schmiedes diesen Pickel auf's Wärmste empfohlen zu
haben.
S. Simon^ Ingenieur des eidg. topogr. Bureau.
Randegger's Alpenland, mit den angrenzenden Gebieten
von Central-Europa.
9 Blätter im Maßstab 1 : 500,000.
Für den Alpenclubisten muß jede Darstellung des
Alpenlandes, sei es in Wort oder Bild, von Interesse
sein; eine solche bildliche Darstellung haben wir vor
uns in 4er obbenannten Karte, die mit Beginn dieses
Jahres aus der vorzüglichen topographischen Anstalt
von Wurster, Randegger & Cie. hervorging.
Wenn man von Liebe zur Alpenwelt spricht, so
hat das zunächst einen allgemeinen Sinn — wir lieben
die Alpen, die Gebirge, wegen ihrer Schönheiten,
wegen ihrer Eigenthümlichkeiten ; wir lieben sie, weil
wir beim Durchwandern derselben unsere edelsten
Eigenschaften in Körper und Seele bethätigen können,
bethätigen. müssen, weil diese Bethätigung selber
unser leibliches und geistiges Wohlsein weckt nod
befördert. Wir lassen gerne allerlei neue Eindrücke auf
Literarisches, 485
uns einwirken; wir thun auch etwa einen Schritt
hinaus über unsere Grenzen und sollten es noch mehr
thun — nicht, um an unserm eigenen Lande keinen
Gefallen mehr zu finden, sondern vielmehr diesen
Gefallen zu verdoppeln.
Es gibt nicht nur in der Schweiz hohe Berge
und schöne Berge; das ersehen wir recht deutlich
aus der vorliegenden Karte, die uns das gesammte
Alpenland in so plastischem Bilde vorführt. Die
Alpen erstrecken sich Über ein großes Gebiet, sie
baden den einen Fuß in den Fluthen des Meeres, den
andern setzen sie ab an den Ufern der Donau, ihre
durchschnittliche Breite beträgt 30 Stunden. Nur ein
Drittel dieser Alpen ist schweizerisch, aber in diesem
Drittel liegen die höchsten Gipfel, wobei wir aller-
dings den Montblanc als zum System der Schweizer-
alpen gehörend betrachten , und die gewaltigsten
Massen. Wichtiger aber ist, daß die Schweiz Theile
aller vier Stromgebiete Mittel-Europa's in sich faßt,
daß die Schweiz diese vier Stromgebiete trennt und
gleichzeitig verbindet, Nitr nach der Schweiz kann
man aus vier Hauptebenen zugleich gelangen, nur
aus ihr in alle hinabsteigen. Die Schweiz wird daher
den reichsten Wechsel an landschaftlichen For-
men und culturellen Zuständen aufweisen und dem-
zufolge von allen Ländern am meisten von Fremden
besucht werden. Wenn wir auch die „Mode" fürchten
im Verlauf des Fremdenverkehrs, daß dieser Verkehr
sich dauernd nach anderen Gebieten wenden könnte,
80 ist gewiß diese Furcht keine begründete; die
Schweiz wird immer das interessanteste Alpenland
bleiben, und das wird ihr auch den steten Besuch
der Fremden aus allen Gauen sichern.
Sache des Alpenclubs und der einzelnen Clubisten
ist es, neben andern Dingen auch diese Erkenntniß
zu hegen, sie weiter zu tragen durch Verbreitung der
Kenntniß des Alpenlandes. Einem solchen Zwecke
486 E. Diibi.
dient nun in vorzüglicher Weise die vorliegende
Karte; die Anschaffung derselben, die in zwei Aus-
gaben, einer oro-hydrographiscben (nur das Terrain
und die Gewässer) und einer politischen (das TenraiB
mit den Signaturen, Ortschaftsnamen, Grrenzen, erste-
res }n blasserem Drucke), erschienen ist, möchten
wir allen Olubsectionen ^r ihre Bibliotheken em-
pfehlen ; dabei ist zu rathen, die erstere Ausgabe als
Wandkarte aufzuziehen, wo das Terrainbild einen
gewaltigen Eindruck macht, die andere in Mappe zu
halten für das Detailstudium <
Die Dimensionen der Karte, auf ein Blatt auf-
gezogen mit dem Rande, sind 1,61°» auf 2,16"»; die
Preise für 9 Blätter mit Umschlag: Fr. 22, 50 für die
oro-hydrographische, Fr, 30 für die politische Aus-
gabe.
F, Becker (Seotiou Tödi).
Dr. Emil Zsigmondy: Die Gefahren der Alpen.
Leipzig 1885.
Die Schrift de^ hochbegabten und zu frtlh ver-
storbenen österreichischen Clubisten ist, wie in der
Einleitung bemerkt wird, wie die ähnlich betitelte
Brochure von Pfarrer Baumgartner, veranlaßt worden
durch die Preisausschreibung des S. A. 0. vom Jahre
1883, Dr, Zsigmondy hat aber einen andern Zweck
im Auge, Er betitelt seine Schrift auch „Praktische
Winke fttr Bergsteiger'* und meint damit vorzugs-
weise diejenigen, die führerlos geben. Aber auch
dem Gros der Touristen, welche diese Hülfe nicht
entbehren können oder nieht entbehren wollen, glaubt
er mit einer Zusammenstellung der auf Erfahrnng
beruhenden Winke und Warnungen »u dienen und
dies muß unstreitig zugegeben werden, Dr. Zsigmondy
b^saß eine ungewöhnliche Competenz auf diesem (k-
Literarisches, 487
biete. Die Schrift enthält neben einer guten Kennt-
nis und Benutzung der Literatur eine Fülle ron
BemerkiiDgen) die der Selbsterfahrung des Verfassers,
«einer Brüder und Freunde entnommen sind, und
irird auch Ton Solchen mit Nutzen studirt werden, die
eigene Erlebnisse zur Vergleichung heranziehen können.
Aber sie darf auch Anfängern empfohlen werden, weil
«ie mit einer« in unserer Litteratur nicht immer ge-
wi^rt^ Ehrlichkeit und Bescheidenheit geschrieben
ist« Es werden freilich haarsträubende Dinge darin
ersählt, abei* nie, um die Leser gruseln zu machen
odeir die eigene Persönlichkeit herauszustreichen, son-
dern als die lautere Wahrheit und die Folgen von
UebereilüTig, üebereifer oder Unvorsichtigkeit. In
der Einleitung wie am Schluß werden ernste und
beherzigenswerthe Worte über Selbstprüfung und
delbstttberhebung gesagt, die sieh Jeder merken müßte,
und man hat das Gefühl, daß es immer edle Triebe
waren, die den Verfasser zu seinen Verwegenheiten
drängten. Eine Einschränkung muß ich da freilich
maoheB^ die kein Tadel sein soll, aber eine noth-
wendige Mahnung für Andere. Dr. Zsigmondj spricht
von der Leidenschaft des Bergsteigers und bezeichnet
als solche das „Interesse an der Lösung eines
Problems, die Begierde, das Unternehmen durch-
zuführen." Mit Recht berührt er dabei die psychi-
sche Stimmung, die erzeugt wird, wenn die Lösung
des Problems an der Bezwingung einer einzigen
schwierigen Stelle hängt. „In dieser Stimmung habe
ich manchmal Stellen bewältigt, welche ich nicht
wieder machen würde. — Ein Mal glückt es, ein
zweites Mal nicht." Dr. Zsigmondy hält es mit Recht
ito eine Gewissenlosigkeit, solche Stellen zu nennen;
denn er weiß, daß es Wahnwitzige gibt, welche von
dem Princip ausgehen: „Was ein Anderer kann,
vermag ich auch." Aber diese negative Abmahnung
scheint mir nicht zu genügen. Wenn der Verfasser
488 RedoLCtion.
im Bergsteigen eine treffliche Schule des Characters
sieht, weil es den Willen zum Siege stählt, so ver-
hehlt er sich nicht, daß der Sieg auch zur üeber-
hebung führt. Er findet eine Correctur darin, daß
es im Gebirge doch Unmögliches gibt, und daß Jeder
zu dieser Erkenntniß kommt.
Ich hätte aber gerne noch einen Zusatz in dem
Sinne, daß es im Gebirge nicht nur Dinge gibt, die
man nicht machen kann, sondern auch solche, die
man nicht machen soll. Namentlich die Führerlosen
müssen, wenn sie ihre gute Sache nicht ganz dis-
creditiren wollen, sich beständig vor Augen halten,
daß sie die Verantwortlichkeit allein tragen, welche
sonst zwischen Führer und Touristen getheilt ist.
Der Character, wie ihn das Gehen im Hochgebirge
schaffen oder stärken soll, besteht ebenso sehr im
Entsagen wie im Erjagen. Daß in einer verhängniß-
vollen Viertelstunde das Letztere über das Erstere
den Sieg im Gemüthe des Herrn Dr. Zsigmondy
davon getragen hat, ist doch wohl der Grund seines
nicht genug zu beklagenden Todes, und wenn dies
vertuscht oder vergessen werden sollte, so ist auch
dieses edle Opfer unnütz gefallen.
Dr. H. Dübi.
Souvenirs d'un alpiniste, par E. Javelle
(Lausanne 1886).
Im Frühling 1883 schloß sich in Vevey das Grab
über einem Clubgenossen, dessen Name im ganzeir
Schweizer Alpen Club, vornehmlich aber in den Sec-
tionen welscher Zunge, als derjenige eines begeisterten
Alpenfreundes und tüchtigen Bergsteigers besten Klang
besaß. Emile Javelle, geboren zu St. Etienne am
6. Sept. 1847, gestorben zu Vevey am 29. April 1883,
war kein Sohn der Schweiz, aber er trug sie, in der
Literarisches, 489»
er nach wechselvoUen Schicksalen seine zweite Heimat
gefunden, in warmem Herzen und ihre Berge besaßen
keinen eifrigeren, keinen beredteren Verkünder ihrer
Schönheit, als er einer war. Vor allen hatte es ihm
die Dent du Midi angethan, deren vielzackige Krone
das obere Ende des Lemansee's abschließt, aber auch
das Montblancmassiv, dessen Dome und Nadeln über
die savoyischen Vorberge zum See hinüberschauen^
und die Walliserberge , deren Gletscherbäche der
jungen Rhone zufließen, waren ihm wohlbekannt, und
viele der stolzesten Häupter, den Mont Blanc und den
Tour noir, das Matterhom, das Zinal Rothhorn, die
Dent d'H6rens, das Weißhorn u. s. w., hat er bestiege»
und in so lebendiger anschaulicher Weise geschildert^
wie wenig Andere. Ein Hauptreiz dieser Schilderungen,,
die er meist im „Echo des Alpes" niederlegte, ist
ihre subjective Färbung, subjectiv nicht in der
Weise, daß er das liebe Ich in den Vordergrund ge-
stellt und den Berg eigentlich nur als Piedestal für
den schneidigen Hochclubisten benutzt hätte, sub-
jectiv vielmehr in dem Sinne, daß er nicht nur den
Berg und seine Besteigung schildert, sondern den
Eindruck, den er dabei empfangen, mit solcher Wärme
und Begeisterung wiedergibt, daß dieselben Empfin-
dungen auch bei dem Leser wachgerufen werden»
Mancher sonst recht verdienstliche Bericht über eine
Bergfahrt nimmt sich neben Javelle's leben- und geist-
sprühenden Schilderungen aus, wie eine korrekte, viel-
leicht sehr instructive Umrißzeichnung neben einem
stimmungsvollen Gemälde, das Richtigkeit der Zeich-
nung, Wärme der Farbe und glückliche Beleuchtung
harmonisch zu einem Ganzen verbindet. Man lese
nur die Schilderung der ersten Besteigung des Tour
noir, die ein wahres Kabinetsstück ist, oder die
Fahrten auf die Dent du Midi (Souvenirs de deux
etes), auf das Matterhorn, das Weißhorn u. s. w.,
oder, wenn man den Meister im Kleinen, Idyllischen
490 Medaetian.
kennen lernen will, das reizende Bildchen der Masots
(Winzerhtttten) de Plan-Oeiiaier. Bevor Bich Javelle
dem Lehrfache znwaüdte, hatte er eine Lehrzeit als
Photograph bestanden; in späteren Jahren wandte
«r sich in seinen Mußestunden wieder diesem Kunst-
gewerbe zu und hätte es vielleicht zu seinem Lebens-
beruf erkoren, wenn ihm nicht der Tod seine Pläne
vorzeitig mit schwarzem Striche durchkreuzt hätte.
Seine kleinen Photographien, von denen ein Album
an der Landesausstellung in Zürich gerechtes Aufsehen
erregte, zeichnen sich ausnahmslos durch ktlnstlerische
Wahl des Standpunktes und verständnißvoUes Erfassen
der besten Beleuchtung aus. Dieser künstlerische Zug
^findet sich auch in seinen Schilderungen und darum
sind dieselben so lebendig, so wirksam*
Mit der Sammlung dieser bisher in verschiedenen
Zeitschriften zerstreuten alpinen Arbeiten Javelle's,
unter denen wir außer den bereits berührten die
^Huit jours dans le Val d'Anniviers'* und die an-
muthige Schilderung Salvans hervorheben, hat sieh
der Herausgeber, Hr. Ed. Beraneck, ein langjähriger
Freund des Verstorbenen, ein eigentliches Verdienst
um den S. A. C. erworben. Unser ehemaliger Central-
Präsident Eugene Rambert hat der Sammlung eine
geistreiche biographische und literarische Einleitung
;gewidmet und der Verleger, damit nichts fehle, dem
Buche, das hiemit dem S. A. €. wärmstens empfohlen
«ei, eine sehr hübsche Ausstattung mit dem photo-
graphischen Bilde Javelle's gegeben.
Einen „clubiste inutile"^ nennt sich Javelle in
seinen „Souvenirs de deux ^t^s", weil er bei seinen
Bergfahrten kein speciell wissenschaftliches Interesse
verfolgte, ^ber mit vollem Rechte nimmt er das Wort
«in paar Seiten weiter zurück : „Touriste inutüe ? . . .
Non, 11 n'est pas inutile, celui^ si humble qu'il soit,
qui vient payer un sinc6re tribut d'admiration aui
Alpes et j retremper son äme et qui^ sans savoir
Literarisdkes. 491
peo^t-etre les expliquer ou les peindre, lefi eomprend
et les aime.'^ Ein unnützer Clubist! Besäße nur unser
Cäub recht Tiele solcher unnützer Glubisten wie E. Javelie,
Olubisten, die es yerstehen, die warme Liebe , die
tue der Alpenwelt entgegentragen, auch bei Anderen
m weeken und zu hegen! Red.
Bergfahrten von Theodor Harpprecht (Stuttgart 1886).
Dieses Buch ist den Souvenirs d'un alpiniste nahe
verwandt und verdankt wie diese seine Entstehung
dem Wunsche, einem begeisterten Bergfreunde und
tüchtigen Bergsteiger durch Zusammenstellung seiner
alpinen Leistungen ein würdiges Denkmal zu setzen.
Theodor Harpprecht, geb. 1841, gest. 1885 auf der
Karlshöhe bei Ludwigsburg, einer der Gründer des
Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereins, hatte
sich die österreichischen Hochalpen zum Arbeitsfelde
erwählt : die Oetzthalergruppe, in welcher er den ver-
schollenen Sechstenweg von Gepatsch nach Vent über
Oelgmben- und Sechsegertenjoch wieder auffand; die
Hohen Tauern mit dem Groß- Venediger, dem Wies-
bachhom, der Simony-, der Roth- und der Dreiherren-
spitze u. s. w., und die Ortlergruppe, in welcher er den
seit 1805 verlassenen Hintergratweg wieder eröffnete
^und neben vielen andern Hochtouren die erste Be-
steigung der Thurwieserspitze ausführte. Seine Be-
richte über diese Bergfahrten erschienen meist in der
Zeitschrift des Deutschen und Oesterreich. Alpenvereins
und sind nun von seinen Brüdern Heinrich und Eduard
gesammelt und mit einem Vorwort von R. Seyerlen,
einem Nekrolog des Glocknerführers Joseph Schnell
von Gals, mit welchem Harpprecht die meisten seiner
Touren in den Tauern ausgeführt, und einer Reise-
chronik Harpprechts von 1862 — 1877 zu einem Buche
vereinigt worden, dem das beigegebene Portrait des
492 Bedciction.
Verstorbenen in Lichtkupferdruck der berühmten Ober-
netter'schen Anstalt in München zur Zierde gereicht.
Harpprechts Fahrtschilderungen sind schlichter nnd
weniger elegant, aber ebenso anschaulich, von der-
selben idealen Begeisterung für die Alpenwelt durch-
leuchtet und ebenso weit von selbstgefälligem Bei^-
fexenthum entfernt, wie diejenigen Javelle's. Das
Büchlein verdient in hohem Maße der Aufmerksamkeit
alpiner Kreise auch außerhalb des D. und Oe. A. V.
bestens empfohlen zu werden. Red.
J. Meurer: Führer durch die Dolomiten. 4. Auflage.
(Gera — Leipzig — Wien 1885.)
— Illustrirter Führer durch Westtirol und
Vorarlberg (Wien, Pest und Leipzig 1885).
Der unermüdliche Präsident des Oesterreichischen
Alpenclubs, Hr. Julius Meurer, hat im Jahre 1885
die touristische Literatur durch zwei Reisehandbücher
bereichert, die einer günstigen Aufnahme in alpinen
Kreisen von vornherein versichert sind. Der Führer
durch die Dolomiten ist die 4. umgearbeitete und
wesentlich vermehrte Auflage des vergriffenen Reise-
handbuches von Dr. P. E. Kurz, das indess nur die
nördlichen Dolomiten bis zum Fleimserthal und der
Landesgrenze, also die Berge von Enneberg, Bucheo-
stein, Schluderbach und Ampezzo behandelte und nur
selten auf die anstoßenden italienischen Gebiete hin-
übergriff. Dieser dem Kurz*schen Werke entnonmieDe
Theil des Führers durch die Dolomiten umfaßt die
Kapitel I — XIIL Von der richtigen Ansicht aasgehend,
daß weder Sprach- noch Landesgrenzen für den Berg-
steiger in Betracht kommen, hat nun Hr. Meurer den
Führer durch Hinzufügung von 9 Kapiteln über die
östlichen Dolomiten im Gebiet der oberen Piave, des
Tagliamento und der Gail, die südlichen Dolomiten
Literarisches, 493
im Gebiet des Fleimserthales, des Val Primiero, Val
d'Agordo, Val Zoldo und Val Sugana und die westlichen
Dolomiten (Brentagruppe) ergänzt und so ein Reise-
bandbach geschaffen, welches das ganze Gebiet der
Dolomiten vom Pusterthal bis Val Sugana und vom
Val Rendena bis zum Canal di Gorto umfaßt. Ein
Urtheil über die Genauigkeit und Vollständigkeit eines
solchen Buches kann selbstverständlich nur durch
eigene Erfahrung und Kenntniss des behandelten
Oebietes begründet werden. Indessen bietet in Er-
manglung dieser die Persönlichkeit des Autors volle
Gewähr für die Zuverläßigkeit seiner Angaben. Es
konnte Niemand besser berufen sein, den Führer
durch die Dolomiten zu schreiben, als der bergkundige
and bergfreudige Präsident desjenigen alpinen Vereins,
dem die ersten Bezwinger so vieler dieser stolzen
Pelszinnen angehören. — Die Anordnung des Stoffes
innerhalb der einzelnen Kapitel weicht von der
üblichen Eintheilung nach Routen der meisten Reise-
bticher wesentlich ab. Der Führer durch die Dolo-
miten theilt sein Gebiet nach Thälem ein, deren Topo-
graphie und Urographie in hie und da unnütz ausführ-
licher Weise geschildert wird, reiht daran die Auf-
zählung der Ortschaften, Wirthshäuser u. s. w., sowie
die Beschreibung der Zugangswege, und bespricht
endlich die von den einzelnen Hauptquartieren aus zu
machenden Berg- und Paßtouren. In den von Herrn
Meurer neu geschriebenen Kapiteln wird diesem In-
halt meist noch eine üebersicht der Entfernungen
(Geh- und Fahrzeit) vorangeschickt. Die oben an-
gedeuteten Breiten in den orographischen Beschrei-
bungen abgerechnet, ist das Buch, seinem Zwecke
entsprechend, in knappem, klarem Styl geschrieben,
beschränkt sich auf das Wesentliche und vermeidet
die überschwänglichen Anpreisungen so vieler anderer
fieisehandbücher, die dem Touristen zudringlich Schritt
fiir Schritt vorschreiben, was und wie er zu bewundem
habe.
4S4 Beäaelitm.
Während der Fülirer dnrdi die DolomUcn, wie
der treffHehe OrtlerfÜhrtr desselben Terfasscn-s, wesmi-
lieb ein Spesialfttbrer f)lr Ber^^steiger hrl und sidi waS
ein TerfalSltnifimäßig enges Gebiet be«eliränkl, sti^t
der illnstrirte Ffthrer dorch Westtirol «od Vararlbei)^
mekr auf dem Standpunkte eines allgemein^fc Reiae^
liandbnebes^ das alYen Bergfreunden, seien es VioA-
clvbisten oder Ttialsohlenitoaristeii^ di^ien soll. Ohn^
das Hochgebirge darüber zm yemacMäSM^csiT. wendet
deßhalb der Führer dtirch Westtirol den großen Ver-
kehrslinie» seines Gebietes, der Bonner- nnd der Ai^
bei'gbahn, den Mittelpunkten des Tonriste&verkehii^
den Sommerfrisehen imd Kurorti^ gr(56ere^ Aufnetk'
samkeit zs« Abgesehen rom den fß^fidbeit Reti»-
pfogrammeii fifer S — 4w9ehei])tBdie Tonren und eine*
yerzeiehiii)^ dier Tekgraphenstatioaeii m s. w., gliedert
sieh der InhaMi des Bac^s in die Rirbriken Votari-
berg, Nerdw^esttiroly Mittdtipol im4 Südwesttir^l. !■
Osten wird das Gehkt doteh die B^reno^rbahs al»-
gegrenzl^ im Weste» dnreh die* Landesgrenze ^ ww
den Uebekpiand bedingt, daß die auf fremdem Ge^bMe
geiege««n Abhinge ^m Gienzg^Mrgc^ ». R des Blriiti'
kon und der dUvrettah, der Ortier- und der Adamette^
^^!W^^j sehr stEefiffilttterüdi b^uand«M wories shmL
Kamemtlvch für dse stiidüeh rom AdaaNlle> ans^
strahlendes^ zwiseten Jwüeäcriffin und Yal CaniSMCi
getegenen Gebirge, di«^ hniher wenigslesa in der
deutsches al^iiren Lttc^mtin* wenig h«s^roclieB wvriM
sindt, wüire eingeheodere BehandJhing sehr «rwttnseht
gewesen. Vielleieht MMi der Herr Verfasse» ^fiese
Liteke> später aar Freude alter Lielrhiiler itafiodMr
A]|pesdandsdb»fien. domsh einea SpeeialAteer ans.
Der Führer dunh. dk Bolonuten enthIM aia M-
higea nur t Karten, ekm lJebiersidiri;skarte der s9fd-
lieheni und; südliehen ]i>ei9Xiiitalpen md ehi KirUehMk
der Blrenilagjiupfwv Issk G^egensatz dbtzu^ isH cler West-
throler Führer rei«b; jtt «biSFreieh anegestaittat AnGer
einer Konten- uad eiaer Dlstsaau^eakarte^ einem PI»» yooi
iBBsbrack nad 8 &pe9iiklkäit<^etp^ (Bode^see, Arlberg-
bah% Mer&a) e»thäH er 62 }llustrati<m^y woranler
6 l^bfieke Licktdnieke \mä 66 Habscbaitte vq» sehr
«Bgleicbem Werthe. Daß da und dori eine cbarak^
terigtifiche^ für die To^po^apüe wichtige Ansicht eine»
Tlialhiiitergrmideß; einer Berggruj^pe u. s. w* beige-
geben wurde^ ist nw za begrüßen^ aber auf die viel^»
niehtsaagefidea Dorf- und Ganthausansiohten würden
wir mit Vei^i^en yerziehten, namentlieh wenn stiatt
devselben Kärtchen beigegeben wären, die «um Ver*
ständniß der Topographie einer Gegend ungleiefar
bessere Dienste leisten, 9.h die längste Beschreibumg^
Tsckudi hat to^ Anfie^i^ an ¥oa selehen lUu^rationent
abgesehen und neb mit Karten^ Staditplänen und Pane-
Famen begnügt. Bädecker, der alte Practik»« m besten
^BBe desWidrtes^ dese^i Reisehandkjich für die Scbweia^
Hl seinen fHiher^Bk Anklagen »oeh hie v»A da eine Stadt-
maiieht oder dgl. eothidtt, he^ ii^ d^en späteren auf
d&esen B>sd!last ver^iK^btet, diafüi? aber die 2ahl der
Karle» erhdt^lich vemtehrt, ein nachabmen&wertbej^
Beispiel Air spätere Auflagen <ieB WesttirelerfiiihreiHiS.
deren das tüchtige Werk recht viele zu erleben ver-
dient. Red,
L'EdMT des Alpea 1885.
Der 21 . Jahfpgmg di^s B(<cho entbältwieeeioe Vorgänger
neben zahlreichen kleineren Mittheilungen verschiedener
Art, Fest- und Sectionsberichten, Rrecensionen u. dgl.
mehrere werthrolle größere Arbeiten theils wissenschaft-
Ueken^ tlieilis tDimslis<^eB Inhailts. Unter ^s^ sij»d her-
vorzuheben die Berichte der HHv. TJhury und. Wannei:
Über iftre fährerlosen Touren im BagRethal^ m welcbemi
sie- die- ßuinette', den Mont Blaue.' & Cheillon , däfit
PetBte deTEveque^ die Lneüite (liOellHte der WaUiaer-
EsowaMmekastie von IBßl) and den: Pleui^iif be--
496 Bedaction.
«tiegen haben, nnd die Schilderung Hrn. Martins einer
Winterfahrt im Wettersteingebirge (Krottenkopf, Zug-
spitze, Schachenalp). Arbeiten wissenschaftliehen In-
halts sind R. Guisan's werthvoUe Studie über den gegen-
wärtigen Stand der Wetterprognose (mit 10 Kärtchen
und 3 Tafeln), die Untersuchungen G. Beraneck's über
die Lage des alten Tauredunum, welches derselbe
nach Aux Evouettes zwischen Porte du Sex und Port
Yalais verlegt, und F. A. ForeFs über das eigenthüm-
liehe Schattenbild, das der Chamossaire am 14.September
1885 (Clubfest) bot, und J. Brun's vergleichende Studie
über norwegischen und alpinen Gebirgs- und Land-
«chaftscharakter. Von praktischem Werthe für Tou-
risten sind von dem tibrigen Inhalt namentlich H. Fer-
rand's Bericht über die „Refuges" und „Abris" des
Dauphin^ und £. de la Harpe's Itinerar der Umgebung
des Schwarzsee's. Außer den erwähnten Kärtchen sind
dem Bande beigegeben zwei sehr gelungene Phototypien '
von Brunner in Winterthur: Ruinette und Mont Blane
de Cheillon (nach einer Photographie von V. Bella), und
Nord-Cap, und eine Ansicht des Galenstocks vom Sidel-
liom aus nach einer Phot. von J. Beck in Straßburg.
Red.
Zeitschrift des Deutschen und Oesterreichischen
Alpenvereins. 1885.
Band XVI. Red. Th. Trautwein.
Mittheilungen des D. u. Oe. A. V. 1885.
Neue Folge Band I. Red. J. Emmer.
Die auf pag. 583 des Jahrbuches XX einirähnte
Aenderung der Publicationen des D. u. Oe. A. V. hat
sich im Jahre 1885 vollzogen. Die Zeitschrift ist
statt in drei Heften in einem Bande als Jahrbuch
erschienen, die Mittheilungen haben ihr Format ver-
^ößert und zählen, statt zehn, vierundzwanzig Nummern.
Literarisches, 497
Der Inhalt des Jahrbuches besteht vorwiegend aus
wissenschaftlichen Arbeiten, denen nur wenige tou-
ristische Artikel, wie Frau Hermine Tauscher's Ortler
Hber die Hinteren Wandln, Dr. Th. Petersen's Bilder
ans dem Kaunserthal, Dr. K. Schulz' erste Ersteigung
des Crozzon di Brenta und L. Purtscheller's Massiv
der Meije, beigegeben sind. Die Botanik ist durch die
Abhandlung über Ursprung und Geschichte der Alpen-
flora von Dr. A. Peter vertreten, welcher in Abweichung
von den Ansichten Grisebachs, Christs, Englers, Heers
^d Balls annimmt, die Flora der Alpen sei theils im
arktischen Gebiet, theils in dem großen, von West nach
Ost durch Europa und Asien verlaufenden Gebirgszug
entstanden, dem die Pyrenäen, die Alpen, der Kaukasus,
der Altai, der Himalayah etc. angehören, sei aber
ans beiden Gebieten durch die Eiszeit in tiefere Lagen
gedrängt worden, wo eine innige Mischung beider
Elemente stattgefunden habe; mit dem Zurückweichen
der Gletscher sei dann diese neue Mischflora einerseits
in den Norden, anderseits in die Gebirge zurück-
gewandert, während das dazwischen liegende Tiefland
von einer neuen Flora aus den umgebenden Gebieten
(welchen?) besiedelt worden sei. Der Gletscherkunde
sind vier Arbeiten der Herren Prof. Ed. Richter
(Die Gletscher der Oetzthalergruppe im Jahr 1883),
Dr. K. Diener (Studien an den Gletschern des
Schwarzensteinergrundes), F. Seeland (Studien am Pa-
sterzengletscher) und Dr. v. Frey (lieber die Schwan-
kungen der Gletscher und Seen) gewidmet; an diese
letztere Arbeit schließt sich dem Inhalte nach
I^. A. Geistbecks Abhandlung über die südbayrischen
^d nordtirolischen Seen an Volkswirthschaftlichen
Charakters sind die Aufsätze über die Aufgabe der
f'orstwirthschaft von M. Lizius und über die Ver-
banung des Wildbachs Gadria bei Laas im Vintschgau
von P. L. Hoffmann und im weiteren Sinne die Schil-
derung des Landes Berchtesgaden durch Dr. A. Penk
32
498 Bedaction,
und Dr. E. Richter, von denen der Erstere die Ober-
fl&chengestaltung des Ländchens und ihre Entstehung,
der Letztere den Zustand der Bevölkerung in seiner
Abhängigkeit von den Bodenverhältnissen und dem
Klima behandelt. C. Fruhwirth setzt seine Unter-
suchungen über Höhlen fort. Mit der alpinen Nomen'
clatur beschäftigen sich die Arbeiten von C. Gsaller,
A. Wessinger undL. v. Hohenbtlhl, mit Distanzenbestün-
mungen ein Aufsatz von L. Obermair. Dr. H. E. Oster
untersucht die Frage, welche der beiden Klausen, die
zusammen die sogen. Yeroneserklause bilden , Otto
V. Witteisbach 1155 umgangen und gestürmt habe,
und kommt nach Besichtigung des Terrains zu dem
Schlüsse, es müsse die obere Klause, die von Oeraino,
gewesen sein. Unseren Itinerarien verwandt ist die
interessante orographische und touristische Schildenmg
der Lechthaler-Alpen von A. Spichler.
Dem geschäftlichen Theile, der mit der alpineir
Bibliographie für 1885 den Schluß des stattlichen,
30 Bogen starken Bandes ausmacht, entnehmen wir,
daß die Section München zum Vorort für 1886—1888
bezeichnet und die HH. Prof. Dr. V. v. Zittel nnd
Forstrath Freiherr v. Bäsfeldt als I. und U. PräsideBt
gewählt wurden und daß die Betriebsrechnung von
1884 bei 51,515 Gulden öst. Währung Einnahmen
und 47,599 Gulden Ausgaben mit einem Activsaldo
von 3916 Gulden abschließt.
Die Ausstattung der Zeitschrift ist eine sehr sdiöne.
Außer einer Planskizze und 20 Textfiguren enthXlt
die Zeitschrift das Blatt IV der Karte der Berditoe-
gadeneralpen (Uebergossene Alm und Steinernes Meer)
im Maßstab 1 : 50,000 in Kurven (Bquidistanz 100«)
und Schraffen mit senkrechter Beleuchtung ausgefliluiy
eine Combination, welche trotz sorgfältigster Auaftthnuig
stellenweise das Kartenbild verworren und unleseriinA
macht, drei Panoramen (von Waltenberger, £. T. Gon^ton
und V. Siegl), vier kleinere Ansichten, unter denen der
Literarisches. 499
Lichtknpferdruck „Im Gepatsch" nach E. T. Compton
hervorzuheben ist j und ein Portrait A. Schaubach's,
des Verfassers der Deutschen Alpen, dem Dr. F. Ortlepp
eine biographische Skizze gewidmet hat.
Die Mittheilungen des Jahres 1885 bilden zu-
sammen einen stattlichen Quartband von 288 Seiten.
Der Inhalt gliedert sich in die Rubriken Artikel, unter
welchem bescheidenen Sammelnamen kurze, aber des-
halb nicht minder werthvolle Abhandlungen, Fahrt-
berichte , Biographien , literarische Besprechungen,
Erörterungen alpiner Streit- und Zeitfragen etc. be-
griffen sind, wissenschaftliche und touristische Mit-
theilungen, Weg- und Hflttenangelegenheiten, Führer-
wesen, Verkehr und Unterkunft, Personalnachrichten,
Verschiedenes, Literatur und Kunst, und endlich
Vereinsangelegenheiten. Bestimmt, den D. u. Oe. A. V.
jeweilen rasch von Allem zu unterrichten, was in
alpmen Kreisen vorgeht oder alpine Interessen berührt,
durch Austausch von Nachrichten aus den Sectionen,
deren der D. u. Oe. A. V. auf Ende 1885 120 mit
15,000 Mitgliedern zählte, das Gefühl der Zusammen-
gehörigkeit zu stärken und den Verkehr des Central-
ansschusses mit dem Verein zu vermitteln, bilden die
Hittheilungen eine nothwendige Ergänzung zur Zeit-
schrift, eine Ergänzung, wie sie auch unserem Jahr-
buehe zu Theil werden sollte und über kurz oder
lang zu Theil werden muß* Red.
Oesterreichische Alpenzeitung. Nr. 157—182.
Red. Jul. Menrer.
Der siebente Jahrgang der Oesterreichischen Alpen-
zeitung, der wie seine Vorgänger der Thätigkeit des
Oesterreichischen Alpenclubs hohe Ehre macht, ist
ein stattlicher Band von 314 Seiten mit einer allen
Bergfreunden willkommenen Beilage, dem wohlge-
500 Bedaction.
troffenen, in Kupfer-Radirung ausgeführten Portrait
des hochverdienten Präsidenten, Hm. Jul. Meurer's,
der durch Beschluß der VI. Plenarversammlung in
die eigenthtimliche Lage gebracht wurde, als Redactor
der Alpenzeitung in derselben sein eigenes Portrait
publiciren zu müssen. Die Bergfahrten, deren Schil-
derungen den größten Theil der Zeitung einnehmen,
bewegen sich meist im Gebiet der österreichischen
Alpen. Der Redactor bespricht die Riviera di Quar-
nero und den Monte Maggiore (Istrien), M. Fuchs die
Hochwildstelle in den Niederen Tauem, H. Köchlin
eine Winterfahrt auf die Bischofsmütze . im Dachstein-
gebirge und die Besteigung des Löffler in den Ziller-
thaler-Alpen, L. Friedmann diejenige des Piz Popena
(Dolomiten) vom Cristallpaß aus, Dr. Bruno und Fran
Rosa Wagner schildern ihre Hochtouren im Oetzthal-
und Ortlergebiet (Oelgrubenjoch und -Spitze, Hinter-
eisjoch, Weißkugel, Cevedale, Königsspitze), 0. Fischer
die Besteigung der Grohmannspitze in den Dolomiten,
H. Heß seine Gratwanderungen in den Haller-Mauem
bei Admont. In die Schweizeralpen führen uns die
Berichte Dr. 0. Zsigmondy's über die Besteigung äea
Monte Rosa von Macugnaga aus und Dr. E. Zsigmondy's
über die Traversirung des Matterhoms; Prof. L. Liechti
schildert eine Gewitteniacht am Aletschhorn, die in
einer Eishöhle circa 4000 M. über dem Meere zu-
gebracht wurde, und Hr. M. v. Kuffner die Ersteigung
des Piz Glüschaint über den Nordgrat. Auch aus
den Bergen der Antipoden ist ein Bericht eingelangt:
Hr. R. V. Lendenfeld hat in den Australischen Alpen
einen Berg entdeckt und bestiegen, der südlich von
dem Mont Kosciusko aufsteigt und diesen vermeintlich
höchsten Gipfel Australiens noch um circa 40' tiber-
ragt. Den Katastrophen am Reichenstein im Eims-
thal, durch welche der Oe. A. C. zwei junge viel-
versprechende Mitglieder verlor, und an der Meije,
an welcher Dr. Emil Zsigmondy, dieser eminente Berg-
l .
Literarisches, 501
Steiger und -Kenner und begeisterte Verehrer der
Alpenwelt, den Tod fand, siiid eingehende Berichte
gewidmet. Derjenige über die Katastrophe vom
6. August umfaßt ein kurzes Lebensbild Zsigmondy's
nebst einer Liste seiner bedeutendsten Bergtouren
von M. V. Kuffner, die Schilderung des Unglücksfalles
von dem schwergeprüften Bruder des Verunglückten,
einen Nachruf J. Meurer's, zwei Ansichten der Meije und
die Grabrede Prof. Kellerbauer's auf dem Friedhofe von
St-Christophe en Oisans.
Aus dem übrigen Inhalt des reichhaltigen und gedie-
genen Bandes erwähnen wir die Berichte über W. W. Gra-
ham's Reisen und Bergbesteigungen im Himalaya nach
dem Alpine Journal und den Proceedings der R. G. S.,
die Kontroverse über führerlose Hochtouren, in der
die HH. Heß und Prof. K. Schulz nicht die führer-
losen Touren an sich, wohl aber das von den Herren
Dr. A. Böhm und Dr. Lammer leichtfertiger Weise an-
gepriesene führerlose Alleingehen energisch bekämpfen,
und die Anlegung der Redaction zur Errichtung von
Wetterschutzhütten auf Hochgipfeln, eine Anregung,
die man allenfalls für einzelne vielbesuchte Punkte, wie
den Ortler, gelten lassen kann, die aber, allgemein
gehalten und auf Hochgipfel überhaupt ausgedehnt,
kaum mehr als einen Achtungserfolg für die damit be-
wiesene montane Menschenfreundlichkeit erzielen wird.
Den Rest des Bandes, dessen reichen Inhalt diese
summarische und unvollständige Aufzählung der wich-
tigsten Arbeiten keineswegs erschöpft hat, nehmen,
außer Clubcircularen und Vereinsnachrichten, zahl-
reiche literarische Besprechungen, Notizen über Führer-
und Hüttenwesen, Wegbauten und Verkehrsmittel und
itinerarartige Mittheilungen über Bergfahrten in An-
spruch, kleine, oft anscheinend unbedeutende Miscellen,
denen aber doch das nicht geringe Verdienst zukommt,
die Oest. Alpenzeitung zu einer der best- und schnellst-
unterrichteten aller alpinen Zeitschriften zu machen.
Red.
502 Medaction,
Oesterreichische Touristenzeitung. Wien 1885.
Red.: Ed. Graf.
Der Band V der Oesterreichischen Touristenzeitung
ist nach Inhalt, Ausstattung nnd Auflage ein erfreu-
lirAer Beweis von dem Wachsthum und Gedeihen des
österreichischen Touristenclubs, der im Jahre 1885
von 41 auf 52 Sectionen angewachsen und nächst
dem Deutschen und Oesterreichischen Alpenverein die
größte aller alpinen Gesellschaften ist. Der Inhalt
besteht, abgesehen von kleineren Notizen aus den
Gebieten der Naturkunde und speciell der Höhlen-
kunde, Besprechungen der alpinen Literatur und Kunst
und einer reichhaltigen alpinen Chronik, aus 57 größeren
und kleineren Arbeiten, von denen die Mehrzahl Fahrt-
berichte und Schilderungen von Land und Leuten aus
den Oesterreichischen Alpen vom Rhätikon bis nach
Groatien hinaus sind. Die Ausstattung ist gut nnd
weist 39 Textillustrationen, meist sehr gelungene An-
sichten charakteristischer Landschaften, auf, dazu ein
in Kontouren ausgeföhrtes Hemiorama vom Hohen
üntersberg bei Pemitz (Niederösterreich) und zwei
Panoramen vom Tamischbachthurm in der Buchstein-
gruppe und von der Cema Ferst in der Wocbein
(Julische Alpen). Die starke Auflage, die schon An-
fang 1885 9000 betrug, Anfang 1886 auf 10,000
gestiegen war und jetzt 11,000 beträgt, beweist, wie
viel Boden die Oesterreichische Touristenzeitung ge-
wonnen hat und wie kräftig der Verein aufblüht, dessen
Organ sie ist. Beiden wünschen wir auch für die
Zukunft bestes Gedeihen. Red.
Societä degli Alpinisti Tridentini. XI« Annuario.
Red. Dr. C. Boni.
Das Jahrbuch der S. A.T. hat mit seinem 11. Bande
ein neues, stattlicheres Gewand angezogen. Statt im
Literarisches, 503
Format unseres Jahrbuches erscheint es nun in dem-
jenigen des „Echo des Alpes". Der Inhalt ist aber
durch diese Veränderung nicht berührt worden. Nach
wie vor besteht er aus der Vereinschronik, dem
Führer- und dem Mitgliederverzeichniß, Miscellen und
bibliographischen Besprechungen und dem Hauptab-
schnitt ^Studi^ ascensioni ed escursioni", der einen
Bericht über die 12. Jahresversammlung der S. A. T.
in Pieve di Ledro von Dr. Ricabona, eine Schilderung
des Clubausflugs auf den Passo dei Topeti di Lares
imd zu der Lareshütte von Dr. Gambillo, und eine
solche der ersten Besteigung des Crozzone di Brenta
von R. Thaler enthält. Neben diesen Fest- und Fahrt-
berichten — schade, daß der letzteren nicht mehr
sind! — ßnden wir ein Itinerar des Val 8. Primiero
und des Canal S. Bovo von Dr. Fratini, einen Aufsatz
über die Nomenclatur der Fassaner-Alpen mit Itinerar-
Notizen von den HH. Dr. Gambillo, Dr. Candelpergher
und A. Tambosi und endlich eine Reihe von Studien
über die Fischerei, die Jagd, die alpine Flora, die
nutzbaren Mineralien, die Sitten und Gebräuche und
die Sagen des Trentino. Die S. A. T. fährt also fort,
ihre Thätigkeit ausschließlich den Bergen des Süd-
tirols zuzuwenden, dafür aber dieses eng begrenzte
Arbeitsfeld um so intensiver zu kultiviren. Von den
7 Illustrationen etc., die dem sehr empfehlenswerthen
Annuario beigegeben sind, erwähnen wir die werth-
voUen Beiträge Dr. Gambillo's, namentlich das Pano-
rama und die Kartenskizze der Rosengartengruppe.
Dem geschäftlichen Theile entnehmen wir, daß die
8. A. T. 11 Ehrenmitglieder und 800 Activmitglieder
zählt, unter dem Präsidium des Hrn. Antonio Tambosi
in Trient steht und vier Hütten an der Tosa, dem
Cevedale und dem Laresgletscher und an der Presa-
nella (im Bau) besitzt. Red,
504 Medaetion.
Alpine Journal. Vol. XII, Nr. 87—90.
Edit. : W. A. B. Coolidge.
Von den Arbeiten touristischen Inhalts, die im
Jahr 1885 einen kleineren Theil des Alpine Journal
in Anspruch nehmen, als sonst, berührt nur der Be-
richt Mr. J. Stafford Anderson's über seine im Jahr-
buch XX, pag. 449 und 451, erwähnten Besteigungen
des Eigers und des Zermatter-Breithoms das eigent-
liche Gebiet der Schweizer Alpen. Mr. D. W. Fresh-
field setzt seine ansprechenden Schilderungen aus ab-
gelegenen Winkeln Savoyens fort und empfiehlt alff
interessante, noch nicht vom- Touristenstrome tiber-
fluthete Chamonixwege die Routen Albertville-Haute
Luce-Contamines mit dem Abstecher über den Mont
Joli, Albertville-Flumet-Megfeve- St. Gervais, Annecy-
Thones-Col d'Aravis-Flumet und Cluses-Pointe-Perc6e-
Sallanches - Pointe de Collonex - Servoz.
Mr. Coolidge bespricht die Besteigung der Meije
von La Grave aus und knüpft daran eine Darlegung
und Erörterung des Unglücksfalles vom 6. Aug. 1885,
dein Dr. Emil Zsigmondy zum Opfer gefallen ist.
Hr. Moritz v. D6chy schildert die erste Besteigung des^
Adai Choch (Kaukasus) und Mr. D. W. Freshfield schließt
an diesen Bericht eine Abwehr der übelbegründeten
Angriffe, welche die Zuverlässigkeit der Angaben eng-
lischer Kaukasusfahrer von russischer Seite erfahren
hat. Aus dem übrigen Inhalte erwähnen wir die Arbeit
des Präsidenten des A. G., Mr. F. C. Grove, über die
Diät des Bergsteigers, welche zu dem tröstlichen-
Schlüsse gelangt, ein Jeder solle essen, was ihm am
besten zusage, der Aufsatz Clinton Dent's über Führer-
dilettanten und Berufsführer, die sehr beherzigens-
werthe Anregung und Anleitung Mr. H. G. Wilink's-
zum Zeichnen alpiner Skizzen, Mr. W. W. Conway's
Auszug aus den Autobiographien Thomas und Felix
Platter's, Mr. H. F. Tuckett's eingehende Besprechung
Literarisches. 505»
des Handbuchs der Gletscherkunde von Prof. A. Heim
und Mr. W. E. Green's Bericht über v. Lendenfeld's
Forschungsreisen in den Stidalpen Neu-8eelands. Von
Beilagen finden wir eine Kartenskizze der Gegend
zwischen Annecy, Albertville und Chamonix, ein präch-
tiges Gletscherbild (Cejaglet scher, Kaukasus) in Licht-
druck, eine Ansicht der Schneekette des Adai Chocb
nach D. W. Freshfield und mehrere Illustrationen zu.
Wilink^s „Alpine Sketching". Red.
Annuaire du Club Alpin Frangais 1884.
(Paris 1885.)
Der Club Alpin Fran9ai8 zählte zur Zeit der Publi-
cation seines Jahrbuches 37 Sectionen, von denen
fünf in Algerien und Tunis liegen, mit 5299 Mit-
gliedern, und steht unter der Leitung eines Central-
comite's, dessen Sitz Paris ist und an dessen Spitze
die HH. Daubree als Ehrenpräsident und Xavier Blanc^
als Präsident stehen. Seine Organe sind das Annuaire
du C. A. F. und das Bulletin mensuel, das den Mit-
theilungen des D. u. Oe. A. V. oder der Rivista mensile
des C. A. I. entspricht. Außerdem publiciren mehrere
Sectionen besondere, meist vierteljährliche Bulletins^
Der uns vorliegende 11. Jahrgang des Annuaire ist
ein reich ausgestatteter Band von 594 Seiten mit
1 Kärtchen (Umgebung des Domjochs) und 47 Illu-
strationen, unter denen die interessanten Skizzen aus den«
Felslabyrinthen des Causse noir und von Montpellier
le Vieux, das Panorama des Vignemalegletschers und
die in Farbendruck ausgeführte Ansicht des Felscircus.
von Cotatuero in den östlichen Pyrenäen hervorzu-
heben sind. Von den 14 Fahrtberichten, die unter
dem Titel „Courses et ascensions" die erste Rubrik des
Bandes ausmachen, führen uns vier in die französischen
Alpen. M. Pierre Puiseux schildert seine neuen Berg-
(iOß Bedctction,
fahrten in Savoyen (Pointe de TEchelle, Pointe Renod,
Pointe de Crenx noir etc.), M. H. Duhamel seinen
Weg von Vallouise nach Ghamonix über den Gel de
TAile froide, den Pic de FEtendard und den Pic central
de Belledonne und knüpft an den Bericht über seine
Besteigung des Montblanc einige scharfe Bemerkungen
über die Arroganz und Unzulänglichkeit der Ghamonix-
führer, die über die steigende Konkurrenz der schwei-
zerischen, italienischen und selbst der Dauphinefilhrer
erbost sind, aber ihrerseits stupid und träge im alten
Schlendrian verharren. M. Gambiez beschreibt einen
Ausflug auf den Gasque de N6ron bei Grenoble und
M. Paul Engelbach seine Kreuz- und Querfahrten in
•den Alpen von Oisans (Pointe de Loranoure, Aiguille
du Plat, Barre des Ecrins, les Bans etc.). Drei Berg-
fahrten bewegen sich im Gebiet der Walliseralpen :
MM. Picard und Vignon erstatten Bericht über ihre
üeberschreitung des Domjochs, M. L. Wiart über
Touren in der Umgegend von Ghamonix und Zermatt
(Dent du G6ant, Grand Gombin, High-Levelroute von
Mauvoisin nach Zermatt, Matterhom, Weißhom, Monte
Kosa und Zinalrothhom) und M. Bauron über die Be-
steigung der Pigne d'AroUa. Unter den vier Berichten
aus den Pyrenäen der HH. Graf H. Rüssel, E. Walion,
B. de Bouill6 und E. Rochat machen wir besonders
a>uf den letzteren aufmerksam, der zeigt, daß es selbst
für einen Franzosen und Mitglied des G. A. F. nicht
gerathen ist, sich mit Gletscherpickel und Photographie-
apparat in den französischen Ostpyrenäen herumzu-
treiben, sintemal beide Instrumente bei pfiffigen Gens-
darmen und Festungskommandanten nach dem Typus
Ramollot als staatsgefährlich gelten und ihren Besitzer,
wie es Hrn. Rochat passirt ist, zu Handschellen, in's Ge-
fängniß und auf den Schub bringen können. In die
Gevennen und zwar in die Gannons und Felslabyrinthe
des Gausse Noir und von Montpellier le Vieui führt uns
M. £. A. Martel, dessen Bericht einer der interessan-
Literariaches. 607
testen des Annuaire ist; auf den Elbrus (Kaukasus)
Hr. M. Dechy und zum Nord-Kap Mr. Ch. Grad. Unter
den sieben Arbeiten der Rubrik „Science et arts" wird
die erste, eine Abhandlung über die Entstehung der
€tebirge von M. Alexandre Vezian, Aufsehen und Wider-
spruch erregen. Hr. Vezian, ein Plutonist der alten
Schule, verwirft nämlich entschieden die Theorie der
Orogenese durch Faltung der Erdrinde in Folge all-
mäliger Abkühlung der Erdkugel, und schreibt viel-
mehr die Ursache der Gebirgsbildung dem Stoß des
bewegten flüssigen Erdinnems gegen die erstarrte Ober-
fläche zu. Kleinere Mittheilungen meist montanistischer
Art, unter denen wir sogar eine erste Besteigung, die-
jenige des Bec d'Arguille bei AUevard, finden, bilden
mit der Chronik des C. A. F. den Schluß des reich-
haltigen Bandes. Red.
Die alpine Literatur des Jahres 1885.
ZusammengesteUt von A. Francke (Section Bern).
Die Preise rerstehen sich in Franken nnd Centimes.
I. Bücher nnd Zeitschriften.
1 Periodisch« Literatur der Gebirgsverelne.
Alpenzeitung, Oesterr eichische. Organ des öster-
reichischen Alpenclub. Red. v. J. Meurer. 1885.
26 Nrn. Wien 10. 70
— Schweizer. Red. v. H. Lavater. 1885. 24 Nrn.
Zürich . . . . . . .5. —
Zur gefälligen Beachtung. Wiederlwlt machen wir
alle Selbstverleger, insonderheit die Gebirgsvereine und iivt'e
SectUmen, darauf anfmerksam, daß für Aufnahme ihrer Publi-
kationen in dieses Yerzeichniß nur dann gesorgt werden
kann, wenn sie selbst durch Vermittelang einer Buchhandlung
die Aufführung ihrer Artikel in den Katalogen der Hin-
richs^schen Buchhandlung in Leipzig veranlassen. Diese
Ö08 A. Francke,
Alpine Journal, ed. by W. A. B. Coolidge. Vol. XII.
Nr. 87—90. London. Per Nr. . . 2. —
Appalachia, Organ des Appalachian Mountain Club.
Vol. IV. Boston.
Altvater. Organ des mähr.-schles. Sudeten-Gebirgs-
vereins Red. v. A. Kettner. 1885. 12 Nm.
Freiwaldau . . . . . .4. —
AnnuaHo XI della Societä degli Alpinist! Tridentini.
1884/85. Roveredo, (454 S., 7 Illustrationen,
Kartenskizzen und Tafeln.)
Annnaire du Club alpin frangais, Onzi^me ann^.
1884. (XII, 504 8. 1 Karte, 2 Farbendrucke,
46 Illustrationen.) Paris . . .20. —
Annuaire de la Societe des touristes du Dauphine*
Nr. 10 (1884). Grenoble. (218 S.)
Bollettino del Club Alphio Italiano, Nr 51. Anno
1884. Vol. XVm. Torino.
höchst einfache, kostenlose Procedur hat zur Folge, daß die
betreffenden Titel und die Bezugsquelle auch nach Jahren
leicht zu finden sind, während andererseits Bücher, die nicht
in den Katalogen stehen, schnell vom Markte Terschwinden.
Besonders bei vielen Gebirgsvereinen scheint in dieser Be-
ziehung eine nicht zu rechtfertigende Gleichgültigkeit zn
herrschen, — die Mühe, welche es gekostet hat, obige Rubrik
„Periodische Literatur der Gebirgsvereine** auch nur an-
nähernd vollständig zusammenzusuchen, legt davon ZengniS
ab ! — und möchten wir doch zu bedenken geben, daß durch
Kataloge die Kenntniß von ihren Publikationen in weite
Kreise getragen wird und nur durch Kataloge es dem Ge-
lehrten wie dem Laien ermöglicht wird, einen Ueberblick
über die ihn interessirende Literatur zu erlangen. Fran-
zösische und italienische Erscheinunpen, soweit sie nicht in
Deutschland, Oesterreich oder der deutschen Schweiz heraus-
gekommen sind, finden allerdings bei Hinrichs keine Berück-
sichtigung. Für diese dürfte es sich empfehlen, dem Unter-
zeichneten per Postkarte Titel, Zahl der Seiten, Karten und
Illustrationen, den Verleger und den Preis mitzutheiJen. Die
Aufnahme wird dann in die nächste alpine Bibliographie
erfolgen.
A, Francke, d. Z. Sekretär der Seetion Bern des S. A. C
Die alpine Literatur des Jahres 1885, 509
Bulletin mensuel du Club Alpin Frangais, 12 Nrs.
Paris.
— du Club Alpin Beige. Tome premier. 1883—1886.
8 Nrn. Bruxelles (nicht im Buchhandel).
Butleti mensual de la Associacio d'escursions catalana.
Chronaca della Societä Alpina Friulana. Anni III &
IV. üdine.
Echo des Alpes, Publication des sections romandes
du C. A. S. 21« annöe. N« 1—4. Genöve. (VUI,
334, 3 illustr.) 4. —
Gluckauf, Organ des Erzgebirgsvereins. Red. v.
Dr. Köhler und H. Möckel. 1885. 12 Nrn.
Schneeberg 2. 70
Indice generale dei 50 primi numeri del Bolle-
tino C, A. I. da Luigi Vaccarone, Torino.
Jahrbuch des Schweizer Alpenclub. XX. Jahrgang.
1884/85. Red. v. A. Wäber. (VIII, 648 8. m.
Illustrationen, Fan. und Karten.) Bern . 12. —
— des siebenbürgischen ^arpathenvereins. 1885.
Mit 2 Abbildungen. (III, 289 S.) Hermannstadt
5. 35
— des ungarischen Karpathenvereins. XII. 1885.
(281 8.) Iglo.
Jahresbericht des steirischen Gebirgsvereins. XII.
1884. Graz.
Mittheilungen des deutschen und Österreichischei^
Alpenvereins. Red. v. J. Emmer. 1885. 24 Nrn.
Salzburg, München . . . . 5. 35
— des deutschen Gebirgsvereins für das Jeschken-
und Isergebirge. Red. v. F. Maschek. 1885.
4 Nrn. Reichenberg . . . .4. —
— des nordböhm. Excursionsclub. Red. v. A. Paudler
und J. Münzberger. 1885. Böhm.-Leipa 3. 35
— der Section für Höhlenkunde des Oe. T. C.
4. Jahrgang. 4 Nrn. Wien.
Rameau de sapin^ le. Organe du Club jurassien.
1885. Neuchätel. Par an . . . 2. 50
$10 A. Framke.
Rivista mensile (del C. A. L/. 12 Nrs* Tormo 12. —
Tourütj Der. Organ für Touristik, Alpen- und
Naturkunde. Hrsg, vou W.Jäger. 1885, 24 Nrn.
Wien 13. 35
Touristenzeitung, OeBterreiebiBcbe. Hrsg. vom öster-
reiehifichen Touristenclub. Hed. v. E. Graf und
A. Silberhuber. 1885. 24 Nrn. Wien 10, 70
Ueber Berg und TkaL Organ des Gebirgsvereina
für die sächsisch-böhm. Schweiz. Red. v, F. Theile.
1885. 12 Nrn. Dresden . . . 2. 70
Zeitschrift des deutschen und östery, Alpenvereina.
Bed. V. Th. Trautwein. 1884. H. 3. (Vm und
S. 407—566 m. Taf.) Salzburg, Münctoa 5. 35-
Z' ReisQbandbDcher. Touristik. Hotelwesen.
Auf der rechtsseitig«« Thunerseestraße von. Thon
nach InterUkeja und Touristenpfade abseits der
Heerstraße. Ul. (106^ S.) Bern . . 1. 25.
Bädekerf E. Mittel- und Norddeui»chlaod. Mit
36 Kt., 42 PI. und mehr. Grundr. 21. Aufl.
(XXX, 510 S.) Leipzig. Geb. • . 9. 3^
— Schweden und Norwegen. Mit 12. PI. uad 25 Kt
3. Aufl, (XC, 425 und 40 S.) Leipzig. G^b.
12. —
-^ dasselbe englisch* 3« Aufl. Leipzig. Geb. 12. —
^ die Schweiz nebst den angrenzenden Th^lea von
Oberitalien, Savoyen und Tirol. 21. Aufl. Mit
35 Kt, 9 PI. und 9 Pan, (XXVm, 472 8.) Leip^
zig. Gebp. .. . .. . . • 9. 35
— dasselbe französisch. 15v Aufl. Leipzig. Geb.
9, 35
-^ dasselbe engJiwjb. 11. Auflage. Leipzig. Geb.
9. 35
Bielz, E. A., Siebenbtbrgen. Handbuch fiir Baisende.
2. Aufl. Mit 1 Kt. usd Plänen. (VtH, 415 &)
Wien. Geh 6. 70
Die alpine Literatur des Jahres 1885. 611
Bodensee, der, und seine Umgebungen. 3. Aufl. m»
1 Kt. und Ktchn. (VIII, 200 S.) Lindau. Cart.
2. 70
Brosoni, £.' Guida alle montagne comasche e adia-
cenze del Lage Maggiore e di Lugano. 111. con
carte e schizzi. (XX, 212 p.) Melegnano.
DebrigeSf E. Les Alpes du Dauphin^. (47 p. avec
20 ill.) Paris ~. 75
Eben, H. Kl. Schwarzwaldftihrer. Mit 2 Karten.
2. Aufl. (VI, 98 S.) Tübingen. Cart. 2. 15
Erdmann, R,y u. R. Illemann, Führer durch den
Deister, Osterwald und Saupark. (IV, 31 S. m.
Kärtchen.) Hannover . . . .1. —
Europe, Illustrated, siehe Wanderbilder, Europäische^
L'Europe illustree, siehe Wanderbilder, Europäische.
Feuerstein, F. C, Der Kurort Gmunden u. s. Um-
gebung. Mit 1 Karte. 6. Auflage. (X, 100 S.)
Gmunden 1. 90
Fischer, D. Bad Veiten am Wörthersee. Klimat. Kur-
und Badeort in Kärnten. (10 8.) Wien . — . 80
Formentini, J. Führer im klimat. Kurort Görz und
Umgeb. M. 1 Karte. (94 S.) . . 1. 60
Fremdenbesuch, der, in Kärnten. (98 8.) Klagenfurt,,
cart 2. 7a
Frey, B. Führer von Wien nach Genf, (XI, 867 8»
Mit Ansichten, Plänen u. Karten.) Weinfelden^
geb . 3. 5a
Fricke, W, Der Teutoburgerwald u» ä. Wesergebirge.
3. Aufl. M. 1 Ansicht u. 1 Karte. (IV, 144 8.)
Bielefeld, cart 1. 9a
Führer, 111., im österr. Alpengebiet Mit 130 lUustr.
u. 13 Karten. (XX, 323 8.) Wien, geb. 4. 8a
— im Bober -Katzbachgebirge, verfaßt v. d. 8ection
3ch(5nau des Riesengebirgsvereins. Mit 1 Karte.
2. Aufl. (VI, 49 8.) Warmbrunn . . --. 7a
-^ Kl. , durch das GerichtsbezLrk Feldkirdien ia
Kärnten. (29 8.) Klagenfurt . . — . 4a
512 A, Francke.
Führer, durch Schwarzburg und Umgebung, der Perle
Thüringens. (18 S.) Rudolstadt . . — . 70
— IlL, auf den Linien der k. k. österr. Staatsbahnen
südl. der Donau (Alpenbahnen). 2. Aufl. v. H.Noe.
M. Illustrationen, Karten und Plänen. (V, 212 S.)
Wien ". 2. 70
— 111., durch d. Rheinlande, nebst Bergstraße, Oden-
wald und Taunus. M. Rheinpanorama. (IV, 73 S.
Mit 7 Stahlst.) Leipzig, geb. . . 2. 70
— prakt., durch die Rheinlande, nebst Bergstraße,
Odenwald u. Taunus. M. Rheinpanorama. 6. Aufl.
(IV, 73 S.) Leipzig . . . . 1. 70
— dasselbe französisch . . . . 2. —
— für die Erzgebirgsbahn Freiberg-Klostergrab. Mit
1 Karte. Freiberg. . . . . 1. 70
'Gmwiden, der Kurort, u. seine Umgebung. M. 1 An-
sicht und 1 Plan. (45 S.) Gmunden . 1. 60
{jroldwurmy C. Das Mineralbad Roncegno in Südtirol.
Mit 1 Karte. (IV, 60 S.) Wien . . 2. 15
Grieben'^ Reisebibliothek, Band 16. F. Ohnesorge,
Die sächsische Schweiz. 13. Aufl. Mit 1 Karte.
(IV, 95 S.) Berlin . . . . 1. 35
Gsell-Fels, Th. Die Bäder und klimatischen Kurorte
der Schweiz. Mit 1 Bäderkarte. 2. Auflage. (XX,
615 S.) Zürich, geh 12. 50
Gühmann, A. Der Zobten. Beitrag zur Kenntniß der
Heimat und Führer nach d. Berge. (VIII, 87 S.)
Zobten am Berge .... — . 70
Ouyer, E. Das Hotelwesen der Gegenwart. Mit 73
Plänen. 2. Aufl. Zürich, geb. . . 18. —
Hartmann, A. Solothum. Schweizerisches Wanderbild.
(56 S. mit 25 Illustr.) Solothurn . . _. 60
Hoisely J. Der landschaftl. Kurort Rohitsch-Sanerbnum
in Steiermark. 3. Aufl. Mit 1 Karte. (V, 74 S.)
Wien . 2. 70
Ischl und seine Umgebungen. Unter Berücksichtigung
des ganzen Salzkammerguts. Mit Ansichten, Plänen
und Karte. 7. Aufl. (135 S.) Gmunden 2. 70
Die alpine Literatur des Jahres 1885. 513
Kirsch, A. Kl. Informationsbibliothek. Nr. 1. 6 Tage
im Rieseogebirge. (18 S.) 2. 5 Tage in der säch-
Bischen Schweiz u. Dresden. (19 S.) 3. 12 — 14 Tage
am Rhein. (32 8.) Cottbus, k . . — . 35
Koch V. Berneck, M. Die Arlbergbabn, ihre üm-
gebungen und Znfahrtslinien. Mit Abbildungen,
Plänen u. Karten. 2. Aufl. (III, 162 S.) Zürich,
cart 2. 50
— Schweiz, Chamonix, Veltlin, italienische See'n und
Mailand. 5. Ausgabe v. Beriepsch' Schweiz. Mit
10 Karten, 8 Plänen u. vielen Pan. (XII, XXXII,
472 S.) Zürich, geh 7. 50
Köhler, R. Die Touristenvereine d. Gegenwart. Vor-
trag. (11 u. 16 8.) Eisenach . . — .70
V. Kostelletzky, V. Mit der Südbahn. Führer durch
die steir., Krainer-, Kärntner- und Tiroler-Alpen.
(69 8.) Wien 2. 70
Langheinz, C. u. G. Schwab. Prakt. Winke über
Ausrüstung, Verpflegung u. das Wandern i. Hoch-
gebirge. (14 8.) Darmstadt . . . — . 40
de Massarellos, F. G. Das Bad Levico in Südtirol
und seine Mineralquellen. Wegweiser für Leidende
und Freunde alpiner Naturschönheiten. 2. Aufl.
Mit Illustrationen. (48 8.) München . 1. 60
MeureTj J, Führer durch die Dolomiten. 4. Auflage.
(Vn, 228 8. M. 2 Kart.) Augsburg, geb. 5. 35
— Illustr. Führer durch Westtirol und Vorarlberg.
Mit 62 Illustrat. und 6 Karten. (XVI, 288 8.)
Wien, geb 7. 20
Meyer's Reisebücher. Italien in 60 Tagen von Gsell-
Fels. 3. Aufl. 2 Bde. (XH, 459 u. VI, 465 8.
M. 14 Karten u. 25 Plänen.) Leipzig, geb. 13. 35
— Thüringen v. Anding und Radefeld. 8. Auflage.
(X, 242 8. Mit 12 Karten.) Leipzig, cart. 2. 70
Paterson. Guide to Switzerland. With maps and
plans. London . . . . . 1. 50
Payot, V. Guide au Mont-Blanc et dans les vall^es
33
514 4. Frcmcke.
entre las deox St-Bernard et le Lac de Genöye.
(240 p.) Gen^ve 3. 50
PitrOy F, Innsl^rack und seine nächste Umgebung.
M. 1 Plan u. 1 Karte. (59 S.) Innsbruck — . 80
Plantf F. Neuer Führer durch Meran und desseir
Umgebung. Mit 1 Karte und 1 Plan. 4. Aufl.
(XXII, 236 8.) Heran, geb. , . . 3. 20
Rahl, J. Illustr. Führer durch Steiermark und Krain.
Mit 50 Dlustrationeu u. 2 Karten, (XXX, 285 S.)
Wien, geh 4. 80
Reimann, W, Führer durch Waidenburg und das
ganze Waldenburger Gebirge. 3. u. 4. Auflage.
(120 8.) Schweidnitz . . . . — . 70
Heitzenstein, R, M. Der Eibsee bei Partenkirchen^
Mit 1 Karte ^nd 2 Ansichten. (20 8.) München
1. —
SchatzmeyeTy E. Per klimatische Kurort 6to und
seine Umgebung. Mit 1 Karte. (VII, 103 S.)
Wien ....... 2. 15
Schneider, J. Führer durch die Rhön. Mit 3 Karten»
3i. Aufl. (X, 199 8.) Wtirzburg, cart. . 3. 50
Statuten desi n^iähri^ch-schlesischen Sudeten-Gehirgs-
veyeins. (16, 8.) Freiwaldau . . . — . 40
Steiger, C Kurort Montreux. 3. Aufl. (16ft 8.) Zürich
2, 50
StoUe's Ff^er yo9 Harzbujrg und Umgegend. Mit
% Ansicht und 1 Plan. (51 u. VU, 112 8.) ULm-
bürg i. 70
Taunusführer, Mit 1 Karte, 2 Plänen und 1 Tafel
Ansichten, l^erausgegeben vom Taunusclub. (78 &)
Frankfurt a/M., ^art 8. 70
Toxirenver%mchafiiß und Touristenführer fUr die Ost-
Karawanken und 8annthaler- Alpen, berauagegeben
von der 8ectipn Eisenkappel des Oester. TouriBten-
Clubs, 2. Aufl. (6 8.) Eisenkawxel . — . 70
Touristenführer, Herausg. v. Oesterr. Tourisleiiclab.
Wieu. Heft 1. J. Ziegler , Führer auf der Linie
Die alpine Literatur des Jahres 1885. 615
Leobersdorf'Gntenstein. 2. Aufl. (55 S.) 1. 60. —
Heft 4. /. Rahl. Das Traisenthal und Pielachthal.
2. Abth. (103 S.) 2. — . Heft 7. C. Fruhwirth.
Führer auf d. Dürrenstein u. in d. Sommerfrischen
Lunz, Göstling u. Gambg. Mit 1 111. (VKI, 52 S.)
1. 60. — Hefk 8. L. Märzroth, Die Eisenbahn
Wien-Aspang und ihre Gebirgsumgebung. 2. Aufl.
Mit 8 Hl. (X, 72 S.) 2, — . Heft 9. X RahL
Zwettl u. d. Kampthal m. s. Umgeb. Mit 6 Hl.
(X, 85 8.) 2. — . Heft 18. C. Fruhwirth. Maria-
zeil, seine Umgebung u. Zngangsrouten. Mit 6 111.
(60 8.) 2. 40. — Heft 19. Innsbruck, seine Um-
gebung u. angrenzenden Berge. (32 8. mit 1 111.
und 1 Plan.) Innsbruck — . 80.
Trautweifif Th. Das Kaisergebirge in Tirol. Für
Einheimische und Fremde geschildert. Mit 1 Karte.
(64 8.) Kufstein . . . . 1. 75.
— Stidbayem, Tirol u. Salzburg, Oesterreich, Steier-
mark, Kärnten etc. 7. Auflage. Mit 12 Karten.
(XXVI, 419 8.) Augsburg. Gebunden . 6. 70
V. Tschudi, J, Der Tourist in der Schweiz u. dem
angrenzenden Süddeutsehland, Oberitalien u. Sa-
Yoyen. 27. Auflage. Mit vielen Karten, Profilen
und Plänen. (LXXXVIII, 660 8.) St Gallen.
Gebunden 12. 80
lieber Touristenreisen. Praktische Rathschläge von
einem Wanderer. (58 8.) Leipzig . . — .70
Verzeichniss der autorisirten Führer in den deutschen
und (Jsterr. Alpen. Herausg. von d. Sect. Berlin
des Deutschen und Oester. Alpenv. (VI, 18 8.)
Berlin —.70
Verzeichniss der Sommeraufenthalts-Orte in Kärnten.
2. Aufl. (24 8.) Klagenfurt . . — . 80
Waltenherger, A. Algäu, Vorarlberg und Westtirol
nebst den angrenzenden Gebieten der Schweiz.
5. Aufl. Mit 5 Karten. (XII, 171 8.) Augsburg.
Gebunden 4. —
Ö16 A. Francke,
Wanderhilder, Europäische. Nr. 81, 82. F. 0. Wolf.
Wallis und Chamo oix. Von der Furka bis Brieg.
Mit 16 Illustrationen und 2 Karten. (60 Seiten.)
89 — 91. /. Hardmeyer. Locamo u. s. Thäler.
Mit 58 Illustrationen und 2 Karten. (104 S.)
94, 95. F, 0. Wolf. Wallis und Chamonix.
2. Heft. Brieg u. d. Simplen. Mit 16 111. u. 1 Kte.
(S. 61—120.) 96—98. E. JBu.ss. Glameriand
und Walensee. Mit 57 111. u. 2 Kt. (119 S.)
Zürich, ä —.50
Wanderhuch, Neuestes, f. d. Riesengebirge. Mit Ab-
bildungen u. 1 Kt. 7. Aufl. Herausgegeben vom
Riesengebirgsv. (VI, 138 S.) Warmbrunn 1. 35
Wer} weiser in die Sudeten. Herausgegeben von der
Section Brunn des mähr.-schles. Sudeten-Gebirgs-
Vereins. (VI, 22 S. mit 1 Kt.) Brtinn . — . 80
WoerVs Reisehandbücher. Führer durch Ischl u. Um-
gebung. Mit 1 Plan, Illustrationen und 2 Karten.
(16 S.) Würzburg . . . . — . 70
— Führer durch Steyr und Umgebung. Mit 1 Plan
u. 2 Kt. 2. Aufl. (16 S.) Würzburg — . 70
— Führer durch Pörtschach am See in Kärnten und
Umgebung. Mit Plänen und Illustrationen. 2. Aufl.
(22 S.) Würzburg . . . — . 70
— Die Rheinlande und die anstoßenden Gebiete vom
Bodensee bis zur holländischen Grenze. Mit 1 Pan.,
30 Kt., 18 PI. u. 4 Grundr. 2. Aufl. (XV, 448 8.)
Würzburg. Geb. . . . . 8. —
Zsigmondy, E, Die Gefahren der Alpen. Praktische
Winke für Bergsteiger. Mit Hl. (X, 214 S.)
Leipzig . . . . . . 5. 35
Zug, ülustrirter Führer durch Zug, Stadt n. Kanton.
Herausgegeben von F. Kaiser. Mit 1 Karte.
Zürich ...... — . 50
Zürichsee, Der. (20 S. mit Holzschn. u. 1 Karte.)
Zürich ...... — . 55
Zwickh, N, Führer durch die Oetzthaler-Alpen nebst
Die alpine Literatur des Jahres 1885. 517
den Eintrittsronten dahin. Mit e. Anhang^ die
Arlbergbahn enthaltend. Mit 3 Karten u. 3 Pan.
(VIII, 227 8.) Gera. Gebunden . . 5. 35
3. Naturwissenschaftliches.
Botanik, Zoologe, Mineralogie, Geologie, Geognosie, physik.
Geographie, Gletscherkunde, Meteorologie etc.
Beiträge zur geologischen Karte der Schweiz, heraus-
gegeben von der geologischen Commission der
Schweiz, naturf. Gesellschaft. Lfg. 18. V. Gillieron,
Description g6ologique des territoires de Vaud,
Fribourg et Beme (feuille XII). (VIII, 532 S. mit
Atl. u. Blatt XII.) Bern . . . 40. —
— Dasselbe. Bl. XIV zu Lfg. 25 u. Bl. XVIII zu
Lfg. 21 gehörig. Bern, k . . .15. —
Blaas, J. lieber die Glacialformation im Innthale. I.
(120 S. mit 2 Taf.) Innsbruck . . 2. 70
Böhm, G. lieber sUdalpine Kreideablagerungen. (5 S.)
Berlin . . . . . . . — . 30
Bouvievy L. Flore des alpes de la Suisse et de la
Savoie. 2« 6d. Gen6ve . . .12. —
Duftschmidf J, Flora von Oberösterreich. 4. Band.
(346 8.) Linz 8. 55
Favre, E. Revue g^ologique suisse pour Fannie 1884.
XV. Genfeve 2. 50
Forel. F. 0. Les tremblements de terre 6tudi6s par
la Commission sismologique suisse, 1882 et 1883.
3« rapport. (20 p. et 1 pl.) Genöve . 1. —
Fuchs, C. W. C, Aus der Umgebung von Meran.
Studien über Geologie, Klima und Pflanzenleben.
(33 8.) Meran 1. 10
Fugger, E., u. K. Kastner. Naturwiss. Studien und
Beobachtungen aus und über Salzburg (Geologie,
Eiszeit etc.). Mit 12 111. und 2 Taf. (III, 132 S.)
Salzburg 4. 80
618 Ä. Francke.
Gar che, A, Flora von Deutschland. Zum Gebrauche
auf Excursionen. 15. Aufl. (XIV, 96 u. 541 S.)
Berlin. Gebunden . . . . 5. 35
Geistbeck, A. Die Seen der deutschen Alpen. Mit
128 Figuren, Profilen, Tiefenschichtenkarten und
Diagrammen. (47 S.) Gart. Leipzig . 13. 35
Gremli, A. Excursionsflora für die Schweiz.* 5. Aufl.
(XXIV, 500 S.) Aarau. Gebunden . 6. 20
— Flore analytique de la Suisse. Trad. p. J. J. Vetter.
(558 p.) Bäle. Reü6 . . . . 7. —
Grisebach, A. Die Vegetation der Erde nach ihrer
klimatischen Anordnung. 2. Aufl. Mit 1 Karte.
2 Bde. (XV, 567 u. XI, 594 S.) Leipzig 26. 70
Gruber, C. Das Münchener Becken. Beitrag zur
physikalischen Geographie Südbayerns. WX 1
Karte und 2 Profilen. (46 S.) Stuttgart 2. 15
V. Gümbelj K, W. Geologie v. Bayern. I. Th. 2. Lfg.
Mit Abbildungen. (S. 209—480.) Kassel 6. 70
Hahn, G. Die Lebermoose Deutschlands. Vademecum
für Botaniker. *M. 12. Taf. (XIV, 90 S.) Gera.
Gebunden 8. —
Hann, J. Die Temperaturverhältnisse der Österreich.
Alpenländer. I. Th. (99 S.) Wien . 2. 15
II. u. m. Th. (51 u. 166 S.) . . 4. 55
Hattle, E. Die Minerale des Herzogthums Steiermark.
3. -"5. Heft (Schluß). (XXIV, 97—212 S.) Graz,
ä 1. 35
Heim, A, Die Quellen. Vortrag. (31 S.) Basel 1. —
Hofmann, E. Die Schmetterlinge Europa's. Lfg. 1-9.
(XL, S. 1—40. Mit 34 col. Taf.) Stuttg., k 1. 35
Keller, F, C. Die Gemse. Monographischer Beitrag
zur Jagdzoologie. Lfg. 1 — 3. (S. 1 — 136 mit
Holzschn.) Klagenfurt k . . .1. —
Lüscher, H, Verzeichniß der Gefäßpflanzen von Zo-
fingen und Umgebung. (108 S ) Aarau . 1. 60
Neumayr, M, Die geographische Verbreitung der
Juraformation. Mit 2 Karten u. 1 Taf. (88 S.)
Wien 9. 60
Die alpine Literatur des Jahres 1885, 519
Payot, V. Oscillations des 4 grands glaciers de la
vall6e de Chamonix. Genöve . .2. —
Penckf A, Die Eiszeit in den Pyrenäen. Mit 1 Karte.
(69 S.) Leipzig 4. —
— Zur Vergletsclierüng der deutschen Alpen. (15 S.)
Halle. Leipzig 1. 10
Rabenhorsty L. Kryptogamenflora von Deutschland,
Oesterreich und der Schweiz. 2. Aufl. I. Bd.,
2. Abth. Lfg. 17—21. (S. 193—528 m. Figuren )
Reg. z. 1. Abth. (II, 63 S.) ä Fr. 3. 20. IL Bd.
Lfg. 10 (Schluß) (XXIV, S. 513-576) Fr. 3. 75.
III. Bd., Lfg. 4 u. 5. (S. 193—320.) IV. Bd.
Lfg. 1 u. 2. (128 S.) Leipzig k . . 3. 20
V. Schlechtendal, Längethal u. Schenk. Flora von
Deutschland. 5. Auflage, revidirt von Ballier.
Lfg. 135—167. (Bd. 19, 302 S., Bd. 20, 228 S.,
Bd. 21, 304 S., Bd. 22, 284 8., Bd. 23, S. 1—80
m. 439 Chromolith.) Gera ä . . 1. 35
Thome. Flora von Deutschland, Oesterreich und der
Schweiz. (3 Bände mit gegen 600 Tafeln in
Farbendruck.) Lfg. 1—6. (Bd. II, S. 1—144 mit
112 Chromolith.) Gera k . . . 1. 35
Toula , F. Geologische Unternehmungen in der
Grauwackenzone der nordöstlichen Alpen. Mit
1 Karte, 1 Tafel und 43 Holzschn. (64 S.)
Wien 6. 70
Wettstein, A. Geologie von Zürich und Umgebung.
Mit 1 Karte u. 1 Tafel. (84 8.) Zürich 4. 50
4. Geographie und Reisen.
Geographie. Topographie. Oro- und Hydrographie. Karto-
graphie und Geodäsie. Ethnographie. Nomenclatur. Statistik.
Beiträge zur Landes- und Volkskunde des Thüringer
Waldes. Im Auftrage der wissenschaftlichen Com-
mission des Thüringerwaldvereins herausgegeben
von F. Regel. (48 8.) Jena . . . 2. —
Ö20 A, Francke,
Berlepsch, H. A. Die Alpen, in Natur- u. Lebens-
bildern dargestellt. Mit 18 Illustr. 5. Auflage;
2. wohlf. Volksausg. (X, 570 S.) Jena . 8. —
Bestimmungen über die Anwendung gleichmäßiger
Signaturen für topographische und geometrische^
Karten , Pläne und Risse , herausgegeben vom
Centraldirectorium der preußischen Vermessungen.
2. Aufl. (17 S. m. 8 Taf.) Berlin. Gart. 3. 35
DelV Oro f L. Ascensione al monte Bianco per il
versante italiano , e discesa per il versante fran-
cese, nel agosto 1875. 3» ed. (29 p.) Milano.
Dent. Above the Snow Line. London. . 10. 15
Ehrhardt^ C. Ausflüge in das sächsische Erzgebirge
und angrenzende Landstriche. Mit 1 Karte.
(VI, 59 S.) Chemnitz. Gart. . . . 1. 35
Glaßf R, Nach Süden. Empflndsame Reise durch die
Schweiz und Stidfrankreich. 2. Ausg. (V, 354 S.>
Leipzig 2. —
Grube, A, W. Alpen Wanderungen. Neu bearbeitet
von G. Benda. 3. Aufl. Mit 17 Illustr. Lfg. 1—5.
(1. Th. 288 S. und 2. Th. S. 1—32.) Leipzig
4 1.35
Günther^ F, Der Harz in Geschichts-, Kultur- und
Landschaftsbildem. Lfg. 1 — 5. (S. 1 — 464.)
Hannover ä, . . . . . . 1. 35
HartmanUy H, Wanderungen durch das Wittekinds-
oder Wiehengebirge (Westsüntel). (VII , 184 S.
mit 4 Tafeln.) Oldendorf. Gart. . . 3. 20
Hungerlmhler, H» Elementare Karten-, und Terrain-
lehre. 2. Aufl. (VIII, 104 S. mit 64 Figuren).
St. Gallen. Gart. . . . . . 1. 40
Janisch , J, A, Topographisch-statistisches Lexikon
von Steyermark. Heft 47 und 48. (Bd. 3, VIII,
und S. 1393—1492 mit Tafeln.) Graz k 1. 80
cplt. 3 Bände 80. —
Die alpine Literatur des Jahres t885. 52t
Javelle, E. Souvenirs d'un alpiniste. (464 p.) Avec
Portrait et une notice biographique par E. Ram-
bert. Lausanne 4. —
Kaiser, K, Reise durch Skandinavien im Sommer
1884. Mit 40 lUustr. (VIII, 216 S.) Barmen 4. —
Keilhack, K. Reisebilder aus Island. Mit 1 Karte»
(VII, 230 S.) Gera . . ^ . . 4. —
Lehmann^ F. W, P. Die Süd-Karpathen zwischen
Retjezat und Königstein. Mit 1 Karte* (64 S.)
Berlin 2. —
Magnenat, J. Cours de g6ographie de la Suisse.
2® Mition. (30 p.) Lausanne, öart. . 1. 25
Mittheilungen des k. k. militari seh -geographischen
Instituts. 5. Bd. 1885. Mit 18 Beil. (IV, 191 S.)
Wien . . ... . . . 1. 60
Mosso, A, ün' ascensione d'invemo al Monte Rosa.
Milano . . . . . .1. —
Neumann j L. Die deutsche Sprachgrenze in den
Alpen. (36 S. mit 1 Karte.) Heidelberg 1. 10
Noe, H. Deutsches Alpenbuch. II. Abth. Ostalpen.
Bd. 1. Osttirol, Kärnten, Steiermark etc. (VIII,
478 8. mit 1 Holzschn.) Glogau . .6. —
Poestion, J. C Island. Land und Bewohner nach
den neuesten Quellen. (VIII, 461 S. mit 1 Karte.)
Wien 13. 35
Reishaus, Th. Briefe aus Norwegen. (49 S.) Bran-
denburg . . .... — . 80
Richter, E. Die Alpen, nach Daniel's Schilderung
neu bearbeitet. Mit 1 Karte. (VIII, 96 Seiten.)
Leipzig . . . . . . 2. 15
Schweitzer, Ph. Island. Land und Leute, Geschichte,.
Literatur und Sprache. (IX, 203 S.) Leipzig 5. 35
Steuh , L. Zur Namens- und Landeskunde der
deutschen Alpen. (IV, 175 S.) Nördlingen 3. 75
Umlauft, F, Die Alpen. Handbuch der gesammten
Alpenkunde. Mit 105 Illustr. und 25 Karten.
Lfg. 1—3. (S. 1—96.) Wien ä. . . — . 80
^22 A. Francke,
de Vüleneuvey A, Suisse et Savoie. Souvenirs d'nn
touriste. (168 p.) Limoges.
Wagnon , A. Autour de Salvan. Excursionß et
escalades de la Dent du Midi an Buet. Notice
botanique par H. Jaccard. (78 et 11 pages.)
Gen^ve . . . . . . 2. —
v. Westarp^ A. ^m Winter in den Alpen. Natur-
bilder vom Fuße des Wettersteins. (IV, 93 S.)
Berlin 2. 70
Widmann^ J. V. Spaziergänge in den Alpen. Wan-
derstudien und^Plaudereien. (VII, 270 S.) Frauen-
Wissen, unser, von der Erde. Allgemeine und spe-
cielle Erdkunde, herausgegeben unter Mitwirkung
hervorragender Fachgenossen von A. Kirchhoff.
Lfg. 51 u. 52. (Bd. 2 , Länderkunde von Europa.
I. Theil, Seite 1 — 64.) Mit vielen Abbildungen.
Leipzig ä 1. 20
Zaffauk Edler v. Orion y J. Die Erdrinde und ihre
Formen. Geographisches Nachschlagebuch nebst
einem Thesaurus in 37 Sprachen. (VI, 130 S.)
Wien. Geh 4. 35
^. Zittelf K, A, Das Wunderland am Yellowstone.
(32 S.) Berlin —.80
5. Volkswirthsehaftliches.
Alp-, Land- und Forstwirthschaft, Hydrotechnik, StraBen^
Bahnen und Führerwesen.
Buhler y A. Der Wald in der Culturgeschichte. (29 S.)
Basel . . . . . • . 1. —
Planta^ P, C. Der dreißigjährige Kampf um eine
rhätische Alpenbahn. (101 S.) Chur
Wanner, M, Geschichte des Baues der Gotthardbahn.
(648 S.) Zürich 10. -
Die alpine Literatur des Jahres 1885. 528
Wilckens, M. Die Alpenwirthschaft der Schweiz, de»
Algäu's und der westösterreichischen Alpenlftnder.
Mit 65 Holzschn. Neue Ausgabe. (Vm, 387 S.)
Berlin 8. —
6. Geschichte, Biographie und Sage.
Bodemann, E, Von und über Albrecht v. Haller.
Ungedruckte Briefe und Notizen. (XV, 223 S)
Hannover . . . . . .6. —
Meer, J. J, Oswald Heer. Lebensbild eines Schweiz.
Naturforschers. Unter Mitwirkung v. K. Schröter.
I. Theil m. Portrait. (VII, 144 S.) Zürich 3. —
Luigi, A. A legend of Lake Leman. Poems. (68 p.)
Gen^ve — .75
Santaniar, G. Der Hausberg und die Hausbergsage.
(15 S.) Hirschberg . . . . — .40
SchwarZy B, Die Erschließung der Gebirge von den
ältesten Zeiten bis auf Saussure. (VIII, 475 S.)
Leipzig 10. 70
Vom Jura zum Schwarzwald. Geschichte, Sage, Land
und Leute. Herausg. v. F. A. Stocker. II. Jahrg.
4 Hefte. Aarau . . . . . 6. —
W agner y H. F. Zur Geschichte d. deutschen Wandems.
(14 8.) Leipzig . . . . . — .55
7. Schönwissenschaftliches. Vermischtes.
Aus da Hoam&t. Sammig. oberöst. Dialectdichtungen,
herausg. von H. Zötl u. A., mit einem musikal.
Anhang, redig. von H. Schnopfhagen. (XIX, 370
u. 58 S. mit 1 Taf.) Linz, geb. . . 7. 20
Bilder aus dem Davoser Kurleben. Von einem alten
Kurgast. Daves 1. —
Bleibtreu, K. Lieder a. Tirol. (56 S.) Berlin 1. 35
Daudet, A. Tartarin sur les Alpes. Avec Illustrations.
Paris . . . . . . .10. —
— Dasselbe deutsch von St. Born. Paris . 10. —
524 A Francke,
Donner, Dr. 0. (Höchstalpinist in Wien.) Auf das
Steinbockhorn in Stunn u. Graus. (15 S.) Leipzig^
-. 70
Ganghof er, L, Almer und Jägerleut'. Neue Hoch-
landsgeschichten. (VII, 328 S.) Stuttgart 5. 35
Gonthier-Lude, Af™«. La Soldanelle; r^cits des Alpes.
4 nouvelles. (190 p.) Lausanne . . 2. 50
Hauer, J G. Edelweiß. Gedichte in niederösterr.
Mundart. (IV, 292 S.) Wien . . 6. 40
Ingler, A, Sommerfrische. Reiseerinnerungen aus dem
Wildenhof b. Walkenried, Schweiz etc. Hannover
1. 35
Keller, F. C. Edelweiß. Eine Erzählung a. d. Bergen.
(112 S.) Klagenfurt . . . . 2. -
V. Kiesheim, A. 's Schwarzblattl aus'n Weanerwald.
Gedichte in österr. Volksmundart. 1. Bd. 6. Anfl.
(V, 'l88 S.) 4. 80. 4. Bd. 2. Aufl. (IV, 170 S.)
Wien 4. 30
V. Leistner, C. D' liab'n BergM Oberbayr. Dialect-
dichtungen. (III, 180 S.) Leipzig . . 3. 20
Meyer, C. F. Jürg Jenatsch. Eine Bündnergeschichte.
7. Aufl. (352 S.) Leipzig . . . 4. -
— Die Richterin. Novelle. Leipzig . . 2. 70
Oertelf M, J. üeber Terrainkurorte, insbesondere al»
Winterstationen in Stidtirol. Mit 2 Karten. (IVr
76 S.) Leipzig . . . . . 4. —
RoKX^ G. Armaillis et Vegnolans ou le ranz des vache»
de Gruyöre et la chanson du vigneron. 2« 6d.
lUustr. Vevey 3. —
V. Schlägel, M. Die Alpensängerin. Eine Erzählung
aus Tirol. (97 S.) Berlin . . . — . 70
Schmidt, Max, Culturbilder aus dem bayr. Walde.
(283 S.) Breslau 5. 35
— Die Fischerrosl von St. Heinrich. Lebensbild vom
Starnbergersee. (HI, 192 S.) München . 2. 70
— Die Schwanjungfrau. Erzählung aus dem Berchtefl-
gadnerlandl. (188 S.) München . . 2. —
IHe alpine Literatur des Jahres 1885. 525
Semmig^ H, Ein Genzianenstrauß. Novellen u. Reise-
bilder aus den Schweizer Alpen. (XI, 307 S.
Leipzig 6. 70
Siieler^ K. WeiFs mi freut! Neue Gedichte in ober-
bayr. Mundart. 6. Aufl. (XXU, 130 8.) Stuttgart,
cart 4. —
— Drei Buschen. WeiFs mi freut. Habt's a Schneid ?
Um Sunnawend. Gedichte in oberbayr. Mundart,
illust. von H. Engl. (XX, 386 S.) Stuttgart, geb.
16. —
— Habt's a Schneid!? 5. Aufl. (Vm, 117 S.) Stuttg.,
cart. . . . . . . .4. —
— Culturbilder aus Bayern. (IX, 272 S.) Stuttgart
6. 40
— Natur- u. Lebensbilder aus den Alpen. (IX, 397 S.)
Stuttgart 7. 20
— Um Sunnawend. 4. Aufl. (XII, 148 S.) Stuttgart,
cart. . . . . . . .4. —
— Ein Winteridyll. (47 S. mit Portrait.) Stuttgart,
geh 5. 35
Sutermeisier, 0, Schwizerdütsch. Sammlung deutsch-
schweizerischer Mundartliteratur. Heft 31 — 33.
(112 u. 64 S.) Zürich, k . . . — . 50
II. Karten.
Algermissen, J. L. Topogr. Specialkarte d. Schwarz-
waldes. 1: 200,000. 4. Aufl. Metz . 3. 35
— XJebersichtskartev.Südwestdeutschland. 1:400,000.
2 Bl. Metz 4. —
Atlas, Topographischer, der Schweiz, im Maßstab der
Original-Aufnahmen durch das eidg. Stabsbüreau,
unter Direction von Oberst Siegfried veröffentlicht.
Maßstab 1 : 25,000 , Hochgebirge 1 : 50,000.
Lieferg. XXVHI. Bern. In der Schweiz per Blatt
1. —
5^6 4« Fremcke^
Blatt 11 Staafenberg, 45 Thaingen. 46 Ramsen.
47 Dießenhofen, 49 Steckborn. 97 BretzwiL
167 Kulm. J68 Reiden, 194 Dürreuroth. 196 Somis-
wald. 281 Travers. 347 La Roche.
Bayer, M, Karte des Herzo^hnms Kärnten« S.Aofl»
Klagenfurt . . . .4. 30, coL 5. 35
Bernhard, C Touristenkarte vom bayr. Hochland^
^ordtirol u. Salzkammergut. 1 : 500,000. München
1. 35, aufgez. 2. —
V. Bomsdorff, 0. Neueste Specialkarte vom Harz.
1 : 100,000. 4 Blatt, 4. Aufl. Magdeburg 4, -^
einzeln k 1. 35
Deichmanriy L. Karte vom Harzgebirge. 1 : 200,000.
3. Aufl. Photogr. Lichtdruck nach einem Relief.
Kassel t. 35
Eck, H, Geogpostische Karte der weitem. Umgehung
der Schwarzwaldbahn. 1 : 50,000. Lahr 2. 70
Eisenhahnkarte, Kl. of&clelle, d. Schweiz. 1 : 500,000.
Ausgabe 1885. Bern . . , . 1. 60
Freitag, G, Höhenschichtenkarte von Nieder^ter-
reieh 1 :. 520,000. Wien . . .1.10
General' Strasseti" & Ortskarie des österreich^'Uagar.
Reiches, i\ebst Südwestdeutschland etc. 4 Blatt
Ausg. mit braunem Terrain. Wien. 12. — ^ ohne
Terrain 8. —
Gerster, J, Karte des Kts. Schaffhausen. 1 : 80,000.
Schaffhausen. Aufgezogen . . . 2. —
Handtke, F. Speoialkarte von Tirol und Salxbcurg.
1 : 600,000. 2. Aufl. Glogau . • 2. —
Karte des Yierwaldstädtersee's. aua der YogetochM-
Jtirich. Aufgezogen . , ^ . 3. —
-r- jftir die Gegeöd vor 8chUersee> Tegemsee, Leng-
gries bis Aehensee, InnthaU Mttuehen . — . 70
-^ von Bad Soden im Tauuuat u»d UaBigebangr
1 : 100,000. Wtrzburg . , , -^. 56
— VQBL Steieroiark und Krat». 1:446,000, Wien
1. 20
IHe alpine Literatur des Jahres 1885. öSTT
Keller, U, 2. Reigekarte der Schweiz. 1 : 440,000^
Rev. Ansg. Zürich, Aufgezogen , 6. —
— Schulwandkarte der Schweiz. 8 Bl. Neu revidirt».
Zürich . . . . . . 10. —
Langsdorffy W. Geologische Karte des Westharzes.
1 : 25,000. 2 Bl. Clausthal . . 13. 35-
Lessmann. Touristenkarte durch den Teutoburger-
wald und das Wesergebirge. 1 : 240,000, Biele-
feld — . 80
Leuzinger, R, Billige Karte der Schweiz und der
angrenzenden Länder, mit bes. Bertlcksichtigung
der Eisenbahnen. 1 : 400,000. Ausgabe 1885.
Bern. Fr. 2. 50, aufgezogen . . 5. -
— Neue Karte der Schweiz. 1 : 400,000. Ausg. 1885.
Bern. Auf japanesischem Papier Fr. 5. — Auf-
gezogen . . . . . .8. —
Liehenow, W, Specialkarte vom Riesengebirge.
1 : 150,000. 9. Aufl. Breslau . . 2. —
Magnenat Carte murale du Ct. de Vaud. 3« 6d.
Lausanne. Aufgezogen mit Stäben . 20. —
MewreVy J,, u, G, Freytag. Distanz- und üebersichts-
karte v, We8tti,rol, und Vorarlberg, 1 : 350,000.
Wien . 1. 2a
Miehely Ch. Rairte von Tirol. 1 : 600,000. 6. Aufl.
München. Aufgezogen . . .8. —
Randegger, J, Neue Reisekarte d, Schweiz. 1:600,000.
Ausg. 1885. Zürich. Aufgezogen . 2. 50
— Topogr. Karte des Bezirks Zürich, nach den eidg.
Aufnahmen. 1 : 40,000. Zllrich. Aufgez. 5. —
Reisekarte der österr.-ungar. Monarchie. X : 2,250,000-
15. Aufl. Wien 1. 60^
V. Scheda, J: Karte des österreich.-ungar. Reiches.
1 : 1,000,000. 4 Bl. Ausg. 1885. Wien 16. —
Schy^lZy R, A, Generalkarte von Kärnten, Krain^
Görz , Istrien etc. 1 : 505,000. Ausgabe 1885,
Wien. M. polit. Colorit 4. -s-, dnfach coloriit.
2. 7(>
528 A, Francke.
Silherhuher, A, Distanz- und Wegmarkirungskarte
der Raxalpe. Herausgegeben vom Oesterreich.
Touristenclub. Wien . . . . 1. 10
— te. F. Wagner. Distanz- und Wegmarkirungs-
karte des Schneeberges. Herausgegeben v. Oester.
Touristenclub. Wien . . . . 1. 10
— Touristenkarte des Wienerwaldes. Herausgegeben
vom Oesterr. Touristenclub. 1 : 80,000. Blatt 1.
7. Aufl. Bl. 2. 5*. Aufl. Wien, ä . — . 95
Specialkarte des Fichtelgebirges. Ausgef. v. topogr.
Bur. d. königl. bayr. Generalstabes. 1 : 50,000.
Wunsiedel .2. —
Stapff, F. M, Geologische üebersichtskarte d. Gott-
hardbahnstrecke. 10 Bl. 1 : 25,000. Berlin 66. 70
Steinhauser, A. üebersichtskarte v. Oesterr.-Üngam.
1 : 2,000,000. Ausg. m. Terrain. Wien . 4. —
ohne Terrain . . . . • 2. 70
dürrer, M. Specialkarte von Oberbayern in 6 Bl.
1 : 75,000. Bl. 2 und 6. München, ä . 1. 35
m. col. Grenzen . . . . . 1. 60
Touristenkarte d. unteren bad. u. württbg. Schwarz-
waldes. 1 : 100,000. Karlsruhe . . 2. —
^schudi. Touristenkarte der Schweiz. 1:800,000.
St. Gallen . . , . . .1. —
— Touristenatlas der Schweizer Eisenbahnen. Ausg.
1885. St. Gallen 2. 50
üebersichtskarte f neue, v. Centraleuropa, hrsg. v. k. k.
mil.-geogr. Institut in Wien. 1 : 750,000. Wien.
Bl. Genf, Lyon, Beifort, Macon, Turin, Marseille,
Avignon, Antibes, Toulon, Hermannstadt, Kron-
stadt, k . . . . . . 2. 70
JJmgehimgskarte v. Klagenfurt, hrsg. v. mil.-geogr.
Institut. 1 : 75,000. Wien '. . . 2. 15
Weher, J, Kte. d. Vierwaldst.-See's aus der Vogel-
schau. Zürich. Aufgez. . . . 3. 75
Die alpine Literatur des Jahres 1885, 529
Welzhacher, C. Karte d. nördl. u. sUdl.Theiles d. hess.
Odenwaldes u. d. Bergstraße. 1 : 80,000. 2 Bl.
Darmstadt ...... — . 80
— Specialkarte des Spessart. 1 : 100,000. 6. Aufl.
Frankfurt a. M. . . . . . 2. —
Ziegler, J. M. II. Wandkarte d. Schweiz. 1 : 200,000.
8 Bl. Ausg. 1885. Zürich. 12. 50, orohydrogr.
Ausg 10. —
— Dritte Karte d. Schweiz. 1:380,000. Ausg. 1885.
Ztlrich. Aufgez 12. 50
IIL Bilder und Panoramen.
Ansichten aus d. bayrischen Bergen. (6 Taf. qu. 4<^.)
München. In Couvert . . . . 2. 70
Beck, Jules. Hochgebirgsphotographien (Sommer 1885).
Standpunkte : Aetna Nr. 849 — 855. Umgegend von
Zermatt Nr. 856—863. Unter-Gabelhorn Nr. 864
bis 870. Stockhom (Gornergrat) Nr. 871—879.
Unter-Theodulgletscher Nr. 880-882. Grindel-
wald Nr. 883—902. Roththal Nr. 903—910.
Schilthorn Nr. 911-916. Eiger Nr. 917—919.
Balmhorn Nr. 920—926. Urirothstock Nr. 927
bis 932. Titlis Nr. 933—940.
Donkin'ü Photographs of the High Alps. Series 1885.
30 Blätter; Standpunkte: Umgebung von Zermatt,
Breil, Bec de Guin, Arolla, Aiguilles de la Za etc.
Freunthaler, E. J. Panorama vom Hochkohr (1799 ^),
2 Bl. Lith. Fol. Waidhofen a/Ybbs . 2. 15
Grubhof er, T, Reiseerinnerungen aus Tirol. 1. Lfg.
(6 Bl. m. 2 Bl. Text.) Berlin . . 4. —
Orientirungsscheihen Nr. 1. Gr. Winterberg, 2. Bastei,
3. Hoher Schneeberg. Dresden, k . — . 55
Panorama pittoresque du Righi et du Lac des IV
Cantons. Chromolith. Luzem. cart. . 1. 50
— du chemin de fer du St-Gothard. Chromolith.
Luzern. cart. . . . . . 1. 50
34
630 A, Francke. Die cüpme Literatur des Jahres 1885^
Schulze, Panorama vom Költschenberge. (3 Taf.)
Reichenbach i. Schi. . . . . — .60
— Pan.v. Glatzer Schneeberge. (2Taf.)Ebd. — , 35
— Pan. V. ülbriohshöh. (4 Taf.) Ebd. . -. 70
Sella, V. Hochgebirgsphotographien 1885. Nr. 214
bis 285. Standpunkte: Grand Paradis, Monte della
Disgrazia^ Trugberg, Finsteraarhom , Ebnefluh^
Grand Comier, Col d'Hörens, Ruinette, Aigmlle
de la Za, Bent d'H6rens, etc.
Vues interessantes, 28, du Righi, des IV Caiitons,
du St-Gothard. Chromolith. Luzem. cart. 1. 50
Woldermann, G. Berge der Erde in ihren Formen
und Höhenverhältnissen. Chromolith. Dresden.
Fol. -~. 40, Imp.-Fol 5. 35
Wopfner, J. Perlen aus d. deutschen Alpen. Ik Serie.
(12 Chromolith.) Leipzig. Ausg. A k Bl. 2. 40^
B 2. 15, C 2. 80.
V.
Chronik des S. A. C.
für das Jahr 1885.
Jahresversammlung in Villars-sur-Ollon. i)
Protokoll
ZXn. Delegirtenversanmüung des S. A. C.
in Vtllar-s-SDr-OIlon
deD t2. September 18S6, Abends b Ubr 80 Min.
Vorsitzender : Herr Ree^erongBprtCsident Grob,
CentralprSsident. AnweBend :
SectiOD Aargan: —
„ Zofingen : HH. Fischer-Sigwart.
„ Säntis: „ Kehl in UmSsch.
„ Basel: „ Hofiteann-Merian,
„ 0. Löscher.
') Da trotz wiederholter Hahnniig von Seite des Central-
oomit^ neder derFeatberichtnoch das Protokoll der Oeneral-
Teraammlniig von dem Herrn Festsekretär erhältlich wareo,
bedauert die Redaotion, den Bericht über das Jahresfest anf
die Protokolle der 22. Delegirtenversammlnng und der 21.
neralversammlung, beide von Hm. CentralsekretärDr. G.I
1er abgefaßt, die BegräOiinggrede des Herrn Festpräslde:
(s. p. 398), den Geschäftsbericht des Centralcomitö {a. p.
und die Oebirgsansicht des Festplatzes Ton Herrn I
A. Heitn (s. Beilagen) beschränken zu mflasen.
534
(
Ihrw
lik.
Section Bern:
HH
7)
. Regierungsrath v. Steiger,
Francke.
7)
Biel:
7t
Wartmann.
Bltimlisalp :
Burgdorf:
Oberaargau :
Oberland:
7i
Jakob (Lotzwyl).
Hecht.
Wildhom:
7)
Rudolf Wehren.
7i
Mol^son :
Genf:
Tödi:
9 g
7)
Bourgknecht, A. Glasson.
Freundler, M. Briquet
Rathsherr Freuler.
n
Rhätia :
• •
J7
Pilatus :
Ti
Dr. Hofstetter, Egli.
n
n
7)
Neuenburg:
Mythen :
St. Gallen:
Alvier :
Sottaz, Jean Schelling.
Bettschart.
Iwan V. Tschudy, Sfcoder.
7)
7)
Toggenburg:
Titlis:
Gotthard:
Monte Rosa:
7)
7)
M. Britschgi.
Becker, Telegrapheninsp.
de Torrent^, Fama.
7)
Diablerets :
Roßberg:
üto:
mW
D
Prof. Ramberty J. Gnex.
Dändliker in Baar.
Fäsi-Wüliam, Pf«rrer
Lavater.
7)
Bachtel :
)>
Bindschädler.
7)
Winterthur :
mm
n
Pfarrer Herold, Reinhart.
I. Der Präsident heißt die Abgeordneten will-
kommen und spricht vorläufig der festgebenden SectioD
den herslichsten Dank aus.
n. Herr Reinhart von Winterthur und Herr Schel-
ling werden zu Stimmenzählern ernannt.
m. Rechnung von i884, genehmigt auf Antrag
der Herren Rechnungsrevisoren Schinz und Neuburger.
Einnahmen von 1884 . . Fr. 15,291. 60
Ausgaben von 1884 . . „ 12,334. 35
üeberschuß der Einnahmen Fr. 2,957. 25
1
Chronik, 635
IV. Vermögen des Club:
am 31. December 1884 . Fr. 16,100. —
„ 31. „ 1883 . „ 13,142. 75
Yermehrung des Vermögens Fr. 2,957. 25
V. Der Centralcassier legt einen üeberblick liber
«den bisherigen Theil des Rechnungsjahres vor.
VI. Zu Rechnungsrevisoren werden gewählt die
Herren Sottas in Neuenburg und Hecht in Interlaken.
VII. Fest von i886. Die Section Winterthur
bietet sich als festgebende Section für 1886 an. Die
Versammlung nimmt die Proposition zu Händen der
Oeneralversammlung mit Beifall an und schlägt der-
«elben Herrn Pfarrer Herold zum Festpräsidenten vor.
VIII. Preisschriß Baumgartner. Der Präsident
Teferirt darüber und legt den Delegirten den Antrag
•des Centralcomite's vor:
pDie Delegirtenversammlung möge es dem Central-
-comite anheimgeben, für die ihm am passendsten
scheinende Publication zu sorgen."
Herr Iwan v. Tschudy betont, daß die Schrift
Eigenthum des S. A. C. sei, und macht auf die unter-
schiede derselben von der Schrift Zsigmondy's auf-
merksam; er ist der Meinung, daß einzelne Punkte
-der letztem bei der Publication benutzt werden sollten.
Die Genehmigung wird dem Oentralcomite still-
schweigend ertheilt.
IX, Rho7iegletscher- Fragen,
a. Publication. Herr Vicepräsident Professor Heim
referirt zunächst über die Nothwendigkeit der Publi-
cation, dann über die günstige Lage des S. A. C,
wie sie durch das Entgegenkommen des eidgenössischen
topographischen Bureau und den vortheilhaften Ver-
trag mit Schmid, Francke & Comp, geschaffen ist.
Er stellt den Antrag:
„Dem Oentralcomite ist Vollmacht zu geben, den
536 Chronik,
provisorischen Vertrag mit der Buchhandlung Schmid^
Francke & Comp, endgültig abzuschließen."
Herr HoflFmann-Merian gibt noch näheren Aufschluß^
wonach die Redactionskosten, soweit sie Herrn Held
betreffen, vom topographischem Bureau übernommen
werden , und daß Herr Professor Rütimeyer einen
großen Theil des Textes gütigst selbst zu tibernehmen
sich bereit erklärt hat.
Herr Professor Forel, Mitglied des Gletscher-
coUegiums, hat zunächst den Voten nichts beizuftigen^
weist aber noch einmal auf die günstige Lage des
S. A. C. hin.
Herr Freundler hat nicht die Absicht, gegen die
Publication der bisherigen Arbeiten aufzutreten. Mithin
fällt Passus 2 und 3 der Genfer Anträge, die wich-
tigsten Resultate der bisherigen Arbeiten im Jahrbuch
zu publiciren, dahin.
Herr Rambert ist hiemit sehr einverstanden, da
eine solche Publication im Jahrbuch eine Unmöglich-
keit wäre.
Da derzeit kein Antrag gegen denjenigen des
Centralcomite's mehr existirt, so ist der letztere an-
genommen.
b. Fortsetzvng der Arbeiten. Herr Prof. Forel^
im Namen des Gletschercollegiums, gibt einen üeber-
blick über die bisherigen Arbeiten des Gollegiums
und die hohe Wichtigkeit der Aufgabe, sowie über
die bisher gewonnenen Resultate, besonders die Karte
des Gletschers. Dann geht er auf die Wichtigkeit
der Fortsetzung dieser Arbeiten ein. Während zn
Zeiten der Gletscher langsam fließt und daher zurück-
geht, rückt er in andern Perioden schneller vor.
Bisher hatten wir eine Periode des Abnehmens; jetzt
treten wir, wie aus gewissen Zeichen zu schließen
ist, in eine Periode des Vorrückens ein. Man sollte
diese höchst günstige Gelegenheit nicht ungenützt
vorüber gehen lassen.
Chronik. 5ST
Herr Prof. Heim referirt im Namen des Central-
comite's. Er betont besonders die Nothwendigkeit^.
jetzt, nach Abschluß der Messungen, die Schwankungen
beim Fortschreiten des Gletschers zu controliren. Die
Kosten bilden keinen besonders großen Posten in den
Ausgaben des S. A. C. Neue Fragen sollen nicht in.
Angriff genommen werden, zudem kann das Central-
comite Garantien bieten, daß das jährliche Maximum-
von Fr. 1500 nicht überschritten wird.
Herr Freundler vertheidigt den Standpunkt, deir
die Section Genf in ihrem Circular einnimmt. Er sieht
in der Fortsetzung der Arbeiten ein Abweichen vo»
dem eigentlichen Zweck des S. A. C. Er bezweifelt
die Wichtigkeit der Resultate, die vielleicht auf andere^
Gletscher keine Anwendung finden. Er befürchtet,,
nach drei Jahren neue Opfer bringen zu müssen und
weist auf die Noth wendigkeit von Ftihrerkursen hin,,
ebenso von Erstellung neuer und der Erhaltung be-
stehender Clubhütten. Die bisherigen Opfer sind voll-
ständig genügend ; die schweizerische naturforschende
Gesellschaft würde, ohne Beihülfe des S. A. C, gewiß^
selbst eingetreten sein.
Herr Prof. Heim erklärt, daß sich das Gletscher-
coUegium mit den drei Jahren zunächst zufrieden er-
klärt, er hofft auf spätere Hülfe von anderer Seite,
die jetzt noch unmöglich ist.
Herr Professor Rambert erinnert daran, daß man
immer darauf hinwies , es würden nach Ablauf der
ersten sechs Jahre gewisse weitere Maßregeln zu
treffen sein. Die Frage iät bei der geringen Ausgabe
nicht sehr bedeutend, da jene Summe von Fr. 1500
zudem ein Maximum ist, unter welches nach Ansicht:
des Herrn Rütimeyer die wirkliche Ausgabe bedeutend!
herabsinken wird. Die Lage ist gar nicht derart^
daß sie eine so energische Opposition rechtfertigte.
Wenn wir die Sache fallen lassen, so begehen wir
einen großen Fehler, der dem S. A. C. nicht zur Ehre
^38 Chronik,
gereicht. Die Statuten, wie sie zuerst in deutscher
Sprache aufgestellt wurden, rechtfertigen durchaas
die Ausgabe. Zudem ist die Arbeit am Rhonegletscher
keine einseitig wissenschaftliche, sondern eine eminent
topographische und geographische, welche so direct
als möglich im Zweck und Interesse des S A. C. Hegt.
Die Aufmerksamkeit des S. A. C. auf Ftihrercurse und
Olubhtitten hat keineswegs abgenommen, wie leicht
zu beweisen ist, und mit den Führercursen macht
man nicht einmal die gehoflPten Erfahrungen. Für eine
Gesellschaft wie der S. A. C. ist die Ausgabe für eine
so große wissenschaftliche Arbeit eine bescheidene.
Schließlich spricht sich der Redner gegen den von der
Section Genf in ihrem Circular angeschlagenen Ton aua.
Herr Hoifmann-Merian findet, das Finanzielle spiele
eine viel zu große Rolle. Die Fr. 1500 bedeuten auf
>die drei Jahre zusammen Fr, 1. 80 per Kopf. Für
Hüttenbauten und Reparaturen haben wir in elf Jahren
Fr. 30,000 ausgegeben, für Ausstellungen Fr. 5600;
an der Landesausstellung in Zürich waren die Rhone-
gletscherkarten gerade das Monumentalste. An Mitteln
mangelte es nie; denn wenn man in drei Jahren
durch Reduction des Jahresbeitrages von Fi\ 5 auf 4
ungefähr Fr. 7000 weniger einnahm, so wuchs doch die
Einnahme um circa Fr. 2000. Das Vermögen des Club
hat trotz der Rhonegletschersubvention zugenonunen.
Der D. u. Oe. A. V. hat uns ersucht, ihnen einen Ver-
treter zu schicken, der über diese Vennessungen einen
Vortrag halten sollte ; es wäre der Ehre des S. A. C.
unwürdig, jetzt aufzuhören.
Herr Pfarrer Herold beantragt, § 9 des Vertrages
zu streichen und statt dessen ausdrücklich zu be-
stimmen, daß nach drei Jahren die Betheiligung des
S, A. C. an den Arbeiten am Rhonegletscher ihr
Ende finden solle. Dieser Antrag hat die Meinung,
den Frieden im Club wieder herzustellen und weitere
Differenzen zu verhindern.
Chronik. 589
Herr Bonrgknecht fürchtet, die Sache werde nie
«ein Ende finden , und der S. A. C. werde sich durch
-einen zustimmenden Beschluß auf Jahrzehnte hinaus
binden. Er kommt nochmals auf die Clubhüttenfrage
zurück. Auch den Antrag Herold hält er nicht für
genügend, da der Club auch so die Hände nicht frei
haben werde.
Es wird Schluß beantragt. Die Abstimmung ergibt
19 Stimmen für Schluß, 10 dagegen.
Der Referent Herr Forel erhält noch das Wort
zu der Erklärung, daß die Arbeiten auf keinem andern
Oletscher erneuert werden sollen, und daß das fest-
gestellte Budget vollständig genügt.
Herr Fischer-Sigwart erklärt, daß er nicht stimmen
werde.
Abstimmung.
1) Eventuelle Abstimmung: Ist, im Falle der An-
nahme des Vertrages, ZiflFer 9 zu streichen, oder ist
der Antrag Winterthur einzusetzen?
20 Stimmen sind für den Antrag Winterthur,
7 dagegen.
2) Hauptabstimmung. Für den so bereinigten An-
trag des Centralcomite's ergeben sich 26 Stimmen
(von 34).
Ziffer 9 hat jetzt den Wortlaut: „Es wird jetzt
schon ausdrücklich bestimmt, daß mit dem, was unter
1 und 2 festgesetzt ist, die Leistungen des S. A. C.
für die Vermessung des Rhonegletschers ihr Ende
finden sollen."
3) Ziffer 4 des Antrages Genf.
a. Der erste Theil betreffend Führercurse wird
abgelehnt.
h. Der zweite Theil betreffend Clubhütten wird
mit 24 Stimmen angenommen. Derselbe lautet:
„Das Centralcomite wird eingeladen, den Umbau
und die Instandstellung der Clubhütten zu be-
schleunigen."
640 Chronik.
4) Auf Antrag von Herrn Herold wird das Glet-
schercoUegium auf weitere drei Jahre bestätigt.
X. Anträge der Sectionen.
1) Section Biet, Das Centralcomite beantragt^
die Motion Biel aufzunehmen, welche lautet: „Das
Centralcomite ist eingeladen, zu untersuchen, welche
Hütten und auf welche Weise dieselben mit Holz zu
versorgen sind.'* Dagegen ist der Section Biel da»
Recht abzusprechen, von sich ans einen Zusatz zur
Hüttenordnung aufzustellen. Der Antrag wird ange-
nommen.
2) Section Mythen beantragt : „Es möge die Ver-
sammlung beschließen, die Section Mythen in ihrem
Bestreben für den Wiederaufbau der Hütte auf
dem großen Mythen und der Verlegung auch des
obem Theils des Weges von der Nord- auf die Ost-
seite des Berges zu unterstützen und hieftir einen
einmaligen Beitrag von wenigstens Fr. 500 zu ver-
abfolgen. Dagegen verpflichtet sich die Section Mythen,
strenge Controle über den Unterhalt und die preifl-
würdige Verpflegung von Touristen in der neu pro-
jectirten Schutzhütte zu halten."
Der Antrag wird dem Centralcomite überwiesen.
Herr Freundler drückt sein Bedauern darüber an»,
daß in der Rhonegletscherangelegenheit so rasch Schloß
beantragt worden ist. Der Präsident gibt eine Rechts-
belehrung über parlamentarischen Usus.
Das Protokoll wird verlesen und genehmigt.
Ende der Sitzung 10 Uhr 30 Minuten.
Der Präsident:
J. E. Grob, Regierungspräsident
Der Secretär:
Dr. G. Finster.
Protokoll
der
XXI. Generalversammlung des S. A. C.
Sonntag, 13. September in Villars-sur-Ollon.
Präsident : Hr. Prof. Eugen Rambert.
1. Begrüßungsrede des Herrn Festpräsidenten (s.
pag. 398).
2. Jahresbericht des Centralcomite, vorgelegt von
dem Centralpräsidenten, Hr. Regierungsrath Grob
(s. pag. 542).
3. Die Rechnung für 1884 wird genehmigt.
4. Zu Rechnungsrevisoren für 1885 werden ernannt
die Herren Hecht in Interlaken und Sottas in
Neuenburg.
5. Als nächste festgebende Section wird die Section
Winterthur und zum Festpräsidenten Herr Pfarrer
Herold gewählt.
S. Vortrag von Herni Prof. Dr. Forel (de Morges)
über Witterungsverhältnisse in den Alpen.
Der F est prä sid en t :
Eugene Rambert.
Der C en t r al s ekr e t är:
Dr. G. Finsler.
Zweiuadzwanzigster Jabresbertcht
des
Centralcomite des Schweizer Alpenclnb.
1885.
Der nachfolgende^ vom Oeiitralpräendenteii in Vil-
lars - snr - Ollon verlesene Jahresbericht umfaßt die
ThXtigkeit des S. A. 0. bis Ende August 1885. Wa&
von da an bis xam Jahressehhifise geschah, ist am
Schlüsse der einzehien Capitel in E^lammem [ } nach-
getragen.
Hochgeehrte Clitbgene&sent
Sie haben an unserer letzten OeneraÜversammliug
in Altorf im Aagu^t 1884, welche, Dank dem frennd-
lichen, herzlichen Entgegenkommen der Section Gott-
hard , einen so schönen Verlauf genommen hat , die
Centralleitung der Geschäfte des S. A, C. fttr die
Amtsperiöde von 1885/87 vertrauensvoll in die HSnde
der Section Uto gelegt. Wenn nun das von dieser
Section bestellte Centralcomite und in seinem NameD
der von Ihnen auf den Vorschlag der Section zun
Vorsitzenden Berufene sich anschickt^ zum ersten Male
vor Sie hinzutreten , um Ihnen ttber unsere Amts-
führung Rechenschaft abzulegen^ so geschieht es nicht
Chronik. 649-
ohn« das Gefühl einer gewissen Beklemmung und
nicht, ohne sans phrase Ihre freundliche Nachsicht in
Anspruch zu nehmen. Wir waren uns dessen wohl
bewußt, daß man uns zumuthete, in die Fußstapfen
einer langen Reihe von Centralvorständen einzutreten,.
die sich jeweilen aus den hervorragendsten und tüch-
tigsten Mitgliedern des S. A. C. componirt hatten.
Speciell unser unmittelbare Amtsvorgänger, das
Centralcomitö von Lausanne 1882 84, hatte sich der
ihm übertragenen Aufgaben, insonderheit auch an-
läßlich der schweizerischen Landesausstellung von
1883 in Zürich , in einer würdigen Vertretung des
A. C. an derselben, mit ebenso viel Einsieht als Hin-
gebung, mit ebenso großer Energie als Ausdauer ent-
ledigt, so daß wir nicht ohne ernste Bedenken dem-
an uns ergehenden Rufe, an seine Stelle zu treten,,
Folge leisteten. Wenn wir auch an dieser Steile dem
abgetretenen Centralcomit^ und der Section, aus der
68 bestellt war , und die nun ihren Leistungen für
den Gesammtverein dadurch die Krone aufsetzt, daß
sie uns in ebenso origineller als liebenswürdiger Weise
zn sich zu Gaste geladen hat — ich sage, wenn wir
hier sowohl dem letzten Centralcomit6 als der Section -
IMablerets warmen Dank und Anerkennung bezeugen,,
so handeln wir ohne Zweifel in Ihrer Aller Sinn und
Namen.
Die Spanne Zeit, über welche wir Ihnen zu refe-
riren haben, war freilich eine relativ kurze. Denn
nachdem das abtretende Centralcomite sich in einem,
von Ende Dezember 1884 datirten Circular noch
einmal Rechenschaft gebend und Abschied nehmend
an die Sectionen gewandt hatte, konnte die Geschäfts-
übergabe des alten Centralcomite an das neue erstr
am 25. Januar laufenden Jahres in Bern stattfinden«
Die seit diesem Zeitpunkte verstrichenen T^/g,
Monate haben kaum hingereicht, es uns zu ermbg^_
liehen , in den unser wartenden Gesehäftskreis eiu^^k
1
^44 Chronik.
tiefern und klarern Einblick zu gewinnen und uns über U
4ie Situation gehörig zu orientiren. Immerhin con- w
4dtatiren wir gerne, daß wir uns von Anfang an und :^
fielbst bei hie und da obwaltenden Meinungsdiffe- |n
renzen eines freundlichen und zutrauensvollen Ent-
gegenkommens seitens der Sectionen zu erfreuen hatten,
und wir geben uns mit Vergnügen der Hoffnung hin,
daß dem auch ferner so sein werde. Dürfen wir Sie
^och versichern, daß bei all' unsem Beschlüssen und
Maßnahmen kein anderer Gedanke uns leitet und kein
anderes Ziel uns vorschwebt, als die Wohlfahrt, das
Blühen und Gedeihen uuseres theuem Schweizer- Alpen-
clubs und des über Alles geliebten Vaterlandes, dem
wir ja auch in demselben und durch denselben zu
•dienen uns bestreben.
Sehen wir nun etwas näher zu, wie es zur Zeit
am den S. A. 0. und die wichtigsten ihn bewegenden
Fragen und Interessen bestellt sei.
2) Ueber den Personalbestand des Vereins geben
folgende Ziffern den wünschbaren Aufschluß: Der
S. A. C. zählt 29 Sectionen mit 2607 Mitgliedern,
von denen seit 1. Januar 181 neu eingetreten sind,
gegenüber 114 im gleichen Zeitraum des vorigen
Jahres. Die Periode des Rückgangs in der Zahl
jinserer Mitglieder scheint daher glücklich überstanden
zu sein. Wenn es aber unserer Verbindung zur
Freude gereicht, frischen Nachwuchs zu bekommen,
430 wissen wir auch gar wohl, wie sehr wir desselben
bedürfen ; denn Leiden und Freuden, Leben und Tod
wechseln wie Morgen- und Abendroth, und es pflegt
der unerbittliche Tod je und je auch in unsere Reihen
schmerzliche Lücken zu schlagen. Gedenken wir
pietätvoll unserer Heimgegangenen!
Zunächst ist zu erwähnen der im Berichtjahr er-
folgte Hinschied eines Ehrenmitglieds des S. A. C,
-des Herrn Anthony Adams-Reilly , geb. 1836, gest.
15. April 1885. Wenn ich nicht irre, hat er sich
Chronik, 545
l)esondere Verdienste erworben um die Topographie
-der Montblancgruppe. Seine Tüchtigkeit war so all-
gemein anerkannt, daß ihn der E. A. C. zu seinem
Präsidenten wählte, welche Ehre er indeß mit der
ihn charakterisirenden Bescheidenheit ablehnte. Ehren-
mitglied unserer Gesellschaft war er seit 22. Sep-
tember 1867.
Und wie könnte ich Dessen vergessen, den unsere
Sectio» üto speciell und mit Stolz den Ihrigen ge-
nannt hat, des Mannes , dessen mächtiger Geist sich
wagte an die Erforschung und Durchdringung der
tiefsten Geheimnisse, welche die Menschenbrust be-
wegen, des Verhältnisses zwischen dem Ewigen und
dem Vergänglichen , zwischen Gott uiid Mensch, und
der dabei in einem kräftigen, durch üebung gestählten
Körper eine Seele trug, die mit der Naivetät eines
Kindes der Herrlichkeit der Gotteswelt, wie sie uns
namentlich im Hochgebirge entgegentritt, froh wurde
— ich meine Prof. Biedermann^ der eine Reihe von
Jahren als allgeehrtes und allbeliebtes Haupt der
Section üto vorgestanden hat. Sein forschender,
ahnender Geist ist nun hinangestiegen zu noch lich-
iteren Höhen, als die waren, auf denen sein Fuß hie-
nieden so gerne gewandelt.
Und auch Dessen muß ich mit einem Worte ge-
denken, der im engern Sinne der ünsern Einer war,
auch der tapfersten und kühnsten Alpinisten einer,
auch in nnsern Alpen heimisch, und der vor wenigen
Wochen dort im Dauphin^ drüben als Mitglied der
Section St. Gallen am Pic de la Grande Meje eine viel-
leicht doch bis an die Grenze des Erlaubten getrie-
bene Verwegenheit mit einem jähen, frühen Tode ge-
sühnt hat, nachdem er noch kurz zuvor den Freunden
der Hochgebirgswelt ein trefflich geschriebenes Vade-
mecum in den Schoß gelegt : Dr. Emil Zsigmondy.
Und wenn hin und her in den Sectionen im
Laufe dieses Jahres noch Andere, deren Namen mir
35
546 C^irotUh,
imbekftiiiit gebliebes , g^tcbätzt and betravert voi»
ihren ClubgenosBeti, ättf imiDer geschieden scoii slillteü
— wir iK^hUeß^ i^ Alle dn in nmer '^Reqiüescant
in paee!^ ihr Gedäehthiß bMb« unlet uns idi d«g«a f
Da nur einzelne ^ölkre S^Ücmen regelmäßig
aneh de« erfolgten Austritt reik Mitjgliedeni ansrei^^^
80 möchten wir die Sectionsvorstände eristfchoB, m
Zaknnft wen^vtens alle Haii^jalte hmtkhet dem €en-
tralcassier Mittheilnng zn mädien«
3) Die Beztehüngen deft S. Ai d ztt 4en f^eiMteii
Alpenreranen sind fi^währMd seht frelmdliche |pß-
weseü. Zwar konht^n yn^ ^s Jaht za« f>este de»
deutseben utid bMerrel«lrl0dieii Alpeiiver^iiis y das i»
Yillach Btatflaftd^ kirnen Di^lejgirten e^tt^Adcn^ halM
aber dni^h ei» B^gHißUngseele^d» nifBem ^ytepa^^
thien ftr die gfo^e Bchwestorrerbtn^ftig AnsdriHSk
geg-eben^ itn Fernem eiTBWßhten wfr fiferm Pfiirrer
Freundler und Hemt Architeei Be^teK^ Mftgtkder der
^ection O^nfy unseam Club an d^m Iraf die« Jahr ver-
g^oben/en flinfieft fate^natimialen teil|»i«eti Congreß ntid
dem 2^. Congreiß dM italliHi^idii» AlpeüciubB k
Tnrin 2a vertreten. Da Übrr Frenndier leider it»
letztet* Stnnde disreh Krankiwit tbgliliattefl wnrdey
seine Reise auszuführen, so ttb^giflahm es Herr PMet^
Resdaetor des ^Sdie des k^m^y nm Mner ^eAle den
S. A. €. in Turin m vertwtem
Der O« A. F. se(k!te «nil in K^nfoiA^ #aß nt
Rtrekigfeht «mf ifie für äie frimiscMii^heB deekäHsn <ek»
Mittetmeef el( ai^geerdne<ten ^^ibn^MftlaiiiBn dei* Oon^gveft
in Algler auf ^n^estnntutie Seit Vertag^; \ir^l*d(^ m&
4) Unt^r de^ nento A«%«Aea^ w«fel»e dcte Aw Aü. Ow
m die liäehi^(^ SiWkvbfl; g^aerti^lt «nd^ «t«iit ire PdM-
toaiion der Arbeiten «nt RbMieglelHNW 'obeAM. Ais
2^* Mai V)dl*s»tfane!t6 sföfa in Se^ eM €eMelk^i%.
bestehtewd w^ 2^1 Dd^tten iä«« Getotraluwirty.
Ceft)tritlp««teMent Orob und YieefirSImdent P»)f. fieim,
den Mitgtiedem des Oietsehateotiegiviss des 8. A. C^
Okr&nik, 547
(BH. Prof. RfltJmeyer, Hageiibach und Fore! —
Hr. Coaz eirtdchuldigt abwesend) und den Vertreterff
des eidgenöööischen topographisehen BftreÄu(HH. Oheff»t
Lcyehmanti und Ingenieur Held). Nachdem der BericM
über die Vermessungen von 1884 vorgelegt und ge-
nehmigt wetzen war, stellte die Conferenz zflnächst
das ArbeftÄprogtamifi für 1S85 fesft und beschäftigte
sieh dann, nach der später zu beröhrenden Frage der
FdrtsetÄung der ArbeHen, mit der Publikation. Es
Würde beschlossen, mit der Dalp'schen Bttchhandlung
(K. Schmid) in Bern in Ünterfrandlung zu treten wnd
einen Vertrag zwischen ihr ttnd dem 8. Ä. C. zti
eötwetfen , in welchetn ffber die beidseitige» Ver-
pÄichtungen nnd Garantien n. s. f. die n^higen Ver-
eiflbarittrgen getroffen würden. Der Beschluß der
Conferenz wutSe sogleich ausgefthrt xmi jfwiscfcen dem
Oetftralcofistt^ des S. A. C. ntt6 der Dalp'schen Buch-
handlttng {K. Schmid) in Bern ein Vertrag verein-
bart, ^eö wir In seinen Grundzttgen der Delegirten-
versammlung in Villars zur Discussion, resp. Annahme
msterbreitot feaben. Weselbe hat einmftthig dem An-
trag de* Centralconritö ihre Kttstiörtffung ertheih.
5) Sättftnfllche Jfitgüeder der oberwShnt^ Coh-
fferenz Tom 2ö. Mäi waren d-atin «Jnig, daß die Poil:*
&etzmg der Ctoirtrolmessungen am fihonegletft^lrer in
hobedi Gtade wtfnsehföffswerth sd , besonders da wfr
demnächst wahrscheinlich in die Periode efnes nentm
WacbfiftlftMtti Aeft 'GtetÄcherft ißintreten; «iigMrfi aber
wttfde alli^iftg b^oüt, daß dwbh vorherige f^-
setÄöng efeeÄ bhiden^en Bttdgefts *e finanaSeüen
Gretttm des tlntemehsnens gan^« genau festgestellt
öeJfl mtesen. Infolge dieses Be«eMTf^eft tamffigte das
eidgeftSssfecbe topographische Bör«au nntenn 27. ;F««i
dwi Vertrag yam 16. Ätfgtfist 18^0 nnd lei^e UBigt^h
den Entwurf eines neuen Vertrages vor , den das
Oentoraleomfl^ i^acOi den Vomohlägen 'des Glet^her-
coUegiänis in unweöentHdien Pnnfeten ujoÄiMrte und.
548 Chronik.
Dachdem die Abänderungsanträge vom eidgenössischen
topographischen Bureau gutgeheißen waren, seinem
Circular von Ende Juli beilegte , um den Sectionen
ausreichende Gelegenheit zu geben , zu der Frage
Stellung zu nehmen.
[Die Delegirtenversammlung in Villars-sur-Ollon
nahm nach reiflicher Discussion den projectirten Ver-
trag an , setzte aber statt des ursprünglich vorge-
schlagenen Art. 9 auf Antrag der Section Winterthur
folgenden Passus : „Es wird jetzt schon ausdrücklich
bestimmt , daß mit dem , was unter 1 und 2 fest-
gesetzt ist, die Leistungen des S. A. C. für die Ver-
messung des Rhonegletschers ihr Ende finden sollen."
Da aber das eidgenössische topographische Btireau
mit dieser Fassung nicht einverstanden war, so setzte
das Central comite in den Vertrag einfach den Passus:
„Der gegenwärtige Vertrag erlischt mit dem 31. De-
zember 1888", und beschloß, den Beschluß der De-
legirten als ProtocoUsache, d. h. als für den S. A. C.
bindend zu betrachten ^).]
Damit dürfte die Rhonegletscherfrage, die den
S. A. C. so oft und viel beschäftigt hat, wenigstens
als Gegenstand der Controverse für immer von unserer
Tractandenliste abgesetzt sein, wobei wir uns der
Hoffnung hingeben dürfen, daß die ganze Angele-
genheit einer allseitig befriedigenden Erledigung ent-
gegengeführt wird.
6) Das Gletschercollegium, welches behufs üeber-
wachung der Arbeiten am Rhonegletscher gewählt
worden war, hat nach Ablauf der vertragsmäßigen
drei Jahre seine Functionen erfüllt, und es gebührt
ihm seitens des gesammten S. A. C. der wärmste nnd
herzlichste Dank für seine großen und treuen Be-
mühungen um das wichtige VTerfc. Es ist aber wohl
0 Genaueres im ProtocoU der DdegirtenversunmlmUP
^nd im Circular des CentmlcoBÜt^ vom Dezember 1885.
Chronik. 549
selbstverständlich, daß nach Annahme der Anträge
betreffend die Rhonegletscherpublication und des neuen
Vertrags der S. A. C. der Unterstützung von Seiten
des Gletschercollegiums keineswegs entrathen kann,
und auf den Antrag des Centralcomit6 hat die Dele-
girtenversammlung mit Einmuth die Mitglieder des
Gletschercollegiums flir die Periode des neuen Ver-
trages in ilirer Stellung bestätigt.
7) Während durch den Vertrag die Gasse des
8. A. C. für eine Zeit von drei Jahren mit einer
jährlichen Ausgabe von Fr. 1500 im Maximum be-
lastet bleiben wird , ist ihr auf einer andern Seite
eine Bürde abgenommen worden. Die meteorologische
Station auf dem Säntis ist nach Ablauf des bestehen-
den Vertrages durch Bundesbeschluß an die Eidge-
nossenschaft übergegangen , welche den gesammten
Unterhalt derselben übernimmt, wodurch unser Jahres-
büdget inskünftig um Fr. 1000 entlastet wird.
8) Besonderes Interesse hat, seit dem Auftauchen
der Frage, der S. A. C. dem Unternehmen der Führer-
versicherung entgegengebracht. Für das Berichtsjahr
ergibt sich, daß die Centralcasse für 110 Führer
Fr. 906 bezahlte , gleich 3 ^/oo der Versicherungs-
summe von Fr. 302,000. Das von der Versicherungs-
gesellschaft „Zürich" gewünschte Minimum von 100
Theilnehmern ist also überschritten. Die Versicherten
vertheilen sich auf folgende Kantone : Bern 88, Wallis
12 , St. Gallen (durch die Bemühungen der Section
AI vier, die 1 ^oo den Führern aus der Sectionscasse
bezahlt) 8, Uri 1, Unterwaiden 1. Glarus, Graubünden
und Appenzell fehlen gänzlich. Und doch ist es im
höchsten Grade wünschenswerth, daß auch hier von
den Gebirgssectionen Alles gethan wird, um die Führer
für das segensreiche Werk zu interessiren.
Von den 110 Führern haben dieses Jahr nur 4
ihre Policen nicht eingelöst gegenüber 13 im Vor-
jahre. Für diese haben wir also Fr. 30 Prämien um-
sonst bezahlt.
&^ Cbrcmk.
9) Von Ftihrercursea haben wir dt68e6 Jahi' nar
meinen zu notireo^ den die Section Säntis vom 22. Feb-
ruar bis zum 1. März ib Umäsch abhalten ließ. Es
wurden im Ganzen 53 Unterrichtsstunden ertheilt und
nach Ablauf des Curses eine Prüfung veranstaltet,
welche von sämmtlichen zehn Tbeilnelunem bestuiden
wurde. An die Kosten^ welche sich 93j£ eirca Fr, 500
beliefen, leistete die Centralcasse einen Beitrag von
Fr. 150. £s ist uns besondere erfreulich constatircD
zu können, daß auch im Gebiete des Alpsteins, dessen
Ftihrerverhäitnisse bisher etwas ungeregelt waren,
eine festere Ordnung Platz greifen soll, und daß der
GlubiBt in Zukunft auch dort, sicher ist, erfahrene und
ausgebildete Führer zu finden.
10) Auch im Berichtsjahr hat die Erstellung, resp.
Ausbesserung, der Clubhtitten die Centralcasse in ver-
schiedener Hinsicht in Anspruch genommen. Obenan
steht die an neuem Standort von Grund aus neu auf-
gebaute Dossenhütte. An die Kosten des Wieder-
aufbaues bezahlte die Centralcasse Fr. 300, für die
Inspection der Hütte Fr. 70, für die von den Sach-
verständigen fllr nothwendig erachtete Verankerung
circa Fr. 70.
Außerdem wurden die vier Arbeiter für die Zeit
des Aufbaues von der C^tralcasse versichert, so daß
sieh die ganze Ausgabe der letztern auf circa Fr. 500
beläuft. Die Inspection der Hütte besorgten Herr Pfarrer
Baumgartner von Brienz und der von der Section
St. Gallen bezeichnete Herr Bezirksingenieur Aebi.
Nach Beschluß des früheren Centralcomit6 haben
wir ferner an den Neubau der Glämischhütte Fr. 1500
zu bezahlen; femer hat das Centralcomit6 den Sec-
tionen Säntis und Toggenburg an die Reparatur der
Säntishtitte einen Beitrag von Fr. 250 bewilligt, und
Fr, 185 für Erstellung eines neuen Daches der Li-
schannahütte. Dagegen wurde ein Gesuch um einen
Beitrag für Reparaturen an der Alvierhütte abgewiesen,
Chronik. 551
4a für diese secundäre Hütte erst letztes Jahr Fr. 200
bezahlt worden sind.
11) Das letzte Centraloondt^ hat in seinem Circular
vom Juli 18S4: (Rapport special III) den Vorschlag
gemacht, eine besondere Httttencommission einzusetzen,
welche die Oberaufsicht über die HUtt^ zu führen,
<die Pl^ne neuer Bauten zn prüf^, mindestens alle vier
Jahre durch ein Mitglied jede Hütte zu inspiciren
und dem Oentraleonüte darüber Bericht zu erstatten
hätte.
Gewiß ist eine genaue Aufsieht über die sämmtlichen
vom S. A. C. erstellten Hütten eine unbedingte Noth-
weodigkeit, wenn diese wohlthätigen Einrichtungen der
Erwartung, die man dayon hegt, entsprechen sollen.
Aber es lüßi sich doch fragen, ob es gerathen sei,
die Beamtungen des 8. A. C. um eine weitere zu ver-
mehren. Es ist, vom allgemeinen Standpunkt aus be-
trachtet, nicht gut, die Befugnisse des Centralcomit^
gerade in demjenigen Punkte zu verringern, in dem
ein gedeihlicher, unmittelbarer Oontact mit den eigent-
lichen clubistischen Kreisen möglich ist. Die Vielheit
der Beamtungen gibt außei-dem noch keine Gewähr
für bessere Instandhaltung der Angelegenheiten; im
Gegentheil könnte man die Befürchtung aussprechen,
daß dadurch nur Weitläufigkeiten entstehen möchten,
welche der Sache, die man zu bessern strebt, nicht
förderlich sind.
Ein Mitglied des letzten Oentralcomite , Herr de
Constant, hat sich während der letzten drei Jahre um
die Inspection der Clubhütten im höchsten Grade
verdient gemacht. Es läßt sich denken, daß gerade
er auf den Gedanken kommen mußte, eine solche
periodische Ueberwachung sämmtlicher Hütten müsse
nachgerade für das Centralcomit6 eine immer schwerer
drückende Last bilden. Wenn wir nun auch offen zu-
geben, daß nicht jedes Centralcomite einen Mann in
seiner Mitte haben wird, der seine Kraft und Zeit in
552 Chronik,
solchem Umfange der Sache des S. A. C. zur Ver-
fügung zu stellen im Stande ist: so läßt sich doch
die Möglichkeit nicht läugnen, auch ohne besondere
Hüttencommission zum gleichen Ziele zu gelangen.
Um diese Möglichkeit zu verwirklichen, muß e&
die erste Sorge derjenigen Section sein, welche daa
Centralcomit^ zu steilen hat, daß mindestens ein Mit-
glied des letzteren ein passionirter Berggänger sei,,
der auf seinen Touren viele ClubhUtten zu Gesichte
bekommt. Derselbe könnte ja seine Excursionen leicht
so einrichten, daß er jedes Jahr eine andere Serie
von Hütten besichtigen würde. Außerdem bedarf e*
wohl nur einer Bitte an die wirklichen Berggänger
unter den Clubisten, um dem Centralcomit6 ein großes
und schätzenswerthes Material von Beobachtungen
über den Stand der Hütten zu verschaffen. Und endlich
hat ja das Oentralcomit^ jederzeit das Recht, in
dringenden Fällen einen Abgeordneten mit der In-
spection einer Hütte zu beauftragen.
Das Centralcomit6 glaubt also, daß eine Noth-
wendigkeit, ein neues Comite zu creiren, nicht vor-
liegt, sondern daß die vorhandenen Mittel genügen,
um eine vollständige und gründliche üeberwachung
der Clubhütten durchzuführen.
12) JshrhvLGMrsige, JahrbifchjBandXX. Die Her-
stellungskosten beliefen sich auf . Fr. 11,998. Sb
davon ab die Uebernahms - Summe
von Schmid, Francke & Co. . . „ 11,500. —
bleiben zu unsern Lasten . . . Fr. 498. 85
Wir hatten diesem Bande zur bessern artistischen
Ausstattung den Gewinn auf dem letzten Bande von
Fr. 348, sowie einen weitem Extracredit von Fr. 400
zugesprochen, und sind daher von diesem letztem
nur Fr. 150. 85 in Anspruch genommen worden.
Bestellungen von fremden Alpenvereinen sind ein-
gegangen: vom D. u. Oe. A. V. 50 Ex. und vom
C. A. I. 4 Ex.
Chronik, 553^
Das abtretende C.-C. hat uns in seinem Abschieds-
circnlar, Dezember 1884, im Jahrbuche p. 600, einfr
Aufgabe zugewiesen, welche uns des Lebhaftesten be-
schäftigt hat : die WUnschbarkeit einer Umgestaltung
unserer Publikationen. Wir haben diese Frage, zu
der die erste Anregung vom Redaktor des Jahrbuches-
ausging, mit demselben des Einläßlichsten geprüft,,
sind aber, fast wider unsern Willen, zu einem nega-
tiven Resultate gelangt.
Die eigenthtimliche Zusammensetzung des 8. A. C.,.
die aus circa ^/s deutsch sprechenden und circa ^/s
französisch sprechenden Mitgliedern besteht, verun-
möglicht jede Aenderung, welche hinzielt einerseits^
auf eine engere Verknüpfung der deutschen und fran-
zösischen Sectionen durch das Mittel eines sprachlich
gemischten Jahrbuches oder eines Öfter erscheinenden^,
gemeinsamen Bulletin, anderseits auf eine billigere
Erstellung unserer Publicationen in Folge stärkerer
Auflagen.
Das Jahrbuch ist nur für die deutschen Sektionen
und zwar zum Preise von Fr. 7 obligatorisch und es^
geht nicht wohl an, dieselben ökonomisch stärker zu
belasten, was unvermeidlich wäre, wenn dem Wunsche
nach einem kleinen, häufig erscheinenden Organ neben:
dem Jahrbuche entsprochen werden sollte.
Die welschen Sectionen sind zur Haltung de»
„Echo des Alpes" zum Preise von Fr. 2. 50 per Jahr
verpflichtet. Sie hängen mit so großer Liebe daran
und es scheint nach allen Informationen dasselbe der
Lesebegierde der Mehrzahl ihrer Mitglieder so voll-
kommen Genüge zu leisten, daß sie sich nicht leicht
dazu verstehen würden, das „Echo" in einem sprach-
lich gemischten Jahrbuch aufgehen zu lassen und die
Aenderung mit einer höhern Contribution zu bezahlen*
Nur durch eine wesentliche Vergrößerung der
Auflage könnten die Erstellungskosten des Jahrbuches
vermindert und diese Vergrößerung nur dadurch er*
554 Chranib,
reicht werden, daß alle gchweiz. Clubisten ohne Aus-
nahme zum Bezüge de» Jahrbuches Farpflichtet würden.
Da nun aufi den oben angeführten, sowie versohiedeDen
andern Gründen «ich dies als unerreichbar hertiu-
stellt, so müssen wir leider von derjenigen Lösung
abstrahiren, die uns -^ absolut genommen ^— als die
beste und wünsehenswertheste erschienen : ein gemm-
sames Jahrbuch und daneben öfter erscheinende klein^e
Mittheilungen, beide sprachlich gemischt und für alle
Olubgenossen obligatorisch.
Wir erörterten im Weitern die allerdings neben-
sächlichere Fmge, ob nicht das Format des Jahrbuches
zu verändern resp. au vergrößern sei- Wenn wir ancb
hier vorschlagen^ beim bisherigen zu verbleiben, so
geschieht es, weil ans von vielen Seiten der Wunsch
geäußert wurde, daran NicMs zu ändern, und weil
sich die finanzielle Ersparniß, auf die wir hofften, als
^ine ganz minime herausstellte.
Dagegen werden wir uns bestreben, der artistisehen
Ausstattung des Jahrbuches in Zukunft noch mehr
Sorgfalt zu widmen und soviel daranf zu. verwenden,
als unsere Mittel uns immer erlauben.
Das Gesuch einer Sektion, sie vom obligatorischen
Bezüge des Jahrbuchs zu dispensiren, mußten wur ab-
weisen, schon weil außer unserer Competenz liegend.
Wir hätten dies auch ohnehin gethan, da eine würdige
Fortführung des Jahrbuches nur möglich ist, wenn
zum Mindesten sämmtliche deuteche Mitglieder daran
contribuiren und die Auflage allerwenigstens auf der
gegenwärtigen Höhe gehalten werden kann. Wir be-
trachten dies geradezu als eine Lebensfrage für das
Jahrbuch und werden daher fortfahren, dem Wortlaute
<der Statuten strikte Nachachtung zu verschaffen.
13) Wenden wir uns nunmehr zu den litterarischen
Unternehmungen des S. A. 0. und zwar zunächst zu
der Publikation der gekrönten Preisschrift „Ueber
die Gefahren im Hochgebirge". Der Verfasse der-
«elbeu, Ben: P&rrer Baumgarti^ev in Brienz, zeigte
dem Centralcomite im Mai m, daß die Preiaschrift
iu der vom früheren Ce»tralcojniW unterm 12« Pe-
mvi^T 1884 gewüQgchte» Fassung vollendet sei. Auf
flöeer© Weisung bin sandte Hr. Baumgartner die Ar-
beit zuollehst an Hrn. Lindt in Bern, der dieselbe
pr^ft^ und mit seinen Anmerkungen Tersehen dem
Oentralcomite zusandte, bei dessen Mitgliedern sie
darauf circulirte. Die Delegirtenversämmlung ertheilte
dem Oentralcomite die Vollmaeht, für eine passende
Pablieation zu sorgen,
[Die Preisschrift ist Ende Dezember 1885 bei
Pr. Schuttheß in Zürich gedruckt und den deutsch
ßpreohenden Mitgliedern des S. A. C gratis zugestellt
worden. Die üebersetzung in's Französische herzu-
stellen, hat die Sektion Diablerets freundlichst über-
nommen.]
14) Das Itinerar des Clubgebietes für J885/86
konnte dies Jahr noch nicht ausgegeben werden. Der
Verfasser desselben, Herr von Fellenberg in Bern,
theitte unterm 27. Mai dem Oentralcomite mit, daß
bei dem Beichthum des Stoffes und der Wichtigkeit
der zu behandelnden Gebirgsgruppe die Schrift einen
weit größeren umfang erhalten werde, als von vorn-
herein angenommen gewesen sei, und daß er über
das Finsteraarhorngebiet eine Arbeit unternehme, die
mit dem letzten Itinerar zusammen eine Monographie
einer einzelnen Gebirgsgruppe bilden werde, wie sie
über eine einzelne Abtheilung des schweizerischen
Hochgebirges noch nicht existire. Es wurde daher
beschlossen, Herrn von Fellenberg die gewünschte
Verlängerung seiner Arbeitszeit zu gewähren, so daß
•das Itinerar, das nicht dem Augenblicke dienen,
sondern eine Arbeit von bleibendem Werthe werden
soll, im Jahre 1886 an die Mitglieder vertheilt werden
wird.
15) Einer seit einigen Jahren aufgekommenen
o56 Chronik.
üebung gemäß wurde auch die Excursionskarte nicht
dem diesjährigen Jahrbuch beigegeben, sondern es
wurden vorerst nur eine Anzahl von Abzügen herge-
stellt, die an diejenigen Mitglieder, welche sich darum
bewarben, vertheilt werden sollte. Dankend nahm das
Centralcomite das Anerbieten des Herrn Prof. Heim
an, für die Clubausgabe der Karte einen Tondruck
herzustellen.
Ich bin am Schlüsse meiner Berichterstattung an-
gelangt. Gestatten Sie mir noch einige kurze Be-
trachtungen, wie sich mir dieselben aufgedrängt haben,
seit ich, Ihrem Rufe folgend, in einen intimeren Con-
tact mit dem S. A. C. und seinem Innern Leben ge-
treten bin und wie ich sie auch am Clubfest in Villars-
sur-Ollon bestätigt gefunden zu haben glaube.
Es machen sich im Schooße des Schweiz. Alpen-
clubs zwei Strömungen geltend, die, gegen einander
fließend, darum zu ringen scheinen, welcher von beiden
die Präponderanz zukomme. Die eine dieser Kichtungen
wird durch diejenigen repräsentirt, die in unsern Vereins-
angelegenheiten sich mehr oder ausschließlich auf den
Standpunkt des praktischen Bedürfnisses der in die
Erscheinung tretenden Leistung, mit einem Worte, der
nüchternen Realität stellen; die andere Strömung ist
vertreten von denen, die unserm Verbände auch höhere
wissenschaftliche Aufgaben zur Lösung zuweisen wollen,,
die im S. A. C. nicht bloß einen Verein kühner und
ausdauernder Bergsteiger sehen, sondern eine Verbin-
dung, bestimmt, an den idealen Aufgaben unserer
Zeit und unseres Landes mitzuarbeiten.
Aber nicht in einer Verschärfung dieses Antagonis-
mus, nicht in rücksichtsloser gegenseitiger Bekämpfung
der verschiedenen Standpunkte liegt das Heil, vielmehr
in ihrer Versöhnung, in der gegenseitigen Durchdrin-
gung und Einigung derselben.
Wohlan denn! Hegen und pflegen wir practische
Chronik. 557
Zwecke und Bestrebungen unserer Gesellschaft mit
allem Fleiß!
Machen wir das Hochgebirge unserer Schweiz den
Clubisten und immer weitem Kreisen nach Möglich-
keit zugänglich dadurch, daß wir ein gutgeschultes
Führercorps creiren und erhalten, daß wir auch in
den rauhesten Partien der Alpen deren Besucher ein
schützendes Obdach und einen wohnlichen Raum finden
lassen ; daß wir die Kenntniß unserer Berge verbreiten
durch treffliche Karten, wie uns das — wir wollen
es nicht vergessen — bislang ohne empfindliche Be-
lastung unserer Finanzen ermöglicht wurde durch die
zuvorkommende und freundliche Mitwirkung des eid-
genössischen topographischen Bttrean's; durch von
Meisterhand verfaßte und eifrig zu Rathe gezogene
Itinerarien; ja, suchen wir, wenn es möglich ist, noch
neue Wege und Mittel zur Erreichung der practischen
Ziele unseres Vereins!
Aber möge dabei dem S. A. C. auch niemals jener
Idealismus verloren gehen, der — ich bin aufs In-
timste davon tiberzeugt — sein eigentlicher Lebens-
nerv ist, jener Idealismus, der da weiß : es gibt noch
höhere geistige Interessen, an deren Befriedigung mit-
zuarbeiten auch wir berufen sind ; es gibt ein Wirken
und Thun, dessen Resultate nicht alsobald in die
Augen springen , die aber trotz alledem unseres
Sehweißes und unserer Opfer werth sind.
Realismus und Idealismus in legitimer Verbindung,
in trautem Verein — das, verehrte Herren und Club-
genossen, ist das gesunde, normale Leben und Ge-
deihen unseres theuren S. A. C. Mögen aus dieser
Ehe Kinder geboren werden, wie der Thau aus der
Morgenröthe! Gott walt's!
J. E, Grob.
Sectfvneft.
II. Aargau. Section Zofingekh MltglifMlemadil ^
Die äe^tksi tret^^MAm^tt« fsidk fm B<^c];rt|j«lil' 10 Hai,
jab^ and iIm fi«n:«fif: Afi^re#, ¥t9i*mty »tu HftgücMft;
Bttni^ Beii^pkd«&re», ^ Vie^l^M^t und BibHeftrekttr;
telivm'; alt JLie^rMtr.
Als Abgewdb^ter ^n 4k» GIiMM; te VtHliinM«^
(Mm ging Bisifr il|je^htik«i!r fi#ei»r, E§ wm^ leine
S^atidni^i^aff ffiä^li 4%r O^slM^r €1«« ^tfcfegisMrl.
Da die Section wegen der fillCenftiHg -M AuMM
nicbk selbst flUiren kann, übertrug sie dieselbe dem
Herrn Nägeli , Grimselwirth, mit der Vollmacht, daa
Nöthige anzuschaffen und die Hütte in gehörigem Zu-
stand zu erhalten. Was einzelne Besucher in der Ans-
rttgtung rertnißten, wird nacb Kiüilien beiK>rgt werden«
Anf einer demnächst «n^vbritigenden Tafel sollen
Passanten ersucht werden, ihre Wünsche dem Grimsel-
wirth mitfiuthdlen, danit derselbe aUfXlHgeE Uebel-
ständen sofort abhelfe.
Auf Anregung des Apotheker^ Fischer Bind in
Verbindiaig mit der 8eetion Obetaargau lind den Ge-
meindebeii^den ron Balstb&l Schritte zum Bebuts
seltener Pfian^eii in der Oeosinger Chis gethan worden^
Die Section Zofingen veranlaßte durch Einladung
eine Kusarnmenkanft mit den Sehwesterseetioften Aarau^
Oberaargaa^ Baftel, Evrgdorf aad Lazem* ^e fand
äxxi la Mai auf dem Wairtbnrgsäli siatt.
Vorträge und Relationen brachten : Pfr. And^^es :
Ueber eine nächtliche Fahrt a«f 's GelteAkom. Bxirri :
lieber eine Methode, die BchWeizerkarte aus detn Ge-^
däditniß EU Eecctoen, aitd üb^r d<sn Genfer Alpen^
w«ndeter dee verigea JakrhuiNkrisy Bourrit. DnU
wÜer: Beeteigwnrg d^ Scheierhonm. Herr Lksfchei/^
(lUs Gast): Ein pfianeengteographisehes Bild der Uni''
g^end von Zofingen« Herr Fischer, Apotheker : Ueber
die Verhahdlongea und Besdillidse der Delegirtett-
twmamhing und das dnb^st»
JSiDiieltouren: Andres thö. Biirri: Arbe4born und:
DittbVerets; BfXrri: Lnaveaeiikoni und «btsOsttr; Mäfis:
Titlie^ Meftger: U^ber diiß Gtainri iMutk dem Ekiseh^
ttei and diem DuraaidgietBcker, weiter ¥ker die TU^
Bohis fiarck dem C^anve-my (Met de Glace^ Tae^MM^^
«d andere GietBciief); Schinz: Uiitt^^oek, Claridlsn-
pafi; 'Stmi^hfl: Molton; Seiler: d Wo^ea ia «ler
erloschenen Vulkanlandachaft dtsr Avtergwe, Phya d6
Ddme^ de Pationy de IS^ug^re u. A., Pire de Sancy^.
Plottifo du Oantal, MtO^ Beuvray (Bibrae4e) und Mont
Atacm (Aleei!a)v
M^ AnMMreNw BeetiOB 6«iitia. Mit^iiedelvakl 70
(1884: 63). Vorstand: Präsident: Th. Felber; Viee-
^60 Chronik.
Präsident und Cassier: Hans Wetter; Actuar: Ernst
Lutz; Bibliothekar: C. Forster-Knechtli ; Beisitzer:
Albert Wetter.
Die ordentliche Hauptversammlung fand am 7. Juni
in ümäsch statt, ein damit «verbundener Ausflug auf
den Teufenberg stempelte den Anlaß zu einem ge-
müthlichen kleinen Feste. Neben dieser Hauptver-
sammlung gaben 8 Monatssitzungen Gelegenheit zur
Abwandlung der Vereinsgeschäfte und Anhörung von
Referaten.
Von letztem nennen wir: Albert Wetter: Sections-
tour Marwies , Hundstein , Säntis ; E. Bell : Touren
im Wallis; Otto Meyer: Skizzen aus Amerika; Dr.
Wiesmann : Sectionstour auf Pizzo centrale ; Th. Fel-
ber: Mariazell am Sempacher See; Dr. Wiesmann:
Von Buenos-Aires nach Antwerpen.
In außergewöhnlicher Weise wurde das Comit6
durch die Organisation eines Kurses für die Führer
des Alpsteingebietes in Anspruch genommen. Brachte
diese viel Mühe und Arbeit, so sorgten die nach-
herigen Verhandlungen betreffend Reglement und Taxen
für ein redlich Theil von Verdruß. Da wir den Grund-
satz der Selbstverköstigung für die Führer zu Grunde
legten, fanden wir in diesem Punkte hartnäckige
Opposition von Seite der Innerrhoder Führer, während
unsere Außerrhoder und Toggenburger Zöglinge in
Anbetracht der ihre Leistungen gehörig berücksich-
tigenden Taxen hierauf eingingen. Sollte diese Renitenz
andauern, so dürften wir uns genöthigt sehen, für die
nächste Saison die Innerrhoder Führer von unserer
Liste der patentirten Führer zu streichen.
Nach längeren Unterhandlungen mit dem Gentral-
<5omite und der Section Toggenburg kam ein Vertrag
betreffs Clubhüttenreparatur auf Thier wies zu Stande,
Unsere Clubfreunde werden gegen Ende der nächsten
Saison ein weit wohnlicheres Heim auf diesem schönen
Punkte finden.
Qironik, 561
Der Weg Urnäsch-Säntis belastete unsere Gasse in
erheblichem Maßstabe, befindet sieh aber gegenwärtig
in einem so guten Zustande, daß dessen Benutzung
unbedingt empfohlen werden darf.
An der vom schönsten Wetter begünstigten Sec-
tionstour auf den Pizzo centrale betheiligten sieh 10
Mitglieder.
Außer zahlreichen Bergfahrten im Alpsteiogebiet,
unter denen die von Herrn Hofstetter-Meyer ausge-
iUhrte neue BHntisbesteignng via Schwitzeralpele-Gran-
tobel'Oehrligi*ub hervorzuheben ist, sind als Einzel-
touren zu erwähnen:
Dr. Rcfth : Touren in Steiermark 5 Hofstetter-Meyer
und J. M. Meyer: Pizzo centrale und ülrichshorn
(Saasthal); O. Stuminger und Handschm: Glämisch
und Begnespaß ; Dr. E. Walder und Prof. Stricker :
Touren imEngadin, Bergell und Avers (8tal)erberg);
Oberst Koch : Avers und über Forcellina und Septimer
in's Bergell.
IV. Basel. Section Basel. Obmann : F. Hoffmann-
Merian ; Statthalter : Dr. Emil Burekhardt ; Schreiber :
Carl Lttscher; Seckelmeister: J. Btehelin-Koch ; Biblio-
thekar: Prof. L. Rütimeyer; zweiter Bibliothekar:
Felix Burekhardt.
Im Laufe des Jahres 1885 sind 4 Mit^eder aus-
getreten, 1 gestorben und 8 eingetreten. Bestand
Ende 1885 121 Mitglieder.
Zusammenktlnfte alle 14 Tage, im Winter im
Hotel „Drei Könige^, im Sommer auf der SchtUzen-
matte. Durchschnittsbesuch 31.
Vortifge cmd gr^ere Relationen hielten folgende
Herren :
Pfarrer A. Bemus: Adelboden et ses environs;
L. Bodenehr : Finsteraarhora von Osten und Jungfrau,
Tieseherjbom und Schmadrijoch ; das Breithom und
Diverses aus Zermatt, 3 Vorträge; Dr. Emil Burck-
36
562 Chronik,
hardt: Von Sempione über den Monte Leone zum
Hospiz, von Laquin über das Fletschhorn nach Roß-
bodeu, Bergtouren 1885, über verschiedene Arten von
Gletscherseilen, Dent Blanche, 5 Vorträge; Dr. H.Christ:
El pico di Teyde; A. Glatz: Auf den Churfirsten;
F. HofTmann-Merian : Versuch einer Besteigung des
Tödi von Georg Hoffmann sei.; Carl Lüscher: Touren
in der Montblanc-Gruppe, 2 Vorträge; A. Raillard:
Clubexcursion auf den Napf; Prof. L. Rtitimeyer:
lieber den Stand der Rhonegletscher- Angelegenheit;
Prof. H. Schieß: Scesaplana und Sulzfluh, Scheerhom,.
Tyrol und Bergamasca, Basodino, 4 Vorträge; Carl
Socin: Vom Bergell in's Tyrol; B. Stähelin-Linder :
Reise nach Poo in Tibet, 2 Vorträge.
Die im Clublocal aufgestellte Bibliothek weist
einen erheblichen Zuwachs aus, ebenso die Sammlung
der Gipfelgesteine. Der Section sind von verschiedenen
Mitgliedern und Freunden Geschenke von Bttchem,.
Karten und Albums gemacht worden.
Das Clubfest in Villars ist nur von 4 Mitgliedern,,
inbegriffen die beiden Delegirten, Herren F. HofFmann-
Merian und Carl Lüscher, besucht worden.
Die Section bewilligte Beiträge an die neue
Glämischhütte , die durch Lawinen heimgesuchten
italienischen Bergdörfer, die Ueberschwemmten im
Etschthale und ein zu errichtendes Denkmal für
Saussure.
Von unserem Obmann wurde die der Section unter-
stellte Schwarzegghütte besichtigt und durch An-
schaffungen aller Art das Inventar erneuert und er-
gänzt.
Herr Krayer- Ramsperger hat auch im Sommer
1885 seine üblichen Vermessungen am Hüfi- und
Brunnigletscher vorgenommen ; der Rückgang hat seit
1884 weitere Fortschritte gemacht.
Das Excursionscomite hat vier Ausflüge veran-
staltet: Am 1. Februar über les Malettes nach St. Ur-
Chronik, 563
sänne, 12 Theilnehmer ; am 8. März nach Bärenfels
und Bergalingen, 5 Theilnehmer; am 13. '14. Juni auf
den Napf, 16 Theilnehmer; am 18. Oetober nach
Schloß Sausenburg und Probstei Btirglen, 9 Theil-
nehmer.
Einzelfahrten: Dr. W. ßernow/ii: Tunetschhorn,
Bettlihom, Giebelhom, Berisalhom, Passo d' Aurona,
Wasenhorn, Schienhom, Simplon-Faulhom, Alles ohne
Führer ; Pfarrer A. Bemus : Gr. Lohner, ohne Führer ;
h. Bodenehr : Zermatter Breithorn, Klein-Matterhorn,
Plattenhörner, Weißhorn ; Dr. Emil Bwrc/c/iar dt: Groß-
Schneehorn, Groß-Viescherhorn, Mönchjoch, zwei Mal,
Sefinenfurke, Gspaltenhorn, Nässihorn (erste Bestei-
gung), Groß-Lauteraarhorn, Strahlegg (zwei Mal),
Petersgrat, Großhorn, Untergabelhorn, Obergabelhorn,
Rimpfischhorn, Dent Blanche, Monte Rosa Nordend,
Cima di Jazzi, Mont Durand, Pointe de Zinal, Alp-
hubeljoch, Alphubelhom, Nadelhorn von Fee aus,
Jägerhom, Neues Weißthor, Faderhorn und Faderjoch,
Gassenriedjoch, ülrichshorn, Furggenjoch, Chäteau des
Dames, Col de Vofröde, Mont Gel6, Col de Fandery,
Passo d' Aurona, Ritterpaß, Helsenhorn, Passo Rosso ;
E. Burckhardt-Zahn : Piz Surlei-Rosatsch, Piz Kesch,
Chaptitschin und Chapütschinpaß, Pizzo della Margna ;
Feliis. Burckhar dt : Pizüccello; Gn^tsLY Biirckhardt:
Bochette di San Antonio, Poncione di Vogorno, Passo
di Redorta, Campo Tenccia; Dr. H. Goßler: Monte
Cristallo, Anteiao ; A. Hoffmann-Burckhardt : Groß-
Ruchen, Brunnipaß; F. Hoffmunn-Merian : Inspektion
der Schwarzegghtitte am Schreckhorn; A. Krayer-
Försier: Sidelhom, Schilthom, Säntis; E. Krayer-
Ramsperger: Groß-Windgelle (theilweise); B.,Kummer-
Krayer: Tschingelgletscher, Balmhom, Weiße Frau;
Carl Lüscher: Riflfelhom, Neues Weißthor, Col del
Piccolo Altare, Colle di Moud, Col d'Ollen, Lyspaß,
Ziiialrothhom,Untergabelhorn, Dom, Rimpfischhorn, Alp-
hubeljoch; Emil Mantz: Col Ferret, Grande Pyramide
564 Chronik.
du Ruitor, Col de Lanzon^ Mont Emilius, Theodul-
paß, Monte Rosa (Dufourspitze) ; Prof. Minnigerode:
Cevedale- und Eisseepaß, Vertainspitze , Croda del
Lago, Croda Rossa, Kleine Zinne, Pala di San Mar-
tino, Versuch auf Cima della Pala, Saß Maor;
G. Passavant : Weiße Frau, Dündengrat, Gspaltenhom
bis zur obersten Fimpartie, Schafschnur, Groß-
Doldenhorn; Preiswerk- Ringwald : Cima di Jazzi,
Mettelhom, Mischabeljoch, Gassenriedjoch ; A. Riggm-
bach-Is(*lin: Säntis; Victor Settelen: Tschingelglet-
scher, Balmhom; Prof. Dr. Schieß-Gemuseus : Groß-
Scheerhorn, Ortler, Cevedale, Nuvolau, Basodino,
Griespaß; Otto ScJdeferdecker : Petersgrat, Großhom,
Monte Rosa (Dufourspitze), Theodulpaß; F. v. Schu-
macher: Sustenhorn- Carl So ctw: Schiahorn, Silvretta-
paß, Signalhorn, Passo di Ferro, Cima delia Bondasca,
Passo di Bondo, Passo di Val Viola, Piz ümbrail,
Ortler, Vettainspitze, Schöntaufspitze, Madritschjoch ;
Alfred Stähtilin: Htifipaß, Claridenstock, Beni-Sala bei
Blidah, Oasen von Laghuat, Biskra und Tuggurth;
E. Stähelin-Burckhardt: Schiahorn, Silvrettapaß,
Signalhorn ; J, Stehelin-Koch : Fibbia (zwei Mal), Tino
centrale, PizLucendro ; Dr. Ad. Streckeisen: Matterfaorn
(theilweise) 5 J. Weinmann: Urirothstock , Vrenelis-
gärtli, Ruchenglärnisch ; Dr. 0. Schuster: Blfimlisalp-
hom, Felikjoch, Castor, Schwarzthor, Wetterlimmi,
Rosenegg, Klein-Schreckhorn, Mönchjoch, Versuch auf
Groß-Viescherhom , Lötschenlücke , Weißhom (Zer-
matt).
V. Bern. Section Bern. Ehrenpräsident: Herr
Gottlieb Studer, Alt-Regierungsstatthalter; Präsident:
Dr. H. Dtibi; Vicepräsident : H. Körber; Cassier:
A. Schmid; Secretär: A.Francke; Bibliothekar: A. Fehl-
baum. Mitgliederzahl 194. Neu aufgenommen 20 Mit-
glieder, ausgetreten 13. Durch den Tod verloren wir
8 Mitglieder, unter diesen Prof. Dr. Chr. Aeby, eiaeü
Chronik. 565
der Pfadfinder an der Jungfrau, Fürsprecher Aebi,
bekannt als Erforscher des Triftgebietes, Lithograph
Lips, dessen Name verknüpft ist mit vielen Kunst-
beilagen unseres Jahrbuchs, und Topograph Steinmann,
seit vielen Jahren Mitarbeiter am Siegfriedatlas.
Die Monatsversammlungen waren durchschnittlich
von einigen dreißig Mitgliedern besucht. Vorträge
wurden gehalten von Ingenieur Reher : Das Samnaun ;
Prof. Schulz (Korresp.): Bietschhorn; B. Lindt:
Laxiterbrunner Breithorn; H. Körber : Seh af loch ;
Ingenieur Held: Höhlen der Sidzfluh; A. Kupfer:
Frieswylhubei; H. Löhnert: Brigels; Dr, P. Meyer :
Napf; A. Francke : Sigriswyler Rothhorn und Schaf-
loch; Kunkler: Schwarzbirg ; H. Körber: Susten-
horn; Regierungsrath v. Steiger und A, Francke:
Delegirtenbericht über die Jahresversammlung in Vil-
lars ; 0. Ritz : Von Buenos - Ayres über die Cor-
dilleren; Dr. Dübi: Touren in der Umgebung von
Kandersteg; Kürzere Mittheilungen, zum Theil brief-
lich, von Dr. Dübi; das Baltschiederlied (mitgetheilt
von Meyer von Knonau); W. Kupfer: Cordilleren;
Ingenieur Simon: Relief des Berner Oberlandes;
Dr. V. Fellenberg: Geologische Karte der Schweiz;
H, Körber: Der neue Jungfravweg u. A. m.
Die Sectionsausflüge erfreuten sich meist zahl-
reicher Betheiligung und guten Gelingens. Im April :
Frieswylhubei; Mai: Napf; Juni: Sigriswyler Roth-
horn und Schaf loch; Juli: Schwarzbirg; August:
Sustenhom; einzig die Septembertour auf die Pfeife
und den Seelibühl kam nicht zur Ausführung.
Einzeltouren: J. Beck: Aetna, Untergabelhom,
Stockhorn (Zermatt), Strahlegg, Roththalcircus, Schilt-
horn, ürirothstock ; 0. Bernhard, 1884: Piz Padella,
Piz Spignas, Piz Ot, Piz Languard, Pischa, Diavo-
lezza, Piz Ute, Piz Quattervals, Cresta Mora, Piz
della Stretta, Val Livigno; 1885: Fuorcla Surlei,
F. Fex, Piz Corvatsch, Piz Morteratsch, Piz Bemina,
566 Chronik,
Piz Vadret; R. Bratschi: Albristhorn, Wildhoni;
R. Brunner : Stilfserjoch, Dreisprachenspitz, Piz üm-
brail, Diavolezza, Griespaß, Beialp etc.; W. Brunner:
Schwarzbirg, Sustenhorn; A. Büdingen: Ewigsebnee-
horn, Finsteraarhorn, Mettelhorn, Lysjoch, Bettafurca,
Col des Cimes blanches und Gran Cemetta, Mt. Emilius ;
Dr. Th, Curtius : Schmittenhöhe, Zugspitze, Schinder,
Pyramidenspitze, Wendelstein, Sonneneck, Treffauer
Raiserspitze , Piz Fora, Ils Crutscharöls , Cima del
Largo (erste Besteigung), Fuorcla und Piz Chaptitschin,
Piz Bacone (erste Ersteigung über den Nordgra^
zweite Ersteigung überhaupt), Fuorcla del Largo
(erste Ersteigung), Piz Tremoggia und Fex-Scerscen-
paß, Polaschinpaß ; Dr. L. Darmstädter : Venediger,
Rödtspitze, Tristenöckl, Hochgall, Antholzer Scharte,
Mösele, Olperer, Hochfeiler, Cima Jazza, Cima Tosa,
Bocca di Brenta, Presanella, Como bianco, Adamello
(auf neuem Weg), Passo del Val Ario, Gaviapaß,
Cevedalepaß, Suldenspitze , Eisseepaß, Königsjoch,
Königsspitze, Ortler; Dr. Rudolf Dick: Männlifluh;
Dr. H, Dühi und Frau: Wittli- oder Dündenhom,
Zahlershorn und Birre, Doldenhorn (neuer Abstieg),
Fründenjoch (neuer üebergang), Sasso grande bei
Lugano (Denti di vecchia) ; A. Francke : Nünalphorn,
Hohenstollen ; G. Gerster-Wyß : Gornergrat, Matter-
joch, Col de la Seigne, Col de Bonhomme; A. Groß:
Schwarzbirg, Wildstrubel ; Eng, v. Jenner : Schafloch,
Sigriswyler Rothhom; Prof. Kronecker : Schilthom,
Tschingelgletscher ; J. U, Leuenberg er : Säntis, Feuer-
stein etc.; H. Löhnert: Piz Tumbif; Dr. P, Meyer:
Pizzo centrale; F, Monnard: Lötschenpaß, Hocken-
hom, Monte Rosa (Dufourspitze und Nordend), Theo-
dulpaß, Cima di Bo, Roccia Melone, Denti d' Ambin,
Levanna, Monviso (letztere vier bei Gelegenheit des
Congresso V Internazionale in Turin), Gran Sasso
dltalia etc.; Gh. Montandon: Thumen (I.Februar),
Wildgrätli am Wetterhorn, Gspaltenhorn, Wilde Frau,
Chronik, 567
Bondstock, Bttttlassen, Vanil Noir, Dent da Midi, Sul-
€gg (15. November); R. Reher: Piz Lat, Scesaplana,
Piz CotBchen, Piz Minschan, Piz d'Agnelli ; A.Ringier:
Thnrnen, Knatsch und Elsigfirst, Sulegg ; Ad. Schmidt :
Schwarzbirg; gemeinsam mit R Thormann: Sasten-
limmi, Fibbia, Pizzo centrale, Piora, Scopi, Frohnalp-
stock; Em, Steiger: Gomergrat, Hockehom; Prof.
Vetter: Piz Kesch, Seehorn, Schiahom, Rinnerhorn,
^chwarzhorn am Flüela, Maienfelder Farka ; A. Wäher :
Schwarzhom.
Von den Clabhütten erwiesen sich diejenigen am
Thältistock und im Roththal als reparaturbedürftig.
Erstere wird im Frühjahr 1886 restaurirt werden,
bei letzterer, die wahrscheinlich in Folge Auffindung
■des neuen Jungfrauweges einen stärkeren Besuch zu
gewärtigen hat, ist die Frage noch unentschieden,
ob eine Ausbesserung genügt oder eine Versetzung
von der Felswand weg nöthig wird.
Geschenke : Von Herrn Jules Beck die neue Serie
seiner Hochgebirgsphotographien ; von Herrn Dr. Ed-
mund V. Fellenberg die vollständige geologische Karte
der Schweiz, bei Anlaß der Vollendung von Blatt XVIII
derselben , an welchem v. Fellenberg zum Theil in
Gemeinschaft mit Gerlach, Renevier, Heim, Bachmann
und Mösch nicht weniger als 22 Jahre gearbeitet hat.
Das der Section Bern gehörende Schreckhorn-
thermometer wird, weil es, im Winter unter Schnee
vergraben, offenbar nicht das Kältemaximum registrirte,
von seinem Standort heruntergeholt und soll an einem
besser geeigneten Ort angebracht werden.
Am Clubfest nahmen 10 Mitglieder Theil.
VI. Bern. Section Biel. Das Comit6 wurde Ende
1884 für weitere zwei Jahre wiedergewählt aus den
Herren: L. Heer-B6trix, Präsident; E. Kuhn, Vice-
präsident; Ed. Wartmann, Secretär; J. Siegrist-Moll,
568 Chronik,
Cassier; Aug. Haag, Bibliothekar; Dr. Lanz jr., Bei-
sitzer.
Die 8ection hatte Anfangs des Jahres 42 Mit-
glieder; es traten im Laufe des Jalires auB 3, starb
I, neu hinzu kamen 3, bleiben Ende 1885 41 Mit-
glieder.
Die Gesellschaft versammelte sich in ihrem mit
Gebirgsbildem und Karten geschmtickten Locale in
5 Comite- und 6 allgemeinen Sitzungen (Theilnehmer
der letzteren 10 — 15), wobei die geschäftlidien An-
gelegenheiten, unter denen heuer die Holzversorgungs-
sache unserer Clubhütte zu erwähnen ist, und mehrere
sehr interessante Vorträge der Mitglieder behandelt
und angehört wurden, welch' letztere Touren im
Jura, den Alpen und selbst Algier, Atlas und Sahara
schilderten. Die Bibliothek wächst langsam durch
Anschaffung und Schenkung. Die Cassaverhältnisse
sind bei dem kleinen Sectionsbeitrag immer etwas
beschränkte. Dieses Jahr wurde auch ein festes Ex-
cursionsprogramm zum Voraus bestimmt, welche Ein-
richtung aber nicht den erhofften Erfolg in Bezug auf
Betheiligung hatte. Es gelangten davon zur Aus-
führung: 31. Mai Twannberg Gaicht, Frühlingsausflug
mit Damen; Theilnehmer: 15 Herren und 6 Damen.
II. bis 13. Juli: Schwarzhorn über Axalp, 12 Herren
und 1 Dame. 20. bis 24. Juli: Inspection der Ober-
aarjochhtitte durch Hm. Siegrist. An das Clubfest
reiste nur der Delegirte Wartmann.
Die unter Aufsicht der Section Biel stehende
Clubhütte am Oberaarjoch zeigte sich gut überwintert
und intact; das Mobiliar wurde durch zwei Decken,
Spiegel etc. vermehrt und einige kleine Reparaturen
vorgenommen. Auch dieses Jahr kamen Lobesbe-
zeugungen darüber der Section zu und bedauern wir^
sehr , daß die aus Vorsicht und gutem Willen ge-
troffene Anordnung zur Brennholzversorgung nicht die
Anerkennung der Delegirtenversammlung erhalten hat.
Chronik. 569
Gleichwohl tibernimmt die Section für weitere zwei
Jahre die Aufsicht und den Mobiliarunterhalt sammt
diesbezüglichen Pflichten.
Einzeltouren: Alb. Riesen : Berglihütte-Mönchsjoch-
Concordiahtitte-LötschenlUcke-Ried-Petersgrat - Lauter-
brunnen. Stegrist: Grindelwald, Schwarzhorn-Grimsel-
Pavillon Dollfus-Oberaarhorn , Oberaarjochhtitte , Nä-
gelisgrätli-Rhonegletscher , Furka. Bachschmid und
Wartmann: Blümiisalphorn mit Abstieg südwestlich
vom Rothhom gegen die Fründen. Heer, Haag, Bach^
schmid, Bähler: Schilthorn bei Murren mehrere Male^
die erBten beiden Herren zuletzt am 16. Dezember.
Gatschet und Tietze : Jochpaß. Anders, stud. jur.^
Berlin, 1884: Prövauts, Grands-Mulets, Col d'Herens^
Cima di Jazzi, Breithorn, Jungfrau, Finsteraarhorn und
Ooncordiahütte, Sandgrat, Hüfipaß, Piz Morteratsch,.
Bemina, Ortler, Königspitze, Cevedale, Weißkugel
(traversirt), Wildspitze. 1885: Düssistock, Clariden-
paß (Planura), Porta de Glioms, Oberaarhom, Finster-
aarhorn, Aletschhorn, Mettelhorn, Riffelhorn, Balfrin-
joch, Weißmies, Triftjoch, Weißhorn, Matterhorn^
Bietschhom über den Westgrat, Petersgrat, Tschingel-
paß; Eiger und Schreckhorn durch Schneegestöber
vereitelt. Roynang : Kobrbachstein. W. Stin^m: Titlis»
Vil. Bern. Section Bltimlisalp. Die Section hat
wieder ein schwaches Jahr zu verzeichnen. Fünf
Sitzungen; nur zwei Vorträge: 1) Merian: „üeber
die Wässerungscanäle im Wallis"; 2) E. Gerwer,
eand^med. : „Notizen vom Dossenhorn'*. Von (1884)
24 Mitgliedern sind 3 ausgetreten (2 wegen Wegzug»
von Thun) ; neu eingetreten 1 , so daß wir noch 22
Mann zählen.
Sectionsausflüge waren projectirt, hatten aber stet»
Unglück; ebenso eine projectirte Zusammenkunft mit
der Section Oberland. Dagegen nahmen an einer
Zusammenkunft mit der Section „Wildhorn" in Wimmis
mehrere unserer Mitglieder Theil.
570 Chronik,
Einzeltouren : Th. Gramer : Wetterhorn bis
Wildgrätli ohne Ftthrer, Jochpaß und Ochsenhubel,
Schwarzhorn (solo), Hohthürli-Wilde Frau ohne Führer,
Bundstock, Eiger, Großes Schreckhom, nebst kleinem
Spitzen in den Voralpen und in der Fremde , zum
Beispiel Gaisberg bei Salzburg. Pfarrer Stettier in
Kandergrund : Aermighom.
VIII. Bern. Section Burgdorf. Präsident: J. L.
Schnell , Fürsprecher ; Vicepräsident : P. Christen,
Architekt; Secretär : Robert Heinzer, Kaufmann;
Cassier: J. Engels, Buchhändler; Beisitzer: A. Grieb,
Kaufmann. Mitgliederzahl am Anfang des Jahres 35,
eingetreten 5, gestorben 1, ausgetreten 3. Bestand
am Ende des Jahres 36.
Die Section hielt 11 Sitzungen, jeweilen am ersten
Freitag des Monats; außerdem fanden alle 14 Tage
freie Vereinigungen statt. Vorträge hielten: Pfarrer
V. Greyerz über Touren im Saanenland; Dr. Kurz:
„Die Römerstraßen in Graubtinden" und: „Auf den
Spuren der Römer im freien Rhätien'^ ; P. Christen
liber seine Ersteigung des Eigers und Schreckhoms
und über das VIII. Capitel im Buche Zsigmondy's:
„Gefahren in den Alpen (die Anwendung des Seils)'' ;
Dr. Howald über seine Tödibesteigung ; Meister-
ZoUinger über seine Ersteigung der Diablerets.
Sectionsausflüge wurden folgende gemacht : Am
13. und 14. Juni auf den Weißenstein und die Hasen-
matt; am 4. und 5. Juli auf den Hochstollen. Die
andern projectirten Ausflüge kamen wegen Ungunst
der Witterung und Mangel an Betheiligung nicht zu
Stande.
Einzeltouren : L, Schnell : Feldberg ; P, Christen :
Zagigrat (am Balmhom) , Titlis , Eiger, Schreckhom ;
A, Grieb: Eggischhorn , Gornergrat (mit Frau):
R, Heiniger: Schwarzhorn, Faulhorn; Kneuhühlei*:
Schwarzhorn, Gerstenhorn, Faulhorn, Zagiberghom,
Chronik. 571
Schilthorn , Axalphorn ; Losinger : Titlis , Feldberg ;
Wyß: Wetterhorn, Wissig; Schneeherger^ Affolter,
Schär er: Urirothstock ; Meister: Diablerets 5 Dr. Ho-
wald (mit seinem 14jährigen Sohne Walther) : Joch-
paß, Säntis, Leistkamm, Tödi, Porta da Spescha,
M!attmark-Weißthor, Cima di Jazzi, Rohrbachstein.
IX. Bern. Sektion Oberaargau des S.A.C. für 1886.
Präsident: Johann Jakob, Notar zu Lotzwyl; Vice-
präsident und Kassier: Ernst Kaufmann, Bankkassier
in Langenthai ; Secretär und Bibliothekar : Jakob
Meyer, Gerichtspräsident in Aarwangen.
Mitgliederzahl. Bei Jahresanfang : 38. Aus- und
übergetreten in andere Sectionen: 2. Neu aufge-
nommen: 14. Bestand Ende 1885: 50 Mitglieder.
Sectionsversammlungen wurden 6 abgehalten: Am
18. Januar und 10. Mai in Ölten, letztere mit den
Sectionen Aarau, Basel, Luzern und Zofingen auf
Schloß Säheli. 12. April in Herzogenbuchsee, 10. August
in Langenthai, 15. November in Oberönz und 13. De-
zember in Bollodingen. Die Betheiligung war nach
unsem localen Verhältnissen resp. Ausdehnung unseres
Sectionsbezirkes ziemlich gut.
Vorträge wurden gehalten : Von dem Abgeordneten
über das Clubfest in Villars, Kt. Waadt, und von
Hm. Müller-Landsmann über seine Keise nach Neapel,
Vesuv und Sicilien u. s. w.
Sectionstouren wurden dies Jahr 4 ausgeführt,
nämlich: 29. Mai, von der Clus über den Roggen,
Langenbruck, Kilchzimmer, Iffenthal Ölten, 8 Theil-
nehmer; 20./21. Juni auf den Napf, 12 Theilnehmer;
11./12. Juli auf den Gotthard und Centrale, 5 Theil-
nehmer, und 21. September auf den Weißenstein und
die Hasenmatte, 9 Theilnehmer.
Einzeltouren : HH. Dr. Karl Schwander und Emil
Schwander auf das Balmhom mit vierstündigem, sehr
beschwerlichem Abstieg durch Wasserrinne in's Dala-
572 Chronik.
thal, dann von Bad Leuk über die Gizzifdrgge auf
den Lötschenpaß und in's Gasternthai. HH. £mil
Schwander und Dr. Walker auf das Schilthorn, Hoch-
kien und Hochthttrli, nebst einigen Ausflügen in die
Voralpen; Hr. Dr. Walker Balmhom, Wildstrubel,
Dossenhom und Galenstock.
Dem Clubfeste in Villars haben 3 Mitglieder bei-
gewohnt.
X. Bern. Section Oberland des S. A. C. Präsident:
K. Hecht ; Vice-Präsident und Secretär : Dr. jur. Michel,
Fürsprecher; Kassier: R. Gribi; Gustos der Samm-
lungen: G. Schlosser, Seeundarlehrer ; Bibliothekar:
J. G. Hegi, Lehrer ; Beisitzer : Jb. Maurer, zum Hotel
Beau-Rivage, und J. Anderfuhren, Ingenieur. MU-
gliederzahl auf Ende 1885: 94.
Leider verließ uns auf Ende des Jahres unser
langjähriges, eifriges Mitglied und wackerer Präsident:
Hr. Hecht, in Folge üebersiedlung nach Zürich. Der-
selbe wurde in Anbetracht seiner großen Verdienste
um unsere Section und den S. A. C. überhaupt (wir
erinnern an seine Leistungen im Führerwesen : Führer-
curse und Führer-Versicherung, in der Clubhütten-
frage, meteorologische Beobachtungen auf dem Faul-
horn etc., Förderung unserer Sammlungen und der^
Bereicherung durch eigene werthvolle Beiträge) ein-
stimmig zum Ehrenmitglied der Section Oberland er-
wählt. Das Präsidium wurde übertragen an: G. Ris,
Pfr. in Interlaken.
In den 5 Sitzungen der Section wurden Vorträge
gehalten von Pfr. Baumgartner über „Stimmen an»
den Bergen" und von Hecht über das Clubfest in
Villars-sur-OUon und damit verbundene Bergfahrten.
Der Zustand der im Vorjahre, nach sorgföldgea
Vorstudien des Herrn Pfr. Baumgartner, an einen
andern Standort versetzten Dossenhütte wurde im Auf-
trage des C.-C. und der die Aufsicht führenden Section
Chronik, 573
St. Gallen untersucht und vortrefflich befunden, üeber
die im Berichtjahre vorgenommene Verankerung der-
selben wird eine neue Inspection Auskunft verschaffen,
üosere Sammlungen wurden durch mehrere sehr will-
kommene Geschenke bereichert und fleißig benutzt.
Die projectirten Sectionsausfldge erlagen der Un-
gunst der Verhältnisse ; dagegen sind folgende Einzel-
touren zu verzeichnen : F. Suter und A. Sterchi :
Petersgrat, eintägiger Marsch von Steinberg bis Visp.
Studer: Eintägiger Marsch Zweilütschinen - Sulegg-
Schwalmeren-Ringgenberg. Körber : Axalphom, Ger-
stenhom, Schwarzhom, Pavillon Dollfus, Wylerhom.
Baumgartner und Aeby: Weitsattel und Dossenjoch
zur Inspektion der Dossenhtttte und Umgebung. Baum-
gartner allein : ünteraargletscher, Schwarzhorn, Schilt-
hom, Groß-Hundshom; Klettereien und Studien in der
Rothhomkette: Lanngrindund Rotschalpburg, Krutern-
paß und Eruternpäßli zweimal. Schöngtttsch und Roth-
horn ober den Jnnglipaß. Ris : Nägelisgrätli. Müller :
Jungfrau, Eiger, Petersgrat, Balmhorn, Alteis. Nägeli :
Am 21. Dezember Sidelhorn. von Liehr : Wendel-
stein, Rothe Wand, Brecherspitze, Bodenschneid, Läger-
kamp, Eigelspitze, Watzmann (Hocheck und Mittel-
spitze). Die vorjährigen Touren dieses Mitgliedes
inirden aus Versehen nicht in die Chronik pro 1884
eingetragen^ verdienen aber nachträgliche Eintragung
in unsere Annalen ; es sind dies vom 18. — 20. März:
Kothhom, Zäsenberg, Schwarzhorn bei Grindelwald;
im August: die beiden Mönchjoche, Jungfrau, Finster-
aarhom, Eggischhorn, Riffelhom, Expedition zur Auf-
:findung Vermißter auf den Gomergletscher bis Gadmen,
Matterhorn.
XI. Bern. Section Wildhom. Die schon im letzten
Jahre berührten Uebelstände sind nicht gehoben. Die
zu große Entfernung der einzelnen Mitglieder von
einander und der Mangel eines gemeinsamen Mittel-
574 Chronik.
punktes machen sich sehr fühlbar. Doch thun die
Mitglieder ihr Möglichstes, um die Sache des S. A. C.
in unsem Gegenden zu fördern.
Die beiden Untersectionen Saanen und Wimmi»
beabsichtigten wieder eine Zusammenkunft, die aber
nicht zu Stande kam. Drei Mitglieder besuchten das
Clubfest.
Die Untersection Saanen hielt 2 Sitzungen: am
5. Mai in Gstaad und am 31. August in Saanen.
Vortrag von Oberlehrer Wehren: Das Saanenland
topographisch und historisch behandelt.
Die Untersection Wimmis hielt 3 Sitzungen, femer
eine Zusammenkunft mit der Section Bliimlisalp. Vor-
träge: A. Hürner, cand. theoL: Excursionen im Gebiet
der Kienthalberge; Pfr. Hürner: Ein Gebirgspoet und
dessen Nachlaß.
Größere und kleinere Excursionen in der Stock-
hom- und Niesengruppe.
Einzeltouren: Ffr. Hubler: Diablerets, Geltenhom,
Wildhom (mit Clubisten aus Neuenburg und Genf).
A. Hürner, cand. theol. : Männlifluh, Bolenhom, Wilde
Frau, Btittlassen, Schilthorn und mehrere kleinere
Touren, bei denen der Genannte als Führer fungirte.
XII. Fribourg. Section du Mol6son. DurantTann^
demi^re, la section a suivi sa marche ordinaire sans
qu'il y ait des choses bien saillantes ä signaler. Do-
rant Thiver nous avons eu nos s^ances reguli^res tous
les mois. EUes ont 6t^ consacr^es aux affaires cou-
rantes administratives et ä des recits de course; je
rel^verai entre autres le röcit de Tascension du Blanc
(vallöe d'Evolfenes) par M. Repond, une traduetion
de Tascension de la Dufourspitze par les Zsigmondy,
en partant de Macugnaga, enfin une Conference de
M. Girard sur les divers syst^mes de formation des
montagnes avec croquis et dessins.
Nous avons fait en 6t6 les courses r^glementaires
Chronik, 675
de section, k la Berra, Cape-au-moine et k la Pfeiflfe ;
les courses individuelles ont 6t^ nombreuses, la plu-
part ont eu pour but nos montagnes fribourgeoises^
cependant un nombre r^jouissant de nos membre»
s'est lanc^ cette ann^e dans les hautes Alpes.
Nons avons mis k l'^tnde rascension du Mol^son^
du Vanil noir et de Folli6ran par des chemins autres^
qne ceux commun^ment suivis. Le sentier ordinaire
du Vanil noir, notre plus haute sommitö, ayant 6t6
d6truit par un ^boulement qui a rendu un passag&
tr^s-dangereux pour le commun des ascensionnistes,.
nous avons d6cid6 d'y faire placer des chatnes afin
de pr^venir des aecidents. L'op6ration se fera au
printemps.
Notre table d'orientation devait etre inauguröe en
automne, malheureusement le graveur M. Imfeid a ^ih
en retard et nous sonunes contraints de renvoyer en-^
core cette cer^monie au mois de mal prochain; il
nous tarde d'achever cette entreprise qui figure depuis
si longtemps dans nos tractanda.
Nous avons aussi d6cid6 d'augmenter le nombre
des poteaux indicateurs plac^s sur les sentiers qui*
conduisent de Bulle k Mol6son et de Charmey au Lac
noir et qui rendent de grands Services. Nous pensons^
travailler dans l'int^ret du Club en facilitant Tacc^a
de nos montagnes plus facilement accessibles aux ex-
cursionnistes ordinaires que les hautes Alpes et sur-
tout plus k la port6e de la bourse du plus grand nombre.
Nos relations avec les autres sections, avec les
sections romandes surtout, ont 6t6 des plus cordiales^
comme d'habitude au reste, nous continuons k nous.
rendre röciproquement visite k diverses 6poques de
l'ann6e.
Nous avons perdu par la mort et par d^mission
plusieurs membres d6vou6s, entre autres le g6n6rai
Oastella, un de nos amis les plus z616s; quelques-
r^ceptions ont r^tabli T^quilibre.
676 Chronik.
81 je mentionne encore une coarse d'hiver aux
Morteys faite par la section les 5 et 6 janvier, j'aurju
retrac^ les points principaux de notre activite durant
le dernier exereice.
XIII. Geneve. Section genevoise. La section compte
342 menabres (fin d^cembre 1885).
Son local, Grand'Rue 23 au 2« 6tage, est ouvert
le mardi et le vendredi des 8 henres du soir.
Sa bibliothfeque, pr^s de 600 volumes, panoramas
ou cartes, s'est augment6e en 1885 de 73 volumes et
26 cartes ou vues des Alpes. Total: 99.
üne section de chant r6guli6rement constitu6e äbs
1884 d6passe aujourd'hui le chiflfre de 20 membres.
Pendant Tann^e 1885, 15 grandes s^ances ont en
Heu. L'assistance a variö de 40 k 90. L'ordre du
jour se compose ordinairement d'une conförence ou
scientifique ou littöraire ou g6ographique. On entend
■ensuite des r^cits de course. 28 Communications prin-
cipales ont et6 ainsi faites en 1885.
9 courses de section ont r6uüi chacune de 12 ii
60 participants, mais, sauf pour Tascension du Reculet
•en janvier et le passage du Col d'H6rens en aofit, le
temps n'a pas 4te favorable.
La course des sections romandes dont la direction
4cheait k Genfeve a r6uni une centaine de participants.
Les sections de Vaud, Neuchätel, Fribourg, Valais
■et Mont-Blane j 6taient repr6sent6es.
Le diner annuel a eu Heu le 5 d6cembre. On y
a compte 132 convives parmi lesqueUes des d616gufe
des sections Diablerets, Jaman — Mont-Blanc, Aix-
les-bains, Lyon.
La section genevoise a 6t6 repr^sentee au Ckmgr^s
national et international de Turin par MM. Henri
Bourrit et Alfred Pictet. Les deux d^l^gn^s k Villars
ont 6t6 MM. A. Freundler et MoYse Briquet. 43 Genevois
assistaient k cette belle fSte.
Chronik. 577
XIV. Glarus. Section Tödi. Die Hauptthätigkeit
^er Section im Berichtsjahre bestand in der Erbauung
4er Clubhütte am Ruchenglämisch, deren glückliche
Vollendung wir Ihnen im September melden konnten.
Wie aus dem letzten Jahresberichte hervorgeht,
war unser Comite in Sache nur so weit einig, als
man von der Nothwendigkeit eines Neubaues über-
zeugt war, während die Platzfrage Anfangs des ver-
flossenen Jahres noch der Lösung harrte. Wir wollen
-die Gründe hier nicht wiederholen, welche uns nach
-eingehendem und unparteiischem Studium an Ort und
^Stelle (Anfangs Juni) dazu bestimmten, der Section
einstimmig den alten Standort vorzuschlagen, können
es aber nicht unterlassen, zu betonen, daß man es
heute geradezu bedauern würde, falls die Hütte nach
4ein Fimband (obere Stelle) placirt worden wäre.
^ach der Meinung Aller, die der Einweihung vom
21./22. September beigewohnt haben, ist das Richtige
getroffen worden, speciell mit Rücksicht auf die Ein-
ibeilung des Weges. Und wie schlimm es mit dem
Wasser an der oberen Stelle gelegentlich bestellt
wäre, davon wissen gerade die Theilnehmer an der
Einweihungsfeier zu erzählen.
In baulicher Hinsicht darf das Werk ebenfalls als
ein gelungenes bezeichnet werden, und existirt in der
Schweiz wohl keine zweite Hütte, die den Anforderungen,
welche an eine solche gestellt werden können, in so
weitgehendem Maße entspricht.
Daß all' das Schöne aber auch viel Geld gekostet,
brauchen wir kaum zu sagen. Der Bauconto ver-
zeichnet die stattliche Summe von Fr. 7400 Ausgaben,
^enen Fr. 5500 Einnahmen gegenüberstehen. Von
letzteren verdanken wir der Tit. Centralcasse Fr. 1500,
^er Section Basel Fr. 200, Winterthur Fr. 200, Uto
JPr- 400, während uns die Section Bachtel in gewohnter
generöser Weise wie alljährlich einen Beitrag an die
Unterhaltskosten zukommen ließ. Allen Gebern noch-
xnals unsern verbindlichsten Dank!
37
578 Chronik.
Wir zweifeln nicht, daß die neue Hütte im Laufe
der nächsten Jahre von Olubisten häufig benützt werden
wird; und empfehlen wir dieselbe bei dieser Gelegenheit
ihrem Schutze!
Die Clubhütte am Grünhorn befindet sich fort-
während in gutem Zustande und gab zu k^nerlei
Maßnahmen Vei'anlassung.
Was die gewohnten VereiBsangelegenheiten anbe-
trifft, so wurden im vergangen^i Jahre drei ordentliche
Hauptversammlungen abgehalten und zwar im Januar,
Juni und December. Außerdem fanden sich die Mit-
glieder in gri^erer Zahl zusammen: beim Bankett,
verbunden mit Ball, beim Winterausflug nach Linih-
thal und bei der Clubhütteneinweihung, welch' letzterer
Feier die Gunst des Wetters in seltenem Maße zu
Theil wurde. Es waren zwei unvergleichlich schdne
Tage!
Von den vier officiellen Touren unseres Frograimue»
gelangten zwei zur Ausführung : 1) Der Böse Faulen
von der Alp Dreckloch aus (Chef Herr F. Oertly-
Jenny) ; 2) Piz Segnes (Chef Herr Caspar Hösiy).
Die Mitgiiederzahl beträgt heute 96 (wovon S
Sections-Ehrenmitglieder) , ist also gleich geblieben
wie sie letztes Jahr zur Zeit der Berichterstattung war.
XV. Graubiinderu Section Ehätia. Mitgiiederzahl
auf 1. Januar 1885 102. Mil^lieder des Vorstandes:
Präsident: Fr. v. Salis, Oberingenieur; Vieepräsident :
Dr. med. Ed. Killias; Actuar: Prof. Chr. Gr. Brägger;
Cassier: Rudolf Zuan; Beisitzer: Dr. med. P.Lopem;
Stellvertreter: Lehrer Fl. Davatz.
Tractanden: Es wurden im Glänzen 15 Sitzungen
(wovon 9 auf das erste, 6 auf das zweite Semester
fallen) abgehalten, welche durchschnittlich von ^
(im ersten Semester 10, im zweiten 8) Mitgliederu
besucht wurden. Die wichtigsten Traetanden waren,
außer den gewöhnlichen, alljährlich wiederkehrenden
Chronik, 579
Vereinsgeschäften (in 11 Sitzungen) und in jeder
Sitzung üblichen Vorlagen von eingegangenen Zeit-
schriften und anderer neuer Literatur: das Ftihrer-
wesen (in 6 Sitzungen), unsere Clubhtitten und Wege
(Inspectionsberichte , Reparaturen, neue Projecte, in
7 Sitzungen), unsere Steinwildcolonie im Welschtobel
(in 12 Sitzungen), die cantonalen Freiberg-Reviere und
ihre Verlegung (3 Sitzungen), Pflanzenschutzvereine
und Edelweiß (2 Sitzungen), Beitrag an's Saussure-
monument etc. Referate, Berichte, wissenschaftliche
Mittheilungen und Vorweisungen kamen, in 10 Sitzungen,
von Seite nachfolgender Herren: Bezirksingenieur
IL Alberiini: Messungen über den Rückgang des
Morteratschgletschers ; Prof. Chr, G. Brugger: Be-
strebungen des Genfer Vereins für Pflanzenschutz und
Alpenpflanzencultur , Erinnerungen an Prof. 0. Heer
und dessen Reisen durch Graubttnden an den Comersee
(1843 und 1863) und nach Wien (Garten von Schön-
brnnn mit Steinbockgehege, 1856), die Flora von
Avers mit Vorweisung seines handschriftlichen Cata-
log'es und Berichtigungen zu F. Käsers (im letzten
Jahrbuch, S. 364 — 393 abgedrucktem) lateinischem
Namensverzeichniß, ein Veilchen aus der Schneeregion
der penninischen Alpen (mit Vorweisung); Lehrer
FL Davatz: Zur Kartographie der Torrone- Gruppe
(nach Lurani's „Montagne di Val Masino"), Excursion
auf den Sassalbo (2858 ™) in Poschiavo, Vorweisungen
von Skizzen und Pflanzen des Sassalbo und der Comi
di Canzo; L. HUz-Hatz: ein Winterbesuch der Stein-
wildcolonie im Welschtobel; Dr. E. Killias: Zur
Nomenclatur der Torrone-Gruppe, die neue Monats-
schrift „Naturalista Valtellinese'^ ; Dr. P. Lorenz:
Berieht über seine Inspection der Aelahütte und seinen
in deren Nähe angelegten Pflanzgarten ; Forstinspector
Oh. Mannt: Gutachten über die (successive) Veriegong
<jer bündnerischen Freiberg - Reviere ; Telegraphen-
inspector P. v, Salis: Vorweisung eines Entwtrrfes
580 Chronik,
zu einer Orientirungstafel für. den Standpunkt beim
Haldenpavillon (Chur).
Die in unserem vorigen Jahresberichte erwähnten
Anordnungen, welche wir im Interesse der Vermehrung
unserer Steinwildcolonie getroffen hatten , führten
rasch zum Ziele. Zwei trächtige Halbblutziegen konnten,
nicht ohne Schwierigkeit, im Januar eingefangen und
nach dem nahen Arosa (1740™) übergeführt werden,
wo sie, passend untergebracht und mit Bergheu ge-
futtert, im März (am 2. die eine, am 22. die andere)
je zwei muntere Zicklein (leider lauter Böcklein)
warfen, womit der Bestand des Rudels plötzlich wieder
auf 9 Köpfe, d. h. den Status von anno 1880, ge-
bracht wurde. Im Juni konnten dann die beiden in
Arosa internirten Mutterthiere sammt ihren kräftig
entwickelten drei Jungen (nachdem im Mai eines der-
selben mit Tod abgegangen) in's Welschtobel zu den
im Freien überwinterten &enossen zurückgeführt und
wieder in Freiheit gesetzt werden. Hier gediehen die
Jungen so rasch und kräftig heran, daß einer der
im März geworfenen Zwillinge bereits Ende November,
nachdem er mit vieler Mühe eingefangen (was bei
den älteren Böcken sich als unmöglich erwies) und
nach Araschga herausgeführt, zum Belegen einer drei-
jährigen Halbblutgais aus dem Basler zoologischen
Garten verwendet werden konnte. (Dieses schöne
Thier war uns nämlich vom Verwaltungsrathe ge-
nannten Instituts in sehr verdankenswerther Weise
zum Geschenk gemacht und im October hieher trans-
portirt worden.) Von der, im Januar anscheinend
trächtig gewesenen, wilden Halbblutgais, welche da-
mals nicht eingefangen werden konnte und daher in
Gesellschaft der alten Böcke in der Wildniß über-
wintert hatte, konnte abermals keinerlei Nachkommen-
schaft oder Spuren einer solchen aufgefunden werden,
ohne Zweifel aus demselben Grunde, den wir schon längst
vermuthet hatten und der nunmehr eine an Gewiß-
Chronik, 581
heit grenzende Wahrscheinlichkeit erlangt hat — weil
sie wiederum, wie seit Jahren, dem dortigen zudring-
lichen Raubzeug, wohl schon in den ersten Lebens-
tagen, zum Opfer gefallen.
XVI. Luzern. Section Pilatus. Vorstand: Präsident:
Dr. Carl Hofstetter, Spitalarzt; Vicepräsident : Major
0. Balthasar, Kaufmann ; Actuar : V. Fries, Lehrer ;
Cassier : A. Breitschmid , Kaufmann ; Bibliothekar :
C. Strtibin, Kaufmann. Mitgliederzahl 73 nebst 2 Ehren-
mitgliedern (1885 79).
Versammlungen. Es wurden 8 Sections- und 2 Vor-
standssitzungen abgehalten, von welchen die erstem
von 9 — 22 Mitgliedern besucht wurden.
Vorträge. Dr. C. Hofstetter: Demonstration einer
Verbandpatrone für die erste Hülfe bei Verletzungen
auf Clubfahrten ; Dr. R. Stierlin : Verschiedene Exem-
plare des Alpenmauerläufers mit erläuternden Be-
merkungen über die Biologie des Vogels; Ingenieur
Eggermann : Notizen über die Geschichte der Matter-
hornbesteigungen , Schilderung der eigenen Matter-
hornfahrt.
Excursionen. Sectionsausfltige: Am 25. Januar 1885
erstiegen 4 Mitglieder der Section Pilatus, 1 Mitglied
der Section Uto und 1 Gast den Pilatus ; den 8. Feb-
ruar 1885 wurde von 4 Sectionsmitgliedern dieFrohnalp
genommen; am 12.^13. Juli wurde der Galenstock
von 11 Sectionsmitgliedern in Begleitung der Führer
A. Zgraggen, Vater, und Indergand erstiegen.
Einzelfahrten: Oscar Balthasar, mit Führer, am
1. und 2. Februar Clausenpaß; Eggermann^ Schmid,
Stutzer und Gut: Z.-Breithom, Eggischhorn; Egger -
mann und Schmid mit Führer Bollinger und Biner :
Matterhorn von Zermatt aus am 17. /18. August 1885;
Eggermann, Burri, Stutzer, Breitschmidwnö. Schmid:
Six Madün; Stutzer und Schmid: Urirothstock; Stutzer
und Gut : Col d'Herens ; Eggermann, Schmid, Stutzer
682 Chronik,
und Breitschmid : Sonnengrat ; Breüschmid, Burri und
Hofstetter: Am 15./1 6. August , führerloser Versuch
einer Besteigung des Pizzo Rotondo, circa 30™ unter
dem Gipfel zur Umkehr gezwungen.
Außer den genannten Punkten wurden im Laufe
des Jahres 1885 noch eine ganze Reihe kleinerer
Gruppenfahrten auf Pilatus, Mythen, Frohnalp etc.
unternommen.
Das Jahresfest besuchten als Delegirte die Herren
Dr. Hofstetter und Egli, Nordostbahnbeamter.
Während die Hüfiälpelihvtte auf Kosten der
Section Pilatus durch die Section Gotthard im lau-
fenden Jahre vollständig renovirt werden soll, wofür
im Jahre 1885 bereits Fr. 120 Credit angesetzt
worden sind, stehen wir mit der Section Gotthard
noch in ünterhandhing wegen der Beaufsichtigung in
Zukunft. Ein bezilglicher Vertrag ist bereits mit Aus-
nahme einiger unwesentlicher Punkte vereinbart und
wird demnächst in seinen Grundzügen in der Alpen-
zeitung zur allgemeinen Eenntniß gebracht werden.
XVII. Neuchätel. Section neuchäteloise. President:
Rod. Schinz, n6g.; Vice-prösident: A. Bovet, ban-
quier; Secr^taire: V. Attinger, imprimeur; Caissier:
Jean Schelling , n^g. ; Assesseurs : Aug. Monnier,
avocat, et Ch. Michel, n6g., correspondant de l'Echo
des Alpes.
L'effectif de la section est de 92 membres, en
augmentation de 7 sur l'exercice pröe^dent. Les
s^ances ont eu lieu reguli^rement le premier mardi
de chaque mois et ont et6 remplies par des recits
de courses et ascensions , des relations de voyage ou
d'autres Communications.
Les courses de section executees sont au nombre
de trois: Chasseron, Mont-Aubert et le Buet. Toutes
ont tr^s-bien reussi avec un nombre r^jouissant de
participants. Les trois autres courses pr^vues par le
Chronik, 583
Programme sont litt^ralement tomb^es dans Teau^
l'une au printemps, les autres en automne.
La li-ste de» courses individuelles a parn dans
l'Eeho des Alpe» (N<» 4, 1885), inutile de la faire
Igarer ici« Deux ascensions toutefois m^ritent üne
mention speciale. La troisieme du Tour noir, et la
pren^iere du Darrey (3535"*) , toue deux dans le
^assif du Monlblane, ex^cut^es par M. L. Kurz, qni
« en eutre fait le premier passage du Col de Plane-
reus*e.
La seetian ^tait repr^sent^e par 7 membres ä la
fgte de Villars.
Le local de la seetion se trouve Hotel Du Peyrou,
1^ 6tage, au-deesus du Cercle du Mus^e.
XVIII. St. Gallen. Seetion St. Gallen. Vorstand :
Ehrenpräsident : Dr. Fr. v. Tschudy ; Präsident :
Theopbil Borel ; Vieepräsident : C. W. Stein ; Cassier :
€. W. Keller; Bibliothekar: Robert Schieß; Actuar:
J. Farrer.
Ende 1885 betrug die Mitgliederzahl 117. Aus-
getreten sind 8 Mitglieder (3 ausgetreten, 5 ge-
storben); eingetreten sind 11 Mitglieder.
Jeden letzten Freitag des Monats hielt die See-
tion ihre Sitzung ab ; an den übrigen Freitagen fanden
freiwillige Zusainmenkünfte im Clubiocale statt.
In Anerkennung seiner bedeutenden clubistisehen
Verdienste wurde Hr. J. J. Weilenmann zum Ehren-
mitglied der Seetion ernannt.
Vorträge wurden gehalten von den HH. Arnold;
a) über Meteorologie; b) Sectionstour auf den Haus-
stock; Borel: Besteigung des Riffler; Haase: Bestei-
gung des Piz Morteratsch ; Sand-Frank : a) Tour auf
den Hochergel; b) Besteigung von Sulzfluh und Aug-
stenberg; e) 14tägige Tour im AUgäu und Tyrol.
An den von der Seetion Säntis veranstalteten, in
ümäsch abgehaltenen Ftihrerkurs wurden ein Beitrag
584 Chronik.
von Fr. 75 und 10 Gratisexemplare unseres Säntis-
panoramas gespendet.
In der Erfüllung unserer Verpflichtungen puncto
Dossenhornhütte wurden wir auch dies Jahr in ver-
dankenswerthester Weise von Hrn. Pfarrer Baum-
gartner in Brienz unterstützt. Die Frage der Ein-
bürgerung von Murmelthieren in das Säntisgebiet ist
nun soweit gefördert, daß mit passender Jahreszeit
mit der Versetzung der Thiere begonnen werden
kann.
Sectionsausflüge wurden ausgeführt : Januar : Spa-
ziergang nach Teufen ; April : Rorschacherberg ; Jnni r
Urnäsch -Kronberg- Appenzell ; ferner : Weißbad-Fäh-
lensee-Saxerlücke (Fortsetzung über die Roslen nach
Wildhaus konnte wegen ungünstiger Witterung leider
auch dies Jahr nicht ausgeführt werden) ; Juli : Haus-
stock; August: Glannenkopf (Alviergruppe) ; ferner:
Damentour auf den Irchel; September: Säntis; Oc-
tober: Gäbris-St. Antoni-Au.
Von Einzeltouren gelangten zu unserer Kenntniß:
Arnold: Hausstock. Beyer: Scesaplana, Üri-Roth-
stock. Borel: Drei Schwestern, Riffler, Schafbuefi-
joch, Presanella (-Cima Nardis), Bocca di Brenta, Cima
Tosa, Cima Brenta alta, Leipzigerhütte am Mandron,
Presenapaß, Val di Sole und Val di Non. Grauei'-
Frey : Von Wengernalp über Guggigletscher, Schnee-
hom, Silbergrat auf die Jungfrauspitze; über Bergli-
hütte nach Grindel wald. Dr. med. Gruhenmann und
Bodenmann: Erste 1885er Jungfraubesteigung am
26. und 27. Juni bei noch ungünstigen Eis- und
Schneeverhältnissen. Von Grindelwald über Mönchs-
joch zur Spitze 5 Abstieg über Concordiahütte-Aletscb-
gletscher-Eggischhorn-Fiesch (Wallis). Hämmerle :
Gypsberg, Fundelkopf, Calanda, Parseierspitze, Riffler,
Mädelegabel, Mörzelspitze, Hohe Freschen, Faselfad-
spitze, Marmolata, Anteiao, Monte piano, Monte Cri-
stallo, Schwarzenstein. E. Kuhn : Piz Kesch, Bemina
i
i
Chronik. 585
(von Boval aus über das Labyrinth). K, Kuhn:
Ringelspitze. Mettler - Wolf: Von Ried Über die
LötsehenlUcke und über den großen Aletschgletscher
nach dem Eggischhom. Von Mattmark Über das Weiß-
thor, bei der Cima di Jazz! vorbei nach dem Riffel-
hotel. Purtscheller: 1) Ewigen Schnee-Gebirge: Tag-
weide. 2) Tschirgant. 3) Lechthaler Alpen, Hinterer
Platteinkopf, neu. 4) Dachsteingruppe: Hohe Rams-
spitze, Scheichenspitze. 5) Dachsteingebirge : Eselstein^
Sinabell. 6) Ewigen Schnee - Gebirge : Eibleck, Floß-
kogel, Hochkönig. 7) Hagengebirge : Hochgeschirr
8) Niedere Tauern, neu: Gamskarlspitze, Wildkogel^
Stierlahner, Wildkarhöhe. Dachsteingruppe: 9) Groß-
wand. 10) Rettenstein. 11) Großer Koppenkarstein^
Kleiner Koppenkarstein, Südliches Dirndl. 12) Hoher
Gjaidstein , Htihnerkogel. Berchtesgadener Alpen :
13) Südliche Watzmannsspitze , Mittlere Watzmanns-
spitze. 14) Hochkalter, Blaueisspitze neu. Radstädter
Tauern: 15) Seekarspitze. 16) Speiereck, Schareck^
Glocknergruppe: 17) Sinnewelleck , Fuscherkarkopf.
18) Rächerin, Wasserradkogel, neu; Spielmann, Kloben^
Brennkogel. 19) Ankogel. Gasteiner Alpen : 20) Kreuz-
eck, Radhausberg. Dauphine-Alpen : 21) Aiguille
d'Arve du Nord, dito Central. 22) Pic de Gol6on.
23) Grande Aiguille. 24) Aiguille du Plat. 25) Tete
de la Maye, Tete de TOr, Tgte du Roujet. 26) Bee
de rhomme. 27) Pic Central de la Meije, Pic Occi-
dental. 28) Grande Ruine. 29) Barre des Ecrins.
30) Pelvoux (Schneegipfel, Pyramidengipfel. Grajische
Alpen: 31) Monte Viso. 32) Grand Paradis. 33)'Punta
del Pousset. 34) Grivola. Kalkkögel bei Innsbruck:
35) Ampferstein, Marchreißenspitze. Karwendelgebirge:
36) Hafelekor, Gleirspitze, Mannlspitze, Gleirschthaler
Brandjoch. 37) Glocknergnippe : Todenköpfl, neu.
38) Granatkogelgruppe : Granatspitze. 39) Berchtes-
gadener Alpen: Hocheisspitze. 40) Birnhorngruppe :
Großes Dreizinthorn , neu. 41) Karwendelgebirge:
586 Chronik.
Taarerjoch. Die Touren 1 — 8 und 4X sind Winter-
tonren. Reksteiner : Hochvogel. Sand-Frank : Hoch-
vogel, Widderstein, Mädelegabel. Sautner: Einige
Touren in der Kosengartengruppe mit erster Besteigung
4er Grafleitenspitze. Langkofel mit neuem Aufstieg.
Mesulus in der Sellagruppe. Zwei neue Besteigungen
in der Gaislergruppe. (Alle Touren ohne Führer.)
Schelling : Hausstock. Schulz: Eibleck, Hochkönig,
Floßkogel^ Untersberg, nördliche und südliche Aiguiile
d^Arve, Pic Gol6on, Grande Ruine, Breche Charri^re,
Aiguiile du Plat, T^te de la Maye, Barre des Ecrins,
Pelvoux, Monte Viso, Grand Paradis, Grivola, Pnnta
del Ponsset (oaeist ohne Führer). Seiler: Hausstock.
Studer^Lenz: Blümlisalphom. Volland: Calanda,
Zimbaspitze, Faselfathspitze, erste Ersteigung ; Riffler,
Parseierspitze, Vedretta marmolata, Monte Anteiao,
Monte Cristallo, Schwarzenstein. Wiesner: Ortler-
gruppe: Hintere Schöntaufspitze, Ortler, Cevedale.
XIX. St. Gallen. Section Alvier. Präsident: J. Roh-
rer , Oberstlieutenant , Buchs ; Cassier : U. Rohrer,
Bankverwalter, Buchs; Actuar: J. A. Rohrer, Real-
lehrer, Buchs; Beisitzer: M. Bächtold, Bezirksförster,
Ragaz; R. Rietmann, Bezirksförster, Buchs.
Die erste Hauptversammlung fand im Juni statt.
Die zweite konnte eingetretener Umstände halber im
Dezember, nicht wie sonst üblich, abgehalten werden.
Es wurden zwei Bergtouren bestimmt und auch
von mehreren Clubgenossen ausgeführt. 1) Plauen-
kopf-Faulfirst-Alvier-Mels; 2) Mels-Weißtannen-Heidd-
Vättis-Ragaz.
Die Clubhütte der Section (auf dem Alvier) wurde
einer einläßlichen Prüfung unterstellt. Alles über den
Winter schadhaft Gewordene wurde wieder reparirt;
ebenso die Zugangswege. Der Alvier erfreute sich
einer ziemlich großen Frequenz.
Comitesitzungen wurden fünf gehalten.
Chronik, 587
XX. St. Gallen. Section Toggenbarg.
Auf das Prädicat großer Thätigkeit können wir
auch 1885, wie die frühem Jahre, keinen An-
spruch machen. Einzig dem Unterhalt des Weges
auf den Säntis, Nordseite, und der Clubhütte auf
Thierwies widmen wir stets Zeit und Geld, was bei
unserer kleinen Mitgliederzahl von 16 wohl eine
Leistung genannt werden darf. Dieses Jahr steht uns
eine neue Bedachung der Hütte mit Erweiterung des
Schlafraumes bevor, doch hoffen wir mit der Beihülfe
der Nachbarsection Säntis und des Centralcomit^ das
noch ausführen zu können.
Am Clubfest im Canton Waadt war unsere Section
nicht vertreten.
Es fand nur eine Sectionsversammlung und ein
gemeinschaftlicher Ausflug statt.
Die Commission besteht unverändert, wie sie im
neuen Mitglieder verzeichniß aufgeführt ist, und ebenso
die Zahl und die Namen der Mitglieder. Eine Ver-
mehrung der Mitgliederzahl streben wir umsonst an.
Gegenwärtig haben Milchwirthschaft , Stickerei und
Weberei schlechte Zeit, Fremdenverkehr haben wir
keinen und der Vereine sind allenthalben ohnehin
schon zu viel.
XXI. Schwyz. Section Mythen. Präsident: Josef
Bettschart, Ingenieur; Cassier: Theodor Schuler, Quar-
tiermeister; Actuar: Jos. Stutzer, Apotheker.
28 Mitglieder. 6 Versammlungen.
Die früher unter der Protection der Section
stehende Mythenhütte brannte den 3. August gänzlich
nieder. Im Interesse einer bessern und billigen Ver-
pflegung der Touristen entschloß sich die Section,
die Hütte selbst wieder aufzubauen, ebenso den alten
Mythenweg zu verbessern und im obern Theil neu
zu erstellen und so den Berg auch für Wintertouren
offen zu halten. Die hiefür nöthigen Gelder sollen
588 Chronik,
theils durch freiwillige Beiträge der Central- und
Sectionscassen, theils durch Actien beschafft werden.
Den Wirthschaftsbetrieb in der neuen Hütte besorgt
ein Pächter, dem die Section Preise und Qualität der
Verpflegungsgegenstände bestimmt. Die Controle übt
eine Htittencommission, welche allfallige Klagen direct
oder vermittelst des in der Hütte aufliegenden Be-
schwerdebuches regelt.
Der Frühlingsausflug der Section auf die Seelis-
berger Kulm oder Niederbauen war vom herrlichsten
Wetter begünstigt.
Im speciellen Excursionsgebiet der Section pro
1884 86 in den Riemenstaldenbergen (vom Achslen
bis Rophaien) wurde die nördliche Spitze des Blum-
berges (2376™) zum ersten Mal vom Sectionspräsi-
denten bestiegen. Punkt 2440 (Schnurstock) erreicht«
ein Mitglied der Section Pilatus.
Freie Fahrten wurden ausgeführt: Drusberg im
Iberg: AnLBürgi; Titlis, Trift und Rhonegletscher:
G. und F. Fsißhind, v. Weber; vom Genfer- zum
Vierwaldstättersee über Aigle, Villars, Chamossaire,
Col de Pillon, G steig, Chrinnen, Lauenen, Trütlispaß,
Lenk , Hahnenmoos , Adelboden , Interlaken , Brünig,
Alpnach: Bettschart, Schuler , Theiler, t). Weher,
Winterfahrten: Uri- Rothstock , 28. Dezember:
J. Bettschart.
Das Clubfest in Villars-sur-Ollon besuchten vier
Mitglieder.
XXII. Unterwaiden. Section Titlis. Die Section
Titlis zählt gegenwärtig 24 Mitglieder und hat Aus-
sicht, in nächster Zeit wieder ein paar sehr tüchtige
und erprobte Kräfte für den Verein zu gewinnen.
Die Section hielt im Jahre 1885 blos zwei Ver-
sammlungen ab, nämlich eine Hauptversammlung im
Januar im Hotel „Pilatus" in Alpnach tind eine solche
am 16. August im Hotel zum „Engel" in Stans.
Chronik. 589
Nebst Wahlen in den Vorstand, Bestimmung der
Delegirten an die Jahresfeste des Schweiz. Alpenclubs
und Aufnahme neuer Mitglieder, wurde in den beiden
Versammlungen viel für die Förderung und das Ge-
deihen des Club Wesens sehr Einflußreiches und Er-
sprießliches beschlossen.
Unser Mitglied, Hr. Xav. Imfeid, überließ der
Sectionsbibliothek eine werthvoUe Sammlung seiner
Panoramen.
Am Clubfeste in Altdorf betheiligten sich neun
Mitglieder, wovon fünf nach Beendigung des Festes
den Marsch über das Isenthal nach dem Rothgrätli
antraten, um über diesen Paß zur Einweihung der
Plankenalp -Club hütte zu gelangen, ein Plan, der durch
schlechtes Wetter vereitelt wurde.
Neu in die Section aufgenommen wurden sechs
Mitglieder.
Mit Herrn Cattani „zum Titlis" in Engelberg
wurde ein Vertrag zu Stande gebracht, gemäß wel-
chem derselbe gegen Anhandnahme des Betrages aus
'der Centralcasse (Fr. 800) zur Aufstellung und zum
fortwährenden Unterhalt der Clubhtitte auf der Planken-
alp verpflichtet wurde. Der Vertrag muß als Ser-
vitut des Hotel Titlis in Engelberg bei Handände-
rungen grundbuchlich protokoUirt werden.
Es wurde auch die Aufstellung eines gemeinsamen
Ftihrerreglementes beschlossen und diesfalls ein Mit-
glied der Section mit der Sammlung des Materials
betraut.
Im September unternahm die Section eine Be-
.öteigung des Uri-Rothstockes von der Engelberger-
seite auf.
Einzeltouren: Säntis über den Klausenpaß: Hr.
Hptm. Odermatt, Buochs ; Rothgrätli : Hr. Fürsprecher
JM[. Lussi; Wallenstöcke und Kaiserstöck: Der Obige;
Titlis: Mehrere; Spannörter: Dito.
Als Präsident für des Jahr 1885 wurde an die
590 Chronik,
Stelle des Herrn Dr. £ttlin gewählt : Herr Ed. Cattani,
Oberrichter, zum Titlis in Engelberg ; als Cassier be-
stätigt: Herr Oberstl. Blättler und als Aktuar gewählt:
Herr Advocat Lussi, Stans.
XXIII. Uri. Section Gotthard. Vorstand: Präsi-
dent: W. V, Röder, Betriebsinspector der G.-B., Alt-
dorf; Actuar: A. Brunner, Bahningenieur der G.-B.^
Erstfeld ; Cassier : A. Villiger, zum Schlüssel, Altdorf.
Auf Ende 1885 zählte die Sektion 46 Mitglieder,
wovon neun in anderen Kantonen und fünf im Aus-
lände wohnten. Eingetreten sind acht, ausgetreten
ein Mitglied. Die Section wurde zu drei ordentlichen
und einer außerordentlichen Sitzung zusammenberufeB.
Das Clubfest wurde nur vom Seotionsdelegirten besucht.
Ein Sectionsansflug nach Andermatt, Fellilücke,
Amsteg wurde von drei Mitgliedern unternommen^
was dem unsicheren Wetter zuzuschreiben war.
Einzeltouren: Apotheker Htiber: Unterschächen-
Griesthal-Hoh-Faulen, Ruchkehlenpaß, UnterschädieR-
Groß-Spitzen, ünterschächen-LammeTbach-Hoch- WeS'
pen-Aesch; Ingenieur Meyer: Nägeüsgrätli, Galenstock;
A. Müller : Roßstock, Fellihorn, Geißberg, PUttistiege»
Sittlisserhorn • Plattigrat - Hoh-Faulen ; Seb. Müüer :
Muttenhorn, Leckipaß-Leokihom; W. v. Röder: Schlofi-
berglticke, Mont Avril, Col de Fen^tre, Theodulpaß^
Breithom, Mattmark -Weißthor; Walthcr t. Bohr:
Titlis, Finsteraarhora.
XXIV. Vatais. Section Monte-Rosa. CoBipodtien du
Comit^: President: Ant. de Torrente; vice-pr^sideBts:
Jul. Zen-Ruffinen, Jos. Seiler et G. Lommel; secr6taire:
P. de Rivaz; caissier: Jos. Ribordy; bibliotii^cttre:
Raph Ritz.
Ikirant Tann^e nous avons eu 21 aidnussioas, six
d^missions et deux d6e^s. Effectif au 31 d^cembre
1885: 103 membres.
Chronik, 591
Quatre r^unions statutaires out eu lien ä Sion, k
Brigue et k Montliey, membres presents de 15 A 25
en moyenne.
Tractanda: Affaires eourantes, modifieations ans:
Statuts de la section essentiellement pour compl6ter
les articles relatifs k la bibliothöqae. Commimicationa
sur des sujets ayant trait au mouvement des glaciers^
4 l'hißtoire du Valais, r6cits de courses et ascensions^
et question des cabanes.
Les eabanes, dont Tentretien est k la eharge de
notre section, sont les suivantes:
Stockje fut r6par6, les meubles renouvel^s et
fait de nouveaux achats. Cette cabane se troave-
donc en etat convenable, mais pas encore süffisant
en vue de son importance. A mesnre que nos res-
sources le permettront, tous nos soins seront port^»
au bon entretien des eabanes.
Concordia. öräce k -l'attention de Mr. Cathrein,.
cette cabane a re9U une batterie de cuisine neuve,.
des couvertures et autres objets nöcessaires.
Weißhom, Seulement le strict n6cessaire y a
et6 execttt6, cette cabane n'6tant plus solide doit $tre
reconstruite en entier.
Nous esp^rons r6aliser ce projet en 1886 avec
un apport de la caisse centrale.
La bibliothöque et la coUection des fragments
de röche de sommites ne re9oivent pas le d6veloppe-
ment comme jadis; ce retour k l'aneienne participa-
tion plus active est vivement desirö.
Courses individuelles: Mr. Alexandre Seiler:
Dent blanche, Weißhorn, Breithom du cöte nord;
Jul. Zehn- Ruf finen: Pigno d'Arolla; Ferd. de Roten:
Diablerets, Pigno d'Arolla et Rosa blanche; Ant. d©
Torrente: Monte Leone, Pigno d'Arolla.
Course collective: Les clubistes de Monthey par
le col de Chesery, lac Riond et vall6e de 8t.-Jean
d'Aulph en hiver.
592 Chronik,
A la r^union generale du C. A. S. a Villars
seulement 13 membres ont pu prendre part, un grand
Bombre se trouvait eii Service militaire et d^autres
furent empech^s par le döc^s d'un collegue.
XXV.Vaud. Section des Diablerets. Comite en 1885:
a) Bureau. President : H. de Constant ; Vice-president:
E. MercierServet; Secretaire: Dr. E. de la Harpe,
puis R. Guisan; Caissier: A. Barbey; Bibliothecaire :
W. Cart. b) Delegu^s de la sous-section de Jaman:
J. Guex et E. Burnat.
Changemeuts pour 1886: Vice-president: E. CoiTe-
-von; Secretaire: F. Feyler; Caissier: A. van Muyden;
Bibliothecaire: R. Guisan.
Du 1®' janvier au 31 decembre, il y a eu vingt-
.huit admissions, 21 d^missions et 2 d6ces. Effectif
^u 1®' janvier 1886: 279 membres, sauf erreur.
La section a tenu 9 s6ances, fr6quent6es par une
moyenne de 18 membres, 3 assemblees gen^rales et
un banquet. Deux sujets de topographie, deux de
.g6ographie, un de m6t6orologie, un de physiologie
«t un de physique ont 6te traitös dans les s^ances.
La circulation des ouvrages de la biblioth^que
^ 6te de 53 volumes et 10 cartes utilis^s par 19
^oci^taires.
Les membres de la section qui ont exerce la di-
rection centrale ont et6 frappes de la defectuosite du
mode suivant lequel est faite la r6paii;ition des publi-
cations que le C. 0. rcQoit en vertu d'^cbanges, depuis
■que la bibliotheque centrale a 6t6 supprimee. Ce mode
d6fectueux rend k peu pr^s inutilisables les publi-
cations qui sont le produit des Behanges. Le comite
a propos6 aux sections qui ont exerce la direetion
•centrale un moyen d'op6rer la r^partition d'une fa^on
plus rationnelle. La question est k Texamen.
Courses collectives. En fevrier: Pic de Chaussy,
7 participants. En aoüt: Col d'H^rens et Tete-
Chronik, 593
Blanche, Zermatt, Gornergrat et Riffelhorn, Augst-
bordpass, Pas-de-Boeuf et Bella Tola, 9 participants.
Ascensions individuelles marquantes. Mr. A. Barbey
{avec Mr. Kurz, de Neuchätel), troisiöme ascension du
Tour Noir; ascension du Dolent.
Le champ d'excursion a 6t6 visite par six membres.
La cabane d'Orny a donnö asyle, du 10 juillet
au 19 septembre, ä 26 groupes de voyageurs com-
prenant 70 touristes , dont 10 dames, et 32 guides
et porteurs et ä des groupes de pfelerins indigönes.
La section a decid6 la reconstruction de la cabane
■du Mountet et s'occupe des moyens d'ex6cution.
Les 6tudes et observations individuelles de glaciers,
mentionn^es dans les chroniques des exercices prece-
dents, ont 6te continu6es.
L'activitö de la section a 6t6 en bonne partie
accaparöe par Torganisation de la fete centrale, Or-
ganisation compliqu^e et rendue difficile par la distance
qui s^parait le lieu choisi pour la fete (Villars-sur-
Ollon) du si6ge de la section. Un beau temps provi-
dentiel a procura une r^ussite inespörße ä cette entre-
prise un peu hazard^e.
Sous-section de Jaman. Comite en 1885. President:
J. Guex; Vice-president : A.Cu6nod; Secr^taire: E.Baer-
Monnet; Caissier: F.Doge; Biblioth6caire: G.Maillard.
Changements pour 1886 Vice-president: G. Mail-
iard ; Secr^taire : J. Chavannes ; Caissier : F. Loude ;
Biblioth^caire : F. Doge.
Effectif: 78 membres.
Un sujet de Philanthropie, deux de litt^rature, un
de physique et un de g6ographie ont 6t6 trait6s dans
les s^ances, en pr^sence d'une vingtaine d'auditeurs.
Deux courses collectives: En hiver k la Dent de
Vaulion et au Moleson en juin.
Principales courses individuelles, extraites de la
liste plus compl^te publice dans l'Echo des Alpes,
no 4, 1885.
38
594 Chronik,
MM. A. Barhey y en hiver: Torrenthoni, Buet; en
6t6: Cols du Chardonnet et du G6ant, Tour Noir
(3™* ascension), Dolent. J. Weiß : Matterhorn, Weiß-
thor, Adlerpass, Mont-Rose. C. Schön: Mönchsjoch^
Weissmies, Alphubeljoch , Breithorn. A. Meebohi:
Strahlegg, Oberaarhorn, Finsteraarhom. H. Vemet:
Bec d'Arguille et autres ascensions en Dauphine.
L. de Rham : Mont-Avril, Ruinette, Combin. P. Jaunin :
Galenstock, Mont-Rose. H. de Constant : Cols dTOrena
(2 fois) et du Trift, Tgte-Blanche. C. de la Harpe
(Mulhouse): Weissmies, Alphubel. W. CartetE.DiUoü.*^
GrUnhornlticke, Oberaarjoch, Titlis. E. de la Harpe:
Aiguille du Tour. E. Court^ A. Robert et L. Hahn :
Jungfrau. L. Forestier: Grand €ombin. L. Meyer:
Breithorn. Dr. Neiß : Titlis, L. de Rameru: Tonr
Sali^re.
XXVI. Zug. Section Roßberg. Präsident: Th.Dänd-
liker-Bär; Actuar: Gust. Bossard ; Cassier: M. Weber-
Strebel. Mitgliederzahl am 31. December 1885 23.
Während des Jahres ist 1 Mitglied gestorben und
2 neu eingetreten.
Es fanden vier Versammlungen statt, nebstdem
ist jeden Dienstag freie Zusammenkunft im Clublocal
(Falken).
Sectionsausfliige wurden nach dem Zugerbei^, Her-
ben, Pilatus und Albis - Hochwacht gemacht. Die
Theilnehmerzahl wechselte hiebei von 6 bis 11 Mit-
gliedern. Zum Clubfest in Lausanne wurde der ßections-
präsident abgeordnet.
V Einzeltouren : von Wetzstein^ Apotheker in Ghatel-
St. Denis : Cape de Meine, Rochers de Naye, Alteis, Wild*
Strubel, Wildhorn, Sanetschpaß, Oldenhom; Dr. Arnold:
Roßstock, Göschenenalp, Alpigerlücke, Furka, Rhone-
gletscher, Eggischhorn, Riffelberg, Gomergrat, Theo-
dulpaß, Breithorn; /. A/. Weher-Strehel: Göscheoen-
alp, AlpligenlUcke, Furka, Rhonegletscher, Eggischhorn^
Ghromk, 595
Riffelberg, Gornergrat, Cima di Jazzi; Gustav Bossard:
Furka, Rhonegletscher, Eggischhorn, Riflfelberg, Gor-
nergrat, Cima di Jazzi ; TJi. Dändliker-Bär : Roßstock;
Joh. Weiß: Dossenhiitte , Wetterhorn; Schweizer-
ingold mit Gemahlin : Roßstock, Dossenhtitte, Wetter-
horn ; F. H. Feiher : Dossenhiitte, Wetterhorn ; Carl
Bossard : Furka, Rhonegletscher, Eggischhorn, Dossen-
hiitte, Wetterhorn; A, Hürlimann, Veterinär: Kleine
Windgelle; Melch, Zimmermann : Roßstock ; J. Bind-
schädler: Roßstock.
XXVII. Zürich. SectionUto. Präsident: F. H. Fäsy;
Vicepräsident : Dr. Egli-Sinclair ; Secretär: Pfarrer
Lavater, Redactor der Schweizer Alpenzeitung; Gassi er:
Major Fritz Oederlin; Bibliothekar: Robert Büehi;
Beisitzer : Dr. August Stadler , Prof. Dr. C. Schröter,
Alb. Huber.
Die Mitgliederzahl betrug am 31. December 1884
317, am gleichen Tage 1885 359. i)
Die Zusammenkünfte finden im Winter im Zunft-
hause zur „Meise", zwei Mal monatlich , mit jedes-
maligem Vortrag, statt, wobei sich durchschnittlich
80 — 100 Mann einfinden; nach der letzten Sitzung
des Wintersemesters, im April, wird ein gemeinsames
Nachtessen servirt. Im Sommer trifft man sich monat-
lich ein Mal an einem Punkte des Ztirichbergs oder
auf dem Uetliberg, außerdem besteht ein Rendez-vous
in der „blauen Fahne" für alle Freitage ; diese Neue-
rung ist eingeführt worden, um den Mitgliedern Ge-
legenheit zur Verabredung gemeinsamer Excursionen
und zur Besprechung clubistischer Angelegenheiten
außerhalb der officiellen Sitzungen zu geben. Auch
sollen Clubgenossen anderer Sectionen, die sich zu-
*) Im letztjährigen Jahrbuch ist ein Druckfehler stehen
g-eblieben : Am 31. December 1883 betrug nämlich die Mit-
glieder zahl nicht 370, sondern 320.
596 Chronik,
fällig hier aufhalten, bei diesem Rendez-vous will-
kommen sein.
Seit dem 1. Januar dieses Jahres wurden folgende
Vorträge gehalten, von den Herren: Prof. Dr. Gerold
Meyer von Knonau : Geschichtliches aus dem Wallis,
besonders über das Lötschenthal ; Herm. Lavater-
Wegmann : Aus dem Quellengebiete des Rheins;
Fridolin Becker, Ingenieur: Octobertage am Wild-
strubel ; Prof. Dr. Albert Heim : lieber Bergschuhe ;
Dr. Asper: lieber die Möglichkeit, hochalpine Seen
mit Fischen zu bevölkern; Pfarrer Studer: Deutsche
Sprach Verschiebungen in den Alpen; Hans Frick:
Hochgebirgstouren ; Rudolf Walder: Besteigung des
Popokatepetl ; Friedrich Schultheß: Geschichtliches
vom Kinzigkulm; R. Zuan-Salis: Einiges über die
Karpathen ; Ingenieur S. Simon : „Zwei Monate ver-
wildert"; H.Ernst-Ott: Erinnerungen vom Hasleberg;
Alfred Hurter : Führerlose Hochgebirgstouren im
Sommer 1885.
Am 1. Juli wurde das Grabmal des seligen Herrn
Prof. Dr. A. E. Biedermann eingeweiht , welches ihm
von Docenten der Hochschule, frühern Schülern und
Verehrern gewidmet ist ; eine Anzahl Sectionsmitglieder
bethätigten sich an diesem Werke zu Ehren unseres
ehemaligen, mehrjährigen Sectionspräsidenten. Bei der
einfachen, würdigen Todtenfeier, an welcher die Herren
Docenten, eine Anzahl Studenten und viele Freunde theil-
nahmen, widmeten unter Anderm der Centralpräsident
Herr Regierungspräsident J. E. Grob und der Sections-
präsident dem Verewigten Worte der Erinnerung. Zu
Ehren seines Andenkens unter uns ist auch sein letzter
freier Vortrag (Winter 1883): „Erinnerungen an eine
jugendliche Welschlandfahrt" durch Herm Professor
Dr. Gerold Meyer von Knonau mit möglichst genauer
Innehaltung des Tenors, welcher B.-s Vorträge kenn-
zeichnete, reconstruirt und durch die S. A. Z. bekannt
gegeben worden.
Chronik. 597
Unsere Bibliotliek ist soeben neu katalogisirt wor-
den, sie mehrt sich beständig und wird öfters benutzt.
Die Clubhütten am Spannort und am Urirothstock,
welche von der Tit. Section Titlis unterhalten werden,
befinden sich in gutem Zustande. An der neugebauten
GlärnischhUtte betheiligte sich die Section mit einem
Beitrag von Fr. 400 ; dem Hülferuf der Section Vicenza
des C. A. I. für die durch Lawinen beschädigten
italienischen Alpenthäler antworteten wir mit einer
Gabe von Fr. 100; den gleichen Betrag votirte die
Section für das vom C. A. F. und Genf projectirte
Denkmal für H.-B. de Saussure.
Der erste Ausflug der Section ging am 4. Januar
beim prächtigsten Winterwetter auf den Bachtel, wo
eine Zusammenkunft mit der Section Bachtel zu beid-
seitiger Freude stattfand. Betheiligung 20 Mann der
Section Uto und mindestens ebenso Viele der Section
Bachtel.
Am zweiten Ausflug, 3. Mai, auf den Lindenberg
betheiligten sich nur drei Herren, da das Wetter
zweifelhaft war.
Dagegen ward die Excursion an Pfingsten auf den
Napf im Emmenthal bei gutem Wetter von 20 Mann
benutzt.
Die vierte projectirte Excursion auf das Bock-
mattli, zwischen dem Linth- und dem Wäggithal, wurde
trotz schlechten Wetters versucht, aber vom Berggeist
mit Regen, Schnee, Hagel und Sturm abgeschlagen.
Dafür gelang die Hochgebirgstour am 18. und
19. Juli, allerdings bei wechselnder Witterung, aber
brillantem Esprit de Corps; die Stationen derselben
waren Linththal, Brächalp, Bärentritt, Furkel, Glatten-
see, Bisithal, Muottathal. An derselben nahmen Theil
die Herren: Dr. Egli - Sinclair , Director ZoUinger,
Schoch-Bodmer, M. Uhl, Arnold Escher, Emil Huber,
Rob. Büchi, Reutlinger, Sulzer-Ernst, Arnold-Ernst,
L. Klaye, F. H. Fäsy: 12 Mann.
598 Chronik.
Einzelfahrten: Ingenieur Jos. jKppicr : Vesuv; Wilh.
Schwamhorn mit Herrn. Waldihausen: Eiger, Wetter-
horn, Lauteraarjoch, Finsteraarhorn, Matterhom, Adler-
paß, Strahlhorn; Carl Seelig: 15. März Leistkamm,
im Mai Scheere und Rautispitz, Piz Meilen, Alvier,
vorderer Mürtschenstock, Vrenelisgärtli , Klein- und
Oroß-Spannort, in zwei Tagen Bristenstock und große
Windgellen, am 20. — 22. Sept.: Hoher Thurm-Zeinen-
Furkel-Bächistock-Ruchen-Glärnisch ; Heinrich Schult-
heß : ürirothstock ; Fritz Steiner: Bristenstock und
Finsteraarhorn; C. Baumann-Ziirrer : Piz Tmnbif;
Prof. R Seyerlen, in Tirol : Dürrenstein, Drei Zinnen,
Tofana, Marmolata, Cima di Fradusta, Cavalazza,
Rosettagipfel, Colbricongipfel, Nuvolan, große Mösele-
spitze, Röthspitze; Pfarrer Mende: Scopi, Badus,
Napf (von Hedingen aus in 18 Stunden); Kern-AttiU'
ger: Pas de Cheville, Eggischhorn, großer Aletsch-
gletscher, Sparrhorn, Alvier, Sulzfluh, Schollberg,
Mädriserhorn , Ktihnihorn; Professor Dr. W. Grö 6 ?i:
Calanda, Piz Linard, Verstanklahorn, Ortler, König-
spitze, Weißhorn, Täschhom; und führerlos: Mageren,
Mürtschenstock, Piz Sol, Aroser Erzhorn, Sandhubel,
Piz ümbrail, Btitzistock; Friedrich Schultheß: Roß-
stock; H. Müller: Piz Corvatsch, Piz Julier, Diavo-
lezza; Otto v. P fister: Hochleitenspitze, Ortler, Piz
Ot, Piz Morteratsch, Parseyerspitze, Zugspitze ; Franz
Schweizer mit Max Schneeli: Schmadrijoch, Beichgrat
und Groß-Nesthom ; Derselbe mit J. M. ühl : Pas de
Chfevre, Cols de Seillon, du Montrouge, Grand Combin,
Grand Paradis über Becca di Montadeni ; endlich mit
drei Damen auf Piz Rusein; Otto Zollinger: Schia-
hom ; Stabsmajor F. Conradin : Rawylpaß, Petit Col
de Ferret ; Emil Huher mit Gebrüder Frick : 5. April,
Rädertenstock, 6. April, Mützenstein, 19. und 20. April,
Groß-Mythe und Schloßberglücke, Oberalpstock, Piz
Zervreila, Tambohorn, Piz Julier (Abstieg über die
Scharte), alles ohne Führer, mit Führer: Piz Medel;
Chronik. 599
Ingenieur S. Simon: Aufnahmen im Aletschgebiet ;
Hermann Lavatert von Tschamutt aus: Badus, Rund-
tour in einem Tag durch Val Cornera und Val Nalps
über Piz Blas, Crispalt ; Theodor Göhrs in Straßburg :
Ool du bonhomme, Col und Pic de la Vanoise;
Dr. G. Finsler, zusammen mit Rector WirZy Section
Aarau : Tambohorn ; Ingenieur R. Moser : Maienfelder
Furka, Aroser Rothhorn, Diavolezza ; C. Steiner : Piz
Linard, Maienfelder Furka, Aroser Weiß- und Roth-
horn ; C. W. Schlüpfer : Groß-Spannort, ohne Führer,
Storegg und Juchlipaß ; Alfred Hurter mit Hans Frick :
ohne Führer: Calanda, mit Sulzer-Ernst und Hans
Frick: ohne Führer: Galenstock, Petersgrat, Wild-
horn; Blümiisalphorn, zusammen mit Herrn Studer,
Section St. Gallen ; Sulzer-Etmst zusammen mit Hans
Frick: Ywerberpaß und Leckihorn; Walther Treichler
und Hagenbuch: Roththalsattel-Mönchjoch (vom Wetter
abgeschlagene Jungfraupartie), Eiger; Hans Stünzi:
Wetterhorn, Jungfrau; August Näf: Ruchen-Glärnisch,
Urirothstock, Klein -Spannort, Altmann, „ Freiheit '^ am
Hundstein ; Hans Vogel : Urirothstock, Piz Morteratsch ;
Professor W. Ritter : Beichgrat , Wildstrubel ; Prof.
Dr. Alb. Heim : Tödi ; geologische Excursionen mit
Schülern und Fachgenossen im Tödigebiet, am Foo-,
Segnes-, Panixerpaß, Silberen etc.; F. H. Fäsy: Pointe
de la Mossetta, Dent du Midi; Rudolf Ganz und
Carl Ott: Wildstrubel.
Am Clubfest nahmen 18 Mitglieder Theil, 6 davon
waren zusammen über Freiburg, die Gruy^re und die
waadtländischen Alpen nach Villars gezogen; man
weiß, welch' nasse Tage dem wunderschönen Feste
am Fuße des Grand Muveran vorangingen
XXVIII. Zürich. Section Bachtel. Der Vorstand
besteht aus den Herren: Sekundarlehrer Beglinger in
Wetzikon, Präsident; W. Weber-Honegger, Kaufmann
in Rüti , Vicepräsident ; C. Bindschedler , Kaufmann
600 Chramk.
in Sehirmensee, Qnästor; Fr. Lehmann, Redaktor in
Hinweil, Actnar; C. Rüegg, Secnndarlehrer in ßüti,.
Bibliothekar.
Während des Berichtjahres fanden acht meistens-
ziemlieh zahlreich besuchte Sitzungen statt, in welchen
folgende Vorträge abgehalten wurden : Hr. Bertschinger :
Die gemeinsame Excursion auf den Falknis 1884;
Hr. Beglinger: Die Geschichte der Astronomie von
den ältesten Zeiten an, und: Copemicus und seine
Weltanschauung; femer: Die außerordentliche Dam-
merung und der braunrothe Sonnenring seit November
1883; Hr. J. E. Kramer in Rttti: Ein Ferienaufent-
halt an der Lenk; Hr. Oberholzer in Wald: Eine
Tödibesteigung im Winter (23. und 24. Januar 1885);
Hr. Beglinger in Wetzikon: Ueber Meteorologie, mit
specieller Berücksichtigung der Witterungsverhältnisse
im Sommer 1885; Hr. C. Bindschedler in Schirmen-
see: Das Clubfest in Villars, und Hr. Fr. Lehmann
in Hinweil: Die gemeinsame Excursion auf die Cla-
riden (1., 2. und 3. August 1885).
Als engeres Excursionsgebiet für 1885 wurde da&
Gebiet zwischen dem obern Zttrichsee, Linth, Klon-
thal und Wäggithal, also die Wäggithaler Gebirgs-
gruppen, bezeichnet; dieses Gebiet ist aber leider
trotz des so günstigen Sommers nicht in befriedigender
Weise besucht worden ; dagegen hat die Hochgebirgs-
tour, die auf 1., 2. und 3. August angesetzt war und
deren Ziel die Spitze des Claridenstockes sein sollte^
zehn Personen vereinigt. Es sind dies die Herren
Weber-Honegger, Emil Honegger und Franziskus von
Rüti , Bindschedler und Brennwald von Feldbaeh,
Kronenberg und Kräutle von Rapperswyl , Heer von
Dümten und Fr. Lehmann mit Frau von HinweiL
Leider konnte des^ eintretenden Nebels wegen die
Spitze des Claridenstockes nicht erreicht werden, und
die Gesellschaft passirte dann bei den bekannten
schwierigen letztjährigen Gletscherverhältnissen den
Chrmik, 601
HüfigletBcher vom Sandpasse aus. Die Excursioi»
verlief sehr befriedigend und ohne irgend welchen
Unfall.
Das Clubfest in Villars ist von drei Mitgliedern
besucht worden.
Von Einzeltouren sind dem Berichterstatter bekannt
geworden :
J. Oherholzer in Wald: Eine Tödibesteigung am
26. Januar bei prachtvollem Wetter; im Juni Be-
steigung des Üri-Rothstockes und von Amsteg durch's^
Maderanerthal über den Httfigletscher und Sandfirn
nach Linththal; am 28. Juli auf dem Säntis; an der
Glärnisch-Htitteneinweihung : Rüchen und Vrenelis-
gärtli; Aroser Rothhom etc. Fr. Lehmann in Hin-
weil: Forcefußtour in drei Tagen (10., 11. und
12. Juli) von Elm über den Panixerpaß nach Disentis-
St. Maria (Lukmanier) -Terminipaß -Val Piora-Airolo-
Air Aqua (im Bedrettothal) -Val Como-Griesgletscher-
ülrichen (Wallis) -Grimsel-Guttannen (ohne Führer);
ferner Stätzerhorn und über die höchst selten began-
genen Spontisköpfe nach Chur. Dürsteier , Rtiti:
Säntis, Engadin; Stätzerhorn.
Die Mitgliederzahl, die im Anfang des Jahres auf
58 stand, hat sich erfreulicher Weise auf 64 vermehrt»
XXIX. ZUrich. Section Winterthur. Vorstand r
Präsident: 0. Herold; Actuar und Vicepräsident :
Ed. Sulzer -Ziegler; Quästor: P. Reinhart -Sulzer;
Bibliothekar: E. Btichler. Mitgliederzahl 74.
Die Section hält im Winter alle 3 — 4 Wochen
ihre Sitzungen ab , im Sommer alle Donnerstage freie
Zusammenkünfte.
Vorträge wurden gehalten von den Herren:
J. Weber-Imhoof: Hochtouren im Berner Oberland,,
eine Tödifahrt im Winter; Ed. Sulzer-Ziegler: Allerlei
von der Lenk; Lehrer Ritter: Nach Chiavenna und
Pontresina; 0. Herold: Das Clubfest in Villars-sur-
€02 Chronik,
Ollon; D. Ernst: Besteigung des Finsteraarhorns;
E. BUchler: Geographische Charakterbilder; Dr. Ro-
bert Keller: Saussure.
Zur Vermehrung der Bibliothek soll nach Beschluß
■der Section jährlich ein Franken auf jedes Mitglied
verwendet werden.
Die gemeinsamen Ausflüge blieben zum größern
Theil bloße Projecte. Ausgeführt wurden im Winter
-die üblich gewordene Excursion auf den Bachtel^ im
Frühjahr ein Marsch über die ganze Hörnlikette bis
aur Kreuzegg und Tweralp, und im Sommer auf Ein-
ladung der Section St. Gallen und gemeinsam mit ihr
«ine Fahrt in die Appenzeller Berge.
Einzelexcursionen : HH. F. Ammann: Tödi, Porta
da Spescha, Uri-Rothstock ; A. Baumgartner: Dia-
blerets; Caflisch: Breithom; D Ernst: Finsteraarhom;
Fleischer : Breithorn, Matterhorn, Weißhom ; P. Rein-
hardt-Sulzer : Monte Moro; Dr. Aug. Sulzer: Monte
Eosa, Täschhoru; J. Weher: Tödi im Januar, Matter-
liorn, Weißhorn, Zinalrothhorn, Monte Rosa; Zwnnfc;
Alphubel.
Dreiundzwanzigste Jahresrechnung
des
Sch^w^eizer A.lpenclub
vom 1. Januar bis 31. December 1886.
Von Albert Nägeli, Centralcassier in Zürich.
£Iiii]ia,1iiiieii.
1. Eintrittsgelder ;^ 279 ä Ft. b . Fr. 1,395. —
2. Jahresbeiträge:
läFr.5 Fr. 5
Von 1883
1884
1885
77 1884
16,, „ 5 „ 80
2606 „ „ 5 „ 13,030
„ 13,115. —
3. Clubzeichen: 104 ä 50 Cts. . „ 52. —
4. Gamets -Diplomes: 2 ä Fr. 1. 25 . „ 2. 50
5. Exeursionskarten . . . . „ 228. 55
6. Zinsen „ 706. 20
Fr. 15,499. 25
Ueberschuß der Ausgaben „ 196. 60
Fr. 15,695. 85
1. Jahrbuch. Deficit auf Band XX . Fr. 498. 85
2. Echo des Alpes. Unsere Subvention
pro 1885 „ 1,000. —
3. Exeursionskarten:
Per 200 Exeursionskarten von
1882/84 . . Fr. 170. —
Kosten der Excur-
sionskartel882'84 „ 5061. 10
Per 600 Exeursions-
karten 1885 86 . „ 720.
n
5,951. 10
Uebertrag Fr. 7,449. 95
604 Chronik.
Uebertrag Fr . 7,449. 95
4. Rhonegletscher -Vermessung . „ 2,106. 65
5. Clubhütten:
Glärnischhtitte. Beitrag an Neu-
bau . . . Fr. 1500. —
Dossenhtitte. Wieder-
aufbau . „ 515. 40
Oberaarjochhütte.
Reparatur u. Asse-
curanz . . „ 18. 20
Graubtindnerhütten
Assecuranz . „ 46. 50
„ 2,080. 10
6. Führerkurs in Urnäsch . . „ 150. —
7. Ftihrerversicherung . . . „ 906. —
8 Baumgartner'sche Preisschrift
Deutsche Ausgabe . . . „ 460. —
9. Publikationen des D. u. Oe. A. V. „ 288. —
10. Tauschexemplare des Jahrbuchs . „ 163. 05
11. Drucksachen . . . . „ 1227. 30
12. Diverse „ 864. 80
Fr 15,695. 85
Bilanz des Capital-Conto
auf 31. December 1885.
Vermögen am 31. December 1884 . Fr. 16,100. —
A-Ctiva.
10 4V2 ^/o Obligationen der Bank in
Luzern k Fr. 990 . . . Fr. 9,900. —
Guthaben bei der Bank in Zürich . „ 39. —
„ 77 r? Leihcassa Zürich . „ 5,867. 20
Baar in Cassa . . . . „ 97. 20
Fr. 15,903. 40
Deficit pro Bilanz • . . . „ 196. 60
Fr. 16,100. —
VINGT-TROISI^ME R^SUM^
DES
EECETTES ET DEPENSES DU C. A. S.
EN 1885.
Pab A« NJSGELI, Caissier Central, a Zürich.
Recettes.
1. Droits d'entr6e: 279 ä fr. 5 . fr. 1,395. —
2. Contributions :
De 1883:
, 1884:
„ 1885:
1 ä fr. 5
2606 „ „ 5
fr. 5
80
„ 13,030
„ 13,115. —
3. D^corations: 104 ä 50 cent. . „ 52. —
4. Camets-diplomes : 2 ä fr. 1. 25 . „ 2. 50
5. Cartes d'excursions . . . „ 228. 55
6. Int^rets „ 706. 20
fr. 15,499. 25
Excedant des d6penses „ 196. 60
fr. 15,695. 85
D^peiises.
1. Jahrbuch Deficit du tome XX . fr. 498. 85
2. Echo des Alpes. Notre Subvention
pour 1885 „ 1,000. —
3. Cartes d'excursions :
Pour 200 cartes d'excursions de
1882/84. . . fr. 170.—
Frais de lev6s de la carte
d'excurs. de 1882/84 „ 5061. 10
Pour 600 cartes d'excur-
Bions de 1885/86 . „ 720.—
„ 5,951. 10
A reporter fr. 7,449. 95
606 Chronik,
A r^poiiier fr. 7,449. 95
4. TravauxauglacierduRh6neenl885 „ 2,106. 65
5. Cabanes:
Subvention ponr la nouvelle cabane
du Glsernisch . fr. 1500. —
Reconstruction de la
Dossenhtitte . „ 515. 40
Reparation et assu-
rance de la cabane
de l'Oberaarjoch . „ 18. 20
Assurance des cabanes
ducant.desGrisons „ 46. 50
„ 2,080. 10
6. Cour 8 de guides k Urnsßsch . „ 150. —
7. Assurances de guides . . . „ 906. —
8. Brochure Baumgartner. Edition
allemande n ^^^' —
9. Publication du D. u. Oe. A. V. . „ 288. -
10. Exemplaires d'^change du Jahrbuch „ 163. 05
11. Impressions . . • • ^ 1,227. 30
12. Divers ,, 864. 80
fr. 15,695. 85
Bilan du compte de capital
au 31 d^oembre 1885.
Capital au 31 döcembre 1884 . . fr. 16,100. -
Actif.
10 Obligations 4'/2 ®/o banque de Lu-
cferne ä fr 990 . . . fr. 9,900. —
Avoir ä la banque de Zürich . . „ 39. —
„ „ „ Leihcassa Zürich . . „ 5,867. 20
Espfeces en caisse .... _j^ 97. 20
fr. 15,903. 40
Deficit pour balance .... „ 196. 60
fr. 16,100. —
Index.
A.ar, glaciers du bassin de 1'
Adamellogruppe, aus der
Adda, glaciers du bassin de V
Agassizhorn ....
Agassizjoch ....
Aiguilles d'Arve .
Aiguille Blanche de Peuteret
Aiguille de Gol6on
Alle Sarche (Schlucht)
Alpenzeitung, Oeaterreichische
Alpfahrt, eine, im Unterwallis
Alpine Journal
Alpine Literatur .
Annuaire C. A. F. .
Bacone. Aus der Gruppe des
Berglistock ....
Bietschhorn ....
Blashorn ....
Blindenhorn ....
Blitzschlag, Wirkungen des auf Gestein
Blitzstern ....
Bliinolisalphörn mit Abstieg gegen
Bocca di Brenta .
Breithorn (Lauterbrunner) .
„ (Lötschen) .
Brenta, Dolomite .
die
Seit»-
. 37»
. 286
. 38^
37 (Anm.)
36
245. 256*
. 433^
245. 275-
. 286
. 499^
. 437
. 504
. 507
. 505
218. 219*
Fründen
296.
15.
288*
221*
53
121
118^
102
342^
355*
450
29»
449
84
295
Anm, * bezeichnet Illustrationen, Karten u. dgl., i. d. M.
in der Mappe.
608 Index,
Seite
Oampiglio . . . . ... . .290
Chiliomodi, Aussicht von* i. d. M.
Chronik S. A. C. 1885 531
€ima Brenta alta 300
„ del Largo 222. 226* 436
„ di Nardis (Presanella) 291
„ da Splug 236. 436
„ Tosa .300
•Club Alpin Fran^ais. Annnaire 1884 . . .505
CJlubgebiet, Erinnerungen aus dem .... 3
f, Ein photogr. Ausflug im . . . .62
Col de Jean-Jean 267
Col Lombard 274
Col de Planereuse et Darre! . . . 151. 433
Col de Plines loS
Col des Sarrazins 256
Col des trois Aiguilles 252
Crispalt 459
►arrei, le . . 156. 433
Delegirtenversammlung, XXIL, Protokoll . . .533
Dent Perroc 433
Deutscher und Oesterreichischer Alpenverein . 496
Doldenhorn und Fründeiyoch . . . 135. 144* 434
Dom 434
Dordonapaß 474. 478
Drave, glaciers du bassin de la 385
^Bcho des Alpes 495
.Eginenthal »Titelbild.
Elektrische Erscheinungen am Säntis .... 469
Excursionskarte *i. d. M.
DFiescherhorn (Hinter-) 435
Finsteraarhom . . . '. '— , . ^ . . 33
Einsteraarjoch 33. 59 (Anm.)
Finsteraarrothhom 75. 436
Fisistöcke und Doldenhörner *144
Fründenjoch 143
Fullyalp 449
Fuorcla del Largo 223. 236. 436
Furka, kleine 205. 207*
große 205. 209
Pußhorngrat 83
Index.
601>
Oehrenthal, Zwischen — und Eginenthal
Generalversammlung, XXL, Protokoll
Glaciers des Alpes, les variations des
Glecktobel .
Gletscherkunde
Gletscherpickel
Gliemspforte .
Gomserberge, aus den
Gornerlilücke
Gredetschjoch
Groß hörn
Grünhorn (Klein-)
Grünhomhütte
Guscha .
G Wächten j och
Harpprecht, Bergfahrten von
Hinter-Fiescherhorn
Hoher Thurm
Inn, glaciers du bassin de 1'
«Jägilücke
Jahresbericht, 22., des Centralcomite
Jahresrechnung, 23. .
Jahresversammlung in Villars-sur-Ollon
Javelle: Souvenirs d'un alpiniste
Jesfürkli ....
Julische Alpen, Römerstraßen in
Jungfrau (der neueste Weg)
ialkenfriedhof .
Kamm .
Kellern en, in den .
Klein-Grünhorn
Kurze Gang .
Largo, Cima und Fuorcla del
JLängisgrat .
Lauteraarhorn (Groß-) .
Lauteraarsattel
Lauterbrunner Breithorn
Literatur, alpine .
Linth, glaciers du bassin de la
Lousine
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Seite
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39
610
Index.
Liiziensteig
Lysjoch
Lyskamm
IMLalevo
Mettenbergjoch und -Kamm
Meiirer, J., Reisehandbücher
Mittheilungen des D. u. Oe. A. V. .
Montblanc, le versant suisse de la chatne du
Muretto- und Dordonapaß ....
Miirtschenstock
Nässihorn
Nebelbild
Nesthorn, Groß-
Norvege, glaciers de
Notizen aus den Glarner- und Urnerbergen
Oberaarjochhütte
Oesterreich. Alpenzeitung
Oesterreich Touristenzeitung
Orny, Cabane d' .
P*eloponnes. Eine Bergfahrt im
Pinzolo .
Piz Bacone .
Piz Bernina .
Piz Glflschaint
Pizzo dei Rossi
Platten, Terrasse der .
Po, glaciers du bassin du
Presanella
Pyrenees, glaciers des .
landegger's Alpenland
Ueuss, glaciers du bassin de la
Rhätische Alpen, Römerstraßen in den
Rhätikon, Aus dem
Ithin, glaciers du bassin du
Rhone, glaciers du bassin du
Rhonegletscher (Vermessung etc.
Rissen- oder Risihorn .
Römerstraßen, die — in den Alpen
Rothhornaattel
Roththalhütte
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195. 214
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. 323
75
92
Index, 611
Seite
^aminajoch 194
Salarueljoch 205. 207*
Salzach, glaciers du bassin de la . . . . 384
Säntis, elektrische Erscheinungen am . . . . 4G9
Scesaplana 202
Schafberg (Gehren) 114
Schrat, Paß über 106
Sectionen 659
Silberbast 165 (Anni.)
Societä degli Alpinisti Tridentini .... 502
Spannort (Klein-) 458
Stürvis 199
Tete de Vari, Vue prise de la . . . . *i. d. M.
Tione 287
Tödi mit Abstieg durch die Gliemspforte . . . 462
Touristenzeitung, Österreich. 502
Trugberg 33. 74 *i. d. M.
XJrbachsattel 453
Variations, les — periodiques des glaciers . . 358
Val di Genova 291
Val Rendena 280. 287
Vallone del Largo , . 237
Villars-Chesicres et les Alpes vaudoises . . . 398
Villars-sur-Ollon, Gebirgsansicht von . . . *i. d. M.
^%Veißhorn (Aletsch) 78. 80
AVetterlücke 18
AVindgälle (Groß-) 459
ieitschrift des D. u. Oe. A. V 496
Zsigmondy: Die Gefahren der Alpen . . . 486
AUG 8 1918
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